Silbermond von Fiamma ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Kapitel 2   Unruhig wälzte sich Mamoru in seinem Bett hin und her, bis er schließlich schweißgebadet hochschreckte. Er brauchte einen Moment, bis er sich wieder gesammelt hatte und wieder wusste, wo er sich befand. „Es war nur ein Traum“, flüsterte er leise zu sich selber und fuhr sich durch seine verschwitzten Haare. Er musste eingeschlafen sein. Wie lange er wohl geschlafen hatte? Ein Blick auf seinen Wecker, der auf seinem kleinen Nachtschränkchen stand, verriet ihm, dass es noch früh am Morgen war, beinahe noch Nacht. Gähnend schwang er seine Beine über die Bettkante und schlüpfte in seine Hausschuhe. Schlaftrunken stand er auf, ging herüber zum Fenster und stützte sich mit seinen Händen am Fensterbrett ab. Nun hatte er schon so lange geschlafen, doch besser fühlte er sich trotzdem nicht. Traurig sah er herauf zum Mond und schluckte schwer. Sein Traum hing ihm immer noch in den Knochen. Er suchte verzweifelt nach Usagi und fand schließlich ihren leblosen Körper zwischen den Trümmern des zerstörten Tokios. Die leeren Augen, die ihn dabei anstarrten, ließen ihm das Blut in den Adern gefrieren. Schwer atmete er ein und aus, kniff seine Augen zusammen und versuchte sich zu beruhigen. Es war bloß ein Traum. Nur ein Traum redete er sich immer wieder selber zu. Langsam öffnete er wieder seine Augen und richtete seinen Blick wieder auf den Mond. Doch kurz stutzte er. Irgendetwas war anders an ihm, aber er kam nicht herauf, was es war. Doch schnell schüttelte er seinen Kopf. Das war doch absurd. Er sah doch aus, wie immer. Nachdenklich wandte er seinen Blick ab, drückte sich mit seinen Händen vom Fensterbrett ab und drehte sich wieder Richtung Bett. Kurz überlegte er, ob er vielleicht doch noch mal probieren sollte zu schlafen, doch schnell entschied er sich, erst mal unter die Dusche zu springen. Er würde ja doch keinen Schlaf finden, selbst wenn er es versuchen würde.   Erfrischt durch die Dusche, fühlte sich Mamoru etwas besser. Mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelnd, lief er langsam zurück in sein Schlafzimmer. Nachdem er sich schnell neue Klamotten übergezogen hatte, schnappte er sich das Tagebuch, ging damit in sein Wohnzimmer und ließ sich auf das Sofa fallen. Rasch suchte er den letzten Eintrag, den er gelesen hatte, bevor er eingeschlafen war, heraus und begann wieder zu lesen.       … Nun klopft meine Mutter schon wieder an die Tür. Ich hab ihr doch gesagt, dass ich nicht mit ihm sprechen möchte. Ich kann jetzt einfach nicht mit ihm reden. Er würde ja doch nur den anderen wieder recht geben, dass ich sie nicht benutzen soll. Aber was soll den nur so schlimm an dieser Kette sein? Ich mache doch nichts Schlimmes damit. Es fühlt sich gut an sie zu tragen. Ich fühle mich auf einmal nicht mehr so … ja, nicht mehr so leer. Die Leere, die ich seit Monaten verspüre, scheint zu verblassen … Diese Stimme, die um Erlaubnis fragte, sich mit mir zu verbinden, war so sanft und gutmütig. Ich fühlte mich sofort so geborgen in dieser Wärme. Warum sollte ich da nicht zu stimmen? … Und dieses Gefühl, als diese neue Kraft durch meinen Körper strömte … Endlich fühle ich mich nicht mehr so schwach und hilflos. Daran kann doch nichts Schlimmes sein? Gegen eine starke Königin spricht doch nichts dagegen? Ein wenig tut es mir schon leid, was ich Mamo-chan an den Knopf geworfen habe. Aber ich konnte einfach nicht mehr anders. Ich wollte doch nur mit ihm sprechen, was im Museum passiert war und er hörte einfach mal wieder nicht zu …   Gedankenschwer sah Mamoru auf. Er erinnerte sich gut an den Tag, als sie zu ihm kam. Er machte ihr die Tür auf und ging danach sofort, ohne sie anzusehen, wieder an seinen Schreibtisch, da er noch etwas fertig machen wollte. Sie wollte mit ihm sprechen, doch er hörte gar nicht wirklich zu, was wie wollte und machte seine Aufgabe weiter, bis sie ihn schließlich bei seinem vollen Namen rief. Dies tat sie nur, wenn sie wirklich sauer auf ihn war, huschte ihm ein kurzes Lächeln übers Gesicht. Also unterbrach er seine Arbeit. Zurückblickend hätten ihm die herumfliegenden Zettel auf seinen Schreibtisch schon zu denken geben müssen, als sie ihn anschrie. Aber er wäre nie darauf gekommen, dass sie dies war. Der Anblick, der sich ihm dann aber bot, als er sich zu ihr herumgedreht hatte, würde er vermutlich nie vergessen. Wie sie ihn mit ihren silbernen Augen und den silbernen Strähnen in ihrem Haar, angefunkelt hatte. Seufzend lehnte er sich zurück an die Sofalehne. Auch den darauffolgenden Streit würde er nicht so schnell vergessen. Schnell hatte sie ihm erzählt, was passiert war und die Tatsache, dass er ihren Freundinnen recht geben musste, hatte sie natürlich aufgebracht davon laufen lassen. Sofort war er natürlich hinterhergelaufen. Der Gedanke daran, was sie ihm dann, mit Tränen in den Augen, sagte, ließ seine Brust schmerzlich zusammenziehen. Denn sie hatte absolut recht damit, dass er keine Zeit für sie hatte und sie nicht beachtete. Ja, es fiel ihm wirklich nicht auf, wenn sie bei ihm war und dann irgendwann, ohne etwas zu sagen, dann wieder ging. Es wäre ihm vermutlich wirklich nicht mal aufgefallen, wenn sie sich wochenlang nicht gesehen hätten. Vorsichtig legte Mamoru das Tagebuch neben sich auf das Sofa, fuhr sich mit seinen Händen durch die Haare und stand auf. Er war wirklich so ein Idiot gewesen. Wenn er könnte, würde er die Zeit zurückdrehen und alles besser machen. Doch dies konnte er nicht. Er konnte jetzt nur hoffen, dass sie zu ihm zurückkehrte. Schnell huschte Mamoru herüber in die Küche und goss sich ein Glas mit Wasser ein. Er musste dringend seine trockene Kehle befeuchten. Mit einem Zug leerte er das Glas und stellte es zurück in die Spüle. Das kalte Wasser tat ihm gut. Ihm wurde schon wieder so warm und er hatte das Gefühl, der Boden würde sich unter ihm drehen. Mamoru hatte noch gar nicht gemerkt, dass die ersten Sonnenstrahlen sich schon längst durch die Wolken bahnten und der Morgen schon lange angebrochen war, als er die Wasserflasche zurück in den Kühlschrank stellte. Kurz streckte er seine müden Glieder, wobei sein Blick auf die kleine Uhr an seinem Herd fiel. „Verdammt“, stöhnte er laut aus und spurtete aus der Küche. Erst jetzt hatte er wirklich realisiert, wie spät es schon war. Er hatte zwar keine große Lust, aber wenn er noch pünktlich in der Uni sein wollte, musste er sich jetzt beeilen. Oft klemmte er seit Usagi verschwunden war Stunden ab, aber bei dieser konnte er es nicht. Es herrschte Anwesenheitspflicht, wenn man den Kurs bestehen wollte. Eilig hatte er seine Tasche gepackt, war in seine Schuhe geschlüpft und wollte schon zur Tür hinaus stürmen, als er noch mal zurück ins Wohnzimmer lief. Rasch steckte er ein Lesezeichen in Usagis Tagebuch, packte es in seine Tasche und verließ danach die Wohnung.     Lustlos saß Mamoru kurze Zeit später in der Vorlesung und versuchte seinem Dozenten zu folgen. Doch so richtig wollte ihm das nicht gelingen und seine Gedanken schweiften immer wieder ab. Halbherzig notierte er sich die wichtigsten Fakten und war froh, als die Stunde endlich vorbei war. Er war gerade dabei seine Sachen einzupacken, als ihm jemand von hinten auf die Schulter klopfte. „Hey Chiba. Wir wollen in die Bibliothek lernen gehen, bevor der nächste Block anfängt. Kommst du mit?“ Schulterzucken steckte er seinen Block in die Tasche und drehte sich zu seinem Kommilitonen herum. „Ja, warum eigentlich nicht.“ Ohne ein Wort zu sprechen, trottete er den anderen hinterher und betrat mit ihnen die Universitätsbibliothek. An einen der Tische saß Shouta und winkte ihm schon von Weitem zu. Kurz gab er den anderen zu verstehen, dass er sich zu Shouta setzen würde, und trennte sich von dem kleinen Grüppchen. „Hey Mamoru. Hier, bevor ich es vergesse“, überreichte Shouta Mamoru die ausgeliehene Mappe. „Oh. Danke“, nahm Mamoru die Mappe entgegen und setze sich zu ihm an den Tisch, „So schnell hätte ich gar nicht damit gerechnet.“ Grinsend wedelte Shouta daraufhin mit seinen Händen und tippte sich danach mit dem Zeigefinger gegen seine Schläfe. „Köpfchen muss man nur haben. Ich habe einfach die fehlenden Seiten kopiert, statt alles mühsam abzuschreiben.“ Schmunzelnd legte Mamoru seine Tasche vor sich auf den Tisch und wollte die Mappe hineinstecken, als ihm wieder einmal schwindelig wurde. Kreidebleich krallte er seine Finger in seine Tasche und wartete, bis es wieder vorbei war. Shouta, dem das nicht entgangen war, runzelte besorgt seine Stirn. „Alter, alles in Ordnung bei dir?“ „Ja … ja … alles Okay“, atmete Mamoru hörbar ein und aus. Nach einigen Minuten hatte sich Mamoru wieder gefangen und nahm einen großen Schluck aus seiner mitgebrachten Wasserflasche. Skeptisch wurde er dabei von Shouta beobachtet. „Ist auch wirklich alles in Ordnung? Du siehst … “ „Alles gut. Ich bekomme glaube ich, einfach eine Erkältung“, wurde Shouta sofort von Mamoru unterbrochen, „Lass uns lieber anfangen zu lernen. Die nächsten Prüfungen stehen schließlich an.“ Schulterzuckend nahm sich Shouta wieder seine Bücher zur Hand und machte sich eifrig Notizen dazu. Auch Mamoru nahm seine Unterlagen heraus, wodurch ihm das kleine rote Buch in die Hände fiel. Sofort blickte er auf, ob ihn auch niemand beobachtete, und stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass alle vertieft in ihre eigenen Unterlagen waren. Schnell war die Seite mit dem Lesezeichen aufgeblättert und er begann wieder zu lesen.     … Wie meine Familie geguckt hat, als ich nach Hause kam. Gut, dass mir gleich die Ausrede mit der Schule gekommen ist. Da Shingo nicht auf meine Schule geht, kann er zum Glück auch nicht verraten, dass es nicht gerade Mode bei uns ist, mit silbernen Augen und Haaren herumzulaufen. Wie mein Vater sich wieder aufgeregt hat. Er sollte lieber langsam einsehen, dass ich kein Kind mehr bin und ich tun und lassen kann, was ich möchte. Ich kann ihnen ja schließlich nicht verraten, dass ich im Museum einen Mann getroffen habe, der mir einfach so eine Kette geschenkt hat, die anscheinend mit mir geredet hat, sich mit mir auf irgendeine Weise verbunden hat und ich nun silberne Augen bekommen habe, und wenn ich meine neue Kraft benutze, einzelne Strähnen meiner Haare sich Silber verfärben. Wobei ich ihnen am Liebsten zeigen würde, was ich alles kann. Ich meine, die Sache mit den Blumen bei Rei, war doch der Wahnsinn. Ich brauchte mich nur auf die vertrockneten Blumen zu konzentrieren und zack haben sie wieder geblüht. Ich verstehe gar nicht, warum sich alle so aufgeregt haben, als ich es ihnen gezeigt habe und alle wollten, dass ich die Kette ablege. Gut, dass Rei von mir, beziehungsweise von einer Art Energiedruckwelle oder so etwas, weggeschleudert wurde und böse deswegen war, kann ich ja verstehen. Aber sie sollte halt nicht so an mir zerren, es war doch wirklich keine Absicht … Wenn Rei und die anderen wüssten, dass ich froh bin, dass ich die Kette nicht abnehmen konnte, egal wie sehr ich es probierte, würde sie mit Sicherheit ausflippen lassen. Die anderen sind zwar der Meinung, ich sollte diese neue Kraft nicht benutzen, da man nicht wisse, ob sie guten Ursprungs ist, aber ich finde, ich sollte sie ausprobieren. Ich meine, ich würde es doch merken, wenn etwas Böses davon ausgehen würde? Ob der Großvater von dem Mann recht damit hatte? Ist der Stein der Kette wirklich direkt vom Mond und gehörte der König Selene persönlich? …   Nachdenklich tippte sich Mamoru gegen sein Kinn und versuchte sich an die Kette zu erinnern. Sie war Silber mit einem silbernen Anhänger. In dem Anhänger war ein weiß, bläulicher Stein gefasst, wenn er sich richtig erinnerte. So einen Stein hatte er zumindest vorher noch nicht gesehen gehabt. Schwungvoll klappte er das Tagebuch wieder zu, steckte alle seine Unterlagen zurück in seine Tasche und stand auf. „Entschuldige mich bitte.“ Irritiert, warum Mamoru so plötzlich aufstand, hob Shouta eine Augenbraue in die Höhe und nickte ihm dann zu. Kurz sah er ihm noch hinterher, wie er zwischen den großen Bücherregalen verschwand, und richtete danach seinen Blick wieder auf seine Notizen.   Grübelnd ging Mamoru durch die Bibliothek und suchte nach der richtigen Abteilung. Da sie groß war und nicht nur für das Medizinstudium zuständig war, sondern vielen Studenten der Universität zur Verfügung stand, gab es hier dementsprechend viele Bücher und Regale. Wenn er sich jedoch nicht ganz irrte, gab es hier auch einen kleinen Bereich mit Büchern über Kristalle und Steine. Vielleicht konnte er ja herausfinden, was es für ein Stein war. Stöhnend ging er durch den nächsten Gang, da er sie immer noch nicht gefunden hatte. Aufgeregt drängten sich mehrere Studenten auf einmal an ihm vorbei. Verwundert sah er ihnen hinterher, wie sie eilig zum Ausgang liefen. Vermutlich kamen sie zu spät zu ihrer Vorlesung, schoss es ihm durch den Kopf, als plötzlich Shouta hinter ihm rief. „Was machst du denn noch hier?“ „Ich suche etwas warum? Bis zum nächsten Block ist doch noch Zeit.“ Sofort wedelte Shouta mit seinen Armen und lief auf ihn zu. „Hast du es gar nicht gehört? Alle Studenten sollen sich sofort nach Hause begeben. Schlimme Sturmwarnung wurde für heute Nachmittag ausgerufen.“   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)