Nur mit dir, für dich von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 22: Ein Kleid --------------------- Ihren verpflichteten Dienst erfüllt, kehrte Oscar zu den abendlichen Stunden nach Hause zurück. Sie war erschöpft. Sie wollte nur noch auf ihr Zimmer, ihre Uniform ablegen und in ihrem Sessel vor Kamin ihre Glieder entspannen. Das Feuer war entfacht - erhellte und wärmte die nahe Umgebung. Oscar lehnte sich tiefer in die weichen Polster zurück, streckte ihre Beine in die Länge und nippte zwischendurch an ihrem Wein. Sie hatte mit André noch nicht sprechen können. Seine Großmutter hatte ihn mit Aufgaben belegt, die es nicht zuließen, dass er Zeit für sie hatte. Sie hätte ihn lieber nicht schon frühzeitig nachhause schicken sollen. Ob Sophie etwas von seiner Liebe zu ihr ahnte? Nein, bestimmt nicht, sonst hätte sie ihn schon längst verdroschen. Der Ärmste! Was er schon alles in diesem Haus ertragen musste! Und das Meiste war wohl ihretwegen!   Das Feuer im Kamin knisterte, warf tänzelnde Schatten auf Oscar und spiegelte sich in ihren Augen wider. Die rötlichen Flammen erzeugten eine magische Wirkung auf sie, so als würde sie träumen. Oscar nippte wieder an ihrem Wein. Das war ihr erstes Glas, sie spürte nicht einmal einen Hauch von Trunkenheit. Vielleicht sollte sie lieber nach André schauen? Er blieb heute ziemlich lange weg.   Oscar stellte ihr Glas auf dem kleinen Tisch ab und erhob sich träge aus ihrem Sessel. In ihrem Salon blieb sie jedoch am Klavier stehen und kurz darauf spielte sie eines ihrer besten Stücke. Vielleicht würde die Musik André hierher locken. Anstelle von André, kam jedoch seine Großmutter während des Spielens herein. Oscar beendete das Stück. „Was führt dich zu mir, Sophie?“   „Ich wollte nur nachsehen, ob Ihr etwas benötigt, Lady Oscar?“   „Mir fehlt nichts. Kannst du mir sagen, wo André steckt?“   „Er muss noch Euer Pferd striegeln. Ihr seid doch erst angekommen.“   „Ach, so...“ Oscar zeigte nicht, ob ihr das passte oder nicht. Sie machte eine wegfegende Bewegung. „Dann richte ihm aus, ich stehe morgen noch zeitiger auf als gewohnt. Ich möchte noch beim Sonnenaufgang nach Versailles aufbrechen.“   „Ich werde es ihm ausrichten, Lady Oscar.“ Sophie wandte sich schon zum Gehen, als ihr noch etwas einfiel. Vorsichtig fragte sie bei Oscar nach: „Ich hörte, Graf Hans Axel von Fersen steht jetzt in den Diensten Ihrer Majestät?“   „Das stimmt.“ Oscar machte sich aus der Frage nichts.   „Dann wird ihm kaum Zeit bleiben, Euch zu besuchen?“   „Kann schon sein.“ Auch da schöpfte Oscar keinen Verdacht.   „Werdet Ihr ihn aber in Versailles dafür öfters begegnen?“   „Das könnte durchaus passieren.“ Jetzt wurde Oscar aber stutzig: „Wieso willst du das eigentlich wissen, Sophie?“   Die alte Kinderfrau nutzte sogleich die Gelegenheit aus. Jetzt oder nie! Ihr Schützling war doch kein böser Mensch und würde ihr schon nichts tun! „Ihr habt Euch in den letzten Tagen so gut mit ihm unterhalten und es wäre schade, wenn Ihr euch wegen den Pflichten nicht mehr oft sehen würdet.“   Oscar erkannte den wahren Kern der Sache nicht, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass Sophie damit etwas bezwecken wollte. Es kribbelte ihr unangenehm im Bauch. „Mache dir darüber keine Gedanken, Sophie. Graf von Fersen und ich begleiten zwar unterschiedliche Dienste am Hofe und sehen uns daher selten, aber unseren Freundschaft und Kameradschaft tut dies keinen Abbruch.“ Unbeabsichtigt und ohne dass sie es ahnte, setzte Oscar ihrer einstigen Kinderfrau härter als gewollt zu.   Bedauerlich musste Sophie einsehen, dass wieder einmal nichts aus ihrem Vorhaben werden würde. Ihr Schützling war anscheinend dazu verdammt, für immer die weiblichen Gefühle aus ihrem Leben zu streichen. Sie zählte schon dreißig Jahre und es hatte sich immer noch nichts geändert.   Sophie seufzte innerlich aus Wehmut und Sorge. Wenn es so weiter gehen würde, dann würde Lady Oscar nie ihr Glück finden. Sie würde weiterhin so verhärmt, hartherzig und hager bleiben, bis sie eines Tages starb und von ihr nichts übrig blieb außer den bloßen Namen. Da konnte André ihr nachrennen wie er wollte, aber es würde sich nichts ändern. Oscar würde ihn abweisen, ihn nicht mehr als Freund an ihrer Seite dulden! Und was würde dann aus ihm? Das wollte Sophie sich lieber nicht vorstellen. Sie hatte schon vor Jahren eine gewisse Zuneigung, die nichts mit Freundschaft zu tun hatte, in ihrem Enkel zu Lady Oscar gemerkt. Sie hatte ihn gewarnt, aber er wollte nichts davon wissen und bestritt alles. Deswegen versuchte sie ihn mit Rosalie zu verkuppeln, aber erfolglos. Nun scheiterte sie erneut, als sie nicht ihren Enkel, sondern Lady Oscar selbst zu verkuppeln versuchte. Diese Kinder! Sie bereiten ihr Sorgen und richten sich selbst noch zu Grunde!           Oscar vergaß diesen kurzen Wortwechsel mit Sophie schon in wenigen Stunden. Und am nächsten Morgen, kaum dass die Sonne aufgegangen war, machte sie sich mit André nach Versailles auf. Es versprach ein angenehmer Tag zu werden. Milchiger Dunst bedeckte die Umgebung und wurde von den ersten Sonnenstrahlen langsam aufgelöst. Es herrschte noch die Frische der Nacht, aber das störte den beiden Reiter nicht.   „Du bist so schweigsam?“, unterbrach Oscar als erste die Stille. „Und ich meine nicht jetzt. Eigentlich seit Graf von Fersen aus Amerika zurückgekehrt ist.“   „Das bildest du dir ein“, wehrte André schulterzuckend ab. Er würde ihr nie die Andeutung seiner Großmutter erwähnen. „Es gehört sich nicht, wenn sich ein Bediensteter in die Gespräche der hohen Herren sich einmischt, falls du es vergessen hast.“   „Für mich bist du aber kein Bediensteter, André, das weißt du doch! Und für von Fersen auch nicht.“   „Ja, das weiß ich.“ André wollte nicht weiter darauf eingehen.   Oscar jedoch hatte schon an seiner Wortwahl verstanden, was ihn beschäftigte. Der Standesunterschied stand nach wie vor wie ein unauslöschlicher Makel zwischen ihnen. Das hatte ihn schon früher gewurmt, aber sie dachte, er hatte sich mit den Jahren damit abgefunden. Nun wurde sie eines bessern belehrt. Es wurmte ihn noch immer und saß tief wie ein Dorn im Fleisch. Er konnte es nur gut vor ihr verbergen.   Was konnte sie denn tun, um ihn aufzuheitern? Vielleicht ein leidenschaftlicher Kuss? Oder gar eine Liebesnacht? Nein, das würde nichts nützen. Oscar schüttelte kaum merklich den Kopf. Solche schöne Momente sollten nicht auf Zwangslage basieren. Dazu gehörten immer zwei. Aber was könnte man dennoch trotzdem dagegen machen?   Oscar umfasste ihr Kinn. Sie überlegte angestrengt und dabei legte sich ihre Stirn in Falten. Ein Gespräch, oder besser gesagt ein Ereignis, fiel ihr urplötzlich ein. Da hatte sie mit André und Rosalie in einer Nacht Bücher gelesen. André und Rosalie waren dann eingeschlafen, außer ihr. So hatte sie rein zufällig André im Schlaf murmeln hören können. Damals hatte sie sich insgeheim darüber lustig gemacht, aber jetzt ließ sie sich das genauer durch den Kopf gehen. Wenn das Andrés innigster Wunsch war, sie in einem Kleid zu sehen, dann würde sie sich ein einziges Mal dazu überwinden können! Das würde sie tun, um ihren Geliebten die gute Laune zurückzubringen! Sie selbst stellte sich in einem Kleid hässlich und ungewöhnlich vor, aber das war ihr in dem Moment egal. Es galt nur noch, das grässliche Ding zu beschaffen! Sogleich fiel ihr Sophie ein. Ihre einstige Kinderfrau hatte doch einmal so etwas für sie genäht! Sie würde sie noch heute danach fragen! Vielleicht hatte sie es noch?   In Versailles, während André die Pferde absattelte und versorgte, suchte Oscar die Königin auf. „Majestät.“ Sie beugte vor ihr das Knie.   Mit einer Handbewegung deutete Marie Antoinette ihr, sich zu erheben. Sie befanden sich auf ihrem Salon und außer ein paar Bediensteten und dem Grafen von Fersen, gab es in diesem Raum niemand mehr zu sehen. „Was führt Euch zu mir?“, fragte Marie Antoinette Oscar mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen.   „Ich wollte mich nur erkundigen, ob heute irgendwo in der Stadt ein Ball stattfinden, Majestät.“   „Ein Ball?“ Die Königin war sichtlich überrascht. Soweit sie wusste, verabscheute Oscar die Bälle. „Ihr wollt auf einen Ball gehen?“   „Ja, Majestät“, erwiderte Oscar ungerührt: „Und ich habe schon ein passendes Kleid dazu.“   „Ein Kleid?“ Das verblüffte die Königin noch mehr. Auch von Fersen starrte überrascht drein. Das passte ganz und gar nicht zu Oscar! Was war auf einmal mit ihr los?! Weshalb der plötzlicher Sinneswandel?! Da musste ganz bestimmt ein Mann dahinter stecken! Von Fersen ahnte langsam, um wem es ging, aber behielt das für sich. Er würde Oscar heute Abend unbedingt auf ihrem Anwesen aufsuchen, um alles mit eigenen Augen zu sehen! Die Königin belächelte derweilen Oscar noch breiter. „Mit wem wollt Ihr denn tanzen gehen?“   „Das überlasst bitte mir, Majestät“, meinte Oscar kühl und bestätigte somit dem Graf seine Vermutung.   „Nun gut, Oscar, ich werde nicht weiter nachfragen“, gab Marie Antoinette nach und nannte ein paar angesehene Häuser, wo heute Abend ein Ball stattfinden sollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)