Beweismittel Ag47 von Arcturus ================================================================================ Silversteen ----------- 21. Dezember 2005 04:22 Uhr Circe‘s Backyards; in den Golden Caves North Bovey Devon     Niemand hatte sich getraut, in dem Lagerraum ganz am Ende des Personalflures auch nur einen Lichtzauber zu sprechen, der heller war, als ein Lumos. Der ganze Raum stank. Der Geruch von schwelendem Holz kroch ihm in die Nase, noch bevor Morgan ihm die Tür geöffnet hatte, gefolgt von Schwefel, verbrannten Kräutern und angesengter Baumschlangenhaut. Doch all das ging einen Moment später, als er den Raum betrat, in einem ganz anderen Aroma unter – Tierkot. Es war bestialisch. Drei Schritte in den Raum genügten, um ihm den Atem zu nehmen, drei weitere, um seine Augen tränen zu lassen. Im kläglichen Licht ihrer Zauberstäbe flackerten die Schatten an den Wänden. Erst auf den zweiten Blick sah Draco die Käfige, die sich an der gegenüberliegenden Wand stapelten. Leere Käfige. Käfige voll mit Stroh, das selbst im Lumoslicht fleckig wirkte. Käfige, deren Gitter unter grober Gewalteinwirkung geborsten sein mussten. Und Käfige voller schwarzer Knäuel – nein. Kein Stoff, berichtigte sein Verstand automatisch, als er das erste Paar Augen im Licht seines Zauberstabs leuchten sah. Niffler. Dutzende Niffler. Und sie stanken zur Hölle. Was auch immer sich der Besitzer der Backyards dabei dachte – Newt Scamander hätte die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Draco tat das nicht – er war zu beschäftigt damit, sich den Ärmel übers Gesicht zu halten und flach zu atmen, während das Augenpaar sich in seine Erinnerung brannte. Lethargisch. Apathisch. Nicht zu vergleichen mit den Nifflern, die sie in der vierten Klasse nach Leprechaun-Gold hatten graben lassen... Er wandte den Blick ab, zwang sich stattdessen dazu, sich im Raum umsehen. Zu seiner Linken befand sich etwas, das ein Labortisch gewesen sein musste, bevor irgendjemand – irgendetwas – ihn zerfetzt hatte. Der Zutatenschrank dahinter sah nicht besser aus. Überall lagen Münzen: Sickel, Galleonen, Handtellergroße Scheiben aus Gold, die Draco keiner Währung zuordnen konnte. Dass es keine Tierwesen waren, die hier gewütet hatten, akzeptierte Draco erst, als er beinahe in der Leiche stand. Eine Explosion, befand er, während sein Verstand fachmännisch kategorisierte, was er sah, und sein Magen überlegte, ob es sich zu rebellieren lohnte. Männlich. Leichter Hang zum Übergewicht. Magierumhang. Muggelturnschuhe. Zu wenig Finger. Nur noch ein halber Oberkörper. Kein Gesicht. Ob die Ursache ein Zaubertrank gewesen war oder ein Fluch, konnte er noch nicht sagen. „Und?“, hörte er Morgan hinter sich fragen. „Ist es dein Spezialgebiet?“ Draco nahm sich Zeit, um zu antworten. Zeit, um den Anblick zu erfassen, der sich ihm bot. Zeit, den Würgereflex, der in seinem Rachen brannte, hinunterzuschlucken. Obwohl er seit Jahren für die Rechtsmagie des Ministeriums arbeitete, sah er nur selten Opfer von Explosionszaubern, auch wenn sie hin und wieder vorkamen. Die meisten Fälle, die, bei denen man hoffte, noch etwas retten zu können, landeten im St. Mungo's und blieben dort. Der Rest waren meist die Folge irgendwelche Duelle – und damit Tripe's Job. Natürlich war ihm trotzdem klar, warum Morgan ihn hatte rufen lassen. „Wenn du wissen willst, ob er sich selbst gesprengt hat oder jemand anderes das für ihn erledigt hat, muss ich dich enttäuschen. Dafür brauche ich Zeit.“ Zeit, sein Labor und genug Luft, um wieder klar denken zu können. „In erster Linie will ich wissen“, hörte er Morgan antworten und merkte erst jetzt, wie erstickt selbiger klang, „ob das hier schwarzmagisch ist, oder ob ich die Schnarchnase von der Strafverfolgungspatrouille wecken kann.“ „Was wäre dir lieber?“ Noch während er sprach, griff Draco in seine Tasche. Routiniert fischte er den Koffer mit seinen Utensilien hervor, hob den Minimierungszauber auf und klemmte sich anschließend den Zauberstab in den Gürtel. In seinem Augenwinkel huschte ein dunkler Schatten in die nächste, unbeleuchtete Ecke. Er sah ihm nur lang genug nach, um ihn als vierbeinig und nifflergroß zu identifizieren, bevor er sich neben den Koffer kniete. Solang sie nicht über seine Leiche rannten, hatte er für flüchtende Niffler keine Zeit. Sollte sich die Tierwesenabteilung darum kümmern. Oder, noch besser, Abercrombie. Er fasste nach den Kofferschnallen. Ohne Morgan darum bitten zu müssen, hob dieser den Zauberstab, damit mehr Licht auf seine Hände fiel. „Nun“, antwortete Morgan, während er ihm leuchtete, „um Sechs ist Schichtwechsel. Was glaubst du?“ Jedes Schloss klickte leise, als Draco die Verschlüsse löste. Einen Augenblick später gab der Koffer den Blick auf die oberste Lage Utensilien frei: weiße Drachenlederhandschuhe, Leuchtkristalle und eine Packung regulärer Muggel-Gefrierbeutel mit Zippverschluss. „Ich denke, dass du dein Schichtende vergessen kannst.“ Morgan stöhnte, nicht sonderlich begeistert. „Ich hatte befürchtet, dass du das sagst.“ „Ich auch.“ Draco zog die Handschuhe aus ihrer Halterung und legte sie sich auf die Knie. Kurz besah er sich die beiden Ringe, die er an der linken Hand trug, dann griff er nach dem klobigeren davon. „Wisst ihr schon, wer das hier ist?“, fragte er, während er den malfoyschen Siegelring von seinem Mittelfinger zog. „Nicht offiziell, solang uns die vollständige Angestelltenliste fehlt und du das Identifikationsformular noch nicht unterschrieben hast.“ Morgans Lichtkreis wackelte, als er mit den Schultern zuckte. „Bis dahin wette ich auf den Betreiber dieses Schuppens.“ „Silversteen?“ „Seine beiden Söhne können wir ausschließen, aber ihn selbst erreichen wir nicht.“ Draco nickte knapp. Wenn man bedachte, dass die Silversteens in einem Prunkbau im Zentrum der Backyards residierten, war das kein gutes Zeichen. Vermutlich hatten Morgans Kollegen die Familie längst aus den Betten geholt und durchgezählt – aber Draco fragte nicht weiter nach. „Wenn wir seinen Zauberstab finden, dann bestätige ich dir das zum Schichtende.“ Vorausgesetzt, es war tatsächlich Samuel Silversteen. Das Ministerium führte zwar keine Kartei über die Zauberstabbesitzer seines Hoheitsgebietes, aber im Amt für magische Immigration sammelte und katalogisierte man dafür Kopien aller Dokumente, die ein Einwanderer mit sich brachte. Und Silversteen war ein Einwanderer, das wusste Draco aus den Frühstückgesprächen mit seinem Vater und aus einer langen Beschwerde darüber, dass dieses neureiche Pack hierher kam, um den ehrwürdigen, reinblütigen Magiern Englands das Geld aus den Taschen zu hexen. Wenn dieser Mann eine Zauberstablizenz hatte – und die besaß Silversteen als der Amerikaner, der er war, ganz sicher – würde Lucinda Talky Talkalot sie für ihn finden. Umständlich löste Draco den Verschluss der Kette, die er unter seinem Umhang trug. Genauso umständlich fädelte er den Siegelring auf das dünne, goldene Band. „Was ist mit den beiden Teenagern von vorhin?“, fragte er, während er die Kette hob, um sie sich wieder anzulegen. „Soll ich ihre Zauberstäbe auch-“ Draco kam nicht dazu, seine Frage zu beenden. Es passierte so plötzlich, das vielleicht ein Auror darauf hätte reagieren können, aber Draco war kein Auror. Mit zwei großen Sätzen sprang der schwarze Schatten aus der Ecke, in der er bislang gekauert hatte. Einen weiteren Sprung später streifte er Dracos Taille, hüpfte nochmal- Dann rissen Zwei Pfund Lebendgewicht an seinem Siegelring. Es war dumm, loszulassen. Seine Finger gaben trotzdem nach, als die Kette in seine Gelenke schnitt. Das Gold klimperte, als es auf dem Boden landete. Fluchend griff Draco nach seinem Schmuck, klatschte dabei selbst auf den Estrich, erwischte aber nur noch die Kette. Von Nahem stank der Boden noch schlimmer. Über sich hörte er Morgan lachen. „Tu was!“, fauchte er, dann setzte er dem Niffler nach. Der pelzige Dieb war schneller. Einen Zoll von Dracos Hand entfernt, schlug er einen Haken, setzte über die Leiche hinweg und schlitterte, Blut unter den Pfoten, bis zu den Käfigen. Einen Augenblick lang starrten Draco und Niffler einander an. Nur die Gewissheit, dass er nicht einfach durch seine Beweismittel springen konnte, ohne es später zu bereuen, hielt ihn davon ab. Es reichte, dass der Niffler das getan hatte. Er hob den Zauberstab- Der Niffler rannte. Magie schoss an ihm vorbei, bevor er den Accio beenden konnte, erfasste den Niffler und stieß das Tier in den nächstbesten Käfig. Der Siegelring klimperte über den Metallboden. Der Niffler taumelte. Klirrend schlug die Käfigtür ins Schloss. Halb dankbar, halb immer noch sauer wegen dem Lachen, blickte Draco über seine Schulter. Morgan grinste. „Aurorenreflexe“, flötete er. „Und jetzt sammel ihn ein, bevor hier noch einer durch unseren Tatort rennt. Die Viecher sind hier überall.“ Das allerdings musste Morgan ihm nicht zweimal sagen. In einem großen Bogen trat er um die Leiche und alles, was vielleicht mit ihr in Berührung gekommen war herum. Gerade, als er den richtigen Käfig erreichte, kam der Niffler wieder zur Besinnung. Er schüttelte sich kurz, blickte zu Draco – dann sah er den Ring. Unzeremoniell warf sich Draco vor dem Käfig auf die Knie, streckte seine Hand in den Käfig, griff zu – Seine Hände erwischten nur verfilztes Fell. Wie in Zeitlupe blickte der Niffler zu ihm, ignorant ob des Griffes, beinahe schadenfroh. Ohne, das Draco etwas hätte tun können, öffnete er sein Maul. Kurz schimmerte der Siegelring noch in den rosafarbenen Pfoten- „Oh nein, das wirst du nicht-!“ Der Ring wirbelte durch den Käfig, in einer beeindruckenden Parabel stieg er höher, funkelte, als er den Höhepunkt seiner Bahn erreichte – und fiel. Rosafarbene Lippen schlossen sich. Der Niffler schluckte. „-tun.“ Nur die Gitterstäbe hielten Draco davon ab, dem Quälgeist hier und jetzt den Hals umzudrehen. Er ließ den Kopf auf seinen Oberarm fallen. „Ich zieh dir das Fell über die Ohren“, knurrte er, doch da war keine Energie in seinen Worten. Dieser Einsatz war sowas von am Uranus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)