Und den Fluch im Kielwasser... von Tsutsumi ================================================================================ Kapitel 7: Gegen die Kälte -------------------------- ...Und den Fluch im Kielwasser... Autor: Tsutsumi Teil: 7/? Titel: Gegen die Kälte Warnung: Slash/ Shounen Ai, sappy, OOC Disclaimer: Nicht meines, sondern Disney's^^" Deswegen bleib ich auch so arm und seh kein Geld dafür^^" Kommentar: Einen Gruß an alle, die dieses Pairing so verehren wie ich es tu^^ Gegen die Kälte Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals einen Menschen gebeten hatte, bei ihm zu bleiben. Einfach da zu sein und ihn zu halten, auf seine Seele achtzugeben und die Minuten verstreichen zu lassen. Natürlich hatte ihm das schon mal jemand ins Ohr geflüstert...gehaucht... 'Bleib bei mir!' Doch das waren immer fremde Stimmen gewesen, von denen er sich zuweilen unbehaglich gefühlt hatte. Elizabeth hatte das oft gesagt. 'Bis der Mond scheint, bleib bei mir!' Sie waren draußen im Garten herumgewandelt, beobachtet von Affen und exotischen Vögeln, hatten unter Palmen gestanden und 'Lizbeth hatte zart ihren Fächer an seine Wange gelegt und ihn mit den vorsichtigen Blicken eines gebildeten Mädchens betört. 'Bleib bei mir, bleib bei mir!' hatte sie immer wieder geflüstert, wenn er ihren Hals liebkost, sie gehalten hatte. Wenn er sich nach ihr verzehrt hatte, wenn sie ihn hatte stehenlassen müssen wegen einer wichtigen Zeremonie, obwohl das Treffen abgemacht gewesen war. 'Es tut mir weh, Geliebter, es geht nun mal nicht anders! Triff mich heute Abend und bleib bei mir! Hörst du, bleib bei mir!' Jedesmal hatte er "Ja" gesagt, hatte genickt, hatte sie geküsst und umarmt und sich schützend um sie gerollt. "Ich bin ja da, 'Lizbeth!" Jedesmal. Und trotzdem hatte sie ihn immer wieder mit ihrem Fächer geneckt und gemurmelt, wie es die Damen von Welt wohl nicht anders lernten; 'Bleib bei mir!' Er war doch da gewesen. Hatte sie nie zugehört? Selbst auf Tortuga hatte er das leis gemurmelt im Traum. Selbst wenn sie ihm die Finger aus Knochen auf die Lippen gelegt und sie mit der Kälte verbrannt hatte in der schlimmsten Nachtmär, hatte er es gemurmelt, seinen unendlichen Treueschwur geleistet. Doch sogar in den Träumen hatte sie nur gekichert und mit ihren hellbraunen, schwimmenden Augen gefunkelt. Natürlich war er da. Wo sollte er auch sonst bleiben? Warum, wenn er immer da war, verließ ihn dann alles? Dann kreischten draußen Möwen. Vielleicht waren es auch Tölpel, so genau wusste das wohl keiner. Will hörte ihr Gezanke nur von ferne. Die Hitze fraß sich allmählich in die Kajüte herein, erwärmte seinen scheinbar frostigen Körper, legte sich auf die müden, schweren und geschlossenen Augen, auf das Bettzeug, das ihn weich umgab. Auf alles. Die Scherben auf dem Boden glitzerten wie Edelsteine in der hereinscheinenden Sonne. Will seufzte und spürte, wie Jack ihn verstohlen noch näher an sich zog. Da war Haut an Haut, beide nackt, verschwitzt. Drunter weißes Bettzeug, gräulich verfärbt von ungewaschenen Körpern und deren Ausdünstungen. Und trotzdem fühlte sich der Schmied geborgen in diesem Hier und Jetzt. Jack Sparrow, ja, der unberechenbare, alberne und zuweilen gefährliche Jack Sparrow lag nur ein Augenblinzeln entfernt neben ihm, hielt einen Arm um ihn geschlungen. Turner spürte die fremde Hand auf seinem Rücken, während die andere ab und an ganz sacht über seine völlig zerzausten Haare strich. Wortlos. Und er wusste nicht, was er denken, fühlen und tun sollte... Alles...alles war so durcheinander... Sein Herz wusste nicht, ob es rasen oder sich an diesen Berührung laben sollte, sein Bauch wusste nicht, ob er die Schmetterlinge aus den Tiefen der Seele freilassen oder einfach nur entspannen sollte. Will wusste nicht was es war, aber ein seltsames Gefühl durchströmte ihn in einer Ruhe, die ihn zugleich einschläferte und wahnsinnig machte. Er mochte dieses Gefühl von wohligem Kribbeln im Nacken, wenn Jacks Hand durch die lockig gewordenen, salzigen Haare fuhr. Nein...er liebte es. Das wusste er mit einem Mal. Er würde das immer lieben. Ganz sanft nur schaukelte die Black Pearl vor und zurück, einlullend wie eine Wiege. Es war so absurd... Will verfluchte sich immer wieder für seine Schwäche. Nun lag er hier, in den Armen eines Mannes, eines Mannes! Würde es nur eine Frage der Zeit sein, bis er sich auf diesem Schiff gefangen würde nehmen lassen, dieses verfluchte Leben zu fristen und nur darauf wartend, wieder in den Arm genommen zu werden? Wie ein Süchtiger, wie ein Opium-Kranker, dem die Augen eiterten und die Lungen gefroren, wenn er nicht bekam, was er brauchte? Will seufzte erneut, ein weinerliches Seufzen, ohne das zu wollen. "Wird sie warten...?" Jacks Stimme war plötzlich, aber nicht unsanft. Er hatte sich nicht gerührt, vielmehr nur gewispert, was nur für vier Ohren bestimmt war. Irritiert öffnete der Schmied seine Augen und sah seinen Captain an, einen fragenden Blick aus großen, braunen Scheiben. "Elizabeth Swann, deine liebliche Verlobte." brummte die tiefe Stimme argwöhnisch und widerwillig, als gälte es, sich etwas Ekelhaftes ins Gedächtnis zurückzurufen. "Wird sie warten auf dich?" Oben auf den Planken polterte etwas. Dann Schimpfstimmen und ein Jaulen, klang wieder nach dem verdammten Papagei. Will fühlte sich müde, spürte die schwarzen, blanken Augen auf sich ruhen, als er heruntersah, das Muster des Bettzeuges betrachtete. "Ich weiß es nicht." Ja, was hatte er gedacht? Dass sie sich die Augen nach ihm ausweinen und jeden Tag am Hafen von Port Royal stehen würde, den Horizont nach ihm absuchend? Er war verschwunden, dazu noch mit gestohlenem Boot, und ohne ein Wort an sie. Wahrscheinlich würde sie nie wieder etwas von ihm hören oder sehen wollen. Aber plötzlich kümmerte das Will kaum noch. "Vielleicht hat sie mich schon vergessen. Oder will es zumindest." Seine Stimme, ganz leise. Und als er hochsah, starrte er in Jacks dreckiges, leuchtendes Grinsen. "Is' das so?" wisperte der Pirat und legte den Kopf leicht schief. "Heißt also, dass ich dich behalten darf, ja?" Plötzlich waren die Schmetterlinge da, flatterten überall herum, stießen mit ihren kitzelnden, bunten Flügeln gegen Magen, Zwerchfell, verirrten sich sogar bis in Turners Blutadern und rauschten durch sie hindurch, geradezu zu seinem Herzen, ließen es hart und schnell schlagen, so plötzlich, dass Will erschrak, dass er spürte, wie das Blut rot und verräterisch in seine Wangen kroch und seine Augen mit einem Mal ganz weit offen waren. So weit...dass Jack alles, was er darin sah, würde erkennen können. Sein Herz...wie eine Galerie betrachtend. Will spürte Tränen in seine Augen treten, so plötzlich und ungestüm, dass er sie kaum zurückdrücken konnte. Ohne sie zu verstehen, blinzelte er, versuchte zu lächeln. Dem Piraten entgegen. "Ja...Behalt mich, Jack!" Er drückte müde den Kopf an die fremde, warme Brust, spürte, wie der Mann beide Arme zärtlich um ihn legte, wahrscheinlich sanft grinsend. Irgendwo im Meer, im Kielwasser hingen Zeit und Ziel und schienen dem Hier und Jetzt nicht folgen zu können. Denn plötzlich wäre Will noch wochenlang so weitergesegelt, hätte am liebsten noch Tage im Bett verbracht, auf diese Weise. Dies alles hier war mehr eine Träumerei denn Tatsache und Jack war Fiktion und schwere Wahrheit auf einmal geworden. Allein seine Präsenz hatte den Schmied scheinbar umgekrempelt. In vielerlei Hinsicht. Matt schlummerte er in den Piratenarmen ein, träumte wild von Freiheit und dem weiten, blauen Meer, das all die Geheimnisse zu bewahren schien, denen er auf den Grund gehen wollte. Und in seinen Gedanken hatten sich die fremden, fordernden Stimmen in seine eigene verwandelt... In seine eigene Bitte, ein ewiges Flehen, das sein Herz zu versenden bisher immer zu ängstlich gewesen war. 'Bleib bei mir...bleib bei mir....' <<"William, sei nicht so ängstlich! Du musst stark und tapfer sein! Bis du Papa gefunden hast und er dich wieder beschützen kann, musst du auf dich selbst aufpassen! Du bist jetzt ein tapferer, edler, junger Mann, hörst du?">> <<"Dummer Bub! Wenn du dich verbrannt hast, musst du es kühlen, anstatt zu weinen! Los, verbind deine Hand und dann wieder an die Arbeit! Du kannst es dir nicht leisten, dumm herumzustehen und Brandblasen zu zählen; solltest froh sein, dass ich dich überhaupt in die Lehre nehme! Undankbarer Rotzlümmel!">> "Hier, nimm das!" Jack öffnete Wills Hand sanft- Finger für Finger und legte ein kleines Gläschen hinein. Vor dem Schmied stand er, betrachtete den Jüngeren, der noch auf dem Bett saß und sich gerade in eines seiner eigenen Hemden gehüllt hatte. Nachdem Turner in der Nacht das seine halb zerrissen hatte, würde es nur noch als Putzlappen herhalten können. Schüchtern schaute Will zurück, seine braunen Augen wanderten abwechselnd hin und her zwischen dem Glas und Jacks Gesicht. Der Pirat versuchte auszusehen, als dächte er angestrengt nach. "Du brauchst noch deine Schuhe!" resümierte er nach einem Weilchen, tingelte geschickt zwischen Glasscherben, umgefallenem Tisch und Geschirrteilen hindurch. William starrte auf seine Hand. Das winzige Gläschen war mit einem Stopfen aus Kork verschlossen. Und darin war eine Masse, die aussah wie erkaltetes Schweinefett. "Was ist das?" "Salbe." sagte Jack beschäftigt, während er einen der wenigen Schränke öffnete und scheinbar darin herumkramte. Gerade von dort hatte er eben auch das Hemd geholt. "Irgendein uraltes Rezept, muss ich wohl von 'ner Insel nicht weit von hier haben..." Es polterte, als etwas in dem Kleiderschrank umkippte. "Für deinen Sonnenbrand." Irgendetwas klimperte in den schwarzen Tiefen des Schrankes, dann hatte Jack die Schuhe endlich gefunden. Turner zog zögernd den Stopfen vom Glas, roch an der Öffnung. Es duftete nach Honig und eine Spur nach Blumen. "Gewiss hast du das schon einmal selbst ausprobiert...!" sagte er argwöhnisch und steckte langsam den Finger in das Glas. Die Masse fühlte sich tatsächlich wie Fett an...Nur etwas weicher. Vor Monaten hatte er Elizabeths Cremedöschen gesehen, hatte von ihr eine Kostprobe dieser teuren Salben auf die Nasenspitze getupft bekommen. Das hatte sich genauso angefühlt. Weich...glatt...sich an ihn schmiegend. Ein armer Schlucker wie er hatte nur davon träumen können, so etwas zu benutzen. "William..." sagte Jack langsam, als er wieder am Bett stand. Grinste schelmisch. "Wenn du wüsstest, was sich ein nichtsnutziger Pirat zuweilen ins Gesicht schmiert, würdest du dich über das da freuen!" Der Schmied spürte, wie sich sein Mund zu einem Grinsen verzog. Nein, nachfragen würde er jetzt nicht. Und warum sollte er dieses Zeug nicht ausprobieren? Was war zu verlieren? Er tauchte den Finger in die schmierige Masse, tupfte sich Salbe auf Wangen, Kinn, Stirn und Nase und begann, sie mit den Händen zu verteilen. Angenehm kühl schmiegte sich diese Creme an ihn, besänftigte scheinbar seine glühende Haut, versöhnte seine aufgesprungenen Lippen. So lange, bis Will sich sicher war, dass er wie ein Honigkuchen riechen musste. "Während sich der edle Herr zurechtmacht..." Wie aus der Luft herausgegriffen zückte Jack Sparrow einen schwarzen Gegenstand und sein Grinsen wurde wieder breiter. Will erkannte erst bei näherem Hinsehen, dass es ein dunkler Kamm mit groben Zähnen war- der Gegenstand, den er gestern selbst noch voller Verzweiflung gesucht hatte. Verblüfft verrieb er die Salbe weiter auf der Stirn, verfolgte Jack Sparrow mit den Augen, wie der auf das Bett stieg und sich kurzerhand hinter ihm plazierte. "Lasst mich Euch helfen, William!" raunte der Pirat leise. Mit einem Tonfall, der Will Schauer den Nacken hinunterjagte, der sein Herz zum Rasen antrieb, seinen Puls für den Augenblick eines Lidschlags aussetzen ließ. Stille... Wills Haare waren schon immer widerspenstig gewesen. Von Geburt an eher lockig, wirbelten sie sich immer wieder heraus, wenn er sie kaum gerade zusammengebunden hatte und wellten sich, schlugen kleine Kreise. Er wusste nicht, ob er sie mögen oder hassen sollte deswegen. Als Junge hatte er immer die herrlichen hellen Perücken der Marineoffiziere bewundert, hatte sich heimlich selbst eine gewünscht. Doch nun war er, ohne es zu wissen, froh über seine Haare. Völlig zerzaust mussten sie sein. Halb gelockt und halb verknotet, ohnehin jede einzelne Strähne mit dem schmierig-trockenen Salzfilm des Meeres belegt. Will spürte, wie eine fremde Hand ihm zuerst über den Kopf strich. Anscheinend versuchte, diese Haare glattzustreichen. Er schloss sanft seine Augen. <<"Wie wäre es, Will, wenn wir einfach flüchten könnten? Komm, du bist mein einziger Freund hier in ganz England, das weißt du! Lass uns davonfliegen auf...auf einem Schiff! Wir werden Piraten und beherrschen alle sieben Meere! Nur weg...weg von all dem Elend hier...Deine Mutter weint doch auch immer? Nimm sie mit, dann kann sie auf den Fischen reiten!">> Der Übergang in eine andere Welt...So fühlte sich dieser Moment an. Ein Moment, den sein Herz wie Kautschuk langzog und versüßte. Ein Moment, den er niemals angehalten hätte, hätte er die Wahl gehabt. Denn plötzlich fühlte es sich seltsam an, von einem Mann sanft berührt zu werden, seine Hände zu spüren...tief im Haargestrüpp verwunden...bis auf die verbrannte Kopfhaut. Es zog und tat weh, das ja, aber dieser Schmerz war nur leise und klein.... und fast taub im Gegensatz zu dieser Sehnsucht, die plötzlich in seiner Brust schrie und drohte, auszubrechen. Vorsichtig zog Jack den Kamm durch Wills braunes Haar, immer und immer wieder, und jedesmal zog der Pirat die andere Hand hinterher, um die Welle darin zu glätten. Will spürte, wie sein Kopf bei jedem Bürsten sanft nach hinten in den Nacken gezogen wurde und sodann wieder nach vorn wippte, sein Rücken machte jede dieser Bewegungen mit, sandte die gefühlten Vibrationen bis nach unten in die Zehenspitzen. Seltsam fühlte sich das an...seltsam... In seinem Kopf kramte der junge Mann vergebens nach Momenten zum Vergleichen, während seine aufgewühlte Seele halb ängstlich, halb gespannt stillhielt und genoss. Ja...genoss. Er konnte sich nicht daran erinnern, dass ihm wer die Haare gekämmt hatte. Einfach so. "Warum tust du das?" Er schaute nachdenklich auf das Bettzeug vor sich. Fühlte sich fast wie ein kleines Mädchen. Wie jemanden, den man mit Sorgfalt und mit Vorsicht berühren musste. Die braunen Augen schlossen sich erneut. Und sein Herz schlug so schön warm dahin... In einem ewigen Takt des verliebten Lebens. "Und wenn ich einen Wind ließe, würdest du dafür auch nach dem Grund fragen?" ertönte es belustigt hinter ihm. Doch noch ehe Will sich wütend umdrehen konnte, spürte er sanft Jacks Hand auf seiner rechten Wange. Warm, zart...die rauhe Haut. Etwas, das ihn sofort körperlich zu besänftigen schien. Etwas, das sein inneres, verletztes und erschrecktes Herz beruhigte und zärtlich zudeckte. "Nicht aufregen!" sagte Sparrow versöhnlich. "Ich meinte nur... Du willst für alles immer sofort den Grund wissen, auch wenn die Antwort vielleicht an der nächsten Ecke wartet." Der Mann begann erneut, die braunen, versalzenen Haare zu kämmen und es fühlte sich so an, als ob er noch einmal so vorsichtig dabei war. Glatte Finger konnte Turner spüren. Wie kleine Fische, die durch Tang huschten, glitten sie durch das Haar... Es fühlte sich schön an. Fühlte sich aufregend an. Und weckte in ihm die Sehnsucht, mehr zu spüren...Viel mehr... So wie vorhin, als er die warmen Arme des Piraten gespürt hatte...ja, als er sogar darin geschlafen hatte. "Die Wahrheit existiert immer." entgegnete Will leise. "Was ist daran so verwerflich, ihr auf den Grund gehen zu wollen?" "Weil du auf diesem Grund Sandstürme veranstaltest, Will!" gab Jack zurück. Das Kämmen hörte auf und scheinbar ein allerletztes Mal fuhren die Hände durch Turners Haare, strichen sie glatt und nahmen sie zusammen. Dann band der Pirat sie fest mit etwas zusammen. "Und in Sandnebeln kann man nichts sehen, mein Lieber!" sagte die Stimme neunmalklug. Ihr Besitzer regte sich nicht mehr, schien einfach still zu sitzen hinter Will. Und doch kam es diesem so vor, als würde Jack noch immer seine Haare glätten...darin herumstreichen, als wären sie nicht von Salz klebrig...sondern wie Goldgeschmeide, unbezahlbar. Warum berührte er ihn so? Warum tat er das nur...? Niemand sonst hatte das getan... "Du machst dich schon wieder über mich lustig, Jack Sparrow!" sagte Will verbittert. In einer ganzen Geste drehte er sich zu dem Piraten um, zeigte kurz auf ihn. Scheinbar ungerührt saß der Schwarzhaarige da, schaute zurück. Legte den Kopf schief. "Das tu ich nicht, William Turner, ich versuche Euch nur zu erklären, dass Ihr nicht immer alles so wahrlich ernst nehmen sollt!" Da war es wieder- dieses Piratengrinsen. Will war sich sicher, jeder Schiffsjunge, der bei einem Piraten anheuerte, musste sich dieses Grinsen zeigen lassen um es nachher besser und breiter zu können... Hatte Barbossa nicht auch einst so gegrinst? Und diese beiden schwachköpfigen Idioten, der kurze und der Kerl mit dem Glasauge, hatten diese nicht Gefallen an dieser Mimik gehabt? Der junge Mann sah beiseite. "Warum sollte ich Späße machen?!" sagte er mit harter Stimme und begann, sich seine Schuhe anzuziehen. "Das Leben ist alles andere als ein Spaß." Die Schuhschnalle rutschte ihm aus der Hand, ganz plötzlich... Und genauso plötzlich spürte er sich zittern. Seine Finger bebten, als würde der Klabautermann ganz sanft seine eisige Hand am Schiff rütteln, es vibrieren lassen. Und Kälte saß in Wills Füßen- eine eisige Kälte. Wie ein Virus fraß sie sich durch seine Zehen. Diese Kälte... "Aye, das mag stimmen, aber besser als der Tod ist es allemal!" rief Jack hinter ihm und krabbelte umständlich vom Bett. "Und du weißt, ich bin unehrlich, der Himmel möge mir verzeihen, aber eines meine ich verdammt ehrlich;", Er wartete bis Will trotz der zitternden Hände die Schuhe zugemacht hatte und nahm seine Hand, zog ihn hoch. Sie standen beinahe Nase an Nase und sofort starrte Will in die braunen, fast schwarzen Augen des Piratenkapitäns. Schaute in diese unendlichen Horizonte, in denen Vergänglichkeit und Verlogenheit, Wahrheit und Treue, Ehrlichkeit und Lüge aufeinandertrafen und zusammen zu glänzen schienen. Blanke, große Augen, die ihn förmlich einsogen und in sich einverleibten, ihn behalten wollten. Der Schmied spürte seine Knie weich werden, sein Herz klopfte so hart, dass er sich sicher war, Jack hörte es auch, und das verfluchte Blut schoss ihm sofort wieder in die Wangen. Er spürte Jacks warmen Rumatem...auf seiner Haut tanzen... Kleine, sanfte Hauche aus Leben und...Liebe... Er konnte das genau fühlen... Seinen Jack Sparrow. "...Mir ist es hundert Millionen mal lieber, wenn du hier lebendig bei mir bist als wenn du tot auf dem Meeresgrund treibst, wo dich Haie und Schnecken auffressen, ohne zu wissen, dass sie den größten Schatz aller sieben Meere zerreißen. Klar soweit?" Jacks Atem hatte Will beinahe um den Verstand gebracht, wenn er sprach, glänzte das Gold auf seinen Zähnen neckisch hervor, lockte ihn. Rief ihn, es mit der Zunge berühren zu wollen. Denn plötzlich war das Verlangen wieder da. Noch größer und noch feuriger, und es kämpfte gegen die Kälte, die in dem Schmied hochwandern wollte und ihn verschlingen wollte. So wunderbar. So heilsam. Mit einem Schlag hätten ihn diese dunklen, geheimnisvollen Augen in die Ohnmacht treiben können. Wie eine Dame wäre William in sich zusammengefallen, hätte er nicht mit den Händen nach Jacks Oberarmen gefasst und sich daran festgehalten. Und wie eine Droge wirkte der Blick der schwarzen Augen in ihm, wollte ihn nicht wieder verlassen. "Aye..." sagte er langsam, fühlte noch immer das Salbengläschen in seiner Hand. Langsam normalisierte sich sein Atem wieder und das halb dahingeschwundene Bewusstsein kehrte mit vollem Schwall zurück, ließ ihn tief aufseufzen. Seine verklärten, braunen Augen lagen auf dem Gesicht des Piraten, scheinbar für Stunden, für eine Ewigkeit. "Deine Lippen sind aufgerissen...Jack..." <<"Mein Liebster Will... Bleibst du heute Nacht bei mir? Du musst es mir versprechen, ja? Du musst mich doch beschützen, wenn die Piraten wiederkommen! Bleib bei mir und du wirst eine recht vergnügliche Nacht haben...">> Seine Finger zitterten noch heftiger. Beinahe als würde er furchtbar frieren. Und während 'Lizbeths Lachen in seinem Kopf erstarb, spürte er, wie alles in ihm scheinbar überkochte, sich mit Luft und Schmetterlingen und Blut füllte, als er so vorsichtig, wie es ging, mit dem Zeigefinger Jacks spröde Unterlippe berührte. Und gleichzeitig schien er sich ebenso an das pure Lebenssystem dieses Mannes anzuschließen. Reine Energie begann, ihn zu durchströmen, riss ihn mit aus dem dunklen Abgrund heraus, in dem er sich dachte, hoch, hoch an die strahlende Sonne. Licht durchflutete ihn, füllte ihn ab, musste inzwischen aus seinen Augen wieder herausdriften und sich in der ganzen Kajüte ausbreiten wie ein Fluss, wie sanfter, warmer Sommerregen. Dort, wo er den Piraten berührte, wurde sein eiskalter Finger wieder warm, füllte sich mit neuer, süßer Energie. Was war das nur...? Zitternd stand Will da, versuchte, das gewaltige Ausmaß seiner Tat zu ertragen und spürte wie sein Gegenüber sanft nach dem Zeigefinger griff, ihn halb umschloss...ihn auf seiner Lippe bewegte und die Creme so darauf verteilte. Dieser Mann war so nahe, dass Turner genau sehen konnte, wie die Salbe auf dem Rot zu glänzen begann, sich auf es legte und zu heilen begann. So nahe, dass Jack doch einfach dieses arme, wild pochende Herz hören musste... So nahe, dass jeder einzelne Atemhauch auf Wills Haut wie zarter Kükenflaum kitzelte... So nahe, dass reine Energie gegen diese Kälte in ihm ging... Mehr und mehr... <<"Bill Turner? Nie gehört hier! Und ich muss das wissen, bin immerhin seit fünf Jahren hier angestellt! Nein, du kleiner Pimpf, deinen Vater hat hier keiner gesehen, musst wohl nach England zurück! Oder hierbleiben und dich irgendwo verdingen, was weiß ich, ich schere mich nicht drum; und jetzt raus aus meinem Büro, halt hier nicht länger Maulaffenfeil!" >> Sie bestiegen eines der kleinen Ruderboote und ließen sich abseilen. Der verknöcherte Mr. Gibbs, dessen schwimmende wasserblaue Augen Will Angst machten, winkte noch hinterher und brüllte irgendetwas von 'Unglück, wieder zurückzukehren'. Turner seufzte verächtlich. Als ob er das nicht selbst wüsste. Seine anfängliche Idee beim Essen, doch allein in diese Grotte zurückzukehren, hatte der Kapitän sofort abgeschmettert, er sei schließlich nicht umsonst hierhergesegelt. An den Klippen der Insel brüteten Seevögel in Scharen, schienen sich nicht um den rauchenden Berg zu kümmern, der über ihnen dahindampfte, anscheinend bereit, jeden Moment auszubrechen. Jack ruderte geschickt an aus dem Wasser ragenden spitzen Felschen vorbei, während Will ihn lotste, eine Feuerfackel hielt und spürte, wie ihm mit jedem Meter, der er der Gruft näherkam, immer kälter wurde. Es war als würde der Aztekenschatz ihn mit einem Unterdruck von Eiseskälte an sich heranziehen wollen. Es war, als würde Will zum eigentlich Moment des Fluches zurückkehren, an den Ursprung. mit den Gedanken zurück nach Port Royal, zu dem Moment, in dem Elizabeth ihn verwundert anschaute. Zurück...zurück... Das Zittern war wieder da, ließ seine Glieder beben, sich zusammenkrampfen. Ein ekliges, schleimiges Gefühl brodelte in seinem Magen auf, stieg wie Sodbrennen höher und höher. Turner spürte die Angst in seinem Nacken, eine seltsame Angst, die nicht ihm gehörte, sondern allen armen Seelen, die einst verflucht gewesen waren auf dieser großen weiten Welt. Wie Geister schwirrten sie um ihn herum, flüsterten ununterbrochen in seine Ohren und brachten seinen Kopf zum Dröhnen. Es war, als würde er all das Schwarz dieser Höhle auf einmal anziehen und in sich vereinen, ohne es zu wollen. Will lehnte sich vor, versuchte, ruhig zu bleiben. "Welche verdammten Menschen wagen es nur, diese Flüche auszusprechen und damit zu quälen..." presste er hervor, als das Boot ans Ufer stieß und er ein Würgen in seiner Kehle spürte. In seinem Bauch sammelte sich Säure...soviel Säure, von der er das Gefühl hatte, sie würde sich durch seine Eingeweide fressen. Wie kalter, eiskalter Schleim, der bald aus seinem Nabel sickern und verätzen würde. "Gewissenlose Menschen, die nur den Sinn für Seelenmord haben." antwortete Jack und er plätscherte, als er durch das seichte Wasser watete. "Aztekische Hohepriester, denen der Posten zu Kopf gestiegen ist. Hab wahrlich schaurige Geschichten gehört darüber!" Über ihnen schrie etwas. Eine Fledermaus? Ein Vogel? Will zuckte zusammen. Nur mit der Hilfe von Jack gelang es ihm, aus dem Boot zu steigen. Die Kälte wurde immer schlimmer, schien seine Sinne einzueisen, schien ihn lahm machen zu wollen. "Ohne Sinn und Zweck haben die ihre eigenen Mitmenschen ihren blutrünstigen Göttern geopfert und dargeboten..." sprach Sparrow weiter. "Und durch hinterhältige Flüche rächen sie sich an uns..." "...an uns, die wir denen kein Haar gekrümmt haben!" spuckte Will wütend. "Ich schwör dir, Jack, wenn ich Cortes gewesen wär, ich hätt' genauso gehandelt!" "Und deren Städte in Schutt und Asche gelegt?" Der Pirat sah den Schmied nachdenklich an. "Halt' dich aus der Geschichte raus, Will!" Er lotste den Jüngeren vorsichtig durch die Gänge, bis sie zur Höhle gelangten, in der sich noch immer Gold, Silber und Juwelen türmten. " Die ist vorbei. Außerdem, dieser Krieg wurde so unfair ausgetragen, dass du wahrscheinlich nur protestiert hättest." Vor ihnen der leicht abfallende Hügel, der Vorsprung, gesäumt mit goldenem Blech und Münzen. Grausam kalt spürte Will, war es hier. Eine Eiseskälte, die ihn zittern ließ. Dort vorne lag, halbverrottet und von Würmern zerfressen, Barbossas Leiche. Irgendetwas hatte ihm die Augäpfel ausgekratzt und stumm starrte der blinde Tote in die Welt hinaus, zu Recht ermordet und gerächt. Jack trat an seinen Feind heran, starrte ihn einen Moment lang mit hasserfülltem Blick an. Will konnte sehen, wie die dunklen Áugen noch schwärzer wurden, wie sich der ganze Mund zu einer festen Linie verformte und einen Augenblick lang hatte er Angst, dass der Pirat seine Pistole zücken und den ohnehin Toten nochmals erschießen würde. Sanft trat er heran, legte vorsichtig...ganz vorsichtig eine Hand auf die Schulter des Mannes. Und erst jetzt veränderte sich die harte Miene, wurde wieder weicher. "Mein Freund, du stinkst erbärmlich!" Mit dem Fuß stieß Jack verächtlich, aber fast wieder sanft, gegen den leblosen, zusammengefallenen Körper Barbossas. "Aber genau das tun Verräter ja ohnehin!" Diese Kälte... Will spürte, wie er zu frösteln begann, wie sich das sprichwörtliche Eis von seinen Beinen aus wie in seinen Blutkreislauf einzuschleusen schien und ihn erfrieren wollte... Sein verdammtes, armes Blut... war so kalt, so sehr kalt... Fast verhöhnend stand die vergoldete Schatztruhe da, einst voller Verzweiflung zusammengebaut und -geschmiedet von Azteken. Von Menschen, die nur leben wollten, von Menschen, die sich rächen wollten... Von Zauberern und Hexenmeistern, die ihresgleichen gesucht hatten. Lange schon waren sie tot- und doch lebten sie scheinbar weiter in ihren Flüchen und Verwünschungen. Will spürte sein Herz aus Angst beinahe stehenbleiben, als er an die Truhe herantrat, sie vorsichtig von allen Seiten betrachtete. Denn noch nie hatte er sie so sehr im Detail angesehen. An ihren Wänden glänzten goldene eingeritzte Figuren...Vielleicht Götter...Doch nirgendswo eine Schrift, nirgendswo auch nur ein Buchstabe. "Jack." Der Name des Piraten hallte durch die tote, verfaulte Höhle, als Will ihn rief. "Was weißt du noch über diese Azteken?" Er drehte sich um zu Sparrow. "Was weißt du über ihre Flüche?" Die Kälte wanderte hoch, hatte sich ausgebreitet bis zu den Hüften des jungen Mannes. Er spürte sich zittern, spürte sich erbeben, mit jedem Augenblick mehr. Gleichzeitig drängte sich der Schleim in seinem Bauch hoch, vermengte scheinbar unschuldiges Aztekekblut mit seinem, vermengte Rachsucht mit seinen Eingeweiden, die zu schmerzen begannen. Dieser Ort war unheimlich. Er war geradezu besetzt mit Geistern. Will konnte ihren toten Atem an den Höhlenwänden widerhallen hören. "Ich weiß nichts, Will!" gab Jack zurück und zuckte halb hilflos mit den Schultern. "Ich habe dich hierhergeführt, mehr kann ich nicht tun, denkst du etwa, ich wollte dir nicht helfen?" Er legte wieder den Kopf schief, kam heran und tänzelte albern um die Truhe herum, während er ein ernstes, suchendes Gesicht aufsetzte. Will sah ihm dabei zu, versuchte genauso, irgendetwas zu entdecken. Die halbgeöffnete Truhe schwieg und auch die Goldmünzen, an denen noch immer sein und Jacks Blut getrocknet klebte, starrten ihn daraus an. Es geschah nichts...nichts... Wonach er jetzt monatelang gesucht hatte, konnte ihm nun nicht helfen. Er war verflucht. Er blieb verflucht... <<"Wieso sollte ich so einen Nichtsnutz wie dich in die Lehre nehmen?! Höchswahrscheinlich bringst du ungewaschener Bengel mir womöglich noch die Läuse ins Haus! Verschwinde bloß, geh doch zu den Ratten, du kleiner Lügner!">> Die braunen Augen verengten sich. Und wenn Jack nicht die Truhe, sondern sie näher angesehen hätte, hätte er darin blinde Wut und Verzweiflung gelesen. <<"Will? Bist du das? Hast du nichts gefunden? Du, ich bin die Tochter des Governeurs, weißt du. Ich werde dir helfen...ich werde mich um dich kümmern. Wenn du dafür bei mir bleibst. Versprich mir das, ja?">> <<'Bleib bei mir! Bleib bei mir! Bis der Mond erwacht, bleib bei mir!'>> "Verflucht, hier bin ich!" schrie Will in die leere, faulige Höhle hinein. "Verlassen, verzweifelt, hab meine Geliebte verloren, bin vor allem geflüchtet und muss mit meinen Augen sehen, was die Menschen nur in ihren Alpträumen sehen! Unschuldig bin ich! Hörst du, unschuldig!" Neben sich hatte Turner Jack zusammenzucken spüren, als er angefangen hatte zu schreien. Und seine Stimme hallte grausam verzerrt an den Höhlenwänden wieder, schien den ganzen Berg zu erschüttern. War er als Sterblicher fähig, diesen Vulkan, diese Insel nur durch seine Wut zu zerstören? War er fähig, Geister zu töten? War er fähig, zu leben? Zu sterben und wieder leben zu können? Alles, alles, was über die Jahre in seinem Kopf verblichen war, drängte sein verletztes, verzweifeltes Gedächtnis wieder an das Tageslicht, unverfälscht und so grausam wie nie zuvor. Fort war der Schleier und Stimmen flüsterten ihm unverfroren in die klingelnden Ohren, streichelten seinen Bauch, so dass der schleimige Fluch sich darin regte und Will würgen ließ. Seine Mutter am Sterbebett, schwach, mit verzerrtem Lächeln. Seine Mutter, die vor Schmerzen schrie. Sein Vater, der nicht da war... Sein Vater, der Pirat. Elizabeth, die ihn von Anfang an überlistet und ausgespielt hatte. Elizabeth, die nicht wusste, was Liebe und Kontrolle waren, die alles miteinander vermischte und ihm nicht zuhörte. All die Menschen, die ihn fortgetreten und verjagt hatten, er hatte sich zum Teufel scheren sollen. Und genau dort schien er nun zu sein... "Hier bin ich!" japste er schwach, stolperte nach vorn. "Hier bin ich doch...ich war immer hier... immer...immer...." Wie ein Lebewesen grollte sein Bauch, vermengte Darm mit Magen, Leber mit Milz. Es tat so weh, so verdammt weh. Mit einem Mal spürte er den Schwindel, konnte er die tausend Geisterhände auf seiner kalten, verschwitzten Gänsehaut spüren. Tausend unsichtbare Knochen, tausend Hautfetzen, tausend, tausend Emotionen, die ihn streiften, die ihm den Atem aus der Lunge zogen und forttrugen... Weg...zum unsichtbaren Blutmond hinter dem Horizont. Will keuchte, versuchte, nach seinem Atem zu greifen, irgendwo in seinem Kopf begann es, ganz leer zu werden und mit ebenso leeren Lungen spürte er sich stürzen, spürte er, wie etwas gewaltsam seinen Geist aus seinem Körper zog und hämisch lachte... Der Alptraum...ein lebendiger Alptraum entführte ihn. Er konnte nicht mal schreien, konnte nicht einmal nach Jacks Hand greifen. Wie Luft schien seine Existenz dahinzuschwinden. Weg von dieser Welt, weg von den Schmerzen, die ihm die Brust zusammendrückten... Weg...weg... ...hinein ins Schwarz... "Was willst, Sterblicher? Was willst du, Untermensch? Nichts gibt es, was zu ändern ist, weder durch dich noch durch sonstjemanden! Die Götter haben ihr Urteil an dir vollstreckt!" Will schlug die Augen seines Geistes auf. Um ihn herum dampfte der schwarze, wallende Nachtnebel und dunkle, kleine, hässliche Gestalten starrten ihn an mit gelben, geschlitzten Augen und roten Pupillen. Überquellend mit Hass. Überquellende Münder mit Zähnen...mit Schleim, mit tropfendem Speichel. Hellgrüne Lachen aus Gift und aus Hass lagen zu seinen Füßen und wenn er in seinem Taumeln aus Versehen hineintrat, konnte er Menschen weinen hören. Laute, klagende Stimmen, die in seinen Ohren hallten und ihn beinahe in den Wahnsinn trieben. Und vor ihm der alte, dünne Priester mit dem Leopardenfell und den goldenen Armreifen, dessen Haut aus braunem Leder zu sein schien. Dessen schwarze, blitzende Augen nicht von dieser Welt waren.... "Welche Götter?" erwiederte Turner. Die kleinen, hässlichen Dämonen grunzten. "Ich kenne deine Götter nicht und ebensowenig glaube ich an sie... Ich habe deinem Volk nie etwas getan, also lös mich los von deinem Höllenschwur!" "Wir vergessen nicht!" Ein hohes und zugleich dumpfes Kreischen ertönte und der schwarze Raum um Will herum begann zu beben. Ohne Grund und ohne Mauern krachte dennoch etwas im ewigen Schwarz...im ewigen Dunkeln und das Weinen der Menschen wurde stärker... steckte den jungen Mann an...ließ ihn nicht mehr los... "Und wer denkt, er kann mit dem Fluch spielen, wird auf ewig verfolgt...Dich kann nur der Tod retten! Wenn du in das ewige Nichts fällst und für immer weinst, erst dann hast du genug gebüßt!" Der alte Mann hatte seine Lippen nicht bewegt. Doch seine toten, nicht mehr menschlich schauenden Augen hatten geblitzt und erloschen so plötzlich, dass William erschrocken aufkeuchte. Und im nächsten Moment stürzten sich die schwarzen, kleinen Wesen auf ihn, rissen ihre verschleimten Mäuler auf. Überall konnte er ihre kleinen, scharfen Zähne spüren. Sie gruben sich in seine Wangen, Arme, in jeden einzelnen Finger, in die arme Haut und Will fühlte genau, dass sie an den Zähnen Wiederhaken hatten. Seine Haut riss grausam auf, während er das Fauchen, Schmatzen und Grunzen der Geister hörte...während sie ihn auffraßen... Da war gar nichts mehr. Nicht Leben. Nicht Tod. Nur das ewige Schwarz, in das er mit den Dämonen fiel. Nur der Schmerz von seinem weggefressenen Fleisch. Nicht Liebe...Die Liebe war weg... Sie war einfach verschluckt worden von dieser Hölle und vom blinden Zorn eines alten Indianers. Wenn es Sonne und Mond noch gab, wenn Sterne noch existierten, waren sie auf der anderen Seite dieser Dimension und Will wusste plötzlich, er würde sie nie wiedersehen. Weggetragen war er, Kind der Vedammnis und er spürte seinen Geist nicht mehr... spürte gar nichts mehr. Hörte seine Schreie nicht mehr hallen... Und die Liebe war so weit weg... so weit weg... "Will! Will, wach auf!" Jack schlug ihm auf die Brust. Es tat weh und fühlte sich zugleich taub an. Da war es wieder- dieser Stoß genau auf seinem Herzen. Will öffnete langsam die Augen. War sein Herz etwa noch da? War es nicht gerade aufgefressen worden...? Seine Lugen pressten angestrengt den ekligen, braunen Geistschleim aus sich heraus, füllten sich mit Luft...mit reiner, wohltuender Luft. Er keuchte und wimmerte...hörte sich selbst kaum. Er wimmerte wie ein kleines, verlassenes Kind. Schaute die geliebten braunen Augen über sich an..."Wenn du in das ewige Nichts fällst...und für immer weinst..." Seine Finger krampften, krallten sich wie vorhin in die Oberarme des Piraten. "...erst dann hast du genug gebüßt..." Verfluchte Augen starrten groß in die Welt hinaus. In Angst. In absolutem Terror. Will musste sich daran gewöhnen, wieder sein Herz zu spüren, wieder Boden unter sich zu haben. Musste sich daran gewöhnen, wieder Liebe um sich herum zu spüren. Nie hatte er vorher gedacht, dass es selbst in dieser Höhle so etwas wie allgegenwärtige Liebe gab...Und nun war sie wieder so nahe... Mit einem Mal...hielt sie ihn in den Armen und streichelte sanft seine blasse, porzellanfarbene Wange. Jack war wunderschön. Mit diesen großen, braunen Augen und den süßen Lippen, mit den hohen Wangenknochen. Vielleicht hätte so eine kitschige, rote Blume in seinen Haaren wunderschön ausgesehen. Und er berührte Will...so sanft... Den Blick voller Sorge. Die Augen ganz weit offen, als wollten sie die ganze Welt verschlucken... "Es hat keinen Sinn, hierzubleiben. Lass uns zurückrudern...Will..." <<'Wenn dein Stern beginnt zu strahlen, wird meiner sterben. Mir scheint es, als hätten wir uns verpasst. Als würde mein letztes, erlischendes Licht dir den Weg ebnen. Und ich wünsche mir doch nichts sehnlicher als ein wenig Glücklich-sein. Und ich möchte doch nicht viel mehr als einen gemeinsamen Platz dort am Himmel...Nur du und ich...Mein Kapitän...'>> Sanft hatte der Pirat nach der kalten Hand des jungen Mannes gegriffen. Ebenso sanft hatte er ihn beinahe in das Boot gehoben, mehr das als dass er ihn gestützt hatte. Ja, selbst sanft war der Ruderschlag, den Jack vollführte und dabei erschien immer wieder ein Ausdruck der Abscheu gegenüber diesem Ort in dem Gesicht Sparrows. Vielleicht hatte er die Isla de Muerta schon immer gehasst, aber vielleicht hatte er auch erst heute damit angefangen. Will wusste es nicht. Und seine Augen wurden furchtbar müde. Sterben sollte er. Nur der Tod... Nur dies als Erlösung. Er war schon halbtot und musste nur seinen Körper hinterherziehen in die das ewige Nichts... Sterben...sterben... Er hatte seine Schuldigkeit getan und das, was er insgeheim in letzter Zeit immer gewollt hatte, erschien ihm auf einmal logisch. Doch war der Tod nicht das Ende aller Dinge...? War dies nicht das Ende seiner Seele...? War das nicht...? Er saß da, in dem Ruderboot, welches aus dem Schatten der Höhle tauchte, hinaus auf das offene Meer getrieben wurde. Und alles in ihm war durcheinander und verloren...fühlte er sich doch plötzlich so verloren...so schrecklich einsam... Die Welt wollte, dass er starb. "Siehst du, du hast Unrecht gehabt." sagte er leise, seine Stimme wurde halb verschluckt vom quatschenden Wasser, von den vorbeistreifenden Wellen. "Ich habe den Fluch wohl doch verdient... Denn schließlich bekommt man immer, was man verdient." Nun waren sie nicht aufzuhalten. Bittere, uralte Tränen, wie die Uremotion selbst traten dem Schmied in die Augen. War doch alles vergeblich gewesen. War doch der Wunsch nach Freiheit umsonst gewesen. War er umsonst nach Tortuga gegangen, hatte er Jack unnötig belästigt... Er war völlig umsonst geboren worden. Und noch immer saß ihm der Schreck in den Knochen. Dort unten, in den niederen Gefilden dieser Welt hausten diese Flüche und er hatte die weinenden Menschen gehört...hatte sie gespürt. Er hatte etwas gesehen, dass ihn zu etwas anderem gemacht hatte. Wieder ein Stück mehr war er von der Welt der Lebenden abgetrennt worden. Weit fort von Port Royal...von Elizabeth...von...Jack... Und noch immer saß diese verdammte Kälte in ihm, ließ ihn zittern und beben und er konnte nicht mehr tun, als zu versuchen, gegen die Tränen anzukämpfen und die Ruder anzustarren. <<"Eine Junge weint nicht, Kleiner! Merk dir das!">> In der Ferne spielten die Möwen miteinander, jagten sich einander über die Wasseroberfläche, tauchten im Flug neckisch ihre kleinen Köpfe in das Wasser um Fische zu fangen und sich anschließend darum zu streiten. Und plötzlich wusste er nicht mehr, warum er weinte. Er hatte es vergessen. Und Jack hatte vergessen, weiterzurudern. Denn er saß mit einem Mal steif da, mit großen, dunklen Augen und leicht schiefgelegtem Kopf. Groß, beinahe übermächtig und unheimlich. Wie ein erstarrter Felsen. Wie ein stummer Zuschauer, wie ein Leser, der ein Buch nicht zuschlagen, jedoch auch nicht die Wörter darin lesen konnte. Will schaute beschämt zur Seite, starrte die spielenden Möwen, die ihn an Kinder erinnerten, an. Nur nicht hinsehen. Nur nicht wieder zu dem kleinen Jungen werden, der heimlich in sein Kopfkissen weinte und nach Trost verlangte. Nur nicht vor diesem Mann... Nicht vor einem Piraten. Die Scham würde ihn zu Staub zerfallen lassen...und wieder würden Geister ihn auffressen, bei lebendigem Leibe... Er starrte zur Seite, versuchte, die Schluchzer zu unterdrücken. Suchte verzweifelt nach dem Grund, der ihn zum Weinen gebracht hatte. Doch sein armer Kopf hatte dies weggedrückt...weit weg in das dunkle Nichts seines Gedächtnisses. Ihm war kalt... so kalt. Von den Rudern tropfte sanft Salzwasser. Kristallklar. So dass sich das Licht darin brach und vorwurfsvoll wiederspiegelte. "Will..." Turner versuchte, das zu überhören. Jacks Stimme machte ihm Angst, hatte sie mit einem Mal nicht mehr so dunkel und dumpf geklungen, sondern war plötzlich so nahe gekommen. Das Boot schaukelte ein wenig stärker und knarrte leise, fast ungehört. Sparrow war nähergerückt. Doch wagte es der junge Mann nicht, ihn anzuschauen. Sein Herz überschlug sich scheinbar, pochte so hart, dass er Angst hatte, es würde ganz zerspringen. Jack sollte wieder weggehen! Er sollte fernbleiben, denn Wills Herz tat so weh. Die Kälte wohnte nun darin, verklammte es und ließ es krampfen, so dass jeder einzelne Schlag wehtat- so dass das Leben wehtat. In der ganzen Brust breitete sich der Frost nun aus, schien auch nach draußen zu dringen und Will dachte, seine Tränen wurden immer kälter und kälter, bis sie zu Eis auf seinen Wangen gefrieren würden. "Will, es wird schon wieder...!" sagte die helle Piratenstimme. "Nein..." "Wir suchen nach einem dieser Indianer! Ich werd ganz Mittelamerika durchsuchen, und wenn's nötig ist, zerren wir jeden Azteken aus'm Busch, irgendwer wird schon was wissen!" Noch mehr Tränen...je weiter Jack sprach mit dieser unglaublich sanften, lieben Stimme, desto mehr Tränen rannten über Wills heiße, rote Wangen, tropften hinunter...in das ebenso salzige Meer. Ja, das Meer schien in diesem Augen auch nur eine Tränensammlung zu sein. Nur von wem geweint? Verzweifelt schüttelte Turner den Kopf, presste beschämt den rechten Handrücken auf den Mund. Nur nicht laut schluchzen. Seine Brust war zugefroren... "Verdammt, hast du's denn schon wieder vergessen?!" rief Jack Sparrow da plötzlich. So plötzlich, dass Wills Kopf erschrocken herumflog und seine verklärten, verschleierten Augen verstört in die des Piraten schauten. "Ich bin Captain Jack Sparrow und wenn Captain Jack Sparrow etwas sucht, wird er es auch finden. Das ist Gesetz! Du enttäuschst mich wahrlich, Will..." Noch näher kam dieser Mann heran. Will spürte, wie es ihm den Atem verschlug, als Sparrow sanft seine Hand vom Mund wegzog und sie in seine legte, sie sanft streichelte. Es kitzelte leicht auf der Haut, fühlte sich an wie tausend kleine Flaumfederchen auf einmal. Um das Boot herum spuckten kleine Wellen hoch und weiter weg schaukelte die Pearl im unhörbaren Takt des Ozeans. Doch hier...hier herrschte plötzlich ein ganz anderer Rhythmus. Auf einmal wusste Will ganz genau, dass Jack sein schmerzendes, pochendes Herz spüren konnte.Der Pirat konnte direkt in ihn hineinsehen, er konnte den verborgenen Will seufzen hören, hatte hinter die Fassade des mutigen, selbstaufopfernden Mannes geschaut. Er wusste alles. Alles, was dieser Moment ihm verriet. "...ständig vergisst du es." beendete Jack sanft seinen Satz. William saß da, konnte nicht mehr schluchzen und hatte das Gefühl, nicht mehr zu atmen. Denn süß und weich streifte ihn der Atem seines Gegenübers, mit diesem unvergleichlichen Geruch nach Freiheit, Ozean und ein wenig Rum. Jack atmete für ihn weiter und dabei schien er den frischesten, klarsten Atem tief aus den Meerestiefen zu schöpfen. Frei von aller Fluchesfäule. Und doch rannen weiter Tränen, schlüpften unermüdlich aus Wills rotgewordenen Augen, machten sie leer und leise. Lange. Einsam. Jacks Ausdruck veränderte sich, wurde leicht verzweifelt in der eigenen, leicht albernen Weise, so wie Will es kannte; "Es wird schon wieder...Wein doch nicht mehr, Kleiner...!" Diese großen, dunklen Augen. So tief wie das Meer und so glänzend wie seine Oberfläche. Sie bohrten sich geradezu in Turner und versuchten gleichzeitig, soviel wie möglich von ihm zu sehen. Sie waren nicht schwarz. Nein. Nur dunkelbraun...und so ruhig. So unendlich ruhig. "Ich...kann nicht aufhören." flüsterte der Schmied beschämt, wischte sich mit der freien Hand schnell über die Wangen. Die Tränen brannten auf seinem Sonnenbrand. Und über dem Boot fegten die kleinen Möwen hinweg, kreischten, als ob sie vergnügt lachten oder sich wieder balgen wollten. Peinlich berührt sah Will seinen Kapitän an, spürte, wie der seine Hand noch immer sanft streichelte. Das Boot trieb ab, zurück zur Insel. "Alles endet irgendwann mal." sagte Jack und plötzlich lächelte er leicht. "Du wirst es nicht glauben, my dear, das gilt selbst für die bittersten Tränen!" Das Herzklopfen wurde lauter und lauter, bis Will zuletzt das Gefühl hatte, es füllte seinen ganzen Körper aus. Je näher Jack kam, desto mehr schien er ihm den Atem zu stehlen und ihm den eigenen einzuverleiben. Zuerst nur ganz sanft und leicht, dann immer mehr. Ein gewaltiger Wärmestrom schoss dem jungen Mann entgegen, kroch bedrohlich in seine Brust... wärmte ihn wieder auf. Kämpfte gegen diese unendliche Kälte... Der Pirat strich zärtlich mit der linken Hand flüchtig über Williams Stirn, strich ihm die nassen Augen zu. Und dann war er so nahe, dass Turner das fremde Herz schlagen spüren konnte. Wild. Kraftvoll, entfaltet in der Freiheit des Lebens. Vogelfrei. Die ganze Gegenwart des Mannes nahm ihn gefangen, lähmte ihn zuerst und der ungeheuerliche Wärmeschwall fühlte sich so gut an... Und Jacks Bart kitzelte. Will konnte die Honigsalbe auf den fremden Lippen riechen, das Allerletzte was er vernahm, bis etwas Unglaubliches geschah. Denn dann tanzten mit einem Mal weiße und gelbe Sternchen vor seinen geschlossenen Augen. Er konnte mit einem Mal weite Täler sehen, flog dahin über Wälder, über die Bäume der Welt und über alle weiten, großen Meere. Der Wärmestrom floss direkt durch den Mund in Will hinein, ertränkte ihn in sich und tausend neue Schmetterlinge befreiten sich in seinem Bauch aus dem Fluchschleim und flatterten gegen die Wände, kitzelten mit ihren Flügeln, ließen ihre bunten Farben in ihn überfließen und saugten mit ihren kleinen Rüsseln alles schlechte Gefühl auf, was darin gewesen war. Die weichen, unendlich sanften Lippen liebkosten ihn, legten sich wieder und wieder auf die seinen. All die Kälte war von ihm gewichen, war vertrieben worden von etwas, dass Turner bisher nicht ganz gekannt hatte. Von einer ganz besonderen Liebe... Beinahe gierig klammerte sich der Junge an den Piraten, spürte, wie dieser ihn zärtlich in die Arme schloss. Aus dem Boot wurde eine tröstende Wiege und Jacks Hände strichen langsam über seinen Rücken, über seinen Kopf, über seine Haare. Will hielt sich fest an Jack, wagte es nicht, die Augen zu öffnen. Dieser Moment konnte genauso Trug und Vision sein wie die Geister vorhin in der Flucheshöhle. Er hatte Angst davor. Über ihm kieksten Möwen, um ihn herum gluckste Wasser gegen das Boot. Es hätte ewig so weitergehen können... Und so spürte er, wie Jack ihm Küsschen auf die Lippen und die Wangen hauchte, ihn ganz nahe bei sich hielt, warm und geborgen. Tief sog er seinen Geruch in sich auf, fühlte wie die fremden Hände ihm über Wangen strichen. Wie ein sanfter, warmer Wind. Es hätte ewig so weitergehen können...ewig... "Jack...bleib bei mir! Ich geb' dir was du willst...ich tu, was du willst... aber bitte...bleib' bei mir!" To be continued... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)