The Name of the Game - Love von Nepatan ================================================================================ Kapitel 25: Kaiba Land ---------------------- Warnung: Etwas zu lang geraten. Ich hoffe der Zucker im Kapitel ist annehmbar.   *~*~*~*   Seto beobachtete mit gewisser Zufriedenheit, wie Yami sich von der Clique verabschiedete und allein zu ihm zurückkehrte. Sie hatten beide keine Lust auf eine weitere Stunde Kaiser Sea Horse Rapid River, wo sie gerade nach der letzten Runde wieder trocken waren. Viel lieber wollten sie durch den Vergnügungspark spazieren gehen, bevor sie sich mit den anderen auf die aufregende Fahrt der Blue Eyes Achterbahn einließen, die das Highlight jedes Besuches in Kaiba Land war. Dabei waren sie nicht die einzigen: Hiroto begleitete Shizuka zum naheliegenden Zuckerwattestand und so, wie es Kaiba verstanden hatte, wollten die beiden nachher die Märchenschiffsfahrt machen, die eher von jungen Familien mit Kleinkindern aufgesucht wurde und zu keinen nassen Klamotten führte. Ihm war aufgefallen, dass die zwei sich heute näher als gewöhnlich standen und meistens ein Stück hinter der Clique liefen, so dass sie keiner wirklich stören konnte. Katsuya versuchte zwar unglücklich dazwischen zu funken, doch Yugi und Mai lenkten ihn sehr gut ab, so dass die beiden ihre Ruhe hatten.   „Was habt ihr vereinbart?“, wandte Seto seine Aufmerksamkeit wieder Yami zu, der nun in Hörweite gekommen war.   „Sie wollen nach dem Rapid River noch zum Gruselhaus. Wir treffen uns in zwei Stunden vor der Achterbahn. Danach wollen wir essen.“   „Ich werde sehen, wie viele von euch nach der Fahrt wirklich Hunger haben werden, oder erst einmal lieber festen Boden unter den Füßen spüren wollen, bevor sie überhaupt irgendwo hingehen, geschweige denn essen.“   „So schlimm kann die Achterbahn doch nicht sein.“   „Das denken sich viele. Die Blue Eyes Achterbahn hier ist einer der größten und komplexesten der Welt. Ich musste sie durch mehrere Stress-Tests durchhauen und sie drei Male von unterschiedlichen Institutionen absegnen lassen, bevor ich sie eröffnen konnte. Die trauten mir tatsächlich nicht zu, dass das Ding sicher war.“   Yami grinste amüsiert. „Ich kann mir vorstellen, dass du selbst die Achterbahn getestet hast, bevor die Institutionen dazu kamen.“   „Natürlich. Die Simulationen liefen drei Tage und drei Nächte ununterbrochen bis alle Ausrechnungen Haar genau auf den Millimeter waren und der Wagen nicht aus der Spur herausflog. Es ist schon klar, dass ich diese Information mehrmals überprüfen werde, selbst wenn die Achterbahn steht. Schließlich werden Teenager und junge Erwachsene darauf steigen wollen und nicht Testpuppen. Ich baue nichts, was nicht stehen kann und was nicht sicher ist. Diese Achterbahn wird von allen Attraktionen hier am strengsten kontrolliert. Sie kriegt neben den nächtlichen Checks jede Woche eine Untersuchung am Tag, wodurch sie für ein paar Stunden für Besucher geschlossen ist.“   „Etwas anderes ist von dir nicht zu erwarten. Aber du könntest mal auch kleiner bauen, Kaiba, und dich nicht ständig selbst übertreffen wollen.“   Violettrote Augen funkelten ihn amüsiert an und er spürte, wie der herausfordernde Blick des anderen ihn wieder mitriss. Yami war eindeutig ein Meister darin einen von einem emotionalen Pool in den nächsten zu werfen, so dass man aus seiner ruhigen und sicheren Komfortzone herauskam. Das liebte er auch so sehr an ihrem Verhältnis und ihren Umgang mit einander, und er vergötterte es in ihren Duellen. So fühlte sich eine richtige Herausforderung an.   „Wo bleibt der Spaß dann? Wenn man nicht weiter geht und nicht versucht besser zu werden, erreicht man nichts. Stehen zu bleiben heißt zu verlieren und Möglichkeiten weiter zu kommen zu verschwenden. Man erreicht nicht Macht und Ruhm einfach, wenn man stehen bleibt. Noch weniger bekommt man das, was man will.“   Sein Freund schmunzelte. „Es ist wahr, dass Fortschritt nur dadurch möglich ist, dass man weiter nach Perfektion strebt. Aber vergiss nicht, dass man das Leben erst wirklich genießen kann, wenn man kurz stehen bleibt und mit seinen ganzen Sinnen das wahrnimmt, was man erreicht hat. Man kann immer weiter gehen, aber man sollte auch wissen, wann es gut ist stehen zu bleiben und zu sein. So hat man Zeit sich auch denjenigen zu widmen, die einem am Herzen liegen.“   Seto blickte zum Pharao herüber und fragte sich im ersten Moment, ob dieser ihn mit dieser Aussage kritisieren wollte. Er wusste sehr wohl, worauf ihn Yami dezent hinwies – seine eigene Ambition und das Bestreben nach Perfektion nahmen ihn komplett ein und trieben ihn voran, aber dadurch musste er etwas opfern, was ihm sehr wichtig war.   Die Aussage war allerdings kein Vorwurf. Wenn sie als einer gemeint war, würde es Yami direkt aussprechen, das war ihm bewusst. Nein, das hier war viel mehr eine Erinnerung daran, was wirklich von Bedeutung war und was er dank seinem Freund wieder lernte zu schätzen. Der Pharao war derjenige, der ihn fest am Boden hielt und ihm nicht erlaubte zu weit in seiner Ambition und in seinem Bestreben nach Perfektion zu gehen. Yami war eine sonderbare Mischung aus einer Kraft, die ihn an seine Grenzen brachte, um ihn darüber hinaus zu stoßen, und einem Anker, der ihn sicher an die Realität festhielt. Seto hatte bereits gemerkt, dass er auf Grund dessen in den letzten ein paar Wochen mehr Zeit weg von der Firma und seinen Aufgaben verbrachte und diese lieber mit Mokuba, Yami und der Clique teilte. So wurde er nicht von der enormen Arbeitslast eingenommen, die seit Ende von Battle City Teil seines Alltags geworden war, und er konnte erkennen, dass seine Mühen nicht umsonst waren. Er musste eingestehen, dass ihn das mit gewissem Stolz und Zufriedenheit erfüllte und ihm das Leben so gefiel. Tatsächlich nutze es einem, wenn man kurz stehen blieb, selbst wenn man es nur deswegen tat, um zu sehen, was man alles erreicht hatte.   „Hmm.“ Seto wandte sich zum Gehen und Yami folgte ihm ohne ein weiteres Wort dazu zu sagen.   Sie hatten nicht wirklich ein Ziel vor sich. Viel mehr genossen sie die Zeit miteinander, wie so oft in letzter Zeit und das war eine Art von Ruhe, die sie beide lernten zu schätzen. Nach all dem, was sie in der Vergangenheit erlebt hatten, war das hier ihr wohl verdienter Frieden.   „Ich bin überrascht, dass du es geschafft hast, Mai zu überreden mit uns zu kommen“, durchbrach nach einer Weile Yami die Stille zwischen ihnen. Ein amüsiertes Lächeln umspielte seine Mundwinkel, als er zu ihm hochblickte. „Sie sah zuerst nicht so begeistert von der Idee aus.“   „Ich hab ihr nur erzählt wie viel Spaß es machen wird, Jonouchi mit ein paar Schuss- und Skooterspielen zu ärgern, und da war sie mit von der Partie. Auch wenn ich eher glaube, dass sie nur versucht ihr ernstes, unnahbares Image zu wahren. Sie brauchte einen guten Vorwand mit uns zu kommen und ich hab ihr einen gegeben. War nichts Besonderes.“   „Schon amüsant, dass ihr euch beide gegen Katsuya verschwört.“   „Der geht auch wegen jede Kleinigkeit auf 180. Es wäre mal vorteilhaft, wenn er seine überschüssige Energie nicht in seinem Mundwerk reinstecken würde, sondern in der Verbesserung seiner Duellfähigkeiten, aber ich denke, er wird immer ein drittklassiger Duellant bleiben.“   „Ein drittklassiger Duellant mit Herzen, der immer unter den Top 5 deiner Duellanten landet.“   „Reines Glück, nichts weiter.“   „Selbstverständlich. Es ist auch einfach dort hinzukommen.“   „Hn“, machte Seto nur und damit war ihr Wortgefecht auch zu Ende, ohne das es einen wirklichen Sieger gab. Oder eher gesagt, ohne dass jemand zugab besiegt geworden zu sein.   „Ich hätte Lust auf eine kleine Erfrischung.“ Yami blieb stehen und nickte zum Weg zu seiner Rechten. „Da drüben gibt es einen Getränkestand. Magst du auch etwas haben?“   „Sprite, wenn möglich kalt.“   „Mmmhm.“ Yamis freches Grinsen und sein herausfordernder Blick ließen Kaiba die Augenbraue hochheben. „Passt gut zu meinem Orangensaft. Ich komme gleich wieder zurück.“   Seto schnaubte amüsiert und verschränkte die Arme vor der Brust, während er seinem Freund nachsah, der zum Getränkestand stolzierte. Scheinbar war jemand wieder scharf auf einen Sprite-Früchtemix beim Küssen. Sie hatten die Angewohnheit entwickelt so einige Geschmacksmischungen zu probieren und in ein aufregend leckeres Spiel zu verwandeln. Letztens hatten sie entdeckt, dass Pfirsiche mit geschmolzener Vollmilchschokolade eine traumhafte Kombination darstellten und man damit eine schöne Sauerei verursachen konnte. Das war ein aufregender Abend gewesen mit Ausnahme des Momentes, wo sich Mokuba unbedingt einen Milchshake um zehn nach elf Uhr machen wollte und sie in der Küche bei ihrem Experiment erwischte. Zum Glück hatten sie noch die Hosen an, sonst hätten sie ihm vermutlich ein dauerhaftes Trauma zugefügt. Seitdem klopfte er immer an, bevor er irgendwo reinplatzte.   „Ist der Orangensaft wirklich so langweilig ohne Sprite?“, neckte Seto seinen Freund, als dieser nach einigen Minuten wieder zurückkam und ihm einen weißen Kartonbecher mit blauer Überschrift und einem blauen Strohhalm reichte.   „Es schmeckt, aber das andere ist erfrischender.“ Der Blick, der ihm Yami bei der Aussage zuwarf, ließ ihn wohlig schaudern. Ihn umfasste eine leichte Euphorie, wie bei einem Kind, bevor es sein Weihnachtsgeschenk öffnete. „Das kannst du selbst nicht abstreiten.“   „Du weißt, ich streite alles ab.“ Seto zog an seinen Strohhalm, um seinen Durst zu stillen und vor allem, um sich von der süßen Vorstellung Yami zu küssen, abzulenken. „Wollen wir da entlang?“   Yami schnaubte amüsiert und setzte zu einer Erwiderung an, als eine weibliche Stimme von der Seite erklang: „Verzeihung…“   Verwundert drehten sich beide Duellanten um und erblickten eine hübsche junge Frau um die dreißig, die sie mit einem freundlichen Lächeln anstrahlte.   „Ihr seid nicht zufällig Seto Kaiba und Yugi Muto, die berühmten Duellmonsters Rivalen, oder?“   Die Frage kam unerwartet. Es war zwar nicht so, dass ihnen beiden das nicht schon mal passiert war, auf Grund ihrer Duellkarriere angesprochen zu werden, doch normal waren das Fans von Duellmonsters und diese Frau gehörte beim ersten Blick nicht dazu. Ihre schöne Figur wurde durch einen dunkelblauen eng anliegenden Rock betont, der bis zu den Knien reichte. Eingesteckt im Rock war eine stillvolle weiße Bluse mit ¾ Ärmeln, über der ein dunkelroter Blazer lag. Ihre orangenen Haare waren zu einem simplen Zopf zusammengebunden und wache, intelligente grüne Augen schauten sie aus runden Brillen mit schwarzen Rahmen an. Seto zweifelte stark daran, dass sie etwas mit Duellmonsters zu tun hatte. Sein Blick wanderte weiter, bevor er das entdeckte, worauf er zuerst nicht geachtet hatte. Um den Hals an einem weißen Stoffband trug sie ein Namensschild mit einem rotblauen Emblem auf der rechten Hälfte, worin er das Zeichen einer der Domino Grundschulen erkannte. Das erklärte auch, warum ihm diese Aufmachung bekannt vorkam. Sie war Lehrerin.   „Wer will das wissen?“ Seto gab seinem Partner nicht wirklich die Möglichkeit sich zu erklären. Ihn interessierte viel mehr was das hier sollte, als die Verwechselungen, die bei Yami und Yugi sowieso zu Hauf vorkamen, da sie nicht mehr einen Körper teilten.   Sie verbeugte sich höflich vor ihnen. „Mein Name ist Naomi Izumi. Ich bin Lehrerin in der Eriko Grundschule und führe zusammen mit meiner Kollegin Tatsuki Yoshino eine Klasse zu einem kleinen Sommerausflug aus. Wir besuchen ein paar Attraktionen der Parks und die Kinder zeichnen dann ihre Erlebnisse davon. Da haben sie euch beide entdeckt. Viele von ihnen sind große Fans von Duellmonsters und ich wollte Sie fragen, ob Sie ein paar Minuten Zeit hätten ihnen etwas zu erzählen oder ein paar Tipps zum Duellieren zu geben.“   Erst jetzt fiel Kaiba die Gruppe Kinder auf der anderen Seite des Weges auf, die bei einer anderen jungen Frau standen und aufgeregt tuschelten, während sie in ihre Richtung sahen. Sie trugen keine Schuluniform, da es ein Ausflug außerhalb der Schulzeit war, aber jeder hatte ein Abzeichen mit dem Schulemblem an der linken Seite an seinem Oberkörper befestigt. Er wechselte einen kurzen Blick mit Yami, in dem er Zustimmung erkannte.   „Die hätten wir. Führen Sie uns zu ihrer Klasse.“   Ein bezauberndes Lächeln erschien auf ihre Lippen und ihre Augen leuchteten voller Begeisterung. Sie verbeugte sich dankbar. „Herzlichen Dank. Das wird den Kindern viel bedeuten.“   Beide Duellanten nickten, bevor sie der Lehrerin zur Gruppe Kinder folgten. Sie bestand schätzungsweise aus 25 Jungen und Mädchen im Alter von acht, vielleicht neuen Jahren. Jeder von ihnen hielt einen Zeichenblock und einen Stift in der Hand und trug ein kleines buntes Stoffarmband um das Handgelenk, wie jeder Besucher des Vergnügungsparks. Sobald sie die Klasse erreicht hatten, wurden Seto und Yami von den Schülern umzingelt und voller Begeisterung und mit großer Bewunderung angeschaut und angesprochen. Die freudigen Ausrufen erinnerten den Firmenchef ans Brummen eines Bienenstocks. Die mutigsten unter den Kindern drängten sich vor und er spürte keine zwei Sekunden später einen kräftigen Zug an seinem weißen Mantel.   „Herr Kaiba? Darf ich bitte ein Autogramm haben?“ Ein kleiner schwarzhaariger Junge hielt ihm aufgeregt sein Zeichenblock und ein Stift hin. Seine große braunen Augen ruhten auf ihn mit solch Kraft, dass Seto schon glaubte, dass ein Wort von seiner Seite aus reichen würde und der Junge würde das erste Duell annehmen, was als Herausforderung vor ihm stand. Es erfüllte ihn mit gewissem Stolz für jemanden so ein starkes Idol zu sein.   Kommentarlos nahm er den Zeichenblock entgegen. „Wenn es in Ordnung ist, benutze ich meinen eigenen Bleistift, damit dir das niemand wegradieren kann.“   „Au ja, vielen Dank!“   Seto griff in seiner inneren Manteltasche, als die Euphorie ausbrach.   „Ich möchte auch! Bitte! Ich bin ein großer Fan!“, kam es von einem anderen Jungen, der mit einem blau umrandeten Zeichenblock herumwedelte.   „Für mich bitte auch einen!“, hörte er eine weitere Stimme hinter sich.   „Für mich auch!“   „Einem nach dem anderen Kinder!“, forderte Frau Izumi die Kinder mit warmer, mütterlicher Stimme auf. „Drängelt nicht.“   „Ja, Frau Izumi“, wurde ihr im Chor geantwortet, was Kaiba innerlich schmunzeln ließ. Er nahm seinen Kugelschreiber heraus und ließ sich den Namen des Jungen geben, um seine Unterschrift auf einem leeren Blatt zu setzen. Er reichte den Block zurück und bekam einen Neuen zum Unterschreiben.   „Herr Muto? Bekommen wir von Ihnen auch ein Autogramm?“   „Ich kann euch gerne einen geben, aber es wäre fair, wenn ihr das Autogramm vom wahren König der Spiele bekommt und nicht von mir.“ Seto warf einen Seitenblick auf den Pharao, der mit einem sanften Lächeln auf den Lippen die versammelten Kinder betrachtete. Er könnte mit Leichtigkeit Yugis Schrift nachmachen und den Kindern eine Freude bereiten, doch er besaß sehr viel Ehre als Duellant und Mensch, wodurch so etwas für ihn nicht mal in Frage kam. Diese Tatsache war einer der Gründe, weshalb er ihm so stark vertraute. Dieser Mann würde nie sein Wort brechen und ihn nie hintergehen, egal was es ihm kostete. „Ich bin nicht Yugi, sondern sein älterer Zwillingsbruder Yami. Tut mir leid.“   „Sie sind nicht Yugi Muto? Aber Sie sehen genauso aus wie er!“, rief ein Schüler aus der Klasse.   „Das tun Zwillingsbrüder doch, Dummkopf!“   „Ach, manno. Ich hatte mich so gefreut ein Autogramm vom König der Spiele zu bekommen!“   „Ich auch!“   Seto hielt für einen Moment beim Unterschreiben inne. Wenn diese Kinder nur wüssten…   „Ihr solltet euch trotzdem ein Autogramm von ihm holen.“ Er setzte seine Unterschrift und gab den Block an seinem ursprünglichen Besitzer zurück. „Er hat den König der Spiele in Duellmonsters unterrichtet. Von ihm werdet ihr einiges über Duellmonsters lernen, aber vor allem was es bedeutet ein guter Duellant zu sein.“   Er brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass Yami ihn gerade mit einem seiner langen und ernsten Blicken ansah. Das durchdringliche Gefühl von den starken violettroten Augen kannte er nur zu gut, doch wie so oft tat er so, als würde er keine Notiz davon nehmen. Er hatte wenig Lust auf Sentimentalitäten.   „Echt? Du hast den König der Spiele unterrichtet?“   „Ist ja cool! Kannst du mir auch ein paar Tipps geben?“   „Ich habe hier ein Krieger-Deck! Ist das gut?“   Die Fragen regneten geradezu auf Yami herab und er sah sich gezwungen diese auch zu beantworten. Duellmonsters war im Grunde genommen seine Leidenschaft und er konnte sich den ganzen Tag darüber unterhalten, wie Seto es ebenfalls tun konnte. In diesem Sinne waren sie sich ähnlicher, als in anderen Bereichen.   Kaiba grinste in sich hinein und widmete sich der leichteren Aufgabe Autogramme zu verteilen. Er reichte gerade den sechsten oder siebten Zeichenblock zurück, als er aus den Augenwinkeln ein kleines braunhaariges Mädchen mit großen Locken bemerkte, das zu ihm herübersah. Es hielt einen grünen Skizzenblock fest in den Händen, während eine Mitschülerin von ihr auf sie einredete. Seto drehte sich in ihre Richtung um und bemerkte, dass das Mädchen scheu seinen Blick mied. Da war was im Busch.   „Ist was? Möchtest du auch ein Autogramm haben?“   Das Mädchen zuckte kurz zusammen und biss sich nervös auf die Unterlippe. Ihre Klassenkameradin legte den Arm um ihre Schultern und schob sie langsam nach vorn. Dabei redete sie weiter leise auf sie ein, wovon er kaum etwas, auf Grund der lauten Hintergrundkulisse im Park, akustisch verstehen konnte.   Er wartete geduldig ab.   Das Mädchen traute sich weiter zu gehen und sich zu nähern. Die freundliche Lehrerin von vorhin bemerkte diesen Versuch und bat die Kinder vor ihr, sie durchzulassen. So erfuhr Seto auch ihr Name: Yuki.   Die Kleine erreichte ihn und schaute mit ihren unschuldigen violetten Augen schüchtern zu ihm auf. Sie streckte die Hände aus und hielt ihm ihr Skizzenblock entgegen. Ihm fiel dabei auf, dass das Blatt, worauf es aufgeschlagen war, ein Bild hatte. Verwundert, aber gleichzeitig auch neugierig drehte er den Block zu sich um, um seinen weißen Drachen beim Angriff zu erblicken. Er erkannte das Motiv von einem Duellmonsters Cover aus dem Duellshop im Zentrum von Domino nahe den Arkaden. Der Drache war sehr sorgfältig auf dem Block gezeichnet und liebevoll mit Stiften koloriert.   „Hast du das allein gezeichnet?“, fragte er mit ruhiger Stimme, während sein Blick wieder auf Yuki ruhte. Sie nickte schüchtern. „Das hast du sehr schön gemacht. Du magst Drachen?“   „Ja.“, kam endlich ein Wort von ihr. Es war leise, aber deutlich, bevor sie zu ihm hochblickte. „Ihn finde ich aber am Schönsten. Er ist so groß und stark.“   Die plötzliche Begeisterung in ihrer Stimme ließ ihn unwillkürlich lächeln. „Das ist er. Magst du ihn sehen?“   Das Mädchen machte große Augen, während er nach seiner Duelltasche griff und von dort sein Deck herausholte. Einige der Kinder versammelten sich um ihn und Yuki herum. Er holte den weißen Drachen aus dem Deck heraus und zeigte ihn vor. Ein begeistertes „Wow!“ ging durch die versammelte Runde. Yuki begann zu strahlen, streckte eine Hand aus und strich ehrfürchtig mit den Fingern über die Karte.   „Der weiße Drache“, hauchte sie überwältigt und nahm scheu die Hand zurück, als hätte sie etwas Verbotenes gemacht. „Einer der stärksten Drachen im Spiel.“   „Ganz genau.“ Seto drehte die Karte wieder um und steckte sein Deck ein. „Wenn man Stärke und Mut besitzt und niemals aufgibt, bringt er einem den Sieg.“   „Ja…“   Seto nahm wieder den Skizzenblock nach vorn, den er vorsichtig zwischen Arm und Oberkörper eingeklemmt gehalten hatte, während er sein Deck am Herausholen war. Er blätterte ihn durch und bemerkte, dass das Mädchen auch andere Duellmonsters gezeichnet hatte. Allerdings blieb er beim weißen Drachen.   „Soll ich dein Bild unterschreiben?“   „Ja… bitte.“   „Dein Name ist Yuki, richtig? Wie Schnee.“   Das Mädchen lächelte verlegen und nickte. Er fand eine leere Ecke im Bild, wo er ‚Für die mutige Yuki von Seto Kaiba‘ schrieb und seine Unterschrift darunter setzte, um den Drachen nicht zu verschandeln. Yukis Wangen färbten sich rosa, als er ihr den Block zurückreichte und sie die Widmung las, wobei ein leises und schüchternes ‚Danke‘ als Antwort kam.   Seto schmunzelte. „Bitte. Du zeichnest wohl gern? Mach weiter so, du hast Talent.“   Dieser unerwartete Zuspruch brachte die Schülerin erst recht in Verlegenheit, doch sie strahlte am Ende wie die Sonne und kehrte glücklich zu ihrer Freundin zurück, die mit ihr das Autogramm betrachtete. Ein warmes Gefühl stieg in ihm auf. Er drehte sich zum nächsten Kind herum, was ein Autogramm haben wollte, und begegnete dabei kurz Yamis Blick, der ihn nur warm anlächelte und sich an den Schüler zu seiner Linken wandte.   „Entschuldigen Sie, Herr Kaiba.“ Ein blonder Junge mit wachen blauen Augen kam zu ihm und hielt ihm sein Deck hin. „Können Sie sich bitte mein Deck anschauen? Ich hab es vor kurzem zusammengestellt bekommen und will mich mit meinem Klassenkameraden und besten Freund messen, aber ich bin unsicher, ob die Karten, die ich habe, gut sind.“   „Hm?“ Seto wandte sich dem Jungen zu, nachdem er den Block abgegeben hatte und nahm das Deck, um sich die Karten anzuschauen. Er entdeckte Maschinen-Monster, roboterartige Kreaturen und Raumschiffe, begleitet von einer ganzen Reihe von unterschiedlichen Zauberkarten. Er fand nur zwei Fallenkarten, was ein ungewöhnlicher Umstand darstellte. „Wie ich sehe, hegst du eine Leidenschaft für moderne Technik.“   „Au, ja! Ich liebe große Roboter und komplexe Maschinen mit großen Lasern. Die sind so toll! Man kann mit ihnen so viel anstellen!“   Kaiba lächelte. „Das ist wahr, aber das allein reicht in Duellmonsters nicht. Der Kern deines Decks ist gut, aber du brauchst ein wenig mehr Fallenkarten. So wirst du besser von den Angriffen deines Gegners geschützt und kannst sein Spiel erschweren, indem du ihn dazu bringst seine Strategie zu ändern.“   „Aber meine Monster haben doch Spezialeffekte, die sie schützen!“   „Ich sehe das. Trotzdem solltest du dich nicht darauf verlassen. Einige der Spezialeffekte können nur unter bestimmten Bedingungen aktiviert werden, was dich enorm einschränkt. Fallenkarten sind dafür verlässlicher, da meistens ein gegnerischer Angriff oder Zug ausreichend für die Aktivierung sind.“ Er reichte das Deck zurück.   „Achso.“ Der Junge blickte nachdenklich auf die Karten in seiner Hand. „Verstehe, das werde ich mir merken. Danke.“   „Du kannst dich trotzdem mit diesem Deck an einem Duell wagen. Es ist solide und hat gute Monster.“   „Tatsächlich?“ Die Miene des Kleinen erhellte sich und seine Augen funkelten begeistert. „Cool! Dann kann ich meinen Klassenkameraden herausfordern sobald wir wieder zurück sind. Hey, Shouta, hast du gehört? Wir duellieren uns, wenn wir wieder in der Schule sind!“   „Was?“ Der kleine Shouta, um den die Rede war, stand neben Yami und nahm gerade sein Deck von ihm entgegen. Er wollte sich offensichtlich auch gut für das Duell vorbereiten.   „Wir duellieren uns sobald wir wieder in der Schule zurück sind!“, wiederholte der Junge und wedelte aufgeregt mit der Hand. „Bereite dich gut vor, denn ich werde dich schlagen!“   „Das werden wir sehen, Ichiro!“   Das selbstbewusste Grinsen auf Shoutas Lippen und die provokativ funkelnden blauen Augen von Ichiro erinnerten Seto sehr an ihn und Yami vor einem Duell, wie sie sich anstachelten und weitertrieben, nur um am Ende im Spiel ihr Bestes zu geben. Diese Kinder waren noch jung, aber sie entwickelten schon jetzt eine starke Leidenschaft für das Spiel und es würde ihn nicht wundern, wenn sie es eines Tages so weit brachen wie er und Yami. Zwar war der Weg zur Spitze nicht gerade einfach, doch die Befriedigung, die davon kam, endlich sein Ziel erreicht zu haben, gab den Mühen und der Last einen Sinn.   „Da sieht man schon die zukünftigen Duellmonsters Champions vor uns wachsen.“ Yamis erheiterte Stimme, ließ Seto zu ihm herüberblicken. „Mit etwas Übung werden sie sicherlich die nächsten berühmten Duellmonsters-Rivalen, die in unseren Fußstapfen treten werden.“   „Hm, kann passieren. Nach ein paar Jahren.“   „Die Jungend von heute lernt schneller als wir, vergiss das nicht.“   „Trotzdem wird man nicht von heute auf morgen Champ.“   „Außer man besitzt unsere Entschlossenheit und einen starken Glauben an sein Deck.“   Seto blickte kritisch zu seinem Freund, auf dessen Lippen ein verspieltes Grinsen erschien. Er schnaubte amüsiert. „Verschon mich mit deinem Herz der Karten.“   Ein paar Tipps zum Deckaufbau und ein paar Autogramme weiter bedankten sich die Schüler herzlich für alles und setzten ihren Ausflug fort. Seto und Yami sahen ihnen eine Weile nachdenklich nach, bevor sie sich selbst auf den Weg aufmachten. „Wir haben noch eine Stunde vor uns“, verkündete Seto nach einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr. „Irgendwelche besondere Attraktionswünsche?“   „Ja. Riesenrad.“   Die Antwort des Pharaos ließ ihn die Augenbraue hochheben. „Seit wann lässt du dich für so etwas Einfaches begeistern?“   „Ich genieße die schöne Aussicht von oben, genauso wie du es gerne tust. Zumal es dort ruhig genug ist, damit man sich unterhalten kann.“   Er brauchte nicht viel, um zu verstehen, was sein Freund genau wollte. „Gut, von mir aus. Dann eben Riesenrad.“   Gemeinsam machten sie sich auf dem Weg. Das Riesenrad befand sich neben einer kleinen Achterbahn zwei Attraktionen weiter von ihren Standpunkt. Es war das höchste Gebäude des Parks und lag strategisch in dessen Mitte, wodurch man eine wundervolle Aussicht von oben auf ganz Kaiba Land hatte. Das ging so weit, dass man in der Ferne auch ein großer Teil von Domino und den Berg Fuji erblicken konnte. Das machte das Rad zu einer beliebten Attraktion für Familien mit Kleinkindern und junge Paare.   Sie stellten sich an und wählten eine Gondel für sich alleine aus, als sie an der Reihe kamen. Die Familie mit den drei Kindern hinter ihnen, konnte sowieso nicht zu ihnen hinein, da es nicht genug Platz gab. So setzten sie sich dem anderen gegenüber auf die rot gepolsterten Sitze und warteten, bis alle Gondeln voll waren und das Rad seine Drehungen machen konnte.   „Du und Mokuba, ihr habt eine Glanzleistung mit dem Errichten dieser vielen Vergnügungsparks vollbracht.“ Yami lehnte sich zurück und sah aus dem Fenster hinaus und hinab zu den Besuchern von Kaiba Land. Seto musterte ihn still, ehe er seinem Blick folgte. „Es bereitet einem Freude so viele glückliche Menschen, vor allem Kinder, hier zu sehen. Der Park ist ein aufregendes Abenteuer und doch ein friedlicher Ort, wo man Spiele genießen und Spaß haben kann.“   „Das war auch das Konzept des Parks.“ Sein Blick glitt über eine kleine Gruppe Kinder, die bunte Ballons von einem der Maskottchen des Parks bekamen. „Nach Battle City hatte ich viel Zeit um nachzudenken. Nachzudenken wo ich stand, was ich erreicht habe und von wo ich gekommen war. Die Niederlage gegen dich ließ mich verbittert zurück und gleichzeitig enttäuscht von mir selbst. Ich hatte bis jetzt immer erreicht, was ich wollte und Battle City hätte ein neues Kapitel in meinem Leben sein sollen, wo ich endlich mit meiner Vergangenheit abschließen konnte. Doch es lief nicht nach meinen Vorstellungen. Das einzige, was ich begraben konnte, war das, was mein Stiefvater errichtet und geschätzt hatte, aber ein reines Symbol der Zerstörung war. Ich konnte allerdings mit dir nicht abschließen und mit dem, was Gozaburo alles angerichtet hatte.“   Er erinnerte sich immer noch ganz genau, wie er sich damals gefühlt hatte. Yami hatte im Kolosseum seine Welt erneut von Grund aus erschüttert, doch dieses Mal hinterließ er keine Scherben, sondern brachte ihn dazu zu realisieren, dass er mehr von seinem Leben wollte. Dafür brauchte er aber keinen Abschluss mit der Vergangenheit, sondern nur einen klaren Weg in die Zukunft. Er wollte die Welt einen friedlicheren Ort ohne Waffen und Tanks machen, wo jeder sich am Spiel des Lebens beteiligen konnte und die Möglichkeit hatte, sein Talent zu finden. Er wollte wieder das aufbauen, was Gozaburo mit seiner Gier nach Reichtum und Macht vernichtet hatte.   Das Riesenrad setzte sich langsam in Bewegung.   „Ein Vergnügungspark zu erreichten, wo alle Kinder sorglos spielen konnten, war ein Kindestraum von mir und Mokuba. Wir haben uns immer einen Ort vorgestellt, wo wir jedes Spiel, was es auf der Welt gab, mit anderen Kindern spielen konnten. Diese Vorstellung liegt dem Bau von Kaiba Land zu Grunde und nach Battle City kam die Zeit diese in die Realität umzusetzen.“   „Das ist euch beiden definitiv gelungen.“ Yamis sanfte Stimme ließ ihn zu ihm aufblicken. „Besonders schön ist der Kaiba Dome. Zu sehen, wie sich dort junge Leute außerhalb der Turniere gegen den Computer im Versuch zu lernen und besser zu werden duellieren, war beim ersten Besuch sehr inspirierend. Du gibst dir viel Mühe, Seto. Du hast den Generationen nach uns etwas gegeben, was sie zusammenführt und ihnen hilft Konflikte ohne Gewalt zu schlichten. Zusammen mit Pegasus hast du ein Spiel in die Welt zurück gebracht, was in der Vergangenheit zu Leid und Angst führte, wenn man nicht wusste es zu beherrschen. Heute hat man die Freiheit Fehler zu machen, um besser zu werden. Das ist ein großer Fortschritt.“   „Es geht.“ Seto blickte erneut aus dem Fenster. „Es gibt noch Straßengangs aus Jugendlichen, die viel lieber mit den Fäusten ihre Probleme regeln, statt sich ihren eigenen Schwächen zu stellen und die Unschuldigen damit in Ruhe zu lassen.“   „Das ist wahr. Aber diese werden vermutlich nie ganz verschwinden. Ein Mensch, geleitet vom Bösen, wir immer zur Gewalt greifen. Wir können nur versuchen ihnen den Weg des Lichtes und der Ordnung zu zeigen. Doch ob sie diesen gehen, hängt nicht von uns ab.“   „Hm…“   Sie schwiegen für eine Weile. Das Riesenrad stoppte und sie fanden sich mit der Gondel an den höchsten Punkt wieder. Der Ausblick von oben war unglaublich beruhigend.   „Vielleicht könnte man mit einer Schule für Duellmonsters die Kinder von den Straßen holen.“ Seto schaute nachdenklich in die Ferne. „Das würde ihnen zumindest einen anderen Fokus geben und sie davon abhalten ihr Leben zu ruinieren, inklusive das von anderen.“   „Klingt nach einem guten Plan. Brauchst du Hilfe mit der Realisierung?“   „Hm?“ Sein Blick wanderte fragend zu Yami, der ihn ruhig ansah und die Arme locker vor der Brust verschränkt hielt. Die Entschlossenheit in seinem Blick ließ ihn wissen, dass er ernst dabei war.   „Jetzt, wo ich wieder da bin, kann ich dir gerne helfen, dich auf die wichtigen Sachen in deinem Leben zu konzentrieren. Wenn die Schule für dich wichtig ist, werde ich mitmachen.“   Dieser Kerl gab es wirklich nicht auf. Seto war sich immer noch nicht sicher, ob er Yami dafür lieben oder hassen sollte. „Du wirst nicht ruhen bist du jeden Bereich in meinem Leben aufmischst, nicht wahr?“   Sein Freund grinste verschmilzt. „Irgendjemand muss dich auf die Höhen deines Könnens halten.“   Kaiba schnaubte. „Ich schwöre dir, irgendwann kriegst du das doppelt und dreifach zurück.“   „Darauf bin ich gespannt.“   Diese unmögliche Aufgabe würde ihm die Welt kosten, das wusste Seto schon jetzt… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)