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An einem heißen Sommertag

von

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Die drückende Hitze im August war fast ein quengelnder Freund, den Michiru willkommen heißen musste, da ihr nichts anderes übrig blieb. Mit Wärme und Luftfeuchtigkeit lebte man in Tokio glücklicherweise leichter als im Rest des Landes – denn wann immer hier der Wind aufkam, brachte er eine kühle Brise vom Meer mit. Den salzigen Geruch des Wassers. Dafür war Michiru – wie für vieles andere – dem Wind dankbar.

Heute brachte das gelegentliche Lüftchen die Trommeln des Festes zu ihnen, ein Klang aus der Distanz auf ihrem Weg zum Matsuri. Die traditionellen Schläge der Trommeln gingen in einen synoptischen Rhythmus mit den dauerzirpenden Grillen über. Das Paar hatte sich gegen einen von Harukas Sportwagen entschieden, denn die Parksituation würde ihnen beiden nur schlechte Laune bereiten. So klapperten die Geta auf dem Asphalt, Michirus Sonnenschirm spendete herrlichen Schatten.

Man hatte Michiru früh beigebracht, die Yukata aus dünnem Stoff zu binden, mit einer kunstvollen Schleife am Rücken. Ihre Eltern hatten Wert darauf gelegt, sie nicht nur als kleines Kind schon in den Violinen-, Ballett- und Englischunterricht zu schicken, sondern sie auch das gewisse Kulturgut wie Teezeremonie und Fächertanz erlernen zu lassen. Wie alles in ihrem Leben war das Ziel dieser Tätigkeiten pure Perfektion.

Zumindest war es der Traum ihrer Eltern gewesen, dem Michiru sich gefügt hatte. Denn ihr privater Vorsatz war es gewesen, zu Beginn ihrer Pubertät so viele Mädchen wie möglich zum Erröten zu bringen. Das Ballett musste weichen, weil ihre Erzeuger die große Künstlerin in ihr entdeckt hatten. Eigentlich nur ein Ventil für Michirus düstere Voraussichten, konnte sie sehr gut damit leben, öfter in Ruhe gelassen zu werden, völlig in Acrylfarbe getaucht.

Je älter sie wurde, desto geschickter wurden ihre Flirts. Doch wäre sie jemals zu „Michiru Kaioh, vor ihr sollen alle niederknien“ geworden, eine junge Frau wie aus Stahl mit den Zügen eines Engels, ohne ihre Bürde? Sailor Neptune. Kriegerin des Meeres und der Umarmung.

Ihre Perfektion ängstigte Haruka Tenoh auch dieser Tage wieder, nach all den Jahren, doch davon ahnte Michiru ausnahmsweise einmal nichts. Ihr fiel nicht auf, dass Haruka nicht ihre übliche Selbstsicherheit hatte – weil sie diese Michiru gegenüber ohnehin nie zeigte. Haruka war verletzlich, sich ständig hinterfragend – egal, wie stürmisch und starrköpfig sie als Sailor Uranus sein konnte. Michiru schob das gelegentliche Zweifeln im Gesicht der geliebten Partnerin auf ihren Yukata.

Haruka selbst tat sich nämlich schon schwer, nicht den Tod zu beschreien, wenn sie ihre dunkelblaue Yukata zusammenschnürte. Michiru musste stets die überschlagende Seite korrigieren.

Sie tat es so gerne. Haruka berühren. Bei ihr sein. Sie necken.

Die Violinistin bewunderte nicht nur ihre Partnerin aus dem Augenwinkel, sondern auch die Vielfalt der Stoffe, das Baumeln von Perl- und Blumenschmuck aus jeder Haarpracht weit und breit. Trotzdem freute sie sich jetzt schon, der flirrenden Hitze und dem Gedrängel zu entfliehen und abends ein paar Bahnen im kühlen Nass zu ziehen, vielleicht sogar mit der wasserscheuen Haruka.

„Wir schauen uns heute aber schon das Feuerwerk, oder?“, durchkreuzte Haruka in diesem Moment ihren Plan. Ihr zuliebe ließ Michiru es sich jedoch nicht anmerken: „Wenn du das möchtest, Ruka.“

Inzwischen traten die ersten Marktschreier in Erscheinung, die ihre Yakitorispieße feilboten. Überall brutzelte es – die farbenfrohen Stände produzierten jeder seine eigene fantastische Spezialität.

„Dass dir noch nicht das Wasser im Mund zusammengelaufen ist!“, stellte Michiru mit einem spitzbübischen Lächeln fest.

„Ich, äh, habe keinen Hunger“, erwiderte Haruka nervös. Verlegen warf sie den Kopf zur Seite, ihr goldener Ohrring funkelte in der Sonne. Michiru wunderte sich ein wenig, aber derzeit hielt Haruka sich ohnehin sklavisch an ihren Fitnessplan, wann immer es die stressige Arbeit in der eigenen Autowerkstatt zuließ.

Bevor die Musikerin Haruka fragen konnte, ob sie krank sei – Michiru mochte es, Haruka beim Probieren zuzusehen, egal, wie ausgefallen das Gericht war -, kam Minako Aino mit fliegender Mähne auf sie zugestürmt: „Ein Glück, dass ich euch finde! Wir müssen einen Sailor Transport machen und damit sofort zu Rei!“

Ihr pfirsichfarbener Yukata hatte sich gelöst und wog fast zu locker um ihren Körper – nicht, dass es die Göttin der Schönheit und Liebe stören würde. Sie packte die beiden älteren Freundinnen heftig, nachdem sie fast in eine Gruppe Kinder, die gerade eine Kampfsportübung vormachten, gerast war.

„Wir können doch nicht einfach einen Sailor Transport nutzen, nur, weil du Angst hast, etwas zu verpassen!“, warf die Künstlerin verwirrt ein, Minakos Hand vorsichtig abschüttelnd.

„Achso, das hätte ich dazu sagen sollen, weil gewisse kleine Meerjungfrauen zu verknallt sind, als das Meer tosen zu hören: wir müssen sofort zu Rei, weil Makoto von einem Dämon angegriffen wurde!“ Minako blies sich eine verirrte, blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Es freute sie dennoch, die zwei Senshi des äußeren Sonnensystems gefunden zu haben, denn so musste sie nicht den ganzen Weg zum Tempel rennen - und das Pärchen war zu weit mehr im Kampf nutzbar.

Doch die beiden schienen noch keine Anstalt zu machen, die Verwandlungsfüller zu zücken. Sie sahen sich nur zögernd an. Makoto verletzt? Die starke, hübsche Kriegerin des Donners?

Ja, sie alle waren nach dem Ende des Silver Millenniums, dem Königreich auf dem Mond, wiedergeboren worden im 21. Jahrhunderts. Junge Frauen mit Superkräften, dazu bestimmt, die Erde vor bösen Kräften zu schützen. Auch, wenn Michiru diese Welt ziemlich gestohlen bleiben konnte, sie tat es, weil sie es musste – und für Haruka.

„Oh, und noch was – DAS IST EIN BEFEHL DER ANFÜHRERIN!“, rief Minako verärgert. Nach all den Jahren, die sie die beiden nun kannte, hatte ihr Personenkult – vor allem um die attraktive Haruka – deutlich nachgelassen.

„Alles ist ein Befehl der Anführerin, vor allem, wenn ich eine Packung Kekse gekauft habe“, nörgelte Haruka, dennoch machte Michiru den ersten Schritt, Minako in eine Seitengasse zu folgen. Der Pool musste nun wohl endgültig warten. Resigniert schob sie ihren nun zusammengefalteten Sonnenschirm hinter die makellose Schleife ihres Obis.

„Wie konntest du uns überhaupt in der Menge finden?“, Haruka zog nun eine ungehaltene Schnute, als hätte der Dämon gehörig ihren Tagesplan durchkreuzt. Lag ihr etwa so viel am Feuerwerk?

„Du bist ungefähr drei Meter groß“, Minako verdrehte die Augen.

Bevor Haruka antworten konnte, warf Minako schon den Arm in die Luft, zwischen den Fingern ihr orangefarbener Verwandlungsfüller: „Venus Crystal Power, make up!“

Michiru warf Haruka einen Blick zu. Das ewige Kämpfen, die niemals kommende Ruhe. Es wäre leicht zu sagen, dieses Schicksal hätte ihr Leben zerstört, aber es hatte ihr auch etwas gebracht, mit dem sie nie gerechnet hätte: wahre Freundschaft und echte Liebe. Eine eigene Familie, ein unerhoffter Vorzug. Und so war sie mit Frieden geflutet – und dem Ozean – als sie sich in Sailor Neptune verwandelte.

Nach der gemeinsamen Transformation sah Haruka immer noch unglücklich aus. An den kurzen Fuku musste sich die Sportlerin doch längst gewöhnt haben?
 

Der Weg zum Hikawa Tempel war eigentlich nicht weit, ebenso zum Greifen nah wie der ähnlich entfernt gelegene Tokyo Tower, aber die Zeit drängte die Senshi zum Teleportieren.

Der Hikawa Tempel war seit jeher Basis der Sailor Senshi, hier hatten sie sich zum Lernen, Herumalbern und Pläneschmieden getroffen. Es war also nicht verwunderlich, dass sie hier heute erneut Zuflucht fanden.

Die Verwandlung ließ nach – es wäre ein intimer Moment aus mit Rosenblättern bedeckter Scham gewesen, wenn sie nicht alle so sehr daran gewohnt gewesen wären. Es war merkwürdig, doch Michiru mochte diese Vertrautheit. Irgendwie.

Michiru säuberte eine der auf den senfgelben Stoff aufgedruckten roten Blüten von unsichtbaren Schmutz und schob ihre aquamarinfarbenen Locken über ihre Schultern. Damit verbarg sie ihre eigenen Ängste vor dem Unbekannten, das ihnen bevorstand. Es half ihr, Sicherheit zu gewinnen, während sie ihrer Partnerin und der guten Freundin nachfolgte, im Bewegungsfluss die Schuhe abstreifend.

„Mako-chan!“, rief Haruka erschrocken.

Die junge Frau lag auf einem Futon in der Ecke, eilig von Rei ausgerollt. Braunes Haar umspülte sie, am Kopf zusammengehalten von ihrem typischen Zopfgummi.

„Das wird schon wieder“, zwinkerte die Brünette schwach. Ihr hübsches Gesicht war aschfahl. Makoto Kino schob noch weniger bekräftigend „Senshi Heilkräfte!“ nach. Doch die schienen noch nicht so wirklich in Kraft getreten zu sein: sie hatte Verbrennungen höchsten Grades an Armen und Beinen. Ein Päckchen gefrorene Tantanmennudeln lag auf der schlimmsten Stelle ihrer Haut, die Blasen schlug, ein anderes Päckchen mit Shrimp-Chili-Soße auf einer anderen, was viel über Reis Einkaufsverhalten in Bezug auf chinesische Produkte in der Gefrierabteilung bei Seven Eleven verriet.

Usagi fächelte Makoto mit einem pinkfarbenen Uchiwa Luft zu, was die größere der Freundinnen mit einem „Schon gut, Usagi“ abtun wollte, doch die künftige Königin von Crystal Tokyo hörte nicht auf, vielleicht, um sich auch ein bisschen runterzukühlen. Auf ihrem kunstvoll frisierten Kopf saß eine Netsune-Maske in Form von Hello Kitty. Michiru fand, dass Usagi wie ein süßes Parfait aussah. So war es nicht wirklich verwunderlich, dass die Blondine nach dem Schulabschluss angefangen hatte, in einem Crêpeshop in Harajuku zu arbeiten. Noch weniger verwunderlich war, dass sie dort regelmäßig über das Englisch der Touristen stolperte. Aber Usagi Tsukino liebte ihren Job in ihrem bunten Lieblingsviertel, vor allem, weil sie immer, wenn sie dachte, sie wäre unbeobachtet, die tollen Zutaten naschte.

„Makoto hat sich vor Ami geworfen“, gab Rei vielsagend Aufschluss über das, was vorgefallen war. Das erklärte Amis heftigeres Seitenumblättern als gewöhnlich. Eine dünne Schicht Schweiß stand auf Ami Mizunos Stirn, trotz des laufenden Ventilators.

Die Miko Rei Hino, die sich ebenfalls eines der Bücher auf dem Tisch vor ihnen geschnappt hatte, trug ihre typischen, roten Hakama und saß neben der Medizinstudentin in der eisblauen Yukata auf dem Boden: „Wir haben dann Mina per Communicator angefunkt, weil sie zuvor losgegangen ist, um Goldfische zu fangen und zu flirten.“

„Ich mache mir ein schlechtes Gewissen, nicht da gewesen zu sein, aber das Flirten lasse ich mir nicht vorwerfen!“, unterbrach Minako sie, sich neben der Schwarzhaarigen niederlassend.

„Okay, aber was hat Mako-chan so zugerichtet?“, fragte Haruka und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie ignorierte den liebevollen Blick von Setsuna, hinter ihrer Stirn ratterte es.

Setsuna hatte mit Ziehtochter Hotaru eigentlich zum Jahrmarkt nachkommen wollen, doch war wohl, ihrer weisen Voraussicht nach, direkt zu Rei geeilt. Hotaru schien betrübt – entweder über Makotos Zustand oder, dass es anscheinend noch nicht dazu gekommen war, dass die Schülerin von einer ihrer Mütter die herbeigesehnten CDs von My Chemical Romance bekommen hatte. Seit Chibiusa – zusammen mit den Mondkatzen – in die Zukunft gereist war, hatte der Lärmpegel im Hause Kaioh-Tenoh-Tomoe-Meioh zugenommen und es lag nicht daran, dass Haruka Michiru dabei half, für ein Konzert zu proben.

„Eine Laterne“, erklärte Rei mit einem Gesicht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen.

„Eine Laterne?“, wiederholten Haruka und Michiru gleichzeitig ungläubig. Die Lampions waren hier ja gespannt wie die Stromkabel über der Stadt – und bei beiden passierte eigentlich nichts.

„Leute, auf Twitter schreibt gerade jemand, er wäre auf dem Matsuri von seinem Feuerzeug angegriffen worden“, Mina hatte inzwischen ihr Handy rausgeholt und scrollte fleißig, „Was denn, ich helfe doch beim Recherchieren?“

„Ein Feuerzeug?“, Hotaru, die an der Wand lehnte, kniff die Augen zusammen. Sie war die Einzige, die nicht in einer Yukata steckte, sondern in einem „I’ll stop wearing black when they make a darker color“-Longshirt.

„Anscheinend haben die Flammen über die Stränge geschlagen“, erwiderte Minako. Rei nickte: „Genauso, wie die Flammen aus der Laterne zu Ami hingezüngelt sind. Die Laterne hat sich ordentlich bewegt, als wäre ein Sturm aufgekommen. Nur war da rein gar nichts! Es ging alles furchtbar schnell …“

„Aber es ging ganz sicher nicht mit guten Dingen zu!“, fügte Minako an.

„Minako, da sollte einer mal glauben, du lernst es mit den Redewendungen! ‚Rechten Dingen‘!“, stöhnte Hotaru auf.

„Das brauche ich mir nicht von Wednesday Addams sagen lassen, junges Fräulein! Setz’ dich und hilf’ uns!“ Minako blickte in die Runde. „Ihr alle!“

Eiliges, zustimmendes Murmeln folgte. Die Senshi bedienten sich am Bücherstapel und ließen das eben Gehörte Revue passieren.

Michiru materialisierte ihren Spiegel – der edle Talisman, aus ihrem Herzen geborgen, hatte ihr am Morgen gar nichts gezeigt. Außer Fingerabdrücke von Haruka, was etwas schräg war, weil Michiru ja auch nicht einfach Harukas Space Sword benutzte, um einen von Makotos Shortcakes in Stücke zu schneiden.

Setsuna nickte ihr zu: „Ich habe ebenfalls nichts vorausgesehen.“

„Kaum zu glauben“, meinte Minako trocken, „Eine Wächterin von Zeit und Raum und zwei Hellseherinnen und niemand hat etwas davon gewusst.“

Das wollte Rei nicht auf sich sitzen lassen: „Ich gehe ins Feuer schauen. Ich bin wohl aus der Übung.“

Michiru überspielte Reis passiv-aggressiven Zusatz mit einer netten Stimmfarbe: „Ja, wir hatten lange keinen übersinnlichen, bösen Angriff mehr.“

„Leute, das bringt alles so nichts …“, Minako ließ ihr Handy mit der süßen Katzenhülle sinken, nachdem sie eine Eilmeldung über einen Feuerschlucker, der ins Krankenhaus eingeliefert worden war, gelesen hatte, „… wir sollten rausgehen und helfen! Anscheinend verbrennen sich gerade die Menschen reihenweise die Pfoten da drüben. Nicht, dass auch noch die Raketen früher zünden!“

„Und was, wenn das einfach nur alles ein Zufall ist?“, fragte Usagi weinerlich. Sie hatte sich den Tag deutlich anders ausgemalt, als jetzt einen Schlachtplan gegen dunkle Mächte schmieden zu müssen. Und sie hatte noch dazu noch gar nichts gegessen!

„Niemand ist so tollpatschig wie du“, raunte Rei.

„Menschen verbrennen sich?“, eine männliche Stimme unterbrach die jungen Frauen.

„Opa, wir –“, wollte Rei ihn abwiegeln, doch ihr Großvater war schneller: „Das klingt nach einem Hitodama!“

„Hitodama?“, echote es aus allen Kehlen.

„Hitodama – die Seele der Menschen – sind Feuerbälle, getrennt von ihren toten Körpern. Sie fließen oft durch die Nacht. Ein interessanter Mythos, ja, ja. Jetzt muss ich aber los, zum Matsuri. Ihr bleibt nicht hier, oder? Draußen tobt das Leben, in eurem Alter hätte ich nie das Haus gehütet!“ Opa Hino zwinkerte die staunende Gruppe an. Und so verbeugten sich alle Senshi bis auf Makoto – die ihre Brandwunden mit dem Stoff ihrer Yukata verborgen hatte und sich schlafend gestellt hatte -, tief vor Opa Hino.

„Opa!“, rief Rei noch, allerdings ohne die für sie typische Zornesfalte im Gesicht. Ihr Opa hatte gerade des Rätsels Lösung offenbart.

„Warum bin ich nicht gleich darauf gekommen?“, meldete Ami sich nun das erste Mal seit der Ankunft von Haruka und Michiru zu Wort. „Ich habe an Kitsunebi gedacht, an Onibi … aber nicht an Hitodama! Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit sammelt dieser spezielle Feuergeist Energie … um wieder zum Leben zu erwachen!“

„Nein, wir hätten es gleich wissen müssen“, tröstete Michiru und legte der engen Freundin die Hand auf die Schulter. Sie spürte, dass auch Haruka sich Vorwürfe machte, denen die Blonde gleich darauf Luft machte: „Als Senshi des äußeren Sonnensystems müssen wir die Erde vor Eindringlingen beschützen.“ Es gab Geschehnisse der Vergangenheit, die würde sich Haruka nie verzeihen. Galaxia. Das Bangen in dunklen Räumen.

„Aber es ist kein Eindringling. Der Hitodama war im Prinzip schon da“, gab Setsuna mit milder Stimme zu bedenken.

„Wartet …“, Rei kniff die Augen zusammen, während sie angestrengt nachdachte, die Gegenwart vermischte sich mit der Vergangenheit. „Als wir das erste Mal Eudial trafen … vor vielen Jahren … war das auf einem Matsuri wie dem heutigen.“

Michiru schlug sich reflexartig die Hand vor den Mund. Sie nahm wahr, wie sich Haruka neben ihr verkrampfte.

Eudial.

Die ihr buchstäblich die Pistole auf die Brust gesetzt hatte. Dieselbe Waffe, mit der sich Haruka später das Leben genommen hatte.

Lange hatten Michiru und Haruka auf eigene Faust nach den drei Trägern reiner Herzen gesucht, um zu verhindern, dass der Heilige Gral entstehen konnte. Doch in sich selbst hätten sie die Talismane nie vermutet. Eudial, Mitglied der Witches 5 und der Death Busters, hatte sie in eine Falle gelockt. Die rothaarige Hexe hatte Michiru zum Äußersten getrieben, für Haruka. Sie hatte ihnen alles genommen, wenn auch für kurze Zeit. Es war Michirus schlimmste Erinnerung. Sie hatte Haruka nicht beschützen können. Nächtelang hatte sie sich danach an den schlaksigen Körper der anderen geklammert, mit überwältigender Panik.

Im Gedanken an die Marine Cathedral, in der sie gestorben und von Pluto wieder zurückgeholt worden war, ließ Michiru den Deep Aqua Mirror, schmerzhaftes Ergebnis von Eudials Mord, verschwinden. Zusammen mit Plutos Talisman hatte sich der Gral gebildet, in Sailor Moons Händen eine kurzzeitige Rettung. Es belastete sie noch immer, dass sie danach beinahe Hotaru, besessen von einer dunklen Kraft, getötet hätten. Michiru machte sich eine innere Notiz, sobald wie möglich viele CDs zu bestellen.

„Eudial hat schon immer gerne mit dem Feuer gespielt“, nickte Minako zustimmend, die sich ebenso noch sehr gut an die schlimme Schlacht erinnern konnte. Die Aussichtslosigkeit. Das schmeckte ihr gar nicht.

„Warum jetzt? Warum nicht schon vor fünf Jahren?“, wollte Haruka fast schon verzweifelt wissen.

„Sie hat wohl nach dem Erlernen ihres Feuertricks noch ziemlich viel Energie sammeln müssen …“, Rei zuckte mit den Schultern, „Totgeglaubte leben länger!“

„Ich finde, wir sollten Mamo-chan Bescheid geben!“ In Usagis Augen begannen kleine Tränen zu glitzern.

„Warum sollten wir Chiba stören? Er ist auf Dienstreise in Yokohama. Bis er bei uns ist, haben wir den Hitodama dreimal angefangen“, meinte Minako bestimmt.

„Wir schaffen das auch ohne Männer. Wir Frauen sind höllisch stark“, fügte Rei hinzu.

Makoto setzte sich auf, als wäre das ihr Stichwort gewesen.

„Was machst du da, Mako-chan?“, Ami sah sie unglücklich an, doch die Energie der Konditorin in Ausbildung wischte alles Unwohlsein beiseite: „Ich werde kämpfen!“

Fest entschlossen schob sie das inzwischen fast aufgetaute Essen, auf das Usagi spekulierte, von den Gliedmaßen und stellte erleichtert fest, dass ihre magischen Kräfte tatsächlich schon am Werk gewesen waren. Sie alle standen auf und ließen das Recherchematerial liegen, bereit für den Kampf.

Usagi ballte ihre Finger zu Fäusten und ließ dabei ihre Armreifen klimpern: „Ich lasse es nicht zu, dass ein böses Monster ein Fest der Freude zerstört! Ich bin Sailor Mo-“

„Usagi, kommst du?“, Ami steckte den Kopf zur Tür herein und lächelte auffordernd.

„Ach, ihr seid schon los“, Usagi ließ die Arme und den Kopf sinken und folgte Ami nach draußen, wo gerade um die Wette in Energie und Elementen gebadet wurde.

Sailor Neptune und Sailor Uranus waren die Ersten, die wieder ihre Diademe auf der Stirn trugen. Sie mussten mit gutem Beispiel vorangehen. Letztlich hatten sie noch eine Rechnung mit einer der Witches 5 offen.

„Diesen Tag habe ich mir deutlich anders vorgestellt“, seufzte die Läuferin dennoch wenig motiviert. Anspannung und Nervosität lagen in der Luft.

„Ara, Haruka, normalerweise freust du dich über Action!“, Michiru legte ihren rechten Zeigefinger ans Kinn, ihre Hand formte automatisch einen eleganten Bogen. Doch Michiru wusste, diese Jagd bereitete Haruka ebenfalls ein flaues Gefühl im Magen.

Haruka zuckte bloß mit den Schultern, was ihre Freundin beunruhigt registrierte. Michirus Aufmerksamkeit wurde jedoch schnell von den anderen beansprucht, die nun einen Kreis bildeten und sich an die behandschuhten Hände fassten: „Sailor Transport!“
 

Es begann, zu dämmern. Auffällig leuchteten die Laternen des Matsuris. Eine Abkühlung war noch nicht in Sicht.

Vor allem, weil ein Teil des Matsuris lichterloh brannte. Moon erstickte einen Schrei.

„Au Backe, sage ich doch, wir hätten nicht so viel Zeit verschwenden sollen!“ Venus merkte, wie der kokelnde Geruch ihr Pfirsichshampoo übertünchte, sehr zu ihrem Missfallen.

Die Besucher des Festes flohen, so schnell sie konnten vor dem Feuer, das wohl aus einem Grill ausgetreten war.

Jupiter war eilig dabei, ein gestolpertes Kind aufzuheben, einen leidenden Laut ob der strapazierenden Bewegungen verbeißend.

„Da ist sie!“, rief Moon alarmiert. Neptune folgte Moons Blick. Der fließende Frauenkörper, gebildet aus Feuer, war unverkennbar, egal, dass er gekoppelt war an den Brand, aus ihm Energie saugend. Ihre roten, grausamen Augen hatten sie lange im Schlaf verfolgt.

„So sehen wir uns wieder“, klang es verheißungsvoll, und ihr Geisterkörper leuchtete wie aus tausend Glühwürmchen gemacht, bei jedem Wort immer lauter.

„Ichi, ni, san, shi, go, roku, shichi, hachi, kyu, ju!“, zählte Mars, sich ihr Ofuda vor das Gesicht haltend, ihn mit Macht auffüllend. Mit voller Kraft schleuderte sie ihren Bannspruch auf den Hitodama, doch obwohl die heiligen Schriften des Shintos an ihm kleben blieben, fiel das Pergament nach einem kurzen Augenblick effektlos zu Boden.

„Was?“, fassungslos starrte Mars auf ihre starke Waffe. Was war denn mit ihr los? Immerhin war sie zumindest schon einmal nicht um ihren Opa besorgt, schließlich waren sie durch ihren Teleport vor ihm angekommen. Das konnte sie nicht abgelenkt haben. Ob das Burnout war?

„Sind die Dinger nicht, äh, erfunden worden, um böse Geister dingfest zu machen?“, zog Venus sie auf, hinter ihrem Witz große Angst verbergend.

„Es wäre denkbar, dass sie nichts bringen, weil Eudial eine Hexe ist!“, warf Mercury ein, starken Husten unterdrückend, ausgelöst von so viel Rauch.

Pluto und Saturn hatten Eimer gekapert und schöpften aus dem Chouzuya, den Wasserbecken für die Hand- und Mundreinigung. Flüsternd entschuldigte sich Pluto für diese Aktion, aber sie mussten schnell handeln.

Jupiter fand einen Wasserschlauch bei einem der Stände, ebenso wie einen Hydranten unter einer der typisch markant bemalten Bodenplatten.

Bereit für die Senshi Feuerwehr!

Moon und Mars sammelten alte Frauen auf und schickten sie in eine sichere Richtung.

Funken stoben auseinander, als der Hitodama sich zur Flucht aufmachte.

„Uranus, Neptune, scheucht den Geist von diesem Gelände! Und seid vorsichtig!“, kommandierte Venus. „Wer hatte überhaupt die blöde Idee, flackernde Kerzen in einen hochempfindlichen Holzschrein zu stellen …“

Mit der Blonden und ihrer Gefährtin hatte Venus die Schnellsten der Truppe erwählt und so war es ein leichtes, Eudials momentane Form auf die Straße zu hetzen.

„Mercury, hinterher, deine Kräfte könnten Wunder bewirken“, Venus deutete in die Jagdrichtung und schon knallten tiefblaue Stiefel auf den aufgeheizten Asphalt.

Der Hitodama legte ein ziemliches Tempo vor. Flammen leckten an Bäumen, deren brennenden, herunterfallenden Ästen Uranus und Neptune gerade noch so ausweichen konnten. Mercury zückte ihre Wasserharfe, um gefolgt von einem „Mercury Aqua Rhapsody!“ die Brände in Schach zu halten.

„Sie ist direkt zum Hikawa Tempel unterwegs!“, rief Neptune. Es beunruhigte sie, wie viele Schulen und Kindergärten ringsum waren. Sicher, am heutigen, freien Tag und um diese Uhrzeit hoffentlich so gut wie leer, aber man wusste ja nie. Zudem gefährdete der rollende Feuerball gerade die Wohnsiedlung Azabu-Jubans.

Uranus nickte. Sie war der Wind – und auch so schnell und doch konnte sie nicht fliehen. Sie konnte nicht Michiru packen und sie in Sicherheit bringen. Haruka hasste sich dafür.

Kurz hielt Neptune inne, um den Deep Aqua Mirror zu materialisieren. Sie drehte sich einmal elegant um die eigene Achse – „Submarine Reflection!“

Normalerweise eingesetzt, um ihre Gegner zu vernichten, versiegelte sie mit dem gleißenden Licht aus ihrem goldenen Spiegel den Weg, um Passanten nicht zu gefährden. Dann nahm Neptune wieder die Verfolgung auf.

Die beiden rannten nebeneinander durch Midtown Tokyo – wie immer registrierte Neptune dabei, wie erstaunlich gut sie eins werden konnten, in diesen und in anderen Situationen. Es blieb leider keine Zeit, prüfend zu Uranus zu blicken.

Eudial schien ihr Ziel klar im Visier zu haben: den Forrest Tower. Wie ein Bienenstock ragte das sandfarbene Hochhaus in den Himmel, herausstechend bei all den mehrstöckigen, dunkelgrauen Hochhäusern oder den Ein-Familien-Häusern umringt von ein wenig Grün.

Der Feuergeist flog gezielt in die Luft – und Uranus riss sogleich die Eingangstür auf. Gut, dass sie das Fitnessstudio dort manchmal nach einem Treffen mit den Mädchen im Tempel besucht hatte … Jede Stufe ein heftiger Herzschlag.

Der Hitodama fand sich auf der Mitte des Dachs wieder, das Feuer glitt in alle Richtungen und wieder zurück, wie ein schlagendes, sich ausdehnendes und zusammenziehendes Herz. Mal waren Eudials Umrisse im Glutball sichtbar, mal verschwommen. Doch es bestand kein Zweifel daran, dass sie bald ausbrechen würde, in Fleisch und Blut.

„Angelockt von einer neuen Zeit, jetzt auch in dieser Welt: Sailor Uranus!“ „Und ebenso: Sailor Neptune!“ Das Paar stand Rücken an Rücken, so, wie es sein sollte. Es gab ihnen ein Gefühl der Sicherheit. Hinter ihnen schlug die Tür des Treppenhauses zu. Unter ihnen – Hinterhöfe und Straßen.

Es schien, als hätten die beiden Eudial in eine Sackgasse gezwungen – doch in Wirklichkeit war es genau das, was Eudial gewollt hatte, seitdem sie von den Senshi für Liebe und Gerechtigkeit gestört worden war.

„Ihr kommt genau passend! Eure Lebensenergie wird es sein, die mich zurückbringen wird!“

„Ach wirklich?“, überspielte Uranus mit kecker Stimme, wie wenig sie diese Konfrontation ausstehen konnte.

In diesem Moment war ein lautes „Mercury Aqua Mirage“ zu hören. Uranus und Neptune drehten sich um, um zu sehen, wie Mercury einen Ball aus Wasser aufditschen ließ wie einen Basketball. Sogleich war sie umgeben von Wasserstrahlen, die sie kanalisierte und auf Eudials Hitodama zielte. Der gewünschte Effekt blieb aus – außer, Mercury hätte vorgehabt, dass Eudial nur in ihrer Lieblingstonlage „jähzornig“ lachte.

„Mercury ist zu schwach“, Uranus riss die Augen schockiert auf.

„In der Tat“, pflichtete Eudial bei – und begann, Feuer zu speien. Uranus und Neptune sprangen geschickt auseinander, Neptune zog währenddessen Mercury zur Seite.

Erinnerungen an Eudials Hexenfeuer wurden wach, unterlegt von schauderhafter Orgelmusik, doch Haruka war nicht bereit, sich lähmen zu lassen. Sie war schon immer mehr der Typ „schieße zuerst, stelle dann die Fragen“ gewesen und so war ihr Vorgehen klar, noch bevor er ordentlich durchdacht war: „World Shaking!“

Und schon boxte sie ihre Faust in den Grund.

Der Rückstoß der beiden in einander prallenden Energien war verheerend. Uranus flog durch die Luft, wuchtig gegen die Tür zum Treppenhaus knallend.

Regungslos blieb sie liegen. Die rote Welt wurde um Haruka herum schwarz.

„Haruka!“, gelte es aus Michirus Richtung. Es war Mercury, die sie festhalten musste – kein besonders leichtes Unterfangen, denn es war, als hätte Harukas Verletzung ein wildes Tier in Michiru entfesselt, das fauchte und kämpfte.

Wie hatte Haruka sich auf diese Situation einlassen können? Es konnte so keinen Gewinner geben … und Michiru wollte nicht noch einmal – zum dritten Mal – alles verlieren. Sie wollte Haruka halten, noch mehr wollte sie allerdings Eudial in Plasmastücke reißen.

„Da wollte sich jemand ausnahmsweise mal die Hände schmutzig machen!“, kommentierte Eudial, jedoch verlor auch sie kurzzeitig ihre Fassung, als da Röcke in schwarzrotgold, rot, orange, grün, lila und schwarz plötzlich auftauchten.

„Hey, Uranus, was liegst du ihr faul rum?“, überspielte Venus wieder einmal den Ernst der Lage, ihre blauen Augen sprachen eine andere Sprache. Für Michiru und ihr Herz, das drohte, still zu stehen, keine wirkliche Rettung, aber zumindest ließ Mercury sie beruhigt los.

„Wir sind die Sailor Senshi und wir stehen für Liebe und Gerechtigkeit und im Namen des Mondes werden wir dich bestrafen!“, schallten da mindestens vier eifrige Stimmen.

„Wir wären früher gekommen, aber eine gewisse Person hat sich verdammte Victoria’s-Secrets-Flügeln auf den Rücken getackert!“ Noch während Moon „Ey!“ rief, faltete Mars die Hände. Die Luft flimmerte, als sie einen Kreis aus Feuer malte: „Burning Mandala!“

„Ja, gib’s mir, Baby!“, schrie Eudial erfreut, als Feuer auf Feuer traf.

„Mars, was zur Hölle …?“, Venus drehte sich mit anprangerndem Gesichtsausdruck zu Mars.

„Ich wollte Feuer mit Feuer bekämpfen“, Mars starrte peinlich berührt auf ihre roten Stöckelschuhe. Stattdessen hatte sie alles nur noch schlimmer gemacht. Der sich verformende Feuerball bäumte sich gegen den sich dunkel verfärbenden Himmel auf. Eudials Ankunft stand kurz bevor und ihre Rache würde bitterlich sein.

Und Haruka rührte sich immer noch nicht, was ihrer Adoptivtochter nicht entgangen war.

Sailor Saturn schob wütend ihren Silence Glaive vor: „Zwing mich nicht, das hier zu benutzen!“

Die Sailor Senshi des inneren Sonnensystems schrien hysterisch wie aus einem Lipglossumfassten Mund: „Hotaru nein!!!“

„Hotaru ja!!!“, donnerte Sailor Saturn zurück.

„Ihr alle, Eudial gehört mir“, schritt Neptune ein und dabei vorwärts. Sie spürte, wie ihre Wangen unerträglich zu glühen begannen, je näher sie an die gewachsene Gestalt aus Feuer herantrat. Die Hexe war stark geworden, als hätten Mars und Mercury sie gefüttert, statt zu schwächen. Und an Makoto zu knabbern, hatte ihr sicher ebenso nicht geschadet.

Die Kriegerin im Schutze des Planeten Neptuns war hochkonzentriert - völlig eingestellt auf ihr Ziel: Eudial musste verschwinden, ein für alle mal. Und wenn Mercurys Wasser nicht reichte, dann schickte sie eben ein ganzes Weltmeer! Eudial hatte es nicht anders verdient, Haruka so zu verletzen …

„Du konntest mich schon einmal nicht besiegen, Sailor Neptune!“, konterte der Hitodama.

„Du musstest erst von deiner eigenen Kollegin verraten werden, nicht wahr? Du hast nichts, Eudial, gar nichts.“ Neptune wusste, dass sich gleich alles lostoben wurde, was in ihr steckte – und mit einem siegessicheren Lächeln bereitete sie sich auf den Angriff vor.

„Aber das können wir ändern“, warf Moon flehentlich ein, „Lasst uns nicht mehr kämpfen!“

„Nein. Dieses Risiko kann ich nicht eingehen“, fuhr Michiru Moon über den Mund. Sie blickte in Eudials Gesicht, sah das hämische Lächeln: „Du hast mein Leben schon einmal zerstört.“

Sie faltete die Hände vor der Brust wie zu einem intensiven Gebet: „Macht des Neptuns!“

Während sie ihren Planeten beschwor, mit einem aufflackernden Dreizack auf der Stirn, hörten die anderen das, was Michiru ständig in ihrem Kopf vernahm – Meeresrauschen. Aber das Meer war ungehalten.

Ihre Locken wurden in die Höhe geblasen von einer seegrün gefärbten Energie, die aus dem Erdboden zu stoßen schien. Und dann begann Sailor Neptune zu wirbeln wie die Primaballerina, die ihre Eltern in Michiru gesehen hatten: „Deep Submerge!“

Noch nie war der Meeresplanet, den sie durch die Luft schickte, so gefährlich gewesen. Mit offenen Mündern starrten die Sailor Senshi – einige mit zugehaltenen Ohren – auf die tanzende Feuerfigur im reißenden Ozean.

„Sailor Moon, schnell!“, forderte Pluto die geflügelte Heldin auf.

Moon nickte. Die Eternal Tiare erschien, getwirlt von Moon als wäre sie Meisterin der Rhythmischen Sportgymnastik, bald begleitet von weißen Federn: „Starlight Honeymoon Therapy Kiss!“

Sie versiegelte die Aura von Eudial, sodass nichts mehr von ihrer Hitodamagestalt auf dieser Welt übrig war. Ihr Besuch an diesem Tag – nur noch Schall und Rauch.

„Sie meinte bestimmt …“, Minako äffte einen Youma vergangener Zeiten nach, „Verlooooreeeen!“

In diesem Augenblick ächzte es aus einiger Entfernung. Michiru war sofort zu Haruka gelaufen, direkt, nachdem sie das Feuer buchstäblich gelöscht hatte. Harukas Kopf auf ihren Schoß gebettet, die Finger in ihren Haaren, wartete sie darauf, bis Haruka wieder zu sich kam. Erfreulicherweise dauerte es nicht lange bis Haruka, eine blutige Schramme im Gesicht, mühsam die Augen öffnete. Der Schmerz durchdrang sie sofort: „Au, mein … alles …“

Doch augenblicklich wurde ihr klar, wo sie sich befand, und so versuchte sie umgehend aufzustehen: „Alles gut!“

Dass Michiru sie noch stützten musste, ließen beide unkommentiert. Michiru hätte nicht glücklicher sein können, dass Haruka wieder bei vollem Bewusstsein war.

Nach und nach verwandelten die jungen Frauen sich zurück, mit bunten Bahnen magischen Stoffes direkt aus ihren Herzbroschen. Haruka versuchte inständig, bei ihrem Prozess nicht zusammenzusacken. Es fiel leichter, als ihre dunkelblauen Stiefel weichen mussten für ihr traditionelles Schuhwerk. In Jogginghose zu Hause und mit Schmerzmittle hätte sie sich deutlich besser gefühlt. Nicht, dass sie das je zugegeben hätte.

„Ach, Leute, bin ich glücklich, dass wir den Tag gerettet haben … auch, wenn Michiru ziemlich angsteinflößend ausgesehen hat“, Minako seufzte, dann begann sie, ganz das große Idol, das sie einmal werden wollte, aus vollem Hals zu singen: „When the moon is in the Seventh House and Jupiter aligns with Mars, then peace will guide the planets and love will steer the stars!“

Sie zwinkerte Rei und Makoto entspannt zu.

„Wo gehen wir denn jetzt hin, da ja das Matsuri abgeblasen wurde?“, fragte Usagi. Dieser Sieg musste gefeiert werden! Sie hatte Hunger wie ein Löwe!

„Ich nehme an, da, wo Reis Großvater ist, herrscht eine Riesensause!“, lachte Makoto dröhnend und umarmte Ami, die erleichtert feststellte, dass Makoto wieder ganz die Alte war, wie vor dem unerwarteten Angriff. Auch Hotaru ließ sich von Setsuna eine Hand auf die Schulter legen, die Michiru auffordernd zunickte. Diese ließ ihre Finger unentwegt über Harukas Rücken fahren: „Wir gehen lieber nach Hause. Au revoir!“

Sie winkten alle zum Abschied, als Michiru Haruka, die eigentlich mehr oder weniger mit zur Party wollte, langsam abtransportierte – und schließlich ein Taxi winkte.
 

Es war der Sportlerin sichtlich nicht leicht von der Hand gegangen, vor den Mädchen ihre Schmerzen zu verbergen. Sobald sie alleine waren, bröckelte die Fassade. Michiru erinnerte sich noch genau, wie sie das erste Mal verletzt in Harukas Armen gelegen hatte. In den Armen ihrer Traumfrau, die sich, sofort noch wütend auf sie, nun um sie ängstigte. Und dann ihr Schicksal als Senshi annahm. Wie so häufig quoll Michirus Herz über mit Liebe und Sorge.

„Ruka, wie kannst du nur an das abgesagte Feuerwerk denken, du bist verletzt!“, Michiru hievte Haruka zu Hause angekommen aufs Sofa. „Was bist du überhaupt so fixiert darauf, wir leben in der Präfektur Tokio, wo fast täglich aus irgendeinem anderen Grund im Sommer ein Feuerwerk entzündet wird!“

„Bloß, ich …“, Haruka wollte sich wieder aufsetzen, wurde allerdings ruhig, aber bestimmt zurück auf die Kissen gedrückt: „Keine Widerrede!“

Haruka räusperte sich, ihre ohnehin rauchige Stimme krachend: „Michiru, ich habe lange darüber nachgedacht, wie ich es dir sagen könnte ... Ich habe die letzten Nächte kaum geschlafen ...“

Mit chronischer Schlaflosigkeit war das Michiru nicht entgangen, doch es war auch derzeit eine Vollmondphase, in der sich alle Senshi üblicherweise den Nachthimmel anstarrend wiederfanden.

„Ich, äh“, stammelte Haruka. „Ich konnte kaum essen! Ich ...“

In Michirus Kopf gingen alle Sirenen an. Wollte Haruka etwa mit ihr Schluss machen? Es war ein Quatschgedanke, aber gleichzeitig ihre größte Angst. Noch furchteinflößender als ihre Visionen vom Ende der Welt. Sie spürte, wie ihr die Wärme aus dem Gesicht glitt und sich ihre Züge verhärteten.

Doch Haruka sprach nicht weiter. Ihre Wangen röteten sich, als sie begann, etwas, das in ihrem Obi eingeklemmt war, herauszufischen.

„Ich habe beschlossen, es dir während des Feuerwerks zu sagen ...“

Danke auch!

„... denn du verdienst ein Feuerwerk, ein Fest ... soviel mehr. Michiru Kaioh, ich liebe dich. Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen ... als meine Frau. Du bist die schlauste, schönste, talentierteste, irre attraktivste Person, die mir je begegnet ist. Jeden Morgen wache ich auf, glücklich, in deine Augen schauen zu dürfen. Wie du lachst ... und die eine Augenbraue hebst ... dein tolles Haar wirfst ... du ... du bist mein Ein und Alles. Und ich hatte heute so viel Angst, dich schon wieder an Eudial zu verlieren … ich könnte ohne dich nicht leben.“

Sie hielt eine Schatulle in der Hand, die sie mit zitternden Fingern öffnete. Der Ring, der zum Vorschein kam, war sagenhaft und verschlug Michiru, in Wohlstand geboren und aufgewachsen, vollständig die Sprache. Es war nicht sein Wert – es war seine Aufmachung. Auf dem dünnen Goldring waren kleine Opale und Aquamarine so angeordnet, als wären sie eine wilde Welle. Haruka schien ihn selbst designt zu haben – und an einer Gravur auf der Innenseite zweifelte Michiru ebenfalls nicht. Ihre gedankenvolle Haruka.

Erleichterung machte sich in ihr breit. Ein Gefühl, auf das sie wohl schon länger gewartet hatte. Michiru machte sich nichts aus dem Kleid, der Party. Aber Haruka. Auf die große Frage zu warten, war eine unterschwellige Ungeduld gewesen. Michiru hätte Haruka, die diesen Antrag Monate im Voraus vermutlich geplant hatte, alle Zeit der Welt gelassen. Sie waren zusammen - für die Ewigkeit. Nicht, weil ihr erstes Leben es so besiegelt hatte – sondern, weil sie nur einander wollten.

Aber ihr Spiegel ... der musste wohl wirklich zum TÜV, so wenig, wie der Schlingel ihr zuletzt gezeigt hatte ...

„Michi, willst du mich heiraten?“

Michiru starrte sie an. Innerlich schlug sie die Hand vor den Mund, weinte. Äußerlich lächelte sie wie noch nie in ihrem Leben: „Oh, Haruka! Ich würde sogar auf einer Müllhalde ‚ja’ sagen!“

Haruka streifte ihr den Ring über den Ringfinger und sie küssten sich tief, leidenschaftlich.

„Wir sind zusammen, selbst, wenn wir zur Hölle fahren!“, flüsterte Haruka atemlos.

„Lass das nicht Hotaru hören“, ermahnte Michiru sie. Doch schon gleich darauf zwinkerte die Violinistin der Sportlerin zu.

„Du wirst so hübsch aussehen in deinem Kleid“, murmelte Haruka verträumt. Michiru kicherte: „Und du so sexy in deinem Anzug!“

Michiru kletterte vorsichtig hinter Haruka, um nicht ihre schmerzenden Stellen zu streifen.

Der Pool war vergessen, die Abendhitze. Die Last ihres Schicksals, die Gefahr.

Alles war in Ordnung, wenn sie ihr Mädchen hielt.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Subaru
2017-04-24T14:52:54+00:00 24.04.2017 16:52
Yeah! Gelesen!^^ Nochmal hier: Glückwunsch zum 2. Platz!^^v
Ich finde die Idee echt cool. Vor allem das mit Eudial, weil das ein schönes und krasses Thema von Haruka und Michiru aufgreift. Auch das die Senshi älter sind, finde ich cool. ^^ Auch wenn mich Venus etwas nervt. -lach- Aber du hast in ihr die Anführerin der Inners gezeigt, was ich auch mag. Das wird in der Serie später so vernachlässigt.
Ich mag deine Beschreibungen und Gefühlserklärungen sehr. Das macht die Geschichte sehr anschaulich.
Ab und an sind die Übergänge nur etwas schnell, was mich manchmal verwirrt hat. Aber man kann die Geschichte dennoch gut durchgängig lesen.
Und das Ende finde ich sehr schön.^^v
Von:  dreamfighter
2017-01-25T09:35:26+00:00 25.01.2017 10:35
Echt super geschrieben, auch wenn ich finde, dass du da durchaus noch mehr hättest rausholen können.
Manche Szenen wirken auf mich wie zusammengewürfelt. Aber es stört den Lesefluß dennoch nicht im geringsten.


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