Ein Grund zum Kämpfen von Caliburn ================================================================================ Kapitel 1: ----------- "Maaau!", begrüßte Rollo sein Herrchen laut, als dieser leise die Wohnungstür aufschloss und eintrat. Julius drückte sich den Zeigefinger seiner behandschuhten Hand auf den Mund. "Psst, bist du wohl leise?" Sein Blick wanderte zu der halb offenen Tür, die in Ludgers Zimmer führte. "Du willst doch nicht, dass er aufwacht und mich so sieht, oder?" Er deutet auf das Blut seiner Kleidung, das bereits zu trocknen begann. Der dicke weiße Kater legte nur den Kopf schief und sah ihn mit seinen grünen Augen an. "Mau?" Schmunzelnd erhob sich Julius wieder und bemerkte auf dem Essenstisch der großen Wohnküche eine Tellerglocke. Er hob sie vorsichtig hoch und seine Augen weiteten sich freudig. Ludger hatte wieder einmal gekocht, was Julius seinem kleinen Bruder neidlos zugestehen konnte. Ein Teller mit Nudeln, die mit frischen Tomaten und Kräutern angerichtet worden waren, lächelte ihn an. Erst jetzt bemerkte der Mann, dass er seit Stunden nichts mehr gegessen hatte und sein Magen knurrte zustimmend. Doch konnte er sich nicht so einfach über das gekochte Gericht hermachen. Zu aller erst musste er die Kleidung in die Waschmaschine stopfen und Duschen gehen, um sich selbst von Blut und Dreck zu befreien. Rollo scharwenzelte vor der Tür des Badezimmers auf und ab, während er darauf wartete, dass sein Herrchen aus dem Raum kam und zu Abend aß. Natürlich hatte Ludger ihn bereits zur gewohnten Zeit gefüttert, doch sprach doch nichts gegen einen spätabendlichen Imbiss. Oder? Frisch gewaschen trat Julis aus dem Bad und trocknete sich die Haare mit einem Handtuch ab. Nachdem er sich seinen Pyjama angezogen hatte, bewaffnete er sich mit einem Eimer voller Wasser und einem Lappen, eher er die Wohnungstür so leise wie möglich öffnete und auf den Hausflur trat. Mit der gleichen Handbewegung wie zuvor deutete er dem Kater ruhig zu sein und schloss die Tür. "Mau...", murrte Rollo vor sich hin und folgte durch die Katzenklappe, die aus unerfindlichen Gründen immer enger zu werden schien, seinem Herrchen auf den Flur. Der Mann hatte gerade auf die Taste des Fahrstuhls gedrückt, als der dicke Kater zu ihm aufholte. "Du musst nicht mitkommen. Ich bin doch gleich wieder da." Rollo erwiderte nichts darauf, sondern folgte ihm ruhig in den Fahrstuhl, als dieser im zweiten Stock ankam und mit einem Pling die Tür zur Seite glitt. Julius suchte nach Blut, das vielleicht von seiner Kleidung auf den Boden getropft sein konnte. Das tat er eher selten, da die Kämpfe gegen die Katalysatoren kaum so blutig endeten wie der an diesem Abend. Nachdem sich Julius davon überzeugt hatte, dass weder im zweiten Stock, noch im Fahrstuhl oder Erdgeschoss Blut auf dem Boden gekommen war öffnete er die Haustür und spähte in die Nacht hinaus. Der weiße Kater tat es seinem Herrchen gleich, doch zog er sofort wieder den Kopf rein, denn ein leichter Nieselregen hatte in der Zwischenzeit eingesetzt. Beruhigt schloss Julius die Tür wieder und blickte zu Rollo runter. "Na? Hunger auf einen Mitternachtssnack?" "Mau!" Die Zahnräder der silbernen Taschenuhr drehten sich langsam als Julius mit vorsichtigen Bewegungen eine der winzigen Schrauben nachdrehte. Dabei kaute er unbewusst auf der Unterlippe herum, ein Relikt aus seiner Kindheit, das er sich einfach nicht abgewöhnen konnte. Erst als Ludger ihm eine Tasse mit frisch gebrühtem Kaffee auf den Tisch stellte, blickte er auf. "Danke dir." Ludger nickte stumm und lächelte. Er ließ sich auf dem Stuhl neben seinem älteren Bruder nieder und beobachtete ihn ruhig beim Werkeln. Es vergingen einige beinah lautlose Momente, in denen die Küche nur vom leisen Ticken der Taschenuhr und Rollos Schmatzen erfüllt war, ehe sich Julius, ohne von seiner Arbeit aufzusehen, an seinen Bruder wandte. "Irgendwas liegt dir doch auf dem Herzen, oder?" "Na ja", begann Ludger und atmete noch einmal tief ein, bevor fortfuhr. "Ich möchte auch für die Spirius Corporation arbeiten." Julius hielt in der Arbeit inne und schwieg. Langsam legte er die Werkzeuge aus den Händen auf den Tisch, ehe er ein breites Lächeln aufsetzte. "Wirklich?" Mit einer schnellen Bewegung stand er auf legte seinem jüngeren Bruder beide Hände auf die Schultern. "Das ist fantastisch!" Erleichtert von der scheinbar positiven Reaktion seines großen Bruders begann Ludger breit zu grinsen. "Aber glaub ja nicht, dass ich es dir leichter als den anderen Anwärtern machen werde", spottete Julius und drohte Ludger spielerisch mit dem Zeigefinger. Dieser schüttelte den Kopf, ballte die Hand zur Faust und hielt sie seinem Bruder vor die Brust. "Ich werde mein Bestes geben." Julius lächelte. "Natürlich wirst du das", sagte er ermutigend und ließ ihre Fingerknöchel brüderlich aufeinandertreffen. "Da sind Sie ja endlich, Direktor Kresnik!" Mit strengem Schritt ging Vera auf Julius zu, der gerade die Empfangshalle der Spirius Corporation betrat. "Wir haben versucht Sie über Ihr GHS zu erreichen, doch kamen wir nicht durch." Sie rückte sich ihre Brille mit einer routinierten Handbewegung zurecht. "Wir sorgten uns schon um Ihr Wohl. Trotz der erfolgreichen Zerstörung der Splitterdimension nahmen wir an, dass Ihnen etwas zugestoßen sein könnte." Sie musterte ihn mit harten Augen, ehe sie fortfuhr. "Offensichtlich war unsere Befürchtung ohne Grund." Julius lächelte so freundlich wie er nur konnte. "Ich weiß deine Sorge um mich sehr zu schätzen, Vera. Aber der Grund für mein Schweigen ist", er kramte in seiner Jackentasche herum und holte sein demoliertes GHS heraus. "Es ging bei dem Kampf gegen den Streukatalysator leider kaputt." Vera seufzte und hämmerte mit dem Zeigefinger auf ihr Clipboard. "Sie sollen doch sorgfältiger mit Ihrer Ausrüstung umgehen", tadelte sie ihn streng. "Ja, ich weiß." "Was wäre nur gewesen, wenn wir einen Notfall gehabt hätten und Sie nicht erreichbar gewesen wären?" Etwas zu lässig für Veras Geschmack winkte Julius ab. "Für solch einen Notfall haben wir doch Rideaux." Die Chefsekretärin gab einen fragwürdigen Laut von sich, ehe sie sich in Bewegung setzte und Julius somit zum Folgen zwang. "Ich frage mich was Herr Rugievit wohl dazu zu sagen hat." Julius zuckte einfach nur mit den Schultern. "Wohl eine vielschichtige Beleidigung. Oder zwei." Irgendwas in seiner Stimme erregte Veras Aufmerksamkeit. Sie blieb abrupt stehen und drehte sich zu ihm um. "Ist alles in Ordnung, Direktor Kresnik? Ist etwas in der Splitterdimension vorgefallen?" "Nein." Der Ton in seiner Stimme war endgültig und ohne auf die junge Frau zu warten setzte Julius seinen Weg zu dem Lift fort. Für ihn war das Gespräch hier beendet. Es war bereits später Nachmittag, als die Tür, die zu Julius Büro führte, aufflog und ein hochgewachsener Mann, mit langen glatten Haaren und in einem scharlachroten Anzug gekleidet, den Raum betrat. "Ah", Julius versuchte nicht einmal freundlich zu klingen. "Rideaux, es ist mir immer wieder ein Vergnügen dich zu sehen." "Erspar mir dein Gerede, Direktor", das letzte Wort spuckte Rideaux förmlich aus. Er ging zum großen Holzschreibtisch von Julius und ließ sich auf einen der zwei Stühlen davor nieder. Mit übereinandergeschlagenen Beinen lehnte er sich zurück und faltete die Hände auf dem Schoß. "Mir hat ein Vöglein gezwitschert, dass du gestern einen schweren Tag hattest." Seine schmalen Lippen bildeten ein Lächeln. Seufzend schlug Julius die Berichtsakte eines seiner Agenten zu und legte sie beiseite. Sein Blick richtete sich auf den Mann in Rot. "Hat dir Vera etwas geflüstert?, wollte er wissen. Rideuax kicherte verhalten und schüttelte kaum merklich den Kopf. "Nein, keine Angst. Auch wenn diese Frau nur einen drittklassig Job erledigt, so schweigt sie trotz allem wie ein Grab." Er legte den Kopf ein wenig schief und sein Lächeln, dass Julius an den Mund einer Schlange erinnerte, wurde breiter. "Ich sagte doch, dass es mir ein Vöglein gezwitschert hat." Die Hände von Julius ballten sich auf dem Tisch zu Fäusten und das Leder seiner behandschuhten Hand knarzte. "Wenn Bisley herausfindet, dass du uns von deinen Gefolge ausspionieren lässt, dann-" "Oh, er weiß davon." Mit einer fließenden Bewegung stand Rideaux auf und stützte sich stehend mit den Händen auf Julius Schreibtisch ab. "Er hat mich ja schließlich auch darum gebeten 'ein Auge auf dich zu haben'." Natürlich. Das hätte Julius schon lange klar sein müssen. Bisley Bakur traut niemanden. Weder seiner Chefsekretärin, noch seinem Top-Agenten. Der Mann war erbärmlich durch und durch. "Du hast es wieder getan, oder?" Rideaux' Stimme riss Julius wieder aus seinen Gedanken heraus. "Was meinst du?" "Spiel nicht den Unschuldigen, Herr Direktor." Seine gelben Augen verengten sich freudig und er beugte sich ein wenig weiter vor. "Du hast wieder eine ganze Stadt vernichtet, um den Streukatalysator zu finden, habe ich recht?" "Ich-" "Es freut mich wirklich, dass du dir den Rat eines guten Freundes zu Herzen genommen hast", unterbrach Rideaux ihn. "Aber es ist so natürlich auch viel einfacher, nicht? Kein unnötiges Suchen. Keine Zurückhaltung. Wozu auch?" Er lächelte wieder breit. "Sie sind alle ja ohnehin nur billige Fälschungen." Am liebsten hätte Julius ihn an seinem purpurnen Schal gepackt, zu sich herangezogen und ihm eine rein gehauen. Stattdessen richtete er seinen Blick eisern auf Rideaux und sah ihm in die Augen als er sprach: "Ich habe bereits 87 Splitterdimensionen vernichtet. Du musst mit mir nicht so reden, als ob ich gestern meine erste Mission abgeschlossen hätte." Er stand auf und Rideaux Augen folgten seiner Bewegung. "Es ist völlig irrelevant, ob ich nur den Streukatalysator vernichte oder ich eine ganze Stadt dem Erdboden gleich machen - die Menschen sterben am Ende beim Zusammenbruch der Dimension sowieso alle." Mit einem etwas enttäuschten Seufzer richtete sich der Mann in Rot wieder auf. "Mit dir macht sowas einfach keinen Spaß mehr." Julius nahm die Berichtsakte wieder zur Hand und drehte sich halb von Rideaux weg. "Wenn das dann alles war, ist es dir erlaubt zu gehen." Wut brodelte in Rideaux empor und er schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. "Du verdammter Wurm, ich-" Die Tür wurde geöffnet und einer von Julius Agenten stürmte in das Büro. Die Frau in Uniform blieb einige Schritte vor den beiden Männern stehen und salutierte. "Direktor Kresnik", begann sie. "Wir haben eine weitere Splitterdimension geortet." Julius schlug die Akte wieder zu und lächelte Rideaux an. "Wenn du mich entschuldigen würdest, aber die Arbeit ruft." Veras Stimme drang nur verzerrt aus dem neuen GHS, das Julius bekommen hatte. "Haben Sie verstanden?", hakte sie nach. Er nickte, auch wenn ihm bewusst war, dass Vera die Bewegung nicht sah. "Aber natürlich." Sein Blick wanderte durch die Gegend auf der Suche nach einem Punkt, an dem er sich in der großen Steinwüste orientieren konnte. Aus dem GHS drang nur noch Rauschen, was bedeutete, dass das Signal weg war. Aber gut, das störte Julius herzlich wenig. Bei Splitterdimensionen mit größeren Differenzen konnte dies durchaus passieren und es war nicht das erste Mal, dass dies geschah. Mit dem Blick in die Ferne gerichtet klappte er sein GHS zu und ging entschlossenen Schrittes los. Es dauerte nicht lange bis Julius die ersten Lebenzeichen in dieser kargen Gegend fand - oder viel mehr sie ihn. Denn eine kleines Rudel Westwölfe hatte sich ihn als vermeintlich leichte Beute ausgesucht. Die sieben Tiere schwärmten auseinander und umkreisten den jungen Mann. Sie Knurrten und Schnappten ins seine Richtung, während der Geifer ihnen von den Lefzen tropfte. Das Fell in ihren Nacken sträubte sich und sie begaben sich in Angriffsstellung. Erst preschte ein äußert ungeduldiger Wolf nach vorne. Doch dieser bekam Julius' Fuß zu spüren, als dieser mit gehöriger Kraft ihm gegen den Schädel trat. Der Wolf torkelt ein, zwei Schritte und schüttelte sein Haupt, um sich wieder zu fangen. Julius zückte seine Doppelklingen, als drei der restlichen Wölfe angriffen. Wilde Tiere waren kein Problem für einen Mann von seinem Kaliber, so waren bereits zwei der drei Angreifer tot, bevor sie auf dem Boden aufschlugen. Der dritte Wolf starb zwar nicht an Ort und Stelle, doch war die ihm zugefügte Wunde viel zu tief. Sein verletztes Bein gab nach und er fiel in den Staub. Blut und Speichel mischten sich in seiner Mundhöhle tränkten seine Lefzen in roten Schaum. Die drei Westwölfe, die noch keinen Angriff gewagt hatten, knurrten ein letztes Mal, bevor sie sich zurückzogen. Auch der erste Angreifer, der sich von dem Tritt scheinbar soweit wieder erholt hatte, musste die Situation nur kurz mustern, eher auch er den Rückzug antrat. Es verging einige Zeit, in der der Wind heiße Luft und Sand Julius entgegenwehte, als er die Spitze einer Hügelkuppe erklomm. Von oben sah er eine Stadt vor sich erstrecken, die sich von einem zentralen Marktplatz aus kreisförmig ausbreitete - Drellin. In der Stadt angekommen setzte er seine Suche ohne eine Pause einzulegen fort. Jedoch wusste er nicht ob er glücklich darüber sein sollte, das Markttag war, oder nicht. Auf der einen Hand war es gut, denn somit waren viele Menschen außerhalb ihrer Häuser. Auf der anderen Hand war es schlecht, denn der Marktplatz war gefüllt mit sehr vielen Menschen die Sachen feilboten oder kauften. Er müsste schon seine Elenbogen einsetzen, um dort durchzukommen. Kurz kam Julius wieder die Stimme von Rideaux in den Sinn und er erinnerte sich an ihr Gespräch. 'Aber es ist so natürlich auch viel einfacher, nicht? Kein unnötiges Suchen. Keine Zurückhaltung. Wozu auch? Sie sind alle ja ohnehin nur billige Fälschungen.' Es lief ihm kalt den Rücken hinunter. Natürlich war ihm bewusst gewesen, dass er schon mehrere Million, gar Milliarden von Menschen umgebracht hatte. Allein die Zerstörung einer Splitterdimension forderte eine Unmenge an Menschenleben. Julius schüttelte den Gedanken von sich und versuchte das Ziel im Auge zu behalten. Seine Hand ballte sich zur Faust und in seinen Gedanken tauchte die Nummer 88 auf. Er straffte seine Schultern und Blickte in die Menge. Er hatte einen Job zu erledigten. "Claudia, du sollst doch nicht so schwer heben!", hörte Julius einen Mann unweit von sich rufen und er drehte sich in dessen Richtung. Dort stand Marvin Orta Kresnik. Trotz seiner braunen Hose, seinem schmuddeligen Hemdes, dunklen zerzausten Haares und Schmutz im Gesicht, erkannte Julius ihn. Seinen Großvater. Und die Frau neben ihm, die die Holzkiste mit dem gekauften Gemüse abstellte und sich über den dicken Bauch strich war Claudia Il Kresnik. Ludgers Mutter. Jeder Muskel in Julius Körper spannte sich an, als er die beiden dort stehen sah. Ein bitterer Geschmack füllte seinen Mund und kalter Schweiß tropfte von seiner Stirn. Denn Julius sah, was nur er erkennen konnte, schemenhafte Schatten, die um Claudia herumtanzten. Doch sie war nicht der Streukatalysator. Die Schatten umgaben sie nur schleierhaft. Es war, als ob die Essenz aus ihr herauskam. Aus ihrem Bauch. Eine plötzlich hervor steigende Übelkeit überkam Julius und er entfernte sich erst langsam, dann rennend von den beiden Kresniks. Er drängte sich durch die Menge, achtete nicht auf die Frau mit dem Korb, die er umstieß, oder das Kind, das wegen ihm zu weinen begann, als es umgeworfen wurde. Julius blieb erst stehen als er eine ruhige Seitengasse erreichte und sich auf den Boden erbrach. 'Sie sind alle ja ohnehin nur billige Fälschungen.' Seine Beine zitterten und als sie nachgaben und er mit den Knien auf dem Kopfsteinpflaster aufschlug, nahm er den Schmerz nicht einmal wahr. In seinen Kopf rasten die Gedanken Kreuz und Quer. Vor seinem geistigen Auge erschien Ludger, der im zarten Alter von fünf Jahren mit ansehen musste wie seine Mutter starb. 'Billige Fälschungen.' Julius sah Marvin vor sich, der sich um die beiden Halbbrüder gekümmert hatte. Der Verlust gleich beider Töchter hatte ihm so schwer zugesetzt, dass sein Haar grau und sein Körper ganz gebrechlich wurde. 'Billige.' Ludger weinte an Marvins Totenbett bitterlich. Julius musste damals Schläge und Tritte einstecken, als er seinen kleinen Bruder von dem toten Großvater wegzerren wollte, da dieser beigesetzt werden sollte. 'Fälschungen.' Julius schlug sich selbst mit der behandschuhten Faust in Gesicht. Seine Brille fiel zu Boden und alle Gedanken beruhigten sich schlagartig. Er schmeckte Blut und spuckte aus. Offensichtlich war seine Lippe durch die Hieb aufgeplatzt. Wenn ich es nicht tue, begann ein Gedanke ganz weit hinten in seinem Kopf zu flüstern. Dann wird diese Welt, diese falsche Welt, unsere bedrohen. Julius nahm seine Brille, setzte sie sich auf und wischte mit dem Handrücken das frische Blut von der Lippe. Er richtete sich auf klopfte den Schmutz von der Hose ab. Sein Kopf wanderte in die Richtung des Marktplatzes und sein Blick wurde eisern. "Sie sollten in Ihrem Zustand wirklich nicht so schwer heben", meinte Julius und nahm Claudia kurzerhand die hölzerne Kiste voller Gemüse ab. Ein wenig überrascht von dem plötzlichen Helfer blinzelte die Schwangere ein paar mal unbeholfen. "Wer sind Sie?", fragte sie und versuchte nicht einmal ihr Misstrauen zu verbergen. Julius lächelte freundlich und sagte: "Ein Gentleman." Doch Claudia folgte ihm nicht. Sie hielt ihn wohl für einen Agenten von Bisley, der sie aufgespürt hatte und zu ihm zurückbringen sollte. Und das Kind ebenfalls. Sie hatte zumindest halb damit recht gehabt. Als Julius merkte, dass sie ihm nicht folgte begann er eine Melodie zu Summen, die Claudia nur sehr vertraut war. "Aber...", sie stockte im Wort und holte unbeholfen zu dem ihr unbekannten Mann auf. "Woher kennen Sie diese Melodie?" Beide bogen in eine Seitenstraße ab, ehe Julius zu einer Antwort ansetzte. "Meine Mutter hat sie mir beigebracht." Er ging in den Schatten des Hauses, das die Sonne blockierte. Claudias Augen weiteten sich und ihre Schritte wurden langsamer. "Jeden Abend wenn ich zu Bett ging, sang sie dieses Lied für mich bis ich einschlief." Nun war die schwangere Frau stehen geblieben. "Wer... wer bist du?", wollte sie wissen. Julius ließ die Holzkiste achtlos fallen. Diese zersprang vor seinen Füßen und die Einkäufe verteilten sich auf dem steinernen Pflaster. Kartoffeln, Tomaten und Kohl rollten auseinander, während zerschlagene Eier ausliefen. Langsam drehte sich Julius zu seiner Tante um und holte dabei die beiden Taschenuhren aus seiner Jacke. Die eine silbern, die andere golden. Claudia wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken. "Ich bin Julius Wi Bakur." Mit diesen Worten strömte aus beiden Uhren ein helles Licht und tauchten ihren Träger darin ein. Geblendet von dem Strahlen schwankte die junge Frau nach hinten. Aus dem Schein trat Julius in seinem Chromatus und dem Speer in der Hand. Er durchstieß nicht nur den Leib seiner Tante, sondern auch den seines noch ungeborenen Halbbruders. Claudia blickte ihm in die Augen und erkannte die Trauer und Verzweiflung. Schmerz durchströmte ihren ganzen Körper, als würde er in Flammen stehen. Und doch hatte sie in den letzten Augenblicken ihres Lebens Mitleid mit ihrem Mörder. Marvin, der durch das Licht angelockt worden war, sah die Szene, begann zu schreien und stürmte auf Julius zu. Trauer und Wut ließen ihn alles vergessen, als er seinen Chromatus annahm. Doch er würde nie ankommen. Das schwarze Zahnrad und somit die Splitterdimension zersprang in tausend Teile. Als Julius wieder zu sich fand, stand er alleine im Dunkel der Seitenstraße von Drellin. Seine Kleidung war mit Blut getränkt. Es tropfte zu Boden und färbte diesen rot. "Nummer 88", sagte er und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht, ehe er die Brille zurechtrückte und sein GHS hervor holte. Es klingelte zwei mal, ehe Vera sich meldete. "Direktor Kresnik, wir wollten uns gerade bei Ihnen melden und die Zerstörung der Splitterdimension bestätigen." Wie immer klang sie sehr professionell. "Ja, " holte Julius kurz aus. "Mission abgeschlossen." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)