Heartplace von Swanlady (Ymir x Krista) ================================================================================ Kapitel 1: Lügen {Ballerina/Biker} ---------------------------------- „Krista, hast du heute Abend schon etwas vor?“, rief Reiner durch den Raum und Krista sah von ihrer Sporttasche auf, in der sie nach ihrer Wasserflasche kramte. „Ja“, rief sie zurück und schenkte ihm einen entschuldigenden Blick. „Tut mir leid.“ Sie bemerkte, dass Bertholdt an Reiners Ärmel zupfte und ihm etwas ins Ohr flüsterte. Auch ohne es zu hören, wusste Krista genau, was es war. Die gesamte Tanzgruppe hatte es bereits bemerkt und tuschelte seit knapp zwei Wochen darüber. „Holt dich heute wieder der Kerl mit dem Motorrad ab?“, erkundigte sich Reiner ganz offen, ohne auf Bertholds Sssh! zu achten und starrte grimmig drein. Krista blinzelte verwirrt. „Nein.“ Reiners Gesicht hellte sich auf und er grinste breit, hatte scheinbar neue Hoffnung geschöpft. Krista verkniff sich das Seufzen und packte ihre Sachen zusammen. Sie schälte sich aus den Ballettschuhen und massierte sich die schmerzenden Füße. Das heutige Training war anstrengend gewesen, aber dafür umso befriedigender. Das Programm für die neue Saison stand noch nicht fest, aber sie war davon überzeugt, dass es ein schönes Stück werden würde. Vielleicht der Schwanensee? Ein wenig ausgelutscht, aber dennoch ein Klassiker, der Kristas Herz höher schlagen ließ. Sie fand die Idee, dass sich das verzauberte Mädchen am Ende in den Tod stürzte, unglaublich romantisch und traurig. Doch nur dadurch sicherte es sich einen Platz in der Erinnerung aller Zuschauer. Diese Rolle wäre die Erfüllung ihrer Träume, denn auch sie sehnte sich danach, von allen gemocht zu werden. Nein. Von niemandem gehasst zu werden war die präzisere Beschreibung ihrer inneren Sehnsucht. Krista wandte sich von Reiner und Bertholdt ab und ihr Lächeln verschwand. Sollte irgendjemand ihrer Freunde und Kollegen herausfinden, dass sie eine Reiss war, würde man sie nie wieder ernst nehmen. Jeder würde glauben, dass sie es sich einfach machte, da ihr Vater diese Ballettschule finanzierte. Krista wollte damit jedoch nichts zu tun haben, sie wollte einfach nur tanzen. Nachdem sie ihren Durst gestillt hatte, packte Krista ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich von den anderen. Reiner beschloss, dass er sie bis nach draußen begleiten wollte – es sei Ehrensache, einer Dame Eskorte zu stellen – und sie akzeptierte mit einem passiven Lächeln. Warme Sonnenstrahlen hießen sie draußen willkommen und eine angenehme Brise kühlte ihre noch vom Tanzen verschwitzte Haut. Der Klang eines laufenden Motors ganz in der Nähe verriet Krista, dass die Person, die sie abholen wollte, bereits da war, noch bevor sie sie erspähte. Ein schwarzes Motorrad fuhr vor. Darauf saß eine in Leder gekleidete Person, die einen Helm auf dem Kopf trug. „Du hast doch gesagt –“, presste Reiner stutzend hervor. Verständnislos blickte Krista zu ihm auf. „Du hast doch gesagt, dass dich der Kerl mit dem Motorrad heute nicht abholt“, brachte er schließlich einen vollständigen Satz zustande. „Ah“, machte Krista und kicherte. „Ymir, würdest du bitte deinen Helm abnehmen?“ Die Person auf dem Motorrad zögerte und legte den Kopf schief, tat dann aber wie ihr geheißen. Dunkles, locker zusammengebundenes Haar und ein sommersprossiges Gesicht tauchten unter dem Helm auf. Argwöhnisch funkelnde Augen und eine pikiert nach oben verzogene Augenbraue deuteten darauf hin, dass die junge Frau, die auf Kristas Wunsch hin ihren Helm ausgezogen hatte, nicht wusste, was vor sich ging. „Ymir ist kein Mann“, erklärte Krista an Reiner gewandt, der zur Salzsäule erstarrt war. „Sie ist meine Freundin.“ Die Schultern des muskulösen Tänzers schienen nicht zu wissen, ob sie sich entspannen durften oder nicht. „Eine Freundin“, wiederholte er, doch Krista schüttelte den Kopf. „Meine Freundin“, berichtigte sie ihn und lächelte nachsichtig. „Wir sehen uns morgen, ja?“ Sie winkte zum Abschied und hastete die Treppenstufen hinunter, um zu Ymir aufzuschließen. Dass Reiner seinen Mund nur mit Mühe wieder zubekam, sah Krista nicht mehr, da ihre Aufmerksamkeit dem zerknitterten Gesicht ihrer Freundin galt. Wenn sie weiter so dreinblickte, würde sie frühzeitig Falten bekommen. „Hat der Typ dich belästigt?“, wollte Ymir wissen und lieferte Krista auch prompt die Antwort auf die stumme Frage, wieso sie so grimmig schaute. „Nein. Er wollte nur wissen, wer mich seit geraumer Zeit abholt“, erklärte Krista und nahm den zweiten Helm entgegen, den Ymir ihr reichte. Ymir nickte langsam, sah aber etwas zufriedener aus. Sie schielte noch einmal in Reiners Richtung, der sich eiligst mit Bertholdt verkrümelte und ein keckes Lächeln erschien auf ihren Lippen. „Du hast ihm die Wahrheit gesagt“, sagte sie. Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. „Ja. Das hätte ich schon viel früher getan, aber es hat sich niemand getraut, mich darauf anzusprechen“, antwortete Krista trotzdem und kletterte auf den Platz hinter Ymir. Sie legte die Hände um ihre Taille und hielt sich gut fest. Ymirs Körperhaltung veränderte sich. Sie drückte das Kreuz durch und richtete sich stolz auf. Krista konnte ihr Gesicht nicht mehr sehen, aber sie konnte sich das breite Grinsen darauf vorstellen. Es machte sie froh, dass sie Ymir mit der Wahrheit glücklich machen konnte. Es gab wenigstens einen Menschen, der sie ganz sicher nicht hasste und ihr Halt gab. Doch würde dies auch so bleiben, wenn Ymir ihren wahren Namen erfuhr? Kristas kleine Hände krallten sich ängstlich in die Lederjacke. „Es reicht, dass ich mit einer Lüge leben muss“, murmelte sie, doch ihre Worte wurden vom laufenden Motor geschluckt und Ymir hörte sie nicht mehr. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)