Nur mit dir, für dich von Saph_ira ================================================================================ Kapitel 16: Verbotene Liebe --------------------------- Marie Antoinette war überaus erfreut, Oscar soweit genesen zu sehen. Die größte Freude war ihr jedoch, als sie Graf von Fersen an ihrer Seite gesehen hatte. „Das ist schön, dass Ihr mich besucht.“ Marie Antoinette tat zwar beherrscht, aber ihre glänzende Augen verrieten wie überglücklich sie darüber war. Ihr Herz flatterte ihr buchstäblich aus der Brust und erfüllte sie mit einem neuen Glanz des Lebens. Sie lud ihn selbstverständlich ein, beim heutigen Hofballabend zu bleiben und von Fersen nahm die Einladung dankend an.   Allerdings war ihm nicht nach tanzen zumute. Er stand abseits der tanzenden Paare an einem großen Fenster und hörte der Musik lustlos zu. Sein Herz schmerzte, der Königin so nahe zu sein und doch sie nicht haben zu dürfen. Oscar leistete ihm die Gesellschaft und an ihr war nichts anzusehen, was in ihr so vorging. Von Fersen schüttete ihr sein Herz aus, was Oscar mit Entsetzen bekundete: „Hochzeit?“, fragte sie empört: „Deswegen wart Ihr für sechs Tage fort?“   „Das war der Wunsch meines Vaters, dass ich heirate und mich in Schweden niederlasse“, bestätigte ihr von Fersen mit traurigem Blick.   „Wie Ihr meint.“ Oscar hätte gerne etwas anderes gesagt, aber das wäre aussichtslos. So oder so besaß Graf von Fersen kaum eine Chance mit Marie Antoinette zusammen zu sein. Die Folgen einer Liebe zwischen den beiden wären sehr schwerwiegend. Das schmerzte und Oscar konnte von Fersens Entscheidung im Grunde genommen nachvollziehen. Allerdings war sie wieder empört, als er mitteilte, dass er seine zukünftige Braut noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Das war für sie eine unfassbare Vorstellung. „Wie bitte? Ihr wollt eine Frau heiraten, die Ihr nicht kennt, geschweige denn liebt?!“   „Was wollt Ihr, Oscar?!“, konterte der Graf verbittert und packte Oscar ungewollt fest bei den Schultern: „Denkt Ihr, man kann heutzutage aus Liebe heiraten?“ Er merkte, wie Oscar schmerzlich das Gesicht verzog und ließ sie gleich besonnen los. „Vergebt mir. Ich habe die Beherrschung verloren, bitte verzeiht.“ Er senkte reuevoll den Blick und drehte sich zu dem großen Saalfenster um.   Oscar hatte sich auch schon gefangen, trotz dem das ihre Schulter noch schmerzlich brannte. Jedoch dachte sie nicht an ihre Wunde. Der Graf tat ihr leid. Sie fühlte mit ihm und fragte sich insgeheim, welche Liebe war wohl qualvoller?! Die Liebe mit jemanden auszukosten, aber dafür sie vor allen Augen der Welt verbergen zu müssen, weil sie verboten war? Oder jemanden stillschweigend zu lieben, weil sie unerreichbar war? Oscar wusste es nicht zu sagen. „Ich verstehe Euch, Graf“, sagte sie stattdessen halblaut: „Wir sind gleich.“   Von Fersen drehte sich hellhörig zu ihr um. „Wie meint Ihr das?“ Er konnte sich nicht vorstellen, dass der kühle und distanzierte Kommandant Oscar seine Gefühle verstand und dazu auch noch sich mit ihm gleich fühlte. Mit dem Rang und Adelstitel ja, aber in Herzensangelegenheit? Und das ausgerechnet von Oscar?   „Ich sage es mal so, Graf...“, erklärte sie ihm ohne ihren Blick von dem seinen abzuwenden und dabei glaubte von Fersen etwas geheimnisvolles darin entdeckt zu haben, was zu ihrer Natur gar nicht passte. Das überraschte ihn und er hörte sie aufmerksam zu: „...Ich wurde zwar wie ein Mann erzogen, aber bleibe für immer eine Frau. Das gleiche gilt für meine Gefühle. Ich kann sie verbergen oder unterdrücken, aber auslöschen kann ich sie nicht. Und ich will das auch nicht, weil ich dann einen mir sehr teuren und geliebten Menschen verletzen werde.“   „Ihr meint, Ihr liebt einen Mann?“ Von Fersen dachte, er habe sich verhört.   Oscars Mundwinkel zogen sich leicht nach oben, obwohl ihr Blick streng auf ihn gerichtet bestehen blieb. „Glaubt mir, es wird gesünder für alle Mitbeteiligten sein, wenn ich Euch jetzt keine Antwort darauf gebe. Hier am Hofe haben die Wände Ohren.“   „Ich verstehe, was Ihr meint, Oscar.“ Das war keine Drohung ihrerseits, wurde dem Grafen sogleich bewusst, eher eine undurchschaubare Bestätigung auf seine Vermutung. Also liebte Oscar in der Tat einen Mann! Aber wer war der Mann ihres Herzens? Oscar gab sich doch mit keinen Männern vom Hofe ab! Zu allen, ob Mann oder Frau, war sie distanziert und ging mit ihnen nur höflich um, weil es die Etikette so verlangte und bis auf ein paar Sätze, war sie nicht sonderlich gesprächig. Und fast überall, wo sie hinging, begleitete sie ihr treuer Freund André. Vielleicht war er der Mann ihres uneinnehmbaren Herzens? Aber sie behandelte ihn doch genauso wie die anderen! Diese Frau in Uniform gab dem Grafen noch mehr Rätseln auf.       Beim nächsten Besuch am Hofe erschien Graf von Fersen in der Uniform eines schwedischen Dragoners und teilte der Königin, mit gebeugten Knie und gesenkten Blick, seine Heiratspläne mit.   „Graf von Fersen!“, zischte Oscar halblaut im Hintergrund. Es erschreckte sie, dass von Fersen der Königin so etwas sagte.   Marie Antoinette zeigte sich zwar würdevoll und anmutig, aber ihre glasigen Augen verrieten, dass ihr Herz gebrochen sein müsste. Nach den geheuchelten Glückwünschen hielt sie es nicht mehr aus und rannte davon.   Später, in dem großen Garten von Versailles stellte Oscar den Grafen zu Rede: „Warum habt Ihr Marie Antoinette von Euren Heiratspläne erzählt?!“   „Sollte ich ihr etwa sagen, dass ich sie liebe?“, konterte von Fersen aus Verzweiflung und Schmerz: „Offenbar vergesst Ihr, dass sie die Frau des Königs von Frankreich ist!“   „Das ist mir vollkommen bewusst, Graf.“ Oscar stand an einem der Bäume ihm gegenüber und betrachtete ihn mit vermischten Gefühlen aus Mitleid und Vorwürfen. Im Gegensatz zu ihr, war der Graf mit seiner Liebe ärmer dran. Denn weder sie noch André waren mit jemanden verheiratet. Naja, in einer anderen Hinsicht schon. Und zwar miteinander, mit ihren Körpern und Herzen. Es fehlte nur noch der offizieller Ehebund, aber dafür musste entweder sie von ihrem Adelsrang enthoben, oder André in den Adelsrang erhoben werden. Alles beides erschien zur Zeit für sie unerfüllbar. Die Hofgesellschaft würde keine der beiden Variationen anerkennen, besonders die Liebe zwischen ihnen würde als Skandal gelten und mit allen Mitteln vernichtet. Wie ungerecht war diese Welt doch geschaffen!   „Oscar?“ Graf von Fersen entriss sie aus ihren Grübeleien: „Fehlt Euch etwas?“   „Es ist alles in Ordnung.“ Oscar strafte ihre Haltung noch gerader und wandte sich zum Gehen ab: „Es wird vielleicht besser sein, wenn Ihr morgen nicht mit zu Oper kommt.“   „Ja, vielleicht“, murmelte von Fersen niedergeschlagen.   „Lebt wohl, Graf.“   „Wartet, Oscar! Geht noch nicht, bitte!“, hielt er sie auf, kaum sie los ging.   Oscar blieb stehen und drehte sich zu ihm um. Es behagte ihr nicht, noch länger hier zu verweilen. Der Mitleid mit diesen Mann umfasste ihr ganzes Inneres. „Was möchtet Ihr, Graf?“   Von Fersen wusste erst einmal nicht, wo er beginnen sollte. Es war gut möglich, dass Oscar ihm darauf keine oder eine ihrer rätselhaften Antworten geben würde. Aber andererseits wollte er es doch so gerne erfahren. „Gestern sagtet Ihr mir, wir sind mit unseren Gefühlen gleich. Ich will Euch keineswegs zu nahe treten, Oscar, aber verratet mir bitte, ob Ihr mit dem Mann Eures Herzens glücklich seid? Und wie stellt Ihr es nur an, dass kein Mensch von Euren Liaison mitbekommt?“   „Das verdanke ich meiner Erziehung. Ich kann meine Gefühle verbergen und darüber bin ich froh. Sonst stünde ich jetzt nicht mehr vor Euch.“ Oscar sprach aufgeschlossen, aber verriet dennoch nicht alles: „Und ja, ich bin auf eine Art mit dem Mann glücklich. Ich bin schon seit klein auf mit ihm zusammen und uns kann nichts trennen. Jetzt entschuldigt mich bitte. Ich muss los.“ Oscar zeigte flüchtig ein mattes Lächeln, dann war sie schon fort und ließ den Grafen im Garten von Versailles völlig alleine.   Von Fersen musste ihre Worte verarbeiten. Oscar hatte zwar keinen Namen genannt, aber ihre Aussage, dass sie mit dem Mann ihres Herzens seit klein auf zusammen war, erklärte ihm so einiges. Dass es ihr dabei um ihren treuen Freund André ging, hatte von Fersen eigentlich schon vermutet, dennoch traf es ihn trotzdem überraschend. Nun gut, sollten Oscar und André dann ihren Liebesglück genießen solange sie es noch konnten. Das war fast die gleiche verbotene Liebe, wie zwischen ihm und der Königin. In dieser Beziehung waren er und Oscar wahrhaft mit ihren Gefühlen gleich.   Trotz der Empfehlung, am morgigen Abend nicht in die Oper mitzukommen, erschien er trotzdem, weil ihn die Königin ohnehin eingeladen hatte. „...aber Ihr hattet recht...“, gestand er Oscar gleich nachdem er mit ihr aus der Kutsche gestiegen war. „...es ist besser, wenn ich heute hier bleibe und ihr heute nicht begegne...“   „Wie Ihr wünscht.“ In dem Unterton von Oscar schwankte auch etwas vom Bedauern mit.   Als von Fersen aufsah, kehrte sie ihm schon den Rücken und marschierte in die Oper. Von Fersen unternahm noch einen kurzen Spaziergang durch den nahegelegenen Park und ob es der Zufall so wollte oder nicht, traf er unverhofft auf Marie Antoinette. Angeblich plagten sie die Kopfschmerzen und deshalb war sie an die frische Luft gegangen. Von Fersen beugte vor ihr das Knie und entschuldigte sich für die gestrigen Worte. Marie Antoinette beglückwünschte ihn noch einmal zu der Heirat und ihre Stimme stockte. Tränen sammelten sich in ihren Augen, ihr Herz zerbrach in Scherben und sie lief wieder weg. Sie kam nicht weit. Sie stolperte über eine heraustretende Wurzel eines Baumes und fiel. Graf von Fersen kam aus Sorgen zu ihr angelaufen und da warf sie sich in seine Arme. Sie liebte ihn und bat, er solle für einen Moment vergessen, dass sie die Königin von Frankreich war. Von Fersen tat ihr den Gefallen, denn er liebte sie auch von ganzem Herzen. Zeitgleich fielen ihm Oscar und André ein. Wenn diese beiden ihre Liebe zueinander vor der ganzen Welt und der Hofgesellschaft verstecken konnten, würde er das auch schaffen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)