Im Schatten des Universums von UAZ-469 (Machtergreifung) ================================================================================ Kapitel 2: ----------- Die steinige Decke schien sich zu verbreitern. Oder zog sie sich doch zusammen? Nein, Moment, sie teilte sich auf und wanderte durch den Raum ... seltsam, wie dieses "Lebenselixier" die Denkzentrale durcheinanderbringen konnte. So oder so, das war alles zu viel für Wolfs Kopf. „Autsch, das vermaledeite Licht blendet!" Mit unkoordinierten Armbewegungen versuchte er seine Augen vor der gefährlichen Strahlung zu schützen. Doch er bekam es nicht einmal fertig, seine Hände an die richtige Stelle zu dirigieren. Sofort ließ er die Lider zufallen und versuchte mehrmals, sich vom Bett zu erheben. Bei diesen Versuchen blieb es auch und er fiel zurück. „Wo zur Hölle bin ich hier überhaupt? Und was habe ich gemacht?“ Seine Linke hielt etwas Gläsernes, und als er es sich ansehen wollte, schlug er es sich unbeabsichtigt ins Gesicht. Dieser kurze Moment, in dem er die Grundform des Gegenstandes erkannte und der Schmerz allein genügten, um zu herauszufinden, was er da hatte: eine Bierflasche. „Habe ich mich besoffen ..? Echt jetzt? Aber warum denn?“ Der Alkohol strömte durch seine Blutbahnen und er fühlte sich wie ein Boot auf einer sturmgepeitschten See. Der Kater tat sein Übriges, um seine Laune auf den absoluten Tiefpunkt zu bringen; so elendig war es ihm schon lange nicht mehr gegangen. Es klopfte an der Tür. „Äh ... wer ist da?“, fragte er lallend, bewegte sich aber nicht. So kam es, dass er das leise Drücken von Tasten vernahm und der Eingang anschließend aufging. „O'Donnell, der General lässt Sie ...“, meldete sich eine autoritäre Stimme, deren Sprecher er nicht sehen konnte, und stockte. Dann setzte sie neu an und Ekel schwang unüberhörbar mit: „Was ist DAS denn?! Was ist hier passiert?!“ Wolf war von dem Typen sofort genervt und wollte nur noch in Ruhe gelassen werden. Aus welchem Grund der Besucher hierher kam, hatte er bereits vergessen. „Ist mir doch, rülps, latte, und jetzt verpiss' dich gefälligst ..!“ Im nächsten Moment wurde ihm die Flasche entrissen und ein harter Schlag auf den Schädel versetzt, wodurch er aus Reflex hochschnellte und saß. Das Glas war es nicht. „ARGH, AU!!! Was fällt dir eigentlich ein?! Mach das nochmal, und ...“ Die aufgerissenen Augen sahen noch, wie eine schemenhafte Gestalt etwas mit hohem Tempo in seine Visage rammte und so ein unangenehmes Knackgeräusch verursachte. Dennoch empfand er diesen zugefügten Schmerz irgendwie als eine Art ... willkommene Abwechslung zum Kater, und ergötzte sich förmlich an ihr. Trotzdem schaltete sein benebeltes Hirn auf Alarmstufe Rot und Wolf brüllte: „Jetzt reicht's, du bist so was von tot, Kumpel! Komm her!“ Aber es half nichts. Das Gesöff ließ seine Arme erschlaffen und seinem Gegner war es ein Leichtes, ihn zu packen und hochzureißen. Dieser schleuderte ihn danach umgehend mit dem Rücken voraus gegen eine Wand und verpasste ihm einen kräftigen Tritt in die Magengrube. Sofort setzte sich unter all den Qualen das Gefühl durch, brechen zu müssen. „Okay, okay“, kapitulierte Wolf. „Was willst du? Ich habe keinen Bock mehr auf eine weitere Abreibung ...“ Einen positiven Nebeneffekt bot die Schlägerei doch: seine Augen konnten die Informationen besser verarbeiten und ein schärferes Bild projizieren. So erkannte er endlich, wer ihn da gerade verprügelt hatte, und zwar ein Kater in Soldatenuniform mit Blastergewehr. „So so, der große Wolf O'Donnell, ja?“, spottete er angewidert. „Da komme ich daher, rieche schon eine grässliche Alkoholfahne 'nen Kilometer voraus und was muss ich hier sehen? Ein Stück Scheiße von einem Säufer! Dabei habe ich echt viel von Ihnen gehört und ich habe mich wirklich gefreut, Ihnen endlich zu begegnen. Aber wenn man mir erzählen würde, dass dieses Etwas hier vor mir tatsächlich der berühmte O'Donnell sei, würde ich ihn für verrückt erklären.“ So langsam dämmerte dem Kopfgeldjäger, was in der letzten Nacht passiert war. Um seinen Ruf aber nicht noch weiter zu beschmutzen, gab er keine Erklärung ab. Das wäre eine Schande sondergleichen gewesen. „Nein, ich bin Karl-Heinz. Und jetzt sagen Sie mir, warum Sie hier sind und einen armen Säufer zusammenschlagen, der sich im Selbstmitleid sudelt.“ Derweil erblickte er eine Lache von ... undefinierbarem Zeug vor dem Bett und das Regal zu seiner Linken lag mitsamt den Inhalten auf dem Boden, umringt von Glassplittern. Sein Gegenüber rieb sich grummelnd über das Gesicht, schüttelte den Kopf und schritt kommentarlos auf ihn zu. Mit einem kräftigen Ruck zog er ihn hoch, schubste ihn zum Sessel und setzte sich daraufhin auf das Bett, einen möglichst hohen Abstand zur Lache haltend. Wolf wehrte sich in keinster Weise, war er doch zu beeinträchtigt vom Bier. Außerdem wusste der Soldat, was im Moment das Beste für ihn war. „So, jetzt reden wir mal Klartext. Sie werden mir nun auf der Stelle sagen, was in Sie gefahren ist, weswegen Sie sich bis zur Besinnungslosigkeit betrinken. Wir mussten schon heute Morgen die Alkoholleichen von dem Idioten Jan und seiner zwielichtigen „Freunde“ aus dem Billardzimmer ziehen, da will ich nicht noch Sie in die Ausnüchterungszelle stecken. Ich dachte wirklich, dass Sie vernünftig genug wären, Anstand zu wahren.“ Sofort begann Wolfs Kopf zu rattern und die Geschehnisse der letzten Nacht spielten sich vor seinem geistigen Auge ab ... Während er sich über die Laune des Schicksals beklagte, zog sich sein Zimmerkollege ins Billardzimmer zurück, angeblich um ein paar Runden mit Kumpels zu spielen. Zu Wolfs Freude allerdings hatte Jan eine gänzlich andere Auffassung von „ein paar Runden", denn er kam nicht wieder. Dann aber entschied er sich dazu, in einem spontanen Anfall von Verzweiflung, Wut und Depression, im Zimmer zu randalieren und mithilfe des Alkohols einen leisen und schmerzlosen Abgang zu machen. Und wie er jetzt feststellte, hatte es nicht funktioniert. Immer noch wünschte er sich, nie aufgewacht zu sein und er war versucht, sich das Gewehr des Soldaten zu schnappen um so seiner Notlage ein Ende zu bereiten. Zu verlieren hatte er sowieso nichts ... oder? Wenn er es sich so überlegte ... „Macht nichts, ich verstehe Sie schon.“ Wolf wurde jäh aus seinen Gedankengängen gerissen und starrte den Kater irritiert an, der fortfuhr: „Jepp, muss richtig mies sein, erst seine Leute zu verlieren und dann noch in einen Krieg zwischen Generälen zu schlittern, besonders wenn Sie damit bestimmt nichts zu tun haben wollen, stimmt's?“ Der Kopfgeldjäger kam sich vor wie beim Kummerkasten für böse Buben, was ihm außerordentlich missfiel. Erstens war er der Ansicht, keine „starke Schulter“ zu brauchen und zweitens gingen seine Probleme sowieso niemanden etwas an. Aus diesem Loch wollte er sich selbst herausziehen. So entgegnete er: „Vielen Dank für Ihr Mitgefühl, aber ich wäre nicht Wolf O'Donnell, wenn ich mir nicht selbst helfen könnte. Schauen Sie genau hin ...“ Der Besucher wurde just Zeuge von den bemitleidenswerten Versuchen einer weiterhin alkoholisierten Berühmtheit, aufzustehen. Nach sage und schreibe vier Versuchen klappte es endlich und Wolf stand auf wackeligen Beinen. Um nicht umzufallen, musste er sich gelegentlich an der Wand abstützen. „Sehen Sie? Ich komme ganz gut alleine klar.“ Zur Antwort schlug sich sein Gesprächspartner mit der flachen Hand auf die Stirn. „Ich glaube, dieses Scheißzeug ist nicht Ihr größtes Problem ... Diese maßlose Selbstüberschätzung wird Sie irgendwann noch umbringen, ganz bestimmt. Wenn Sie eins noch lernen müssen, dann dass Sie nicht alles alleine bewältigen können, so mutig und stark Sie auch sind.“ Für solche Belehrungen hatte Wolf nur Verachtung übrig, schließlich war er kein kleines Kind mehr. So erwiderte er trotzig: „Ach ja? Für wen halten Sie sich? Meinen Vater?“ „Nein, aber für jemanden, der im Gegensatz zu Ihnen, klar denken kann. Wenn Sie mir ernsthaft sagen wollen, Sie hätten das Star Fox-Team auch ohne Ihre Kollegen gepackt, begehen Sie den allerschlimmsten Verrat an ihnen, den man sich denken kann. Und dafür werden Sie alles ernten, nur keine Bewunderung und Respekt.“ Das wollte Wolf so keineswegs stehen lassen und er öffnete den Mund, um zu kontern. Doch seine Kehle schnürte sich augenblicklich zu. Gelähmt von dieser Erfahrung merkte er, dass er nicht wusste, was er zu diesen Vorwürfen sagen sollte. Hatte der Soldat etwa Recht? „Hmpf, dachte ich's mir ...“, murmelte dieser und sah auf seine Uhr. „So, Abmarsch. Das hat deutlich länger gedauert als gedacht und der General hasst es, länger zu warten als nötig.“ So nahm er den grübelnden O'Donnell an die Hand und führte ihn aus dem Zimmer. Sein unsicherer Gang zog viele Blicke auf sich, mal amüsiert, mal abgestoßen. Was die Gaffer wohl dachten? Kannten sie ihn überhaupt? Daran wagte Wolf nicht zu denken. Natürlich fand er es für seine Arbeit hinderlich, wenn ihn jeder Hanswurst bereits aus der Entfernung erkannte, aber unter vier Augen war es angenehm. Noch schöner fand er es, als Idol für potenzielle Nachwuchsjäger zu gelten und in diversen Kreisen Fans zu haben. Auf solche wie Jan konnte er allerdings getrost verzichten. Der Soldat war zwar kein Anhänger, aber seinen enttäuschten Schilderungen nach ein Sympathisant. In diesem Zustand sollte ihn jedoch niemand sehen. Spätestens jetzt bereute Wolf, den Kasten leer gemacht zu haben. Nun bekam er die Quittung in Form dieser Peinlichkeiten. „Ich habe mitbekommen, wie Sie der General abgefertigt hat.“ Kaum gehört, brachte es das Blut des Kopfgeldjägers in Wallung. Nichts und niemand durfte ihn inkompetent nennen, aus dem ganz einfachen Grund, dass es nicht stimmte. Er musste zugeben, gegen seinen ewigen Rivalen lief es nicht gut, aber sonst? Der „Most Wanted“ des Lylat Systems, ein Vermögen auf seine Festnahme angesetzt - eine beachtliche Leistung, wie er meinte. „Wissen Sie, ich wollte auch mal in Ihr Gewerbe einsteigen, aber das war mir zu riskant. Da zog ich viel lieber ein geregeltes Einkommen und ein halbwegs sicheres Leben vor. Persönlich kann ich Sie nur dafür bewundern, wie Sie es geschafft haben, die Karriereleiter hochzuklettern.“ In Folge dessen spürte Wolf den Stolz in sich aufkeimen, der sofort wieder abflaute, als der Soldat ergänzte: „Aber dann dieser Absturz ...“ Von nun an hielt das Alkoholopfer den Rand. Nicht, dass er sich noch durch unbedachte Aussagen weiter ins Aus katapultierte. Der nächste Satz des Katers aber erregte wieder seine volle Aufmerksamkeit: „Ich schätze, Sie benötigen nun eine ... „kleine“ Starthilfe. Nicht jetzt, erst wenn wir bei der Einsatzbesprechung waren.“ So sinnierte Wolf über die Bedeutung besagter Starthilfe und ließ sich wortlos vom ebenfalls ruhig bleibenden Soldaten geleiten, bis sie zum zweiten Mal am Tor zum Gemach des Generals standen. Daneben, ständig von der Wache genervt beobachtet, saß jemand ... „Was macht Jan hier?!“, schimpfte die Begleitung, „Der sollte doch bis zum Rest des Tages zur Ausnüchterung in der Zelle hocken!“ Der Löwe zuckte mit den Schultern und antwortete: „Na ja, der Kleine kam vorhin mit zwei Männern im Schlepptau an, die meinten, der General wolle ihn zusammen mit Wolf sehen. Dann haben sie ihn hier liegenlassen und seitdem pennt er hier ...“ Argwöhnisch betrachtete der Soldat den schlafenden Kerl am Boden: die Kappe schief, die Kleidung von seltsamen Flecken übersät und in ihre Nasen drang ein seltsamer Geruch, bestehend aus einem Gemisch von Ethanol und Tabak. „Ich sagte doch, er vergewaltigt Leute“, kommentierte Wolf die unansehnliche Gestalt, ohne beachtet zu werden. Als nächstes trat der Kater einmal kräftig gegen den regungslosen Körper und weckte Jan auf. Jener war sofort wach, kurioserweise ohne den Tritt zu registrieren. Eine Folge des intensiven Alkoholkonsums? „Hä, was?“, fragte er in die Runde, stand aber schnell auf, als er Wolf erkannte. „Oh, guten Morgen! Sie sehen aber echt nicht gut aus, vielleicht legen Sie sich zurück ins Bett?“ Zu mehr außer einem geknurrten „Hallo“ konnte sich der Kopfgeldjäger nicht abringen, zumal der Idiot seinen Geruchssinn im gröbsten Maße beleidigte. Wäre Jan bloß nicht aufgewacht ... Doch leider schienen seine kontrollierten Bewegungen auf eine lange Karriere als Trinker zu schließen. Der Soldat hatte nun genug von der Zeitverschwendung und sagte: „Schluss jetzt, der General wartet. Benehmt euch gefälligst wenn ihr nicht vorzeitig erschossen werden wollt. Das gilt besonders für DICH, Jan!“ „Aber ich habe doch nichts gemacht!“ Ungeachtet dessen stellte sich ihr Führer vor das Tastenfeld, gab den Code ein und öffnete die Tür. Drinnen erwartete sie ein überaus verstörendes Bild: Rhino trug nicht seine Generalsuniform, nein, sondern einen babyblauen Morgenmantel mit Blümchenmuster. Diesen Anblick hätte sich Wolf am liebsten erspart, scheinbar teilten sogar beide Wachen hinter dem Nashorn dieselbe Meinung, da sie fortwährend die Wände anstarrten. Rhino fragte lediglich: „Was ist?“ Krampfhaft suchte der Soldat nach Worten, die seine Bitte, der General möge bitte die normale Uniform wieder anziehen, ohne seine gegenwärtig nicht zu leugnende Entrüstung einfließen zu lassen, möglichst höflich wiedergaben. Schnell jedoch gestand sich der Kater ein, dazu im Moment nicht imstande zu sein und beschränkte sich darum darauf, ihn mit einem freundlich klingenden „Guten Morgen, Sir!“ zu begrüßen. Seine Schützlinge taten es ihm gleich, auch wenn sich Wolf dazu erst überwinden musste. Zufrieden begann Rhino zu reden: „Gut. Freut mich, dass ihr es geschafft habt, euch ...“ Er machte eine kurze Sprechpause und musterte Jan wie einen Verdächtigen, der sich daraufhin sofort kleiner machte. „... nicht von diesem Zeug umbringen zu lassen. Denn für diesen Auftrag benötige ich jeden einzelnen Mann.“ Der General schob sich auf seinem Stuhl ein Stück zurück, betätigte einen, für seine Zuhörer nicht sichtbaren, Knopf, und auf der Stelle erschien über der Arbeitsfläche eine 3D-Projektion. Offenbar steckte in diesem Möbelstück einiges an Technik. „Wisst ihr, was das ist?“ Wolf nahm das Gezeigte genau unter die Lupe: eine keilförmige Form, vier Triebwerke am Heck, die Kommandobrücke hoch über dem hinteren Teil des Rumpfes, jede Menge Geschütze und zwei Torpedorohre der Längsachse folgend. Überdies zeigte die Konstruktion eine Art Landeplattform an der Oberseite. Da fiel es ihm wie Schuppen von den Augen und er sprach aufgeregt: „Hey, das habe ich doch vor drei Tagen am Himmel gesehen!“ Auf einmal sahen ihn alle fragend und erwartungsvoll zugleich an, was ihn ein wenig mulmig stimmte. So erklärte er: „Nachdem ich, wie mittlerweile jeder weiß, abgestürzt bin, habe ich die Great Fox beobachtet. Daneben tauchte plötzlich, scheinbar aus dem Nichts, dieses Raumschiff auf. Es raste ein Stück weiter, bis es zum Stehen kam. Und dann war ich auch schon weg vom Fenster.“ „Hm, interessant ...“, meinte Rhino dazu, „dann möchte ich euch mal sagen, was meine Scouts herausgefunden haben, bevor sie hinterrücks vom Feind abgeknallt wurden.“ Ein weiterer Knopfdruck fügte dem Hologramm noch technische Daten hinzu, die aber ausschließlich Ausmaße und die Anzahl der Waffen darlegten. Auffällig war das Fragezeichen hinter jeder Angabe. „Sie konnten aufgrund des Hinterhalts keine genauen Messungen vornehmen, aber die Länge des Schiffs wird auf knapp 800 Meter geschätzt, die Bewaffnung auf über 20 Geschütze von furchterregender Größe, die alles übertreffen, was wir je gesehen haben. Wir nehmen an, dass es mit diesen Waffen ein leichtes ist, einen Planeten zu zerstören.“ Interessiert stellte der Soldat die Frage, ob bereits probiert wurde, eine Kommunikation zur Besatzung herzustellen und ob eine Reaktion erfolgte. „Wir haben es mehrmals versucht, aber ohne Ergebnis. Aber noch viel seltsamer ist, dass sie scheinbar keinen Funk nutzen. Wir haben beim besten Willen keine Frequenz gefunden, in der wir die Crew erreichen können. Natürlich könnten sie tot sein und daher nicht antworten ... und genau deswegen müssen wir rasch handeln.“ Wolf wusste instinktiv, was jetzt kommen würde und er entschied sich dazu, es vorwegzunehmen. „Alles klar, Herr General ... wir sollen da rein, weiter bis zur Brücke und die Steuerung übernehmen?“ Überraschenderweise schüttelte Rhino den Kopf und erwiderte: „Aber nein! Wo denken Sie denn hin? Ich habe einen viel besseren und sichereren Plan, der uns zuverlässig die Kontrolle über Venom verschaffen wird.“ Von da an sah der Kopfgeldjäger seine Überlebenschancen drastisch in den Keller stürzen. Immer, wenn ein machthungriger Befehlshaber, meist in Kombination mit Wahnsinn, von seinem eigenen Plan überzeugt war, stellte sich heraus, dass es im Grunde ein pures Himmelfahrtkommando war, das jeder drittklassige Offizier besser durchdenken konnte. Immer. Sogar der Soldat war von dem Gehörten nicht gerade begeistert und er setzte eine besorgte Miene auf. „Also gut, Herr General. Was haben Sie denn vor?“ „Ich werde es so sagen: Stellen Sie sich enorm wohlhabende, aber gierige Personen vor, die ihre Reichtümer wie ihren eigenen Augapfel hüten. Nun taucht in ihrer Mitte plötzlich eine Truhe auf, voller unbeschreiblich kostbarer Schätze ... und schon ist sie da, die Gier, und schlägt sie mit Blind- und Unachtsamkeit. Wie Raubtiere stürzen sie sich darauf und zerfleischen sich gegenseitig, aber ohne ein Auge auf ihren Besitz zu werfen. Und während sie darum kämpfen, schleicht sich ein Einzelner, der noch rational handeln kann, zu ihren Besitzen und nimmt alles. So ist dieser am Ende reicher als der, der sich um den Schatz prügelte.“ Jan verstand nur Bahnhof und sonderte ein „Hä?“ ab, der Kater sah ratlos zu Boden und Wolf langweilte sich. Abgesehen von seiner Beurteilung, dieses „Bildnis“ wäre hanebüchener Hirnschiss, fragte er sich, warum man so ausschweifen musste, wenn man es auch in nur einem, höchstens zwei Sätzen auf den Punkt bringen konnte. So freundlich, wie er ausnahmsweise Mal war, nahm er ihm diesen Teil ab und sagte: „Also kurz gesagt: Ihre Gegner schlagen sich mit allem, was sie haben, um das Raumschiff und Sie marschieren dann einfach in deren unbewachte Stützpunkte rein.“ Rhino nickte und sprach ein Lob aus. „In der Tat, die Gerüchte um Ihre rasche Auffassungsgabe entsprechen der Wahrheit.“ „Wer hätte bei diesem Grundschulniveau auch etwas anderes erwartet?“, dachte Wolf genervt und überlegte, ob er seinem Vorgesetzten all die Haken in der Planung ins Gesicht schmettern sollte. Der Soldat stupste ihn plötzlich an und schüttelte den Kopf, weshalb er davon absah. Vermutlich würde er sich damit noch tiefer in die Bredouille reiten als ihm lieb wäre. „Wenn sonst keine Fragen mehr sind, bitte ich Sie, sich bei Major Steinhauer in seinem Quartier zu melden. Er dürfte diesbezüglich einen einwandfreien Schlachtplan entworfen haben. Viel Glück und gute Jagd!“ So abkommandiert, verabschiedete sich der Soldat stellvertretend für Wolf und Jan und das Trio verließ das Gemach. Draußen führte sie der Kater ein Stück von der Tür weg und blickte sorgsam zu allen Seiten, ehe er sich an die Wand lehnte, seufzte und rumorte: „Ich werde echt zu alt für diesen Drachenmist. Ich bin mir zu 100 Prozent sicher, nirgendwo auf dem Arbeitsvertrag gelesen zu haben, ich müsste irgendwann auf unsere eigenen Leute schießen.“ Da fragte Jan nach Namen und Alter, und man antwortete: „Nennt mich Moritz. Und mit 39 Lenzen stufe ich mich schon als alten Sack ein ...“ Wolfs Sorgen drehten sich derweil darum, wie er von Venom fliehen könnte. Dieses Selbstmordkommando wollte er um keinen Preis durchführen – na ja, außer er wäre danach ein Millionär, aber er sollte ja bekanntlich „ehrenamtlich“ mitarbeiten. „Könnten Sie sich vorstellen, an Stelle des Generals zu sitzen?“ „Hm? Was?“ Jan sah ihn lächelnd an und nickte. „Ja genau. Sie als Obermotz, den Oberbefehl über eine ganze Armee, die das gesamte System unterwerfen kann.“ Diese Vorstellung tat der Kopfgeldjäger sofort als Schwachfug ab. Er konnte nicht einmal richtig Schach spielen, bekanntermaßen der König der Strategiespiele. Wie sollte er da tausende Truppen befehligen, ohne sie sinnlos zu verheizen? Obwohl, reizend war der Gedanke schon ... „Gar nicht mal so uninteressante Idee, aber wie kommst du plötzlich da drauf?“ Jan zuckte mit den Schultern. „Ach, nur so. Ein bisschen feuchte Träume und bla.“ Zum Glück schwieg er sich darüber aus, ansonsten drohte Wolf, eine geraume Zeit lang die schlimmsten Alpträume zu erleiden. Aber davor würde er ihn zur Rache umbringen. Nun war es Moritz, der sich in das Gespräch einmischte und ihr Augenmerk auf die derzeitige Situation lenkte. „Also gut, Leute. Ich weiß aus Erfahrung, das wird total in die Hose gehen. Und außerdem scheint ihr beide so wie ich keine Lust darauf zu haben, richtig?“ „Erzählen Sie mal was Neues“, meinte Wolf und Jan stimmte ihm zu. Er sprach weiter: „Ich hatte ja vorhin gesagt, Sie bräuchten eine kleine Starthilfe.“ Prompt spitzte der Gemeinte die Ohren und achtete genau darauf, was er sagte. Vielleicht wäre das sein Ticket in die Freiheit? „Nun, der Aufseher des Hangars ist ein alter Freund von mir und daher habe ich mir gedacht, dass ich Ihnen ein Fluchtfahrzeug zur Verfügung stelle ... wie klingt das?“ Statt einer Antwort strahlte ihm ein breites Grinsen entgegen. Dies wertete Moritz folgerichtig als ein Ja. „Alles klar ... aber nur unter einer Bedingung!“ Wolfs Begeisterung und seltene Dankbarkeit wurden jäh gebremst und von der Euphorie blieb nichts mehr übrig. Wäre sonst ja auch zu einfach gewesen. Nichtsdestotrotz wartete er ab, was der Soldat von ihm wollte. „Ich verlange nicht viel von Ihnen. Nur eins: nehmen Sie mich mit.“ Von dieser „Bescheidenheit“ überrumpelt, kratzte er sich am Kopf und erwiderte: „Na ja, ähm, Sie werden mir ja einen Flieger beschaffen und einen Neustart ermöglichen, von daher ... warum nicht? Aber wohin wollen Sie denn?“ Moritz sah einen Moment lang an die Decke und sagte: „Ich denke, ich versuche mich nach Aquas durchzuschlagen. Ich angle für mein Leben gern, von daher wäre es bestimmt nicht falsch, meinen Lebensabend auf einem Fischkutter zu verbringen. Aber ich schätze, als Flüchtiger überlebe ich eher, wenn ich mich an Sie halte.“ Wolf konnte damit nichts anfangen. Ohnehin war es ihm vollkommen gleichgültig, welche Berufswünsche die anderen hegten. Aber da hatten sie noch jemanden vergessen ... „Und was ist mit mir?“ Zwei düstere Gesichter drehten sich zu Jan um; seine Augen leuchteten wie das eines Kindes, welches seine Mutter zum Kauf einer Tafel Schokolade bewegen wollte. „Damit ich deine Visage noch länger ertragen muss?“, schnaubte Moritz, „Vergiss es, du bleibst gefälligst hier!“ „Aber mich hassen sowieso alle hier, was sollte mich schon hier halten?“ „Ja und? Venom ist nicht die einzige Welt in Lylat, auf den anderen Planeten hassen dich noch viele mehr!“ Da begann Jan lauthals zu quengeln und zu betteln, so sehr, sodass Wolf in Erwägung zog, ihn mit einem Handgriff ruhigzustellen – auf ewig. Der Widerstand brach jedoch rasch, weswegen der Kater am Ende seiner geistigen Kräfte war und letztlich zusagte. „Grr ..! Schön! Aber dafür tust du alles, was wir dir sagen, verstanden? Und wehe, du stehst uns einmal im Weg ...“ Die Stimmung kippte prompt um 180 Grad: überglücklich wollte man ihm um den Hals fallen, aber da war Moritz schon unterwegs Richtung Hangar und Jan stürzte daher gegen die Wand. Nachdem diese Hürde überwunden war, kreisten Wolfs Gedanken nun darum, wo er sein Team wiederauferstehen lassen sollte. Ein konkretes Ziel hatte er nicht, es sei denn, „Ganz weit weg von Venom“ zählte dazu. Sollten sich die Kriegsherren doch ohne ihn um das Raumschiff schlagen! Zielstrebig leitete sie Moritz durch die Gänge der Basis, vorbei an zahlreichen Kreuzungen und es dauerte nicht lange, bis Wolfs Kondition Probleme machte. Zuvor wies der Soldat sein Gefolge dazu an, auf ihrem Weg still und unauffällig zu sein. Nichts wäre gefährlicher, als Verdacht zu erregen und aufzufliegen, was eine Hinrichtung nach sich ziehen würde. Zu einer solchen Begegnung kam es dann auch. Ein Offizier in Begleitung kreuzte ihre Route, dem der „prominente“ Hintermann nicht ganz koscher war. Misstrauisch fragte er: „Private Moritz, was machen Wolf O'Donnell und der Trottel bei Ihnen? Sollten sie nicht beim Briefing sein?“ Um die Sache noch zu verkomplizieren, fing Jan an zu schwitzen. Wolf hingegen ließ sich nichts anmerken und sah dem Vorgesetzten gefasst ins Auge. „Sollten sie, ja“, bemühte sich der Kater um eine plausible Erklärung, „Aber der General befahl stattdessen, sie im Hangar wegen Inkompetenz exekutieren zu lassen. Dann müssen nicht so viele über ihr Hirngesplatter laufen.“ „Was?!“, protestierte Jan, „Ich dachte, Sie ... unngh!“ Wolf würgte ihn mit eiserner Hand, aber es war zu spät. Zornig beäugte sie der Offizier und sogar Moritz setzte Sorgenfalten an. „Gute Entscheidung“, würdigte der Truppführer plötzlich die Order Rhinos und der Soldat war baff, „Wird ja auch langsam Zeit, sich Jan und dieser Schande von Kopfgeldjäger zu entledigen. Warum habe ich das nicht schon viel früher bei den Sitzungen vorgeschlagen? Machen Sie weiter, Private.“ Moritz salutierte erfreut und zog die anderen beiden schleunigst mit, ehe Wolf vor Wut auf dumme Ideen kommen konnte. Die folgenden Schimpftiraden Jans, von wegen der Kater wäre ein verlogener Arsch und würde sie nachher wirklich über'n Haufen ballern, überhörten sie einfach. Nach zwanzig Minuten Marsch war es so weit. Nur noch eine Schiebetür trennte sie von der frischen Luft und der Soldat schickte sich ohne Verzögerung an, sie zu öffnen. Bald darauf standen sie in einem kleinen, aber feinen Hangar, wie sie häufig auf Venom zu finden waren. Vereinzelte Jäger, dieselben Modelle wie bei der Verteidigung von Bolse, warteten hier auf ihren Einsatz. Weiter vorne erstreckte sich die Ödnis des Planeten, durchzogen von Tälern, Canyons und Ebenen. Der Himmel hatte sich seit Wolfs Absturz nicht verändert. „Och, Moritz, was verschlägt dich hierhin? Und wer sind diese komischen Figuren?“ Eine gebrechlich wirkende Schildkröte mit Brille saß an einem kleinen Tisch und sprach sie von der Seite an. Auf der Fläche lag ein portabler Computer, der über einen holografischen Bildschirm verfügte. „Hallo Torteus, ich ...“ Plötzlich ertönte eine ohrenbetäubende Sirene und Signalleuchten tauchten den Raum in regelmäßigen Abständen in ein dunkles rot. Gleichzeitig schallte aus den Lautsprechern eine bekannte Stimme, von der die Flüchtigen dachten, sie losgeworden zu sein. „Fluchtversuch in Hangar 38-C! Drei Verräter versuchen mit Jägern zu fliehen, darunter Wolf O'Donnell persönlich! Wiederhole, Fluchtversuch in Hangar 38-C! Wer mir ihre Köpfe bringt, kassiert eine Beförderung!“ „Ack, der Offizier hat wohl Lunte gerochen!“, schrie Moritz gegen den Lärm und wendete sich erneut an Torteus, „Hör mal, wir müssen uns dringend drei Jäger schnappen und von hier abhauen! Kannst du dieses Mal ein Auge zudrücken? Sag denen bitte, dass du überwältigt wurdest, okay?“ Sein Freund starrte ihn irritiert an und gab schließlich, überfordert von der Ausnahmesituation, sein Einverständnis. „Du bist der Beste, du hast echt was gut bei mir!“ Dann rannte er, ohne ein letztes Abschiedswort an den Aufseher zu richten, zusammen mit seinen Partnern auf die Flugzeuge zu, welche sie in aller Eile bestiegen. Unterdessen drangen hinten die ersten Fußtruppen in den Hangar ein. „Na los, kommt uns doch holen!“, provozierte sie Wolf ungehört im Cockpit, „Mit euch wische ich den Boden im Handumdrehen!“ Noch waren sie nicht gestartet und die Häscher suchten zuerst die Ecken ab. Genug Zeit also, um die Koordinaten für einen Zwischenstopp einzugeben. Hoffentlich war er inzwischen nüchtern genug zum Fliegen. „Wohin geht es eigentlich?“, fragte Jan, erhielt jedoch keine Antwort. Seelenruhig inspizierte Wolf die Karte des Systems, die er nach außen liegenden Planeten absuchte. Zu seiner Enttäuschung fand er nur Dinosaur Planet, und dafür mussten sie an Area 6 vorbei - trotz des Massakers an Andross' Flotte immer noch ein heißes Pflaster. Sicherlich grasten cornerianische Einheiten zurzeit die umliegenden Gegenden ab und beseitigten Nachzügler, da sah der Kopfgeldjäger mit seiner drei Mann starken Truppe kein Land. Deshalb musste er in die entgegengesetzte Richtung fliehen. Dahin, wo nur wenige bisher vorgestoßen waren. „Wie lange noch, O'Donnell?!“ Moritz' fast schon panischer Ausruf setzte Wolf unter Stress, wobei er sich dabei ertappte, schneller durch die anwählbaren Koordinaten zu scrollen. Aber so hektisch er auch suchte, jegliche Angaben lotsten ihn in die Fänge der Siegermacht. Beinahe wollte er es als sinnlos deklarieren und aufgeben, bis ... ... er einen mysteriösen Eintrag entdeckte. Zufall? Nein, es stand wahrhaftig in der Liste. Der Cursor zeigte auf einen mit Fragezeichen markierten Punkt hinter Venom, der Weg dahin entsprach in etwa dem von Corneria bis nach Solar in einem Stück. Ob das der Warpantrieb durchhielt? Er musste es riskieren. Alles andere bedeutete den sicheren Tod, so selbstbewusst er auch war. So sendete er die Daten an seine Flügelmänner, die Reaktionen darauf von Unsicherheit und Angst geprägt. „Seid Ihr sicher, dass Sie dahin wollen?“, fragte Moritz ungläubig, „Keiner weiß, was dort ist. Wir könnten in einen Hinterhalt geraten oder auf eine lebensfeindliche Welt stoßen.“ Wolf bejahte dies. In solchen Begebenheiten, die schnelles Handeln erforderten, ließ er nicht mit sich reden. Somit befahl er ihnen, den Flieger startklar zu machen und ihm zu folgen. Und zu beten, sie mögen jetzt nicht abgeschossen werden. Wenige Eingaben reichten und schon hob das Vehikel vom Boden ab. Nun hagelte es schweren Beschuss aus den Reihen der Verfolger. Sobald sie im Sperrfeuer die richtige Höhe erreichten, erteilte er die Anweisung: „Voller Schub!“ Gemeinsam flogen sie durch die Öffnung aus dem Hangar, einige Projektile noch hinterher. Über den Gebirgsketten fliegend und stetig steigend, hatten sie nach all den Strapazen endlich die Möglichkeit, tief durchzuatmen. Doch noch waren sie nicht in Sicherheit. In jedem Augenblick könnte aus einem der offenen Tore am Boden eine verfolgende Gruppe Jäger auftauchen. „Also Jungs“, bereitete er den nächsten und letzten Schritt vor, „Statusbericht.“ „Ein paar Dellen und Brandflecken, sonst nichts“, meldete Moritz nüchtern, Jan konnte gar eine völlige Unversehrtheit bescheinigen. Dann prüfte Wolf seinen eigenen Zustand – und schluckte. Da prangte auf dem Schirm dick und fett das Wort „Motorschaden!“. „Verdammt, die haben das Triebwerk erwischt. Umdrehen werde ich aber ganz bestimmt nicht, das wird der Warpantrieb nun stemmen müssen. Formation einnehmen, wir springen!“ Nachdem seine Flügelmänner ihre Position neben ihm eingenommen hatten und das Team seine Richtung korrigiert hatte, gab er das Signal zum Sprung. „Auf zur unbekannten Welt!“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)