Im Meer der Erinnerungen von YukimuraRuki ================================================================================ Kapitel 1: Im Dunkeln tappend ----------------------------- Im Meer der Erinnerungen Kapitel 1: Im Dunkeln tappend „Wir sind zur Zeit leider nicht zu erreichen. Bitte hinterlassen Sie uns eine Nachricht nach dem Fiepton“ Mit einem kräftigen Signal verriet der Anrufbeantworter, dass er zur Aufnahme bereit war. Nun hatte Hikari bereits seit Stunden versucht im Hause takaishi anzurufen, aber weder nach Takeru noch ein anderes Familienmitglied hob ab. 'Wo Takeru-kun wohl in dieser Sintflut hingegangen ist... Vielleicht ist er ja bei Yamato-san untergekommen und hat bei ihm übernachtet', dachte das braunhaarige Mädchen bei sich, welches nun unschlüssig mit dem Anrufbeantworter verbunden war und überlegte, ob sie ihm eine Nachricht auf das Band sprechen sollte. Da sie ohnehin gezögert hatte um bei ihnen anzurufen, entschied sie sich nicht zu sprechen. Ihre Aufmerksamkeit wurde von Taichi abgelenkt: „Was stehst du denn rum wie bestellt und nicht abgeholt, Hikari?“ Ihr älterer Bruder war gerade aus dem Badezimmer gekommen und versuchte sein wildes Haar mit einem Handtuch zu bändigen. Mit nichts weiter als einem Handtuch bekleidet warf er ihr einen fragenden Blick zu. „Hallo Brüderchen“, begrüßte Hikari den Brünetten. „Wen hast du denn angerufen?“, erkundigte er sich mit einem leichten Lächeln. „Ich habe bei Takeru-kun zu Hause angerufen. Ich hab' es zwar schon ein paar Mal versucht, aber er geht einfach nicht ran“, erklärte sie mit einer leicht besorgten Miene. „Also wenn du Takeru suchst...“, Taichi dachte für den Bruchteil einer Sekunde daran ihr zu erzählen was geschehen war, doch er besann sich eines Besseren. Es war vielleicht doch keine so gute Idee Hikari mitzuteilen was sich zugetragen hatte. Auf jeden Fall schien es für den Augenblick am besten zu sein. „Hm? Weißt du was über Takeru-kun, Brüderchen?“, hakte Hikari nach. „Ah, i-ich dachte nur, dass er vielleicht bei Yamato sein könnte“, entgegnete er leicht bedrängt durch die plötzliche Frage, auf die er eigentlich hätte vorbereitet sein müssen. Hikari war ein wenig beruhigt und meinte: „Du hast auch schon daran gedacht? Ich hoffe zumindest, dass er irgendwie halbwegs trocken nach Hause gekommen ist." Taichi beobachtete sie mit einem nervösen Grinsen wie sie das Telefon allein ließ und in ihr eigenes Zimmer ging. Am folgenden Tag besuchte Yamato seinen Bruder erneut im Krankenhaus. Es war wie ein Schock für Yamato und seine Eltern, dass Takeru sich nicht mehr an alles erinnern konnte. Am vorigen Abend hatte Yamato seinen Vater angerufen, als er sicher sein konnte, dass dessen Arbeit getan war und auf dem Weg nach Hause war. Da es allerdings sehr spät gewesen war, konnte Herr Ishida seinen jüngeren Sohn nicht sofort besuchen gehen. Yamato hatte es augenblicklich bevorzugt seiner Mutter eine emotionale Unterstützung zu sein, riet der Jugendliche seinem Vater dass es besser sei vorerst zu Hause zu bleiben. Nun saßen zunächst Yamato und Frau Takaishi mit dem behandelnden Arzt in einem Sprechzimmer, um ihnen mitzuteilen, dass er ihnen nicht mit Sicherheit sagen konnte wie man Takerus Erinnerungen wieder hervor rufen könnte, wann sie eventuell von allein wieder kämen oder aus welchem Grund sie verloren gegangen waren. Vielleicht konnten sie nach und nach einige Methoden ausprobieren, aber da es für ein tägliches Leben keinerlei Hindernisse gab, empfahl der Arzt, dass Takeru so bald es möglich war entlassen wurde. Gegen Mittag saß Yamato mit seinen Eltern im Hause Ishida um zu beraten wie sie weiter verfahren wollten. Wie getroffen sich Yamatos Vater von Takerus momentanen Zustand fühlte, konnte man an seiner leicht gebeugten Haltung und das ständige, hoffnungslose Seufzen beobachten. „Immerhin erinnert er sich an uns als Familie. Nur die Erinnerungen an die Digiwelt scheinen vollkommen ausgelöscht worden zu sein...“, bemerkte Yamato nachdenklich. Als auserwähltes Kind begann sein Kopf sofort nach einem logischen Grund für dieses Rätsel zu finden. Natürlich gab es mit Sicherheit ein Dutzend wahrscheinliche Gründe, die sowohl mit der Digiwelt zu tun hatten als auch ganz natürliche Ursachen haben könnten. „Tja, für das tägliche Leben gibt es vielleicht keine großen Hindernisse, aber ich kann ihn auf keinen Fall auf sich allein gestellt lassen und auf die Arbeit gehen“, meinte Frau Takaishi. „Natsuko...“, warf Herr Ishida ein, doch seine Frau ignorierte, dass er versuchen wollte etwas zu sagen und überfuhr ihn: „Wirklich, ich frage mich was los war. Auch wenn ich daran jetzt nichts mehr ändern kann, wenn ich das Haus nicht verlassen hätte... Ihm war schon den ganzen Tag nicht so gut gewesen, da sollte er eigentlich drinnen gewesen sein, also warum ist er zum Kaihin Park gegangen? In seiner körperlichen Verfassung geht man doch nicht im Regen nach draußen!“ „Takeru hat erwähnt, dass er plötzlich dort war und auf das Meer starrte“, erklärte Yamato, wobei er seiner Mutter ein leichtes Lächeln zuwarf, „Mach dir bitter nicht so viele Gedanken, Mutter. Ich hätte genauso gut bei Takeru bleiben können, aber ich habe auch viele andere Dinge für wichtiger gehalten.“ So versuchten zumindest Yamato und Frau Takaishi sich gegenseitig zu entlasten oder auch mit ihrer indirekten Schuld klarzukommen. Herr Ishida hingegen erhob sich vom Tisch und legte seine Hand tröstend auf die Schulter seiner Exfrau. „Komm schon, daran hat nun wirklich niemand Schuld. Ich finde wir sollten jetzt alle zusammen miteinander arbeiten und Takeru unterstützen“, meinte er und griff nach seiner Jacke, „Yamato, entschuldige ich muss noch Mal in den Sender und bei den Jungs was vorbeibringen, dann kann ich ihnen auch gleich sagen, dass ich mir für ein paar Tage frei nehme.“ Damit verschwand Herr Ishida aus der kleinen Wohnung, welche er sich mit Yamato teilte. „Mutter, musst du nicht auch noch ein paar Dinge erledigen?“, fragte er ein wenig besorgt, denn es wirkte so als sei sie ein wenig unruhig, denn sie fuhr sich mit der Hand des Öfteren durch das schulterlange, helle Haar. „Ich könnte, aber...“ „Geh nur, ich werde Takeru noch einmal besuchen gehen sobald die Besuchszeiten wieder anfängt“, sagte er und schenkte ihr dasselbe warmherzige Lächeln, welches auch Herr Ishida noch immer und stets für sie übrig hatte. Die Sonne stand bereits tief am Himmel, während Yamato in dem kahlen Krankenzimmer lag und in einem Buch las. Viel mehr konnte er während der Wartezeit auch nicht tun. Hin und wieder riskierte er einen Blick zu seinem Bruder, den er jedoch jedes Mal schlafend sah. Dieses Mal jedoch, trafen sich zwei Paar saphirblaue Augen und in diesem Moment schlich sich ein schwaches Lächeln auf Takerus Gesicht. „Takeru, wie fühlst du dich?“, erkundigte sich der Ältere. „Brüderchen!“, begrüßte er Yamato, doch dieser warf ihm einen leicht verwirrten Blick zu, denn mit 'Brüderchen' hatte Takeru bereits aufgehört als er in die letzte Klasse der Grundschule gekommen war. Seitdem hatte er Yamato stets mit 'Bruderherz' oder seinem Vornamen genannt. Als ob Takeru die Gedanken seines großen Bruders lesen, winkte der jüngere Blondschopf ab: „Ah entschuldige, ich schätze ich hab schon lange aufgehört dich zu nennen wie ein Kleinkind...“ Auch wenn er sich nicht mehr an die Digiwelt erinnern konnte, es sah so aus, als konnte er sich zumindest an dieses kleine Detail erinnern. Yamato schüttelte leicht den Kopf und zwinkerte ihm zu: „Lass nur, nenn mich ruhig wie du willst, immerhin werde ich auch immer der große Bruder bleiben.“ Der jüngere der beiden Brüder sah an Yamato vorbei nach draußen aus dem großen Fenster, das so viel von der Nachmittagssonne hinein ließ, dass das gesamte Zimmer in goldenen Farben erleuchtete. Der Himmel begann sich bereits in glühenden Farben zu baden obwohl es noch ein paar wenige Stunden dauerte, bis die Sonne sich unter dem Horizont versteckte. Hier und da zogen kleine, zottige Wölkchen am Firmament entlang, welche einen leichten Rosastich erhielten und dabei an Zuckerwatte erinnerten. „Heute dagegen war wunderschönes Wetter, hm?“, fragte Takeru wobei er sich mit dem Oberkörper aufsetzte. Mit den Augen folgte er den Bewegungen des tanzenden Vorhangs, mit dem eine leichte Brise spielte. Yamato nickte und drückte auf einen Knopf, der dafür sorgte, dass das Krankenbett die Höhe mit einem mechanischen Geräusch wechselte. „Wann kann ich denn entlassen werden?“, wollte Takeru wissen. „Was deine körperliche Verfassung betriffst, kommst du bestimmt bald raus. Auf jeden Fall meinte der Arzt, dass du wieder entlassen werden kannst sobald du dich wieder gänzlich erholt hast“, entgegnete Yamato sofort und brachte seinen Bruder dazu ein optimistisches Lächeln zu zeigen: „Ah, sehr gut! Das heißt also ich muss mich anstrengen und ganz fix wieder gesund werden. Ich kann ja nicht riskieren die ganzen Sommerferien über im Bett liegen zu müssen.“ „Da hast du Recht!“ Yamato betrachtete seinen Bruder mit ernster Miene. Es war merkwürdig, dass Takeru seit den letzten Abenteuern in der Digiwelt und nach dem Sieg über BelialVamdemon körperlich leichter angreifbar geworden war. Im Winter fing er sich leichter Erkältungen ein, vor allem im vorangegangenem Dezember hatte das Gehör des Jungen bei einer schweren Ohrenentzündung ziemlich gelitten. So manchen Herbstmonat hatte Takeru Wochenends im Bett verbracht. Dies war allerdings nur seiner Familie wirklich aufgefallen. „Sag mal...“, Takeru durchbrach schließlich die Stille, welche sich für eine ganze Weile zwischen sie gelegt hatte. „Was denn?“ „Du hast doch... niemandem gesagt, dass ich im Krankenhaus liege, oder?“, hakte der hellblonde nach. „Jemandem? Wenn denn?“, konterte Yamato geschickt mit einer Gegenfrage. „Na zum Beispiel meinen Klassenkameraden oder den Lehrern“, antwortete Takeru sofort ohne zu bemerken was Yamato ausprobierte. Kein Wort über die anderen Digiritter hatte sein Bruder verloren, so dass auch Yamato die Sache nicht vernünftig ansprechen konnte. Schließlich rang er sich zu einer Antwort durch: „Nein keine Sorge, natürlich nicht. Ich wollte nicht riskieren, dass sich jemand Sorgen um dich macht. Du hast es immerhin recht gut überstanden.“ „Tut mir leid, ich falle dir, Mama und Papa immer so sehr zur Last“, Takerus Miene verschleierte sich zu einem traurigen Gesicht. Es war dieselbe Traurigkeit, die sich schon früher in seinen Augen widergespiegelt hatte, wenn er draußen ganze Familie vereint auf dem Spielplatz hatte spielen sehen. Damals war er ziemlich neidisch auf Geschwister gewesen, die das Glück gehabt hatten miteinander aufzuwachsen und immer zusammen sein zu können. Nachdem sich das Ehepaar Ishida geschieden hatte, blieb Yamato bei seinem Vater, Takeru lebte bei seiner Mutter und man konnte nicht Mal mehr an ihren Nachnamen erkennen, dass sie miteinander verwandt waren. Yamato fand es bedenklich, dass mit den Abenteuern in der Digiwelt offenbar auch die neu erlangte Zuversichtlichkeit verlorengegangen war. Es klopfte unerwartet an der Zimmertür und Yamato nahm sich die Freiheit um an Takerus stelle den neuen Besucher hereinzubitten. Durch die Tür kam Taichi ins Krankenzimmer hinein. „Hey Takeru, wie geht’s dir denn?“, begrüßte er seinen alten Freund mit aufgelegter Stimmung. „Taichi, da bist du ja!“, erwiderte Yamato mit einem Lächeln. „Ja, ich habe mich schon gefragt, was nun eigentlich los ist, weißt du?“, erklärte der Brünette mit dem völlig zerzausten Haarschopf und näherte sich Takerus Bett, neben dem Yamato saß, „Hab ich's mir doch gedacht, du siehst schon viel besser aus als gestern. Das beruhigt mich etwas.“ „J-jah das tut er, das tut er“, übernahm Yamato die Antwor und versuchte mit allen Mitteln zu verbergen, dass sein Bruder jegliche Erinnerungen an sie verloren hatte. „Ach, was ich dir noch sagen wollte, Takeru. Hikari machte sich verdammt viele Sorgen um dich. Sie hat dich wohl ein paar mal angerufen, aber es ist natürlich niemand bei euch ran gegangen. Ich habe ihr gesagt, dass du bei Yamato bist aber... ich hielt es für besser ihr nicht zu verraten, dass du ins Krankenhaus eingeliefert wurdest. Meinst du, dass du sie zurückrufen könntest, wenn du wieder draußen bist?“ Auf Taichis Worte hin warf Takeru sowohl seinem Bruder als auch seinem Freund einen verwunderten Blick zu. Er wirkte geradezu verwirrt darüber, dass er sich bei Hikari melden sollte. „Was ist denn los?“ „Warum... soll ich denn Yagami-san kontaktieren? Ich meine... ich würde ja, aber ich kenne leider ihre Telefonnummer gar nicht.“, entgegnete Takeru nichtsahnend und sorgte dafür, dass Taichi es die Worte verschlug. Ein seltenes Phänomen, welches Taichi gern als Scherz abgetan hätte. „N-na hört mal Takeru, klar hast du unsere Telefonnummer und selbst wenn... Du kannst sie doch über das D-Terminal erreichen?“ „Ehm... Brüderchen? Was ist ein D-Terminal?“, wollte der Blonde wissen und traf seinen Bruder dieses Mal mitten ins Herz. Für ein paar Sekunden suchte er nach den richtigen Worten, doch etwas Besseres als die Wahrheit fiel ihm nicht ein: „Das ist eins der Utensilien der Digiritter.“ „Ah, soll das etwa heißen, dass Yagami-san auch eins der erwählten Kinder ist?“, kombinierte Takeru in einem sonst ziemlich verwirrten Kopf und wühlte damit Taiichi auf. „Heh jetzt... hört mal auf zu scherzen. Was fragst du denn da, Takeru?! Du tust ja gerade so als ob du Hikari gar nicht kennen würdest, oder was das D-Terminal ist...hast du dir irgendwo den Kopf gestoßen?“ „Tut mir Leid“, entgegnete Takeru, wobei er das Gefühl bekam, dass es da eine Menge Dinge gab die er eigentlich hätte wissen müssen und diese Machtlosigkeit ließ Tränen in seine Augen schießen. Yamato klopfte ihm auf die Schulter um ihn zu beruhigen, wobei er so wirkte wie in alten Kindertagen, als er seinen kleinen Bruder Takeru stets trösten musste: „Das macht doch nichts.“ Taichi bekam ebenfalls ein leicht schlechtes gewissen, weshalb er sich verlegen am Hinterkopf kratzte: „Ah, tut mir leid, Takeru. Ich wollte dich wirklich nicht traurig machen... Ich wollte nur, dass du weißt, dass Hikari sich Sorgen um dich macht... Und es hörte sich nur so an, als ob du behaupten willst du seist nicht mit ihr befreundet...“ Taichi wirkte ein wenig gestresst. Er wollte sich auf keinen Fall mit Yamato anlegen, denn er wusste dass der große Bruder seinen Beschützerinstinkt stets aufrecht hielt. „Ehrlich gesagt... erinnere ich mich an nicht mehr... nur dass...“ „Nur dass?“, hakten Taichi und Yamato wie aus einem Munde nach, dabei sahen sie beide auf den Jüngeren hinab, der eine Augen schloss. „Ich wurde...“ „Takeru?“ „Von irgendjemandem wurde ich gerufen...“, entgegnete der Blondschopf und auf seine Worte hin tauschten Yamato und Taichi nervöse Blicke aus. „Von jemandem, sagst du? Aber von wem denn?“, wollte Yamato wissen, doch im nächsten Moment, als Takeru versuchte sich angestrengt an den Abend zu erinnern, suchte ihn ein stechender Schmerz heim. Er keuchte auf und griff sich an die Brust: „I-irgendjemand... ha-hat nach mir... gerufen.“ Nachdem Takeru diese Worte hervor gepresst hatte, sah es für seinen Bruder so aus als ob er jeden Moment zusammenbräche. Er stützte seinen kleinen Bruder und legte ihn nieder: „Ganz ruhig, Takeru, ich hole sofort Hilfe!“ Das angestrengte Atmen des Jungen wurde immer schwerer, so dass selbst sein zierlicher Körper erbebte. Ohne weiter zu zögern drückte Yamato den Notfallknopf um professionelle Hilfe herbeizurufen. Nach nur wenigen Momenten kamen der behandelnde Arzt und eine Krankenschwester herein um unverzüglich die Behandlung des Jungen aufzunehmen. Es brauchte eine kleine Weile, bevor Takerus Zustand sich wieder normalisierte und sofort wieder einschlief. Taichi hatte die Szene entrüstet beobachtet und erinnerte sich kurz an den Abend, als er Takeru am Wasser aufgelesen hatte. Da gab es etwas, was nicht stimmte. Kurz nachdem sich die Lage wieder beruhigt hatte, kam Frau Takaishi ins Krankenhaus und sofort erzählten ihr die beiden Jungen was vor sich gegangen war. Dankbar nickte die Frau und beschloss an Takerus Seite zu bleiben, bis er wieder aufwachte. Währenddessen gingen Yamato und Taichi für eine Weile in die Cafeteria um sich ein wenig zu stärken. Beide Jungen mussten sich erst einmal von dem Schrecken erholen und kaufen sich jeweils einen Matchalatte. „Was hat das alles zu bedeuten, Yamato?“, wollte er schließlich wissen als sie sich gesetzt hatten. Seine Miene schien ratlos und nachdenklich. „Takeru leidet unter einer selektiven Form von retrograder Amnesie“, erklärte Yamato. „Er hat Amnesie?!“, brach es aus Taichi beinahe hysterisch heraus, so dass er die Aufmerksamkeit aller anderen Gäste im Lokal sofort auf sich gezogen hatte. „Ja, aber eben nur einen Teil“, antwortete der Goldblonde ein wenig nachdenklich. „Und 'nur ein Teil' soll heißen, dass...“, Taichi biss sich auf die Unterlippe, er konnte sich genau vorstellen was gemeint war. „Alles alltägliche und an die Familie und die Schule kann er sich noch gut erinnern. Dagegen sind alle Erinnerungen an die Digiwelt wie ausgelöscht“, meinte Yamato mit ernstem Unterton. Für Taichi ergab plötzlich alles viel mehr Sinn: „Deshalb hat er dich auch gefragt was ein D-Terminal ist, liege ich da richtig?“ Yamato antwortete zunächst nur mit einem Nicken: „Für ihn bist du einfach nur noch einer meiner Freunde, aber Hikari-chan eben nicht. Gestern haben wir ihm gesagt, dass wir alle zusammen Essen gehen könnten, als Dank weil du Takeru gerettet hast. Er hat uns angesehen als wollten wir ihn zum Urlaub in die Arktis schicken und kurz danach wollte er auch wissen wer Patamon ist. Spätestens da haben wir wirklich bemerkt, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugehen konnte.“ Taichi wusste nicht was er sagen sollte. Gedächtnisschwund, damit hatte er bisher noch nicht viel zutun gehabt und so wie Yamato die Sache schilderte, hörte es sich nicht nach einer gewöhnlichen Amnesie an. Er fragte sich vermutlich dasselbe, was Yamato bereits durch den Kopf gegangen war. Warum waren ausgerechnet die Erinnerungen an die Digiwelt verloren gegangen? Warum konnte er sich nicht mal mehr an seine Freunde wie Iori oder Hikari erinnern? Vor allem, wieso traf es überhaupt ihn und außerdem plagte Taichi die Frage, wer nach ihm gerufen hatte. „Sag mal Yamato... hast du 'ne Ahnung wen Takeru gemeint haben könnte?“, fragte Taichi schließlich. „Du meinst wer ihn gerufen hat? Ich habe keine Ahnung. Eins weiß ich aber, was auch immer diese Jemand mit ihm angestellt hat, ich werde ihm das auf keinen Fall verzeihen!“, entgegnete er und ballte seine Hand zur Faust. Er war wütend. Äußerst wütend auch wenn er es in seinem Inneren, zumindest für diesen Moment, gut verstecken konnte. Taichi hingegen hatte das Gefühl, dass er erahnen konnte wie Yamato sich fühlte. Wenn Hikari das Opfer gewesen wäre, dann wäre er sicher ebenso brutal in seinen Gedanken gewesen. „Taichi, könntest du Hikari-chan vielleicht irgendwas sagen, damit sie nicht...“ „Klar, mach dir keine Gedanken, ich werde ihr erst mal sagen, dass es Takeru nicht gut geht und sie es vorerst lieber bleiben lässt“, antwortete Taichi rasch, „Ich meine... irgendwie wäre es schwer Hikari zu sagen, dass Takeru sich an absolut gar nichts mehr erinnern kann, was sie zusammen erlebt haben.“ „Entschuldige“, kam es leise aus Yamatos Munde. „Ich würde ja gern sagen, mach dir nichts draus, aber … Na ja, ich mache mir eben auch Sorgen um Hikari und mag sie eigentlich nicht anlügen... aber wenn Takeru plötzlich in die Schule geht und Hikari nicht mehr kennt dann...“, meinte Taichi etwas besorgt. Wenn er darüber nachdachte, dann legte sich ein massiger Klumpen in Taichis Magen. Am liebsten hätte er sie vorgewarnt, aber auf der anderen Seite käme diese Nachricht mit Sicherheit wie ein Schock. Plötzlich stand Taichi wie von der Tarantel gestochen auf. Yamato warf ihm einen verwirrten Blick zu. „Taichi?“ „Ah, Yamato, ich muss noch mal weg! Mir ist was eingefallen! Ich melde mich, wenn ich mit Koushirou geredet habe!“, meinte er und sprintete davon ohne sich noch einmal zu Yamato umzudrehen. Der Blonde hingegen sah seinem besten Freund verwirrt nach. Was wollte Taichi denn bei Koushirou? Daisuke war schon den ganzen Tag der Langeweile verfallen. Der gewaltige Orkan, der am gestrigen Tage wütete, hatte den Fußballplatz in einem elendigen Zustand hinterlassen, so dass der Fußballclub in dem Daisuke spielte das Training absagen musste. Aus diesem Grunde hatte Daisuke plötzlich mehr Freizeit übrig, als er gewöhnt war. Nach dem letzten Kampf gegen BelialVamdemon waren ihre Partner vorerst wieder in die Digiwelt zurückgekehrt und langsam aber sicher blieb der zweiten Generation von Digirittern kaum mehr Zeit sich alle miteinander zu treffen. Miyako war in die Mittelschule gekommen und Ken ging ohnehin auf eine andere Schule. Iori war eine Klassenstufe unter ihm, so dass in der Mittagspause entscheiden musste ob er Miyako in der Mittelschule besuchte oder bei Daisuke, Hikari und Takeru blieb. Natürlich waren Hikari und Takeru noch immer in Daisukes Klasse, doch seitdem die Gefahren in der Digiwelt überwunden waren, hatte er kaum mehr einen Grund mit Takeru zu sprechen. Die alte Fehde ihn als Rivale anzusehen, hatte Daisuke noch nicht hinter sich lassen können, aber er hatte es mittlerweile aufgegeben sich um Hikaris Gunst zu bemühen. Was ihn mit den beiden im Augenblick am meisten verband war es, ein Digiritter zu sein. „Sag mal, hast du deine Hausaufgaben eigentlich schon gemacht?“, wollte Daisukes große Schwester Jun wissen und reizte ihren kleinen Bruder damit sehr. Wobei Daisuke nicht von sich behaupten konnte zuverlässig an seinen Hausaufgaben für die Sommerferien gearbeitet zu haben. Wenn der brünette Wuschelkopf ehrlich gewesen wäre, dann musste er zugeben, dass er sie sich noch nicht einmal angesehen hatte. Es war mittlerweile zu einer Art Tradition geworden, dass die gesamte Familie Motomiya sich am letzten Tage des Monats August zusammen fand um Daisuke das letzte bisschen Wissen einzutrichtern. Ken, der letzte, goldene Hoffnungsstrahl des Jungen war momentan mit seiner Familie auf einer Reise. Hikari, konnte er nicht bitten ihm die Hausaufgaben zu zeigen, denn damit würde er sich ein glattes Eigentor schießen – selbst wenn er sie als eine potentielle Partnerin bereits aufgegeben hatte – Daisuke befürchtete, dass sie anfangen würde ihn zu meiden. Es gab nur noch eines was Daisuke übrig blieb. Er tat es nicht gern. Es war lediglich ein mutwilliger Akt nur um dem Gewese seiner Familie zu entgehen. Deshalb schnappte der Erbe vom Wappen des Mutes und der Freundschaft, waghalsig sein D-Terminal um Takeru eine E-Mail zu schreiben: »Kann ich dich mal eben bei dir zu Haus vorbeikommen?« Daisuke sah zum Fenster hinaus während er wartete, dabei lag er auf dem Boden und lauschte der uninteressanten Fernsehsendung. Nach einiger Zeit, als immer noch keine Antwort von seinem Kameraden ankam, meckerte Daisuke mürrisch vor sich hin: „Oh Mann, dieser Takeru wird doch wohl nicht meine Mail ignorieren?“ Ob er wohl mit Hikari ein Date hatte? Wenn dem so war, musste er wohl einsehen, dass gute, alte Freunde zweitrangig waren. Verärgert setzte Daisuke sich auf und fasste kurzer Hand einen Entschluss. Er sammelte seine Hausaufgaben zusammen, welche er natürlich all die Zeit über nicht einmal angesehen hatte, verstaute sie in seinem Rucksack und rannte aus der Wohnung. Die Türklingel schellte und schellte. Egal wie oft er auch versuchte den Knopf zu drücken, die Familie, die in dieser Wohnung lebte, kam einfach nicht an die Tür. 'Anscheinend ist wirklich niemand zu Hause... Ob der wohl zu auf Reisen ist?', fragte er ich und machte auf dem Hacken kehrt um wieder zu verschwinden. Ungeduldig wartete Daisuke darauf, dass der Fahrstuhl endlich wieder in den achten Stock gelangte. Gerade als er sich hineinbegeben wollte, stieß er beinahe mit einer anderen Person zusammen, die gerade aus dem Fahrstuhl herausgehen wollte. „Daisuke-kun?“ Bevor sie mit ihren Köpfen zusammenstießen, zuckte der Junge mit den rotbraunen Haaren zusammen und nahm sehr überrascht aber auch ein wenig verlegen ein paar Schritte Abstand. „Ah, Hikari-chan!“, entgegnete er wobei er anhand der Reaktion des Mädchens erkennen konnte, dass sie ebenfalls sehr erstaunt war. Vor allem, dass sie sich jemals, ausgerechnet vor Takerus Haustür trafen war höchst unwahrscheinlich gewesen. „Daisuke-kun, hattest du eine Verabredung mit Takeru-kun?“, wollte sie wissen. „Ah jah... also nein eigentlich nicht. Er ist sowieso nicht zu Hause“, antwortete er. „Ist das so?...“, murmelte sie ein wenig enttäuscht. Nun wo Daisuke näher darüber nachdachte, kam es ihm sehr merkwürdig vor, dass die beiden nicht zusammen waren. „Was ist los, Hikari-chan?“, wollte Daisuke wissen, während er bemerkte, dass ihre Miene leicht traurig wirkte. „Weißt du, ich habe Takeru-kun bereits E-Mail geschickt, aber er antwortet nicht und ans Telefon geht auch niemand“, erklärte sie. „Ah! Da fällt mir ein, bevor ich hergekommen bin habe ich auch ein Email geschrieben, aber keine Antwort bekommen. Deshalb bin ich eigentlich bloß hergekommen...“, berichtete Daisuke. „Ach so... Also ich frage mich, was wohl passiert ist.“ „Ist es nicht wahrscheinlich, dass er bei seinem großen Bruder ist?“ „Ich habe zwar auch schon daran gedacht, aber irgendwas sagt mir, dass da noch etwas anderes ist...“, entgegnete Hikari in einem leicht nachdenklichen Ton und sah zum Himmel hinauf, den man vom Laubenaufgang her gut betrachten konnte. Hikari dachte kurz darüber nach und musste sich selbst daran erinnern, dass sie alle anderen Möglichkeiten gar nicht weitergesponnen hatte, denn Taichi war es schließlich, der sie zu beruhigen versuchte und ihr sagte, dass Takeru womöglich bei Yamato war. Sie hatte ihm zwar zugestimmt, aber es war eigentlich nicht das erste woran sie gedacht hatte. Wie recht Hikari mit ihrer bösen Vorahnung hatte, konnte sie in diesem Augenblick noch nicht wissen. Fortsetzung folgt Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)