Coming Home von rokugatsu-go ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Yamato hatte einmal ein Lieblingsbuch besessen. Es hatte den Titel „100 bedeutende Bauwerke“ getragen und war eines seiner ältesten Bücher gewesen. Er hatte es an einem freien Nachmittag, nach einer Mission, während eines Ausflugs ins Dorf gekauft. Kakashi hatte ihn, nachdem alle anderen Mitglieder des Teams gegangen waren und nur sie beide im Umkleideraum der Anbu übrig gewesen waren, gefragt, ob er ihn ins Dorf begleiten wollte. Aufgeregt hatte er zugesagt. Kakashi hatte ein paar Besorgungen zu erledigen gehabt und war teils irritiert, teils amüsiert davon gewesen, dass Yamato ihm hatte helfen wollen. Als alles erledigt gewesen war, hatten sie noch einen Abstecher in den Buchladen gemacht. Und wieder war Kakashi zuerst irritiert gewesen, da der Jüngere ihm erzählt hatte, noch nie in einem Buchladen gewesen zu sein. Bei den Ne hatten sie natürlich Bücher gehabt, aber diese sollten alle einen Zweck für das Ninja-Training erfüllen. Dann war Kakashi wieder amüsiert gewesen, denn Yamato hatte gar nicht glauben können, wie viele Bücher es gab. Und zu wie vielen Themen. „Nett“, hatte Kakashi zu seiner damaligen Auswahl gesagt. „Das interessiert dich?“ Yamato hatte das Buch bis zum Angriff Pains sorgfältig aufbewahrt. Nach dem Angriff und der Zerstörung Konohas war es unauffindbar geblieben. Die Erinnerung an das Buch kam ihm in dem Moment, in dem Yukimi ihn auf einen Tempel aufmerksam machte. Der Tempel war vom Wegesrand aus nicht zu sehen, nur die steile Treppe, die zu ihm führte. Aber er wusste um welches Bauwerk es sich handelte, kannte jedes Detail davon aus seinem Buch. Früher hatte er sich immer ausgemalt, wie er eines Tages mit Kakashi herkommen würde und diesen mit seinem Wissen über das Gebäude beeindrucken könnte. Jetzt fühlte er nur die bittere Enttäuschung darüber, dass es dazu niemals kommen würde. „Und? Sollen wir ihn uns ansehen?“, wiederholte Yukimi ihre zuvor bereits gestellte Frage. „Nein. Lass uns lieber weitergehen. Wir sollten zum nächsten Dorf gelangen, ehe es dunkel wird.“ „Es ist erst Mittag“, entgegnete sie belustigt. „Du bist immer so übervorsichtig.“ Sie waren seit … wie lange waren sie schon unterwegs? Yamato hatte irgendwann auf dem Weg den Überblick verloren. Es war angenehm, unterwegs zu sein, ohne eine Mission erledigen zu müssen. Sie reisten in einem gemächlichen Tempo, hielten hier und da an, sahen sich die Umgebung an, manchmal eine Sehenswürdigkeit. Ob sie ihren Laden wirklich so lange schließen konnte, hatte er Yukimi einmal schuldbewusst gefragt. „Natürlich, ist doch mein Laden“, hatte sie mit einem Lachen geantwortet und ihn gleich darauf daran erinnert, sie nur mit ihrem Namen anzusprechen, ohne die Höflichkeitsendung. Es tat gut in ihrer Nähe zu sein. Yukimi hatte eine äußerst lebensfrohe Einstellung, was nicht selbstverständlich war, wenn man bedachte, dass sie ihren gesamten Clan verloren hatte. „Natürlich bin ich oft traurig, wenn ich daran denke. Aber es ändert nichts daran, verstehst du? Auch wenn ich traurig bin, ändert es nicht, dass es passiert ist“, hatte sie ihm irgendwann auf ihrem Weg erklärt. Als wollte er die Situation untermalen, hatte in diesem Augenblick der Wind geweht und Yukimi zum Lächeln gebracht. „Ich habe ein zweites Leben bekommen. Und ich sollte das Beste daraus machen, findest du nicht, Tenzou?“ Yamato hatte es zu diesem Zeitpunkt bereits aufgegeben, sie bezüglich seines Namens zu korrigieren. Wenn sie ihn Tenzou nennen wollte, sollte sie das tun, auch wenn es für ihn ein wenig seltsam war. Der einzige, der dies sonst in den letzten Jahren getan hatte, war Kakashi. Bis heute war ihm nicht klar, ob der Ältere diesen Namen stets aus alter Gewohnheit verwendete oder ihn schlicht und einfach aufziehen wollte. Was dachte er nun noch darüber nach? Kakashi, Konoha, das alles lag weit hinter ihm zurück. Seine Erinnerungen seit Ende des Krieges waren alle merkwürdig verschwommen, als wären es gar nicht seine Erinnerungen, sondern die eines anderen, die er zufällig mit angesehen hatte. Es tat weh darüber nachzudenken, was geschehen war. Kabuto, der Krieg, dass er zur Verstärkung der feindlichen Armee missbraucht worden war; all das hatte ihn an sich selbst zweifeln lassen. Er hatte allen und besonders Konoha entsetzlich geschadet. Wie hätte er einfach dorthin zurückkehren können? Sicherlich dachten die meisten dort das gleiche, auch wenn niemand es direkt ausgesprochen hatte. Er hatte sie alle schrecklich enttäuscht. Er hatte sein Team in Gefahr gebracht. Nein, Kakashis Team. Denn genau dies war der Punkt, der am schmerzlichsten war: Dieser Traum, dieser seltsame, wunderbare Traum, in dem er sich zuhause gefühlt hatte. Die Realität würde nie so werden, nicht nachdem, was passiert war. Kein Team, keine Freunde, keine Zuneigung, kein Zuhause. Nicht einmal der Rückzug in die Anbu blieb ihm jetzt, schwach wie er war. Alles was ihn in Konoha erwartete, war eine ewige Furcht vor Kabutos Rückkehr. Bei Yukimi könnte er sicher sein, könnte er alles hinter sich lassen.   Sie erreichten Yukimis Haus nachdem sie mehrere Wochen unterwegs gewesen waren. Die Stadt war angenehm, nicht zu laut, nicht zu geschäftig, aber auch kein verschlafenes Nest. Yukimi besaß ein kleines, schönes, traditionelles Haus. Vorne Geschäftsraum, dahinter Wohnräume und dahinter ein kleiner Garten. „Tadaa! Was sagst du?“, fragte sie freudestrahlend, als sie davor standen. „Beeindruckend.“ Und er meinte es so. Sie hatte so viel erreicht, ganz alleine. Durch seine Antwort verstärkte sich ihr Lächeln noch einmal. Yamato fühlte ein eigenartiges, wohliges Gefühl dadurch, dass ihr seine Meinung so viel bedeutete. Eine ältere Dame kam aus dem Nachbarhaus und begrüßte Yukimi herzlich. Bisher hatte er darauf noch keine Gedanken verschwendet, aber es war doch eigentlich so offensichtlich gewesen, dass Yukimi in ihrer Nachbarschaft ein beliebter Mensch sein musste. Wie hätte man einen guten Menschen wie sie nicht mögen können? „Und das“, sagte Yukimi, „ist mein Bruder Tenzou.“ Vielleicht war es die Art gewesen, wie sie es sagte, vielleicht war es das gewesen, was sie sagte, aber in diesem Moment fühlte Yamato, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)