Digimon 00001100 von UrrSharrador (Samsara Madness [Video-Opening online]) ================================================================================ Kapitel 34: Zwischen den Welten ------------------------------- Sie befanden sich offenbar an einer Art nebelverhangenen Küste. Nachdem sie sich von ihrem ersten Schreck erholt und jeder für sich festgestellt hatten, dass sie inklusive ihrer Partner noch lebten, hatten sie ein wenig die Umgebung erkundet – nur ein paar Schritte weit, weil sie nicht im Nebel abstürzen oder auf etwas Feindliches stoßen wollten. Jagari war dem Gluckern des Wassers gefolgt und hatte das Meer entdeckt. Es war unheimlich; die Oberfläche war völlig schwarz, die Gischt schmutzig grau, und selbst darunter schien nichts als Schatten zu lauern. Wo die knochenbleichen Felsen aufhörten, kam ebenfalls graue Erde oder Sand zum Vorschein. Büschel aus aschefarbenem Gras wuchsen hier und da. „Ich frage mich, wo wir sind“, sagte Jagari, als er und Motimon wieder zu den anderen stießen. Sie waren leicht zu finden; obwohl sie alle vor Schmutz starrten, waren sie wie bunte Farbkleckse in dieser deprimierenden Einöde. „Parallelmon sagt, dass es das auch nicht genau weiß.“ Fumiko hatte wohl in den letzten zehn Minuten den Blick nicht von ihrem Digimon gelassen. Ihre Augen glänzten feucht. Jagari konnte sie gut verstehen. All die Zeit hatte sie geglaubt, es wäre tot, und nun … Er dachte an das besondere Band, das ihn mit Motimon verband, und ein wohliger Schauer überkam ihn. „Es hat uns … hierhergebracht, oder?“, fragte Tageko vorsichtig. „Dein … Parallelmon.“ Fumiko nickte. „Es sagt, es hätte Arkadimons Macht nun schon zum zweiten Mal gespürt. Und dann hat es plötzlich gewusst, dass wir Hilfe brauchen. Es ist geschlüpft und hat uns in eine andere Welt gebracht. In die erstbeste, die es gefunden hat.“ Sie schien über eine bloße Berührung mit dem gewaltigen Digimon zu kommunizieren. „Eine andere Welt? Aber das hier ist nicht unsere Welt, oder?“, fragte Kouki und grinste schief. „Zumindest hab ich mir das Schwarze Meer immer anders vorgestellt.“ „Parallelmon, kannst du uns auch nachhause bringen?“, fragte Fumiko. Das haushohe Digimon legte den kleinen, gemusterten Kopf schief. Schließlich lächelte Fumiko glücklich, was Antwort genug war. „Also gibt es neben der DigiWelt und unserer noch andere Welten“, murmelte Jagari. „Sagenhaft.“ „Moment, wir können nicht einfach nachhause zurück“, sagte Kouki. „Habt ihr vergessen, dass Arkadimon immer noch bei der Stadt des Ewigen Anfangs ist? Es wird sie zerstören, wenn wir nichts unternehmen!“ „Was können wir denn unternehmen?“, fragte Tageko gereizt. „Gib es endlich auf. Wir sind ihm nicht gewachsen.“ „Moment!“, rief plötzlich Renji aus. „Wer von uns hat die Brille?“ Alle sahen ihn an. Da ging ihm ein Licht auf. „Oh. Stimmt ja. Ich hatte sie.“ Er begann, seine Kleidung abzuklopfen, immer schneller, ehe er die Brille erleichtert aus der Hosentasche zog. „Keine Ahnung, wie die da reinkommt, echt nicht“, murmelte er, setzte sie auf und betrachtete Parallelmon damit. „Irre!“, stieß er aus. „Was?“, fragte Kouki. „Es ist auf dem Mega-Level! Zumindest vermute ich mal, dass das höher ist als Ultra, oder was meint ihr?“ „Muss es wohl sein“, sagte Taneo. „Ich kann mich erinnern, dass LordMyotismon davon gesprochen hat.“ „Na bitte.“ Renji grinste. „Vielleicht kann dieses Untier es ja mit Arkadimon aufnehmen!“ Er stieß einen erstickten Schrei aus, als Parallelmon einen Schritt auf ihn zu tat, und machte einen Satz rückwärts. Fumiko kicherte. „Es mag es nicht, wenn man es Untier nennt, Renji-kun.“ „Das, äh … war doch nur ein Scherz.“ Renji brach der Schweiß aus. „Ich … ich find dich sehr sympathisch, echt jetzt …“ „Scht!“, zischte Tageko plötzlich. „Hört mal.“ Das Röhren, das sie zuvor gehört hatten, war wieder da. Es klang, als wäre es unglaublich weit weg, noch hinter dem Ozean … oder direkt darüber? Der Wind frischte wieder auf und blies Nebelschwaden davon. Nun konnten sie sehen, dass sich das dunkle Meer erstreckte, so weit das Auge reichte. Und dort, am Horizont, wo sich schwarzes Wasser und grauer Himmel trafen, waren zwei Silhouetten zu erkennen. Sie waren riesig, größer noch als Parallelmon, und das war an sich schon gigantisch. Es wirkte fast so, als wären es Schatten, die von einer Lichtquelle direkt unter ihren Eigentümern in den Himmel gezaubert wurden. Das eine hatte einen unförmigen Kopf, der an einen Tintenfischkörper erinnerte. Als es einen Arm hob, um ihn gegen den zweiten Schatten zu schlagen, sah man, dass es weniger ein Arm und mehr eine Ansammlung an Tentakeln war. Die zweite Gestalt ließ weniger Einzelheiten erkennen. Sie hatte einen spitzen Kopf, von dem etwas wie Hörner abzustehen schienen, und riesige Flügel, jeder so groß wie es selbst. Renji setzte die Brille wieder auf, schüttelte dann aber nur den Kopf. „Falls das Digimon sind, sind sie zu weit weg. Was ich, nebenbei bemerkt, ganz gut finde.“ „Das hier ist eine andere Welt“, meinte Tageko. „Es muss nicht sein, dass es hier auch Digimon gibt.“ „Nein, das sind ganz bestimmt Digimon!“, sagte Kyaromon. „Ich fühle es!“ „Ich fühle es auch …“, zitterte Budmon. „Sie kämpfen“, sagte Kokuwamon. „Die beiden kämpfen gegeneinander.“ Hätten sie es bis jetzt noch nicht bemerkt, so wäre es ihnen im nächsten Moment klar geworden. Der geflügelte Schatten hob einen Arm – und im nächsten Moment wirkte es, als hätte er den Horizont in Brand gesteckt. Als würde das Wasser selbst brennen, loderten Flammen auf, die selbst die dunstige Luft orangerot schimmern ließen. Der Nebel geriet in Wallung, die Schemen wurden wieder verschluckt, aber das Leuchten war dennoch zu sehen. „Wir könnten die fragen, ob sie für uns kämpfen wollen“, meinte Kouki und versuchte zu lachen. „Schluss damit“, sagte Tageko. „Fumiko, ich weiß, dass du und Parallelmon einander viel zu sagen habt, aber …“ „Haben wir nicht. Wir haben all unsere Gedanken schon im ersten Moment ausgetauscht“, sagte das Mädchen und berührte wieder lächelnd ihren neuen Partner. „Okay, umso besser. Bitte Parallelmon, uns an einen sicheren Ort zu bringen. Am besten nachhause.“ Als Kouki Einspruch erheben wollte, hob sie die Stimme. „Da können wir dann überlegen, was wir weiter tun, um die Stadt des Ewigen Anfangs zu retten. Aber für den Moment hab ich genug von starken Digimon!“   Es war merkwürdig, von Parallelmon transportiert zu werden. Das Digimon baute sich vor ihnen auf, als wollte es sie angreifen, und sie konnten ihre Nervosität auch nicht abschütteln, als Fumiko wiederholt betonte, dass es völlig ungefährlich war. Dann schoss Parallelmon eine Art Blitz aus seinem Kopf, der die Form einer Faust hatte. Knisterndes Licht hüllte die DigiRitter ein, und die Welt geriet aus den Fugen und setzte sich vor ihren Augen neu zusammen. Sie standen auf Beton, und die trostlose Umgebung war Grün und Grau und einem sternenübersäten Himmel gewichen. Taneo sah sich um. Er sah die Lichter einer Flughafenhalle, nicht weit entfernt. Sie standen auf dem Rollfeld des Haneda-Flughafens. Kurz darauf verschwamm die Wirklichkeit vor ihren Augen, und Parallelmon materialisierte sich. Hoffentlich bemerkte niemand das riesige Digimon … „Irgendwie schön, wieder in Tokio zu sein“, seufzte Kouki. „In der DigiWelt lauert Arkadimon, und an diesem dunklen Meer ein riesiger Tintenfisch und dieser komische Flügelmann. Überall gibt es irgendwelche Ungetüme.“ „Wir haben jetzt auch ein Ungetüm“, erklärte Renji grinsend und lachte, als Parallelmon wieder drohend auf ihn zustapfte. Er schien es plötzlich zu genießen, den Riesen zu necken. Vielleicht wollte er auch nur Fumiko etwas beweisen. Das Wesen berührte Fumiko, und sie horchte plötzlich auf. „Parallelmon hat mir gerade etwas gesagt“, erzählte sie. „Bevor es uns hierher gefolgt ist, hat es kurz in der DigiWelt nachgesehen, was Arkadimon treibt. Offenbar sucht es noch im Wald nach uns, aber es wird sich sicher bald der Stadt des Ewigen Anfangs zuwenden.“ „Wir haben also nur wenig Zeit“, murmelte Jagari. „Aber es kann sicher niemand von unseren Digimon noch digitieren, oder?“ Die kleinen Wesen verneinten traurig. „Ganz zu schweigen davon, dass wir Arkadimon nicht töten dürfen“, murmelte Taneo. „Wenn wir es doch nur irgendwo einsperren …“ Tageko verstummte, als sie erkannte, was sie eben gesagt hatte. „Parallelmon kann doch sicher auch andere Digimon zwischen den Welten transportieren, oder?“ „Klar“, sagte Fumiko. „Du meinst, wir sollten Arkadimon in eine andere Welt bringen?“ „Oder an einen anderen Ort, wo niemand auf seine Kräfte zugreifen kann.“ „Vielleicht an dieses dunkle Meer?“, schlug Renji vor. „Soll es doch bei den beiden anderen Monstern mitmischen.“ „Wir wissen aber nicht, ob man nicht vielleicht ganz leicht wieder von dort entkommen kann“, hielt Tageko dagegen. „Wir müssten Gennai fragen“, sagte Jagari plötzlich. „Ich muss an einen Computer!“   Da es kompliziert gewesen wäre, Parallelmon in belebtere Gegenden zu bringen, liefen sie zum Flughafengebäude. Die Halle war noch geöffnet, und es gab einen PC-Raum, ähnlich einem Internet-Café, mit mehreren Rechnern. Die DigiRitter gaben acht, dass kein Mitarbeiter sie bemerkte; immerhin sahen sie ziemlich abgerissen aus. Sie wählten die hinterste Box in dem PC-Raum, und Jagari versuchte, sie mit Gennai zu verbinden. Endlich funktionierte das mal anstandslos: Als er sein DigiVice vor den Bildschirm hielt, ertönte ein Geräusch, obwohl kein Lautsprecher angesteckt war. Gennais Kopf wurde sichtbar, und die DigiRitter atmeten erleichtert auf. „Ihr scheint in eure Welt zurückgefunden zu haben?“ Seine Stimme kam direkt aus dem Monitor. „Ich habe erfahren, dass die Asuras tatsächlich alle Fernseher zerstört haben, die ihr bisher als Tore benutzt habt.“ „Wir haben jetzt … andere Möglichkeiten“, sagte Jagari, nachdem er einen Blick mit Fumiko getauscht hatte. In Stichworten erzählte er Gennai, was in der DigiWelt geschehen war. „Ich verstehe. Das sind gute Nachrichten, denn es gibt uns eine Waffe gegen Arkadimon in die Hand.“ Das aus seinem Mund zu hören war eine Wohltat. „Haben Sie eine Idee, wie wir es bekämpfen können?“ „Es gibt einen Ort, der noch in der DigiWelt liegt, aber gleichzeitig nicht mehr. Ein Ort, an dem alles vernichtet wird, vor allem, wenn es von der dunklen Macht beherrscht wird“, sagte Gennai. „Aber wenn wir Arkadimon vernichten, wird doch nur der Anführer der Asuras stärker, oder?“, fragte Kouki. „Wenn ihr es geschickt anstellt, werden Arkadimons Daten nicht wieder in die DigiWelt zurückfinden. Niemand wird mehr darauf zugreifen können.“ Die DigiRitter lächelten, und Gennai fuhr fort: „Aber das Unterfangen ist sehr riskant. Ich spreche von der Feuerwand. Das Übel, das die Meister der Dunkelheit und ihre Asuras hervorbrachte, brach einst durch die Feuerwand und überlebte. Es kann sein, dass Arkadimon auch nicht von dem Feuer verzehrt wird, aber ich vermute, es ist unsere beste Chance.“ „Sagen Sie uns, was wir tun müssen“, bat Jagari. Gennai sagte es ihnen.   Arkadimon hatte die Suche nach seinen Opfern aufgegeben. Von Klicklauten begleitet, machte es sich auf den Weg durch den Wald dorthin, wo es das nächste Leben spürte: zur Stadt des Ewigen Anfangs. Als seine Klauen die weichen Polsterböden der Stadt berührten und beim Gehen aufschlitzten, flimmerte plötzlich die Luft neben ihm – und es spürte ein starkes Digimon. Fauchend warf es sich herum. Dort stand das große Wesen von vorhin mit den langen, spindeldürren Gliedmaßen. Auf seiner Schulter saß das kleine, schwarzhaarige Mädchen. „Bis gleich“, sagte es. Dann schoss das Digimon einen krallenförmigen Strahl aus seinem Auge. Obwohl Arkadimon sich instinktiv mit seinen Armen schützte, wurde es voll erwischt. Die Welt brach auseinander und es landete plötzlich woanders, auf feuchtem Boden in feuchter, nebeliger, düsterer Umgebung. Als sich plötzlich sämtliche Umwelteindrücke für es änderten, war das zu viel für Arkadimons Gehirn. Es verstand nicht, was passiert war, und schnarrte verwirrt. Da erschien auch das andere Digimon wieder, mit dem Mädchen auf der Schulter. Arkadimon überlegte, es anzugreifen, aber der plötzliche Standortwechsel hatte ihm Angst gemacht. Die Verwirrung war furchterregender als jeder körperliche Schmerz. Dachte es bis jetzt. Ein neuerlicher Strahl traf es und die Welt verschwamm wieder – und plötzlich war es von lodernden, zuckenden, fauchenden Flammen umgeben, die abwechselnd von unten und von der Seite kamen. Es schwebte inmitten eines brüllenden, heißschmerzenden Infernos und konnte sich nicht bewegen, als hielte es etwas fest. Ein paar Meter entfernt, auf dem blanken Höhlenboden, stand wieder dieses Mädchen und sah ihm grimmig zu. Arkadimon spreizte drohend die Flügel, aber bevor es eine Attacke starten konnte, waren seine Daten geschmolzen. Sie versuchten freizukommen, aber das Feuer erlaubte das nicht. Arkadimons Datenreste wurden hinter die Feuerwand geschleudert, wo sie keine Bedrohung mehr für die DigiWelt waren.   Fumiko trat aus der Höhle dorthin, wo Parallelmon wartete. Ihr Partner brachte sie zurück in ihre Welt, in einen Wald außerhalb von Tokio. Sie hatte es unbedingt mit in die Menschenwelt nehmen wollen, selbst wenn das bedeutete, dass sie anschließend die halbe Stadt durchqueren musste, um nach Hause zu kommen. Die anderen warteten hier auf sie. „Es ist erledigt“, berichtete Fumiko. Kouki nahm sie grinsend in den Arm, die anderen jubelten. Tageko umarmte sie nach Kouki. „Ich freu mich für dich, dass du jetzt auch ein Digimon hast“, flüsterte sie. Fumiko nickte und fühlte plötzlich einen Knoten im Hals, jetzt, wo endlich die Gefahr vorbei war und nur das Glück verblieb. Sie spürte, wie ihr Tränen über die Wangen liefen. Parallelmon war zu groß und schien nicht zurückdigitieren zu können, also ließ sie es schweren Herzens im Wald zurück. Seine zuversichtlichen, beruhigenden Gedanken machten ihr Mut. „Bis dann“, sagte sie zu ihrem Digimon. Dann machten sich die DigiRitter auf den Weg in die Stadt, deren Lichter verheißungsvoll in der Nacht funkelten. Ihre lange Flucht durch die DigiWelt hatte endlich ein Ende gefunden. Nun würden wieder einige Ausreden vonnöten sein, um ihr Verschwinden zu erklären.   Jagari war sich wie ein Einbrecher vorgekommen, als er mitten in der Nacht seine Haustür abgesperrt und sich schlafen gelegt hatte. Er würde die Schule am Freitag ausfallen lassen; das war schließlich auch schon egal. Niemand weckte ihn; offenbar schien seine Mutter immer noch zu glauben, er wäre einfach nicht da. Sie hatte ihn ein Dutzend Mal oder noch öfter auf dem Handy angerufen. Als Jagari erst am Nachmittag erwachte, bemerkte er, dass Gennai ihn schon am Morgen zu erreichen versucht hatte. Als seine Mutter etwas später von einem Besorgungsgang zurückkam, tat er, als wäre er in der Zwischenzeit nachhause gekommen. Er erklärte ihr, dass er bei Freunden übernachtet hätte und sein Handy den Geist aufgegeben hätte. Angeblich wohnte dieser Freund in der Nähe der Schule, und für ein Schulprojekt waren sie immer gleich zu ihm gefahren und hatten dort daran gearbeitet. Seine Mutter brach in Tränen aus, aber sie war wohl so erfreut darüber, dass er einen so vertrauten Freund gefunden hatte, dass sie weder weiter in ihn drang noch ihn schalt, sondern nur von ihm verlangte, das nächste Mal Bescheid zu sagen. Den Abend verbrachte er gemeinsam mit seiner Mutter und seinem Bruder, der auf Besuch war, und sie genossen das Essen zu dritt. Dann brachte er die Reste zu Motimon, das schon halb verhungert war. Etwa zu der Zeit meldete sich Gennai wieder auf seinem Computerbildschirm, gratulierte ihm zu ihrem Sieg und sagte: „Ich habe ein Update für eure DigiVices geschrieben. Ich arbeite schon länger daran, und nun ist es fertig. Du findest es in der Mail, die ich dir geschickt habe. Öffne sie und halte das DigiVice vor den Bildschirm.“ „Was macht das Update?“ „Es überspielt die Daten in einem ähnlichen Verfahren, wie ihr immer Tore zur DigiWelt geöffnet habt. Sobald es abgeschlossen ist, sollten deine Freunde dasselbe tun. Mit dem Update braucht ihr die Fernseher nicht mehr, um in die DigiWelt zu gelangen. Ihr könnt auf eurer Karte ein beliebiges Tor öffnen. Es ist aber wichtig, dass ihr ein elektronisches Gerät mit in die DigiWelt nehmt. Das Tor für eure Rückkehr wird sich nämlich genauso öffnen lassen.“ „Danke“, sagte Jagari. „Wir haben aber jetzt Parallelmon, also …“ Gennai nickte. „Das ist ein glücklicher Zufall. Dennoch wird es nicht schaden, wenn ihr im Notfall auch allein die Welten wechseln könnt.“ Jagari nickte und überspielte das Update auf sein DigiVice. Seine Freunde hatten am Samstag so viel wegen ihrer Abwesenheit nachzuholen, dass er sie erst für Sonntag einladen konnte. Dann updateten auch sie ihre DigiVices und planten einen neuen Versuch, den letzten der Lichtsamen endlich zu säubern.   Die Chaossaat schwebte noch inmitten der Arena, schwarz und dräuend, als die DigiRitter am Donnerstagabend mit frisch ausgeruhten und digitierten Digimon dort erschienen. Taneo hatte sie gewarnt, dass die verbleibenden Asuras ihn sicherlich bewachen würden, und er schien recht zu behalten – wobei sich ihren Augen ein seltsames Bild bot. „Du?“, rief Renji baff. Jagari starrte das Digimon mit großen Augen an. „Ich?“, erwiderte Persiamon unschuldig und hielt sich kokett eine Kralle auf die Lippen. „Was ist denn mit mir?“ „Was tust du hier?“, fragte Tageko. „Habt ihr mal wieder die Asuras bekämpft?“ „Das wäre ein zu großer Zufall“, murmelte Taneo. „Bleibt hier“, sagte er, als die anderen nähertreten wollten. „Du heißt Persiamon, oder?“ „Ja, mein Hübscher.“ „Kouki, wärst du so gut“, murmelte Taneo. „Wir haben es damals nicht mit dem Analyzer überprüfen können.“ „Das ist doch lächerlich“, meinte Renji. „Glaubst du, dass es ein Asura ist? Nur weil es hier herumsteht … Vielleicht hat es ja wirklich das Asura hier besiegt, das Wache geschoben hat.“ „Untersuche es einfach“, bat Taneo seufzend. Kouki hielt sich die Brille vor die Augen. „Persiamon“, murmelte er beklommen. „Ultra-Level … und ein Asura.“ Persiamon grinste katzisch. „Hoppla, meine schöne Tarnung!“ „Du bist ein Asura!“, rief Jagari anklagend. „Du hast uns reingelegt.“ „Was du nicht sagst“, kicherte es. „Die Lehre von heute: Traue niemals einer Katze mit Brüsten“, stellte Renji fest. „Witzig“, brummte Tageko. „Wenn du ein Asura bist, warum hast du uns damals geholfen?“ „Euch geholfen?“ Persiamon lachte schrill. „Ich habe die ganze Zeit nur einem geholfen: mir selbst! Seht her!“ Es holte tief Luft und die DigiRitter erwarteten einen Angriff. Stattdessen stieß es ein unmenschliches Heulen aus und rötliches Licht flackerte um es herum auf. „Es digitiert!“, rief Kouki. „Haltet es auf!“ Doch die Digitation war in Sekundenschnelle abgeschlossen. Offenbar hatten die Asuras das Prozedere der Digitation für sie verbessert – oder etwas in der Art. LordMyotismon hatte wesentlich länger gebracht. Fast war es, als hätte Persiamon ihnen nur kurz seine alte Form zeigen wollen, damit sie es erkannten. „O mein Gott“, murmelte Tageko entsetzt, als sie die Kreatur sah, zu der die harmlos wirkende Katze geworden war. Das Ding sah aus wie eine Riesenschlange mit Flügeln – oder ein Drache ohne Hinterbeine, je nachdem. Die Vorderpranken waren krallenbewehrt, Geifer tropfte aus dem zahngesäumten, breiten Maul. Rote Augen glühten ihnen entgegen. Der Körper war von weißen und roten Schuppen bedeckt und besaß einen knochigen Brustpanzer. Es zählte eindeutig zu den hässlichsten und furchterregendsten Digimon, die sie je gesehen hatten. „Es ist jetzt Megidramon!“, keuchte Kouki. „Auf dem Mega-Level!“ „Verdammt“, knurrte Taneo. „Mit einem so weit entwickelten Digimon hatten wir noch nie zu tun.“ Megidramon fauchte. Es klang wie ein Lachen. „Okay, wir testen seine Fähigkeiten. Wenn es brenzlig wird, Rückzug“, bestimmte Taneo und nickte Parallelmon zu, das in einigem Abstand hinter ihnen stand. „Versuch es zuerst auch in die Feuerwand zu schleudern.“ Parallelmons Kopf bewegte sich, das Auge glühte auf, der Strahl schoss hervor – mit einer Wendigkeit, die sie dem plumpen Körper kaum zugetraut hätten, schnellte Megidramon außer Reichweite. Ein paar Felsbrocken und Sand wurden erwischt und verschwanden, sonst nichts. „Glaubt ihr, ich wüsste nicht, wie ihr Arkadimon besiegt habt?“, knurrte das Wesen. Seine Stimme glich in nichts mehr der von Persiamon. Ohne dass die DigiRitter es bemerkt hatten, war der Himmel zugezogen, und zwar sowohl mit schwarzen als auch mit roten Wolken. Reagierte sogar das Wetter auf Megidramons finstere Präsenz? Eine schwarze Stichflamme sauste aus Megidramons Maul hervor und erwischte Parallelmon an der Brust. Fumiko stieß einen Schrei aus, aber ihr Digimon wankte nur. Es war immerhin auch auf dem Mega-Level. „Lasst euch nicht von ihm erwischen“, rief Taneo hektisch. „Angriff!“ Cyberdramons erster Schuss ging ins Leere, dann erst fing Blossomon Megidramon mit seinen Ranken, doch das Asura riss sie einfach auseinander und benutzte sie, um Blossomon fortzuschleudern. Als Nächstes ließ Volcanomon seine Schallwellen spielen, um das Digimon bewegungsunfähig zu machen, wie schon FlaWizardmon. Man sah, wie die Attacke die Luft krümmte, doch es machte Megidramon einfach nichts aus. „Scheiße“, fluchte Renji. Das Asura riss seinerseits das Maul auf, ätzender Speichel flog in alle Richtungen und sein lautes Brüllen riss Volcanomon von den Füßen. Eine zügelnde schwarze Flamme ließ es zurückdigitieren. „Parallelmon, versuch’s nochmal“, rief Fumiko. „Nein!“, sagte Taneo rasch. „Wir überprüfen erst, was wir ausrichten können! Parallelmon brauchen wir noch, falls wir fliehen müssen!“ „Aber …“ „Megidramon ist ein Mega-Digimon. Es kann uns sicher viel schneller töten als andere Asuras.“ „Nicht übel, dass du so ruhig bleiben kannst, während du das sagst“, murmelte Renji. Taneo gestattete sich ein schiefes Lächeln. „Du bist auch ziemlich ruhig.“ „Muss daran liegen, dass mich nach Arkadimon nichts mehr schreckt.“ Renji hatte Candlemon aufgehoben und an sich gedrückt, sodass er sich fast an der klein gewordenen Flamme verbrannte. Die andere Hand ballte er zur Faust. „Macht es fertig!“ Tyrannomons Feuerstoß wich Megidramon gar nicht erst aus. Es schickte schwarzes Feuer retour, das das rote verschlang und auch Tyrannomon wieder zu Elecmon werden ließ. Blossomon schoss seine Spiralblumen ab. Megidramon schützte sich mit den Armen – ein bisschen was schienen ihm die Attacken doch auszumachen. „Nicht nachlassen!“, schrie Kouki und flog auf Nefertimon heran, das mit den Edelsteinen aus seinen Beinschienen angriff. Megidramon drückte sich mit dem gewaltigen Schwanz in die Höhe, schlug mit den Flügeln und wie als Starthilfe deckte es den Bereich unter sich mit einer Welle aus schwarzen Flammen ein. Blossomon konnte nicht rechtzeitig ausweichen, wurde von der Feuerwand überrollt und digitierte zurück. „Hol Mushroomon zu uns“, wies Taneo Tageko an, doch sie war bereits losgelaufen. Sie alle wussten, dass sie zusammen bleiben mussten, damit Parallelmon sie im Ernstfall alle gleichzeitig wegteleportieren konnten. Im Ernstfall, der wohl bald eintreten würde. Megidramon machte nun in der Luft Jagd auf Cyberdramon und Nefertimon. „Sollen wir versuchen, den Samen zu reinigen?“, fragte Jagari. Taneo überlegte. „Nein“, sagte er schließlich. „Seht ihn euch mal an, er ist fast völlig schwarz. Das würde ewig dauern. Das Risiko ist zu groß.“ „Persiamon hat ihn sicher weiter verseucht, während es gewartet hat“, meinte Fumiko. Ein Brüllen ertönte über ihnen. Cyberdramon und Megidramon waren gegeneinander gekracht. Die Ausradierkralle hatte Megidramons Flügel beschädigt und ein großes Stück aus seinem Brustpanzer gesprengt, sodass das Asura nun zu Boden trudelte. Cyberdramon war jedoch ebenfalls erwischt worden. Im Fallen wurde es wieder zu Thunderboltmon. „Kouki, komm sofort zurück, das bringt nichts!“, brüllte Tageko. Nefertimon flog eine Schleife und kehrte zu ihnen zurück. „Es hat keinen Sinn“, meinte Taneo zerknirscht. „Es ist trotz allem zu stark. Wir ziehen uns zurück und überlegen uns was Neues.“ „Na, gebt ihr auf?“, knurrte Megidramon, das sich mit seinem kaputten Flügel gerade so in der Luft hielt. „Schlaue Kinder. Ihr solltet langsam wissen, dass die DigiWelt uns gehört!“ „Seht mal!“, rief Jagari plötzlich und deutete auf den beschmutzten Lichtsamen. Megidramon grunzte. „Darauf falle ich nicht rein, mein Kleiner.“ Taneo hatte es jedoch auch schon gesehen. Ungläubig starrte er auf den Samen. Die Schwärze zog sich zurück – es war, als würde jemand den Samen reinigen, aber sie standen doch alle hier? Der Himmel klarte langsam auf, als würde die Lichtsaat auch ihn säubern. Knurrend wandte sich Megidramon nun doch um. „Was zum …?“ Schneller und schneller verschwand der schwarze Ausschlag von dem Samen, viel schneller als die DigiRitter es zustandegebracht hätten. Dann ging auch schon die altbekannte, kräftigende Welle davon aus. Und ehe Taneo sich’s versah, war Jagari losgelaufen. „Elecmon, das ist unsere Chance!“ Die schillernde Blase, die ihnen die Digitation auf das Ultra-Level erlauben würde, war eben zum Vorschein gekommen. „Verrat!“, fauchte Megidramon und stieß vom Himmel wie ein Greifvogel. „Jagari!“, schrie Kouki. Nefertimon beschoss erneut das Asura, das die Rosettasteine gar nicht zu spüren schien. Wie ein roter Schatten sauste Megidramon über Jagari, als der Junge die Lichtblase zu fassen bekam. Sie explodierte in einem so grellen Glühen, dass das Digimon knurrend wieder auf Abstand ging. Fast war es, als hätte das Licht es fortgeweht.   Mit großen Augen starrte Jagari auf seine immer noch leuchtende Hand. Die Energie griff auch auf seine Freunde über. Ihre Digimon konnten wieder auf das Ultra-Level digitieren. In einem Lichtgewitter, das den düsteren Himmel endgültig übermalte, erschienen wieder Blossomon, Cyberdramon und Volcanomon. Jagari sah das leuchtende Tyrannomon an, das neben ihm stand, und nickte. Der Dinosaurier nickte zurück. „Versuchen wir’s“, sagte er. Und Tyrannomon, immer noch von einem Lichterkranz umgeben, digitierte. Es wuchs, seine Haut wurde bräunlich schwarz und ein knöcherner Schild erschien in seinem Nacken. Das und die drei Hörner auf seiner Stirn erinnerten Jagari an einen Triceratops, allerdings ging der hier auf zwei Beinen. „Und wie heißt du jetzt?“, fragte er und streichelte sanft eines der Hörner. „Triceramon“, grollte sein Partner. „Danke, Jagari. Du hast mich digitieren lassen.“ Megidramon ließ indes ein zorniges Fauchen hören. „Ein schöner Anführer bist du, Asuramon!“, brüllte es, und Jagari wusste nicht, wovon es plötzlich sprach. „Kaum sind nur noch wir zwei übrig, willst du auch meine Daten haben, was? Ja, ich hab dich durchschaut! Du warst das! Hast die Chaossaat einfach aufgelöst! Machtgieriger Verräter! Hörst du mich? Oh ja, ich weiß genau, dass du dahintersteckst. Soll ich dir was sagen? Ich hätte es genauso gemacht!“ „Alle auf Position, wir haben eine zweite Chance!“, rief Taneo. „Vier Ultra-Digimon können vielleicht etwas ausrichten! Los!“ Triceramon wandte sich von Jagari ab und trampelte wieder auf das sandige Schlachtfeld. Megidramon schien außer sich vor Wut. Es öffnete wieder den Rachen und sein Schrei gellte durch die Arena, dass Felsbrocken sich aus dem Bauwerk lösten und der Sand am Boden wie in einem Sturm fortwirbelte. Dann traf eine Ausradierkralle von Cyberdramon das Wesen genau ins Maul, warf es hintenüber, und sein Angriff war vorbei. „Mitten in die Fresse“, kommentierte Renji zufrieden. „Jetzt, Blossomon!“, tief Tageko. Mit zwei gezielten Spiralblumen zerfetzte das Pflanzendigimon Megidramon die Flügel und ließ es endgültig abstürzen. Wo es landete, schlug es einen kleinen Krater, aus dem es sich mit den beiden Vorderbeinen emporstemmte. Aus dem Maul rauchte es. „Ihr … Ich werde euch vernichten …“ „Droh uns nur“, meinte Taneo überheblich. „Das haben auch schon andere getan.“ Volcanomon sprang das Digimon von hinten an und landete genau zwischen seinen Schulterblätter. „Ha!“, rief es. „Wie gefällt dir das? Big-Bang-Kralle!“ Es verpasste Megidramon einen heftigen Schlag auf den Kopf, der es zischend wieder zu Boden warf. „Alle gleichzeitig, los!“, rief Taneo. „Die Fernkämpfer zuerst!“ „Ausradierkralle!“ „Spiralblumen!“ „Fluch der Königin!“ Drei Attacken gingen gleichzeitig auf das Mega-Digimon nieder, das ihnen stöhnend standhielt. „Jetzt zur Sicherheit die Nahkämpfer“, befahl Taneo. „Triceramon, du hast dich bisher zurückgehalten, also bist du auch …“ „Ja“, knurrte ihr neuester Mitstreiter. „Ich zeige euch, was ich kann.“ Volcanomon sprang erneut auf Megidramon, verpasste ihm erneut einen Schlag. Dann trampelte Triceramon wie eine leibhaftige Stampede herbei. „Dreihorn-Attacke!“ Mit seinen Hörnern stieß es heftig gegen Megidramons Körper, zerfetzte den einen Flügel noch mehr und schleuderte das Digimon aus dem Krater gegen eine Wand der Arena, wo es in einem Felsenhagel zu Boden ging und stöhnend liegenblieb. „Jetzt sollte es weit genug geschwächt sein“, stellte Taneo fest. „Fumiko, darf ich um deine Super-Duper-Asura-Müllabfuhr bitten?“, fragte Kouki grinsend. „Parallelmon“, sagte sie nur. Das Digimon stapfte herbei, und diesmal traf es Megidramon. Binnen Sekunden wurde das Asura zum Meer der Dunkelheit und dann in die Feuerwand gebeamt. Parallelmon konnte sich selbst und andere immer nur zwischen Orten in verschiedenen Welten hin- und herteleportieren, darum war der Zwischenstopp notwendig. Als Megidramon in den Flammen fauchte, schien es plötzlich sogar zufrieden zu sein. „Asuramon!“, rief es und lachte. „Das hast du davon! Ich spüre es! Ich befürchte, du wirst gar keine Daten von mir erhalten! Sieh zu, wie du ohne mich zurechtkommst!“ Dann starb es. So war das vorletzte der Asuras besiegt und der letzte Lichtsamen gereinigt worden. Und Tyrannomon hatte es auf das Ultra-Level geschafft. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)