Sumi - e von Chaosbande (Tuschebild) ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Endlich ist es soweit, der Tag der Beginn der Ausstellung ist gekommen. Noch einmal streicht er durch seine Haare, zupft an der Kleidung herum und wirft einen selbstkritischen Blick auf seine zehn Ausstellungsstücke. Von Pflanzen, über Tiere, zur Portrait bis hin zu Landschaftsbildern, ist alles vorhanden. Beruhigt dass ihm all dies in der kurzen Zeit gelungen ist, nutzt er den kurzen Moment der Ruhe, um über die letzten Monate nachzudenken. Eine Zeit, die genauso anregend, stressig, anstrengend, wie auch herrlich gewesen war. In diesen Monaten hatte er sich ganz dem widmen können, was er von Kindesbein an liebt: Der Malerei.   Tatsächlich und wider seiner Erwartungen, war er sich schnell mit der Inhaberin des Crystal Dragon einig geworden. Nachdem er am nächsten Montag einen Termin im Atelier gehabt hatte um sein Vorstellungsmappe zu präsentieren, war Guren so angetan gewesen, dass sie direkt im Anschluss mit zu ihm nach Hause gekommen war. Dort hatte sie sich begeistert weitere Arbeiten zeigen lassen. Sai hatte in dem Moment nicht gewusst, was er sagen oder tun sollte. Letztendlich hatte er sie mit einem freundlichen “Bitteschön” die Kellertreppe hinab geleitet und sie dann von der Treppe aus beobachtet. Nicht das er es ihr zutraute, aber seine Bilder waren sein Heiligtum und so musste er einfach aufpassen dass sie diese nicht beschädigte. Nach einer kurzen Führung durch sein Heim - damit er auch die dort hängenden Bilder präsentieren konnte - hatten sie beide sich noch einmal in der Küche zusammengesetzt und allerlei Einzelheiten besprochen. So war ein Vertrag zwischen den beiden aufgesetzt worden zum beidseitigen Schutz. Mit diesem Vertrag hatte sich Sai verpflichtet nur für Crystal Dragon zu arbeiten. Auf jeden Fall während des Zeitraums der Ausstellung. Weiter waren unter anderem eine kleine Aufwandsentschädigung, Verfügbarkeiten, zu verarbeitende Themen und letztendlich auch das ‘Du’ verhandelt worden.   Zwei Monate Zeit hatte er bekommen, dann sollte die eine neue Ausstellung für 'Jung und unverbraucht – Neue Künstler stellen sich vor' beginnen. Zwei Monate, die er entweder in seinem kleinen Kelleratellier an der Leinwand, oder in der Natur vollbracht hatte. Wie viele Stunden er auf der Suche nach dem ‘Perfekten Motiv’ mit seinem Zeichenblock durch die Gegend gelaufen war, wusste er nicht mehr. Er hatte nur gemerkt, dass Ino irgendwann nicht mehr mitgekommen war. Doch es war ihm egal gewesen. So hatte er das Tageslicht noch ungestörter nutzen können. Niemand hatte ihm in den Ohren gelegen, dass es kalt, langweilig oder sonst was wurde. Nur Zeichenblock, Stift, Er und die Vorlagen die Mutter Natur und das Leben an sich ihm boten. Es hatte wenige Momente gegeben, in denen seine Gedanken von etwas Anderem erfüllt gewesen waren, als das ‘Perfekte Motiv’. Einer der Momente war aufgetaucht  als er, endlich, eine Woche vor der Deadline, das letzte Kunstwerk fertiggestellt hatte. Es stellte einen großen, 1 Meter hohen, Löwen dar. Irgendwie war er ziemlich stolz auf sich. Hatte er es doch mit nichts anderem als schwarzer Tinte geschafft, den Löwen zum ‘brennen’ zu bekommen. Denn die Konturen des Tieres waren nicht durchgängig - schienen als würden sie flimmern - und Mähne und Schweif standen in Flammen. Das Wesen hatte seinen Kopf geneigt und aus einer Intention heraus hatte er dem Tier das Zeichen Konohas in die Mähne eingearbeitet. Mit anderen Worten, es sah beängstigend gefährlich und mystisch aus. Wie etwas das bereit war zu verteidigen, was es liebte. Die Idee dazu war ihm bei einem Besuch des Zoos gekommen. Das Löwenmännchen mit seiner prachtvollen, im Wind wehenden Mähne und dem tiefen - bis in die Seele reichende - Brüllen, hatte ihn sofort inspiriert.   Als dieses Bild beendet war und er zugleich voller übersprudelnder Euphorie und tiefer Erschöpfung in die Küche getaumelt war, hatte er als erstes seine Freundin entdeckt. Eben Jene hatte am Küchentisch gesessen und ihn mit hochgezogener Augenbraue, sowie verkniffenen Gesichtsausdruck gemustert und nur kalt gemeint er würde stinken und wäre dreckig. Kommentarlos war er umgedreht und im Bad verschwunden. Nach einer halben Stunde kam er erfrischt und in bequeme Kleidung gekleidet, zurück in die Küche geschlendert. Augenblicklich hatte ihn der betörende Duft von Inos Nudelauflauf empfangen. In dem Moment war ihm erschreckend klar geworden, dass die letzte richtige Mahlzeit schon ein wenig her gewesen war. Sein Kompliment über den guten Geruch, als er sich an den Tisch setzte, hatte Ino nur mit einem Schnauben beantwortet. Wie ein ausgehungerter Bär war er schließlich über das Essen hergefallen. Erst ein empörtes und ebenso strenges “Sai!”, hatte ihn in seinem Fresswahn innehalten lassen. Eine volle Gabel vor dem Mund schwebend, hatte er den Kopf gehoben und direkt in die zusammengekniffenen Augen Inos blicken lassen. Wieder einmal verstand er nicht, warum sie sich so komisch verhielt. Warum guckte sie ihn an, als hätte er behauptet Rosen würden zur Familie der Liliengewächse gehören? “Ist was?”, hatte er sich im ruhigen Ton erkundigt und ein erneutes Schnauben erhalten, ehe seine Freundin ihm antwortete. “Deine schweinischen Essgewohnheiten! Wir sind hier nicht auf dem Bauernhof, iss gefälligst ordentlich!” Diese Antwort hatte nur so vor Abwertung getrieft. Das war selbst ihm aufgefallen. Mit einem knappen Nicken war er ihrer Aufforderung Folge geleistet. Was hätte er auch erwidern können? Erst nach einer ganzen Zeit des Schweigens und Beendigung der Mahlzeit, hatte Ino ihre Stimme wieder erhoben. “Sai … fällt dir nichts auf?” Musternd blickte er sie über den Rand seines Glases an. Was sollte ihm auffallen? Verstohlen ließ er seinen Blick durch den Raum wandern, ehe er sich wieder voll auf seine Freundin konzentrierte. “Du hast du Haare anders?” Eigentlich hatte es wie eine Aussage und nicht wie eine Frage klingen sollen, doch in dem Moment war ihm einfach nichts aufgefallen. Vor allem hatte er nicht mal aufgeschnappt, dass bei genau dieser Frage, Frauen beim Friseur oder Shoppen gewesen waren? Das kalte Auflachen der Frau ihm gegenüber, sowie das Blitzen in ihren Augen hatte ihn beunruhigt. Er kannte diese Kombination und sie versprach nichts Gutes. Genau dieses Verhalten zeigte ihre beste Freundin Sakura, bevor sie einen Wutanfall orkangleichen Ausmaßes bekam. “MEINE HAARE HABE ICH VOR EINER GOTTVERDAMMTEN WOCHE SCHNEIDEN LASSEN, DU IDIOT!”, hatte die Blondine ihn angebrüllt, ehe sie wutschnaubend aufgestanden war. Brachial hatte sie sich die Teller geschnappt und geradezu in die Spüle gepfeffert. “Heute ist unser Kennenlerntag, du unsensibler Arsch”, hatte er noch geradeso von ihr vernommen, ehe sie sich Halt suchend an die Küchentheke gekrallt und zu schluchzen begonnen hatte. Vollkommen überfordert hatte er nur zusammenhanglos “Ich … du … also … mir leid … Ausstellung … fertig … leid“, und anderes gestammelt. Das war der Moment gewesen, in dem er seine Kunst vergessen hatte. Was war die richtige Reaktion in so einer Situation? Sollte er sich entschuldigen? Es tat ihm ja leid, doch so ganz verstehen konnte er sie trotzdem nicht. Warum war ein Tag, an dem sie sich zufällig über den Weg gelaufen waren, so wichtig? War es nicht wichtiger das sie jetzt zusammen waren und nicht etwas das Zufall gewesen war? Was erwartete Ino nun von ihm? In dem Moment hatte er sich nichts mehr gewünscht, als sein Handy zu zücken und im Internet nach der richtigen Antwort zu suchen. Doch wieder einmal war ihm Nes Ratschlag durch den Kopf gezogen und so war er aufgestanden, zu seiner weinenden Freundin hinüber gegangen und hatte sie einfach in seine Arme gezogen. Hatte sie, trotz ihres anfänglichen Zappelns festgehalten und beruhigend über ihren Rücken gestrichen. Mit einem leisen “Ich hab dich vermisst”, hatte sie sich in sein Shirt verkrallt und sich näher an ihn gedrückt. Kommentarlos hatte er ihr einen Kuss auf den Scheitel gehaucht und weiter gestreichelt. In dem Augenblick war ihm aufgefallen, dass er dies nicht von sich selbst bei ihr sagen konnte. War das normal?   Entschlossen schüttelt Sai seinen Kopf. Er kann sich jetzt nicht mit Vergangenem und nicht mehr Änderbarem auseinandersetzen. In wenigen Minuten würde Guren die Tür des Crystal Dragon öffnen und die kleine Meute aus Kunstinteressierten und Presse herein lassen. Eine Meute, die maßgeblich an seinem weiteren Dasein als Künstler Einfluss nimmt. Denn das ist etwas, das Guren ihm und seinen fünf Jung-Künstler Kollegen sofort beim ersten Gruppentreffen klar gemacht hatte: Je nach Reaktion der Öffentlichkeit, würden sie entweder in der Zukunft wirklichen Erfolg haben oder konnten mehr oder weniger direkt nach etwas anderem Ausschau halten. Zu keiner Sekunde bezweifelt er diese Aussage seiner ‘Chefin’. Nicht umsonst ist das Crystal Dragon - und auch Guren Crystal - weit über die Grenzen Konohas bekannt. Ein Blick auf die beeindruckende einen Meter hohe und breite Kamelie aus rosa Kristallglas, bekräftigt ihn in seiner Meinung. Ebenso das Wissen, dass schon einige Künstlerkarrieren in genau dieser Galerie ihren Anfang, und natürlich auch ihr Ende, genommen haben. Wieder einmal spürt er Nervosität aufsteigen. Nervosität die ihm auf den Magen schlägt. In diesem Augenblick sehnt er sich beinahe nach der Anwesenheit Inos, die beruhigend seine Hand nimmt und ihm versichert, dass er es schon packen würde. Doch diese ist - wider seines Stillen Wunsches -  nicht hier bei ihm. Sie verbringt den Tag mit Sakura und Hinata. Sollte sie nicht eigentlich bei ihm sein, um diese einmalige Chance mit ihm zusammen zu erleben? Sich mit ihm zu freuen und einfach für ihn da sein? Ist es nicht das, was eine feste Beziehung ausmacht? Hieß es nicht ‘In guten wie in schlechten Zeiten’ oder trifft dieses Versprechen erst mit dem Bund der Ehe ein?   “Meine Lieben, hört alle her!”, reißt ihn die energische Stimme Gurens aus seinen Überlegungen. Beinahe froh darüber, konzentriert er sich auf die schlanke Blauhaarige. “In wenigen Minuten ist es soweit, dann öffne ich diese Tür ....”, dabei deutet sie mit der Hand auf die Eingangstür in ihrem Rücken, “... und ich erwarte von euch ALLEN -  auch den Servicekräften - vorbildliches Verhalten und Professionalität. Wenn es Probleme, mit was auch immer, geben sollte, sagt mir sofort Bescheid. Wenn ihr Interessenten für eure Werke habt, sagt mir Bescheid. Ich werde euch helfen das Maximum heraus zu holen. Schließlich will ich auch möglichst viel Provision abbekommen.” Lachend klatschte die erfolgreiche Atelierbesitzerin in die Hände. “Nun denn, habt ihr noch Fragen? Wenn ja, dann stellt sie jetzt!”   Ein junges Mädchen das Holzschnitzereien ausstellt, will tatsächlich noch einige Fragen beantwortet kriegen. Die paar Wortfetzen, die der junge Tuschekünstler mitbekommen, machen ihm klar dass dieses Mädchen nur Zeit schinden will. Schmunzelnd stellt er fest, dass er wohl nicht der Einzige ist, der unruhig wird bei dem Gedanken was nun auf sie zu kommt. Die einzige Hoffnung die er hat ist, dass man es ihm nicht ansieht. Noch einmal schließt er die Augen und atmet tief durch. Fest auf seine ruhiger werdende Atmung konzentriert, geht er noch einmal sein Mantra durch. Er ist der Schüler Nes, er ist ein Meister der Tuschezeichnungen, er ist Sai Sumi und dies hier würde ein Anfang werden und nicht sein Ende sein!   “Bereit, Sai?”, dringt die ruhige Stimme Gurens an ihn heran. Mit einem möglichst überzeugenden Lächeln und festem Blick, erwidert er stumm nickend ihre Frage, woraufhin diese letztendlich zur Eingangstür schreitet. Mit einem “Lasst die Spiele beginnen!” dreht die blauhaarige Künstlerin den Schlüssel in der Tür um. Das leise und doch geradezu hallende Klicken, lässt ihn noch einmal trocken schlucken und einen Blick auf seine Künstlerkollegen werfen.   In der Zeit als Guren freundlich die einströmende Menge begrüßt, bleibt Sais Blick auf einem jungen Mann hängen. Während allen Anderen - eingeschlossen ihm selbst - mehr oder weniger auf den ersten Blick die Nervosität anzusehen ist, steht dieser entspannt angelehnt an der Wand. Die Arme sind locker vor dem Oberkörper verschränkt, ein Bein an der Wand angewinkelt und ein entspanntes Grinsen auf dem Gesicht platziert. Nichts an diesem Kerl strahlt auch nur einen Funken Unsicherheit aus. Im Gegensatz. Eher sieht er vollkommen überzeugt von sich aus. Auch die Kleidung … ist so unpassend leger. Die Künstlerinnen haben Kleider oder elegante Hosenanzüge angezogen und die Herren - einschließlich Sai selbst  - Anzüge oder wenigstens Stoffhosen und Hemd samt Krawatte, hingegen sieht dieser Fremde aus als wenn er gleich noch ins Kino will. Schwarze Chucks, graue enge Jeans und dazu ein mehr als verwaschen wirkendes orangefarbenes Shirt. Mit zusammengekniffenen Augen stellt Sai fest, dass dieser Bursche auch anscheinend keinen Wert auf eine gepflegte Frisur zu legen scheint. Wie passt dieser Typ hier her? Der Sumi kann beobachten wie der Fremde sich einmal durch dieses Vogelnest auf dem Kopf streicht und schließlich von der Wand abstößt, als sich ein älterer Herr in dessen Richtung bewegt. Plötzlich dreht der Unbekannte den Kopf in seine Richtung, lächelt und zwinkert ihm zu, ehe er sich dann seinem Interessenten zuwendet. Wer zum Geier ist dieser blauäugige Typ? Und wo ist Ino, wenn er sie mal braucht? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)