Und den Fluch im Kielwasser... von Tsutsumi ================================================================================ Kapitel 1: Port Royal --------------------- Autor: Tsutsumi Titel: ...Und den Fluch im Kielwasser... Teil: 1/? Kommentar: Also, dies ist eine "Fluch der Karibik"-FF. Wer jetzt schon weiß, dass er's nicht mögen wird, sei also hiermit gewarnt^^" Ansonsten ist zu sagen, dass diese Geschichte zeitlich ein paar Wochen nach den Geschehnissen des Filmes spielt, was aber (hoffe ich zumindest^^") auch aus dem Teil hervorgeht. Disclaimer: Gehört alles nich mir, auch die Charas nicht; ich leih mir nur aus und gebe (größtenteils :P) unbeschädigt wieder.^^ Bezahlen tut mich hierfür auch niemand *schade* Warnung: sappy, Shounen-Ai..ähm...joa, soweit^^ Über Kommentare würde ich mich freuen, soweit jemand über diese FF stolpert^^ Port Royal "Wer auch immer glauben mag, er sei mir entkommen... Ich finde dich wieder... Ich räche mich... Auf dass Flüche immer schlimmer werden; Ich verfolge dich!" Das Schild an der Schmiede schaukelte leicht im Wind. Ein Buchstabe war verblasst, so dass es aussah, als würde daraufstehen "Bron" statt "Brown". Der frische Wind von der See hing an dem Stück Blech, fuhr in kleinen Strömchen durch die Tür hinein, die sich darunter geöffnet hatte, bis der junge Mann sie schnell wieder zuzog. An der Tür vorbei drängten sich geschäftig Leute, trugen Eier und Gemüse, zerrten kleine Kinder hinter sich her, strichen sich die Uniform glatt, rückten an ihrer halb zerfetzten Kleidung und katzbuckelten halb vor denen mit der Uniform. Will drückte sich bereitwillig gegen die Tür, um einen Schwall Leute vorbeizulassen, machte sich dann in Gegenrichtung auf den Weg. Es war Morgen und alles rannte zum Marktplatz, ihm ausweichend. Will Turner war niemand mehr, den man nicht kannte. Er war kein Mann, den man am Gehen halb anrempelte, dem man, wenn auch aus Versehen, auf den Fuß treten würde im größten Menschengedränge. Die Leute hielten einen Abstand von mindestens zwei Metern zu ihm, starrten ihn an, von vorne und hinten, von links und von rechts. Und erst wenn er aus ihrem Blickfeld verschwunden war, begannen die Leute zu tuscheln und zu murren... Er war kein Unbekannter mehr... "Ungeheuerlich, dass er hier noch herumlaufen darf!" "Aber versteht doch, er hat die Tochter des Governeurs gerettet!" "Mit einem Piraten! Als Pirat! War nicht auch schon sein Vater ein Pirat?! Das kann kein gutes Zeichen sein!" "Warum nur hat man ihn nicht mit Jack Sparrow aufgehängt?!" Der Mann schaute geradeaus auf den Weg, schaute jedem, der ihm entgegenkam und kuschte, in die Augen. Vor einer Kreuzung saßen zwei Mädchen im Sand und spielten mit kleinen Strickpüppchen. Will lächelte sie an. Eine Sekunde später kam die Mutter der Kinder aus dem Haus gestürzt und heftete sich, einer Glucke gleich, an die beiden. Zwei Straßen weiter endlich tauchte vor ihm die kleine Anhöhe mit dem Haus des Governeurs auf. Ohne es selbst zu spüren, atmete Will erleichtert auf und mit jedem Schritt wurde er ein wenig schneller. Der Himmel über ihm war blau. Palmen wedelten wie winkende Frauen im Wind. Und dort...dort auf dem Balkon stand Elizabeth! Der Mann sah wie verzaubert hoch, lächelte seiner Geliebten entgegen und sofort war der Wind der Karibik in seinen Haaren, in seinem Gesicht nicht mehr viel zu heiß, sondern kühlend und wohltuend. Solange diese Frau ihn liebte, solange sie ihn wollte, den geächteten Schmied und Piraten, war ihm alles andere egal. Sein Herz schlug vor Entzücken darüber bis zum Hals, ließ ihn halb die letzten Stufen zum Haus hinauffliegen und sich vom Hausdiener begrüßen. "Mr. Turner!" empörte sich dieser in stocksteifer Haltung. "Ich muss doch sehr bitten!" Will strahlte ihn an, so wie er seine Verlobte anzustrahlen pflegte, verbeugte sich, wie es die edlen Herren in Gegenwart Elizabeths immer taten; "Verzeiht, ich konnte nur nicht warten!" Er stürmte in das große Haus, mäßigte dann aber doch seinen Schritt. Mit dem ehrbaren Mann dort an der Tür wollte er sich beileibe nicht anlegen. Zudem ziemte es sich nun einmal nicht. Elizabeth war vom Balkon im ersten Stock heruntergekommen. Stand auf der Treppe und lächelte übermütig. "Soso, mein Herr, Ihr konntet also nicht warten!" kokettierte sie, entfaltete spielerisch einen Fächer vor dem Gesicht und schmiegte sich leicht an das Treppengeländer. "Nun, das ist schlecht, denn Geduld ist eine Tugend, nicht wahr?" Sie lachte leise. Und in diesem Moment wusste der junge Mann, dass er nur diese Frau immer würde lieben können. Niemals würde er sie verlassen...Niemals würde er sie betrügen... Niemals! Und was auch geschehen mochte! Er trat in langsamen Schritten die letzten, ihn von Elizabeth trennenden Stufen herauf, nahm ihre Hand und hauchte einen zarten Kuss darauf. Und dabei durchfuhr ihn einmal mehr all diese Wärme der Liebe, die ihn schon seit langem innewohnte. Er würde dieses Mädchen heiraten, er würde mit ihr eine Familie gründen und... "Will..." Ihre Stimme flüsterte es zart in sein Ohr. Plötzlich war der Fächer ganz nahe, war zusammengeklappt worden und strich nun sanft über seine Wange. Im Schatten von der hereinscheinenden Sonne getrennt, war ihr Gesicht ganz nahe und ihre weichen Lippen glänzten selbst im Halbdunkel des Hauses verführerisch. "Bleib bei mir heut! Bis der Mond aufgeht!" Will schloss sanft die Augen, ließ sich in ihre Umarmung gleiten, fühlte ihre weiche Haut, hörte ihr teures Kleid, von dem er Angst hatte, es mit seinen Kleidern zu verschmutzen, rascheln. Spürte ihren Mund auf seinem und merkte sein wild rasendes Herz, das scheinbar in seiner Brust kollabierte... Es war wie ein Traum... Ein ewiger wilder und doch zarter Traum. Und er hatte Angst, ihn mit seinen rauhen Schmiedhänden zu zerstören... Sie reichte ihm Tee in zartem, blendenweißem Porzellan, goss nach, erzählte dass diese Teeblätter in Indien von schwarzen Frauen geerntet würden, dass die Gartenstühle, in denen sie saßen, ein Importartikel aus dem fernen England waren, dass der Rasen echt englisch sei und der Gärtner ihn dennoch schlampig bearbeitete. Sie lachte leise, warf dabei lady-like den Kopf zurück, mit soviel Stil, dass Will dachte, sie habe es als Mädchen in der Schule gelernt. Sie benutzte hin und wieder komplizierte Wörter, die er bestenfalls einmal gehört hatte, und lächelte still in sich hinein, was für eine kluge Frau seine Verlobte doch war. In den Palmen tobten zwei zahme Affen, bekreischten sich gegenseitig. In den Bäumen saßen Singvögel. Die Sonne durchwanderte den Tag. Und dann neuer Tee. "Ist es nicht seltsam?" meinte Elizabeth plötzlich und rührte nachdenklich in ihrer Tasse. "Jetzt ist das alles auf den Tag sieben Wochen genau her...Seit Jack Sparrow weg ist." Sie grinste. Will stellte seine Tasse mit Sorgfalt zurück auf den teuren englischen Tisch und lächelte, strich sich durch die Haare. "Ja... Sieben Wochen..." Er starrte in den Garten, auf die Palmen. "Mir kommt das vor, als sei eine Ewigkeit vergangen seitdem..." Die braunen, klaren Augen fixierten sich nachdenklich auf die Palme, in der die Äffchen tobten, versuchten, ein Bild des verschollenen Mannes in den Kopf zu schieben. Will erinnerte sich an den seltsamen Piraten mit dem wilden Blick, der schwarzen, geschmückten Mähne und den dunklen, geheimnisvollen Augen... Wie sie ihn angesehen hatten, wie sie mit den seinen gesprochen hatten, vielleicht mehr als die Münder der beiden Männer. In seinen Gedanken grinste Sparrow, wie er es so oft getan hatte, rückte näher, entblößte beim Grinsen die Goldzähne... "Was er wohl gerade verbricht?" murmelte Turner geistesabwesend, noch immer auf die Palme starrend. "Na was so ein Pirat nun mal macht!" gab Elizabeth zurück. "Rauben, plündern, seine Seele noch schwärzer färben mit all diesem Rum!" Sie schüttelte den Kopf, als würde sie den nicht Anwesenden nachhaltig tadeln. Der Löffel klirrte an dem teuren Porzellan. "Vielleicht vergnügt er sich auch mit den Weibsbildern auf den Pirateninseln! Wer weiß das schon?!" Ihr Ton hing irgendwo zwischen belustigt und desinteressiert. Will schob schnell Jacks Gesicht aus seinem Kopf. Hatte es denn noch einen Sinn an diesen Kerl zu denken? Den würde er eh nie wieder sehen, der war gegangen ohne richtige Verabschiedung, ohne ein Wort des Dankes...Einfach so... Will wusste ja nicht einmal, ob er ihn seinen Freund nennen konnte. Wie ein Gespenst kam ihm dieser Mann nun vor. Wie etwas Geheimnisvolles, etwas das man nicht greifen konnte. Wie ein Phantom war er in Wills Leben aufgetaucht, hatte es vollkommen umgekrempelt und in dem Moment, in dem er, Will Turner, sich für diesen Piratenkapitän quasi selbst ans Messer geliefert hatte, war Jack Sparrow einfach verschwunden... Treulos. Vogelfrei. So wie er es immer gewollt hatte. "Will? Will?" Die untergehende Sonne blendete Turner, als Elizabeth ihn aus den Gedanken hochschreckte. "Hast du mir zugehört? Ich habe dir gerade die Gästeliste bei Hochzeit herunterdiktiert!" Die braunen Augen des Mannes sahen sie benommen an. "Der Governeur der Nachbarinsel! Der Commodore, Will, sogar der Commodore will kommen!" Das Mädchen quietschte fast vor Glück. Will lächelte unbeholfen, ein schüchternes Lächeln, das Elizabeth so zu entzücken schien, dass sie ihn auf den Mund küsste, ihre Arme um ihn schlang und ihn mit dem zarten Duft ihres Parfums einhüllte. Sie kuschelte sich eng an ihn, zu eng vielleicht für den Governeur, der das Pärchen vom Haus aus bespitzelte. "Ich sehe schon, das interessiert dich nicht gerade..." Er schaute nachdenklich zurück zur Palme, dann zur untergehenden Sonne. Sie hatten lange hier gesessen heut. Hatten Tee getrunken, hatten sich geküsst, kleine, schüchterne Küsse und sie hatte seine Hände scheu gehalten. Und nun... "Das ist es nicht, 'Lizbeth." raunte er in ihr Ohr, strich sanft über ihre weichen Haare. "Aber ich kenne diese ganze feine Gesellschaft doch gar nicht..." Sie nickte leicht, drückte sich sanft ein Stückchen wieder von ihm weg. "Oh Will, das musst du doch gar nicht!" Ms. Swann streichelte erneut die Wange ihres Geliebten. "Los, komm her... mein Pirat...!" Sie kicherte, kuschelte sich wieder verliebt bei ihm ein, schwang kokett die Beine über die Armlehne des breiten Gartenstuhls. Der Mann legte lächelnd die Arme um sie, hielt sie, küsste sie, verharrte mit ihr still in liebevoller Eintracht. Und als sie dort eindöste in seiner Umarmung schwanden seine müden Gedanken wieder dahin... vergingen sich an der Vergangenheit, verließen die Gegenwart, waren weggezerrt vom Schlaf... Im Traum sah er das alte Aztekengold dort in der Truhe. Spürte sein pulsierendes Leben zwischen dem alten Messing, in dem es eingebettet war. Er stand daneben, starrte auf die Goldmünzen, die ihn anglotzten, sah den Preis, den er bezahlt hatte darauf. Sein Blut, dass an dem Medaillon klebte, getrocknet war. Ein stiller Zeuge. "Du hast sie einfach freigekauft!" Will fuhr herum, rutschte beinahe aus auf dem leichten Hügel, auf der die Truhe stand. Er riss erschrocken die Augen auf, wich einen Schritt zurück. Vor ihm stand ein Indianer, behängt mit goldenem Schmuck. Auf dem Rücken des Fremden hing ein Jaguarfell, er trug Ohrringe und streckte seine alte, halb verdorrte Hand nach Will aus. Turner betrachtete die Gestalt argwöhnisch, wollte sein Schwert ziehen. Doch er griff ins Leere... "All die Verbrecher, die dachten, sie könnten mit dem Fluch nur spielen!" Der Indianer kam näher und erst jetzt fiel Will auf, dass sich grüne, dickbäuchige Schlangen um seine Arme wickelten, still mit ihren diamantfarbenen Augen starrten und züngelnd verharrten, als ob sie auf Beute lauerten. Die Augen des alten Mannes funkelten unheimlich....Wie die der Schlangen. "Warum?" presste Turner ängstlich hervor. "Ich habe nur wiedergutgemacht, was mein Vater..." Er verstummte, als der Mann sich scheinbar ohne sich zu regen zu ihm geschoben hatte, ihn direkt anstarrte mit seinen bösen Schlangenaugen. Ein Schlangenmaul kam immer näher und näher. Zischend riss das Tier sein Maul auf, entblößte lange Giftzähne und schnappte nach Wills Gesicht, so dass der junge Mann ängstlich noch einen Schritt zurückweichen musste. "Du hast sie einfach freigelassen!" brummte der Indianer, fuhr scheinbar durch die Luft hinter Will her. "Dafür wirst du büßen, dummes Menschenkind! Hörst du, du wirst büßen, wirst leiden, wirst bezahlen!" Will ächzte vor Schreck, rutschte aus und sackte im letzten Moment auf Knie, andernfalls wäre er hintenüber den Anhang heruntergekippt. Er spürte den pochenden Schmerz in seinen Knien, spürte den Atem der giftgrünen Schlange, die sich blitzschnell um seinen Hals festzurrte, ihren Körper immer enger darum schnürte und ihm das Leben austrieb, ihre Zähne in seine Schlagader haute. Und das letzte, was er sah, waren die bösen, verengten, rotglühenden Augen des Azteken, der ihm fremde, unbekannten Wörter entgegenspuckte, ihn scheinbar in dieser Sprache zu verfluchen schien, ihn mit seinem Hass langsam mehr umbrachte als es das Gift und das Würgen der Schlange taten. Die alte verdorrte Hand berührte Wills Wange, strich an ihr entlang und hinterließ ein eiskaltes Gefühl.... Wie Tod... Wie das Stoppen seiner eigenen Existenz.... Mit einem tiefen gurgelnden Keuchen erwachte Will aus dem Schlaf, spürte Elizabeths warmen Körper an sich und starrte in die Nacht hinaus, die sich um das Pärchen geschlichen und niedergelegt hatte. Er spürte sein Herz dahinrasen, als wollte es dem Alptraum davonlaufen und sich verstecken. Auf der Palme raschelte es verräterisch und in seinen Armen regte sich die junge Frau schlaftrunken, tat nur langsam die Augen auf. "Was ist...?" Will hörte ihre Stimme und mit einem Mal war es, als durchführe ihn noch ein Stoß der Panik, der unsagbaren, unsichtbaren Angst. Es hätte nicht viel gefehlt und er hätte sie von seinem Schoß gestoßen. "Ein...ein..." Seine großen Augen starrten sie waidwund an und er wusste, sie konnte seine Angst lesen, nein, diese Angst hatte sich über sein Blut in sie geschlichen, hielt sie nun ebenso gepackt wie ihn. "Will...!" hauchte Elizabeth und hob die Hand. Sie blinzelte verschlafen, berührte ihn so zärtlich sie konnte. Doch ihre Hand war kalt...so kalt wie Eis... Im selben Moment begann Wills Herz sinnlos zu rasen, überschlug sich, schmerzte, schien zu kollabieren. In seiner Brust begann es, ihn einzuengen, presste ihm die Luft aus den Lungen und blieb schwer wie ein Amboss darauf liegen. Gleichzeitig spürte er den kalten Hauch von Elizabeths Hand, der ihm vom Leben abzuschneiden schien. In Panik drückte er das Mädchen von seinem Schoß hoch, fuhr aus dem Gartenstuhl auf, hustete, röchelte. Die Luft wollte nicht zurück in seine Lungen, war wie Gift geworden! Vor seinen Augen tanzten weiße und schwarze Punkte. Will schlug sich in Panik die Faust auf die Brust, riss den Mund auf, versuchte Luft zu verschlucken, doch es ging nicht! Irgendetwas saß in seiner Brust und schien ihn töten zu wollen! Nein...Nein, das durfte nicht das Ende sein! Er durfte...er konnte doch jetzt nicht sterben! Wills Augen schmerzten, seine Faust wurde taub, als er immer und immer wieder auf seine Brust damit einhämmerte, als gälte es, sich zu erschlagen. Irgendwo in der Ferne war 'Lizbeths Stimme, rief ihn ängstlich und voller Furcht, doch die Todesangst hatte seine Ohren verstopft wie ein Dämon, ließ ihn sich wie ein Irrer auf dem Boden krümmen. Die Luft strömte wie dicker Brei in seine Brust, war doch nicht genug und kehrte wie eine dreckige Brühe wieder aus seinem Körper zurück. Seine Glieder krampften... Wollten sich ergeben... Und mit einem Mal sah er den Mann aus seinem Traum wieder. Er konnte ihn direkt vor sich stehen und auf sich niederblicken sehen. Das alte Lachen dröhnte in seinem Kopf, wurde lauter und lauter.... "Haaah..." Es war wie ein Sprengen einer Tür, wie ein Kanonenschuss, der einem nachhaltig in Mark und Bein steckte. Will keuchte auf, saugte sich gierig wieder voll mit Luft. Seine Brust ward wieder freigegeben, von einem Augenblick auf den nächsten und plötzlich kehrte sein Leben scheinbar wieder zurück, umarmte ihn, sagte ihm einen längst verwehrt geglaubten Gruß und sank in ihn ein. Er hustete keuchend, spürte Tränen der Angst in seinen Augen, die drückten. "Will! Um Gottes Willen, ist mit dir alles in Ordnung?!" hörte er Eilzabeth hinter, über sich rufen. Sein Körper war mit einem Mal ausgezehrt, war schlaff, als habe den ganzen Tag nichts anderes gemacht als Schwerter für die Marine zu schmieden. Er stellte sich mühsam auf alle viere, blinzelte. Die weißen und schwarzen Punkte waren noch immer da... Was war das nur gewesen...? Was hatte ihn da gepackt, ihn gewürgt und dann doch wieder verlassen? Kopfschmerzen hüllten seinen Kopf ein, hämmerten auf seine Schläfen und betäubten ihn erneut. Der Traum steckte ihm noch in den Knochen. Kehrte immer wieder zurück in die Gegenwart... Die Worte des Azteken... Verfluchungen....? Will sah hoch zum Himmel. Ein halber Mond starrte zurück, schien mit gleißendem Licht in den großen Governeursgarten. Ein eiskalter Schauer lief dem jungen Mann über den Rücken. Er konnte sich nicht helfen, doch der Mond machte ihm Angst... "Will!" Er richtete sich langsam auf, spürte den Schmerz in seinem Kopf. Sein Herz raste noch immer... Unberechenbar...Unkennbar... Will drehte sich langsam um, hatte die Finger an seinen Kopf gelegt, hatte Angst, dass ihm die Schläfen auseinanderplatzen würden. Ein seltsamer Schwindel hatte sich in seine Beine gelegt. <<"Bleib bei mir, bis der Mond aufgeht!">> <<"...die Verbrecher, die dachten, sie könnten mit dem Fluch spielen...!">> Will sah hoch. Sah seine Geliebte an und in diesem Moment brach sein Herz auseinander wie eine Scheibe des buntesten Glases. Und die Scherben stachen in seinen Lungenflügel, seine Gedärme, schienen bis in seine Zehen zu gleiten und dort zu stechen und Bluten zu verursachen... Seine braunen Augen, vom Nachtschatten schwarz gefärbt, waren groß geworden, hatten all ihren Glanz verloren, schimmerten in Entsetzen. "'Lizbeth....!" <<"Elizabeth...Ich liebe dich...">> Sein Herz raste nicht mehr. Er hatte das Gefühl, es sei einfach stehengeblieben, wusste nicht, was es tun sollte, wo es doch zersprungen war. Erneut wollten sich die Lungen nicht mit Luft füllen und Wills Stimme war erstorben. Vor ihm stand nicht mehr Elizabeth...sondern eine abstoßende, furchteinflößende Gestalt... Und sie kam näher und berührte ihn mit ihrer eiskalten Hand... "Will, was hast du? Du schaust, als würdest du Gespenster sehen...!" Und sie lächelte. To be continued... Kapitel 2: Tortuga ------------------ Autor: Tsutsumi Teil:2/? Titel: "...Und den Fluch im Kielwasser..."- Tortuga Disclaimer: Die Welt von "Fluch der Karibik" und alle ihre Charas gehören nicht mir, sondern zu Disney Warnung: sappy, OOC würde ich sagen und später Shounen Ai ...Und den Fluch im Kielwasser... -Tortuga- "Willkommen, Fremder! Hier fließen Milch und Honig...! Hier ist das versteckte Paradies, mein Herr!" Der Betrunkene lallte noch irgendetwas, ehe er wie ein Kartoffelsack vom Fass, auf dem er gehockt hatte, kippte und plump und schwer auf der Erde liegeblieb, wie ein Seelöwe schnaufte. Zwei Füße stiegen vorsichtig über ihn hinweg, ein Augenpaar musterte ihn noch einmal sorgfältig, sah, wie er sich auf dem Bauch wie ein Schweinchen kugelte, kicherte und rülpste. Tortuga... Will schlich durch die Gasse, stieg über weitere "Hindernisse" hinweg, wich Hunden aus, beäugte aus der Ferne eine aufreizend gekleidete Frau, die ihm Schlafzimmerblicke wie vorgefertigt zuwarf, argwöhnisch. Warum nur hatte er an diesen schrecklichen Ort zurückkehren müssen?! Warum musste das so sein?! Zumal Will nicht wusste, ob ihm dieses Rattenloch hier überhaupt eine Hilfe sein würde... Er erinnerte sich an letztes Mal zurück, dachte daran, wie Jack ihn wie einen kleinen Jungen förmlich durch Tortuga geschleift hatte, wie ihm diese beiden Weibsbilder schallende Ohrfeigen verpasst hatten, erinnerte sich an die kurzzeitig verbliebenen roten Fleckchen, die auf der Piratenwange geleuchtet hatten. Vor ihm tauchte jener Platz auf, noch immer so chaotisch wie eh und je. Zwei Piraten stolperten an ihm vorbei, hatten sich die Arme auf die Schulter des jeweils anderen gelegt und sangen laut und schief ein Lied, fuchtelten so wild mit ihren Bierkrügen herum, dass das Getränk durch die Gegend spritzte. Es stank... Es stank nach Rum hier, nachDreck und nach der Erde, auf der die Betrunken lagen, fielen, tanzten oder sich übergaben. Der junge Mann rümpfte unwillkürlich die Nase. Es hatte ihm schon beim ersten Male hier nicht gefallen. Überall lungerten die ungewaschenen, stinkenden Kerle, begrapschten willige Frauen, die ihnen den Rum noch mit Flaschen einhalfen und deren Brüste halb aus den Kleidern herauszuspringen schienen. Überall lagen leere Bierfässer herum, überall saßen aufgeschwemmte Piraten mit schwarzen Ringen unter den Augen. Angewidert suchte sich Will einen kurzen Weg, stieg durch Pfützen, versuchte nicht im Schussfeld von einem (liebes)wütigen Piraten zu sein. Diesmal hatte er keinen Jack Sparrow dabei, der ihn lotste, der ihn beinahe an die Hand nahm und ihm alles zeigte. Er spürte genau, wie sehr er den Mann dahingehend vermisste... Es war damals durchaus einfacher gewesen... Doch er hatte keine Wahl... Dies war die einzige Möglichkeit, die ihm eingefallen war... Vorsichtig stieg er auf die Veranda des Piratensaloons, wich wieder Schnapsleichen und zirzenden Frauen aus. Über ihm auf den Balkons knallten ständig Pistolenschüsse, von denen er zusammenzuckte. Im Inneren des Gebäudes war es noch schlimmer. Es schien sich zumindest hier nichts verändert zu haben. Noch immer...oder schon wieder prügelten sich Kerle durch die Kneipe, hingen Pärchen in den Ecken, beschäftigt mit ganz eindeutigen Dingen, es war als hätten sie nie aufgehört. Beinahe hätte Turner zwei linke Haken mit abbekommen, doch er konnte noch früh genug ausweichen und kämpfte sich durch die stinkenden Massen nach vorne zum Tresen. Der Wirt sah auch nicht gerade vielversprechend aus. Zumindest seinem Aussehen nach zu urteilen trank er mit dem Bart mehr als mit dem Mund, hatte er schon seit frühester Kindheit keinen Kamm mehr gesehen und einen Waschlappen erst recht nicht. Will musste sich zusammenreißen. Er drängte nach vorne, beugte sich über Tresen und wartete, bis ihm der schmierige Kerl einen Hauch von Aufmerksamkeit schenkte. "Wassoll's'nsein?" nuschelte der Barmann belustigt. "Hab Rum, hab ander'n Schnaps, hab Bier!" Er lachte und entblößte hässliche Zahnstummel. "Ich möchte gar nichts trinken!" erwiderte Will so laut er konnte, musste er doch gegen den lärmenden Mob nebenan anschreien. "Ich wollte Euch eigentlich um eine Auskunft bitten!" "Ho, wo sin'wir dennhier?" gröhlte der Barmann, griff schwankend nach einem Geschirrhandtuch und einem Glas. "Das is'ne Kneipe, Junge, hier gib's nur was su trinken un' Näschereien!" Er blinzelte zu einer Frau herüber, die sich gerade dem Tresen näherte, mit aufreizendem Gang und noch aufreizender Kleidung. "Wenn der Herr 'ne sanfte Nacht wünscht, ich hätt' noch Simmer su vergeb'n!" Er lachte wieder, diesmal dreckig und hinterhältig und schwankte noch ein bisschen mehr. Will seufzte innerlich, blies halb schon den ganzen Plan, den er sich zurechtgelegt hatte, ab. Dieser Kerl würde ihm kein bisschen helfen, das war schon mal klar soweit... Er drehte sich wieder herum, sah die Frau sich nähern und sich neben ihn an den Tresen stellen. Und erst bei näherem Hinsehen erkannte er ihre hohen, fast kantigen Wangen, ihren rot angemalten Mund und die blonde Hochsteckfrisur wieder. "Giselle!" entfuhr es ihm überrascht, beinahe wie dem verblüfften Jack vor beinahe acht Wochen. Den Unterschied machte die nicht folgende Ohrfeige. Das Weib starrte ihn überrascht an. "Ja. Bin ich. Und mit wem habe ich die Ehre?" Sie lächelte spitz, beinahe giftig. "Ich ähm...Ich bin ein Freund von Jack...Ihr kennt doch Jack noch, nicht wahr?" Will hatte trotz allem Angst eine Ohrfeige zu bekommen, nur durch die Tatsache, Sparrows Namen genannt zu haben. Giselle legte den Kopf leicht schief. "Ich kannte mal einen, der so hieß!" sagte sie scharf, lächelte dann wieder aufreizend, trat einen Schritt näher. "Wer weiß, wo den der Wind hingetragen hat!" "Aber genau das muss ich jetzt wissen! Ihr wisst nicht zufällig, wo er gerade ist?" Die Blondine lachte spöttisch; "Gute Güte, selbst wenn ich das wüsste, ich täte gut daran, das schnell wieder zu vergessen!" Sie betrachtete Will einen Moment lang nachdenklich, dann veränderte sich ihr Gesichtsausdruck schnell in den einer geschäftlich interessierten Frau; " Nun...warum sucht ihr den denn, mein junger Herr?" Ihr spitzer Finger fuhr neugierig Wills eine Kragenseite nach, langsam, fast bedrohlich. Neben den beiden quetschten sich weitere Piraten an den Tresen, so dass Giselle schnell an Will gedrängt wurde. Er konnte ihre Brüste gegen seinen Oberkörper drücken spüren. "Ich muss ihn finden!" presste er angestrengt heraus. "Ich brauch seine Hilfe, ganz dringend!" Giselle lachte ein zweites Mal, nur lauter und giftiger. "Mein Junge, dafür kommst du nach Tortuga?! Ich bitte dich!" Es wurde immer enger zwischen den beiden. "Das ist reine Zeitverschwendung! Jack Sparrow hat nur sich selbst im Sinn und sonst niemanden, der wird dir niemals helfen!" Will spürte ihre Hand an seinem Hals, es gefiel ihm nicht, dass sie ihn einfach berührte. Dass sie ihn so anstarrte. "Ich werde ihn schon soweit bringen!" murmelte er, versuchte, einen Schritt rückwärts zu gehen. Doch es ging nicht. "Pah, da müsstest du ihm schon ganz gewisse Dienste erweisen, junger Herr!" spottete Giselle. Ihre Hand strich nachdenklich über seine zusammengebundenen langen Haare. "Glaub mir, der Tunichtgut kreuzt hier schon wieder auf, spätestens wenn er neuen Rum braucht! Kannst ja hier so lang warten!" Sie kicherte wieder. "Ich könnte dir Gesellschaft leisten...!" Und dann war ihr Gesicht ganz nahe an seinem, er roch Schwaden von billigen Parfum, die ihn einhüllten, ihn willig machen wollten. Sie hatte die Arme um seinen Hals gelegt, lächelte ihn an, hatte einen kaum merkbaren und doch aufreizenden Augenaufschlag. "Immerhin..." raunte sie und schmiegte sich noch enger an ihn, "...bist du doch ein höflicher und liebenswürdiger junger Kerl!" Ihre blauen Augen schienen ihne beschwören zu wollen. Und Will wusste, dass er nur ein Strich mehr in ihrer Liste war, nur eine Eroberung mehr... Er musste plötzlich daran denken, wie Giselle sich wohl von Jack hatte aushalten lassen. Je näher sie ihm kam, desto mehr wurde ihm klar, dass dieser Frauenkörper auch schon in Jacks Armen gelegen haben musste, dass er sich an ihr ergötzt haben musste. Und in seinem Kopf baute sich ein einzigartiges, nie dagewesenes Bild eines nackten Pärchens, das sich eng umschlang, keuchend und kollabierend. Will schluckte, wich sofort vom Tresen weg. "Nein...nein, tut mir leid, das geht nicht!" Doch das Bild wollte nicht aus seinem Kopf, nein, es war einfach da, wie allgegenwärtig. Er versuchte an Elizabeth zu denken, doch das tat weh, presste ihm die Luft aus der Brust, machte sie hart wie Stein... Ohne auf die Frau zu achten, stürmte er wieder hinaus aus dem Saloon, rannte einfach los, zurück zum Hafen. Er ertrug es einfach nicht, dort zu bleiben, zwischen all den Besoffenen Piraten, den anzüglichen Damen, dem hässlichen Barmann.... Auf halbem Wege verlangsamte er seinen Schritt. Wieso nur hatte er gedacht,dass es so einfach wäre? Wieso nur hatte er sich eine schnelle Lösung ausgemalt? Er hatte doch tatsächlich gedacht, dass er bald wieder zu Elizabeth zurückkehren würde können, mit ihr wieder glücklich sein können. Doch er hatte eines außer Acht gelassen... Jack Sparrow war kein Ritter in schimmernder Rüstung, der sich genau jetzt in Torturga aufhalten würde. Wenn Will ganz großes Pech hatte, jagte die Black Pearl gerade über den Atlantik, der Freiheit hinterher... Doch wie sollte er als unbeholfener Schmied allein zur Isla de Muerta gelangen? Langsam war er geworden, setzte beinahe bedächtig einen Fuß vor den anderen, während es in seinem Kopf arbeitete. Was, wenn Jack hier nicht auftauchte? Was sollte er dann machen? Sich wieder in seinen kleines Segler setzen und einfach auf und davon fahren, nach irgendwo? Denn was sollte Elizabeth sonst mit ihm machen? All die Leute in Port Royal... Käme er so zurück, würden sie ihn entweder steinigen oder irgendwann vor Gericht zerren, die Leute waren unberechenbar wenn sie Angst vor Flüchen hatten. Und er würde es ihnen nicht einmal verübeln. Vor Will tauchte der Hafen auf, einigermaßen still und verlassen. Die Nacht hatte sich über Tortuga gesenkt und als Will zum Himmel sah, tauchte blass und voll der große Mond zwischen den flaumigen Wolken auf. Die braunen Augen starrten ihn hasserfüllt an, verfluchten ihn geradezu, gleichzeitig fuhr Turner wieder ein eiskalter Schauer über den Rücken. Es war spät... Er lief über den Steg, heftete seinen Blick auf die von der See durchgesalzenen Bretter, solange bis er neben seinem Boot stand. Der Mond strahlte erbarmungslos auf ihn nieder, sah scheinbar zu, wie er sich in das Boot legte, sich eine Decke aus seinem Beutel suchte und sie bis über den Kopf zog. Er hoffte, jetzt niemanden sehen zu müssen... Das Boot schaukelte ein wenig und sanft. Wellen schwapperten leise und von den Straßen Tortugas schallte noch immer leise die Musik herüber, die Pistolenschüsse. Und mittendrin versuchte sich der Mann an seine Geliebte zu erinnern. An ihre Stimme, wenn sie ausgelassen gelacht hatte, wenn sie am Klavier gesessen und gesungen hatte. An ihre funkelnden Augen, wild und sanft zugleich. Doch sein Kopf war leer... Das Schaukeln lullte ihn schnell ein... Möven kreischten ihm nach bis in den Traum... Die nächsten Tage wurden zur Totur des Schmiedes. Denn sie bestanden nur aus einem- Warten. Warten auf den nächsten Tag, den nächsten Morgen, auf das nächste Frühstück, den nächsten Besuch in der Kneipe, wo der Barmann auch nicht freundlicher wurde,aber dort nichts trinken. Warten auf Giselle, die sich ringsum, wenn auch widerwillig, erkundigte ob jemand etwas über einen nahenden Besuch des Jack Sparrow in Tortuga wüsste. Warten auf das Abendessen im Saloon, auf den Abend, auf die einsame Nacht im Boot. Warten auf neue Alpträume, warten auf neue Schiffe. Warten....Warten... Warten auf Jack Sparrow... Die ersten drei Tage verbrachte Will damit, auf der Insel herumzulaufen und sie zu erkunden. Er lernte einige der Damen kennen, manche mit Namen und stellte fest, dass diese auf jeden Fall eine bessere Gesellschaft für ihn waren als die Männer, die entweder den ganzen Tag besoffen waren oder stanken wie ein Schweinestall...oder beides. Er trank Wasser, aß Rührei mit Schinken, gewöhnte sich an den immerwährenden Lärm der Pirateninsel. Es gab keinen Ärger. Die Stunden wurden lang und länger, wie Gummi, und ebenso schienen sie nicht voranzugehen sondern wieder zurückzuschnipsen, sobald er nicht mehr auf sie achtete. Er saß auf glühenden Kohlen, versuchte sich noch immer, an Elizabeth zu erinnern. Doch sein Kopf schien mit jedem Tag leerer zu werden. Vom vierten bis zum zehnten Tag wurde die Hoffnung immer weniger. Als ob der Mond, der nun wieder zur Sichel wurde, sie mit sich nahm. Will spürte eine tiefe innere Verzweiflung in sich aufkeimen, wachsen. Er goss sie mit jeder vergeudeten Stunde, mit jedem Gedanken, den er an Jack verschwendete. Wo war dieser Kerl? Was machte er? Spürte er denn nicht irgendwo, dass er gebraucht wurde, konnte sein Kompass, der nie nach Norden zeigte, sich nicht auf den Kurs nach Tortuga richten wie von Zauberhand? Will lernte im Saloon noch mehr Leute kennen, unter anderem auch Piraten, die ihn jedoch nicht allzu ernst nahmen und sich damit vergnügten, ihn aufzuziehen, ihm unerhörte Piratenwitze zu erzählen, von denen er als junger Mann noch rot wurde. Er aß immer noch Rührei mit Schinken und bekam davon Sodbrennen. Musste an Äpfel denken. An Barbossa... An die Isla de Muerta, zu der er unbedingt zurückkehren musste, doch von der er nicht wusste, wie er sie finden sollte. Er drehte sich mit den Gedanken im Kreis. Giselle bezirzte ihn unaufhörlich, kam jedoch immer wieder mit derselben Nachricht; Die Black Pearl blieb entschwunden. Vom elften bis zum zwanzigsten Tag änderte sich nur wenig. Der Mond nahm in der Nacht immer mehr ab und Will wartete auf Neumond. Er hatte keinen besonderen Grund dazu, nur dass an Neumond vieles, ja, fast alles wie früher wurde. Ihn wieder zum Menschen machte... Das Sodbrennen ging wieder weg, doch stattdessen stellte sich in Wills Körper eine immerwährende Schwäche ein. Doch es kümmerte ihn kaum noch. Der Lärm in Tortuga war zum sanften Säuseln geworden, Will hatte sich daran gewöhnt, dass die Frauen sich so in das Mieder zwängten, dass ihre Brüste halb aus dem Kleid hinausschauten, dass sie sich halb im Parfum badeten und sich die Lippen blutrot anmalten. Er hatte sich daran gewöhnt, jeden Tag in das Gesicht des Saloonbesitzers zu starren, doch er hatte sich nicht daran gewöhnt, dass er noch immer wartete. Will Turner seufzte minütlich, lief morgens und abends die Klippen ab und spähte auf das Meer. Doch nur selten näherten sich Schiffe der Insel, es verließen sie nur ab und zu welche. Ansonsten geschah nichts. Und er begann, Jack Sparrow zu hassen, mehr als er es je zuvor getan hatte. Seine Lippen rissen auf von der salzigen Luft, vom Salzwasser, das er den ganzen Tag um sich herum hatte. Er hasste Jack und beschimpfte ihn im Gedanken, bohrte ihm sein Schwert im Traum durch die Piratenbrust. Doch es geschah noch immer nichts... Ab dem einundzwanzigsten Tag hörte er auf zu zählen, hörte er auf zu hoffen. Es war sinnlos geworden. Jack ließ ihn, ohne dass er es wusste, im Stich. Verdammter Pirat! Will aß eines Tages nicht mehr Rührei mit Schinken, er ergatterte irgendwo verschrumpelte Äpfel und schlang sie herunter. An seinen Wangen, seinem Kinn, an seiner Lippe spross der Bart ungehindert, in seine Haare legte sich das Meersalz wie eine dünne, klebrige Schicht. Ihm wurde schlecht vom Gestank der Männer im Saloon und trotzdem saß er jeden Abend länger darin, auch auf die Gefahr hin, dass der Mond hineinscheinen und ihm den Grund zeigen mochte, warum er hier war. Inzwischen hatte er Elizabeth aus seinem Kopf verbannt. Er träumte in den Nächten nur von Jack mit den dunklen Augen, der sich über ihn beugte und ihn schadenfroh angrinste, immer näher kam...ihm warmen Atem ins Gesicht blies und somit allgegenwärtig wurde. Doch wenn Will aus diesen Träumen erwachte, wurde ihm umso klarer dass der Pirat weit weg war. Sich nicht einfach hergezaubert hatte. Es tat weh das zu wissen... Eines Abends reichte es ihm. Er saß im Saloon, starrte einen der ergatterten Äpfel an, doch hatte keinen Hunger auf ihn. Zigarrenrauch flutete durch alle Ritzen des Gebäudes und inmitten des Qualms kam Giselle auf ihn zugestackst. "Iss nicht soviel von dem Grünzeug!" quietschte sie und ihr blutroter Mund zog sich in die Länge. "Du hast schon genug Farbe im Gesicht!" Er schaute sie nicht an, starrte nur trübsinnig auf den Apfel. Das Stück Obst war nicht besonders groß, war gelb mit einem roten Fleck, der sich beinahe einmal um ihn herumzog. Über die Haut zogen sich Falten wie im Gesicht eines alten Mannes. Will wartete, bis Giselle sich an den Tisch gesetzt hatte und ihm schmeichelnd die Hand auf das Knie legte. "Was ist mit der Pearl?" raunte er und hätte sich im nächsten Moment am liebsten die Ohren zugehalten. Denn er wusste doch ganz genau, dass sie es wieder sagen würde... Dieses... "Nein...niemand hat was von ihr gehört." Ja, da war es wieder. Zuverlässig wie schon drei Wochen lang... Giselle hatte wohl wieder ihren traurigen, mitleidigen Blick aufgesetzt, bei dem sie Turner immer aus großen, blauen Puppenaugen anzuschauen pflegte. Aber dieses Mal sah er sie nicht mehr aus Höflichkeit an. Er starrte nur auf diesen Apfel. "Verfluchter Halunke..." presste er leise hervor. Sein Kopf begann wehzutun. Wegen des Qualmes, wegen des Gestankes nach Rum... wegen allem! Jack Sparrow war ein dummer, dunkler, alles andere als zuverlässiger Piratenhund und dies schien ihm auch noch zu gefallen! "Wieso, woher soll er denn wissen, dass du ihn so dringend suchst?" sprach Giselle durch den Zigarrennebel zu ihm. Sie nahm den Apfel mit spitzen Fingern auf, drehte ihn vor ihrem Gesicht, roch daran. "Liebster, du erweckst in mir wahrlich den Eindruck, dass du Sehnsucht nach diesem Freibeuter hast!" Nun sah Will doch hoch. Einerseits weil sie den Apfel in der Hand hielt und andererseits wegen ihrer Worte. Entgeistert starrte er sie an, blinzelte verwirrt. "Was?!" Sie legte den Apfel wieder auf den Tisch und rückte näher an ihn heran, so nahe dass sich die Luft mit ihrem Duft anreicherte. "Du gehst morgens auf und ab und wartest. Du fragst mich jeden Tag voll Ungeduld, mein Lieber! Deine Augen beginnen zu funkeln, wenn du mich nach der Black Pearl fragst. Es ist....als ob..." Sie rutschte noch näher, wandte sich ihm zu und legte sanft ihre Arme um seinen Hals. Er konnte in ihre klaren blauen Augen sehen, vermischt mit einem hellen Grauton, der sanft im Schein der vielen Kerzen im Saloon funkelte. Eigentlich war sie hübsch. Sehr hübsch sogar. Doch zuviele Männer hatten ihr diese frauliche Schönheit genommen, sie hatte Krähenfüße an den Augenwinkeln und ihr Lippenstift war ein wenig verschmiert. Sie sah verbraucht aus...Strohig ihr Haar, überrot ihre Wangen... Sie wirkte wie etwas Irreales auf Will und das machte ihn nervös. Und nun starrte sie ihn an mit großen Augen, brachte ihren Kopf noch näher, bis sie ihm ins Ohr hauchen konnte..."...als ob du dich nach ihm verzehrst...!" Der Apfel fiel, gänzlich unbemerkt, auf den Holzboden. Die Musik schallte von draußen umso lauter herein und irgendwo knallte der Schuss einer alten Kanone. Will spürte Giselles Arme an seinem Hals, spürte plötzlich ihre weichen, roten Lippen auf seiner Wange. Er hörte das leise Schmatzen, ein kleines nichtiges Geräusch, das immer wieder und wieder in seinen Ohren hallte, in das Rauschen seines Blutes einzudringen schien. Was sie gesagt hatte, fesselte ihn an den Stuhl, fesselte ihn an die Frau, die ihm nun die Lippen weich und gierig zugleich auf den Mund presste, die aus ihrer Kehle ein leises Quietschen aufgurgeln ließ. Der Kuss hatte keinerlei Bedeutung für ihn. Er tat ihn ab wie eine lästige Tagespflicht, zog den Kopf zurück. Ihre Lippen waren klebrig...Er spürte die rote Farbe auf sich liegen, ja kleben. Hässlich. "Was redest du da?!" brachte er mit wütendem Gesicht hervor, ohne auf den Kuss einzugehen. Es war, als habe sie ihm etwas gestohlen.... Etwas, das zuvor nur ein Mensch besessen und in sich eingeschlossen hatte... Elizabeth. Gleichzeitig bedrückte ihn der Gedanke an Jack... Er sollte in ihn verliebt sein? Sich nach ihm sehnen? Sich nach ihm verzehren...? "Du kennst meine Gründe doch gar nicht!" Giselles Augen wurden dunkler. Wurden geheimnisvoll. "Nein..." wisperte sie und sah zur Seite. Strich mit den schmalen, feinen Fingern an Wills Hals entlang. "Das weiß ich wirklich nicht... Ich weiß gar nichts von dir." Und mit einem Mal wirkte ihre schwarze Schminke an den Augen wie eine Last, wirkte der Lippenstift wie eine zweite Haut, die sich zu Falten zusammenzog. Das Mädchen unter der Maske zeigte sich, starrte zu Boden, während es mit seiner flachen Hand noch einmal den Kragen des Mannes streifte. Die blonden Haare, aufgetürmt zu einem Bausch aus Locken und Wellen, zitterten ein wenig, als sich die Frau räusperte. "Trink einen Rum, Will!" Dann sah sie ihn wieder an...und schien plötzlich wie zurückverwandelt. Und dazu das Fiedeln der Geige von draußen... "Trink wenigstens einen, das bringt dich für heute Nacht auf andere Gedanken!" Sie lächelte. "Ich hole dir einen, ja?" Die Welt war bunt geworden...und irgendwie verschwommen! Es war, als ob sich Wills Pupillen abwechselnd zu- und dann wieder auseinanderzogen. Wie ein wunderbarer Effekt, den die Maler verwendeten... Er war in einem Kunstwerk! In einem Kunstwerk, dass sich bewegen konnte, und das, wo er nicht einmal etwas von Kunst verstand! Will stolperte die lange Straße entlang, beobachtete amüsiert die Leute, die ihm entgegenkamen und nur zu lachen, nur zu grinsen schienen. Hoch oben über ihm schien der fahle, wieder zunehmende Mond, verwandelte all die Menschen, die er sah, zu dem, was er verflucht war zu sehen in dieser Welt...jetzt... Doch diesmal war es nicht schrecklich, es macht ihm keine Kopfschmerzen und brachte ihn nicht dazu, wegzulaufen und sichzu verkriechen. Nein, es sah richtig witzig aus, wie ihre Knochen knirschten und knackten und ihre großen Augäpfel in den Höhlen schwammen! Manchmal blieb Will stehen, starrte jemanden an, zeigte mit dem Finger auf ihn und lachte sich halbtot. Einer vergolt es ihm damit, dass er seinen Rum über ihn ausgoss, doch davon musste Turner noch mehr lachen. Er stiefelte die Straße zum Hafen entlang und die Leute wurden immer komischer. Er fragte sich nicht einmal, warum das so viele waren. Wirr hingen ihm Strähnen, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten, auf die Schultern herab, wirbelten sich zu kleinen Locken, ungebändigt für diesen Augenblick. Er war eins geworden mit Tortuga. Mit dieser Stadt, die er immer verabscheut hatte. Er hatte sich von Giselle abküssen lassen, hatte sich von ihr abfüllen lassen bis zum letzten, stank jetzt genauso, sah genauso hässlich aus. Er war Pirat, verdammt nochmal! Ein armseliger, dummer Pirat, der sein gesamtes Leben hinter sich gelassen hatte, halleluja! Es war ihm innerlich zum Heulen. Doch der Rum in seinem Blut verhinderte die Tränen und zwang ihn dazu, immer zu lachen, nur zu lachen und zu grinsen, den Schmerz damit zu betäuben. Er hatte nicht das Gefühl zu taumeln und zu stolpern, nein er tanzte vielmehr, wie auf einr Wolke, inmitten dieses verschwommenen Kunstwerkes. Und mittendrin tauchte in seinem Kopf wieder das Gesicht Jack Sparrows auf. Dieses grinsende Gesicht. "Enchantä!" lallte der junge Mann vor sich hin, machte einen halben Diener und musste kichern. "Ihr seid also...diesa...Dschäck..." Er murmelte es leise vor sich hin, lief wie ein geisteskranker weiter. Der Mond starrte stumm. Und immer mehr Piraten säumten den Weg, hatten wohl gerade mehrere Schiffe am Hafen angelegt. Der Mann in Wills Kopf grinste. Turner spürte, wie sich langsam sein Magen umzudrehen schien. Er wusste nicht, wieviel Rum er getrunken hatte... "Verdammter Pirat..." nuschelte er in seinen Bart, stützte sich beim Laufen an einer Hauswand ab. "Du bis' nie gekommen, aber in meinem Kopf spukst du herumm..." Nun war ihm noch mehr zum Heulen und die Stimmung wandelte sich, je mehr die Zeit verstrich. Die Hauswand war noch warm von der heißen Sonne des Tages, und doch irgendwie kalt, war hart und ihm noch immer schlecht. Es war doch hoffnungslos...Vollkommen hoffnungslos. Einsam und allein würde er hier versauern, immer auf der Hut vor den ganz gefährlichen Seeräubern, die hier ab und an landeten, vor dem Rum, der in seinen Adern pochte. Vor Giselle... Will leckte sich flüchtig über die trockenen, aufgesprungen Lippen. Wie konnte Giselle so etwas nur gern küssen?! Er lief zwei Schritte weiter, murmelte Dinge vor sich hin, die er nicht mal selbst erfasste, grinste schwachsinnig und konnte nur auf den nachtschwarzen Boden schauen, der bleich im Mondlicht starrte. Bis er in irgendetwas hineinlief... Weich landete er auf etwas und erst als ihm dieses Etwas ins Ohr brüllte, er solle sich, verflucht nochmal zum Teufel scheren, wusste er, dass er in eine Gruppe Piraten gelaufen war. "Zum Teufel..." Er grinste, starrte den Mann, auf dem er gelandet war, an. Viel konnte er sowieso nicht erkennen, das Mondlicht hatte sein Werk schon getan. "Da, wo ihr also schon seid?" Wieder ein Kichern. Lauter und lauter, wie das Kichern eines kleinen Jungens. Will spürte, dass er vollends keine Kontrolle mehr über sich selbst hatte. Dass ihn nun ein Teil seines Selbst, der ihn hasste, in die Gefahr zog. "Aye, was traut sich der?!" dröhnte es über ihm und im nächsten Moment spürte er eine starke Hand an seinem Kragen. Er wurde hochgezogen. Die verschwommene Welt, das Kunstwerk, begann sich zu drehen. Begann zu schwanken. "Noch grün hinter den dreckigen Ohren!" Zwei dunkle Augäpfel hatten sich auf ihn gerichtet. "Und so voll wie's nicht mal ein Käpt'n ist!" "Fein, dann macht es ihm bestimmt nichts aus, wenn ich mich für seine Liebenswürdigkeit, mich umzurennen, bedanke!" Es machte Will etwas aus. Sehr viel sogar. Der Schlag an den Kopf betäubte ihn, dröhnte in seinen Schläfen und der Fuß oder das Knie oder was immer das auch sein mochte, rammte sich so tief in seinen Bauch, dass er das Gefühl für Zeit und Raum vollends vergaß. Er lag am Boden, spürte Schläge auf sich eintrommeln und wünschte sich nur noch, schlafen zu können. Sie schleiften ihn die Straße hinunter zum Hafen, er spürte jeden Stein, den er streifte, spürte wie sich der Staub des Weges um ihn hüllte, spürte wie Blut aus seiner Lippe trat. Und doch ließ der Rum nicht zu, dass er etwas dagegen tun konnte. Die Augen waren ihm schwer geworden, er bekam sie nicht mehr auf. Und diesmal war da kein Jack Sparrow in seinem Kopf, der ihn angrinste und dessen dunkle, ja, schwarze Augen auf ihm ruhten... Und erst jetzt wurde ihm klar, dass ihn dieses Bild immer hatte durchhalten lassen... Dass es Will immer hatte hoffen lassen...Und nun war es weg, so sehr er auch versuchte, es mit seinem vernebelten Verstand wiederzubekommen. Seine Hände verkrampften sich, als ihn die Piraten hochhoben und irgendwohin schleuderten. Etwas Hartes drückte an seinem Rücken, doch er konnte sich nicht mehr rühren. "Die Riemen! Los, nehmt sie raus da!" hörte er noch verschwommen... Er hörte...Rauschen. Das Rauschen, wenn sich hohe, unbeugsame Wellen an Klippen brachen, daran zerschellten und in kleinste Tropfen zerteilt wurden. Will spürte den Schmerz in seinem kaltgewordenen Körper. Ein leichter Wind, doch er war trotzdem kalt. Klamm das Hemd, noch immer durchtränkt von dem Rum... Sein Körper begann zu zittern, doch konnte sich nicht rühren. Es war still geworden und nur die Nacht flüsterte leise in der Luft. Will spürte, hörte. Doch seine Augen streikten, wollten sich nicht mehr öffnen. Sie würden ohnehin nur den kalten, unbarmherzigen Mond sehen. Er wollte weinen, doch er konnte nicht. Der Schlaf griff um ihn, zerrte ihn hinab auf den Grund der See aus Träumen. So schwarz wie die Hölle... Ja...vielleicht scherte er sich ja gerade zum Teufel, da gehörte er ja hin... Als Verfluchter. Die letzten Sinne versagten ihm den Dienst, schubsten ihn aus dem Bewusstsein. Will war betrunken wie noch nie. Er war verletzt und er fror und er schlief ein. Und doch wusste er, was um ihn herum geschehen war. Er wusste, dass nun alles vorbei sein musste. Er trieb auf dem offenen Meer in einem Boot, das keine Ruder mehr hatte... To be continued... Kapitel 3: "Mann über Bord!" ---------------------------- ...Und den Fluch im Kielwasser... Autor: Tsutsumi Teil: 3/? Titel: "Mann über Bord!" Warnung: OOC, sappy, Shounen Ai "Mann über Bord!" Als er zwischendurch zu Bewusstsein kam, schaukelte das Boot, gluckerte im Wasser. Er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht um Hilfe rufen, konnte nicht... Sein Kopf schmerzte furchtbar und seine Kleider waren zwar getrocknet, doch stanken noch immer nach dem Rum. Seine aufgeplatzte Lippe starrte wahrscheinlich im Wind, der ihr einen hauchdünnen, unsichtbaren Salzfilm aus dem Meer überzog. Alles tat weh... Der Rücken, die Beine, der Kopf, die Augen. Von oben blendete die heiße Sonne der Karibik, brannte unermüdlich nieder auf seine Haut, so dass auch sie begann, wehzutun. Will konnte die Augen nur einen Spalt breit öffnen und starrte hoch in den blauen, leeren Himmel. Er starrte in die Sonne bis er nichts mehr sah, so unbarmherzig mit sich selbst. Es war doch eh alles vorbei... Alle waren sie weg. Elizabeth...Sein Schatz... Giselle, der hässliche nuschelnde Barmann aus Tortuga...ja selbst den Governeur und Commodore Norrington würde er nie wiedersehen. Und Jack... Jack Sparrow wohl auch nicht... Will ächzte verzweifelt. Suchte mit letzter Mühe in seinem schmerzenden, pochenden Kopf nach dem Bild des Piraten. Versuchte, diese schwarzen Augen nochmal zu sehen, sie zu betrachten und zu bewundern, wie er es einst insgeheim getan hatte. Doch es ging nicht, die nächste Ohnmacht griff um sich. Will Turner versuchte noch, den Kopf zu heben, sich aufzusetzen, doch kaum dass er dieses vorhatte, wurde ihm wieder schwarz vor Augen. Und das letzte, was er spürte, war seine ausgetrocknete Kehle... Dieser Durst... Er verfiel in einen Zustand irgendwo neben Ohnmacht und Dösen. Es war seltsam... Er hörte das Gluckern des friedlichen Meeres um sich herum, konnte das sanfte Schaukeln des Bootes immer weiterspüren. Als ob sich sein Körper ausruhe und sein Geist, seine Seele noch immer wach waren und alles hörten. Spürten. Es war immer dasselbe. Leises Gluckern, wenn sich die kleinen Wellen am Holz des Ruderbootes brachen. Sonst nichts. Will hatte nie gedacht, dass das Meer so still sein konnte. So ruhig und friedlich. Und so einsam. Jetzt, genau in diesem Augenblick, schien es sein einziger Freund zu sein. Es schaukelte sanft sein Boot an, als wolle es ihn in den Schlaf wiegen, ihn zudecken mit seinem salzigen, frischen, obstigen Geruch, als würde es ihm ein leises Liedchen vorsingen. Es war wie eine Mutter...Mutter...Mutter... Plötzlich stand sie vor ihm, beugte sich über ihren kleinen Jungen, strich ihm sanft durch das Haar und erzählte von seinem braven Vater, der weit fort von der Heimat durch die Karibik segelte. Der an ihn, den kleinen Will dachte. Und sie sang ihn in den Schlaf, genauso sanft und leise wie das Meer. Sang wie ein Vogel, wie der Wind und wie die Sterne zusammen. Und Will spürte, wie sein Kopf taub wurde. Konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen... Die Sonne wollte ihn umbringen... Warum beschützte ihn die See nicht? Warum legte sie nicht eine schützende Welle über ihn, so dass der Sonnenstich nicht noch schlimmer wurde? Kümmerte es sich nur um sich selbst? Dachte es nur an sich und gab vor, sanft zu sein? Es hatte ihn schon einmal gerettet, hatte ihn schon einmal auf dünnem Holz treiben lassen... War damit sein Bonus erloschen...? Wartete es heimtückisch, bis ihn die Hitze, der Durst, der Kummer umbrachten...? Ja... Dieses Meer dachte nur an sich selbst... an sich und seine tiefe, dunkle Seele. Will versank in kurzem, unruhigen und traumlosen Schlaf. Hörte im Geist Möwen kreischen, die in Wirklichkeit gar nicht da waren. Es war zuviel Salz...zuviel Sonne... Zuviel Hoffnungslosigkeit... Irgendwann schreckte sein Geist auf, war wieder erwacht. Horchte aus dem ohnmächtigen Körper. Konnte Geräusche hören, die nicht vom Meer herrührten. Wie ein Knarren. Wie Menschenstimmen... "Mann über Bord!!" Er sah Elizabeth als kleines Mädchen vor sich. Sah, wie sie seine nassen Haare streichelte, ihn beruhigte. Ging es nun wieder von vorne los? Hatte er eine zweite Chance bekommen? War er wieder acht Jahre jünger, auf der Suche nach seinem Vater? Will spürte wieder, spürte, wie etwas am Boot zog, kräftig. Er fühlte, wie ihn etwas Starkes packte, ihm unter die Arme griff und hochhob. Doch er konnte nicht mehr zuordnen, wo genau in seinem Leben er sich befand. Sein Kopf tat nicht mehr weh, er war heiß geworden und groß fühlte er sich an... So ekelhaft groß. War da Elizabeth? War sie da? Dann wieder Holz an seinem Rücken. Fühlte sich hart an. Würde sie wieder durch seine Haare streicheln? Will zwang seinen Körper, aufzuwachen, trieb sich dazu, das Bewusstsein halb wiederzuerlangen. So viele verschiedene Dinge huschten ihm durch den Kopf und er konnte sie nicht zuordnen. Der Esel in der Schmiede... Elizabeth in ihrem dünnen Mieder, Mister Gibbs, der von Unglück sprach, kreischende Möwen im Wind, das letzte Schwert, das er geschmiedet hatte, bunte Blumen, die er in England gesehen hatte, Kornfelder, gefällte Bäume, seine Mutter, Jack Sparrow, der sich niederbeugte und grinste, der ihm einen Krug Milch anbot, Giselle, die ein Baby wickelte... Die Bilder wurden immer schneller, wurden immer diffuser und immer verrückter und dann hatte Will das Gefühl, das ihm schwindlig wurde. In seiner Kehle staute es sich und er bekam keine Luft mehr, musste husten, röcheln. Bis ihn etwas auf die Seite drehte. Seine Würggeräusche dröhnten in seinen Ohren, er konnte wieder Luft holen, spürte sein warmes, Erbrochenes neben sich. Doch er spürte, wie er die Augen wieder halb aufbekam, spürte, wie ihn wer zurück auf den Rücken drehte. Er hörte einzelne Worte, doch konnte nichts mit ihnen anfangen... Wenn es Piraten waren, würden sie ihn jetzt wahrscheinlich auslachen und ins Wasser schmeißen... Sollten sie doch, es war sowieso alles verloren... Und wenn es die Marine war...? Eines von Norringtons Schiffen? Das Bild, das seine dunklen Augen erhaschten, war unscharf und zu hell. Zuviel Sonne. Er konnte kaum etwas sehen... Konnte kaum hören... Und doch schaffte er es, den schmerzenden Mund zu öffnen, schaffte es, sich mit der Hand in irgendeinem Ärmel festzukrallen. "B...Bitte...helft...mir...!" Wieder Stimmen. Wieder einzelne Worte. Irgendetwas von "Hitzschlag" und "Muss gekühlt werden" und "Bringt ihn..." Doch er spürte, wie nun auch sein Geist müde geworden war. Er redete sich mit dem letzten bisschen Verstand, das er hatte, ein, dass er nun in Sicherheit war, der arme, elende Schmied und Pirat... Er glaubte, noch eine Stimme zu hören, die seinen Namen rief, die ihm nahe kam, doch das musste ein Traum sein... Ein Traum aus dem Meer... Will ließ sich fallen...und er sank tief...tief, bis auf den Grund seiner Existenz. <> Weich...warm... Und sein Kopf tat wieder weh! Will spürte zuallererst etwas Weiches und den Schmerz gleichzeitig. er wünschte sich einen Moment die Ohnmacht zurück, wünschte sich, nicht mehr zu leben. Doch dieser Impuls war nur von kurzer Dauer und verließ ihn wie der Schrei einen Alpträumenden verlässt. Seine Augen waren schwer wie Blei. Stille. Er hörte wieder nur das Knarren von Holz und spürte ein Schaukeln, verfluchte innerlich alle Schiffe und Boote auf dieser Welt. Und doch war er noch am Leben, und doch weilte er noch hier auf dieser Welt. Im nächsten Moment spürte er etwas, das sich auf seine Stirn legte. Kühl und warm zugleich. Haut...eine Hand... Er zwang die Augen auf. Zuerst konnte er gar nichts sehen, nur verschwommene Punkte und Farbflecken. Doch je schärfer das Bild wurde, desto ungläubiger sah er in die Welt hinaus. Über ihn hatte sich eine farbige Frau gebeugt, mit zerzaustem Haar und dunklen, geheimnisvollen Mandelaugen. "...du...?" presste er ungläubig heraus. Das durfte nicht wahr sein!! "Aye, ich!" entgegnete sie, halb belustigt. "Was denkst du, was die gesamte Crew gesagt hat, als wir dich aus dieser Nusschale gezogen haben!" Will blinzelte, nahm den Raum, in dem er lag, nur nebenbei wahr. Es war dunkel hier. Das tat gut, endlich musste er nicht mehr diese heiße unerbittliche Sonne auf sich spüren. "Ich bin...Ich bin..." stotterte Will. Sein Kopf pochte noch immer unerträglich, er versuchte, sich aufzusetzen und merkte erst jetzt, dass er in einem Bett lag. "Bin...ich...?" fing er noch einmal von vorne an. Doch sie ließ ihn nicht ausreden, drückte ihn an den Schultern wieder auf's Kopfkissen herunter; "Ja, du bist auf der Black Pearl, ganz richtig! Und jetzt bleib liegen, Will Turner, du hast einen Hitzschlag, einen Sonnenbrand und Fieber!" Er lag wieder, doch seine Augen waren unmerklich größer geworden. Nein! Er hatte es geschafft! Er hatte die Pearl gefunden! Er hatte...! Er hätte weinen können vor Freude. "Annamaria, ich muss Jack sprechen, sofort!" sprudelte es aus ihm heraus. "Ich brauche seine Hilfe, verdammt, ich habe dieses Schiff so lange gesucht, ich bin auf Tortuga versauert, Annamaria! Wo ist Jack, wo ist..." Im nächsten Moment schaute er in den Lauf einer Pistole. Und erstarrte. "So, Schmied, jetzt nimmst du deine Zähne mal wieder zusammen! Ich hasse Kerle, die immer nur reden!" Sie rollte mit den Augen, steckte die Pistole wieder weg und zog die weißbezogene Bettdecke wieder höher, bis an Wills Hals, strich den Bezug glatt. Will, eingeschüchtert von ihr, wagte es nicht, sich zu regen. " Erstens: Du musst gar nichts, du bist krank und solltest erstmal schlafen! Zweitens: Erteilt hier der Captain die Befehle und keine Landratte, die sich hierher verirrt hat und uns das Deck versaut hat, ich hoffe du weißt, wovon ich rede!" Sie war immer lauter geworden, geradezu hysterisch, hob mit jedem Punkt, den sie benannte, einen Finger. "Und drittens bist du unser Gefangener, und wie du selbst als Schmied wissen dürftest, haben die noch weniger zu sagen als die gewöhnlichen Landratten!" Will starrte die Frau perplex an. Er kannte sie. Aber nicht so. Und der Gedanke daran, dass diese Piratin nur wie alle anderen auf der Black Pearl war, erschreckte ihn. Verdammt, er hatte ein Piratenschiff gesucht, und konnte man sich mit Captain Jack Sparrow überhaupt einigen, wenn der keinen Profit bei der Sache sah? Unsicher blinzelte Turner Annamaria an. "Gefangener?" wiederholte er verblüfft. "Aye!" Sie beugte sich runter. "Gefangener!" Ihre schwarzen Augen funkelten bedrohlich. "Immerhin bist du der Verlobte einer Governeurstochter!" Sie richtete sich wieder auf, zeigte auf einen kleinen Tisch, der neben dem Bett stand. "Da steht Wasser, falls du Durst hast. Schlaf und ruh dich aus, Will Turner!" Will stürzte den Inhalt der weißen Kanne herunter, spürte, wie wieder Leben durch seine Kehle rann. Nicht mehr erhofftes Leben. Und doch war er wie zerschlagen nach dem Gespräch mit der Piratin. Vielleicht gab es doch keine Hoffnung mehr. Vielleicht würde er Jack den Spaß nehmen, indem er nicht mehr mit sich handeln ließ. Dabei war es klar gewesen, dass er nur wieder "Druckmittel" sein würde, allein bei Jack Sparrow, diesem hinterhältigen und verruchten Mann, der für sein Leben gern Intrigen zu spinnen und sich dabei ins Fäustchen zu lachen schien. Will seufzte leise, setzte sich nun doch wieder auf, linste zur Doppeltür, aus der Annamaria hinausstolziert war. Nach dem Trinken tat sein Kopf nicht mehr so sehr weh, doch er hatte noch immer Durst und verzehrte sich nach mehr Wasser... Doch sein Stolz war es, der ihm verbot, nach draußen zu gehen und um mehr zu betteln. Jack Sparrow würde sich auch so früh genug über ihn lustigmachen! Vorsichtig setzte Will einen Fuß aus dem Bett, den nächsten hinterher. Als er aufstand, wurde ihm schwindlig, alles drehte sich um ihn herum und er fiel zurück auf das Bett. Sein Kopf dröhnte wieder. Er keuchte, strich sich einzelne verirrte Strähnen seiner Haare aus dem Gesicht und versuchte es noch einmal. Mit wankenden Schritten tapste er zum anderen Ende der Kajüte, schaute aus dem Fenster. Er konnte die Spur des Kielwassers sehen, die die Pearl hinter sich ließ. Wie kleine Fahrtrinnen von Eselskarren... Wie Fußspuren. Wohin fuhren sie? Will lehnte sich an das wunderbar kühle Fenster, legte die Stirn, hinter der es hämmerte, ab und starrte auf das Meer. Was sollte er jetzt machen? Wie sollte er Jack dazu bringen, ihn zur Isla de Muerta zu bringen? Und vor allen Dingen, wie sollte er ihm klarmachen, dass der ihm helfen musste, einen Fluch aufzuheben...von dem er nicht wusste, wie er ihn aufhob? Will schluckte, seufzte und atmete einmal tief ein und aus. Aber er musste es schaffen...Für Elizabeth...für sich selbst... Nur wie...wie...? "Du solltest dich wieder hinlegen!" sprach es plötzlich hinter ihm. Will fuhr erschrocken herum, die Augen geweitet, das Herz halb stehengeblieben. Da stand er! Die schwarzen, geschmückten Haare wie immer leicht zerzaust, gebändigt von dem roten Tuch und dem Hut, auf den der Mann immer so stolz gewesen war. Die Augen so dunkel wie eh und je. Der Körper steckte noch immer in alten, leicht verdreckten Sachen und auch der Gang des Captains dieses Schiffes war der gleiche. Ein leichtes Schwanken, das er sich auf See angewöhnt haben musste, das er jedoch bei jeder Gelegenheit übertrieb. "Denn wenn wir nach Backbord drehen, liegst du in meinem Nachtmahl, und das willst doch nicht, oder, William Turner?" Will schaute zögernd nach rechts. War es schwer, den Blick von Sparrow zu lösen, klebte er jedoch gerade an dem, was er erhaschte. Einen kleinen Tisch voller Essen. Und Trinken! Warum hatte er das nicht früher gesehen?! Er schluckte unwillkürlich, sah die Weinkanne, die Rumflasche, den Wasserkrug. "Ich würde nicht fallen..." entgegnete er, ohne Jack anzusehen. "Und das weißt du!" Will spürte den Schwindel wiederkommen, er zog ihn vom Fenster weg und so versuchte er, sich mit aller Kraft dagegenzulehnen. Sein Blick glitt zurück zu Jack, der neben dem Bett stand und ihn abschätzend musterte. "Natürlich weiß ich das." sagte der Pirat rauh und für einen Augenblick hatte Will das Gefühl, dass der Mann ihn durchbohrte mit seinen dunklen, geheimnisvollen Augen. Nur für einen Sekundenbruchteil, so dass Will selbst nicht sehen oder spüren konnte, was er dachte...was er denken könnte. "Nun denn..." sagte Jack, lief in wogendem Schritt auf den jungen Mann zu und wechselte in einen interessierten Gesichtsausdruck. "...was führt denn einen jungen Governeurssohn nach Tortuga...?" Er grinste. "Hat die liebe 'Lizbeth dich rausgeworfen? Hast du ihr nicht mehr gefallen?" Kurz vor Will blieb er stehen, grinste keck daher wie ein kleiner Junge. "Oder hab ich doch Recht gehabt mit dem Eunuchen?" Will spürte den Blick des Mannes auf sich, der langsam tiefer und tiefer kroch, dem letzten Worte folgend. Ihm war noch immer schwindlig und so musste er sich an einem Stuhl festhalten, um nicht doch zu fallen. "Wir haben noch nicht geheiratet." presste er zwischen den Zähnen hervor. "Dazu gab es noch keine Gelegenheit!" "Ach, wie das?" Jack lief langsam und bedächtig zum Essenstisch und begann, in einer Obstschüssel herumzukramen, sortierte Äpfel, Birnen, Orangen und Bananen. Will wusste nicht, ob der Pirat wirklich interessiert war an seiner Geschichte. Er spürte, wie ihn die Anstrengung, das Verkrampfen in Jacks Gegenwart die Energie entzog. Er wollte eigentlich nur schlafen... "Jack..." sagte er langsam, stützte sich auf den Stuhl ab. "Ich bin verflucht!" "Ja, das ist mir auch schon oft passiert!" plapperte der Captain mit toternstem Gesicht, während er einen rotbäckigen Apfel streichelte, dann weglegte und dasselbe mit einer Birne tat. "Aber glaub mir, Will, wenn du sie einmal hast, hast du sie immer und irgendwann verzeiht dir jede!" Will spürte, wie es schwarz um ihn herum wurde, mehr und mehr. Er hatte sich übernommen, spürte die Haut brennen, spürte den Kopf halb zerplatzen. "Verdammt, ich rede von einem wirklichen Fluch! Vom Fluch des Aztekengoldes!" knurrte er mit letzter Kraft. Und dann konnte er sich nicht mehr auf den Beinen halten, spürte sich stolpern, es war wie ein Zeitsprung. Plötzlich war da etwas, das ihn hielt. Will blinzelte. Jack... "Wir wussten doch beide ganz genau, dass du fallen würdest, William Turner!" sagte Sparrow, raunte es ihm geradezu ins Ohr, während sich seine Arme stütztend um Wills Oberkörper gelegt hatten. Der junge Mann fühlte die Nähe des Piraten, es war eine seltsame, fast unheimliche Gegenwart, die er nie zuvor so intensiv gespürt hatte. Eine Gegenwart von Stärke. Von Kraft. Und von Geheimnissen... Benommen blinzelte er noch einmal, hob den Kopf und konnte Jack direkt in die Augen sehen. Sofort wurde ihm heiß und kalt zugleich... Sie waren nicht schwarz. Schwarz war nur ihr Rand, rauchig, tief und beeindruckend. Aber diese Augen selbst...waren dunkelbraun. Wie glitzende Schätze, die im ewigen Schatten lagen, wie in einem tiefen Meeresgraben. Sie wirkten nur schwarz, wenn man nicht genau hinsah. Wenn man zu weit weg war. Und sofort hatte Will das Gefühl, einen Blick in eine unendliche Tiefe erhascht zu haben... Als ob er einen Teil der Geheimnisse dieser Welt ergründet habe. Jacks Augen glänzten...und schienen sich sofort mit einer zweiten, unsichtbaren Haut zu überziehen, die ihn nicht weiterließ. Sein Herz schlug wild... Das Fieber? "Geh da zurück!" raunte Sparrow, nickte in Richtung Bett. "Weil du es bist, setzen wir dich in Tortuga wieder ab, wir haben gedreht." Er ließ Will los, ließ ihn allein zum Bett zurücktaumeln und dort hinauffallen. Das weiße, weiche Bettzeug nahm Turner freundlich wieder in Empfang. "Tortuga?" wiederholte Will misstrauisch. "Aber ich dachte, ich sei dein Gefangener und du würdest den Governor erpressen wollen!" Jack setzte den Hut ab, legte ihn auf den Tisch, ehe er sich daran auf einem Stuhl niederließ, die Beine hochlegte und übereinanderschlug. Noch immer diese Birne in der Hand. "Also wenn du das wünschst, können wir das gern so machen!" sagte er, schaute über die Schulter zu Will und grinste, dass die Goldzähne in seinem Gebiss glänzten. "Nur werde ich dich am Ende nicht loswerden, weil sich dein netter Schwiegerpapa nicht drauf einlassen wird! Denn der hört ja nur auf seinen ach-so-geliebten Commodore!" Will spürte das Grinsen auf sich, lag jetzt wieder auf dem Bett. Sein Kopf brachte ihn halb um. "Und selbst wenn die reizende Ms. Swann ihren Papa und diesen schmierigen Kerl überreden kann, ich habe in die nächsten Wochen keine Schießerei mit der halben Royal Navy geplant!" Er biss von der Birne ab, schmatzte laut. "Das ist auch nicht nötig!" entgegnete Will. Versuchte, sich aufzusetzen und kämpfte innerlich gegen den dröhnenden Kopf an. "Du musst mich zur Isla de muerta bringen!" Der Pirat reagierte nicht. Er saß einfach da, den Rücken halb dem Mann im Bett zugewandt und aß seelenruhig weiter. Will spürte, wie ihm die Luft scheinbar etwas steckenblieb in der Kehle. "Jack, ich bin wirklich verflucht! Es geschah vor genau sieben Wochen, nachdem ich dieser verdammten Fluch über Barbossas Mannschaft aufgehoben habe! Der Mond schien und dann...dann..." Er starrte auf die Bettdecke, verkrampfte die Hände. "...dann sah Elizabeth plötzlich genau so aus wie Barbossa und die anderen im Mondlicht... Ich...ich konnte nicht mehr sehen, wie sie wirklich aussah. Genauso erging's mir mit der halben Bevölkerung von Port Royal seither, wen ich einmal im Mondlicht gesehen habe, muss ich immer so sehen!" Tiefe Verzweiflung schwang in Wills Stimme mit, durfte er sich nun endlich dem einzigen mitteilen, der genau wusste, wovon er sprach. Der sich vielleicht denken konnte, was er alles hatte erdulden müssen bisher. Will hatte niemandem daheim etwas davon erzählt. Hatte Elizabeth nichts gesagt, aus Angst, dass sie sich würde Sorgen machen. Hatte Norrington gegenüber kein einziges Wort erwähnt. Hatte nur immer so getan, als sei alles in Ordnung, doch das Blut war ihm in den Adern gefroren, wenn ihn Elizabeth küsste und er nur ihren kalten, verknöcherten Kiefer spürte, ihr totes Herz durch die Rippen sehen konnte und ihre Finger bei jeder zärtlichen Berührung knackten. Ja, er hatte gehofft, dass es weggehen würde. Wie ein Spuk...oder eine Krankheit. Doch nichts dergleichen war geschehen, stattdessen hatte er den Zusammenhang mit dem Mond erkannt, hatte nachts in der Schmiede aus Wut heißes Eisen zerhauen, hatte sich den Kopf zermartert, hatte versucht, alles zu ignorieren. Denn diese Menschen lebten doch. Elizabeths Herz war nicht tot, es schlug doch! Und ihre braunen, hübschen Augen schwammen nicht formlos in ihren Höhlen. Will hatte nichts dagegen tun können. Er hatte ein Boot gestohlen in der Nacht, hatte sich auf den Weg nach Tortuga gemacht, in der Hoffnung, Jack dort wiederzufinden. Er hatte all seine Hoffnungen in den wundersamen Kompass des Piraten gelegt, der nicht nach Norden zeigen konnte, wohl aber zur Todesinsel. Und vielleicht würde er nur dort erfahren, wie er diesen Fluch bekämpfen konnte. "So, ist das so?" meinte Jack endlich, schaute seine Birne an. Er wirkte nicht sonderlich interessiert. "Heißt das, die süße Elizabeth ist wieder zu haben?" Er grinste, drehte sich zu Will um. "Und du auch?" Der schmerzende Kopf benebelte Wills Verstand. Wenn er eben, als er aufgewacht war, noch gedacht hatte, dass er aufstehen und einfach wieder losstürmen können würde, brachte ihn das jetzt wieder zur Besinnung. "Ich bitte dich!" sagte er, fasste sich an die pochende Schläfe. "Du musst mir helfen! Du kannst mich jetzt nicht einfach wieder nach Tortuga schicken!" Das Bett unter ihm drehte sich. "Ich weiß, wer schon einmal auf der Isla de muerta gewesen ist, findet sie auch wieder, ich aber habe keinen Kompass dafür!" Der Pirat stand langsam wieder auf, legte die angebissene Birne zurück in die Schüssel. Seine Hände griffen nach Wasserkrug und einem verzierten, goldenen Becher. Es war still in der Kajüte, so still, dass das Geklimper von Jacks Haarschmuck sehr laut wirkte. Der Mann stolzierte zum Bett herüber, ließ sich nieder neben Will und schaute ihn ganz genau an. "Also damit du eines weißt!" sagte er mit rauher Stimme, während er aus dem Krug Wasser in den Becher eingoss. "Ich bin Pirat, nein Piratenkaptän! Und Piraten sind dafür bekannt, dass sie vogelfrei sind, dass sie sich nicht sagen lassen, was sie zu tun haben und wohin sie zu segeln haben. Piraten sind dafür bekannt, dass sie plündern und morden und alles in Brand stecken." Er fuchelte leicht mit dem Becher herum. "Sie sind aber nicht dafür bekannt, dass sie einem dahergelaufenen Mann helfen, sein Weibsbild wiederzubekommen, klar soweit?" Und damit ließ er den Becher langsam zu Will gleiten, der sich kaum noch halten konnte und bereits gegen die nächste Ohnmacht kämpfte. Turner griff nach dem Becher, leerte ihn gierig und spürte, wie das erfrischende Nass seine Kehle streichelte. Er setzte den Becher wieder ab, griff nach dem Krug in Jacks anderer Hand und setzte ihn an den Mund. Trank, wie er noch nie getrunken hatte. Und mit jedem Tropfen kehrte mehr Besinnung zu ihm zurück. Dann fühlte sich sein Bauch aufgebläht an. "Jack..." Er hielt den Krug mit beiden Händen auf dem Bett fest. "Es geht um Elizabeth, es geht um mein Leben! Es geht darum, dass ich nicht unter Toten weilen muss, die gar nicht tot sind! Habe ich dir nicht auch geholfen, dein Schiff wiederzubekommen? Dein Leben?" "Das ist eine sehr egoistische Einstellung, Will!" hielt Sparrow ihm vor. "Du hättest mir doch nie geholfen, wenn deine Elizabeth nicht auf der Pearl gewesen wäre, ebensowenig wie ich dir geholfen hätte, wenn du nicht Stiefelriemens Sohn gewesen wärest! So sieht es aus, klar soweit?" Er grapschte nach dem Krug, erhob sich und lief zum Tisch zurück, um das Geschirr wieder wegzustellen. "Es war eine reine Zweckgemeinschaft, mit Abmachung versteht sich, und dass du so etwas unglaublich Blödes wie mich vom Galgen wegholen würdest, ist nun mal ein Ausnahmefall gewesen!" Die dunklen Augen funkelten, während der Captain sprach, den Kopf dabei schieflegte und mit den Händen wild gestikulierte. Es hatte etwas Lächerliches an sich, und gerade das ließ Will die Hoffnung verlieren, dass er sich mit diesem Mann würde einigen können. "Und nun kommst du daher, William Turner, Piratenhasser und Landläufer, Teil einer Zweckgemeinschaft, und meinst, in mir den vertrauten, vermissten Freund zu finden, der dir einfach hilft, ohne den geringsten eigenen Vorteil?" Das in die schwarzen Haare eingeflochtene Metall und Holz klimperte noch immer leise und Jack hatte sich vor dem Bett aufgebaut, schaute geringschätzig auf den Kranken herab mit den kühlen schwarzen Augen, die kein Licht in sich zu lassen schienen. Will keuchte kurz. Was sollte das? Was sollte er nun tun, sagen? Er hatte es doch von Anfang an gewusst. Er hätte doch den Commodore fragen sollen. Er hätte doch besser den Governor um Hilfe anbetteln sollen, Elizabeth und die anderen. Die hätten die Todesinseln schon gefunden, irgendwann, irgendwo! Warum nur hatte er sich auf diesen dummen Plan eingelassen, Jack um Hilfe zu bitten, den Piratencaptain der Black Pearl?! Nun saß er hier, krank, ermattet und verspottet von selbigem, wusste nicht, wie er vorzugehen hatte. Neben Jack fühlte er sich klein, winzigklein und hilflos. Und er hasste dieses Gefühl... Dieses Gefühl, alleingelassen zu sein vom Rest der Welt... auf einem Stück Brett im Ozean zu treiben, mit der kranken Hoffnung, ihm würde doch noch jemand helfen. Nur darum hatte er sich immer selbst helfen wollen... Die Kopfschmerzen ließen ihn die Augen zusammenkneifen, es war ein plötzliches Durchzucken von einer Schläfe zur anderen und mit einem fühlte er seine gebrannte Haut glühen. Er stöhnte leise, ließ sich nach hintenüber fallen, auf das Kopfkissen, das leise raschelte. Dieser verdammte Hitzschlag! Vor seinen Augen tanzten kleine bunte...nein...weiße Punkte, als er sie wieder öffnete. Vielleicht sollte er doch aufgeben...Dieser Gedanke wuchs stetig in ihm und eine neue Müdigkeit ergriff Besitz von ihm. Und dann Jack Sparrow. Der ihn von oben einfach anschaute. Wie ein kleines Ausstellungsstück, wie Gold, das er rauben wollte. Ein nachdenklicher, dunkler Blick, genauso undurchsichtig wie das Meer. Dieser Vergleich fiel Will erst jetzt ein. Er schnappte nach Luft, konnte die Augen kaum offenhalten. War so müde... "Wenn es dir bloß um den eigenen Vorteil geht..." murmelte Will, den Blick von unten auf Sparrow gerichtet. "...wieso hast du mich dann überhaupt aus dem Boot ziehen lassen...?" Das Bild verschwamm erneut. Seine Augen ließen ihn im Stich. "...warum hast du mich dann nicht treiben lassen...wenn ich dir ohnehin nichts nütze...?" Er konnte sie nicht mehr offenhalten. Der Schlaf, die Ohnmacht, oder was auch immer das war, zog ihn herunter. Und das letzte, was er spürte, war eine Hand, die sich sanft auf seine Stirn legte...die auf seine Wange herunterstrich...und dort verharrte... To be continued... Kapitel 4: Schillernde Träume ----------------------------- ...Und den Fluch im Kielwasser.... Autor: Tsutsumi Teil: 4/? Titel: Schillernde Träume Warnung: OOC (auch wenn ich versuche, mich an die Originalcharaktere zu halten), sappy, Shounen Ai Pairing: Jack Sparrow x Will Turner Disclaimer: They ain't mine, so I don't get money for this. Soweit ich weiß, gehört das alles Disney. Schillernde Träume Sie fühlte sich so weich an. Diese Haut... Rauh...und doch weich, vielleicht weicher und sanfter als die Hand von Elizabeth... Will war zu besinnungslos, um entsetzt über diesen Gedanken zu sein. Er spürte einfach, blieb sein Geist doch wieder wach, wie vorhin in dem Boot. Die Hand strich mit dem Rücken der Finger an seiner Wange entlang. Kühlte seine glühende Haut. Hörte nicht auf... Will konnte nichts dagegen tun. Doch hätte er gekonnt...er wäre wie erstarrt gewesen. Denn in seinem Verstand war ihm klar, dass dies nur ein einziger Mensch sein konnte. Denn es war niemand zur Kajüte rein- oder rausgegangen. Und ebensowenig hatte sich Jack Sparrow vom Bett wegbewegt. Doch warum tat er das...? War das ein Betrachten und Abtasten der Beute? Ein Blick, wie schlimm Wills Fieber noch sein mochte...? Aber was das Seltsamste an der Tatsache war, war, dass es Will gefiel. Dass er diese Berührung genoss und sie ihn einschläferte. Je sanfter und langsamer sie war, desto ermüdender für den Kranken. Bald hatte ihn das Streicheln in den Schlaf gelullt. Doch er hatte Träume, in denen der Pirat weitermacht...und nie wieder aufhörte... So lag er da, in einem fremden Bett, schlummerte sich das Fieber aus den Gliedern, lange, lange, bis in die Nacht hinein. Das Schiff schaukelte regelmäßig, immer hin und her und ein kleines bisschen schaukelte er jedesmal mit. Es gab Momente, in denen er aufwachte, sich auf die andere Seite drehte und kurz das Pochen hinter den Schläfen spüren konnte. Dann schlief er wieder ein. Es war wie ein unregelmäßiger Wechsel zwischen Tag und Nacht. Zwischen gut und böse. Zwischen weiß und schwarz. Zwischen Schmerz und Traum. Und immer dieses Schaukeln, das er nicht gewohnt war, das ihn mal entspannte und mal halb dazu brachte, sich erneut zu übergeben. Er versuchte zwischendurch, wenn er sich wieder herumdrehte, dabei an die Oberfläche seines Bewusstseins tauchte, zu überlegen, wie lange die Sonne auf ihn niedergebrannt haben musste, dass es ihm soviel ausmachte. Er war doch immer stark gewesen- und hatte sich immer zu helfen gewusst. Wie auch sonst? Er hatte ja nie jemanden gehabt. Und nun lag er hier, zerschlagen und hilflos... Damit hatte er ganz und gar nicht gerechnet... Die Dunkelheit umgab ihn, als er wieder zu sich kam, wieder mehr der Umgebung wahrnahm. Wie ein blinder Mantel hüllte sie ihn scheinbar ein. Schützte ihn. Und konnte ihn doch nicht verstecken. Im nächsten Moment erschienen kalte, weiße Strahlen, fraßen sich durch das Schwarz auf dem Kajütenboden, krochen weiter und weiter. So wie damals... So wie bei Elizabeth...Bei so vielen... Will legte den Kopf wieder auf dem Kissen ab, zwang sich, die Augen zu schließen. Und draußen schien der Mond gerade auf die Wellen, tauchte sie in silbernes Licht, ließ sie erstrahlen... Ließ die Wangen der Menschen blass und edel erscheinen. Hauchte Liebenden seinen schönen Hauch zu... War so groß und rund...und starrte ewig dahin mit seinem traurigen Gesicht. Und machte ihn zum Verdammten. Will zog die weiße Decke höher, wollte sie über seine Augen ziehen. Wie er es in Tortuga jede Nacht getan hatte. Wie er es daheim zuletzt jede Nacht getan hatte. Wollte sich wieder verstecken, von der Welt abschotten. Was blieb ihm anderes übrig? Und wie er das wärmende Stück höherzog, spürte er, wie sich etwas regte. Wie etwas begann zu sein... eine Gegenwart, die ihm bekannt war. Und plötzlich fühlte er eine Hand auf seiner, warm und weich. So plötzlich, dass er erschrak. Den Kopf wieder hob und die dunklen Augen aufriss. Wie eine Explosion erfasste ihn der Schreck, fuhr ihm tief, tief, bis in das Innerste seiner Knochen und er wich zurück. Konnte aus den Augenwinkeln das stille, kalte, mordende Mondlicht sehen, dass dort durch das Fenster brach, das Bett noch nicht erreicht hatte. Aber gierig darauf sann, es in seinem bleichem Weiß zu verschlingen... Will spürte sich zittern. Und dann starrten ihn zwei nachtschwarze Augen an... "Geh weg!" murmelte er ängstlich, vergrub sich wieder im Bett, zog die Decke bis an die Nase. Im Dunkeln klimperte es leise, raschelte es und Jacks Kopf tauchte neugierig über ihm auf. "Verzeih, Mr. Turner, ich fürchte nur das kann ich nicht!" flüsterte Sparrow und grinste. Im Dunkeln erschien ein heller Fleck. Einer seiner Goldzähne... Und dann war er plötzlich nahe... So unglaublich nah an Will, starrte ihn an mit den dunklen, unheimlichen Augen, durch die Will nicht sehen konnte, in denen er nichts verstand. Und die Angst vor dem Mondlicht saß ihm im Nacken und biss sich fest, schüttelte ihn, ließ ihn zittern... Jack hatte die Hand auf Wills gelegt, fasste sie sanft, berührte sie, streichelte sie wie betörend. "Denn das hier ist nun mal mein Bett!" Die schwarzen Augen bohrten sich geradezu in Wills Gesicht. Sie waren wie etwas Übersinnliches, waren wie etwas, das man nicht erklären konnte. Und sie waren unheimlich. Will spürte eine unbestimmte Angst im unteren Teil seines Bauches sitzen. Sie rumorte, sie schrie. Turner fühlte sich erschlagen. "Gut" Seine Stimme hatte stark klingen sollen, doch sie war lediglich ein dünnes Wispern. "Dann werde ich gehen." Seine Hand rutschte unter Jacks hinweg, als Will sich aufsetzte, den Schwindel erneut spürte. Die Kopfschmerzen waren weg, hatten sich weggeschlafen. Und trotzdem steckte dieser Hitzschlag noch in Will wie ein grünes, tödliches Gift. Mühselig stellte er ein Bein auf dem Boden ab. Dann das zweite. Er hatte sich schon lange genug von Captain Sparrow abhängig gemacht. Er hatte sich viel zu tief hierher gewagt. "Bleib liegen, Junge." hörte er Jack hinter sich raunen. "Du fällst nur wieder hin!" Will atmete einmal tief ein, schnaubte verächtlich. Seit wann hatte Jack Sparrow das Recht, ihn so herumzukommandieren? Nur weil er in seinem Bett gelegen hatte? Nur weil er es gewagt hatte, in einem Ruderboot an der Black Pearl vorbeizutreiben? Er war doch kein Crewmitglied, er war Gast, er war... Er hatte doch nur in diesem verdammten Bett gelegen... Will spürte die Gegenwart des Mannes hinter sich, eine einzige ruhende Kraft und die Bereitschaft, jederzeit etwas zu tun, was niemand erwartete. Die Unberechenbarkeit. Er stellte sich mühsam auf die Beine, drückte den Rücken durch und drehte sich dann triumphierend zum Captain um. Fallen... Diesen Kerl interessierte es doch kein Stück, wenn er fiel! Jack Sparow hatte sich aufgesetzt. Seine dunklen Haare waren wild zerzaust wie eh und je. Das rote Tuch hatte er noch immer um den Kopf gebunden und er trug auch noch sein weißes Hemd. Mehr konnte Will nicht erkennen. Der Mann war halb versteckt im Dunklen. Sah aus wie ein Geheimnis, das die Nacht preisgegeben hatte. Sein Blick unerraten. Will spürte einen Schmerz in seiner Brust aufkeimen. Verbittert. Wie noch nie. Er fragte sich, woher er kam, warum er ihn packte... Er trat an das Fenster, in das Mondlicht hinein. Und in seinem Kopf sah er Elizabeth, die vor seinen Augen zum Skelett geworden war. Die ihn heiß und innig küsste mit ihrer Zungen aus Staub, die ihn berührte und bei jeder Bewegung knackte und knarrte. Es war der Tod...Will hatte sich auf den Tod eingelassen...Und er würde nicht vor ihm davonrennen können. Das weiße, fahle Licht jagte ihm das kalte Blut durch die Adern, erinnerte ihn daran, dass er allein unter Toten weilen konnte. Es sagte ihm erneut, wie hilflos er war. Wie hoffnungslos es eigentlich war. Der kalte Schauer krauchte seinen Rücken hinunter. Unter ihm schaukelte das Schiff leicht, friedlich, wie die Wiege eines Babys. Will senkte den Kopf. Er konnte das Licht auf sich liegen spüren. Es durchflutete ihn...und gleichzeitig tötete es ihn... "Bin ich eigentlich wie sie...?" Nur eine Frage, in diese seltsame Stille hinein, die nur von einem leisen Knarren unterbrochen wurde, das durch das Schiff lief. Jede Bewegung der Pearl war zu hören. Turner wagte es nicht, den Blick abzuwenden, er versuchte aus dem Kabinenfenster zu spähen. Draußen glitzerte das Meereswasser im weißen Mondschein. Eigentlich war es wunderschön. Auf dem Bett grunzte Jack. "Wie wer?" Die Decke raschelte ein bisschen, dann registrierte Will keinerlei Bewegung mehr hinter sich. "Wie Barbossa. Und die anderen. Als sie verflucht waren, meine ich." Will starrte seine Hand an. Der Schwindel war wieder da und spielte Karussell mit ihm. "Soweit ich das beurteilen kann..." Will hörte es erneut rascheln. Spürte eine Bewegung, Jack hob wohl gerade den Kopf. "...nein, tust du nicht!" Die dunkle Stimme klang ein wenig amüsiert. "Du bist so hübsch wie immer, und nun komm und stör mich nicht länger beim Schlafen!" Sparrow schien zweimal auf sein Kopfkissen einzuschlagen, legte sein Haupt erneut zur Ruhe. Er schnaubte leise durch die Nase. Will seufzte innerlich. So hübsch wie immer.... So hübsch... Seit wann fand man einen Mann hübsch? Noch dazu einen Mann, der sich wie ein feiges Huhn zu Piraten verkroch, seiner eigenen Verlobten davonrannte und sie daheim im Stich ließ?! Die Schmerzen zerrten wieder an Turners Schläfen. Und in diesem Moment, in dem sich alles so furchtbar um ihn drehte, begann er sich zu fragen, ob Elizabeth ihn auch als hübsch ansah. Ob sie ihn überhaupt richtig vermisste. Und ob er überhaupt zu ihr zurückwollte. Er schloss die schmerzenden Augen. Natürlich wollte er das! Wozu war er denn sonst ausgerechnet hierher gekommen?! "Ich muss zur Isla de muerta." sagte Will bestimmt und trat rückwärts aus dem Mondlicht heraus. "Und wenn du mir nicht hilfst, werde ich sie eben alleine finden!" Doch wieder das Bett. Seine Knie knickten durch. "Will!" grunzte Jack. Er lag da, den Kopf auf das Kissen gebettet, hatte eine Hand erhoben und wedelte langsam und scheinbar ohne recht zu wissen, was er mit dieser Bewegung untermalen wollte, herum. "Will...! William!" Er gähnte. Der Kranke ließ sich wieder auf dem Bett nieder, betrachtete ihn mit einer lauwarmen Mischung aus Amusement und Skepsis. "Was soll dir das denn bitte bringen?!" Erst jetzt fiel Will auf, dass Sparrow die Augen geschlossen hatte. Diese seltsamen...schwarz untermalten Augen. "Du würdest höchstwahrscheinlich ja nur wieder in einem kleinen Boot enden, im Niemandsland, oder, sagen wir es besser, irgendwo auf dem Ozean!" Will schlüpfte unter die Decke. Im Dunkeln fröstelte er zwar nicht mehr so, doch er hatte Angst, dass der Mond seine Strahlen wie Krebsmetastasen weiter zum Bett drängen würde, direkt auf Jack. Und er wollte Jack nicht als toten Dämon sehen... "Und wenn schon..." murmelte er, zog die Decke hoch, während er versuchte, sich bequem im Bett hinzulegen. Einen Moment lang kam ihm der Gedanke, welches Weib wohl schon diese Hälfte des Bettes warmgehalten habe... Es war praktisch ein Ehebett, wie für feine Leute. Passte gar nicht zu Jack Sparrow. Will lag nun da, vor seinen Augen drehte sich wieder alles, doch es war nicht mehr so schlimm wie am Tage. "Lieber sterbe ich so, als dass ich länger als ewig Verdammter umhergehe!" Damit schloss er die Augen. Denn die Zeit war vergangen und er wollte nicht...nein...konnte nicht zusehen, wie der Mond um die Erde wanderte und mit seinen Strahlen nach ihm, dem verfluchten Schmied, suchte. Er würde ihn finden, natürlich. Aber schlafend. Er würde niemanden ansehen. Schon gar nicht Jack. Neben Will seufzte es theatralisch. "Du willst immer sterben, Will! Ist dir das schon aufgefallen?" Der junge Mann antwortete nicht. Lieber wäre er auf der Stelle eingeschlafen. "Dagegen solltest du wirklich mal etwas unternehmen! Sterben für Elizabeth, sterben für die Liebe, sterben um dich zu erlösen!" Jacks Stimme war immer näher gekommen. "Meinst du nicht das Leben besteht auch aus...hm...Leben?" "Vielleicht für dich!" gab Will wütend zurück. Natürlich wollte er leben, aber wie, wenn ihm niemand dabei half?! Ein wilder, kalter Schmerz zog in seiner Brust. Nie wieder Elizabeth sehen...oder Port Royal...oder...oder... Ja...wen eigentlich? "Aye!" kicherte Jack. Es war wirklich ein Kichern, so eines wie das, was er ausgestoßen hatte, als er im Gefängnis gefeixt hatte als Will zerknirscht zugegeben hatte, dass er Elizabeth liebte. "Du solltest dir an mir ein Beispiel nehmen!" Die Piratenstimme war hoch bei diesem Kichern. Wie das eines Kindes. Und damit bestätigte sich für Will, was er innerlich schon sehr lange dachte. In Jack steckte mehr ein kleines Kind als ein furchteinflößender Pirat. "Lass mich schlafen!" murmelte er zornig, zog die Decke noch höher. Es raschelte wieder im Bettzeug. Und dann war Jacks Gegenwart ganz nahe. Er musste herübergerutscht sein. "Ich erfreue mich aber sehr gerne an einer nächtlichen Konversation, Mr. Turner!" sagte seine rauhe Stimme leise. "Eben wolltest du aber noch schlafen!" fauchte ihm Will entgegen, hatte die Augen nun doch aufgerissen. Er erschrak einen Augenblick. Zum einen weil es fahl-hell geworden war im Raum. Und Jack lag ganz nahe bei ihm. Unmerklich musste dieser Kerl immer näher gekommen sein, näher als Will es aus seiner Stimme herausgehört hatte. Nun lag er da, starrte mit seinen dunklen Augen in Wills, keine zehn Zentimeter von seinem Gesicht entfernt. Turner hatte das Gefühl zu erstarren. Der warme Atem des Piraten fuhr über seine Nasenspitze. Roch ein bisschen nach Rum und gleichzeitig nach dem salzig-obstigen Duft der weiten See. Ja...er roch ein bisschen nach Freiheit. Will schloss die Augen wieder, mehr aus Müdigkeit und Erschöpfung, aus Resignation als aus Träumerei. Doch die Träumerei war es, die seine Muskeln mit einem Mal entkrampfen ließ. Dieser Geruch Jacks. Mit einem Mal sah Will die weite See vor sich. Und sie war plötzlich weder gefährlich noch liebevoll. Sie war einfach da und er flog über sie hinweg wie ein Albatross. Er konnte fremde Länder sehen, sich im Wasser spiegeln sehen wie ein stolzer Ikarus und die Delphine schwammen direkt unter der Wasseroberfläche. Die Sonne brannte nicht mehr auf ihn nieder. Sie kitzelte ihn, streichelte ihn warm und der Himmel hüllte ihn ein in seinem ganzen schönen Blau. Es war als wohne eine ganze, von Farben schillernde Welt in Jack Sparrows Atem- ein seltsamer Gedanke. Will atmete unwillkürlich tief ein. Noch nie war er in der Gegenwart des Piraten so entspannt gewesen... Schillernde Träume... In diesem Moment begann sein Herz wild zu klopfen. Es war wie der Anfang von etwas, wie ein Tor, durch das Will hindurchgetragen wurde. Es ging weiter, immer weiter. Er sah Menschen tanzen und weinen, arbeiten und feiern. Er sah fremde Tiere, konnte sein England erblicken und dann wieder das ferne China. Wusste nicht, wie lange er so verharrte. Nicht nur er. In seinen Ohren kreischten leise die Möven, begleiteten ihn durch den Traum. Ihre grau-weißen Schwingen pfiffen ein bisschen im Wind. Sie nickten beim Schlagen der Flügel, schlossen träumerisch ihre kleinen schwarzen Äuglein und öffneten sie wieder, so als ob sie den Flug genauso genießen wollten wie er. Und Nebel hüllte ihn ein. Sonniger, warmer Nebel.... "Mach sie nicht mehr auf!" raunte es leise neben ihm. Will erschreckte ein wenig, jedoch nur ein wenig. Genauso wie eine Sekunde später als er eine warme Hand auf seinen Augen spürte. Der Mond musste inzwischen auf das Bett scheinen. Will versuchte, den kalten Schauer auf sich zu spüren. Doch die Decke war noch warm und die Hand auf seinem Gesicht hatte ihn vollständig aus dem Konzept gebracht. Es verwirrte ihn, und doch spürte er, wie er sich mehr und mehr begann zu entkrampfen... Als ob Gift aus seinem Körper wich. Sein Herz schlug so hart... Aber warum...? Weil er noch immer diesen Geruch wahrnahm, stärker denn je? Weil Jack so nahe war, so außergewöhnlich nahe? Weil es ihm gefiel...diese Berührung? Zweifellos war Turner noch nie in so einer Situation gewesen... Schwach, verträumt und so verdammt abhängig. Es bereitete ihm Schmach und gleichzeitig spürte er so etwas wie Neugier in seiner Brust pochen, im gleichen Takt wie sein verrücktes Herz. Sie verriet ihn. Verdammt... Jacks Hand bewegte sich von seinen Augen weg, strich wieder über die Wange. Will spürte sich zucken, vielleicht ängstlich, vielleicht aber auch wegen dem Schlaf, der wieder langsam in seinen Kopf kroch und versuchte, ihn einzulullen. Er wollte noch Jacks Namen sagen, wollte irgendetwas sagen. Doch was gab es, was er hätte sagen können, was nicht diese zarte Atmosphäre hier zerstörte? Was Jack nicht wieder zum herablassenden, schadenfrohen Mistkerl werden ließ? Sanft streichelten Fingerrücken Wills Wange, ein paar Mal. Dann wieder über die Stirn, hinter der es leise schmerzte. Wieder herunter... wie im Takt einer Musik, die Turner nicht hören konnte. Im Takt der Wellen dort draußen...Wie im Takt des Pulsieren des Mondes. Dieses Gefühl war seltsam. So unbekannt. Denn wer hatte ihn jemals so berührt? Hatte er überhaupt je das Bedürfnis gehabt, so berührt zu werden? Er, der starke Schmied, der sich verteidigen konnte, der Leib und Leben der anderen beschützte? Dieser Geruch war noch immer da, so nah die Gegenwart des Piraten. Sie schien sich um ihn zu legen... Will rutschte wieder ab in diese farbenfrohen Träume. In seinem Kopf befand sich die ganze Welt, entfaltete sich und streckte sich ihm entgegen, lächelte und begrüßte ihn. Säuselnd summten Hummeln auf den blumenübersäten Wiesen, der Löwe auf dem Hügel schaute dem Sonnenuntergang zu und auf der anderen Seite streckte ein Eisvogel den Kopf unter dem bunten Federkleid hervor. Die Bilder wurden langsamer und langsamer. Will hatte das Gefühl, als ob er wie Ikarus zu nahe an die Sonne gekommen war. Seine Flügel schmolzen dahin, die Möwen kreischten. Er fiel...Er fiel...! Sein ganzer Körper zuckte, typisch für das Hochschrecken eines Einschlafenden. Als ob er unten angekommen wäre, in das tiefe Nass abgestürzt und nun unterging, ertrank. Er rollte sic, unwillkürlich seufzend auf die Seite, dem wunderbaren Geruch entgegen. Die Decken waren warm. Und wieder der warme, süße Atem. Er konnte ihn jetzt hören, konnte ihn über die Wange hauchen spüren. Nahm ihn nur wie nebenbei wahr, doch das Geräusch, das Gefühl beruhigte ihn. Da war jemand. Selbst wenn dieser Jemand ein Mistkerl war, dem man nicht vertrauen konnte. Aber er war da. Will seufzte noch einmal, hörte das Bettzeug nicht mehr rascheln. Doch er konnte ganz genau fühlen, wie sich Jacks Hand fast zögerlich auf seine legte. Und genauso fühlte er, wie er diese Hand festhielt. Nicht wie ein Kind die Hand seiner Mutter festhielt oder wie ein Liebender die seiner Angebeteten. Eher hielt er sie aus Angst. Irgendwo in ihm saß eine Angst davor, wieder abzustürzen und es nicht zu träumen. Jacks Hand... war einfach da... Nicht mehr und nicht weniger. Damit schlief der junge Mann ein. Wie benebelt. Ohne dass er es wusste, war ein Stein in Bewegung geraten. Nein, mehr noch- ein Felsen, eine ganze Welt. Sie begann nun, sich in einem anderen Takt zu drehen. Und zwar in einem, den er noch nicht kannte... Will wachte mit einer fast ausgedorrten Kehle wieder auf. Die Decke war schwer geworden, zu warm, sie schien ihn mit eigenem Schweiß zu baden. Da war nichts mehr vom nächtlichen lauen kühlen Hauch , der ihn umgeben hatte. Der ihn nicht hatte frieren, aber atmen lassen. Er keuchte, als er sich aufsetzte. Schwindel und Kopfschmerzen waren wie weggeblasen. Nur seine Haut glühte noch, fühlte sich an, als wenn er gerade in der Schmiede vor dem Feuer stünde... Wie spät war es? Morgens? Mittags? Von draußen hörte Turner geschäftiges Treiben, ineinander verworrene Stimmen, das Klappern von Schuhen auf den Holzplanken, irgendwo dazwischen den kreischen Papageien von Mr. Cotton. Will drehte den Kopf herum, nach links. Jack war nicht mehr da. Natürlich nicht. Und seine Hand war ebenso leer. Oder hatte er dies nur geträumt? Hatte er noch Fieber gehabt und diese sanfte Berührung, diese Hand, an der er sich festgehalten hatte, nur fantastiert? Waren dies auch nur schillernde Träume dieser scheinbar verwunschenen Nacht gewesen? Will schüttelte den Kopf, stemmte sich vom Bett hoch und wankte schlaftrunken zum Tischchen herüber. Er biss in einen Apfel, ehe er den Teller mit Wurst und Brot realisierte. Den wieder gefüllten Wasserkrug. Sein Herz begann mit einem Mal, wieder hart zu klopfen. Er ließ den Apfel liegen, verschlang die Wurst mit dem Weißbrot gierig, kippte das Wasser hinterher ohne es in einen Becher zu gießen. Auf dem Tisch stand sonst nur die Schüssel mit dem Obst. Will kaute schnell, war immerhin halb verhungert, schluckte, trank Wasser, biss erneut ab, spülte herunter. So gut, da war er sich sicher, hatte er schon ewig lange nicht mehr gegessen. Und mit einem Mal verharrte sein Unterkiefer beim Kauen. War das hier überhaupt für ihn gewesen? Was machte ihn denn so sicher, dass Jack das ausgerechnet für ihn hingestellt hatte, bzw. hatte hinstellen lassen? Am Ende hatte er sich einfach am Essen fremder Leute vergriffen. Will schluckte schwer. Doch es war ohnehin zu spät. Er trank gierig den Rest des Wasserkrugs aus, fühlte wie es in seinem Bauch förmlich gluckerte. Wenn er allein zur Isla de muerta finden wollte, brauchte er wenigstens ein bisschen Kraftreserve. Draußen krächzte der dumme Papagei, eine Stimme schimpfte auf ihn, Will erkannte sie nicht, dann wieder das Krächzen. Auf dem Tisch lag ein Handspiegel. Eitler Jack Sparrow! dachte Will und ohne dass er es mitbekam, huschte ein Lächeln über seine Lippen. Er versuchte sich vorzustellen, wie Jack in diesen Spiegel schaute, an seinem Bart zupfte, Grimassen schnitt und dabei leise sein Lieblingspiratenlied summte, nur um sich dem nächsten ominösen Frauenzimmer zuzuwenden. Will war beinahe stolz- Pecht gehabt, diese Nacht hatte sich der Captain ihm zugewendet! Wer konnte das schon von sich behaupten?! Turner fasste nach dem kleinen, verzierten Spiegel, eine Sekunde später verstand er seinen Gedankengang nicht mehr. Verdammt, wen interessierte es, ob Jack heute Nacht seine Hand gehalten hatte? Es waren Fieberträume gewesen, nicht mehr und nicht weniger. Und wahrscheinlich hätte er, Will, die halbe Mannschaft in diesem Wahn zusammengebrüllt, wenn der Kapitän ihn nicht so beruhigt hätte. Das war alles nur reine Strategie, emotions- und anteilnahmslos. Vorsichtig drehte der junge Schmied den Spiegel in der Hand herum, langsam. Bis er sich selbst sah. Es versetzte ihm einen Schock. Er hatte noch nie so furchtbar ausgesehen! Von der Sonne gebrandmarkt, glühte sein Gesicht krebsrot. Die Lippen spröde und aufgerissen, die Nase salzig-hell an der Spitze. Seine Augen waren klein und dennoch geschwollen, mehr rot als braun und seine Haare gingen ihrer natürlichen Neigung, sich zu Locken zu wellen, nach. Wirr und zerzaust. Wenn er in Tortuga irgendwann noch das Band darin gehabt hatte, war es spätestens beim Zusammenstoß mit den Piraten verlorengegangen. Sein Bauch musste wahrscheinlich noch grün und blau sein. Er machte sich nicht die Mühe nachzusehen. Stattdessen stand der junge Mann vom Stuhl auf, schaute sich suchend in der Kajüte um. Es musste hier doch irgendetwas geben, womit er sich wieder so zurechtmachen könnte, dass er wie ein zivilisierter Mensch aussah! Nervös rieb Will sich die Stirn, verzog schmerzhaft das Gesicht. Der Sonnenbrand tat weh. Er durchkramte mit seinen Augen die Kajüte. Aber da Jack sich wahrscheinlich nie der Pflege seiner Haare widmete, suchte er vergeblich. Es war auch egal. Denn Will hatte noch nie verstanden, warum zum Tode Verurteilte sich fein herausputzten bevor sie am Galgen baumeln würden. Turner seufzte, sah sich suchend nach seinen Schuhen um, die ebenfalls verschwunden zu sein schienen. Also öffnete er die Tür der Kapitänskajüte und ging barfuß an Deck. Sofort blendete ihn die Sonne. Der Wind ließ die Segel rascheln, blähte sie auf, trieb das Schiff voran. In der Takelage hingen Piraten, einer schaute wie ein Spion vom Ausguck herunter. Der Papagei war weder zu sehen noch zu hören. Es war schon seltsam, wieder hier zu sein. Ohne Elizabeth...einfach so... "Aye, Mr. Turner!" tönte es hinter ihm. Im selben Moment war Gibbs auch schon wie ein gemächlicher Seebär um ihn herumgetapst und musterte ihn. "Hätt' nicht gedacht, Euch hier wiederzusehen, an Bord der Black Pearl!" Will dachte nur daran, dass er wie ein Höhlenmensch aussah, wie ein dem Urwald entsprungener Indianer und so konnte er auch nur höflich die Lippen zu einem angedeuteten Lächeln zusammenkneifen. "Ich auch nicht." gab er schnell zurück. Er wollte sich am liebsten wieder verstecken, einfach untertauchen. Doch gerade sah er Jack am Steuer des Schiffs und im selben Moment machte sein Herz einen kleinen, unmerklichen Hüpfer. "Wirklich nicht." murmelte er und schlängelte sich an dem Mann vorbei, hoch zum Steuerrad der Pearl. Jack Sparrow wirkte majestätisch an dem Ruder. Die Art, wie er das Steuer festhielt, es minimal bewegte um auf dem Kurs zu bleiben, dabei auf etwas herunterzustarren schien, dann wieder auf die schier unendliche, glitzernd blaue See sah. Er sah mächtig aus, voller Autorität und hatte plötzlich rein gar nichts mehr mit dem Piraten zu tun, der mittel- und mannschaftslos in Port Royal gelandet war, mit einem kaputten, gestohlenen Boot. Er hatte wahrscheinlich recht gehabt. Dieses Schiff war seine Freiheit. Denn hier wirkte er geradezu wie ein Paradiesvogel, der seine bunten Schwingen erhoben hatte und dahinflog. Mit Leichtigkeit und Freude. "Ach, Mr. Turner..." raunte er, halb in seinen Bart, und setzte ein wie immer dreckig angedeutetes Grinsen auf. "Wohl geruht heut' Nacht?" Will musste an die warme, sanfte Hand denken, die er mit der seinen umschlossen hatte. Traum oder Wirklichkeit? Wahrheit oder Hirngespinst? Und sein Herz flog dahin... "Captain, darf ich erfahren, wann und wo wir Mr. Turner absetzen?" schnaufte Gibbs, der Will gefolgt war. Der junge Mann brauchte ihn nicht anzusehen, um zu wissen dass auch er ein Piratengrinsen im Gesicht kleben hatte. "Oder setzen wir ihn nicht mehr ab?!" Es wirkte gekünstelt, wie das Schauspiel eines Übereifrigen. "Nein." entgegnete Jack sachlich, schaute wieder herunter. Neben dem Rad musste eine hölzerne Erhebung sein, ein längeres Brett oder so etwas. Er schaute immer wieder auf etwas, Will vermutete, einen Kompass. "Wir drehen und nehmen Kurs auf die Isla de Muerta." Wills Augen wurden größer. "Was?" grunzte Gibbs erstaunt. "Aber wir wollten doch..." "Vergiss was wir wollten, wir wollen jetzt etwas anderes!" Jack spähte wichtigtuerisch in den Himmel, dann wieder auf die See. "Und was wir jetzt wollen, will ich, denn eine Mannschaft hat zu wollen, was ihr Captain will, ist doch klar soweit, oder?" Gibbs sah geplättet aus. "Aye." murmelte er verwirrt, drehte sich um und bellte einem der Seemänner einen unwichtigen Befehl zu. Will war stehengeblieben. Je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurden die Erinnerungen an die letzte Nacht. Er konnte sich das, was er gefühlt und gehört hatte, wie auf Knopfdruck abspielen. Es war wirklich so gewesen... "Warum?" sagte er. Seine Stimme verlor sich halb im Wind. Er musste sich erst dran gewöhnen, dass es laut war auf See. Nicht zu vergleichen mit einer kleinen, einsamen Schmiede. "Warum tust du das?" Jack sah ihn nicht an. Was sollte das werden? Ein Tauschhandel, dessen Vertrag er selbst nicht mitbekommen hatte? Will spürte die Wut erneut seinen Nacken hochkriechen und besetzen. Er wusste nicht warum, denn eigentlich hätte er froh sein sollen, doch noch seinen Willen zu bekommen. Es gefiel ihm nur nicht, dass er Jack mehr oder weniger hatte anbetteln müssen. Dies schloss nicht aus, dass er ihm auf den Knien würde danken müssen. Jack wusste, wie er die Menschen auszuspielen hatte, damit für ihn dabei das Beste heraussprang. Das war Seelenpiraterie, und er beherrschte dieses Handwerk gut. Will hatte also Grund, wütend auf den Mann zu sein. Ja, ja, verdammt, der hatte ihn hängenlassen, ihn verspottet und belächelt und nun gab er sich gnädig wie König Ludwig persönlich und kutschierte ihn doch zur Todesinsel! Oder...? "Frag nicht soviel, William!" sagte Jack, schaute wieder herunter. Seine linke Hand tauchte ab und als sie wieder erschien, hielt sie den schwarzen Kompass. Den Kompass, der nicht nach Norden zeigte. "Vom Fragen wird man nicht reich, sondern vom Handeln!" Die dunklen Augen fokussierten kurz den Kompass. Will spürte es in sich kochen. Der Kerl machte sich schon wieder über ihn lustig! "Auch wenn ich nicht weiß, wie dir der Schatz mit dem Aztekengold dir zuflüstern soll wie du deinen Fluch brichst!" In diesem Augenblick flatterte der Papagei in die Takelage, krächzte und kotete direkt ins Meer, weiß und ekelhaft. Genauso ekelhaft, wie Will sich fühlte. Er wusste nicht einmal, warum. Er bemühte Jack... Er bemühte ihn und die ganze Crew. Wenn nun auf der Todesinsel keine Antwort auf seine Fragen wartete? Wo sollte er dann weitersuchen? Bei wem? Wenn er Jack überforderte...Konnte er das überhaupt? Ging er mit dem Piraten ohne darüber zu reden, neue Verträge und Verhandlungen ein? Was würde Jack als Gegenleistung fordern...? Will war sich sicher, er würde es nicht bezahlen können...Diese Summe, die der Pirat forderte. Er hatte sich von ihm nun ganz und gar abhängig gemacht... "Du kannst alles haben..." sagte Will, schaute abwesend vor sich auf das Meer. "Alles was ich besitze..." Und sein Herz schlug schneller und schneller als wär's eine Krankheit... To be continued... Kapitel 5: Zur Isla de Muerta ----------------------------- ...Und den Fluch im Kielwasser... Teil: 5/? Autor: Tsutsumi Disclaimer: Nichts gehört mir davon, deswegen sehe ich hierfür auch kein Geld. Warnung: OOC (besonders Jack Sparrow-jetzt geht's los damit^^"), sappy, Shounen Ai Pairing Jack Sparrow x Will Turner Titel: Zur Isla de Muerta Zur Isla de Muerta Die Wellen schäumten am Schiffsbug auf, wenn sie daranklatschten. Wie in einem ewigen Takt schaukelte die Pearl nach vorn und zurück. Der Wind war aufgefrischt und die Wellen türmten sich nun höher, fast schon bedrohlich vor dem Bug. Wenn sie auf ihn trafen und daran zerschellten, zerteilten sie sich in Wasserschlucke, in Tropfen, die auf Will niedernieselten. Wie kleine Kristalle saßen sie dann in seinen Haaren, benässten sein Gesicht und verlängerten scheinbar seine dunklen, dichten Wimpern. Er spürte, wie sie ihm Körpertemperatur entzogen, spürte seine klammen, kalten Finger. Hielt sich an einem Tau fest und starrte weiter hinaus auf das Meer. So wie Jack Sparrow hinter ihm am Steuer. Stumm. Nur die Augen von einem Ende des Horizonts zum anderen wandernd. Und wieder zurück. Es schien, als würden sie aufeinander lauern, einander beobachten und sich dabei doch nur um sich selbst kümmern. Ab und an lief Gibbs über das Deck, starrte von einem zum anderen, mochte den Kopf darüber schütteln und dann seinem Tagewerk weiter nachgehen. Will konnte seine Gegenwart hinter sich spüren, fragend, missverstanden. Er wandte sich nicht um, sondern schaute wieder gen Osten, wo der Himmel hell- und dreckigblau leuchtete. Hinter ihm ging die Sonne unter. <<"Warum...? Warum tust du das?">> Jack hatte ihm bis jetzt keine Antwort darauf gegeben. War ihm mit seinen schwarzen Augen ausgewichen, hatte sich mit dem Blick, schon beinahe tolpatschig, an die See gebunden und so getan, als gäbe es dort Sirenen zu betrachten. In seiner ganzen Art verwirrte er ihn. Denn Will konnte die Augen des Kapitäns auf seinem Rücken spüren. Es war seltsam. Turner vermochte durch sein Fühlen, durch sein Rückenmark scon fast zu sehen. Es war als habe der Fluch all seine Sinne geschärft und ihm selbst ein Stück des Auges von überall gegeben. Er hatte ihm zum Teil des Todes werden lassen, der durch die Menschen zog, durch die Welt und alles, einfach alles sehen konnte. Und Jack Sparrow betrachtete ihn. Stumm und scheinbar nicht mit Absicht, schaute er doch auch an ihm vorbei, lagen die dunklen Augen auf dem Schmied. Schlug Wills Herz deshalb wieder im Akkord? Tief innerhalb seiner Brust war etwas längst Vergessenes...nein, etwas war verdrängt worden vom Schmerz des Lebens...Neugier. Sie kämpfte sich wieder nach oben, schwirrte in seinem Herzen, in seinem Kopf herum. 'Was mag er wollen?' flüsterte sie und kicherte. Will hörte seine eigene Stimme... Seine Kinderstimme. 'Vielleicht will er nur helfen! Vielleicht will er sich nur um dich kümmern! Vielleicht mag er dich ja auch!' Er schüttelte den Kopf. Seit wann hatte er schon nicht mehr wie ein Kind gedacht? Seit dem Tod seiner Mutter? Seit dem Tag, an dem sein Schiff von der Überfahrt von England von Piraten angegriffen und in die Luft gesprengt worden war? Will erschauderte bei dem Gedanken. Nie würde er das vergessen. Niemals. Schon allein von dem Gedanken an diesen Vorfall hörte er das Kreischen der Passagiere, der Frauen, die von Barbossas Missgeburten vergewaltigt wurden, das Schreien der kleinen Kinder, vor denen diese Monster auch nicht Halt gemacht hatten. Er konnte das Knallen von Kanonen hören, das Kampfgeschrei der Männer, erinnerte sich daran, wie er sich versteckt, innerlich mit seinem Leben abgeschlossen hatte... Schnell schob er den Gedanken beiseite. Das erinnerte ihn nur wieder an eines. Dass er sich für sein Leben vorgenommen hatte, nie einem Piraten zu vertrauen. Also schon gar nicht Jack Sparrow. Nachdenklich drehte sich Will um. Der Wind riss an seinen Haaren, schien immer stärker zu werden. Und ebenso gedankenverloren wie er gerade, musste auch Jack Sparrow auf ihn geschaut haben. Für eine Sekunde trafen sich die verklärten, verträumten Blicke der beiden. Braun und braun. Will hatte die untergehende Sonne vor sich, so dass seine Augen heller erscheinen mussten. Rot, wie verblutend hing die große Scheibe hinter den Segeln der Pearl, schien durch sie hindurch als ein halbgleißendes, oranges, warmes Licht. Der Himmel und seine kleinen Hauchwolken waren in das schönste Goldorange getaucht, das man sich vorstellen konnte. So romantisch, dachte Will irgendwo im Hinterkopf. Und vor dieser ganzen gottgeschaffenen Schönheit stand Jack Sparrow und schaute ihn an. Will spürte wie die Innenflächen seiner Hände begannen, zu schwitzen, spürte wie es ihm wunderbar schaurig warm den Rücken herunterlief. Wie sein Herz begann, wieder so hart zu klopfen. Eine Sekunde später wandte der Captain den Blick ab, starrte wieder nach unten auf den Kompass, den er irgendwo in Kniehöhe abgelegt haben musste. Doch die dunklen Augen, die ihn gemustert hatten, brannten sich in Wills Kopf ein wie ein ewiges Bild, wie ein sich drehendes Karussell. Er atmete tief ein und aus, bevor er den ersten Schritt tat, herüber zum Steuer der Black Pearl. Jeder Schritt polterte leise auf den Planken. Hallte in seinen Ohren. Und als er Jack ansah, ihm immer näher kam, wurde das Schlagen seines Herzens immer schneller und schneller. Und er verstand es nicht. "Du hast mir nicht geantwortet!" Mühsam kämpfte sich Wills Stimme durch den Lärm der Gischt um die Pearl herum. Es war als wäre es in der Seele des Mannes ganz leise geworden. "Geantwortet" wiederholte Jack mit seiner typisch knurrigen Stimme, schaute vom Kompass auf, klappte ihn brutal zu und feuerte ihn zurück an den alten Platz. Die dunklen Augen ruhten wieder auf Will, musterten ihn von unten bis oben, rollten sich hoch gen Himmel, kurz über das Meer,den Horizont entlang, nur um zu dem jungen Mann zurückzukehren. "Auf was?" Wie nachdenklich betrachtete Jack Wills Haare, die wild und strähnig vom Wind hin- und hergerissen wurden. Für einen Augenblick wirkte er genauso verträumt wie vorhin. Als sein Blick sich förmlich in den Rücken des Schmiedes gebohrt hatte. Will Turner spürte diesen Blick...konnte ihn auf der Haut brennen fühlen, wie ein alles verzehrendes Feuer, das von den geheimnisvollen Augen dieses Mannes ausging und er konnte nichts sagen. Mit einem Mal fühlte er sich verstummt, registrierte sein hart klopfendes Herz und diese schweißigen Handinnenflächen. Über den beiden kreischte der Papagei "Wind in deinen Segeln, Wind in deinen Segeln!" Jacks Blick erlosch. "Dass du mir alles geben willst, was du besitzt?" sagte er und beugte sich leicht vor, zog beim Sprechen typisch die Oberlippe leicht hoch um seine Goldzähne zu entblößen. Es wirkte wie einstudiert. "Was sollte ich darauf wohl antworten?!" Der Mann legte den Kopf schief und Will spürte dass er über ihn feixte. "Mal überlegen! Was könnte ich mir wohl aussuchen? Die Schmiede vielleicht?" Die Kapitänsstimme wurde immer sarkastischer. "Aber da ein Pirat so wenig mit einer Schmiede anzufangen weiß, müsste ich mich dann wohl doch für dein Mädchen entscheiden!" Er rückte gekonnt seinen Hut zurecht, bevor er das Schiff ein Stück nach Backbord lenkte, immer die scheinbar schwarzen Augen auf Will gerichtet. "Aber da du anscheinend was dagegen hast, bleibt mir wieder...nichts!" Die Augen rollten leicht im Kreise. Will hätte ihm am liebsten einen Kinnhaken verpasst, nein, noch lieber zwei. Wie konnte der sich nur so über ihn lustigmachen...?! Ohne etwas zu sagen starrte er den Mann an, biss die Zähne wütend aufeinander und spürte in sich eine riesige Traurigkeit aufsteigen, die drückte...die wehtat... Jack hatte recht. "Was willst du dann?" presste er hervor. Die Sonne senkte sich sterbend hinter den beiden, verblutete in den Himmel und die See schien darüber zu seufzen, als das Rot in das Wasser überfloss, am Schiff vorüberglitt. In der Ferne schwebte wie ein Engel ein Vogel mit großen Schwingen. Vielleicht ein Albatross, verirrt und verloren? Mit einem Mal spürte Will Jacks Hand an seinem Kinn, die ihn noch näher zu sich heranzog. "Verhandle nicht mit mir!" drang es an sein Ohr und plötzlich war er Sparrow wieder unglaublich nahe. Konnte diesen Atem an seinem Gesicht spüren, konnte wieder sehen, dass diese Augen in Wahrheit dunkelbraun waren und nicht schwarz, und alles in ihm schien sich umzudrehen. "Ich lasse mich nicht einfach bezahlen wie ein Söldner!" Und in diesem Augenblick erstarb das Lachen der Sonne, in diesem Moment versank sie wie ein Ertrinkender hinter dem Horizont, zerrte das Tageslicht mit fort. Es war als würde Dunkelheit von den Tiefen des Meeres aufsteigen, und, bevor man sie sehen konnte, sich des Wassers bemächtigen. Hoch oben in der Takelage krächzte der Papagei. "Oder warum verhandelst du um dich, William Turner?" Wie ein Nebel schien das Schwarz über den Wellen zu schweben, plusterte sich auf. Sonnenstrahlen schreckten scheinbar davor zurück. Will konnte es nicht sehen, er konnte dies nur fühlen. Konnte nur spüren, wie sich sein Herz ängstlich verengte. Als ob der Tod näher war, als ob er seine kalte Hand auf die Reling der Black Pearl gelegt hatte. Aber warum Angst vor dem Tod? "Denkst du, du bist es nicht wert, dass man dir einen Gefallen tut?" Und über der Dunkelheit auf seinem Sonnenfleckchen Jack Sparrow, bemerkte nichts und zupfte sich leicht am Bart, während er mit schiefgelegtem Kopf zum Schmied herüberschaute. Will wusste nicht, was er für den Mann empfinden sollte, der ihn so einfach durchschaute. Er wusste nicht, ob er ihn hassen...oder dafür lieben sollte. Wut und Freude pochten nebeneinander, bis die Traurigkeit wieder hochkam und beide verschlang. Will spürte sein verräterisches Herz rasen. Woher wusste der das? Woher?? Er, der er Menschen betrog, belog, ausraubte und darüber lachte. Der Mann, der die Frauen ablegte wie Unterwäsche wann es ihm passte, der sich in den Rum förmlich reinlegte, ein Taugenichts, ein Tunichtgut! Will presste die Zähne fest aufeinander, sein Kopf begann wieder zu schmerzen. Furchtbar. Höllisch... "Vielleicht ist es so!" bellte er leise und wütend. Die Dunkelheit begann ihn auszufüllen, leise, hauchend, flüsternd. Nein... Niemals wieder würde er das Sonnenlicht in sich spüren... Nicht ein Mensch, wie er, der so verflucht war... Will gab innerlich etwas auf, schloss eine Tür, die bis dahin einen Spalt offen gewesen war. "Aber vielleicht wollte ich auch ehrlich sein, im Gegensatz zu dir!" Die Gischt klatschte laut gegen die Pearl, ließ keinen Raum für Worte. Hoch oben krächzte Mr. Cotton's Papagei etwas von Rum, schlug mit den Flügeln. Will hatte sich abgewandt, hatte die Fäuste geballt, hatte die Wut noch im Gesicht. Die Wut, die nur Tarnung für etwas anderes war. Er spürte den Blick des Captains wieder im Rücken, unerbittlich, fordernd, fast neugierig. Er wollte weglaufen vor diesem Blick, wollte sich verstecken mitsamt seiner erbärmlichen Erscheinung. Und doch blieb er, bewegte sich kein Stück. Keinen Millimeter. Spürte die dunklen Augen, die ihn musterten, die auf ihm ruhten, die wussten, warum er hier war. Es war wie vorhin. So intensiv und so seltsam... Jack sagte nichts. Kein einziges Wort. Vielleicht weil er innerlich schon wieder feixte. Vielleicht weil er eine Diskussion für Zeitverschwendung hielt. Vielleicht weil ihn ganz andere Dinge beschäftigen. Will stand regungslos da und vermisste die Sonne. Er schloss die Augen. Und Jacks Blick kitzelte... Die Dunkelheit, die er gespürt hatte, wurde nach und nach sichtbar, kroch bis zwischen die Spalten der Planken der Pearl und Will flüchtete sich vor ihr in die Kapitänskajüte. Flüchtete sich in eine Ecke, setzte sich und lauschte den Geräuschen des Schiffes, die ihm noch immer gänzlich fremd waren. Lauschte auf seinen knurrenden Magen. Niemand betrat die Kajüte; es war als ob die Mannschaft nicht wusste dass er hier war, und die die es wussten, ignorierten diesen Fakt, so dass er wie ein Schiffsgeist hier herumspukte. Will schloss die Augen und begann zu träumen. Seine Haut brannte und schmerzte noch immer, seine Kehle war staubtrocken vor Durst und sein Bauch forderte laut sein Recht ein. Aber wozu sich kümmern...? Würde es denn je etwas bringen, wenn er sich nun auf die Suche nach etwas zu Essen und zu trinken auf dem Schiff machen würde? Die Kombüse war sonstwo versteckt und Will hatte keine Lust, dem Mond und seinem gleißenden Licht zu begegnen, war es draußen doch schon dunkel. Die Müdigkeit kehrte zurück, zog bleiern an Wills Gliedern. Es war als würde sie in seinen Knochen singen, wie ein einfacher Schmerz, der kaum spürbar da war. Will erhob sich traumelnd, spürte seine nackten Fußsohlen auf den warmen Planken des Schiffes, hörte das leise Knarren bei jedem Schritt, fühlte die Pearl praktisch atmen in all ihrer hölzernen Lebendigkeit. Er wischte sich mit den Händen über das vertrocknete sonnenverbrannte Gesicht und zerrte an seinem Hemd. Heiß war es. Karibisch heiß, und die Hitze würde nicht gehen, sie hatte sich am ersten Tag seiner Ankunft östlich vom riesigen Kontinent Amerika an ihn geklebt und er wurde sie nicht mehr los. Das war geradezu gespenstisch. Will stolperte zum Bett, knöpfte das beige-weiße Hemd auf und zerrte es ungeduldig von seinen Schultern. Sein ganzer Oberkörper klebte von getrocknetem Schweiß. Der eigene salzige Geruch hüllte ihn ein, ließ ihn sich vor sich selbst ekeln. Ja, was war aus ihm denn geworden wenn nicht ein verfluchter Mann, der langsam in Dreck und eigenen verkrusteten Körperflüssigkeiten erstarrte? Der Wunsch nach einem Bad, oder zumindest einer Gelegenheit zum Waschen wurde groß. Turner schämte sich. So dreckig und stinkend sollte er sich in Jacks Bett legen? Suchend wurde sich in der Kajüte umgeschaut, doch weder am großen Schreibtisch, der seltsamerweise penibel aufgeräumt war, noch am kleinen Tisch, auf dem sonst die Obstschüssel zu stehen pflegte, war Wasser oder Seife oder eine Schüssel zufinden. Nun gut...Jack wusch sich also auch nicht... Will verzog die Mundwinkel, starrte auf das so bequeme, vornehme Bett, dessen Bettzeug noch von voheriger Nacht leicht zerknittert und zerlegen war. Es ging nicht anders... Vorsichtig setzte er sich, streifte sich mit den Händen über die Fußsohlen und schlüpfte schließlich unter die Decke auf seine Seite. Das Bett empfing ihn freundlich mit all seiner Weichheit und den Träumen, die noch irgendwo zwischen den Falten der Laken verborgen schienen. Durch die Fenster der Kajüte starrte die Dunkelheit, bald erleuchtet vom verhassten Mondschein. Eine neue Nacht, die überstanden werden musste. Will seufzte in das Kissen hinein, starrte nach draußen. Spürte das regelmäßige Schaukeln des Schiffes. Immer ein leichtes Vor und Zurück. Vor und Zurück. Vor und Zurück. Diese Bewegungen lullten den jungen Mann ein, ließen seine Lider schwerer und schwerer werden. Es war weich und bequem wo er lag und der Schlaf griff bald um sich, als Will spürte wie sein Bewusstsein dahindämmerte und scheinbar draußen über den schwarzen Wellen der Nacht schwebte. Das letzte was er mitbekam war der Gedanke, dass dieses Bett nach Jack Sparrow roch... Sein Körper schmerzte dumpf. Er wusste nicht ob dieses Gefühl zu seinem Traum gehörte oder in die Realität, wusste nicht, was er träumte, die Bilder glitten durch seinen Kopf und verloren sich gleich daraufhin wieder im schwarzen Nichts der Erschöpfung. Will wusste nur, dass er im Traum Jack Sparrow vor sich sah, immer und immer wieder, und dass dieses Gesicht mit den fast schwarzen Augen omnipräsent war in seinem Kopf. Wie ein Vorhang zog es sich über die guten und die schlechten Träume, die gleich wieder verlorengingen. Will hörte sich selbst im Schlaf stöhnen und seufzen, vielleicht auch reden. Als ob sich sein Bewusstsein in Geist und Körper aufspaltete, hörte und spürte er Dinge weiter im Schlaf, eine Fähigkeit, die er erst in den letzten Tagen kennengelernt hatte. Spur zum Fluch? Teil eines Zaubers? Ab und zu dämmerte dieses phantomhafte Bewusstsein weg, nur um später wieder aufzuwachen und über sich selbst, dem schlafenden, verkrampft liegenden Körper zu schweben und sich im Raum umzusehen. Der Mond strahlte in die Kajüte, wanderte mit seinem zerstörerischen kalten Licht weiter, so weit bis die weißen Metastasen wieder verschwanden. Eine Todesrunde des traurigen Trabanten. Die nächste ließ nur auf sich warten. Das Bewusstsein des Mannes dämmerte erneut weg, nickte ein, schien seine eigenen Träume zu haben, als wäre es ein zweites Ich. Das Schiff schaukelte und knarrte unbekümmert weiter und der schwarze, erholende Umhang des Schlafes legte sich wohlig um Will Turner. So lange bis ihn etwas leicht...sanft rüttelte. "Will!" Er grunzte schlaftrunken, wollte sich wegdrehen. Lag er auf der falschen Seite des Bettes? Dunkel und leise klang Jacks Stimme in seinen müden Ohren. Wie ein Bleischleier lag die Erschöpfung auf Turner, obwohl er am Tage doch nur auf Deck gestanden und gesessen hatte. Es musste die Anstrengung auf Tortuga sein, die ihn so abgenagt hatte. Die Schlägerei am Ende und der Sonnenstich sowieso. "Will!" Eine warme Hand berührte seine trockene Wange. Und gleichzeitig schoss Blut hoch, in Richtung der Wange, schneller als Will dies mitbekommen konnte. Die Hand fuhr schnell, aber beinahe zärtlich zum Kinn hinunter. Es war fast hektisch. Sich sorgend... Will schlug die Augen auf, wie paralysiert. Das Zimmer war erhellt, so hell, dass er anfangs dachte, der Mond sei so weit gewandert, dass er wieder zum Fenster hereinschien. Der Schmied spürte das Zucken des Schreckes, der ihn durchfuhr schneller als dass er begriff. Seine Augen starrten panisch in Jacks Gesicht, leer vom Schlaf, der noch in ihnen weilte. Doch es waren Kerzen... Viele Kerzen, die auf dem Schreib- und Esstisch der Kajüte verteilt standen und den Raum erhellten. Ihr Flackern war unheimlich. "Alles in Ordnung!" raunte Jack knapp, deutete zu den großen Fenstern. "Kein Mond." Will schaute ihn noch immer groß an. Total perplex lag er da, aus einem tiefen Traum geweckt und zog einen fragenden wenn nicht sogar dümmlichen Gesichtsausdruck. Jack saß auf dem Bett neben ihm, hatte sich über ihn gebeugt, stellte auf dem winzigen Tischchen neben dem Bett einen Halter mit vier Kerzen ab. Die dunklen, nunmehr nachtschwarzen Augen betrachteten Will in Ruhe. Betrachteten ihn lange. Es war als würde Jack versuchen, tief in Will zu schauen, ihn zu ergründen mit diesen dunklen Augen... Will fühlte sich unbehaglich und zugleich wunderbar mit dem Wissen, dass diese Augen sein Gesicht, seinen Hals herunterglitten, seinen freien Oberkörper ansahen, der sich regelmäßig hob und senkte...bis unter die Brust, wo die Decke weiß die Sicht versperrte. Es fühlte sich seltsam an... Als ob Jacks Blick einen winzigen Feuerstrahl sandte...der Wills Haut wohlig versengte und ein elektrisches Kribbeln unter der Haut hinterließ. Ein fremdes Gefühl. "Du hast nicht gegessen!" sagte Jack, hob die Hände in seiner weiblich anmutenden Art und stand vom Bett auf. Er tingelte zum kleinen Esstischchen und fasste dort nach Besteck, Teller, Tasse und Krug, versuchte das alles in zwei Händen zu balancieren. Verwundert sah Will ihm hinterher, setzte sich langsam im Bett auf. Was sollte das jetzt werden...? Mitten in der Nacht? Geschäftig wuselte Jack zum Schreibtisch, pustete die Kerzen darauf aus, wuselte zum Esstisch zurück, pustete auch hier, wuselte zum Bett zurück. Der Schmuck in seinen Haaren klimperte wie eh und je. Nun brannten nur noch die Kerzen auf dem Nachttischchen, eine beruhigende dämmrige Stimmung. Will sah und spürte wie Jack sich wieder auf demBett neben ihm niederließ, die vielen Dinge in seinen Händen zu sortieren suchte. Der Krug wurde zum Becher geführt und es plätscherte im Halbdunkeln. Will fühlte den Durst beim Trinken wiederkommen, heftig, wie eine Lawine und sehnsüchtig wie ein Sturm. Gierig leerte er den Becher, nahm Jack den Krug einfach aus der Hand und schüttete das Wasser einfach den Rachen hinunter. Wie wunderbar sich das doch anfühlte! Mit müdem Griff stellte er den Wasserkrug nach dem Trinken beiseite, warf dabei fast den Kerzenhalter herunter. Er war so müde dass er nicht bemerkte, wie Jack ihn unaufhörlich observierte, den Kopf leicht schiefgelegt hatte. Will machte sich auch nicht die Mühe, nachzusehen was sich auf dem Teller befand. "Morgen." sagte er, strich sich fahrig verwirrte Haare aus dem Gesicht. "Nein!" entgegnete Jack, leicht forsch. Er spießte im Halbduster mit einer Gabel etwas vom Teller auf und führte es langsam an Wills Mund heran. "Jetzt, William!" Es war ein Stückchen Fleisch. Der Kerzenschein flackerte darauf. "Wozu?" wisperte Will in quengligem Ton. "Es ist mitten in der Nacht!" Leute, die behauptet hatten, Jack Sparrow sei verrückt, waren nun bestätigt. Hier saß er, leibhaftig und wollte ihn mitten in der Nacht füttern! "Ist mir ganz gleich, wie spät es ist!" Fast bedrohlich klang die dunkle Stimme, fast bedrohlich wirkte Jacks Gesicht, das nähergekommen war. "Du wirst jetzt essen, das sei dein Befehl!" Ein leichtes typisches Grinsen untermalte Jacks Worte. Und so beugte sich Will leicht vor, öffnete den Mund und nahm den Essensbissen entgegen. Es schmeckte zart, war gut gewürzt. Herrlich. Er kaute langsam, hatte Angst, sein halb schlafender Körper würde nicht hinterherkommen. Müde blinzelte er, schaute im kerzenflackernden Licht Jack Sparrow an, der ihn fütterte wie einen kleinen Jungen. Warum das alles? Wollte sich der Captain über den Schmied lustig machen? Wollte er ihn nur zum Spaß wecken und ihn mit dieser Aktion hereinlegen? Oder...? Will spürte wie sich sein flau anfühlender Magen füllte, aß langsam Fleisch, Brot, Obst. Es war gut so, wahrscheinlich besser als die Nacht hungrig durchzuschlafen. Der dumpfe Schmerz aus dem Schlaf war verflogen. Es war wahrscheinlich auch weniger physischer Schmerz als alles andere gewesen. Jack kratzte Reste des gebratenen Fleisches auf dem Teller zusammen, schob die Gabel darunter und balancierte sie zu Will hinüber, drückte sie ihm in die Hand. Die Augen der beiden trafen sich, zwei müde Blicke. Und doch, Jacks Augen schienen Wills Puls mit einem Mal zu erhöhen, schienen sein Herz dazu aufzufordern, schneller zu schlagen und das Blut schneller durch die Blutgefäße zu schleudern. Wenn da überhaupt noch Blut war... "Warum?" flüsterte Turner, starrte auf die Gabel. Jack stand auf, räumte den Teller zum Esstisch. Er blieb stehen im Halbdunkeln. "Warum??" wiederholte er, drehte sich auf den Fußspitzen herum. Die Hälfte seines Gesichtes war mit dem Schatten der Dunkelheit behaftet. Will konnte nur in ein schwarzes Auge blicken und sehen wie es den Schein der Kerzen reflektierte. Er schob sich das Essen in den Mund. "Wieso immer diese unsinnigen Fragen, Will?" fragte Jack zurück, gestikulierte dabei übertrieben mit Händen und Armen und begann, sich aus seinem blauen Mantel zu schälen. "Wenn du siehst, wie eine Kerze umfällt und einen Heuballen in Brand steckt..." Er klapperte mit den Stiefeln zum Bett zurück, ließ sich auf die andere Seite der Matratze fallen. "...würdest du nicht auch schnell Wasser darüberkippen?" Will starrte die Gabel in seiner Hand an. Sie war groß und hatte drei spitze Zinken. Wahrscheinlich war sie irgendwann einmal edles Besteck gewesen...und nun fristete sie ihr Dasein auf der Pearl im Gebrauch von Freibeutern. Will drehte das Besteckteil in der Hand, fuhr langsam mit den Fingern über die Zinken. Drückt mit Zeige- Mittel- und Ringfinger darauf. Immer stärker. Das Metall war kalt und hart... "Du siehst mich also als eine Notwendigkeit an." stellte er fest und sah hinüber zu Jack. Ob diese Gabel auch lebendes Fleisch aufspießen konnte? Ob sie auch pulsierendes Leben...Leben, das gar keines mehr war...zerteilen konnte? Wie ein Messer? In den Fingerkuppen waren Löcher von eingebeulter Haut zurückgeblieben. Jack schleuderte seine Stiefel unters Bett und schob die fast schwarzen Füße unter die Decke. "Wenn du das so verstehen möchtest!" brummte er. "Ich wollte lediglich meinen Gast nicht hungern lassen. Das und nichts anderes war mein Sinn, klar?!" Er klang beinahe genervt. Gast. Will ließ die Gabel nicht aus den Augen. War er hier wirklich Gast? Diesen Eindruck hatte er nicht gerade gewonnen. Er war eher wie ein Gespenst- nicht wirklich existent für die Pearl und ihre Crew, abgeschirmt auf Deck, abgeschirmt in der Kajüte. War er nicht eher Jacks Gefangener in dieser Hinsicht? War er überhaupt noch irgendetwas? Die Hände drehten die Gabel immer schneller und Will begann sich vorzustellen, wie er sich das silbern glänzende Metall in die Pulsadern rammte. Blut würde spritzen. Würde die ganze weiße Bettwäsche versauen...würde Jack treffen, so dass dieser hinterher aussähe als habe er zehn Mann aufgeschlitzt. Wäre das nicht amüsant...? Wäre das nicht etwas Besonderes? Und dann wäre die Gabel auch nicht mehr so kalt...sondern gewärmt. Schön warm... Im nächsten Moment hörte und spürte er wie Jack ganz nahe an ihn herangerutscht war. Mit einem Mal war es wieder da- das Herzklopfen- und quälte Will. Jacks Geruch war unmittelbar um ihn herum. Diese Mischung aus dem Duft des Mannes mit dem Geruch nach Rum und dem frischen Geruch des Meeres. Freiheit... Will konnte den Mann nicht ansehen, doch seine Hände begannen plötzlich zu zittern. "Wenn du das unbedingt tun willst..." raunte es in sein Ohr und kalte und heiße Schauer zugleich rannen ihm den Rücken hinunter. Jack berührte die zitternden Hände mit seinen. Sie waren warm, ganz warm, so dass Will erst jetzt bemerkte, dass seine Haut fröstelte von dem starken Sonnenbrand. Er war ganz kalt geworden...ohne es zu bemerken! Jacks Finger fuhren zart und leicht über die drei Fingerkuppen, die Will bis eben noch auf die Zinken gedrückt hatte. Es kitzelte. "...dann tu's jetzt!" Sparrows Tonfall war seltsam. Unbekümmert hoch und zugleich schwang etwas anderes, viel gewichtigeres mit. Etwas das Will nicht verstehen konnte. Es versteckte sich hinter Jacks harter, undurchsichtiger Maske. "Ich will nicht umsonst zur Isla de Muerta fahren. So kann ich jetzt wieder wenden lassen und hab somit keine Zeit verschenkt." Grinste er etwa? Will wendete den Kopf, starrte den Mann neben sich entsetzt an. Nein. Jack grinste nicht. Sein Gesicht wirkte mit einem Mal matt und grau. Ein seltsamer Ausdruck lag in ihm, ein nie dagewesenes Gefühl. Es war als hätte Will ohne es zu wissen in Jack gekramt und altes, nicht mehr gekanntes hervorgezogen. Doch was? Will spürte mit einem Mal Zorn in sich aufflackern. Wie konnte der es wagen?! "Wie schade, dass ich Euren Zeitplan so unsicher mache, verzeiht mir!" platzte er heraus. Am liebsten hätte er Jack die Gabel ins Fleisch gerammt. "Verdammter Pirat!" Wütend schleuderte Will das Besteckteil weg, feuerte es irgendwo in die Mitte der Kajüte. Sein Körper zitterte plötzlich- er wusste nicht, warum- und seine Augen realisierten, dass bereits wieder ein kalter Strahl des Mondes leise und heimtückisch durch ein Fenster kroch. Und gleichzeitig war da diese Frage. Will konnte sich plötzlich nicht mehr erinnern, ob diese Frage schon einmal dagewesen war oder nicht. Ob sie ihn je schon einmal gequält hatte oder nicht. Sie war plötzlich so heftig und hallte in seinem Kopfso laut, dass er sich an ihre voherige Existenz nicht entsinnen konnte. Sie tat weh, tief in seiner Brust schmerzte sie unaufhörlich...und die danebenstehende Antwort schien ihn zu zerreißen. Wer würde mich vermissen, wenn ich tot wäre? Wer? Niemand. Niemand weint um einen Verfluchten. Elizabeth würde ihn hassen. Hatte er sie nicht einfach verlassen ohne ein Wort? Vater...Mutter waren tot. Und Freunde...ja, hatte er jemals welche gehabt? Mister Brown in der Schmiede? Der würde sich nur betrinken und darüber lachen. Wer würde ihn vermissen? Verdammt nochmal, wer?! Das Zittern war mehr geworden, war ein wütendes und verzweifeltes. Will starrte in das dunkle Nichts des Zimmers mit bleichen, starren Augen. Und seine Muskeln konnten nicht mehr lockerlassen. Es ging nicht mehr. Seit wann dachte er nur so? Seit wann machte er sich solche verfluchten Gedanken darum? Hatte er das Leben bisher nicht als Geschenk angesehen und sich an jeder Kleinigkeit erfreut? Was war nur geschehen...? Will erkannte sich selbst nicht wieder. Angst, ein anderer zu sein, stieg auf, hängte sich in seinem Nacken fest, wollte ihn nach hinten herunterreißen. Er hatte sich verändert... Hatte er? Das kalte Zittern wurde stärker und von irgendwoher stiegen Tränen auf. Wann hatte er einmal geweint? Was geschah mit ihm? Plötzlich fühlte er wieder Wärme an seinen Händen. Wärme, die sie einschlossen. Ihm wurde klar, dass sein Gesicht Bände sprechen mussten. Mit waidwundem, ängstlichem Blick schaute er Jack an, schaute direkt in die dunklen, schönen Augen. Sie wirkten warm. Warm und offen. Plötzlich. Ja, schienen sich verändert zu haben. Jacks linke Hand umschloss Wills rechte sanft. So wie sie es letzte Nacht auch getan hatte. "Ist ja gut, Will." Die andere Hand streichelte Turners Wange. Nur kurz, nur für einen Moment lang. Und doch ließ dies die Tränen wieder im Nichts verschwinden, ließ sie zurücksacken. So dass sie ungesehen blieben und nur einen Kloß zurückließen, der im Hals drückte und sich nach und nach von selbst auflösen musste. Aber ob sie verräterisch im Kerzenlicht geglänzt hatten? Will spürte die Wärme auf seiner Wange, noch viel länger als sie eigentlich da war. Ein wunderbares Gefühl. Etwas das er bei Elizabeth nie so extrem gefühlt hatte...und ihn bei ihr nie so getröstet hatte. Jack beugte sich an ihm vorbei, blies die Kerzen aus. Zurück blieb die Dunkelheit und das Mondlicht am Fenster. Als ob es gefährlich lauerte, als ob es gegen die Zeit kämpfte. Will würde versuchen, sich auszurechnen, wann der kalte helle Strahl Jack erreichte, würde versuchen, vorher zu schlafen. Würde verkrampft daliegen und die Augen mit Gewalt zuhalten, so wie er es jetzt schon seit Wochen tat. Durch das schwarze Dunkel sah ihn Jack lange an, ehe er sich wieder auf seinen Platz zurücklegte. Ob er seine Worte von vorhin bereute? Ob er nachdachte? Oder betrachtete er ihn einfach? Will rutschte auf den Rücken, zog die Decke mit beiden Händen hoch. Ihm war noch immer indirekt kalt. Draußen schlugen Wellen gegen den Rumpf der Pearl. An dieses Geräusch würde er sich nie gewöhnen können. Es klang wie ein Angreifen, wie ein Ultimatum. Kontrollblicke zum Fenster, zum stillen Mondlicht. Doch sein Kopf wollte sich einfach nicht beruhigen. Voll Fragen gestopft, schmerzte er beinahe und Will drehte sich unruhig im Bett wie ein kleines Kind das nicht schlafen mochte. Was vorhin gesagt hatte, hatte eine regelrechte Gedankenlawine losgetreten. Er hatte etwas befreit, was Will seit den letzten Wochen mühsam zurückgehalten und zurückgedrängt hatte. So leicht ging es also- von einer Sekunde auf die andere. "Wäre es dir lieber, wieder zu wenden? Deinen alten Kurs wieder aufzunehmen?" Seine Stimme zitterte nicht. Er hatte keinerlei Überwindung gebraucht. Er hatte hart und geradeheraus gefragt. Als hätte er wen gefragt, ob er lieber tanzte oder Konversation machte auf einem Ball. Eine ganz einfache Frage! Neben ihm rührte sich Jack, drehte sich zu ihm herum. Inzwischen war das Mondlicht so hell, dass Will den müden, grauen Gesichtsausdruck seines Gegenübers erkennen konnte. Der Haarschmuck klapperte und klimperte. Die schwarzen schönen Augen waren halb geöffnet, müde. Und doch lag etwas in ihnen, was Will nie vorher gesehen hatte. Etwas war verändert... Irgendetwas. "Denk nicht mehr dran!" Klang reumütig. Er bereute es also doch, dies vorhin gesagt zu haben. Nur verschleiert natürlich. Doch Will spürte so etwas wie Leid in seinem Gegenüber. Jack schaute ihn an, als würde er bereits mit offenen Augen träumen. Er gähnte verhalten, dann begab sich seine Hand auf Wanderschaft zur anderen Seite. "Morgen Mittag sind wir da." Will spürte wie die fremde Hand nach seiner fasste, sie hielt. So wie letzte Nacht. Er fühlte wie Jacks Daumen über den Ansatz seines Handrückens streichelte, langsam und sanft. Doch etwas in ihm wünschte sich mit einem Mal etwas ganz anderes. Hatte er doch früher nie gedacht dass Jack Sparrow sanft sein konnte... Was wäre, wenn dieser Mann ihn umarmen würde? Der Schmied erschreckte sich fast bei dem Gedanken, mauerte ihn schnell ein, war verlegen darüber. Und doch lag er da, hatte die Augen zugemacht, fühlte die Wärme in seiner Hand und lauschte auf das regelmäßige Atmen des Mannes neben ihm. Versuchte sich, diese Geräusche noch näher vorzustellen. Versuchte, sich diese Wärme ganz nahe vorzustellen, warme Arme die ihn sachte hielten. Er wurde rot darüber. Und doch half dieser Gedanke beim Einschlafen... Er begann zu dämmern, mit diesen matten Gedanken, die er versuchte, in seinen Traum umzuwandeln. Er war zu müde um klar darüber zu denken, er war zu verwirrt um sich selbst zur Raison zu bringen. Und so lag er da, träumte, schlief. Und spürte immer die Hand, die ihn festhielt beim Leben... To be continued... Kapitel 6: Meine Wut für dich ----------------------------- Autor: Tsutsumi Teil:6/? Warnung: Shounen Ai (bzw. Slash), sappyger Schreibstil), OOC Disclaimer: Nicht meines, deswegen kein Geld^^" Kommentar: Es wird immer mehr OOC...Sorry^^" Meine Wut für dich 'Der Strudel in einem Menschen kann sein Temperament sein. Oder auch seine Sehnsucht. Sehnst du dich nach Liebe? Wirst du ihr nachjagen? Deine Augen werden ohne sie müde sein, werden brechen, werden nicht mehr sehen wollen. Sehnst du dich nach Freiheit? Für immer sollst du wissen, dass es keine Freiheit gibt. Frei ist nichts außer die Freiheit selbst... Manchmal sehnst du dich nach dem Tod...du kannst ihn spüren, seinen kalten Atem, der dir in den Nacken fährt. Doch er nimmt dich nicht zu sich... Der Tod ist ein Sadist. Er wird dastehen und lachen wenn du nach ihm schreist. Er ist taub und blind, fühlt nichts als Kälte. Ist nichts anderes als Kälte und Verlassenheit...nichts anderes als Einsamkeit und Elend. Warum wünscht du dir Einsamkeit?' Rumms! Balken schienen aufeinanderzukrachen, als Will hochschreckte. Sein Bewusstsein kroch nur langsam aus dem tiefen, ruhigen Schlaf hoch und doch schien etwas geschaltet zu haben ehe er wusste, was los war. Die Pearl schaukelte bedrohlich. Will konnte spüren, wie sich Bug und Heck abwechselnd in scheinbar schwinderregende Höhen erhoben und sich seufzend und knarrend wieder fallenließen. Irgendwo musste der kleine Esstisch umgefallen sein und dazwischen kullerten runde Gegenstände, Flaschen oder Gläser hin und her, verbreiteten ein bauchiges, dumpfes, bollerndes Geräusch. Der Wind stieß sich an den Scheiben der Kajüte, suchte sie einzudrücken und jaulte durch jede Ritze des Schiffes, nur übertönt von den tobenden, hysterischen Wellen, die ununterbrochen Gischt an die Pearl spuckten, die verzweifelt versuchten, im Sturm des Meeres die Gewalt über das schwarze Schiff zu erlangen. Schauerlich pfiff der Wind an den Fenstern und das Schaukeln warf Turner beinahe aus dem Bett. Von draußen drang das Knallen von Schuhen auf dem Deck herein, ein eiliges Hin- und Herlaufen von Matrosen. Wie waren sie in einen Sturm hineingeraten? Und das so plötzlich? Der junge Mann setzte sich auf, starrte im Schaukeln und Wippen nach draußen. Schwarz wie Tinte sah das wilde Wasser aus. So schwarz, dass er dachte, sich daran schmutzig machen zu können. Jack war fort. Wills Hand war wieder kalt geworden. Und kalt war auch die andere Hälfte des Bettes. Zerwühlt zeigte das Bettzeug, dass sein Besitzer es eilig verlassen haben musste. Nur wann? Hatte Will so tief geschlafen? Der Schmied fuhr sich durch die wirren, braunen Haare, versuchte sich an seine Träume zu erinnern. An diese zarten, sanften Träume, die vermischt mit der Realität eine eigene Wirklichkeit erschaffen hatten, in der sich Turner wie ein kleines Kind eingekuschelt und zum Einschlafen gebracht hatte. Die Piratenhand hatte ihn gehalten und in das wohlige Dunkel von Hypnos geführt. Wie konnte er denn da nicht bemerkt haben, dass Jack hinausgestürzt war? Draußen kreischte der Sturm gegen das Schiff. Das Trappeln von Füßen auf dem Deck nahm zu und dann vernahm der junge Mann die tiefe, brummige Stimme von Mr. Gibbs, der sich anhörte, als ob er zuviel Rum gesoffen hatte. Hörte die Angst heraus. Nun kippte das Schiff nicht nur abwechselnd von vorne nach hinten, sondern auch von rechts nach links und andersherum. Das Meer versuchte, es sich gewaltsam einzuverleiben. "Kentern...kentern...!" war zu hören, wieder Mr. Gibbs, der sich scheinbar einer Panikattacke näherte. Immer bedrohlicher schaukelte die Pearl, immer unwohler fühlte sich Will. <> Er warf sich sein Hemd über, versuchte aufzustehen. Doch das Schaukeln warf ihn zurück ins Bett, von draußen wurde der Lärm unerträglich. Scheppernd löste sich an der Decke der Kajüte ein Kronleuchter, zerbarst klirrend und wimmernd am Boden, in scheinbar tausend Scherblein. Will stemmte sich vom Bett hoch, trat in Scherben. Er hatte keine Ahnung, wo seine Schuhe waren, und ebensowenig konnte er im mondlosen Schwarz sehen wohin er trat. Das nächste Schaukeln warf ihn wieder um und sein Gesicht berührte schrammend den Boden, die Scherben. Es kratzte und dann warf ihn das wütende Schiff wieder nach vorn. Der Sturm musste gigantisch sein. Ob er jetzt sterben würde? Ob das Meer nach ihm gesucht hatte, um ihn nun in der Obhut des Piraten zu finden und zu vernichten? Das Meer, sein Freund und Feind zugleich. Will zog die Augenbrauen tiefer, taumelte zur Tür, immer wieder hin- und hergeschubst vom unerträglichen Schaukeln. Nein...es sollte Jack nicht umbringen! Die Tür flog ihm an den Kopf, als er sie öffnen wollte, der Wind drückte sie ihm geradezu gegen die Stirn, so dass er einen schmerzerfüllten Stöhner ausstieß und sich geistesgegenwärtig am Türrahmen festhalten musste. Sofort spritzte ihm nachtkalte Gischt entgegen. Wie wild tobte das Meer, einem Monster gleich. Meterhoch klatschten Wellen gegen die Black Pearl, schwappten über die Reling und brachten Matrosen zu Fall, die versuchten, von einem Ort zum nächsten zu kommen. Dazwischen läutete die Schiffsglocke von irgendwoher, ein metallischer Hilferuf in der Nacht aus Wasser und Wind. "Captain!" brüllte Annamaria von irgendwoher. "Dreht steuerbord! Captain!!" Es war eine wahre Katastrophe. Die Besatzung hing teils verkrampft in der Takelage, hielt teils eisern die Taue fest und versuchte, sie zu fixieren, während wieder andere nur vom Wind und Wasser wie Spielbälle hin- und hergeschubst wurden, gegen Luken und Türen knallten und sich wehleidig die Rücken rieben. Will spürte die Angst, die sich aus den Wassertröpfchen in der Luft herauskristallisierte und sich in jede seiner Poren setzte und dort hart pochte. Sie wurde mächtig, geradezu lähmend. Will stieß sich vom Türrahmen ab. Seine nackten Füße schmerzten an den Sohlen und er rutschte immer wieder weg. Aber bevor die Angst ihn besiegte, musste er etwas tun. Es war egal, ob die Wolken den Mond freigeben würden und es war egal, dass seine Wange von den Scherben blutete. Was jetzt zählte, war das Leben. Nicht seines, aber das der anderen. Und Jacks. Und natürlich das des Schiffes... Was wäre Jack Sparrow ohne sein Schiff...? "Wieso dreht er nicht bei...??" kreischte ein Seeman, der sich verzweifelt festhielt. "Ich weiß auch nicht! Wir werden noch kentern... Zum Kuckuck, wir wer'n alle ersaufen!" Der Schmied stolperte halb über Annamaria, als er versuchte, zum Steuer zu gelangen. Sie sah ihn verschreckt an, wie jemanden, den man vergessen hatte. Wie jemanden, der sowieso nur störte. "Was tust du hier zum Henker?!" fauchte sie. Ihre schwarzen langen Haare hing wirr in Strähnen in ihrem Gesicht. Sie hatte plötzlich sowenig von der Annamaria, die ihn vorgestern noch angegiftet hatte, wirkte plötzlich ganz verängstigt und verwirrt. "Euch helfen, was denn sonst!" fauchte Will zurück, mehr aus Überraschung denn aus Wut. "Verzieh dich!" schrie die Frau gegen den Wind und das ohrebetöubende Rauschen der Wellen. "Du kannst nicht helfen, Landratte!" "Steuerbord, steuerbord!" kreischte es wieder von irgendwoher. Etwas krachte beängstigend laut und dann war die Frau auch schon entschwunden, wahrscheinlich wieder woanders etwas festtauen oder aufpassen,dass niemand über Bord ging. Es wurde nicht nach Steuerbord gedreht. Die Wolken rasten am Himmel entlang. Das sah Will nur kurz, als er sich weiter zum Steuer vorkämpfte, keuchend hin- und hertaumelte. Das Schiff schaukelte so stark wie nie. Regen hatte es bis jetzt nicht gegeben. Und immer wieder klatschte kaltes, salziges Wasser über die Reling. Will stolperte die Treppen hoch, stand kurz vor dem Steuerrad. Jack, ohne Hut, total durchnässt, sah ihn nicht. Versuchte, das Steuer herumzureißen, doch scheinbar gelang ihm dies nicht. Das Meer kämpfte mit ihm. Irgendwo kreischte Mr. Cotton's Papagei "Mann über Bord!" und Will hoffte, dass der Spruch nicht ernst gemeint war, als er zum Steuerrad stolperte und einfach anpackte. Mitten in der Nacht würde er gegen die See kämpfen. Mitten im Sturm seinen Mut beweisen. "Steuerbord!" rief Turner und Jack Sparrow drehte nun endlich den Kopf zu ihm herum. Einen Moment lang sah Will einen Schreck in den schwarzen Augen stehen, dann kniffen sie sich zusammen. "Ich sehe, du bist für Späße zu haben, William!" kalauerte der Pirat. "Was denkst du wohl, was dein Captain gerade versucht?!" Wassertropfen rannen über sein Gesicht, benetzten seine Augen wohl brennend salzig, dass er immer wieder blinzeln musste. Will schüttelte den Kopf, stemmte die Füße gegen den Boden und versuchte, das Ruder nach rechts zu bewegen. Es hing wie festgewachsen, ließ sich kaum bewegen, und erst als Jack von der anderen Seite ebenfalls mitschob, begann das Steuerradm sich tatsächlich zu drehen. Nur ganz langsam, doch es ging. Will zog mit aller Kraft weiter, spürte wie sich die Black Pearl langsam drehte und dankbar knarrend aufseufzte. Seine Fußsohlen taten weh. Das salzige Wasser brannte auf seinem Sonnenbrand wie Feuer. "Es reicht noch nicht!" hörte er Jack sagen, zog weiter. Nichts und niemandem würde etwas passieren. Immerhin war er ja dafür da... Wofür denn auch sonst? "So's gut!" Das Ruder knarrte. "Jetzt festhalten!" Jack keuchte grinsend, warf den Kopf beinahe lachend zurück. Er war total nass und wahrscheinlich auch kalt, mittem im Sturm, doch er schien zu lachen. Will sah ihn verständnislos an, während er nach Luft schnappte, seine Muskeln zittern spürte. Die Kraft übertrug sich von ihm direkt auf das Holz der Pearl, das konnte er genau spüren. Doch für wie lange würde er das so halten können? "Das ist also deine so vielgerühmte Freiheit!" brüllte Turner gegen den kreischenden Wind. "Der ewige Kampf mit dem Meer und die Angst vor'm Ersaufen!" Das Grinsen blieb. Jack Sparrow lehnte sich ein wenig mehr gegen das Steuer, seine Falten auf der Stirn schwanden ein bisschen. Und er grinste einfach in seiner typischen Art, obwohl er frieren musste und wahrscheinlich erschöpf wart. "Aye!" rief er dumpf. "Aber hat nicht jede Freiheit ihren Preis? Und ist nicht die Justiz des Ozeans eine Wohltat gegen die Willkür eines Menschengerichts?!" Will schüttelte den Kopf, hatte die Augenbrauen unverstehend tiefer gezogen. "Es wird dich irgendwann umbringen!" entgegnete er. "Merkst du das denn nicht?" Jacks Grinsen wurde nur noch breiter, so breit, dass seine glänzenden Zähne wieder zum Vorschein kamen. Ja, da war er wieder, der Sparrow, den er kannte und den er im Stillen beneidete. "Doch. Aber bis jetzt konnte ich es immer überzeugen, noch zu warten!" Und dann geschah etwas Seltsames. Das Grinsen des Piraten veränderte sich. Aus einem Schurkengrinsen formte sich etwas Glückliches, etwas Verschmitztes und zugleich Verspieltes. Jack wirkte plötzlich wie ein Kind, das sich einfach nur freute, das frei war und das wusste, was es da Wertvolles in seinen Händen hatte. Es war ein kleiner Funke an Freude und an dieser unendlichen Sanftheit wie Will sie schon gespürt hatte, der übersprang auf ihn und ihn den Mann anlächeln ließ. Es war wie Elektrizität, die seinen ganzen Körper wohlig durchströmte und aufwärmte. Sie hingen an dem Steuerrad und grinsten sich wortlos an. Ja. Natürlich. Jack Sparrow war ein Überzeugungskünstler. Turner tauchte ein in die lachenden, schwarzen Augen, in das ganze verschmitzte Gesicht, konnte beinahe den Takt seines rasenden Herzens spüren. Vergessen war die Angst vor dem Tod im Meer, vergessen die Sorge, so zu enden wie sein Vater. Und vergessen war die Sorge um Jack. Denn dem würde es doch immer gelingen, aus jeder Situation einen Vorteil zu ziehen...und dabei wunderschön auszusehen... Plötzlich krächzte der Papagei wieder von irgendwoher, zerstörte wie ein Omen alles, als wär der Moment zerbrochen; "La Luna, la luna!" Will gefror das Blut in den Adern. Er riss den Kopf nach oben, gen Himmel, gen Wolken. Sie jagten dahin wie fliehende Pferde im Nebel und zwischen ihnen brach die dunkle, graue Decke mit einem Mal auf. In seinem ganzen, silberkalten Glänzen sandte der Mond seine Strahlen durch das dünne Wolkenfell, blendete fast in den braunen Augen des jungen Mannes und jagte ihm das Gefühl des totalen Sterbens durch die Venen. Er hatte das Gefühl, sein klarer Atem werde mit einem Mal gegen die zähe Masse von Molekülen ausgetauscht, die ihn verfluchte, immer und immer wieder. Und Jack direkt neben...nein, vor ihm! Erschrocken ließ Will das Steuerrad los, spürte, wie ihn der nächste Schwung des Schaukelns mitriss, gegen die Reling schleuderte und die Treppen herunterwarf. Die Stufen stachen hart in seinem Rücken. Gleichzeitig fühlte er, wie das Schiff sich blitzschnell backbord zu drehen schien. Natürlich. Er hatte das Steuer losgelassen und Jack konnte es allein nicht halten. Will ächzte, sein Rücken fühlte sich verdreht an und als er hochsah, starrte ihn hell und klar der Mond an, ließ seine Haut gefrieren und zugleich brennen und versuchte, ihm den Atem zu nehmen. "Mr. Turner! Was ist passiert, Mr. Turner?" Und dann geschah es. Vor ihm stand Mr. Gibbs, ein Tau in der Hand und hinter ihm rannten Männer aufgeregt hin und her, in ihrem typischen tölpelhaften Gang, zu dem der Sturm sie zwang. Das Meer rauschte ohrenbetäubend, warf das Schiff wie einen Spielball hin und her. Will starrte den älteren Mann entgeistert an und erst jetzt wurde ihm klar, dass er nicht gut genug aufgepasst hatte. Es raubte ihm die Luft, schien seinen Hals kalt zuzuschnüren. Der fremde Mann begann vor Turners Augen zu verfaulen, zu verfallen. Wie in einem teufllischen Tanz aus Zeit drückte sich der runde Bauch ein, gab die Sicht auf die Rippen frei, das Brustbein nagte sich wie selbst das lebende, rote Fleisch ab. Haare des Mannes fielen zu Boden, wurden unsichtbar, verzischten wie glühende Funken eines Feuers und das einzige was blieb, waren die wasserblauen Augen, die wie verloren in den Augenhöhlen eines kahlen Schädels schwammen. Letzte Fleischfetzen blieben, hingen am Unterkiefer fest, Muskelfetzen spannten sich an Armen entlang, an den Beinen und hätte man daran gezogen, sie wären sofort zu Staub zerfallen. Will atmete flach und panisch, konnte nur anstarren, was vor ihm stand, seine Augen streiften viele der anderen Piraten und sahen, wie diese Männer auf den durchnässten Planken der Pearl Fleischfetzen, ja, sogar kleine Knöchelchen verloren und klappernd weiterrannten. Löcher brannten sich scheinbar in die Piratenkleidung, wurde zu dem, was die ganzen Menschen schon längst waren: Fetzen und Lumpen. Es war wie in Port Royal... Es war wie bei Elizabeth... Sie starben vor seinen Augen, ohne es zu wissen, sie wurden zu seinen Alpträumen, zogen den Fluch im Kielwasser des Schiffes hinterher und dabei war nur er es, der wirklich verfaulte und starb...Nur niemand konnte es sehen... "Stehen Sie auf!" rief Mr. Gibbs, klapperte schaurig mit seinem Unterkiefer auf dem Oberkiefer und rannte weiter. Seine Gelenke knarrten und knackten, Geräusche, die Will in den Wahnsinn zu treiben versuchten. Wie konnte er nur gedacht haben, dass es hier auf dem Schiff nicht auch passieren würde?! Wie hatte er nur hoffen können, dass es diesmal anders sei?! Verzweifelt lehnte sich der junge Schmied vor, spürte die Übelkeit hochkommen und Bilder von der halbtoten Mannschaft, die sich wie automatisch in seinen Kopf brannten und unlöschbar schienen. Die Black Pearl kämpfte immer noch, schlingerte leicht nach Backbord und die Rufe der Piraten wurden immer verzweifelter. Hatten nichts mehr mit Kampfgeschrei tapferer Trunkenbolde zu tun. Es waren Verzweiflungsschreie wie von Kindern. Was hatte es denn schon zu bedeuten...? Sie würden im Wasser landen, vielleicht sogar den Sturm überleben. Aber sie würden nicht mehr hier sein, wenn die Pearl kentern würde. Sie wären dann alle fort mit ihrem grausigem Knochengerippe und ihren großen, hässlichen Augen, die ihn anglotzten und ihn verfluchten...ihn anklagten... Turner spürte Hass in sich aufsteigen. Wie hatten die es nur wagen können! Wie hatten dir ihn nur so verfluchen können... Sein Rücken tat noch immer weh und es puckerte ihm in der Stirn, dort, wo er die Tür abbekommen hatten. Seine nackten Füße froren. Er wollte nicht mehr... Vielleicht sollte er sich hinlegen und ganz ruhig werden. Wie ein sterbender Hund vielleicht. Im Grunde genommen war er das ja auch. Ein sterbender, verdammter Hund... Will seufzte, ein Seufzen, das ein Kind ausstieß, bevor es zu weinen begann. Der Mond lachte von oben herunter. <> Im nächsten Moment schreckte der junge Mann wieder hoch. "Will!" kreischte es dumpf hinter ihm. "Wenn du nicht sofort deinen Allerwertesten hier heraufschwingst, schlitz ich dir deinen hübschen Bauch eigenhändig auf und esse dein Herz!" Es klang heiser, klang halb verschluckt vom Sturm. Doch Turner hörte es. Und sein Herz begann wieder zu rasen wie verrückt. Jack würde auch umkommen... Will krallte sich an die Reling, zog sich hoch. Während das Schiff hin- und herschaukelte, biss er sich in der Takelage fest, um nicht zu fallen, riss einen Fetzen aus seinem Hemd heraus. Verdammt. War es eine Wirkung des Fluches, ständig in Selbstmitleid zu verfallen? War es etwas, das ihn schon immer begleitet hatte? Wenn Jack nicht wäre, hätte er sich hinlegen können. Wenn dieser Mann nicht wäre, hätte alles keinen Sinn mehr... Aber er war da! Der Schmied schloss die verfluchten Augen, legte den Hemdfetzen davor und band ihn am Hinterkopf zum Knoten fest. Sollte es doch egal sein, ob Elizabeth oder Gibbs oder sonstwer für ihn zum Toten wurde. Sparrow sollte es nicht! Blind tastete sich Will nach vorne, stolperte über die erste Stufe hinauf zum Steuer. Das Wind warf ihn auf die Treppe und er stieß sich die Nase. Irgendwer schrie wieder "Steuerbord!" Er würde ihn eigenhändig erwürgen! Ächzend rappelte Turner sich auf, kletterte wie ein Hund den Rest der Stufen (er zählte ingesamt nur fünf). Das Meer rauschte betäubend in seinen Ohren. Schnell tastete er die Umgebung ab, bekam das Steuerrad zu spüren und begann wie vorhin mit aller Kraft zu ziehen. Jack war da. Er brummte leise, stemmte sich wahrscheinlich von der anderen Seite gegen das Rad. Endlich bewegte sich die Pearl wie gewünscht. Am Himmel mussten die Wolken dahinfliegen wie gejagte Schafe. Es wurde abwechselnd dunkel und wieder heller um den jungen Mann herum, das einzige, was er spürte. Denn wannimmer der Mond schien, sandte er ihm heißkalte Schauer über die gereizte Haut. "Der Sturm wird schwächer." hörte er Jack sagen. Diesmal schwang kein Amusement in der dunklen Stimme mit. Will nickte. Seufzte wieder und versuchte, die innere Verzweiflung einfach hinunterzuschlucken. Bis in seine Füße, nein, bis in seine Zehen. Mit festen Armen hielten er und der Kapitän an dem Holz fest. Vielleicht würde das noch eine Stunde so sein, vielleicht auch zwei. Müdigkeit kroch langsam zurück in seine Glieder. Er hätte auf der Stelle so einschlafen können. Es war noch immer der Hitzschlag, der in seinen Knochen saß und ihm die Kraft raubte. "Wahrscheinlich klingt es...wie sagt man in den hohen Kreisen so schön...?" Jack hörte sich kein bisschen erschöpft an. Nur heiser. "...sagen wir, es ist unangemessen das zu sagen... Aber dein alter Herr wäre stolz auf dich!" Will lächelte bissig. "Stolz worauf? Dass sein Sohn wie ein blinder Bettler herumlungert und nur sich selbst bejammert?!" Er zog den Arm etwas mehr an. Die Wellen hinterließen Geräusche des Knallens am Bug. Man konnte es bis hierher hören. "Aber vielleicht ist das auch besser als für achthundert verfluchte Stücke Gold in der Karibik versenkt zu werden." Er wusste nicht, woher diese plötzlich Wut kam. "Wer weiß, Erbärmlichkeit bleibt höchstwahrscheinlich in der Familie!" Das Holz der Black Pearl knarrte. Knarrte wie alte Knochen knackten. Und doch war es zu spüren, wie der Wind allmählich nachzulassen schien. Will hatte sich blind gemacht und so war er viel empfänglicher für die anderen Sinne. Er hörte das Knarren, das Rauschen, das Pfeifen, konnte den wilden Wind auf seiner Haut spüren und ebenso das salzige Wasser, das ihn beregnete. Er fühlte seine völlig durchnässten Kleider, die ihn beinahe zittern ließen, fühlte seine klammen Hände und er schmeckte Salz. Nichts weiter als Salz. "Na schön." brummte Jack Sparrow. Seine Stiefel polterten leise auf dem Holz, als er wahrscheinlich näher kam. Will spürte wie mehr Kraft von ihm verlangt wurde, das Steuer zu halten. Jack musste das Rad mit einer Hand losgelassen haben. Und plötzlich war er da, war ganz nahe. Direkt neben dem Ohr des jungen Mannes. "Dann lass dir wenigstens gesagt sein, dass ich ebenso erbärmlicher Pirat stolz auf dich erbärmlichen Schmied bin, weil du unsere beiden erbärmlichen Leben vor'm erbärmlichen Tod in den Tiefen des Ozeans gerettet hast. Oder sagen wir, dass du zumindest dazu beigetragen hast." Es war wie ein Flüstern gewesen. Selbst wenn der Sturm um die Männer herum tobte, es war wie ein sanftes Flüstern gewesen. Will hätte beinahe seine Aufgabe vergessen, hätte beinahe alles losgelassen. Sein Herz klopfte hart und zeigte ihm, wieviel Leben in seinem Körper wohnte und plötzlich war da das Gefühl, dass seine Wangen kochten. Eine sanfte Hand strich über Wills Stirn. Nicht flüchtig und verstohlen wie sonst. Sondern langsam und schön. Sie war warm. Und gab ihm neue Kraft... Er hielt durch, bis sie den Sturm hinter sich ließen... Doch selbst später, als er längst wieder im Bett lag, die nassen Kleider abgelegt hatte, hielt er in seinen Träumen scheinbar das Steuer fest. Als sei es das Rad, womit er sein Leben lenken konnte. Im Schlaf schier spürte er, wie ihm das zerschlissene, feuchte Tuch von den Augen gezogen wurde und Morgendämmerung drängte sich in seine wirren Träume, in denen er mit Elizabeth stritt, in denen sie ihn anbrüllte und mit seinen Säbeln bewarf. Unruhig drehte er sich hin und her, wachte dadurch ab und an auf und spürte die Wärme des Bettes, die auf ihn wirkte. Jedesmal entkrampfte er seine Finger erneut, legte sich lang. Nur um eine halbe Stunde später wieder verkrampft und wie eine Garnele gekrümmt aufzuwachen. Irgendwann war er das Spielchen leid. Draußen hatte es längst gedämmert. Der Sturm und der Mond waren abgezogen, überließen das Schiff und die Mannschaft einer ruhigen, federleichten See und einer süßen, warmen Brise. Will strich sich die wirren Haare zurück, spürte pure Erschöpfung in seinen Gliedern summen. Er wollte schlafen. Einfach nur schlafen... Zu sehr hatte ihn die Nacht geschafft. Und die Gewissheit, dass wieder einige Menschen mehr furchterregend und klappernd neben ihm weilten, biss sich in ihm fest, quälte ihn. Dabei hatte er sich vorgenommen, mehr aufzupassen. Sich mehr vorzusehen. Er gähnte verhalten, drehte sich auf die andere Seite, zur Bettmitte hin. Da glänzten ihn schon zwei schwarze, große Augen an. Und draußen waren Möwen zu hören. "Isla de muerta." Jack schnalzte mit der Zunge um seine Bemerkung zu untermalen. "Wir gehen bald vor Anker." Die Augen bohrten sich, interessiert, wie verklärt, scheinbar in ihren Gegenüber. Will spürte wie sie ihn abtasteten. Er lag da, neben seinem Kapitän und sah ihn lange an. Betrachtete die langen schwarzen Haare, die kunstvoll verflochten, verfilzt und geschmückt worden waren, den ebensoschwarzen Bart, die hohen Wangenknochen, die schon fast weiblich wirkten...starrte in die großen blanken Augen, welche sich ihm förmlich darboten. Jack hatte spröde Lippen. Einen Moment lang verspürte Will den Drang, diese Lippen zu berühren und zu prüfen, ob sie sich nicht vielleicht doch weich anfühlen würden. Ob sie nicht vielleicht zärtlich sein konnten... Verklärt blinzelte Turner, fühlte die Röte in seine Wangen zurückkehren. Und plötzlich musste er lächeln. Lächelte mit allem, was er hatte, mit allem, was ihn ließ. Er hatte das Gefühl, diesen Mann anzustrahlen wie ein dunkler, kleiner Stern. Jack legte langsam den Kopf schief. "Will?" Und als er das leis' grunzte, streifte Turner die dünne, weiße Decke ein Stück von den Schultern auf den Bauch herunter. Gab die Sicht frei auf sein ganzes, noch leicht rotes Gesicht, auf seinen schmutzig gewordenen Hals und seine Oberame. "Ich bin nur froh..." sagte er und sein Lächeln erstarb nachdenklich. "...bin nur froh, dass ich nicht neben einem Untoten aufgewacht bin." Die dunklen Augen weiteten sich ein winziges Stück, man konnte es beinahe nicht sehen. Dann ging es durch den ganzen Körper des Captains, ein kurzes Zittern, als ob er fror und ein kleines Lächeln tauchte an der Oberfläche auf. Die trockenen Lippen verzogen sich, wurden breit und wirkten so gespannt, dass Will Angst hatte, sie könnten aufreißen. "Ich bau dir 'ne Kanone." sagte Jack schließlich. "So groß, dass wir den Brocken da oben in Stücke schießen können!" Will lachte leise, zog die Decke wieder höher. Im Schiffsholz hockten Kälte und Feuchtigkeit von der Nacht. Sparrow hob den Kopf, stützte ihn auf seine Hand. "Soso. William Turner kann ja sogar richtig lachen!" Sein typisches Piratengrinsen war wieder da, spannte die Lippen noch mehr an. Wills Blick fiel auf Jacks Seite der Bettdecke, sah, wie sie unter die Männerbrust gerutscht war und verstohlen betrachtete er den fremden, braungebrannten Körper. Es war so komisch... So seltsam. Diese ganze Situation. "Das solltest du öfter tun!" Sparrows Worte rissen die braunen, gehetzten Augen zurück. "Was?" unkte Will ertappt. "Lachen?" Draußen kreischte eine zweite Möwe. "Aye." brummte Jack, ließ den Kopf wieder sanft auf das Kopfkissen gleiten. "Das passt um Längen besser als wenn du sagst, du wollest sterben." Der Schmied spürte, wie es heißkalt seinen Rücken herunterlief. Wie beim Anblick des Mondes in der Nacht, doch er wusste genau, dass es hier und jetzt keinen Mond gab. Jack Sparrow schien es nur zu lieben, in seinen Wunden herumzustochern. Und es tat verdammt weh. Er hasste den Piraten dafür. Sein Herz fühlte sich an, als ob es für eine Sekunde lang stehengeblieben sei und nun erst langsam wieder versuchte, sich an den aufgeregten, schnellen Rhythmus zu gewöhnen. Will presste die Lippen hart aufeinander, wollte dazu ansetzen, seinen Gegenüber verbal anzugreifen, doch Jack Sparrow schien so etwas geahnt zu haben. Blitzschnell setzte er sich im Bett auf und hob die Hände, abwehrend. "Nicht wieder falsch verstehen!" sagte er schnell, wackelte Sparrow-like mit dem Kopf. "Was soll man daran falsch verstehen?!" fauchte Turner, stützte sich schnell auf seinen Ellenbogen ab, um wenigstens zum Teil größer zu wirken. Der Kapitän sah übermächtig aus, starrte ihn von oben herab an. "Du hast nicht die geringste Ahnung, wie sich das anfühlt!" Wills Kopfschmerzen kamen zurück. "Du, du Furchtloser, mit deinen Plänen und Intrigen, der du nur mit dem Fluch gespielt hast damals!" Zorn stand dem jungen Mann ins Gesicht geschrieben. Wütend waren die Brauen tief zu den Augen gezogen. "Du denkst, das Leben ist ein Spaß, du raubst und plünderst und mordest..! Verdammt nochmal, du bist Pirat!" Turner spuckte die Worte geradezu aus seinem Mund, als seien sie pures Gift. Als würden sie ihn sonst zerstören und ihn mit in die Hölle reißen. Für immer. Wie ein schwarzes Loch klaffte Verzweiflung und Wut in seinem Bauch und er hatte das Gefühl, dass Jack mit seiner Hand hineingefasst und das faule, verfluchte Fleisch darin angefasst hatte. Jack schaute ihn lange an, mit ernstem, beinahe angstmachendem Gesicht. Die Sonne sandte ein paar ihrer warmen Strahlen zur Kajüte hinein, warf das Chaos darin in Licht und Schatten. Zauberte kleine Schatten und ein hübsches Glänzen in die Haare des Mannes. Will Turner spürte, dass er Jack verletzt hatte. Vielleicht nur geringfügig und so, dass es sonst niemand merken würde, aber es war geschehen. "Jaa...Piraat!" Zynisch zog Sparrow das Wort ganz lang und lächelte bitter. Das Lächeln tat Will weh. "Das ist dein Aufhänger, Will, immer und immer wieder! Fällt dir nicht langsam etwas Neues ein?!" Das bittere Lächeln blieb. "Aber du weißt doch genau, dass ich genausowenig Schuld an deinem Fluch habe wie du selbst. Nicht wahr? Du bist wütend auf mich, weil ich gerade da bin, weil da Gefühle sind, die du vielleicht nicht einordnen kannst, weil du wütend auf dich selbst bist- so sehr, dass du dich umbringen willst, dass du sterben willst. Erst dann wäre der Wut Genüge getan. Hab ich nicht recht, Will?!" Die braunen, dunklen Augen starrten Jack entgeistert an. Der Schmied hatte das Gefühl, dass dieser fremde Mann mit Worten sein Herz aufschloss, ein Puzzle zusammensetzte, dass er selbst überall verstreut hatte. Einfach so schaute Jack Sparrow in ihn hinein, zog ans Tageslicht, was sich in ewigem Dunkel verstecken wollte und sein Lächeln verschwand mehr und mehr. Dies war kein Spiel. Dies war auch nicht der Jack Sparrow, der beim Reden herumgestikulierte und komische Gesichter zog. Dies, jetzt, hier war Jack, der ruhig dasaß, ernst und real und ihn mit den dunklen, undurchdringlichen Augen anschaute wie ein Kind, dem er erklärte, wie die Welt funkionierte. Und es tat so weh... Es tat so weh, ihm zuzuhören und wissen, dass er recht hatte. Dass er verdammt nochmal richtig lag. "Es reicht!" zischte Will, eher aus Verzweiflung. Seine rechte Hand krallte sich unwillkürlich in die Bettdecke. Verkrampfte sich, schmerzte, ließ kein Blut mehr in sich hinein. "Aber ist das klug? Tot zu sein, nur weil irgendwann ein alter Hexer einen Fluch ausgesprochen hat? Ist das klug, deswegen auf dich selbst wütend zu sein? Wo du doch so ein Loch hinterlassen würdest, wenn du nicht mehr da wärst!" "Ich sagte, es reicht!" rief Will bissig. Selbst wenn er Jack so nicht kannte, er wollte ihn nicht länger so haben. Nie wieder! Wie ein schwarzer Engel saß der da, im Schneidersitz, und zerstach ihn nur noch mehr. "Es reicht?" wiederholte der Kapitän. "Ja, verdammt, es reicht! Noch ein Wort und ich schlitz dich auf!" "Lass es sein, das würdest du sowieso nicht schaffen! Außerdem herrscht hier drinnen ein Mangel an Schwertern." Jack war ruhig. Ja, fast schon wieder amüsiert wirkte er auf Will. Nur dass er nicht grinste. Ganz im Gegenteil. "Und außerdem..." Ruhig legte der Pirat wieder den Kopf schief. "...wozu hast du mir dann das Leben gerettet? Damals, als mich dein Commodore aufhängen wollte wie Dörrfleisch, und heute Nacht. Wäre das nicht ein wenig dumm, wenn du mich jetzt aufschlitzen würdest?" Will konnte nicht länger an sich halten. Diese kochende Wut in ihm, die sich gegen alles und jeden zu richten schien- sie breitete sich über seine Hautporen aus. Sie spieh Jack an, spieh ihn selbst an. Wie von Sinnen tat er einen Satz aus dem Bett, gleich hinein in den nächsten Scherbenhaufen vom Kronleuchter. Irgendwo lag der Essenstisch herum. Turner ging auf das Möbelstück zu, riss den massiven Holzfuß aus der Tischplatte. Die Augen zu Schlitzen verengt, begann er wahllos auf die Einrichtung derKajüte einzuhämmern. Dieser Bastard! Wie konnte der es wagen? Wie konnte der es nur wagen, ihm so wehzutun?! Wo er ihm doch hilflos ausgeliefert war, wo er doch bei ihm unterschlüpfen wollte. Wie konnte dieser Bastard es nur wagen, ihn so zu verletzen?! Am liebsten hätte der Schmied ihn in der Luft zerrissen, ihn doch aufgeschlitzt, die Augen ausgekratzt und ihn angeschrien. Will konnte sich nicht erinnern, schon einmal so wütend gewesen zu sein. Weder auf Barbossa damals noch auf den Commodore noch auf sonstwen. Alles, alles rückte plötzlich in den Schatten. Da waren nur noch er und Jack Sparrow. Er und... Klirrend splitterten Scheiben von Schränken auseinander, Holz dröhnte dumpf auf dem Boden. Der Schreibtisch war massiv und so stabil, dass er den Angriffen widerstand. Doch Will riss die Kerzenhalter zu Boden, die Stühle, das Geschirr, wirkte wie ein geistig Verwirrter mit den zerzausten, langen, braunen Haaren, mit den weit aufgerissenen Augen und der Verzweiflung darin, die ihm immer wieder Mordgedanken in den Kopf brüllte. Doch noch nie, noch nie hatte er sich so gehenlassen. Noch nie hatte er die Wut in sich selbst so erlaubt, hatte sie noch nie Gestalt und Geräusch annehmen lassen, dass sie beinahe wie ein Wesen erschien. Als er sich umwandte, saß Jack noch immer auf dem Bett, mit nacktem Oberkörper, mit ruhigem Blick und den bohrenden schwarzen Augen...den wunderschönen...verdammt wunderschönen Augen... Wie in Trance war er, als Will ans Bett trat. Mit wirrem Blick den Holzbalken hob. Ob er damit aufschlitzen konnte? Ob er damit sehr wehtun könnte? Die Sonne war noch immer, die gute Gegenspielerin zum Mond, wärmte Wills kalte, harte Haut, machte sie wieder empfänglich...für Leben. Eiskalt schien der Tod zwischen den Männern zu stehen, schien zu schreien. 'Tu es! Tu es!' Und als Will das hörte, erschrak er. Erschrak beinahe zu Tode... Polternd fiel der Balken zu Boden. Unvorsichtig. Er hätte ihm auf die Füße knallen können. Doch das war egal. Er hätte ihn doch fast mit dem Ding erschlagen. Jack. Jack, um den er sich doch heute Nacht noch gesorgt hatte. Jack, wegen dem er sich wieder aufgerappelt hatte. Nur wegen ihm... Jack, der ihn durchdringend anschaute. Jack...der einzige, der zu sehen schien, wie er fühlte. Einfach so. Einfach so... Das Poltern hallte in seinen Ohren nach. Ein grausames Geräusch, wenn Holz von Holz eingedellt wird. Wie eine Wand stand die Stille für Sekunden im Raum, umgab die beiden. Sonnenstäubchen wirbelten durch die Luft, wurden im Hellen sichtbar und im Schatten zu Nichts. Aufgewirbelt durch Turners Wutanfall. Und Jack, der sich langsam vorbeugte. Dessen Hand vorsichtig nach der von Will fasste, die an der Seite wie tot herunterbaumelte. Der den aufgewühlten Mann anschaute. "Du hast den Fluch nicht verdient. Begreifst du das jetzt?" Und es war Jack, der ihn einfach so auf das Bett zog, bis in die Mitte der weichen, strohigen Matratze. Der einfach die Arme um ihn schloss und ihn damit vor der Welt und in sich verbarg, wie einen Schatz, wie einen schwarzen, glänzenden Edelstein. Es war Jack, dessen warme Haut Will nun an sich spüren konnte. An den er sich mit einem Mal klammerte. Leise hörte er den Atem des Piraten, konnte seinen Duft von ganz nahe wahrnehmen. Nur das und das unendliche Schlucken zwang die Tränen abermals zurück. Er würde nicht weinen. Nicht vor diesem Mann... Nicht vor dem Mann, der selbst gespürt zu haben schien, dass er von ihm umarmt werden wollte... To be continued... Kapitel 7: Gegen die Kälte -------------------------- ...Und den Fluch im Kielwasser... Autor: Tsutsumi Teil: 7/? Titel: Gegen die Kälte Warnung: Slash/ Shounen Ai, sappy, OOC Disclaimer: Nicht meines, sondern Disney's^^" Deswegen bleib ich auch so arm und seh kein Geld dafür^^" Kommentar: Einen Gruß an alle, die dieses Pairing so verehren wie ich es tu^^ Gegen die Kälte Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals einen Menschen gebeten hatte, bei ihm zu bleiben. Einfach da zu sein und ihn zu halten, auf seine Seele achtzugeben und die Minuten verstreichen zu lassen. Natürlich hatte ihm das schon mal jemand ins Ohr geflüstert...gehaucht... 'Bleib bei mir!' Doch das waren immer fremde Stimmen gewesen, von denen er sich zuweilen unbehaglich gefühlt hatte. Elizabeth hatte das oft gesagt. 'Bis der Mond scheint, bleib bei mir!' Sie waren draußen im Garten herumgewandelt, beobachtet von Affen und exotischen Vögeln, hatten unter Palmen gestanden und 'Lizbeth hatte zart ihren Fächer an seine Wange gelegt und ihn mit den vorsichtigen Blicken eines gebildeten Mädchens betört. 'Bleib bei mir, bleib bei mir!' hatte sie immer wieder geflüstert, wenn er ihren Hals liebkost, sie gehalten hatte. Wenn er sich nach ihr verzehrt hatte, wenn sie ihn hatte stehenlassen müssen wegen einer wichtigen Zeremonie, obwohl das Treffen abgemacht gewesen war. 'Es tut mir weh, Geliebter, es geht nun mal nicht anders! Triff mich heute Abend und bleib bei mir! Hörst du, bleib bei mir!' Jedesmal hatte er "Ja" gesagt, hatte genickt, hatte sie geküsst und umarmt und sich schützend um sie gerollt. "Ich bin ja da, 'Lizbeth!" Jedesmal. Und trotzdem hatte sie ihn immer wieder mit ihrem Fächer geneckt und gemurmelt, wie es die Damen von Welt wohl nicht anders lernten; 'Bleib bei mir!' Er war doch da gewesen. Hatte sie nie zugehört? Selbst auf Tortuga hatte er das leis gemurmelt im Traum. Selbst wenn sie ihm die Finger aus Knochen auf die Lippen gelegt und sie mit der Kälte verbrannt hatte in der schlimmsten Nachtmär, hatte er es gemurmelt, seinen unendlichen Treueschwur geleistet. Doch sogar in den Träumen hatte sie nur gekichert und mit ihren hellbraunen, schwimmenden Augen gefunkelt. Natürlich war er da. Wo sollte er auch sonst bleiben? Warum, wenn er immer da war, verließ ihn dann alles? Dann kreischten draußen Möwen. Vielleicht waren es auch Tölpel, so genau wusste das wohl keiner. Will hörte ihr Gezanke nur von ferne. Die Hitze fraß sich allmählich in die Kajüte herein, erwärmte seinen scheinbar frostigen Körper, legte sich auf die müden, schweren und geschlossenen Augen, auf das Bettzeug, das ihn weich umgab. Auf alles. Die Scherben auf dem Boden glitzerten wie Edelsteine in der hereinscheinenden Sonne. Will seufzte und spürte, wie Jack ihn verstohlen noch näher an sich zog. Da war Haut an Haut, beide nackt, verschwitzt. Drunter weißes Bettzeug, gräulich verfärbt von ungewaschenen Körpern und deren Ausdünstungen. Und trotzdem fühlte sich der Schmied geborgen in diesem Hier und Jetzt. Jack Sparrow, ja, der unberechenbare, alberne und zuweilen gefährliche Jack Sparrow lag nur ein Augenblinzeln entfernt neben ihm, hielt einen Arm um ihn geschlungen. Turner spürte die fremde Hand auf seinem Rücken, während die andere ab und an ganz sacht über seine völlig zerzausten Haare strich. Wortlos. Und er wusste nicht, was er denken, fühlen und tun sollte... Alles...alles war so durcheinander... Sein Herz wusste nicht, ob es rasen oder sich an diesen Berührung laben sollte, sein Bauch wusste nicht, ob er die Schmetterlinge aus den Tiefen der Seele freilassen oder einfach nur entspannen sollte. Will wusste nicht was es war, aber ein seltsames Gefühl durchströmte ihn in einer Ruhe, die ihn zugleich einschläferte und wahnsinnig machte. Er mochte dieses Gefühl von wohligem Kribbeln im Nacken, wenn Jacks Hand durch die lockig gewordenen, salzigen Haare fuhr. Nein...er liebte es. Das wusste er mit einem Mal. Er würde das immer lieben. Ganz sanft nur schaukelte die Black Pearl vor und zurück, einlullend wie eine Wiege. Es war so absurd... Will verfluchte sich immer wieder für seine Schwäche. Nun lag er hier, in den Armen eines Mannes, eines Mannes! Würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis er sich auf diesem Schiff gefangen würde nehmen lassen, dieses verfluchte Leben zu fristen und nur darauf wartend, wieder in den Arm genommen zu werden? Wie ein Süchtiger, wie ein Opium-Kranker, dem die Augen eiterten und die Lungen gefroren, wenn er nicht bekam, was er brauchte? Will seufzte erneut, ein weinerliches Seufzen, ohne das zu wollen. "Wird sie warten...?" Jacks Stimme war plötzlich, aber nicht unsanft. Er hatte sich nicht gerührt, vielmehr nur gewispert, was nur für vier Ohren bestimmt war. Irritiert öffnete der Schmied seine Augen und sah seinen Captain an, einen fragenden Blick aus großen, braunen Scheiben. "Elizabeth Swann, deine liebliche Verlobte." brummte die tiefe Stimme argwöhnisch und widerwillig, als gälte es, sich etwas Ekelhaftes ins Gedächtnis zurückzurufen. "Wird sie warten auf dich?" Oben auf den Planken polterte etwas. Dann Schimpfstimmen und ein Jaulen, klang wieder nach dem verdammten Papagei. Will fühlte sich müde, spürte die schwarzen, blanken Augen auf sich ruhen, als er heruntersah, das Muster des Bettzeuges betrachtete. "Ich weiß es nicht." Ja, was hatte er gedacht? Dass sie sich die Augen nach ihm ausweinen und jeden Tag am Hafen von Port Royal stehen würde, den Horizont nach ihm absuchend? Er war verschwunden, dazu noch mit gestohlenem Boot, und ohne ein Wort an sie. Wahrscheinlich würde sie nie wieder etwas von ihm hören oder sehen wollen. Aber plötzlich kümmerte das Will kaum noch. "Vielleicht hat sie mich schon vergessen. Oder will es zumindest." Seine Stimme, ganz leise. Und als er hochsah, starrte er in Jacks dreckiges, leuchtendes Grinsen. "Is' das so?" wisperte der Pirat und legte den Kopf leicht schief. "Heißt also, dass ich dich behalten darf, ja?" Plötzlich waren die Schmetterlinge da, flatterten überall herum, stießen mit ihren kitzelnden, bunten Flügeln gegen Magen, Zwerchfell, verirrten sich sogar bis in Turners Blutadern und rauschten durch sie hindurch, geradezu zu seinem Herzen, ließen es hart und schnell schlagen, so plötzlich, dass Will erschrak, dass er spürte, wie das Blut rot und verräterisch in seine Wangen kroch und seine Augen mit einem Mal ganz weit offen waren. So weit...dass Jack alles, was er darin sah, würde erkennen können. Sein Herz...wie eine Galerie betrachtend. Will spürte Tränen in seine Augen treten, so plötzlich und ungestüm, dass er sie kaum zurückdrücken konnte. Ohne sie zu verstehen, blinzelte er, versuchte zu lächeln. Dem Piraten entgegen. "Ja...Behalt mich, Jack!" Er drückte müde den Kopf an die fremde, warme Brust, spürte, wie der Mann beide Arme zärtlich um ihn legte, wahrscheinlich sanft grinsend. Irgendwo im Meer, im Kielwasser hingen Zeit und Ziel und schienen dem Hier und Jetzt nicht folgen zu können. Denn plötzlich wäre Will noch wochenlang so weitergesegelt, hätte am liebsten noch Tage im Bett verbracht, auf diese Weise. Dies alles hier war mehr eine Träumerei denn Tatsache und Jack war Fiktion und schwere Wahrheit auf einmal geworden. Allein seine Präsenz hatte den Schmied scheinbar umgekrempelt. In vielerlei Hinsicht. Matt schlummerte er in den Piratenarmen ein, träumte wild von Freiheit und dem weiten, blauen Meer, das all die Geheimnisse zu bewahren schien, denen er auf den Grund gehen wollte. Und in seinen Gedanken hatten sich die fremden, fordernden Stimmen in seine eigene verwandelt... In seine eigene Bitte, ein ewiges Flehen, das sein Herz zu versenden bisher immer zu ängstlich gewesen war. 'Bleib bei mir...bleib bei mir....' <<"William, sei nicht so ängstlich! Du musst stark und tapfer sein! Bis du Papa gefunden hast und er dich wieder beschützen kann, musst du auf dich selbst aufpassen! Du bist jetzt ein tapferer, edler, junger Mann, hörst du?">> <<"Dummer Bub! Wenn du dich verbrannt hast, musst du es kühlen, anstatt zu weinen! Los, verbind deine Hand und dann wieder an die Arbeit! Du kannst es dir nicht leisten, dumm herumzustehen und Brandblasen zu zählen; solltest froh sein, dass ich dich überhaupt in die Lehre nehme! Undankbarer Rotzlümmel!">> "Hier, nimm das!" Jack öffnete Wills Hand sanft- Finger für Finger und legte ein kleines Gläschen hinein. Vor dem Schmied stand er, betrachtete den Jüngeren, der noch auf dem Bett saß und sich gerade in eines seiner eigenen Hemden gehüllt hatte. Nachdem Turner in der Nacht das seine halb zerrissen hatte, würde es nur noch als Putzlappen herhalten können. Schüchtern schaute Will zurück, seine braunen Augen wanderten abwechselnd hin und her zwischen dem Glas und Jacks Gesicht. Der Pirat versuchte auszusehen, als dächte er angestrengt nach. "Du brauchst noch deine Schuhe!" resümierte er nach einem Weilchen, tingelte geschickt zwischen Glasscherben, umgefallenem Tisch und Geschirrteilen hindurch. William starrte auf seine Hand. Das winzige Gläschen war mit einem Stopfen aus Kork verschlossen. Und darin war eine Masse, die aussah wie erkaltetes Schweinefett. "Was ist das?" "Salbe." sagte Jack beschäftigt, während er einen der wenigen Schränke öffnete und scheinbar darin herumkramte. Gerade von dort hatte er eben auch das Hemd geholt. "Irgendein uraltes Rezept, muss ich wohl von 'ner Insel nicht weit von hier haben..." Es polterte, als etwas in dem Kleiderschrank umkippte. "Für deinen Sonnenbrand." Irgendetwas klimperte in den schwarzen Tiefen des Schrankes, dann hatte Jack die Schuhe endlich gefunden. Turner zog zögernd den Stopfen vom Glas, roch an der Öffnung. Es duftete nach Honig und eine Spur nach Blumen. "Gewiss hast du das schon einmal selbst ausprobiert...!" sagte er argwöhnisch und steckte langsam den Finger in das Glas. Die Masse fühlte sich tatsächlich wie Fett an...Nur etwas weicher. Vor Monaten hatte er Elizabeths Cremedöschen gesehen, hatte von ihr eine Kostprobe dieser teuren Salben auf die Nasenspitze getupft bekommen. Das hatte sich genauso angefühlt. Weich...glatt...sich an ihn schmiegend. Ein armer Schlucker wie er hatte nur davon träumen können, so etwas zu benutzen. "William..." sagte Jack langsam, als er wieder am Bett stand. Grinste schelmisch. "Wenn du wüsstest, was sich ein nichtsnutziger Pirat zuweilen ins Gesicht schmiert, würdest du dich über das da freuen!" Der Schmied spürte, wie sich sein Mund zu einem Grinsen verzog. Nein, nachfragen würde er jetzt nicht. Und warum sollte er dieses Zeug nicht ausprobieren? Was war zu verlieren? Er tauchte den Finger in die schmierige Masse, tupfte sich Salbe auf Wangen, Kinn, Stirn und Nase und begann, sie mit den Händen zu verteilen. Angenehm kühl schmiegte sich diese Creme an ihn, besänftigte scheinbar seine glühende Haut, versöhnte seine aufgesprungenen Lippen. So lange, bis Will sich sicher war, dass er wie ein Honigkuchen riechen musste. "Während sich der edle Herr zurechtmacht..." Wie aus der Luft herausgegriffen zückte Jack Sparrow einen schwarzen Gegenstand und sein Grinsen wurde wieder breiter. Will erkannte erst bei näherem Hinsehen, dass es ein dunkler Kamm mit groben Zähnen war- der Gegenstand, den er gestern selbst noch voller Verzweiflung gesucht hatte. Verblüfft verrieb er die Salbe weiter auf der Stirn, verfolgte Jack Sparrow mit den Augen, wie der auf das Bett stieg und sich kurzerhand hinter ihm plazierte. "Lasst mich Euch helfen, William!" raunte der Pirat leise. Mit einem Tonfall, der Will Schauer den Nacken hinunterjagte, der sein Herz zum Rasen antrieb, seinen Puls für den Augenblick eines Lidschlags aussetzen ließ. Stille... Wills Haare waren schon immer widerspenstig gewesen. Von Geburt an eher lockig, wirbelten sie sich immer wieder heraus, wenn er sie kaum gerade zusammengebunden hatte und wellten sich, schlugen kleine Kreise. Er wusste nicht, ob er sie mögen oder hassen sollte deswegen. Als Junge hatte er immer die herrlichen hellen Perücken der Marineoffiziere bewundert, hatte sich heimlich selbst eine gewünscht. Doch nun war er, ohne es zu wissen, froh über seine Haare. Völlig zerzaust mussten sie sein. Halb gelockt und halb verknotet, ohnehin jede einzelne Strähne mit dem schmierig-trockenen Salzfilm des Meeres belegt. Will spürte, wie eine fremde Hand ihm zuerst über den Kopf strich. Anscheinend versuchte, diese Haare glattzustreichen. Er schloss sanft seine Augen. <<"Wie wäre es, Will, wenn wir einfach flüchten könnten? Komm, du bist mein einziger Freund hier in ganz England, das weißt du! Lass uns davonfliegen auf...auf einem Schiff! Wir werden Piraten und beherrschen alle sieben Meere! Nur weg...weg von all dem Elend hier...Deine Mutter weint doch auch immer? Nimm sie mit, dann kann sie auf den Fischen reiten!">> Der Übergang in eine andere Welt...So fühlte sich dieser Moment an. Ein Moment, den sein Herz wie Kautschuk langzog und versüßte. Ein Moment, den er niemals angehalten hätte, hätte er die Wahl gehabt. Denn plötzlich fühlte es sich seltsam an, von einem Mann sanft berührt zu werden, seine Hände zu spüren...tief im Haargestrüpp verwunden...bis auf die verbrannte Kopfhaut. Es zog und tat weh, das ja, aber dieser Schmerz war nur leise und klein.... und fast taub im Gegensatz zu dieser Sehnsucht, die plötzlich in seiner Brust schrie und drohte, auszubrechen. Vorsichtig zog Jack den Kamm durch Wills braunes Haar, immer und immer wieder, und jedesmal zog der Pirat die andere Hand hinterher, um die Welle darin zu glätten. Will spürte, wie sein Kopf bei jedem Bürsten sanft nach hinten in den Nacken gezogen wurde und sodann wieder nach vorn wippte, sein Rücken machte jede dieser Bewegungen mit, sandte die gefühlten Vibrationen bis nach unten in die Zehenspitzen. Seltsam fühlte sich das an...seltsam... In seinem Kopf kramte der junge Mann vergebens nach Momenten zum Vergleichen, während seine aufgewühlte Seele halb ängstlich, halb gespannt stillhielt und genoss. Ja...genoss. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm wer die Haare gekämmt hatte. Einfach so. "Warum tust du das?" Er schaute nachdenklich auf das Bettzeug vor sich. Fühlte sich fast wie ein kleines Mädchen. Wie jemanden, den man mit Sorgfalt und mit Vorsicht berühren musste. Die braunen Augen schlossen sich erneut. Und sein Herz schlug so schön warm dahin... In einem ewigen Takt des verliebten Lebens. "Und wenn ich einen Wind ließe, würdest du dafür auch nach dem Grund fragen?" ertönte es belustigt hinter ihm. Doch noch ehe Will sich wütend umdrehen konnte, spürte er sanft Jacks Hand auf seiner rechten Wange. Warm, zart...die rauhe Haut. Etwas, das ihn sofort körperlich zu besänftigen schien. Etwas, das sein inneres, verletztes und erschrecktes Herz beruhigte und zärtlich zudeckte. "Nicht aufregen!" sagte Sparrow versöhnlich. "Ich meinte nur... Du willst für alles immer sofort den Grund wissen, auch wenn die Antwort vielleicht an der nächsten Ecke wartet." Der Mann begann erneut, die braunen, versalzenen Haare zu kämmen und es fühlte sich so an, als ob er noch einmal so vorsichtig dabei war. Glatte Finger konnte Turner spüren. Wie kleine Fische, die durch Tang huschten, glitten sie durch das Haar... Es fühlte sich schön an. Fühlte sich aufregend an. Und weckte in ihm die Sehnsucht, mehr zu spüren...Viel mehr... So wie vorhin, als er die warmen Arme des Piraten gespürt hatte...ja, als er sogar darin geschlafen hatte. "Die Wahrheit existiert immer." entgegnete Will leise. "Was ist daran so verwerflich, ihr auf den Grund gehen zu wollen?" "Weil du auf diesem Grund Sandstürme veranstaltest, Will!" gab Jack zurück. Das Kämmen hörte auf und scheinbar ein allerletztes Mal fuhren die Hände durch Turners Haare, strichen sie glatt und nahmen sie zusammen. Dann band der Pirat sie fest mit etwas zusammen. "Und in Sandnebeln kann man nichts sehen, mein Lieber!" sagte die Stimme neunmalklug. Ihr Besitzer regte sich nicht mehr, schien einfach still zu sitzen hinter Will. Und doch kam es diesem so vor, als würde Jack noch immer seine Haare glätten...darin herumstreichen, als wären sie nicht von Salz klebrig...sondern wie Goldgeschmeide, unbezahlbar. Warum berührte er ihn so? Warum tat er das nur...? Niemand sonst hatte das getan... "Du machst dich schon wieder über mich lustig, Jack Sparrow!" sagte Will verbittert. In einer ganzen Geste drehte er sich zu dem Piraten um, zeigte kurz auf ihn. Scheinbar ungerührt saß der Schwarzhaarige da, schaute zurück. Legte den Kopf schief. "Das tu ich nicht, William Turner, ich versuche Euch nur zu erklären, dass Ihr nicht immer alles so wahrlich ernst nehmen sollt!" Da war es wieder- dieses Piratengrinsen. Will war sich sicher, jeder Schiffsjunge, der bei einem Piraten anheuerte, musste sich dieses Grinsen zeigen lassen um es nachher besser und breiter zu können... Hatte Barbossa nicht auch einst so gegrinst? Und diese beiden schwachköpfigen Idioten, der kurze und der Kerl mit dem Glasauge, hatten diese nicht Gefallen an dieser Mimik gehabt? Der junge Mann sah beiseite. "Warum sollte ich Späße machen?!" sagte er mit harter Stimme und begann, sich seine Schuhe anzuziehen. "Das Leben ist alles andere als ein Spaß." Die Schuhschnalle rutschte ihm aus der Hand, ganz plötzlich... Und genauso plötzlich spürte er sich zittern. Seine Finger bebten, als würde der Klabautermann ganz sanft seine eisige Hand am Schiff rütteln, es vibrieren lassen. Und Kälte saß in Wills Füßen- eine eisige Kälte. Wie ein Virus fraß sie sich durch seine Zehen. Diese Kälte... "Aye, das mag stimmen, aber besser als der Tod ist es allemal!" rief Jack hinter ihm und krabbelte umständlich vom Bett. "Und du weißt, ich bin unehrlich, der Himmel möge mir verzeihen, aber eines meine ich verdammt ehrlich;", Er wartete bis Will trotz der zitternden Hände die Schuhe zugemacht hatte und nahm seine Hand, zog ihn hoch. Sie standen beinahe Nase an Nase und sofort starrte Will in die braunen, fast schwarzen Augen des Piratenkapitäns. Schaute in diese unendlichen Horizonte, in denen Vergänglichkeit und Verlogenheit, Wahrheit und Treue, Ehrlichkeit und Lüge aufeinandertrafen und zusammen zu glänzen schienen. Blanke, große Augen, die ihn förmlich einsogen und in sich einverleibten, ihn behalten wollten. Der Schmied spürte seine Knie weich werden, sein Herz klopfte so hart, dass er sich sicher war, Jack hörte es auch, und das verfluchte Blut schoss ihm sofort wieder in die Wangen. Er spürte Jacks warmen Rumatem...auf seiner Haut tanzen... Kleine, sanfte Hauche aus Leben und...Liebe... Er konnte das genau fühlen... Seinen Jack Sparrow. "...Mir ist es hundert Millionen mal lieber, wenn du hier lebendig bei mir bist als wenn du tot auf dem Meeresgrund treibst, wo dich Haie und Schnecken auffressen, ohne zu wissen, dass sie den größten Schatz aller sieben Meere zerreißen. Klar soweit?" Jacks Atem hatte Will beinahe um den Verstand gebracht, wenn er sprach, glänzte das Gold auf seinen Zähnen neckisch hervor, lockte ihn. Rief ihn, es mit der Zunge berühren zu wollen. Denn plötzlich war das Verlangen wieder da. Noch größer und noch feuriger, und es kämpfte gegen die Kälte, die in dem Schmied hochwandern wollte und ihn verschlingen wollte. So wunderbar. So heilsam. Mit einem Schlag hätten ihn diese dunklen, geheimnisvollen Augen in die Ohnmacht treiben können. Wie eine Dame wäre William in sich zusammengefallen, hätte er nicht mit den Händen nach Jacks Oberarmen gefasst und sich daran festgehalten. Und wie eine Droge wirkte der Blick der schwarzen Augen in ihm, wollte ihn nicht wieder verlassen. "Aye..." sagte er langsam, fühlte noch immer das Salbengläschen in seiner Hand. Langsam normalisierte sich sein Atem wieder und das halb dahingeschwundene Bewusstsein kehrte mit vollem Schwall zurück, ließ ihn tief aufseufzen. Seine verklärten, braunen Augen lagen auf dem Gesicht des Piraten, scheinbar für Stunden, für eine Ewigkeit. "Deine Lippen sind aufgerissen...Jack..." <<"Mein Liebster Will... Bleibst du heute Nacht bei mir? Du musst es mir versprechen, ja? Du musst mich doch beschützen, wenn die Piraten wiederkommen! Bleib bei mir und du wirst eine recht vergnügliche Nacht haben...">> Seine Finger zitterten noch heftiger. Beinahe als würde er furchtbar frieren. Und während 'Lizbeths Lachen in seinem Kopf erstarb, spürte er, wie alles in ihm scheinbar überkochte, sich mit Luft und Schmetterlingen und Blut füllte, als er so vorsichtig, wie es ging, mit dem Zeigefinger Jacks spröde Unterlippe berührte. Und gleichzeitig schien er sich ebenso an das pure Lebenssystem dieses Mannes anzuschließen. Reine Energie begann, ihn zu durchströmen, riss ihn mit aus dem dunklen Abgrund heraus, in dem er sich dachte, hoch, hoch an die strahlende Sonne. Licht durchflutete ihn, füllte ihn ab, musste inzwischen aus seinen Augen wieder herausdriften und sich in der ganzen Kajüte ausbreiten wie ein Fluss, wie sanfter, warmer Sommerregen. Dort, wo er den Piraten berührte, wurde sein eiskalter Finger wieder warm, füllte sich mit neuer, süßer Energie. Was war das nur...? Zitternd stand Will da, versuchte, das gewaltige Ausmaß seiner Tat zu ertragen und spürte wie sein Gegenüber sanft nach dem Zeigefinger griff, ihn halb umschloss...ihn auf seiner Lippe bewegte und die Creme so darauf verteilte. Dieser Mann war so nahe, dass Turner genau sehen konnte, wie die Salbe auf dem Rot zu glänzen begann, sich auf es legte und zu heilen begann. So nahe, dass Jack doch einfach dieses arme, wild pochende Herz hören musste... So nahe, dass jeder einzelne Atemhauch auf Wills Haut wie zarter Kükenflaum kitzelte... So nahe, dass reine Energie gegen diese Kälte in ihm ging... Mehr und mehr... <<"Bill Turner? Nie gehört hier! Und ich muss das wissen, bin immerhin seit fünf Jahren hier angestellt! Nein, du kleiner Pimpf, deinen Vater hat hier keiner gesehen, musst wohl nach England zurück! Oder hierbleiben und dich irgendwo verdingen, was weiß ich, ich schere mich nicht drum; und jetzt raus aus meinem Büro, halt hier nicht länger Maulaffenfeil!" >> Sie bestiegen eines der kleinen Ruderboote und ließen sich abseilen. Der verknöcherte Mr. Gibbs, dessen schwimmende wasserblaue Augen Will Angst machten, winkte noch hinterher und brüllte irgendetwas von 'Unglück, wieder zurückzukehren'. Turner seufzte verächtlich. Als ob er das nicht selbst wüsste. Seine anfängliche Idee beim Essen, doch allein in diese Grotte zurückzukehren, hatte der Kapitän sofort abgeschmettert, er sei schließlich nicht umsonst hierhergesegelt. An den Klippen der Insel brüteten Seevögel in Scharen, schienen sich nicht um den rauchenden Berg zu kümmern, der über ihnen dahindampfte, anscheinend bereit, jeden Moment auszubrechen. Jack ruderte geschickt an aus dem Wasser ragenden spitzen Felschen vorbei, während Will ihn lotste, eine Feuerfackel hielt und spürte, wie ihm mit jedem Meter, der er der Gruft näherkam, immer kälter wurde. Es war als würde der Aztekenschatz ihn mit einem Unterdruck von Eiseskälte an sich heranziehen wollen. Es war, als würde Will zum eigentlich Moment des Fluches zurückkehren, an den Ursprung. mit den Gedanken zurück nach Port Royal, zu dem Moment, in dem Elizabeth ihn verwundert anschaute. Zurück...zurück... Das Zittern war wieder da, ließ seine Glieder beben, sich zusammenkrampfen. Ein ekliges, schleimiges Gefühl brodelte in seinem Magen auf, stieg wie Sodbrennen höher und höher. Turner spürte die Angst in seinem Nacken, eine seltsame Angst, die nicht ihm gehörte, sondern allen armen Seelen, die einst verflucht gewesen waren auf dieser großen weiten Welt. Wie Geister schwirrten sie um ihn herum, flüsterten ununterbrochen in seine Ohren und brachten seinen Kopf zum Dröhnen. Es war, als würde er all das Schwarz dieser Höhle auf einmal anziehen und in sich vereinen, ohne es zu wollen. Will lehnte sich vor, versuchte, ruhig zu bleiben. "Welche verdammten Menschen wagen es nur, diese Flüche auszusprechen und damit zu quälen..." presste er hervor, als das Boot ans Ufer stieß und er ein Würgen in seiner Kehle spürte. In seinem Bauch sammelte sich Säure...soviel Säure, von der er das Gefühl hatte, sie würde sich durch seine Eingeweide fressen. Wie kalter, eiskalter Schleim, der bald aus seinem Nabel sickern und verätzen würde. "Gewissenlose Menschen, die nur den Sinn für Seelenmord haben." antwortete Jack und er plätscherte, als er durch das seichte Wasser watete. "Aztekische Hohepriester, denen der Posten zu Kopf gestiegen ist. Hab wahrlich schaurige Geschichten gehört darüber!" Über ihnen schrie etwas. Eine Fledermaus? Ein Vogel? Will zuckte zusammen. Nur mit der Hilfe von Jack gelang es ihm, aus dem Boot zu steigen. Die Kälte wurde immer schlimmer, schien seine Sinne einzueisen, schien ihn lahm machen zu wollen. "Ohne Sinn und Zweck haben die ihre eigenen Mitmenschen ihren blutrünstigen Göttern geopfert und dargeboten..." sprach Sparrow weiter. "Und durch hinterhältige Flüche rächen sie sich an uns..." "...an uns, die wir denen kein Haar gekrümmt haben!" spuckte Will wütend. "Ich schwör dir, Jack, wenn ich Cortes gewesen wär, ich hätt' genauso gehandelt!" "Und deren Städte in Schutt und Asche gelegt?" Der Pirat sah den Schmied nachdenklich an. "Halt' dich aus der Geschichte raus, Will!" Er lotste den Jüngeren vorsichtig durch die Gänge, bis sie zur Höhle gelangten, in der sich noch immer Gold, Silber und Juwelen türmten. " Die ist vorbei. Außerdem, dieser Krieg wurde so unfair ausgetragen, dass du wahrscheinlich nur protestiert hättest." Vor ihnen der leicht abfallende Hügel, der Vorsprung, gesäumt mit goldenem Blech und Münzen. Grausam kalt spürte Will, war es hier. Eine Eiseskälte, die ihn zittern ließ. Dort vorne lag, halbverrottet und von Würmern zerfressen, Barbossas Leiche. Irgendetwas hatte ihm die Augäpfel ausgekratzt und stumm starrte der blinde Tote in die Welt hinaus, zu Recht ermordet und gerächt. Jack trat an seinen Feind heran, starrte ihn einen Moment lang mit hasserfülltem Blick an. Will konnte sehen, wie die dunklen Áugen noch schwärzer wurden, wie sich der ganze Mund zu einer festen Linie verformte und einen Augenblick lang hatte er Angst, dass der Pirat seine Pistole zücken und den ohnehin Toten nochmals erschießen würde. Sanft trat er heran, legte vorsichtig...ganz vorsichtig eine Hand auf die Schulter des Mannes. Und erst jetzt veränderte sich die harte Miene, wurde wieder weicher. "Mein Freund, du stinkst erbärmlich!" Mit dem Fuß stieß Jack verächtlich, aber fast wieder sanft, gegen den leblosen, zusammengefallenen Körper Barbossas. "Aber genau das tun Verräter ja ohnehin!" Diese Kälte... Will spürte, wie er zu frösteln begann, wie sich das sprichwörtliche Eis von seinen Beinen aus wie in seinen Blutkreislauf einzuschleusen schien und ihn erfrieren wollte... Sein verdammtes, armes Blut... war so kalt, so sehr kalt... Fast verhöhnend stand die vergoldete Schatztruhe da, einst voller Verzweiflung zusammengebaut und -geschmiedet von Azteken. Von Menschen, die nur leben wollten, von Menschen, die sich rächen wollten... Von Zauberern und Hexenmeistern, die ihresgleichen gesucht hatten. Lange schon waren sie tot- und doch lebten sie scheinbar weiter in ihren Flüchen und Verwünschungen. Will spürte sein Herz aus Angst beinahe stehenbleiben, als er an die Truhe herantrat, sie vorsichtig von allen Seiten betrachtete. Denn noch nie hatte er sie so sehr im Detail angesehen. An ihren Wänden glänzten goldene eingeritzte Figuren...Vielleicht Götter...Doch nirgendswo eine Schrift, nirgendswo auch nur ein Buchstabe. "Jack." Der Name des Piraten hallte durch die tote, verfaulte Höhle, als Will ihn rief. "Was weißt du noch über diese Azteken?" Er drehte sich um zu Sparrow. "Was weißt du über ihre Flüche?" Die Kälte wanderte hoch, hatte sich ausgebreitet bis zu den Hüften des jungen Mannes. Er spürte sich zittern, spürte sich erbeben, mit jedem Augenblick mehr. Gleichzeitig drängte sich der Schleim in seinem Bauch hoch, vermengte scheinbar unschuldiges Aztekekblut mit seinem, vermengte Rachsucht mit seinen Eingeweiden, die zu schmerzen begannen. Dieser Ort war unheimlich. Er war geradezu besetzt mit Geistern. Will konnte ihren toten Atem an den Höhlenwänden widerhallen hören. "Ich weiß nichts, Will!" gab Jack zurück und zuckte halb hilflos mit den Schultern. "Ich habe dich hierhergeführt, mehr kann ich nicht tun, denkst du etwa, ich wollte dir nicht helfen?" Er legte wieder den Kopf schief, kam heran und tänzelte albern um die Truhe herum, während er ein ernstes, suchendes Gesicht aufsetzte. Will sah ihm dabei zu, versuchte genauso, irgendetwas zu entdecken. Die halbgeöffnete Truhe schwieg und auch die Goldmünzen, an denen noch immer sein und Jacks Blut getrocknet klebte, starrten ihn daraus an. Es geschah nichts...nichts... Wonach er jetzt monatelang gesucht hatte, konnte ihm nun nicht helfen. Er war verflucht. Er blieb verflucht... <<"Wieso sollte ich so einen Nichtsnutz wie dich in die Lehre nehmen?! Höchswahrscheinlich bringst du ungewaschener Bengel mir womöglich noch die Läuse ins Haus! Verschwinde bloß, geh doch zu den Ratten, du kleiner Lügner!">> Die braunen Augen verengten sich. Und wenn Jack nicht die Truhe, sondern sie näher angesehen hätte, hätte er darin blinde Wut und Verzweiflung gelesen. <<"Will? Bist du das? Hast du nichts gefunden? Du, ich bin die Tochter des Governeurs, weißt du. Ich werde dir helfen...ich werde mich um dich kümmern. Wenn du dafür bei mir bleibst. Versprich mir das, ja?">> <<'Bleib bei mir! Bleib bei mir! Bis der Mond erwacht, bleib bei mir!'>> "Verflucht, hier bin ich!" schrie Will in die leere, faulige Höhle hinein. "Verlassen, verzweifelt, hab meine Geliebte verloren, bin vor allem geflüchtet und muss mit meinen Augen sehen, was die Menschen nur in ihren Alpträumen sehen! Unschuldig bin ich! Hörst du, unschuldig!" Neben sich hatte Turner Jack zusammenzucken spüren, als er angefangen hatte zu schreien. Und seine Stimme hallte grausam verzerrt an den Höhlenwänden wieder, schien den ganzen Berg zu erschüttern. War er als Sterblicher fähig, diesen Vulkan, diese Insel nur durch seine Wut zu zerstören? War er fähig, Geister zu töten? War er fähig, zu leben? Zu sterben und wieder leben zu können? Alles, alles, was über die Jahre in seinem Kopf verblichen war, drängte sein verletztes, verzweifeltes Gedächtnis wieder an das Tageslicht, unverfälscht und so grausam wie nie zuvor. Fort war der Schleier und Stimmen flüsterten ihm unverfroren in die klingelnden Ohren, streichelten seinen Bauch, so dass der schleimige Fluch sich darin regte und Will würgen ließ. Seine Mutter am Sterbebett, schwach, mit verzerrtem Lächeln. Seine Mutter, die vor Schmerzen schrie. Sein Vater, der nicht da war... Sein Vater, der Pirat. Elizabeth, die ihn von Anfang an überlistet und ausgespielt hatte. Elizabeth, die nicht wusste, was Liebe und Kontrolle waren, die alles miteinander vermischte und ihm nicht zuhörte. All die Menschen, die ihn fortgetreten und verjagt hatten, er hatte sich zum Teufel scheren sollen. Und genau dort schien er nun zu sein... "Hier bin ich!" japste er schwach, stolperte nach vorn. "Hier bin ich doch...ich war immer hier... immer...immer...." Wie ein Lebewesen grollte sein Bauch, vermengte Darm mit Magen, Leber mit Milz. Es tat so weh, so verdammt weh. Mit einem Mal spürte er den Schwindel, konnte er die tausend Geisterhände auf seiner kalten, verschwitzten Gänsehaut spüren. Tausend unsichtbare Knochen, tausend Hautfetzen, tausend, tausend Emotionen, die ihn streiften, die ihm den Atem aus der Lunge zogen und forttrugen... Weg...zum unsichtbaren Blutmond hinter dem Horizont. Will keuchte, versuchte, nach seinem Atem zu greifen, irgendwo in seinem Kopf begann es, ganz leer zu werden und mit ebenso leeren Lungen spürte er sich stürzen, spürte er, wie etwas gewaltsam seinen Geist aus seinem Körper zog und hämisch lachte... Der Alptraum...ein lebendiger Alptraum entführte ihn. Er konnte nicht mal schreien, konnte nicht einmal nach Jacks Hand greifen. Wie Luft schien seine Existenz dahinzuschwinden. Weg von dieser Welt, weg von den Schmerzen, die ihm die Brust zusammendrückten... Weg...weg... ...hinein ins Schwarz... "Was willst, Sterblicher? Was willst du, Untermensch? Nichts gibt es, was zu ändern ist, weder durch dich noch durch sonstjemanden! Die Götter haben ihr Urteil an dir vollstreckt!" Will schlug die Augen seines Geistes auf. Um ihn herum dampfte der schwarze, wallende Nachtnebel und dunkle, kleine, hässliche Gestalten starrten ihn an mit gelben, geschlitzten Augen und roten Pupillen. Überquellend mit Hass. Überquellende Münder mit Zähnen...mit Schleim, mit tropfendem Speichel. Hellgrüne Lachen aus Gift und aus Hass lagen zu seinen Füßen und wenn er in seinem Taumeln aus Versehen hineintrat, konnte er Menschen weinen hören. Laute, klagende Stimmen, die in seinen Ohren hallten und ihn beinahe in den Wahnsinn trieben. Und vor ihm der alte, dünne Priester mit dem Leopardenfell und den goldenen Armreifen, dessen Haut aus braunem Leder zu sein schien. Dessen schwarze, blitzende Augen nicht von dieser Welt waren.... "Welche Götter?" erwiederte Turner. Die kleinen, hässlichen Dämonen grunzten. "Ich kenne deine Götter nicht und ebensowenig glaube ich an sie... Ich habe deinem Volk nie etwas getan, also lös mich los von deinem Höllenschwur!" "Wir vergessen nicht!" Ein hohes und zugleich dumpfes Kreischen ertönte und der schwarze Raum um Will herum begann zu beben. Ohne Grund und ohne Mauern krachte dennoch etwas im ewigen Schwarz...im ewigen Dunkeln und das Weinen der Menschen wurde stärker... steckte den jungen Mann an...ließ ihn nicht mehr los... "Und wer denkt, er kann mit dem Fluch spielen, wird auf ewig verfolgt...Dich kann nur der Tod retten! Wenn du in das ewige Nichts fällst und für immer weinst, erst dann hast du genug gebüßt!" Der alte Mann hatte seine Lippen nicht bewegt. Doch seine toten, nicht mehr menschlich schauenden Augen hatten geblitzt und erloschen so plötzlich, dass William erschrocken aufkeuchte. Und im nächsten Moment stürzten sich die schwarzen, kleinen Wesen auf ihn, rissen ihre verschleimten Mäuler auf. Überall konnte er ihre kleinen, scharfen Zähne spüren. Sie gruben sich in seine Wangen, Arme, in jeden einzelnen Finger, in die arme Haut und Will fühlte genau, dass sie an den Zähnen Wiederhaken hatten. Seine Haut riss grausam auf, während er das Fauchen, Schmatzen und Grunzen der Geister hörte...während sie ihn auffraßen... Da war gar nichts mehr. Nicht Leben. Nicht Tod. Nur das ewige Schwarz, in das er mit den Dämonen fiel. Nur der Schmerz von seinem weggefressenen Fleisch. Nicht Liebe...Die Liebe war weg... Sie war einfach verschluckt worden von dieser Hölle und vom blinden Zorn eines alten Indianers. Wenn es Sonne und Mond noch gab, wenn Sterne noch existierten, waren sie auf der anderen Seite dieser Dimension und Will wusste plötzlich, er würde sie nie wiedersehen. Weggetragen war er, Kind der Vedammnis und er spürte seinen Geist nicht mehr... spürte gar nichts mehr. Hörte seine Schreie nicht mehr hallen... Und die Liebe war so weit weg... so weit weg... "Will! Will, wach auf!" Jack schlug ihm auf die Brust. Es tat weh und fühlte sich zugleich taub an. Da war es wieder- dieser Stoß genau auf seinem Herzen. Will öffnete langsam die Augen. War sein Herz etwa noch da? War es nicht gerade aufgefressen worden...? Seine Lugen pressten angestrengt den ekligen, braunen Geistschleim aus sich heraus, füllten sich mit Luft...mit reiner, wohltuender Luft. Er keuchte und wimmerte...hörte sich selbst kaum. Er wimmerte wie ein kleines, verlassenes Kind. Schaute die geliebten braunen Augen über sich an..."Wenn du in das ewige Nichts fällst...und für immer weinst..." Seine Finger krampften, krallten sich wie vorhin in die Oberarme des Piraten. "...erst dann hast du genug gebüßt..." Verfluchte Augen starrten groß in die Welt hinaus. In Angst. In absolutem Terror. Will musste sich daran gewöhnen, wieder sein Herz zu spüren, wieder Boden unter sich zu haben. Musste sich daran gewöhnen, wieder Liebe um sich herum zu spüren. Nie hatte er vorher gedacht, dass es selbst in dieser Höhle so etwas wie allgegenwärtige Liebe gab...Und nun war sie wieder so nahe... Mit einem Mal...hielt sie ihn in den Armen und streichelte sanft seine blasse, porzellanfarbene Wange. Jack war wunderschön. Mit diesen großen, braunen Augen und den süßen Lippen, mit den hohen Wangenknochen. Vielleicht hätte so eine kitschige, rote Blume in seinen Haaren wunderschön ausgesehen. Und er berührte Will...so sanft... Den Blick voller Sorge. Die Augen ganz weit offen, als wollten sie die ganze Welt verschlucken... "Es hat keinen Sinn, hierzubleiben. Lass uns zurückrudern...Will..." <<'Wenn dein Stern beginnt zu strahlen, wird meiner sterben. Mir scheint es, als hätten wir uns verpasst. Als würde mein letztes, erlischendes Licht dir den Weg ebnen. Und ich wünsche mir doch nichts sehnlicher als ein wenig Glücklich-sein. Und ich möchte doch nicht viel mehr als einen gemeinsamen Platz dort am Himmel...Nur du und ich...Mein Kapitän...'>> Sanft hatte der Pirat nach der kalten Hand des jungen Mannes gegriffen. Ebenso sanft hatte er ihn beinahe in das Boot gehoben, mehr das als dass er ihn gestützt hatte. Ja, selbst sanft war der Ruderschlag, den Jack vollführte und dabei erschien immer wieder ein Ausdruck der Abscheu gegenüber diesem Ort in dem Gesicht Sparrows. Vielleicht hatte er die Isla de Muerta schon immer gehasst, aber vielleicht hatte er auch erst heute damit angefangen. Will wusste es nicht. Und seine Augen wurden furchtbar müde. Sterben sollte er. Nur der Tod... Nur dies als Erlösung. Er war schon halbtot und musste nur seinen Körper hinterherziehen in die das ewige Nichts... Sterben...sterben... Er hatte seine Schuldigkeit getan und das, was er insgeheim in letzter Zeit immer gewollt hatte, erschien ihm auf einmal logisch. Doch war der Tod nicht das Ende aller Dinge...? War dies nicht das Ende seiner Seele...? War das nicht...? Er saß da, in dem Ruderboot, welches aus dem Schatten der Höhle tauchte, hinaus auf das offene Meer getrieben wurde. Und alles in ihm war durcheinander und verloren...fühlte er sich doch plötzlich so verloren...so schrecklich einsam... Die Welt wollte, dass er starb. "Siehst du, du hast Unrecht gehabt." sagte er leise, seine Stimme wurde halb verschluckt vom quatschenden Wasser, von den vorbeistreifenden Wellen. "Ich habe den Fluch wohl doch verdient... Denn schließlich bekommt man immer, was man verdient." Nun waren sie nicht aufzuhalten. Bittere, uralte Tränen, wie die Uremotion selbst traten dem Schmied in die Augen. War doch alles vergeblich gewesen. War doch der Wunsch nach Freiheit umsonst gewesen. War er umsonst nach Tortuga gegangen, hatte er Jack unnötig belästigt... Er war völlig umsonst geboren worden. Und noch immer saß ihm der Schreck in den Knochen. Dort unten, in den niederen Gefilden dieser Welt hausten diese Flüche und er hatte die weinenden Menschen gehört...hatte sie gespürt. Er hatte etwas gesehen, dass ihn zu etwas anderem gemacht hatte. Wieder ein Stück mehr war er von der Welt der Lebenden abgetrennt worden. Weit fort von Port Royal...von Elizabeth...von...Jack... Und noch immer saß diese verdammte Kälte in ihm, ließ ihn zittern und beben und er konnte nicht mehr tun, als zu versuchen, gegen die Tränen anzukämpfen und die Ruder anzustarren. <<"Eine Junge weint nicht, Kleiner! Merk dir das!">> In der Ferne spielten die Möwen miteinander, jagten sich einander über die Wasseroberfläche, tauchten im Flug neckisch ihre kleinen Köpfe in das Wasser um Fische zu fangen und sich anschließend darum zu streiten. Und plötzlich wusste er nicht mehr, warum er weinte. Er hatte es vergessen. Und Jack hatte vergessen, weiterzurudern. Denn er saß mit einem Mal steif da, mit großen, dunklen Augen und leicht schiefgelegtem Kopf. Groß, beinahe übermächtig und unheimlich. Wie ein erstarrter Felsen. Wie ein stummer Zuschauer, wie ein Leser, der ein Buch nicht zuschlagen, jedoch auch nicht die Wörter darin lesen konnte. Will schaute beschämt zur Seite, starrte die spielenden Möwen, die ihn an Kinder erinnerten, an. Nur nicht hinsehen. Nur nicht wieder zu dem kleinen Jungen werden, der heimlich in sein Kopfkissen weinte und nach Trost verlangte. Nur nicht vor diesem Mann... Nicht vor einem Piraten. Die Scham würde ihn zu Staub zerfallen lassen...und wieder würden Geister ihn auffressen, bei lebendigem Leibe... Er starrte zur Seite, versuchte, die Schluchzer zu unterdrücken. Suchte verzweifelt nach dem Grund, der ihn zum Weinen gebracht hatte. Doch sein armer Kopf hatte dies weggedrückt...weit weg in das dunkle Nichts seines Gedächtnisses. Ihm war kalt... so kalt. Von den Rudern tropfte sanft Salzwasser. Kristallklar. So dass sich das Licht darin brach und vorwurfsvoll wiederspiegelte. "Will..." Turner versuchte, das zu überhören. Jacks Stimme machte ihm Angst, hatte sie mit einem Mal nicht mehr so dunkel und dumpf geklungen, sondern war plötzlich so nahe gekommen. Das Boot schaukelte ein wenig stärker und knarrte leise, fast ungehört. Sparrow war nähergerückt. Doch wagte es der junge Mann nicht, ihn anzuschauen. Sein Herz überschlug sich scheinbar, pochte so hart, dass er Angst hatte, es würde ganz zerspringen. Jack sollte wieder weggehen! Er sollte fernbleiben, denn Wills Herz tat so weh. Die Kälte wohnte nun darin, verklammte es und ließ es krampfen, so dass jeder einzelne Schlag wehtat- so dass das Leben wehtat. In der ganzen Brust breitete sich der Frost nun aus, schien auch nach draußen zu dringen und Will dachte, seine Tränen wurden immer kälter und kälter, bis sie zu Eis auf seinen Wangen gefrieren würden. "Will, es wird schon wieder...!" sagte die helle Piratenstimme. "Nein..." "Wir suchen nach einem dieser Indianer! Ich werd ganz Mittelamerika durchsuchen, und wenn's nötig ist, zerren wir jeden Azteken aus'm Busch, irgendwer wird schon was wissen!" Noch mehr Tränen...je weiter Jack sprach mit dieser unglaublich sanften, lieben Stimme, desto mehr Tränen rannten über Wills heiße, rote Wangen, tropften hinunter...in das ebenso salzige Meer. Ja, das Meer schien in diesem Augen auch nur eine Tränensammlung zu sein. Nur von wem geweint? Verzweifelt schüttelte Turner den Kopf, presste beschämt den rechten Handrücken auf den Mund. Nur nicht laut schluchzen. Seine Brust war zugefroren... "Verdammt, hast du's denn schon wieder vergessen?!" rief Jack Sparrow da plötzlich. So plötzlich, dass Wills Kopf erschrocken herumflog und seine verklärten, verschleierten Augen verstört in die des Piraten schauten. "Ich bin Captain Jack Sparrow und wenn Captain Jack Sparrow etwas sucht, wird er es auch finden. Das ist Gesetz! Du enttäuschst mich wahrlich, Will..." Noch näher kam dieser Mann heran. Will spürte, wie es ihm den Atem verschlug, als Sparrow sanft seine Hand vom Mund wegzog und sie in seine legte, sie sanft streichelte. Es kitzelte leicht auf der Haut, fühlte sich an wie tausend kleine Flaumfederchen auf einmal. Um das Boot herum spuckten kleine Wellen hoch und weiter weg schaukelte die Pearl im unhörbaren Takt des Ozeans. Doch hier...hier herrschte plötzlich ein ganz anderer Rhythmus. Auf einmal wusste Will ganz genau, dass Jack sein schmerzendes, pochendes Herz spüren konnte.Der Pirat konnte direkt in ihn hineinsehen, er konnte den verborgenen Will seufzen hören, hatte hinter die Fassade des mutigen, selbstaufopfernden Mannes geschaut. Er wusste alles. Alles, was dieser Moment ihm verriet. "...ständig vergisst du es." beendete Jack sanft seinen Satz. William saß da, konnte nicht mehr schluchzen und hatte das Gefühl, nicht mehr zu atmen. Denn süß und weich streifte ihn der Atem seines Gegenübers, mit diesem unvergleichlichen Geruch nach Freiheit, Ozean und ein wenig Rum. Jack atmete für ihn weiter und dabei schien er den frischesten, klarsten Atem tief aus den Meerestiefen zu schöpfen. Frei von aller Fluchesfäule. Und doch rannen weiter Tränen, schlüpften unermüdlich aus Wills rotgewordenen Augen, machten sie leer und leise. Lange. Einsam. Jacks Ausdruck veränderte sich, wurde leicht verzweifelt in der eigenen, leicht albernen Weise, so wie Will es kannte; "Es wird schon wieder...Wein doch nicht mehr, Kleiner...!" Diese großen, dunklen Augen. So tief wie das Meer und so glänzend wie seine Oberfläche. Sie bohrten sich geradezu in Turner und versuchten gleichzeitig, soviel wie möglich von ihm zu sehen. Sie waren nicht schwarz. Nein. Nur dunkelbraun...und so ruhig. So unendlich ruhig. "Ich...kann nicht aufhören." flüsterte der Schmied beschämt, wischte sich mit der freien Hand schnell über die Wangen. Die Tränen brannten auf seinem Sonnenbrand. Und über dem Boot fegten die kleinen Möwen hinweg, kreischten, als ob sie vergnügt lachten oder sich wieder balgen wollten. Peinlich berührt sah Will seinen Kapitän an, spürte, wie der seine Hand noch immer sanft streichelte. Das Boot trieb ab, zurück zur Insel. "Alles endet irgendwann mal." sagte Jack und plötzlich lächelte er leicht. "Du wirst es nicht glauben, my dear, das gilt selbst für die bittersten Tränen!" Das Herzklopfen wurde lauter und lauter, bis Will zuletzt das Gefühl hatte, es füllte seinen ganzen Körper aus. Je näher Jack kam, desto mehr schien er ihm den Atem zu stehlen und ihm den eigenen einzuverleiben. Zuerst nur ganz sanft und leicht, dann immer mehr. Ein gewaltiger Wärmestrom schoss dem jungen Mann entgegen, kroch bedrohlich in seine Brust... wärmte ihn wieder auf. Kämpfte gegen diese unendliche Kälte... Der Pirat strich zärtlich mit der linken Hand flüchtig über Williams Stirn, strich ihm die nassen Augen zu. Und dann war er so nahe, dass Turner das fremde Herz schlagen spüren konnte. Wild. Kraftvoll, entfaltet in der Freiheit des Lebens. Vogelfrei. Die ganze Gegenwart des Mannes nahm ihn gefangen, lähmte ihn zuerst und der ungeheuerliche Wärmeschwall fühlte sich so gut an... Und Jacks Bart kitzelte. Will konnte die Honigsalbe auf den fremden Lippen riechen, das Allerletzte was er vernahm, bis etwas Unglaubliches geschah. Denn dann tanzten mit einem Mal weiße und gelbe Sternchen vor seinen geschlossenen Augen. Er konnte mit einem Mal weite Täler sehen, flog dahin über Wälder, über die Bäume der Welt und über alle weiten, großen Meere. Der Wärmestrom floss direkt durch den Mund in Will hinein, ertränkte ihn in sich und tausend neue Schmetterlinge befreiten sich in seinem Bauch aus dem Fluchschleim und flatterten gegen die Wände, kitzelten mit ihren Flügeln, ließen ihre bunten Farben in ihn überfließen und saugten mit ihren kleinen Rüsseln alles schlechte Gefühl auf, was darin gewesen war. Die weichen, unendlich sanften Lippen liebkosten ihn, legten sich wieder und wieder auf die seinen. All die Kälte war von ihm gewichen, war vertrieben worden von etwas, dass Turner bisher nicht ganz gekannt hatte. Von einer ganz besonderen Liebe... Beinahe gierig klammerte sich der Junge an den Piraten, spürte, wie dieser ihn zärtlich in die Arme schloss. Aus dem Boot wurde eine tröstende Wiege und Jacks Hände strichen langsam über seinen Rücken, über seinen Kopf, über seine Haare. Will hielt sich fest an Jack, wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Dieser Moment konnte genauso Trug und Vision sein wie die Geister vorhin in der Flucheshöhle. Er hatte Angst davor. Über ihm kieksten Möwen, um ihn herum gluckste Wasser gegen das Boot. Es hätte ewig so weitergehen können... Und so spürte er, wie Jack ihm Küsschen auf die Lippen und die Wangen hauchte, ihn ganz nahe bei sich hielt, warm und geborgen. Tief sog er seinen Geruch in sich auf, fühlte wie die fremden Hände ihm über Wangen strichen. Wie ein sanfter, warmer Wind. Es hätte ewig so weitergehen können...ewig... "Jack...bleib bei mir! Ich geb' dir was du willst...ich tu, was du willst... aber bitte...bleib' bei mir!" To be continued... Kapitel 8: Theorie vom Sterben ------------------------------ ...Und den Fluch im Kielwasser... Teil: 8/? Titel: Theorie vom Sterben Autor: Tsutsumi Disclaimer: Nichts aus dieser Welt gehört mir, sondern zu Disney und all denen, derer da fürderhin sind. Ebenso steht es mir auch nicht zu, für diese Mär Geld zu verlangen.^^ Warnung: Slash, OOC (besonders bei Jack Sparrow, auch wenn ich mir größte Mühe gebe, dass er eben nicht OOC wird), sappy, bisschen darkfic Pairing: Jack Sparrow x Will Turner Kommentar: Ja, es hat wieder gedauert, ich weiß^^"" Und es ist wieder kürzer als die anderen Teile, aber ich versuche, den nächsten wieder länger zu schreiben^^ *vielSpaßbeimLesenwünscht* Verzeihung im Vorraus für Rechtschreib- und Sinnfehler! Feedback: Immer gern gesehen^^ Wie groß die Welt doch sein konnte, wenn man sich alleine fühlte. Verloren zwischen Steppen und Wüsten, Ozeanen und Wäldern, die man mit dem Auge nicht vollständig erfassen konnte, war man nutzlos, klein... Von der Welt produziert und doch nur ein kleines Molekül im Universum. Wie klein die Welt doch sein konnte, wenn man nach Freiheit suchte. Auf den Brettern, die die Welt bedeuteten, war meist kein Platz, um sich entfalten zu können, war kein Platz um allein sein zu können. Im Moment jedenfalls war diese Welt weder groß noch klein. Sie hatte ihn einfach nur verraten. Jack half ihm auf das Schiff zurück, doch als Will sich umdrehte und zurückblickte auf die vulkanistische, in Rauch verhüllte Insel, musste er sich übergeben. Über die Reling hinweg spieh er alles aus, alles was seit Tagen wohl in ihm gewesen sein musste. Als Magensäure seinen Hals passierte, alles in ihm verkrampfen ließ, kamen die Tränen zurück und süßlich brannte die Honigsalbe auf seinen Lippen. Und hustend taumelte er zurück, während sich alles um ihn herum drehte, während die Menschen um ihn herum verschwammen wie hinter Milchglas. Vergessen war der allzusüße Moment des Trostes. Vorbei diese Zärtlichkeiten. Will wusste, dass er ohne sie nicht mehr funktionieren konnte, und das machte ihm Angst. Seine Augen mussten sich nach innen gedreht haben, denn alles war schwarz geworden, wie von einem plötzlichen Vorhang verdunkelt und dann war da plötzlich eine sanfte, rauhe Stimme an seinem Ohr. "Ganz ruhig...Will...Einfach atmen, nur atmen!" Verzweifelt wusste er nicht, wo seine Füße waren- standen sie noch auf den Schiffsplanken oder hingen sie in der Luft, wurde er festgehalten oder nur gestützt? Wo war sein Herzschlag hin? Wohin...wohin? "Ich kann nicht atmen!" "Was hat der Bengel denn?" "Was verschluckt?" "Käpt'n, was is' denn passiert?" Die Stimmen jaulten in den Ohren des jungen Mannes, vermischten sich zu einem hörbaren Schwarz, wie sich alle Farben dieser Welt wohl auch zu einem Schwarz vermischen mochten. Der eigene Magensaft lief ihm aus dem Mund, als er ihn verzweifelt aufriss, um Luft zu holen. Doch wieder schien da diese dicke Brühe des Fluches zu sein, schien das Greuel seine Lungenflügel aufzureißen und auszufüllen. Luftmoleküle vermochten es nicht, durch diesen Urschlamm hindurchzudringen. "Natürlich kannst du!" raunte Jack hastig und dann spürte Will ihn wieder. Er hing in den Armen des Piraten, schlaff und kraftlos, wie ein Blinder, denn er sah noch immer nichts. "Nein...nein...!" Nur einmal diesen Körper nochmal spüren, diese kraftvolle Präsenz ganz nahe haben. Den feinen Rumatem riechen... Will versuchte, seine Lungen mit Luft zu füllen, doch immer wieder drängte die braune Suppe des Fluches sie hinaus. Seine Fingerspitzen waren taub geworden und so krallte er sich verzweifelt fest an Sparrow. Öffnete verzweifelt und panisch den Mund immer wieder und schloss ihn wie ein Fisch an Land. Wo war die Luft...? "Verdammt, natürlich kannst du das, Will!" In diesem Moment riss ihn Jack ein wenig hoch- er musste gerutscht sein in den Armen des Piraten- und Wills Augen drehten sich wieder dem Tageslicht zu. Wie ein Ertrinkender vor dem Tod noch einmal aus dem Wasser hochkommt, sich aufbäumt...das letzte Mal den Himmel ansieht. "Jetzt reiß dich zusammen und atme! Immerhin ist das das erste, was ein Mensch im Allgemeinen tut, wenn er aus dem Fleisch seiner Mutter kriecht; also bekommst selbst du das hin!" Da war er wieder! Will spürte seinen Herzschlag wieder- und wünschte sich zugleich, ihn nie vermisst zu haben, denn hart hämmerte er los, ließ das Organ wie einen Stein gegen den Brustkorb krachen. Turner starrte den Piraten mit weit ausgerissenen Augen an. Jack war wütend! Auf ihn wütend! Und alles in ihm begann zu zerfließen. Mit einem Mal wurden seine Knie so weich wie frischer Ziegenkäse. Mit einem Mal drehten sich Magen und Darm einmal um sich selbst und es tat verdammt weh. "Wie is' das räudig, wenn man sich im eigenen Mist wälzt!" sagte Jack mit leiser Stimme und Will spürte, wie der Mann ihn ein Stück weiterschleifte, über die sonnenerhitzten Planken. "Wenn du dich verkriechen willst in dir selbst, bittesehr, Mr. Turner!" Der silberne aztekisch anmutende Haarschmuck klimperte. "Wenn du endlich sterben willst- bittesehr! Du bist ja hier genau richtig, wir meuchelmorden vorzüglich! Und wenn du willst, dass man dich einfach vergisst- auch gut! Dann habe ich endlich mein ganzes Bett wieder!" Ab diesem Zeitpunkt spürte Will wieder seine Feinde in den Augen brennen. Die Sonne blendete ihn- und das hieß, dass diese Tränen wie Edelsteine glitzern mussten. Diese Seelenverräter! Denn es tat so weh, von Jack geschimpft zu werden, als sei man ein kleines Kind, das nicht zu lernen Lust hatte. "Also, was wünschst du, Mr. Turner?" Die dunklen, harten Augen sahen ihn kurz an. "In welche Ecke möchtest du zum Vergammeln gelegt werden?" Er wollte ihn nicht. Nicht im Geringsten. Will blinzelte hilflos in die Sonne hinein, spürte wie einer seiner stummen Feinde über die Wange lief und salzig brannte. Jack Sparrow wollte ihn nicht- Natürlich nicht, denn was wollte ein freier Pirat mit einem verfluchten kleinen Hündchen, das ihm winselnd zu Füßen lag? Was wollte ein so stolzer Freibeuter, der eh nur sich selbst treu war, mit ihm? Was wollte Captain Jack Sparrow mit ihm? Mit jedem Blinzeln wurde das Bild unschärfer, wurde der Geräuschbrei immer konfuser, verstreuten sich Gedanken und Tränen immer mehr, um schließlich bald im Schwarz einer Ohnmacht zu entschwinden und auf einer anderen Seelenwelle weiterzugleiten. Will spürte es geradezu. "Jack..." murmelte er noch, spürte, wie er sich mit aller Kraft an diesen warmen, weichen Körper klammerte und sich an ihm halten wollte. Dieser Mann roch nach Freiheit und Salzwasser, nach Sehnsucht... nach allem, was er wollte...nach allem, was er nicht sein konnte. Und dann trat Will ab. Was du bist, dem steh ich so weit. Nicht du, nicht ich- Nicht Zweisamkeit. Das sanfte Rauschen der See war es gerade, was ihn wieder weckte. Ebenso zärtlich schien die Pearl dazu zu schaukeln. Will spürte Kopfweh und die Verdrießlichkeit, immer Wasser rauschen zu hören, wenn seine Ohren ihre Verbindung zur Außenwelt aufnahmen, nervte ihn. Über sich spürte er Schatten, unter sich etwas halbhartes. Sanft strich ihm der Karibikwind über die Wange, doch irgendwo tief in sich wusste er, dass die Tränen geblieben waren. Es war, als hätten Jacks Worte ihm eine Wunde von Kopf bis Fuß beigebracht, so hart und scharf, dass keines seiner je geschmiedeten Schwerter mithalten konnte. Manchmal war Fleisch und Blut weitaus verheerender als bloßes Waffeneisen. Langsam öffnete Will die Augen, blinzelte. Salz war es, was er auf den Lippen schmeckte. Verdammtes Salz, das ihn verfolgte. Er lag im Schatten des großen Segels, unter sich zwei Lagen Planen. Der weiche Wind spielte mit dünnen Strähnen seines dunklen Haares, fuhr schmeichelnd über seine Haut. Sofort hatte Turner wieder den fruchtigen Meergeruch in der Nase.Und immer klarer wurden seine Ohren, wurde das Gehör für das Kreischen der Meeresvögel, die das Schiff zu begleiten schienen. Dazwischen polterte es ab und zu auf dem Schiffsholz, doch ansonsten war es still. Wahrscheinlich lag die halbe Crew im Mittagsschlaf. Will beschloss, sich nicht zu rühren. Diese schwere, unsichtbare Wunde schmerzte...sie schmerzte so furchtbar, dass er das Gefühl hatte, wieder weinen zu müssen. Jede Pore seines tat dies- er schwitzte. Sein Magen trauerte- er war verkrampft und ewiglich schien Wills Kopf zu brummen. Er schloss die Augen wieder. "...bis du weinst für ewig..." Ein Flüstern für die Wellen. Verdammt, er weinte doch schon! Nicht sichtbar, aber doch immer schon. Vielleicht war das das Schicksal der Menschen, vielleicht weinten ihre Seelen schon am Anfang, seit ihrer Geburt. Vielleicht war dieser riesige, salzige Ozean so entstanden- aus den Tränen der Menschheit. Vielleicht würde die Welt bald überflutet sein... In diesem Moment polterte es leicht und rhythmisch auf dem Holz. Fast aufgeschreckt riss Turner die Augen wieder auf, nur um dem Bereiter seiner Seelenschmerzen in die Augen zu schauen. Er zuckte zusammen. Jack hatte leicht geöffnete Lippen. Aber im Gegensatz zu vorhin waren die nicht mehr brüchig und aufgerissen. Diese verdammte Bienenhonigsalbe schien tatsächlich zu helfen. Wie gebannt starrte Will den Mann an, starrte diese Lippen an. Diese Lippen, die ihn vorhin...geküsst hatten. Diese Lippen, die ihn vorhin aufgeschlitzt hatten. Ruhig betrachtete der Captain den jungen Mann, kniete sich mit konzentriert-nachdenklichem Blick herunter. Will spürte, wie eine warme Hand sanft seine Stirn berührte, und in diesem Moment schossen ihm tausend Blitze vom Kopf ins Herz. Als würde er ein Gewitter erden. "Geht's dir besser?" raunte die dunkle Stimme. Will drehte den Kopf weg. Über ihnen kreischten wieder Vögel. Groß und weiß, er konnte sie nicht zuordnen. "Das ist doch nicht dein Ernst." zischte er leise und schloss die Augen. Und schon wieder brannten Tränen in den Augen. Verflucht... "Du magst wohl etwas zu lachen haben, bevor ich tot bin." "Will, ich weiß wirklich nich', worüber du dich so aufregst!" schnaufte Jack. "Du lässt mich ständig wissen, wie sehr du sterben willst. Weißt du noch? Sterben für dich, sterben für mich, sterben für die Liebe!" Der Mann legte spöttisch Betonung in den letzten Satz und Will tat dies noch mehr weh. "Aber sobald ich diesen Kurs einschlage, bist du beleidigt und drehst dich weg! Du bist tatsächlich mehr Zicklein als alle Dirnen, die ich je gesehen habe- und das mag bei mir schon was heißen!" "Du weißt nicht, wie ich mich fühle." gab Will kraftlos zurück. "Das kann wahrscheinlich niemand. Und so wie ich jetzt bin, bin ich sowieso nutzlos für alle." Im nächsten Augenblick spürte er eine Hand, die seinen Kopf auf die andere Seite drehte und seine braunen, versalzenen Augen schauten direkt in Jacks. "Verflucht, wozu sollst du denn nutzen?!" Der Wind ließ das Segel über den beiden kurz flattern, als würde er verschwinden, als würde er das Meer alleine lassen. Warme Sonnenstrahlen drangen an Turners Körper, stachen wie tausend kleine Nadeln auf seiner gereizten, kalten Haut und fraßen sich bis in sein Innerstes. Es war nicht unangenehm. "Ist das etwa deine Daseinsberechtigung? Wenn du etwas nützt? William, ich weiß nicht, ob dir das schon aufgefallen ist, aber du bist ein Mensch..." Immer leiser war der Mann geworden, immer langsamer hatte er gesprochen. Und nun fuhr seine rechte Hand leicht und flüchtig über die Wange des Liegenden, als würde er das, was er ausgesprochen hatte, durch die Berührung untermalen wollen. "...und kein Ding..." Wie fühlte sich diese fremde Haut rauh- und zugleich federweich an. Wie konnte es sein, dass Will die Augen schloss und nicht mehr fähig war, ein Wort zu sprechen? Sein Herz klopfte, so ganz einfach und befreit in diesem süßen Moment. Als hätte man in ihm einen Schalter umgelegt. "Ich wünschte, das wäre wahr, was du da von dir gibst." flüsterte er leise. "Denn im Gegensatz zu Menschen schimpft man Dinge schneller..." Die braunen Augen waren verklärt, als sie sich öffneten. Und diesmal waren sie es, die den Gegenüber am liebsten durchbohrt hätten. Diesmal klagten sie den Piraten richtiggehend an. Und wie erschlagen lag der junge Mann da, auf der doppelten Plane, die ihn halbweich bettete. Jack Sparrow verlagerte sein Gewicht, ließ sich ganz nieder, während er ein Bein anwinkelte und das andere aufstellte vor seiner Brust. Die dunklen, schwarz umrandeten Augen wirkten mit einem Mal unendlich weit weg. Als wären sie hinter die Sterne weit weg gewandert und würden der Zeit nachjagen, als würden sie sich in den Nebeln aus Gedanken und einer Art diffusen Erinnerung verlieren. Seltsam kurz währte dieses an- dann, mit einem Mal wurden die dunkelbraunen Augen wieder klar. "Es hat dir wehgetan vorhin..." wisperte Jack und legte ganz langsam den Kopf schief. Nur ein wenig. Dann blies der Wind wieder in das große, weiße Segel und trieb die Pearl erneut an. Die Sonnenstrahlen wichen ängstlich seinem Schatten. Jack schaute Turner nicht in die Augen. Ruhig atmete er dahin. Das sah Will an der Art, wie sich der Brustkorb des Mannes ausdehnte und wieder etwas schmaler wurde. Doch solche Ruhe...solche Nachdenklichkeit. Das war er nicht gewohnt von Sparrow. Ganz und gar nicht. "Das tut mir leid..." flüsterte der Pirat. Und erst jetzt sah er Will wieder an. Die Welt stand so still. Als würden die Tröpfchen der sprühenden Gischt gefrieren in der Luft, als würde sich das Segel im Stillstand der Zeit weiterblähen, als würde der Wind das Schiff sanft umarmen. Will starrte wie in Trance in die tiefdunklen Augen über sich, sah wie der andere Mann verlegen den Kopf zur Seite neigte. Nicht gänzlich unerkannt, doch trotzdem seltsam verstrich der Moment und die beiden regten sich kaum. Nur der Wind bewegte das Leben weiter, zog sanft an ihren Haaren, an ihren Wimpern und schickte ihnen warme Sonne zu, als das Segel leicht flatterte. Nur ein wenig. "Wenigstens wusste ich endlich...woran ich bei dir war." sagte Turner leise und seine Lippen spannten sich zu einem kleinen Lächeln an. "Ist das so?" entgegnete der Pirat nach kurzem Zögern. "Dann wird es Zeit, mich wieder zum Phantom zu machen..." Langsam wanderte die rechte Hand des Piraten vom Boden nach oben, gemächlich, bis sie nach der Pistole griff, die in Jacks Gürtel steckte. "...und für dich den Schleier zu senken. Denn bekanntlich interessiert sich der Mensch für das, was er nicht versteht...nicht wahr?" Ein bekanntes, leichtes Lächeln umspielte die Lippen Sparrows, als er piratisch die Oberlippe hochzog und seine Goldzähne entblößte. Im nächsten Augenblick hatte er die Pistole gezogen. Will blinzelte, spürte wie sich das Eisen der Waffe auf ihn richtete, noch bevor er es sah. Für einen Lidschlag lang versuchte er sich dieses Bild von außerhalb vorzustellen. Er, am Boden liegend, schlaff...und über ihm Jack Sparrow, ihn bedrohend. Und dazwischen Welten der zwei Paare klarer Augen. Noch einmal blinzelte Turner und schaute genau hin. In die schwarze Öffnung der Pistole, in der Tod, Flucht, Angst und Zeit zu gähnen schienen. Unheimlich und verschluckend starrte ihn der Lauf an, schien unsichtbar nach ihm zu greifen. Die Leidenschaft des Todes... Jacks Hand hatte sich ungemein angespannt. Und mit jeder Sekunde, die verging, kam sein Gesicht näher, wurden seine Augen heller, konnte Will immer besser in sie hineinsehen. "Nun sag's mir, Will!" raunte die dunkle, angenehme Stimme. Weiter hinten brüllte Mr. Gibbs herum. Turner verstand es nicht. "Möchtest du das? Ist es das, was du willst?" Wie ein Strudel war das Schwarz in der Öffnung der Waffe, wie etwas, was weit weg und geheimnisvoll war. Da saß etwas, was zerstören wollte...etwas das Leben nehmen wollte. Wie ein Leichengeruch strömte es auf den jungen Mann ein, entzog ihm Körperwärme und jagte ihm kalte Gänsehaut den Rücken hinunter. Plötzlich war es, als würde der Fluch, der bis eben in ihm gedöst hatte, erwachen und anfangen zu leben. Er hatte sein Gegenstück gefunden. Jacks Hand entspannte sich etwas und der harte Ausdruck in seinem Blick wich sanft dahin. Wie seltsam es doch war... Diese dunklen Augen, die so groß und zärtlich aussahen mit einem Mal... "Zuerst erschreckst du dich...und du denkst, dass die Kugel vielleicht danebengegangen ist..." sagte Jack langsam. Er beugte sich noch weiter herunter, so weit, bis sein Gesicht ganz groß geworden war im Blickfeld des Liegenden. Sanft hauchte der obstige Rumatem an Turners Wangen entlang. "...doch dann fängt es an. Wie ein Ziehen, aus dem ein Brennen wird, immer stärker und heißer und ehe du dich's versiehst, reißt dich der Schmerz auseinander." Der Schatten lag in den dunklen Augen. "Du bist nichts weiter als Schmerz inmitten deines eigenen Blutes, deines eigenen Fleisches, deines eigenen Seins... Und ein Teil von dir beginnt, sich zu fragen, wie lange noch? Wie lange noch bis dies endlich zuende ist? Während deine andere Hälfte verzweifelt versucht, sich an das Leben zu hängen, an das bisschen Dasein auf Mutter Erde. Es ist ein Kampf zwischen so mächtigen Gewalten. Und dabei hast du gar keine Kraft mehr zum Kämpfen." Der Pirat ließ die Pistole sinken. So langsam, dass Will es müde wurde, ihr mit den Augen zu folgen und Jack ansah. Und Sparrow schaute ihn ernst an, seine Haare flatterten leicht unter dem Piratenhut, schwarz und glänzend. Der Schatten in seinen Augen wurde größer und größer, bis er sie schließlich ganz ausfüllte. "Ist es wirklich das, was du willst?" "Ich will nicht mehr so weiterleben..." sagte Will leise. Seine braunen Augen fühlten sich kalt und leergeweint an. Für immer und ewig. "Das ist, was ich will. Das und nichts anderes." Er schmiegte sich in die wiederkehrende Piratenhand, die unablässlich begann, seine Wange zu liebkosen, seine Haut zu streicheln. Wie schüchtern, und doch schien diese Hand genau zu wissen, was und wohin sie wollte. "Der Freitod ist nur eine Seelennot, Jack." William konnte den Wind spüren, der an seinen Haaren riss, der ihm winzige Strähnchen desselben über die Stirn pustete und zurücksinken ließ. Der dieses Haar dreckig glänzen ließ. "Schon allein weil du zu wissen scheinst, wie es ist, wenn man gegen ihn kämpft." Die schwarzen, schattenerfüllten Augen blinzelten wie erschreckt, und doch hörten sie nicht auf, würdevoll zu wirken. Mächtig und erhaben über all die Gefühle, die in ihnen wohnten und ihnen wahrscheinlich androhten, herauszuexplodieren mit all ihrer vernichtenden Kraft. "Schon allein deswegen werde ich ihn nicht preisen wie meinen letzten Ausgang aus diesem Leben." flüsterte Turner, hob die eigene Hand. Ja, da war die Angst. Die Angst davor, Jack nun wieder in Sparrow, dem Untreuen, dem Unberechenbaren, dem Albernden vor sich zu haben, war unerträglich. Doch diesmal nicht. Diesmal blieb sie unbegründet, diese Angst. Gefühle zu zeigen und sich zu offenbaren, so etwas war ein Fehler auf See, wenn man mit denen segelte, die einem im Schlaf den Dolch in die Brust stachen, die meuterten und einen aussetzten...zum Sterben...zum Tod. Jack hatte diese Lektion vor langer Zeit lernen müssen und trotzdem wich er nicht zurück in seine Taktik wie sonst... Kein Wunder. Will wusste, dass er diese Ausstrahlung, durch und durch unschuldig zu sein, aussenden musste. Durch und durch ungefährlich. Und so berührte er vorsichtig den Bart des anderen Mannes, ließ die Finger hochwandern zur braungebrannten Wange Sparrows, fasste diese Haut an und spürte wieder heiße Tränen in sich brennen. Nur dass er wieder nicht wusste, wieso er weinen musste. Er wusste nur, dass dies gut so war. Es war gut, hier zu sein. Kein Fehler. "Der Tod ist der Ausgang eines Lebens, das es nicht wert ist, beendet zu werden. Vom Moment des ersten Atemzugs an bin ich viel zu wertoll um einfach dahinzuscheiden und alles in das schwarze Loch des Vergessen-seins zu werfen..." Nachdenklich versanken Wills Augen in Jacks. Vorichtig. "...aber wenn ich vergessen will, ist dieser Wert nicht mehr, was er einst erschien." Das Herz des jungen Mannes wurde weich vor Aufregung, vor Gefühl, als Jack sich gänzlich herunterbeugte. Begann, sanft zu lächeln. "Mach dir keine Sorgen." wisperte der Captain mit rauher Stimme und seine Hand wich nicht hinweg von Wills Wange, nicht eine Sekunde. Sie blieb da, wärmte, beruhigte. "Der Wert an sich vergisst sich nicht. Du musst ihn nur wiederfinden..." Herrlich süß schmeckte das Leben in diesem kurzen Moment des Herzschlages. Wie tausend Gläser Honigbalsam...nur aus Honig. Als Will die feuchten Lippen spürte, vergaß er die Welt, vergaß, daran zu denken, wo er war und warum er war. Sondern er war ganz und gänzlich. Zartsanft berührten Finger sein Gesicht, zogen sich seine Wangen herunter, strömten nebelgleich durch seine Haare, krallten sich halb dain fest. Es tat nicht weh. Seltsame Geräusche entstanden, wenn sich die fremden Lippen lösten und sich wieder mit einem vollen, warmen Schwall aus Aufregung und Hitze auf Wills Mund legten, sich liebkosend andrückten, dabei ein wenig öffneten. Die Ecke der Plane flatterte im Wind. Leicht säuselnd. Das karibische Meer gluckerte seine süße Melodie. Turner spürte, wie seine Lippen so leicht, fast gar nicht benetzt waren, spürte wie sich sein Herz immer und immer wieder überschlug, wenn Jack ihn wieder fühlen ließ. Sein Atem hatte sich irgendwo im Rumgeruch des anderen Mannes verworren und der junge Mann suchte ihn nicht. Was er bisher nur Elizabeth geschenkt hatte, ließ er sich vom Piraten mit offenen Armen gern rauben. Es fühlte sich fantastisch an. Der ganze, warme Leib des Fremden an ihm. Geheimnisvolle Gegenwart. Dies war soviel mehr, als wenn Jack des nachts nur seine Hand gehalten hatte. Dies war alles. Die Welt, zwischen zwei Lippenpaaren. "Ich wollte, wäre früher gekommen." hauchte Will, so leise, dass die Worte beinahe nur aus seinem sich verformenden Mund verständlich waren. Jack verschloss ihn dem Liegenden erneut. "Ich wollte, ich hätte niemandem wehgetan... Ich wollte, ich hätte immer so gelebt....Hm...Ich wollte...ich wollte..." Leises Atemholen zwischen Wispern, dass sich im Wind vergaß und den fremden Küssen. Jack hatte zugehört und nun lächelte er, bevor er seinen Kopf wieder senkte, Will nicht mehr zu Wort kommen ließ. "Gemach, mein Gutster!" hauchte er zärtlich in das Ohr des jungen Mannes. "Gemach, gemach..." Und sein Gewicht drückte angenehm an Turners Körper, verdeckte ihn vor der Sonne und gab ihn dem fordernden Schatten preis... To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)