Con te partirò von Sky- ================================================================================ Kapitel 1: Zerfall der Achsenmächte ----------------------------------- Die Stimmung war sehr bedrückt im Lager der Achsenmächte. Obwohl Feliciano wie immer sorglos und unbeschwert war und hier und da ein leises „Ve…“ vernehmen ließ, spürte man dennoch die angespannte Stimmung. Dazu gab es auch allen Grund, denn die Lage sah nicht gut aus. Die Alliierten waren weit vorgedrungen und vor allem Ivans Truppen machten ihnen sorgen, genauso wie die von Alfred. Zwar hatte es Ludwig geschafft, die verhassten Franzosen in die Flucht zu schlagen und auch Arthur war am Ende, aber die beiden größten Mächte waren nach wie vor noch im Rennen und sie waren stärker denn je. Ludwig wusste, dass er keine Chance gegen die beiden hatte. Und am liebsten hätte er diesen unsinnigen Krieg auch schon längst beendet, doch sein Vorgesetzter hatte sich in eine Wahnidee hineingesteigert, in welcher er die ganze Welt unterjochen wollte. So ein Wahnsinn. Zu Anfang hatte Ludwig problemlos diese Befehle ausgeführt und alle Anweisungen pflichtbewusst befolgt. Aufgeben kam für ihn nicht infrage, doch mit der Zeit war ihm klar geworden, dass das alles sich langsam aber sicher als Himmelfahrtskommando entpuppte. Und das Problem war, dass Kiku ihm nicht rechtzeitig helfen konnte, denn Japan lag zu weit ab vom Schuss und gegen diese gewaltige Übermacht kamen sie nicht an. Und von Feliciano brauchte man gar nicht erst reden. Dieser gutmütige und unbekümmerte Idiot war für den Krieg absolut ungeeignet. Er war ungeschickt, unzuverlässig und brachte sich ständig in Schwierigkeiten. Außerdem war er immer der Erste, der von den Alliierten angegriffen wurde. Im Grunde verbrachte er die meiste Zeit damit, ihm irgendwie aus der Patsche zu helfen, weil dieser Trottel nie dazu lernte. Normalerweise hätte er solche Individuen längst sich selbst überlassen oder die Rettungsaktionen jemand anderem überlassen, aber er konnte es einfach nicht. Nicht bei Feliciano. Nachdenklich wanderte Ludwigs Blick zu dem schlafenden Feliciano, der wie immer ein glückseliges Lächeln im Gesicht hatte und den Eindruck erweckte, als wäre alles in bester Ordnung. Ganz egal was dieser Kerl auch anstellte und wie oft er sich unnötig in Gefahr brachte, Ludwig brachte es einfach nicht übers Herz, ihn aufzugeben. Dass er gerne nach Italien reiste und ein großer Bewunderer des Römischen Reiches war, spielte nur eine sekundäre Rolle. Die Tatsache war einfach die, dass sie schon so viel Zeit zusammen verbracht hatten und dieser Trottel ihm richtig ans Herz gewachsen war. Obwohl Feliciano ständig am heulen war, nur Mist baute und vollkommen faul und unzuverlässig war, hatte er dennoch ein unbeschwertes Herz und trug ein unschuldiges Gemüt in sich. Er strahlte dann, wenn es düster wurde und er ließ sich durch nichts beirren, wenn es darum ging, zu seinen Verbündeten zu halten. Er war eine treue Seele, vielleicht wäre auch der Begriff treudoof auch ein wenig angebracht. Man konnte ihm einfach nicht lange böse sein, er war halt ein ungeschickter Pasta-Junkie… aber auch ein liebenswerter. Seine Nähe und seine ungetrübte Treue hatten Ludwig schon oft aufgemuntert, wenn er voller Sorge um die Zukunft gewesen war. Und da er schon immer ein schweres Leben gehabt hatte und es auch mit den anderen Ländern nicht leicht hatte, war er umso dankbarer, einen so treuen Freund zu haben. Da sah er auch über die Tatsache hinweg, dass Feliciano ihn oftmals mehr behinderte, als dass er wirklich eine Hilfe war. Aber sie wussten beide, dass es auch mehr war als nur ein Bündnis oder nur eine Freundschaft. Sie liebten einander. Doch während Feliciano seine Gefühle frei nach außen trug und immer sagte, was er gerade fühlte oder dachte, hielt sich Ludwig mit den seinen eher zurück und ließ seine Gefühle unausgesprochen. Aber Feliciano wusste dennoch, wie tief seine Gefühle für ihn waren. Sie hatten sich das Versprechen gegeben, immer füreinander da zu sein und sich gegenseitig zu beschützen, wenn der andere in Schwierigkeiten stecken sollte. Im Grunde hatte Ludwig das nur gesagt, um Feliciano zu sagen, wie ernst es ihm mit ihrer Beziehung war. Er wusste, dass dieser kleine Pasta-Fanatiker nie wirklich in der Lage sein würde, jemanden im Krieg zu beschützen, immerhin konnte er ja nicht mal sich selbst beschützen. Er war ein Feigling und würde immer einer bleiben, aber das machte ihm nichts aus. Dafür war er stark genug, um Feliciano zu beschützen. Doch nun sah die Lage wesentlich komplizierter aus. Der zweite Weltkrieg würde bald in die letzte Phase eintreten und schon bald würden Ivan und Alfred da sein und wenn das passierte, würde das nicht nur für Ludwig schwere Konsequenzen nach sich ziehen, sondern auch für Feliciano. Kiku brauchte sich da keine großen Sorgen zu machen. Japan lag so weit weg, dass keiner sich die Mühe machen würde, jedes Mal dorthin zu reisen und Ärger zu machen. Deutschland lag hingegen zentral in Europa, außerdem war Ludwigs Vorgesetzter auch derjenige, der diesen Krieg erst angezettelt hatte. Und solange niemand diesem Verrückten Einhalt gebot, würde es immer weitergehen. Das Einzige, was Ludwig in dieser Lage tun konnte war, Schadensbegrenzungen vorzunehmen. Und dazu musste er auch eine wichtige Entscheidung treffen. Für ihn stand fest, dass er das alleine stemmen musste. Deutschland hatte das alles verschuldet, deswegen musste er die Konsequenzen tragen und nicht Feliciano, der zu Anfang ja sogar sein Kriegsgefangener war. „Ludwig-san, du siehst bedrückt aus“, stellte der Japaner fest und betrachtete ihn mit einem Gesicht, in welchem Emotionen nicht sonderlich gut erkennbar waren. Bis heute war Ludwig nie wirklich schlau aus ihm geworden und das würde sich wahrscheinlich auch nicht ändern. Die Japaner waren nun mal für ihn vollkommen undurchschaubar und mysteriös und die Italiener waren mit ihrem Temperament und ihrem Verhalten auch recht schwierig zu verstehen. Trotzdem hatte er es wie durch ein Wunder geschafft, diese vollkommen gegensätzlichen Individuen zu einer Gruppe zu vereinen und eine gewisse Balance mit einzubringen. Aber auch die Tatsache, dass jeder die Geschichte und Kultur des anderen bewunderte, hatte dazu beigetragen, dass sie gut miteinander auskamen. Und wenn Ludwig ehrlich war, hatte er die Zeit mit den beiden auch sehr genossen. So hatte er wenigstens eine angenehme Gesellschaft. „Ich überlege mir, wie es weitergehen soll“, antwortete er und strich sich eine Haarsträhne zurück. Sie saßen zusammen im Wohnzimmer seines Hauses und da es spät abends war, herrschte nur noch gedämpftes Licht im Wohnzimmer. Feliciano hatte es sich auf der Couch bequem gemacht und schlief tief und fest und seinem Gesichtsausdruck nach schien er einen sehr schönen Traum zu haben. Nur Kiku und Ludwig war nicht nach Schlafen zumute, sie mussten die nächsten Schritte planen. „Francis‘ Truppen sind erst mal geschlagen, allerdings wird Ivan bald hier sein, Alfred genauso und wir haben nicht genug Männer, um ihnen standzuhalten. Die letzten Schlachten haben wir ebenfalls verloren und realistisch betrachtet ist der Krieg schon so gut wie verloren.“ „Dabei dachte ich immer, dass aufgeben für dich nicht infrage kommt“, stellte Kiku überrascht fest. Ludwig musste ihm da Recht geben. Aufgeben oder flüchten war für ihn noch nie eine Option gewesen, aber leider sah die jetzige Lage einfach nur verzweifelt aus und da brachte es nichts, sich alles schön zu reden. Dafür war es längst zu spät. „Wir können das Ende nur noch hinauszögern, aber die Niederlage nicht mehr abwenden. Insbesondere der Kampf gegen Ivan war fatal und wenn ich ehrlich bin: ich bin am Ende meiner Kräfte. Zwar sagt man mir nach, ich hätte einen starken Willen und eiserne Disziplin, aber ich spüre, dass diese physische Belastung an meine Grenzen stößt und ich bald nicht mehr kann. Ich weiß, wann ich verloren habe und sobald sich eine Gelegenheit ergibt, werde ich diesen Krieg auch beenden. Und ich bin auch bereit, die Verantwortung dafür zu tragen.“ „Ludwig-san…“ Doch der Deutsche schüttelte nur den Kopf. Er brauchte keinen Trost oder dergleichen. Er sah die Sache objektiv und wusste, dass es Dinge gab, die sich nicht vermeiden ließen. Zwar hatte er in Roderich einen guten Verbündeten während des Krieges, aber auch der würde gegen die russische Übermacht verlieren. Der Krieg hatte ganz Europa ins Chaos gestürzt und er sah ein, dass es ein Fehler gewesen war, das Ganze erst anzufangen. Aber nun war es halt passiert und es ließ sich nicht ändern. Man musste realistisch bleiben und überlegen, was man noch tun konnte. „Du hast sicher eigene Probleme zu bewältigen. Darum werde ich dich nicht länger beanspruchen. Ich werde morgen mit meinem Vorgesetzten reden und versuchen, ihn irgendwie zu überzeugen, das Ganze zu beenden. Anfangs wollte ich diesen Krieg nutzen, um Francis eine reinzuwürgen, weil ich ihn hasse, aber es sind bereits zu viele Außenstehende mit hineingezogen worden und je länger es dauert, desto schlimmer wird nur das Leid für uns alle. Es geht nicht mehr darum, zu gewinnen, sondern das Ganze einfach nur zu beenden. Ich weiß selbst, dass der Großteil meines Landes keinen Willen mehr hat, andere Länder zu erobern. Sie wollen befreit werden und wünschen sich sogar, dass Alfreds Leute bald hier sein werden.“ Kiku nickte verständnisvoll. Er hatte nicht vorgehabt, Ludwig diesen Entschluss auszureden oder ihn dazu zu bringen, weiterzukämpfen. Auch er hatte sich Gedanken gemacht und wusste, dass Deutschland verloren war. Im Grunde war alles gesagt worden, aber er hätte seinen Verbündeten gerne aufgemuntert. Auch wenn Ludwig durch seine Strenge unheimlich sein konnte, schätzte er ihn dennoch sehr und sah ihn auch als guten Freund an. Er sah, dass dieser in einer sehr schlechten Verfassung war und ziemlich schwer verletzt war. Der Kampf mit Francis Bonnefoy und Alfred F. Jones hatte ihm viel abverlangt und Kiku besaß nicht die Mittel, um ihn gegen die anderen zu verteidigen. Aber wenigstens als Zeichen der Freundschaft hätte er Ludwig gerne etwas aufgemuntert, aber er erkannte, dass dieser so etwas nicht wollte. Er wollte es einfach nur beenden und mehr nicht. Und ihn so müde und mit solch trostlosen Augen zu sehen, erschütterte ihn auch ein Stück weit. Sonst war Ludwig immer so voller Tatendrang, Entschlossenheit und Willensstärke gewesen, aber nun war all das fort. „Gibt es noch irgendetwas, was du brauchst?“ „Nein, schon in Ordnung. Vergiss nicht: ich hab schon mal einen Weltkrieg verloren und es überstanden, da schaffe ich ein zweites Mal auch ganz sicher. Geh du nur nach Hause, ich kriege das schon geregelt.“ Damit erhob sich Kiku, verneigte sich zum Abschied und ging. Es war besser, wenn er jetzt ging, damit Ludwig sich noch von Feliciano in aller Ruhe verabschieden konnte. Bevor er aber durch die Tür verschwand, wandte er sich noch ein letztes Mal zu ihm um. „Es war mir eine Ehre, Seite an Seite mit dir zu kämpfen. Es wäre mir eine Freude, dich eines Tages wiederzusehen.“ „Ja, das wäre schön. Gute Heimreise.“ Nachdem sie nur noch zu zweit waren, ging Ludwig zu dem schlafenden Italiener und rüttelte ihn durch, um ihn aufzuwecken. Erst vorsichtig, dann aber energischer, als er nicht reagierte. Nur langsam und mit leisem Gemurmel wachte Feliciano auf und gähnte. „Was ist, Ludwig? Wieso weckst du mich? Ich bin müde und möchte schlafen. Heute war es so anstrengend.“ Schlaftrunken rieb er sich die Augen und setzte sich auf. Als er den ernsten Blick bei Ludwig sah, begann er zu ahnen, dass irgendetwas los war und fragte direkt nach: „Sind die anderen schon wieder da?“ „Nein“, antwortete Ludwig nur. Als der Italiener dann bemerkte, dass sie alleine waren, kam ihm ein Gedanke, was der Grund für die Weckaktion sein könnte und sprang sogleich auf, um Ludwig zu knuddeln. „Willst du mit mir kuscheln, Ludwig? Oder sollen wir uns einen romantischen Abend machen? Ich könnte leckere Pasta kochen, wenn du willst. Na, was hältst du davon? Oder stellst du dir etwas anderes vor?“ Ludwig spürte einen tiefen Stich in seiner Brust, denn er wusste, dass das nächste, was folgen würde, alles andere als angenehm für sie beide werden würde. Ihm war jetzt schon elend zumute, aber es führte kein Weg drum herum. Mit einem leisen Seufzer legte er seine Hände auf Felicianos Schulter und sah ihn ernst an. „Ich will, dass du zurück nach Hause gehst“, sagte er. „Es wird bald zur letzten Schlacht kommen und dieses Mal werde ich ohne dich und Kiku kämpfen.“ „Cosa?“ rief der Italiener erschrocken und fassungslos starrte er den groß gewachsenen Mann mit den ordentlich zurückgekämmten Haaren an. „Aber wenn ich ganz alleine bin, werden die anderen mich sofort angreifen, Ludwig. Ohne dich schaffe ich das doch nicht! Die werden mich sofort fertig machen, wenn sie mich sehen!“ „Im Moment fixieren sie sich nur auf mich, weil ich momentan ihr größtes Problem bin. Wenn du dich zurückziehst, werden sie dich nicht weiter beachten.“ „Aber du hast doch versprochen, dass ich immer bei dir bleiben darf, Ludwig. Du hast es versprochen!“ protestierte er und man konnte trotz des schwachen Lichtes sehen, dass er schon Tränen in den Augen hatte. Er war verdammt nah am Wasser gebaut und extrem emotional. Einerseits hatte dieser Charakterzug Ludwig schon oft überfordert, da er selbst ein gefasster und ernster Typ war und seine Gefühle nie so stark zeigte. Aber andererseits liebte er diese Eigenschaft an Feliciano. Sie war es eben, die ihn einzigartig machte und die ihn eben zu der Person machten, die er halt war. Und er war halt einer der wenigen, die damit leben konnten. Für gewöhnlich hätte er ihn aufgemuntert und beruhigt, aber jetzt war das nicht möglich. Er musste streng und unnachgiebig sein. „Ja das stimmt“, bestätigte er. „Aber ich habe auch versprochen, dich zu beschützen. Und dieses Versprechen hat bei mir weitaus höhere Priorität. Ich will, dass du in Sicherheit bist, wenn Alfred und die anderen herkommen und im Kampf bist du mir keine große Hilfe. Du würdest nur alles abbekommen und ich denke nicht, dass du das willst.“ „Ich kann mich doch ergeben, wenn es zu heftig werden sollte.“ „Um dann zu einem Vasallen von Ivan zu werden, der seine Leute zum Vergnügen quält? Ich glaube nicht, dass Alfred genauso grausam wäre, aber ich will nicht, dass du zum Besitz von irgendjemandem wirst. Das warst du in der Vergangenheit schon lange genug und ich kann dich nur beschützen, indem du dich von mir fernhältst, verstanden?“ Feliciano schwieg und kämpfte immer noch mit seinen Tränen. Er wollte diese Dinge nicht hören. Er wollte von all dem nichts wissen, sondern einfach bei Ludwig und Kiku bleiben und gemeinsam mit ihnen Spaß haben, zusammen mit ihnen Pasta kochen oder Nigiri machen und mit Ludwig Fußball spielen. Ja er hätte sogar dieses anstrengende Training gemacht, obwohl er viel lieber schlafen oder essen oder singen würde. Hauptsache er konnte bei Ludwig bleiben. Allein bei dem Gedanken, dass das alles vorbei sein würde, konnte er nicht mehr an sich halten und klammerte sich an Ludwig, wobei er heftig schluchzte. „Und was wird aus dir werden? Alleine schaffst du es doch nicht!“ „Ich werde schon klar kommen. Auf dem Schlachtfeld würdest du nur im Weg stehen und dir nur Probleme einfangen. Letzten Endes habe ich uns diesen Schlamassel eingebrockt, also sollte ich auch die Konsequenzen tragen.“ „Aber das ist nicht fair!“ rief Feliciano aufgebracht und boxte gegen Ludwigs Brust. „Wir sind Verbündete… ich liebe dich und du liebst mich. Ich dachte, wir stehen das gemeinsam durch.“ Ludwig seufzte und hielt Felicianos Handgelenke fest. Er hatte geahnt, dass es schwer werden würde, aber da musste er jetzt durch. Es war das Beste für Feliciano. „Eben weil ich dich liebe, will ich nicht, dass du meine Fehler ausbaden musst. Mach dir keine Sorgen, Feliciano. Ich werde dafür sorgen, dass die anderen dich in Ruhe lassen werden. Geh erst mal zu deinem Bruder Lovino zurück, schlaf so viel wie du willst und iss Pasta, bis sie dir zum Halse rauskommt. Solange ich weiß, dass es dir gut geht, werde ich es schon schaffen.“ Ein Lächeln huschte über Ludwigs Lippen. Es sollte zuversichtlich aussehen, doch es wirkte irgendwie aufgesetzt und erschöpft. Feliciano erkannte, dass er es nicht schaffen würde, ihm diese Entscheidung auszureden. So oft hatte Ludwig ihn gerettet und all seine Dummheiten ertragen, jetzt musste er diesen letzten Weg alleine gehen. „Was wird aus dir werden, wenn ich nicht mehr da bin?“ fragte er. „Was ist, wenn du verlierst?“ „Ach das wird schon werden. Ich bin schon mit ähnlichen Situationen fertig geworden und ich wäre wohl kein typischer Deutscher, wenn ich mich von so etwas geschlagen geben würde. Ich bin zäher als du denkst.“ „Ach ja… du hast ja immer so eine komische Redensart. Hart wie eine Kokosnuss, zäh wie Kaugummi und schnell wie ein Italiener beim Desertieren?“ „Nicht ganz richtig, aber auch passend“, musste Ludwig mit einem Schmunzeln zugeben. „Aber jedenfalls werde ich hier wahrscheinlich noch eine ganze Weile beschäftigt sein und deshalb ist es mir lieber, wenn du bei dir zuhause bleibst.“ „Okay“, seufzte der Italiener geschlagen. „Dafür kommst du mich dann aber auch besuchen, wenn der Krieg vorbei ist. Ich weiß ja, dass du das italienische Klima liebst.“ Doch Ludwig schüttelte nur den Kopf und erklärte „Tut mir leid, aber das geht nicht. Es wäre besser, wenn wir einander erst mal nicht mehr sehen. Es wäre einfach zu gefährlich und ich weiß nicht, ob ich dann noch in der Lage sein werde, dich zu beschützen, wenn die anderen dich wieder angreifen sollten. Was ich damit sagen will, ist: es wäre besser, wenn wir uns aus dem Weg gehen.“ Diese Worte trafen den Italiener wie ein Stich ins Herz. Wie konnte Ludwig nur so etwas von ihm verlangen? Nach allem, was sie zusammen durchgestanden hatten, sollte das hier das Ende sein? Aber dann versuchte er sich mit dem Gedanken aufzumuntern, dass es ja nicht für immer sein musste. Wahrscheinlich erst mal für ein paar Jahre, weil die anderen sicherlich noch sauer auf Ludwig sein würden. Aber irgendwann würde sich das sicherlich wieder beruhigen und dann wäre es ungefährlich, ihn zu besuchen und wieder mit ihm zusammen Pasta zu essen oder Fußball zu spielen. „Dann werde ich halt so lange warten, bis es geht! Kann ich wenigstens noch heute bei dir bleiben?“ Geschlagen seufzte Ludwig und willigte ein. Feliciano um die Zeit heimgehen zu lassen, wo dieser doch so ein Angsthase war, wäre ohnehin Quatsch gewesen. „Na schön. Aber morgen reist du auf jeden Fall ab.“ Nachdem alle Lichter im Haus gelöscht waren, gingen sie ins Schlafzimmer und Ludwig faltete seine Uniform ordentlich zusammen und legte sie auf jenen Platz, auf die er sie für gewöhnlich immer legte, während Feliciano seine Sachen achtlos auf den Boden warf. Deutsche Ordnung und italienische Nachlässigkeit. Es gab nicht sonderlich viel, was sie an Gemeinsamkeiten teilten. Hauptsächlich lag es an Ludwigs Geduld, seiner Faszination für Italien und seinem Beschützerinstinkt, dass er gelernt hatte, mit Felicianos Eigenheiten irgendwie zu leben, auch wenn es manchmal anstrengend war. Und Feliciano war eben halt eine treuherzige Seele. Als Ludwig auch sein Hemd ablegte, bemerkte Feliciano die vielen Verletzungen an seinem Körper. Die meisten waren frisch und die anderen nicht verheilt. Sie waren eher notdürftig verarztet worden und er begann sich Sorgen zu machen. Was, wenn Ludwig zusammenbrechen würde und er nicht mehr da war? Wer würde ihm dann helfen? Er wusste selbst, dass Ludwig so gut wie keine Freunde hatte. Lovino und Francis hassten ihn, Ivan war sauer wegen des heimtückischen Angriffs bei Stalingrad und Alfred wollte in erster Linie den Helden spielen, so wie immer. Arthur hatte auch nicht viel für ihn übrig und was Wang Yao betraf, da war sich Feliciano nicht ganz sicher. Aber Fakt war, dass Ludwig einer Übermacht gegenüberstand und er nicht mehr in der Verfassung war, noch allzu lange durchzuhalten. Das erkannte sogar er, obwohl er für gewöhnlich nicht viel von solchen Sachen verstand und die komplizierten Sachen lieber Ludwig und Kiku überließ. Mit einem leisen Seufzer kroch Feliciano ins Bett und als sich auch Ludwig hinlegte, kuschelte er sich an ihn heran und spürte mit einem leisen Schauder, wie kalt sich Ludwig anfühlte. „Ludwig?“ „Was ist?“ Hieraufhin rückte Feliciano noch ein wenig an ihn heran und küsste ihn auf die Wange. „Ti amo!“ Eigentlich hätte Ludwig lächeln und ihm sagen müssen „Ich liebe dich auch“. Das geschah immer, wenn er ihm sagte, dass er ihn liebte. Doch dieses Mal geschah es nicht. Stattdessen drehte sich Ludwig von ihm weg und lag nun mit dem Rücken zu ihm. Und diese Reaktion verwirrte ihn. „Ludwig, was ist denn los?“ „Hast du mir vorhin nicht zugehört? Es ist vorbei, Feliciano. Es geht nicht anders.“ „Ja aber… das muss doch zwischen uns nicht automatisch vorbei sein. Auch wenn wir dann keine Verbündeten mehr sind, können wir doch immer noch ein Paar bleiben. Du liebst mich doch und ich liebe dich auch.“ Eben weil ich dich liebe, bleibt mir keine andere Wahl, dachte sich Ludwig, ließ dies aber unausgesprochen. Er wusste, dass Schlimmes auf ihn zukommen würde und dass es vielleicht viel schlimmer ausgehen würde als beim letzten Mal. Beim letzten Mal war er nicht der alleinige Verursacher des Krieges gewesen. Francis hatte nur die Gelegenheit ausgenutzt, um sich an ihm zu rächen und ihm die Kriegsschulden aufzuhalsen. Aber dieses Mal trug er die Schuld, weil sein Vorgesetzter sich in eine Wahnidee hineingesteigert hatte und niemand ihn aufgehalten hatte. Ludwig hatte sich seinen Befehlen nicht widersetzen können und konnte es auch jetzt nicht, genauso wie die anderen. Sie waren die Verkörperung ihres jeweiligen Heimatlandes und solange dieses existierte, würden auch sie leben. Aber sie waren den Willen ihres Landesherrschers gebunden und mussten die jeweiligen Befehle ausführen, ob sie wollten oder nicht. Das war ihr Los, das sie zu tragen hatten. Da Ludwig den Zorn der anderen auf sich gezogen hatte, konnte er sich darauf verlassen, dass sie sich zufriedengeben würden, wenn sie zumindest ihn hatten. Keiner hatte dann noch Interesse, auf Feliciano herumzuhacken. Notfalls konnte er ja behaupten, er hätte ihn mit Gewalt gezwungen und Feliciano hätte aus Angst mitgemacht. Dann wäre er außen vor. Aber das funktionierte nur, wenn Feliciano nach Hause zurückkehrte und dort blieb. Und wenn er sich jetzt erweichen ließ und seine Liebesschwüre erwiderte, würde es nur schlimmer werden. Besser war er jetzt kalt zu ihm, als dass Feliciano wegen ihm unnötig litt. Er wollte ihn nicht leiden sehen. Feliciano sollte so bleiben wie er immer war: unbekümmert, fröhlich und herzlich. Solange er wusste, dass Feliciano immer der Alte bleiben würde, konnte er selbst die schlimmste Strafe ertragen, die ihm bevorstand. Immerhin war es jene unschuldige, temperamentvolle und herzensgute Art, die er so sehr an ihm liebte. Kapitel 2: Kapitulation ----------------------- Gleich am nächsten Morgen stand Ludwig früh auf und weckte den immer noch schlafenden Feliciano. Es dauerte zwar eine Weile, bis dieser endlich aufstand, aber inzwischen hatte er sich halt daran gewöhnt, dass man mit Italienern viel Geduld brauchte. Nachdem er ihn aber endlich aus dem Bett bekam, fackelte er auch nicht lange und setzte ihn auch gleich vor die Tür, ohne sich groß zu verabschieden oder noch mehr Zeit mit ihm zu bringen, die es nur noch schwerer machte, sich von ihm zu trennen. Zwar wehrte sich Feliciano mit aller Kraft und versuchte, noch mal mit ihm darüber zu sprechen oder mit ihm zu verhandeln, doch Ludwig ließ nicht mit sich reden. Kurzerhand setzte er ihn in ein Fahrzeug und wies seinem Soldaten an, ihn bis zur italienischen Grenze zu bringen. „Nein, bitte Ludwig! Lass uns noch mal darüber reden!“ flehte der Italiener mit weinerlicher Stimme. „Bitte lass mich nicht alleine. Lass mich bei dir bleiben, Ludwig. Ludwig! Ludwig!!!“ Doch dieser wandte sich um und ging, ohne auch nur ein Wort zu ihm zu sagen. Er befürchtete, dass er sonst schwach werden könnte, wenn er es getan hätte. Und das durfte er unter keinen Umständen riskieren. Es war das Beste, die Verbindung zu Feliciano vollständig zu trennen, nur so konnte er seine Sicherheit gewährleisten und ihn beschützen. Nachdem das Fahrzeug weggefahren war, ging Ludwig zurück ins Haus und rief als erstes seinen Vorgesetzten an um ihn zu benachrichtigen, dass Italien und Japan sich als Verbündete zurückgezogen hätten und bat darum, mit den anderen Ländern in Verhandlung zu treten. Der Vorschlag wurde aber sofort abgelehnt und mit wütender und schwer verständlicher Stimme brüllte sein Vorgesetzter ins Telefon „Wir werden diese Hunde bis zum letzten deutschen Soldaten bekämpfen, den wir haben. Lieber gehen wir unter, als dass wir in die Hände des Feindes geraten.“ Mit einem Gefühl der Hilflosigkeit hatte Ludwig den Hörer wieder auf die Gabel gelegt und fragte sich, was wohl passieren würde, wenn dieser Fall eintreten würde. Wenn niemand diesen Wahnsinn beendete, dann würde es das Ende bedeuten. Die Lösung konnte doch nicht darin liegen, noch mehr Leben zu opfern. Warum nur stoppte niemand diesen Wahnsinnigen? Wo war denn Alfred, wenn man ihn brauchte? Er wollte doch immer den Helden spielen, wieso also ließ er sich Zeit und beendete den Krieg nicht? Ludwig würde zwar gegen ihn kämpfen um ihn aufzuhalten, weil er sich seinen Befehlen nicht widersetzen konnte, aber er würde dann wenigstens wissen, dass es dann endlich vorbei sein würde. Schließlich ging er ins Lager und sah nach, was er noch so alles an Arsenal zur Verfügung hatte. Viel war es allerdings nicht mehr. Er nahm ein paar Gewehre, genügend Munition und Granaten mit. Doch als er schon die erste Kiste anheben wollte, spürte er, wie ihn seine Kraft verließ und sie ihm wieder aus den Händen glitt. Dabei hatte er früher gar keine Probleme damit gehabt, solche Lasten zu heben, auch wenn er nicht die übermenschliche Stärke von Alfred besaß. Aber nun konnte er nicht einmal mehr eine Kiste heben? Dabei hatte er schon extra etwas länger geschlafen. Doch anscheinend brachte es nicht viel. Er fühlte sich nach wie vor völlig erschöpft und sein ganzer Körper tat ihm weh. Die heftige Prügel, die er sich von Ivan bei Stalingrad eingefangen hatte, war die schlimmste gewesen, die er bis dato erlitten hatte und es würde lange brauchen, bis er sich davon erholt hatte. „Verdammt“, fluchte er und biss die Zähne zusammen. „Das kann doch nicht wahr sein…“ Doch in dem Moment übermannten ihn einfach die Gefühle und er sank in die Knie. Seine Brust schnürte sich zusammen und er stand den Tränen nah. Feliciano… er wollte ihn wenigstens ein einziges Mal wiedersehen, in den Arm nehmen und ihm sagen, dass es ihm leid tat und dass er ihn liebte. Doch er beherrschte sich. Gefühle brachten ihm jetzt nichts. Wenn er sich von ihnen beherrschen ließ, konnte er sich nicht auf seine Aufgabe konzentrieren und Nachlässigkeit durfte er sich jetzt nicht erlauben. Er war doch stets derjenige, der pflichtbewusst, ordnungsliebend und entschlossen war. Wo war denn dann sein Stolz als Repräsentant von ganz Deutschland, wenn er sich das einfach so nehmen ließ? Also stand er wieder auf und versuchte noch mal, die Kiste anzuheben. Er schaffte es, aber nur mit großer Kraftanstrengung. Nachdem er alles auf seinen Transporter geladen hatte, fuhr er los um Stellung zu beziehen. Der Himmel war grauverhangen und es roch nach Schießpulver und Rauch. Die Häuser waren größtenteils zerstört und alles lag in Trümmern. Kein sonderlich schöner Anblick, aber das war kein Grund, aufzugeben. Zumindest nicht für Ludwig. Nein, solange sein Vorgesetzter ihm den Befehl zum Kämpfen gab, würde er es wohl oder übel tun. Aufmerksam sah er sich um, konnte bislang aber niemanden entdecken. Naja, zumindest Francis und Ivan nicht zu sehen, war doch schon mal eine große Erleichterung. Diesen selbstverliebten Franzosen auch nur hören zu müssen, ließ ihm schon die Galle hochkommen und für ihn stand fest, dass er ihn als allerersten ins Visier nehmen würde, wenn der hier auftauchen sollte. Der Vorteil war ja, dass der Kerl so extravagant gekleidet war, dass er auf dem Schlachtfeld auffiel wie ein bunter Hund. Allein um ihm eine reinzuwürgen, hatte er ihm jeden Tag mindestens einen Franzosenwitz zugesendet und seine wütenden Schreie bis hierhin gehört. Und das war eine herrliche Genugtuung. Der letzte hatte es in sich: Wie viele Gänge hat ein französischer Panzer? Sieben Rückwärtsgänge und einen Vorwärtsgang für Paraden. Tja, Francis war halt der Feliciano der Alliierten. Zwar keine Heulsuse, aber mindestens genauso ein Feigling, nur wusste er das gut zu verstecken. Und im Kämpfen war er ebenso wenig zu gebrauchen. Aber er hatte ja den Vorteil, dass Alfred ja sowieso immer den Helden spielen wollte und alle anderen deshalb als Rückendeckung einteilte. Schritte waren zu hören und sofort ging Ludwig hinter einer Hausruine in Deckung und hielt eine Granate bereit. Sie waren also da… Nun würde sich zeigen, wer es denn war. Alfred oder Ivan? Womöglich war es ja auch Francis oder Arthur, wobei er eher bezweifelte, dass der Franzose nach dieser bitteren Niederlage als Erstes hier auftauchen würde. Außerdem wusste er genauso gut, dass er keine Chance hatte. Ludwig lugte vorsichtig hinter der Ruine hervor und sah etwas weiter entfernt einen Schatten. Doch er konnte noch nicht so recht erkennen, wer es war. Im letzten Augenblick realisierte er, dass es eine Falle sein könnte und drehte sich um und das nicht zu spät, denn da stand auch schon Ivan hinter ihm. Mit demselben gutmütigen und unschuldigen Lächeln, während er ein blutverschmiertes Rohr in der Hand hielt und dieses auf Ludwigs Kopf niedersausen ließ. Dieser konnte noch rechtzeitig ausweichen, rollte sich auf den Boden ab und zog dabei den Stift der Granate und warf sie in die Richtung des groß gewachsenen Russen. Doch dieser wich nicht aus. Er kam einfach auf ihn zu und schien sich nicht großartig an der Granate zu stören. Sofort kam Ludwig auf die Beine und rannte los und ging in Deckung. Kurz darauf erfolgte auch die Explosion. Das war’s, das dürfte erst mal genügen, um diesen unheimlichen Verrückten auszuschalten. Nachdem er seine Pistole gezogen hatte, eilte er los und kaum, dass er aus den Augenwinkeln Alfred F. Jones wahrnahm, schoss er sofort, doch dieser wich geistesgegenwärtig aus. „Es ist aus, Ludwig!“ hörte er ihn rufen. „Du kannst nicht ewig gegen uns kämpfen. So langsam aber sicher solltest du dir klar werden, dass du verloren hast. Gib endlich auf!“ Weitere Schüsse hallten durch die zerstörten Straßen und eine der Kugeln traf ihn direkt in die Schulter und eine streifte sein Bein. Ludwig verlor den Halt unter den Füßen und stürzte zu Boden, biss jedoch die Zähne zusammen, um nicht zu schreien. Nur mit Mühe gelang es ihm, den Schmerz zu ignorieren und wieder aufzustehen, doch seinen linken Arm konnte er nicht mehr bewegen. Alfred kam auf ihn zu und entgegen seiner sonst so optimistischen Art wirkte er nun sehr ernst. „Du solltest längst kapiert haben, dass es aus ist. Also warum machst du dieses Theater noch?“ „Aus demselben Grund wie ihr: weil ich meine Befehle ausführen muss.“ „Du bist ein verdammter Idiot! Dann werden wir dich eben zusammen besiegen müssen.“ „Tja“, murmelte Ludwig und presste eine Hand auf seine blutende Wunde. „Da bleibt euch wohl nichts anderes übrig. Mein Vorgesetzter sagte, dass ich gegen euch kämpfen soll und wenn es meinen Tod bedeutet. Tut mir leid, Alfred. Aber so schnell können wir es nicht beenden. Und glaub mir, ich wusste schon seit einer ganzen Weile, dass ich längst verloren habe.“ Damit schlug er mit seiner rechten Faust zu, doch Alfred wich mühelos aus, packte seinen Arm und riss ihn mit seiner ungeheuren Kraft von den Füßen und schleuderte ihn durch die Luft. Kurz darauf kam auch schon Ivan fröhlich summend um die Ecke und wirkte, als könne er kein Wässerchen trüben. „Hast du die anderen gesehen?“ fragte Alfred ihn, doch der Russe schüttelte nur den Kopf. „Nein, niemand. Wie es aussieht, ist er ganz alleine.“ Doch so ganz traute Alfred dem Braten nicht und ging zu Ludwig hin, der nach einer ziemlich harten Landung erheblich Mühe hatte, wieder auf die Beine zu kommen. Kaum, dass er ihn erreicht hatte, packte er ihn am Kragen und riss ihn hoch. „Wo sind die anderen hin?“ Aber Ludwig antwortete nicht, sondern riss sich los und stieß Alfred mit einem Tritt von sich. Sofort kam Ivan auf ihn zugerannt und schlug mit dem Rohr zu und dieses Mal schaffte es der Deutsche nicht, dem Schlag gänzlich auszuweichen und er wurde an der verwundeten Schulter getroffen. Der Schmerz war infernalisch und raubte ihm fast das Bewusstsein. Er schrie auf und befürchtete einen Moment, er würde noch ohnmächtig zusammenbrechen, doch er riss sich zusammen und blieb auf den Beinen. Da es erst mal wichtig war, Abstand zu den beiden zu gewinnen, zog er sich fürs Erste zurück und suchte sich ein Versteck. Keuchend lehnte er sich gegen eine Häuserwand und presste wieder eine Hand auf seine blutende Schulter. So konnte er kein Gewehr mehr halten und er konnte von Glück reden, dass auch sein Bein nicht allzu schlimm getroffen worden war. Aus seiner Tasche holte er noch eine Granate, zog notgedrungen mit den Zähnen den Stift heraus und warf sie in die Richtung von Alfred und Ivan. Trotzdem bezweifelte er, dass es sonderlich helfen würde. Alfred war an sich ja schon ungeheuer stark, aber Ivan schien ja rein gar nichts anzuhaben, höchstens ein extrem hoher Sprung aus einem Flugzeug ohne Fallschirm. „Verdammt, Ludwig!!!“ rief Alfred zu ihm herüber. Sein Verdacht hatte sich also bestätigt und die Granate hatte sie nicht erwischt. War auch irgendwie vorauszusehen gewesen. „Wenn du nicht endlich aufgibst, werden wir dich dazu zwingen.“ „Darauf wird es wohl hinauslaufen“, erwiderte er und lugte vorsichtig aus deinem Versteck hervor um sicherzugehen, dass sie noch nicht nähergekommen waren. „Du weißt doch selbst, dass wir uns den Befehlen unserer Vorgesetzten nicht widersetzen können, auch wenn wir es wollten. Deshalb müsst ihr mich wohl oder übel dazu zwingen!“ „Na schön, du hast es ja so gewollt.“ Damit schoss Alfred und sofort ging Ludwig wieder in Deckung und die Kugeln sausten haarscharf an ihm vorbei. Er schoss seinerseits zurück und überlegte sich, was er als nächstes tun sollte. Eine Möglichkeit wäre, ihnen den Weg abzuschneiden und sie zu blockieren, damit sie nicht weiterkamen. Aber sonderlich vielversprechend war es auch nicht. Vor allem nicht, da es schon in der Vergangenheit nicht geklappt hatte. Ausweichmöglichkeiten gab es auch nicht mehr viele. Sie kamen immer von beiden Seiten und schnitten ihm damit den Weg ab. Auf diese Weise konnte er nicht mehr viel tun. In dieser Situation hätte er Kiku jetzt gut an seiner Seite gebrauchen können, damit dieser ihm den Rücken freihielt. Aber damit musste er jetzt halt leben, immerhin war es ja sein Entschluss gewesen, ihn und Feliciano wegzuschicken, damit sie nicht noch mehr hineingezogen wurden. Eine Weile war es still und es machte Ludwig nervös. Er wusste, dass die beiden irgendetwas im Schilde führten. Mit Sicherheit versuchten sie ihn wieder aus dem Hinterhalt anzugreifen. In dem Fall war es besser, lieber auf den Beinen zu bleiben und nicht allzu lange irgendwo stehen zu bleiben. Langsam schlich er voran, die Pistole in der Hand, während sein linker Arm schlaff hinunterhing, während Blut hinuntertropfte. Lange konnte er jedenfalls nicht mehr kämpfen, so viel stand fest. Was dachte sich sein Vorgesetzter auch bitte dabei, um jeden Preis weiterzukämpfen, wenn es doch sowieso sinnlos war. Auch wenn er nicht gerne die Flinte ins Korn warf, so war selbst ihm klar, dass Kapitulation eigentlich die einzige verbleibende Möglichkeit war. Aber solange sein Vorgesetzter nicht seine Meinung änderte, blieb ihm keine andere Wahl, auch wenn diese sein Ende bedeuten könnte. Auf leisen Sohlen schlich Ludwig durch eine kleine Seitenstraße und lauschte angestrengt auf irgendwelche Geräusche. Und es dauerte auch nicht lange, bis er etwas Verdächtiges wahrnahm. Es war ein leises Flüstern, das fast schon unheimlich und wie ein makabrer Fluch klang: „Kolkolkol…“ Dieses Mal konnte er nicht schnell genug reagieren, um Ivans Schlag auszuweichen und das Rohr traf ihn am Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde war ihm schwarz vor Augen und dann folgte auch schon der nächste Schlag. Wie er es genau schaffte, diesem Schlag auszuweichen, konnte er lediglich als Glück bezeichnen und obwohl es nur ein einfaches langes Wasserrohr war, riss Ivan mit diesem Schlag die halbe Häuserwand ein und sein Blick hatte etwas Wahnsinniges und Mordlustiges angenommen. Jetzt endlich zeigte Ivan sein wahres Gesicht und in diesem Augenblick, als Ludwig dieses Gesicht sah, musste er an die Geschichte von Ivan dem Schrecklichen denken, der sogar seinen eigenen Sohn im Wahn erschlagen hatte und Leid und Terror über sein Land gebracht hatte. Dieses immerzu kalte Land hatte eine unsagbar düstere Geschichte und sie beeinflusste Ivan, genauso wie die Geschichte Deutschlands und dessen Schicksal Ludwig beeinflusste. Und deshalb wollte er sich unter gar keinen Umständen von diesem Kerl noch durch die Mangel nehmen lassen. Dann würde ihm die Hölle blühen, so viel war sicher. Ludwig holte mit der Rechten aus und schlug Ivan mitten ins Gesicht. Er steckte all seine Kraft in diesen Schlag und tatsächlich taumelte der groß gewachsene Russe zurück, doch er verlor sein so unschuldig anmutendes Lächeln nicht für eine Sekunde. „Das hat aber jetzt wehgetan“, sagte er mit zuckersüßer Stimme. „Das war nicht sehr nett von dir. Ich glaube, ich werde dich dafür jetzt noch viel heftiger verprügeln müssen.“ Ludwig wich keuchend zurück und konnte nicht glauben, dass Ivan nach diesem Schlag immer noch auf beiden Beinen stand. Normalerweise hätte er seinen Gegner damit von den Füßen gerissen. War Ivan wirklich so stark? Oder war er einfach zu schwach geworden? Fürs Erste trat er den Rückzug an, um Abstand zu Ivan zu gewinnen. Wenn der ihn wieder mit diesem Ding erwischte, dann war es das endgültig. Doch Ludwig spürte, dass er nicht mehr allzu lange durchhalten würde. Sein ganzer Körper tat weh und seine Beine gehorchten nur noch seinem Willen. Jeder einzelne Schritt war eine höllische Anstrengung und er war einfach nur müde und erschöpft. Lange würde es nicht mehr weitergehen… Nachdem es ihm gelungen war, Ivan fürs Erste abzuschütteln, blieb er kurz stehen um zu verschnaufen. Was würde er jetzt dafür geben, in Bayern die grüne Landschaft zu genießen, ein kaltes Bier zu trinken. Oder mit Feliciano den Abend zu verbringen und sich über dessen Verantwortungslosigkeit und Sorglosigkeit aufregen, weil dieser sich immerzu unnötig in Gefahr brachte. So wie es immer war, weil er mit dieser Art irgendwie leben konnte. Wie gerne wäre er jetzt bei Feliciano in Italien. Im sonnigen schönen Italien, wo der Himmel strahlend blau und das Wetter warm war. Dort herrschte eine wunderbare und herzliche Wärme, die ihn diese ganzen Sorgen und Probleme vergessen ließ. Hier war der Himmel grau und düster, das Wetter kalt und die Luft schwer vom Geruch des Krieges. Keiner wäre wirklich gerne an diesem Ort geblieben. Doch selbst auf diesem kalten und grauen Schlachtfeld hatte er trotz allem nie den Mut verloren, weil Feliciano bei ihm gewesen war und mit seinem fröhlichen Lächeln, seiner offenen Herzlichkeit und seinem italienischen Temperament die Sonne und die Wärme Italiens in sich trug und jeden daran teilhaben ließ. Ach wie gerne wäre er jetzt zusammen mit Feliciano in Italien, um bei ihm zu sein und sich mit ihm die alten Bauwerke und das Kolosseum anzusehen, die ihn schon immer so fasziniert hatten. Er wollte einfach nur, dass dieser Krieg endlich ein Ende fand. Schwer atmend sank er zu Boden, denn er schaffte es nicht mehr, sich auf den Beinen zu halten. In dem Moment kam auch jemand herbei geeilt, der eine deutsche Uniform trug. Es war einer der Berichterstatter und so wie er aussah, schien er es ziemlich eilig zu haben. „Herr Beilschmidt!“ rief der Berichterstatter und wirkte beim näheren Hinsehen auch ziemlich mitgenommen. In seiner Hand hielt er etwas, das wie ein Brief aussah. „Eine dringende Nachricht für Sie!“ „Was ist es?“ fragte Ludwig. „Machen Sie es bitte kurz, ich hab nicht mehr die Energie für die Langfassung.“ „Der Führer ist tot!“ rief der Berichterstatter und blieb keuchend stehen. Offenbar war er ziemlich aus der Puste. Bei dieser Nachricht verstummte Ludwig und sah ihn ungläubig an. Sein Vorgesetzter war tot? Wie war das denn passiert? Er hatte sich doch in einem Bunker verschanzt, wie um alles in der Welt hatten Alfred, Ludwig, Francis oder Arthur ihn da bloß erwischen können? „Tot?“ fragte er. „Wie ist das passiert? Wer hat ihn erwischt?“ „Niemand… also… er hat sich selbst erwischt“, versuchte der Mann umständlich zu erklären. „Er hat Selbstmord begangen. Was sollen wir jetzt tun? Wir haben keinerlei Befehle erhalten und niemand weiß, was zu tun ist!“ Sein Vorgesetzter war tot. Ludwig ließ sich dies immer und immer wieder durch den Kopf gehen, doch so wirklich glauben konnte er es nicht. Wieso nur Selbstmord? Etwa weil sie beide erkannt hatten, dass die Niederlage nicht mehr abzuwenden war? Hatte sich dieser verdammte Feigling etwa deshalb einfach so die Kugel gegeben, während er seine Leute einfach so im Stich ließ? In Ludwig stieg erst Zorn auf, doch dann folgte eine seltsame innere Ruhe, die diesen sofort wieder im Keim erstickte. Denn ihm wurde jetzt etwas klar: es war vorbei. Es gab niemanden mehr, der ihm Befehle erteilen konnte. Damit lag die Entscheidungsgewalt jetzt bei ihm. Er konnte tun, was getan werden musste. „Herr Beilschmidt…“ „Wir kapitulieren“, sagte er knapp. „Geh und melde das den anderen. Der Krieg ist verloren. Wenn wir nicht auf der Stelle kapitulieren, werden wir nur vernichtet werden.“ „Sind Sie sich sicher?“ Ludwig nickte und damit verschwand der Mann wieder. Mit einem Mal hatte er das Gefühl, als würden die ganze Müdigkeit und Erschöpfung, die Kälte, der Schmerz und der Hunger auf einmal über ihn hereinbrechen. Leise atmete er aus und lehnte seinen Kopf gegen die Wand. Blut floss seine Stirn hinab und lief ihm ins Auge. Eine fremdartige Resignation machte sich in ihm breit und er erkannte nun, dass er vollkommen am Ende war. Sein linker Arm war nicht mehr zu gebrauchen, seine Beine würden ihn nicht mehr tragen und er hatte eine ziemlich heftige Platzwunde an der Schläfe, wo Ivan ihn erwischt hatte. Ganz zu schweigen von all den anderen Wunden, die er sich in der letzten Zeit zugezogen hatte. Doch es kümmerte ihn nicht mehr wirklich, in welcher Verfassung er war. Stattdessen wurde er von dem Gedanken beherrscht, dass es nun vorbei war. Er konnte das tun, was getan werden musste und es endlich beenden und sein Schicksal akzeptieren. Und das war für ihn eine Erleichterung. „Beweg dich nicht!“ hörte er jemanden sagen und als er den Kopf zur linken Seite wandte, erkannte er Alfred, der mit einer Pistole auf ihn zielte, während Ivan von rechts kam. „Du bist schwer verletzt und kannst dich nicht einmal mehr richtig bewegen. Ich sage es dir deshalb noch einmal: gib auf. Es kann doch unmöglich dein Wunsch sein, hier zu sterben!“ Jeder Muskel in Alfreds Körper war angespannt und er war bereit, sofort zu reagieren, sollte Ludwig irgendetwas versuchen. Doch dann sah er etwas, das ihn verwirrte: ein Lächeln. Ja, Ludwig lächelte tatsächlich und das war vollkommen paradox. Wieso sollte er in so einer Situation lächeln? Und als er genauer hinsah, erkannte er so etwas wie Erleichterung. Als wäre der Kerl dankbar, dass sie ihn gefunden und in die Enge getrieben hatten. Und das passte doch gar nicht zu ihm. „Nicht nötig“, erklärte Ludwig und legte eine Hand auf seine blutende Schulter. „Ich gebe auf.“ „Jetzt auf einmal?“ wunderte es Alfred. „Nachdem du vorhin noch gesagt hast, du würdest weiterkämpfen?“ „Die Dinge ändern sich halt“, erklärte Ludwig. „Soeben habe ich erfahren, dass mein Vorgesetzter tot ist. Demnach bekomme ich fürs Erste keine weiteren Befehle mehr. Und es steht auch nicht in meinem Interesse, bis zum Tode gegen euch zu kämpfen. Ich weiß, wann ich verloren habe und ich will mir wenigstens den Stolz bewahren, auch dazu zu stehen solange ich noch kann.“ Ein kurzes Schweigen trat ein und langsam ließ Alfred die Pistole sinken. So war das also. Ludwigs Vorgesetzter war tot und nun tat er das einzig Vernünftige, nämlich aufzugeben. Und so wie er aussah, schien er sogar darauf gehofft zu haben, es zu tun. Dabei war er doch derjenige gewesen, der diesen Krieg erst angezettelt hatte. „Du wirkst irgendwie froh darüber“, stellte der Amerikaner fest. „Solltest du das nicht sein?“ erwiderte der Verwundete. „Immerhin hast du doch gewonnen, oder nicht? Du kannst ein Held sein und mir hier den Rest geben.“ „Jetzt fang nicht mit so etwas an! Ich bin zwar verdammt sauer wegen der Dinge, die du getan hast, aber ich werde so etwas nicht tun, klar? Selbst nach alledem… uns verbindet doch alle etwas, oder nicht? Also sag schon warum du so erleichtert wirkst und was aus den anderen geworden ist? Wieso bist du alleine?“ „Na weil sie gegangen sind“, erklärte Ludwig. „Sie wollten mit all dem nichts mehr zu tun haben. Und ich meinerseits habe schon vor längerer Zeit erkannt, wie sinnlos das hier alles ist. Zu Anfang wollte ich mich nur an Francis für diesen bescheuerten Versailler Vertrag rächen. Aber es ist immer mehr aus dem Ruder gelaufen und ehe ich mich versah, war es bereits zu spät, um irgendetwas rückgängig zu machen. Und letzten Endes wollte ich diesen Krieg einfach nur noch beenden. Ganz egal wie er auch ausgehen würde. Ich ergebe mich jetzt hiermit widerstandslos und ich werde die volle Verantwortung für all das hier…“ Bevor Ludwig das letzte Wort aussprechen konnte, verließ ihn den Rest seiner Kraft und er verlor das Bewusstsein und die Welt um ihn herum versank in eine rabenschwarze Finsternis. Kapitel 3: Heimkehr ------------------- Während der ganzen Fahrt hatte Feliciano sich seinem Kummer hingegeben und fühlte sich immer noch elend. Er heulte wie ein kleines Kind und wäre vielleicht sogar aus dem Fahrzeug gesprungen und zu Fuß den ganzen Weg zu Ludwig zurückgelaufen, doch der Fahrer, der einer von Ludwigs Landsleuten war, ließ das gar nicht erst zu und dieser strengen Unnachgiebigkeit konnte der Italiener nicht sonderlich viel entgegensetzen. Vor allem weil er sich ohnehin schon sehr schnell einschüchtern ließ. Betrübt sah er aus dem Wagenfenster und fragte sich, wie es Ludwig wohl so ging und was er gerade machte. Tief in seinem Herzen wünschte er sich, dass es ihm gut ging und er irgendwo saß und Bier zu seiner heiß geliebten Wurst trank. Dass er über irgendeiner Lektüre hing oder etwas anderes tat. Natürlich war es nur reines Wunschdenken, denn selbst Feliciano wusste, dass die Realität ganz anders aussah. Aber er wollte nicht daran denken, dass sein Lover vielleicht gerade schwer verwundet auf dem Schlachtfeld war und ganz alleine gegen die Alliierten kämpfte. Nein, dieses Bild könnte er einfach nicht ertragen. „Ludwig…“, sprach er leise und sah traurig in die Ferne. Sie waren bereits in Italien und normalerweise hätte er sich wahnsinnig darüber gefreut, wieder in der Heimat zu sein, doch jetzt war ihm nicht sonderlich danach. Er fühlte sich unglücklich und das war nicht gerade typisch für ihn, der sonst immer eine fröhliche und unbeschwerte Natur besaß. Doch er konnte einfach nicht anders als an Ludwig zu denken. Er vermisste ihn und wünschte sich nichts Sehnlicheres, als wieder bei ihm zu sein, sich von ihm zurechtweisen zu lassen, weil er das Training nicht ernst genug nahm oder die gemeinsamen Nächte. Er vermisste das Fußballspielen mit ihm und wie sie gemeinsam Zeit verbracht hatten. Sowohl als Verbündete, aber auch als zwei Menschen, die sich liebten. Immer noch erschien es ihm so unwirklich, dass das jetzt für immer vorbei sein sollte und dass Ludwig sich von ihm getrennt hatte, auch wenn es nur deswegen war, weil dieser Dickkopf ihn beschützen wollte. Und innerlich hasste Feliciano sich für seine eigene Unfähigkeit. Immerzu musste Ludwig ihn beschützen und ihm aus der Klemme helfen. Die meisten hätten ihn schon längst aufgegeben, aber Ludwig war immer für ihn da gewesen und hatte ihn beschützt. Doch er hatte ihn kein einziges Mal wirklich beschützt. Stattdessen hatte ihn dann jedes Mal die Angst gepackt und er hatte sofort die weiße Fahne geschwenkt, weil er es mit der Angst zu tun bekam. Nur weil er so ein schwacher Feigling war, hatte Ludwig ihn weggeschickt und kämpfte nun ganz alleine gegen die Alliierten. Und da stellte sich ihm die Frage, ob Ludwig das auch wirklich schaffen konnte so ganz allein. Wie lange würde der Krieg wohl noch dauern und wann würde er ihn wiedersehen? Würde es überhaupt jemals wieder ein Wiedersehen zwischen ihnen geben und würde es dann auch eine Zukunft für sie beide geben? Tief in seinem Herzen wünschte sich Feliciano, dass es so wäre, aber im Moment glaubte er nicht sonderlich daran. Das mochte auch daran liegen, weil er gerade sowieso nicht in der Stimmung war, positiv zu denken. Dazu schmerzte der Abschied einfach viel zu sehr. Dass Ludwig ihn so abweisend behandelt hatte, war zwar schmerzhaft gewesen, aber das war es nicht, was ihn wirklich bedrückte. Er wusste, dass Ludwig nur so reagiert hatte, damit er sein Vorhaben auch umsetzen konnte. Nein… das was ihn wirklich schmerzte, war die Vorstellung, dass sie einander nie wieder sehen könnten. Dass es nie wieder so werden würde wie früher, als sie zuerst als Freunde zusammen mit Kiku die Tage verbracht hatten und schließlich hinterher als Paar auch besondere Momente geteilt hatten. Er hatte schon so oft in Ludwigs Bett geschlafen. Zuerst nur als Kamerad und dann als Lover. Schon als Kind hatte er es immer gehasst, alleine zu schlafen, weil er sich dann immer so einsam fühlte. Was würde dann erst sein, wenn er wieder zuhause bei seinem Bruder Lovino war? Nun, zusammen mit ihm in einem Bett schlafen kam nicht infrage. Sie stritten die meiste Zeit nur und er kam nicht sehr gut mit Lovinos Art zurecht. Außerdem hatte Lovino oft Antonio in Gesellschaft und nachdem Lovino schon seit langem nicht mehr mit Frauen geflirtet hatte, wuchs bei vielen der Verdacht, dass da etwas zwischen den beiden lief. Auf Nachfrage hatte Lovino es zwar immer wieder energisch abgestritten und hatte ziemlich verärgert darüber reagiert, aber er errötete trotzdem jedes Mal. Als sie schließlich sein Haus erreicht hatten, war alles wie in bester Ordnung und die Blumen blühten. Feliciano spürte die Wärme, als er aus dem Wagen stieg, doch sonderlich aufmuntern tat ihn das auch nicht wirklich. Es war zwar sein Zuhause, aber es fehlte einfach etwas. Niedergeschlagen ging er zur Haustür und wollte diese schon öffnen, da wurde sie bereits geöffnet und niemand anderes als sein Bruder Lovino stand vor ihm, mit demselben griesgrämigen Gesichtsausdruck, den er immer hatte. „Feliciano?“ fragte er ungläubig. „Was willst du denn ganz alleine hier? Normalerweise hast du doch immer diesen verdammten Kartoffelfresser im Schlepptau.“ „Buongiorno, Fratello“, seufzte Feliciano und ging an ihm vorbei. Er hatte jetzt keine Lust, wieder mit ihm zu streiten oder zu diskutieren. „Ich habe jetzt keine Lust, mich mit dir zu streiten. Also lass mich einfach auf mein Zimmer gehen.“ Etwas verdattert ging Lovino zur Seite, um seinem jüngeren Bruder Platz zu machen, doch so ganz verstand er nicht, was los war. Sonst war Feliciano doch ganz anders drauf, wenn er mal nach Hause kam. Aber meistens hatte er auch diese verdammte Hopfennase bei sich, die er auf den Tod nicht ausstehen konnte. Irgendetwas war nicht in Ordnung, das leuchtete selbst Lovino ein. Also beschloss er, fürs Erste nachzugeben, wenn auch etwas widerwillig. „Na schön, dann geh ruhig. Antonio kommt nachher zu Besuch und da wollte ich Pasta mit Tomaten machen.“ „Aha…“, murmelte Feliciano motivationslos und das hatte sein Bruder noch nie erlebt. Für gewöhnlich konnte er an nichts anderes denken als an Pasta und er redete auch über nichts anderes. Aber jetzt schien es ihn völlig kalt zu lassen. Er gab einfach nur ein tonloses „Aha…“ von sich und das nervte Lovino so langsam. Was war denn bloß los, dass er so mies drauf war und so schlechte Stimmung verbreitete? Das war ja nicht zum Aushalten. „Was zum Teufel ist los mit dir?“ rief er und spürte dabei, wie sein hitziges Temperament wieder hochkam. „Kommst nach langem mit so einem langen Gesicht nach Hause und machst hier einen auf Trauerkloß. Hat dich dieser Biersäufer rausgeschmissen? Ich hab dir ja tausend Male gesagt, dass er ein Coglione ist. Selber schuld, wenn du jetzt heulen musst.“ „Ja, da hast du vielleicht Recht“, murmelte Feliciano traurig. „Wenn ich nicht so ein Feigling und ein Schwächling wäre, dann wäre ich vielleicht jetzt bei ihm.“ Damit verschwand Feliciano in sein Zimmer und Lovino, der nicht wirklich das ganze Drama nachvollziehen konnte, schüttelte nur den Kopf und ging in die Küche. Manchmal war sein Bruder aber auch echt eine Drama-Queen. Vielleicht hatte Francis in der Vergangenheit zu viel Einfluss auf ihn ausgeübt und er führte sich deshalb wie ein sterbender Schwan auf. Schließlich ging er in die Küche um das Essen vorzubereiten. Er war sich sicher, dass Feliciano wieder ganz der Alte sein würde, wenn er wieder etwas Anständiges zu essen bekam. So wie er Ludwig einschätzte, gab es bei dem nichts außer stinkender Wurst und widerlichen Kartoffeln. Der mit seiner primitiven Küche wusste eine gute Pasta doch gar nicht zu schätzen. Lovino war sich sicher, dass Felicianos Niedergeschlagenheit nur dem schlechten Einfluss seiner Kameraden zu verdanken war, vor allem Ludwig. Er hatte ja von Anfang an gewusst, dass nichts Gutes dabei herauskommen würde, wenn die beiden so viel miteinander verbrachten. Charakteristisch hatten sie doch rein gar nichts gemeinsam. Ludwig war immer so verdammt ernst, ordentlich und pflichtbewusst und vor allem absolut humorlos. Zumindest hatte ihn Lovino noch nie lachen sehen, aber das reichte schon, um davon auszugehen, dass der Kerl eine totale Spaßbremse war. Vor allem aber hatte er ja die Dreistigkeit besessen, Feliciano zuerst als Kriegsgefangenen einzusperren und wahrscheinlich hatte er ihn einer Gehirnwäsche unterzogen. Ansonsten hätte Feliciano sich nie und nimmer auf einen Feind eingelassen. Sein Bruder war aber auch ein verdammter Schwachmat! Wenig später klingelte es an der Tür und Lovino ging schnell hin, um zu öffnen. Es war Antonio. „¡Hola, Lovino! Schön dich wiederzusehen!“ „Du warst erst gestern hier, du Trottel…“, grüßte Lovino ihn mit seiner üblichen mürrischen Art, an die der Spanier schon seit Ewigkeiten gewöhnt war. Inzwischen war er einfach der Ansicht, dass Lovinos unhöfliches Verhalten ihm gegenüber seine Art von Zuneigung war und er sie nicht anders zeigen konnte. Antonio lächelte nachsichtig und tätschelte ihm den Kopf. „Ich freue mich trotzdem jedes Mal, dich wiederzusehen. Und? Wie schaut’s hier bei dir zuhause aus?“ „Wie soll’s schon bei mir aussehen? Mein dämlicher Fratellino ist heute zurückgekommen und geht mir mit seiner Trauerstimmung tierisch auf den Zeiger.“ „Feliciano in Trauerstimmung? Was ist denn passiert?“ „Woher soll ich das bitteschön wissen? Frag ihn doch selbst, wenn er gleich zum Essen kommt. Und jetzt pflanz dich gefälligst irgendwo hin, ich muss zurück in die Küche.“ Antonio beschloss, später nachzufragen und ließ Lovino erst mal alleine in der Küche. Trotzdem wunderte er sich schon. Er kannte Feliciano als einen eher sorgenfreien und fröhlichen Gesellen. Ein bisschen einfältig vielleicht, aber immer mit einem Lächeln im Gesicht. Wenn er so niedergeschlagen war, dass Lovino deswegen noch unfreundlicher war als sonst, dann musste es vielleicht etwas ernstes sein. Außerdem wunderte er sich, dass Feliciano wieder zurück war, wo doch momentan noch Krieg mit den Alliierten herrschte. Irgendetwas musste dort drüben passiert sein und hoffentlich war es nichts allzu ernstes. Sein Zimmer erschien ihm irgendwie so fremd, als Feliciano es betrat. Er hatte sich irgendwie so sehr daran gewöhnt, bei Ludwig zu wohnen und in seinem Bett zu schlafen, dass ihm sein eigenes Zimmer nicht wirklich wie seines erschien. Und als er sich auf sein Bett fallen ließ und Stille ihn umgab, spürte er deutlich, wie einsam er sich fühlte. Genau deshalb wollte er eigentlich nicht wieder hierhin: es war einfach nicht das Gleiche, wenn Ludwig nicht bei ihm war und außerdem hatte sein Bruder Lovino ja nichts Besseres zu tun, als immer über ihn herzuziehen. Das war einfach nicht fair. Es war nicht in Ordnung, dass Lovino so über Ludwig lästerte, aber was ihn am meisten beschäftigte, war der Grund, warum Ludwig sich von ihm getrennt hatte. Immerzu hatte er sich auf seine Stärke und seine Tapferkeit verlassen. Egal was war, Ludwig hatte ihm immer aus der Patsche geholfen und ihn gerettet. Er selber hatte sich immer sofort verkrochen, wenn es Ärger gab und sofort aufgegeben. Er war ein schwächlicher Feigling und eine Heulsuse. Wenn er stärker und tapferer gewesen wäre, so wie sein Großvater, dann wäre das niemals so gekommen. Dann hätte er bei Ludwig bleiben und ihm beistehen können. Er hätte ihn beschützen können, als er es am meisten gebraucht hätte. Doch im Grunde hatte Ludwig immer alleine gekämpft. Kiku hatte immer Yao als Gegner gehabt und so hatte Ludwig alleine gegen Ivan, Francis, Arthur und Alfred kämpfen müssen. Tja und was war mit ihm, Feliciano Vargas? Er hatte sich immer schnell verkrochen und Ludwig um Hilfe gerufen, obwohl dieser selbst oft genug in der Zwickmühle steckte. Trotzdem war dieser jedes Mal sofort zu ihm geeilt und hatte sich dabei unzählige Verletzungen zugezogen, weil er lieber ihn geschützt hatte als sich selbst. Feliciano hatte sich viel zu selten darüber Gedanken gemacht. Ludwig war in seinen Augen unverwüstlich und stark gewesen. Er war jedes Mal sofort wieder aufgestanden und alles Mögliche eingesteckt, ohne sich davon aufhalten zu lassen. Aber jetzt realisierte Feliciano, dass Ludwig auch seinetwegen so schlimm ausgesehen hatte. Obwohl er es versprochen hatte, war er nicht ein einziges Mal dazu in der Lage gewesen, ihn zu beschützen. Wäre es selbstsüchtig und falsch gewesen, darauf zu bestehen, an seiner Seite zu bleiben wenn Ludwig doch seinetwegen immer in diese Schwierigkeiten geriet? War es dann nicht die bessere Entscheidung, zu gehen und Ludwig nicht noch mehr Probleme zu bereiten? Nun, so konnte man es vielleicht betrachten, aber Feliciano fühlte sich eher danach, als würde er ihn im Stich lassen. Da er es schließlich nicht mehr in seinem Zimmer aushielt, ging er ins Wohnzimmer, wo Antonio gerade war. Er grüßte ihn knapp und begann damit, den Tisch zu decken, obwohl er nicht wirklich Hunger verspürte. Dabei war es schon eine Weile her, seit er etwas gegessen hatte und eigentlich hätte er deutlichen Hunger haben müssen. Doch auch sein Appetit war weg. Auch wenn er Pasta über alles liebte… Ludwig liebte er noch mehr. Und in diesen Momenten hätte er sogar englisches Essen ertragen, wenn er dafür bei Ludwig sein konnte. „Hey Feliciano, was machst du denn für ein bedrücktes Gesicht? Du solltest doch eigentlich froh sein, dass du wieder zuhause bist. Ich dachte, das Schlachtfeld ist nichts für dich. Ist irgendetwas passiert?“ „Ludwig hat entschieden, ganz alleine gegen die Alliierten zu kämpfen und hat mich deshalb fortgeschickt. Aber… ich will nicht von ihm getrennt sein.“ „Er kämpft alleine gegen die anderen?“ fragte der Spanier und hob die Augenbrauen. Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, dass Ludwig so eine Dummheit machen würde, vor allem weil doch feststand, dass er keine Chance gegen die anderen hatte. Das müsste jedem Vollidioten klar sein. „Wieso macht der so was? Ist er etwa komplett loco geworden?“ „Er wollte mich beschützen… und eine große Hilfe war ich ihm auch nicht wirklich. Du kennst mich und Lovino ja schon lange genug. Wir sind zwar die Erben des Römischen Reiches, aber wir sind nicht zum Kämpfen geboren.“ „Dafür hat er es aber lange mit dir ausgehalten, dass du nicht zum Kämpfen taugst.“ „Weil er halt immer alleine war und nie jemanden hatte, der ihm ein guter Freund war…“ Oder mehr. Ja, sie waren mehr als nur Freunde gewesen. Ludwig hatte immer wieder gesagt gehabt, dass er sein einziger Freund wäre, obwohl er auch oft genervt von den ganzen Rettungsaktionen war. Er hatte ihn trotzdem niemals aufgegeben… bis gestern. „Nimm dir das nicht so zu Herzen. Freundschaften kommen und gehen mit der Zeit. Sieh dir Basch den notorisch neutralen Schweizer an: früher war er richtig dicke mit Roderich und hat ihn immer wieder aufgesammelt, wenn dieser vermöbelt wurde. Heute gehen sie sich aus dem Weg. Oder Arthur und Alfred: die waren fast wie Brüder und seit dem Unabhängigkeitskrieg haben sie sich auch nichts mehr zu sagen. Du findest schon neue Freunde. Immerhin verstehst du dich doch so gut mit Francis, dem alten Franzosen.“ Das mochte ja sein, aber es war für Feliciano trotzdem nicht dasselbe. Die Gefühle gingen weitaus tiefer, deshalb war es ja so schlimm für ihn. „Wärst du denn nicht auch unglücklich, wenn du und Fratello nie wieder sehen würdet und das Verhältnis zwischen euch für immer zerbricht?“ „Ja, das wäre wirklich schade und es würde mir auch wehtun. Aber irgendwann heilen alle Wunden. Man darf nur nicht den Mut verlieren. Glaub mir, es kommen noch sonnigere Tage, auch wenn es im Moment gerade regnet.“ „Verschon uns bloß mit deinen Weisheiten“, rief Lovino, der mit der Pfanne hereinkam. „Setzt euch hin. Essen ist fertig.“ Feliciano und Antonio gehorchten und setzten sich an den Tisch, während Lovino die heiße Pfanne abstellte und jedem den Teller mit seiner gekochten Pasta mit Tomaten belud. Doch selbst der vertraute Geruch von Pasta vermochte Felicianos Appetit nicht anzuregen. Er wollte nichts essen. Er wollte einfach nur bei Ludwig sein. „Buon appetito.“ Damit begannen Lovino und Antonio zu essen, doch Feliciano starrte nur lustlos auf seine Portion und konnte erst nicht die Motivation aufbringen, die Gabel in die Hand zu nehmen, tat es dann aber doch und aß einen Bissen. Er wusste, dass sein Bruder sehr gut kochen konnte und sie beiden liebten Pasta über alles. Doch jetzt hatte Feliciano das Gefühl, als wäre das Essen fad und geschmacklos. Irgendwie schmeckte die Pasta nicht so wie sonst und das war ihm noch niemals passiert. Und als er es erkannte, liefen wieder ungehindert Tränen seine Wangen hinunter und er ließ die Gabel sinken. „Was ist?“ fragte Lovino, als er seinen Bruder mit Tränen in den Augen sah. „Ist sie zu scharf?“ „Nein“, murmelte Feliciano. „Mir ist im Moment einfach nicht nach Pasta zumute.“ „Du verarschst mich doch, oder?“ Doch der jüngere Bruder schüttelte nur den Kopf und senkte den Blick. Nun war Lovino wirklich besorgt, denn wenn sein Bruder nicht einmal mehr Pasta essen wollte, dann musste es wirklich schlimm sein. „Jetzt sag schon was mit dir los ist. Hat dieser Kartoffel-Macho dir irgendetwas angetan?“ „Nein…“, schluchzte Feliciano und wischte sich die Tränen weg, doch er schaffte es nicht, sich zu beruhigen. „Es ist nur… ohne ihn ist es einfach nicht dasselbe. Er hat sich von mir getrennt und mich fortgeschickt, weil er nicht zulassen wollte, dass ich wegen ihm Probleme bekomme.“ Während Felicianos Schluchzen immer schlimmer wurde und er sich unmöglich beruhigen konnte, starrte Lovino ihn mit gemischten Gefühlen an. Er konnte nicht glauben, was er hörte. Wenn Ludwig sich von Feliciano getrennt hatte, dann bedeutete es doch, dass sie ein Paar waren. Aber sie waren doch beide Männer und Feliciano hatte doch immer wieder mit Frauen geflirtet. Wie passte das bloß zusammen und warum ausgerechnet Ludwig? „Hat der Kerl dir irgendeine Art von Gehirnwäsche verpasst und dir den Kopf verdreht? Du stehst doch auf Frauen, Fratellino! Was willst du denn mit diesem Biersäufer? Und überhaupt: der Typ ist es nicht wert, dass du ihm nachweinst. Vergiss ihn am besten gleich wieder. Der wollte nur seinen Spaß mit dir haben und als er die Schnauze voll hatte, da hat er dich…“ Doch bevor er weitersprechen konnte, legte Antonio ihm eine Hand auf den Mund, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Es hilft nicht wirklich, wenn du weiter in der Wunde stocherst, Lovi. Dein Bruder hat Liebeskummer, also lass ihn erst mal in Ruhe und sag am besten erst mal nichts mehr dazu. Im Moment bist du keine große Hilfe.“ Doch für Feliciano war es trotzdem zu viel. Er wollte einfach nicht mehr hier bleiben und sich Lovinos Sticheleien anhören, die ihm nur noch mehr wehtaten. „Du kannst auch immer nur auf Ludwig herumhacken!“ warf er Lovino mit einer Mischung aus Wut und Kummer in seiner Stimme vor und er schluchzte heftig. Seine Sicht verschwamm durch die Tränen und er wischte sie sich mit dem Handrücken weg. „Du hast doch keine Ahnung! Er hat mich immerzu beschützt und wurde dabei selbst verletzt, aber er hat mir nie Vorwürfe gemacht oder mir gesagt, dass ich ein unfähiger und nutzloser Feigling wäre, der ich eigentlich bin. Als ich vollkommen verarmt war und nichts zu essen hatte, hat er mir Arbeit gegeben, obwohl er selber bis zum Hals verschuldet war wegen dieser Sache mit Francis. Und als ich krank war, saß er die ganze Zeit an meinem Bett und hat sich um mich gekümmert und sich Sorgen um mich gemacht. Du hast kein Recht, ihn so zu verurteilen! Er mag zwar Fehler gemacht haben, aber er ist anständig und immer da, wenn man ihn braucht. Also hör auf, immer so auf ihn herumzuhacken oder ich werde dir das nie im Leben verzeihen!“ Damit stürmte Feliciano hinaus und knallte die Tür hinter sich zu. Antonio und Lovino blieben im Wohnzimmer und der Spanier mit den strahlend grünen Augen schüttelte seufzend den Kopf. „Also Taktgefühl zählt wirklich nicht zu deinen Stärken, mi amor“, stellte er fest und aß noch etwas von der Pasta. „Wenn er schon so leidet, dann musst du nicht auch noch nachtreten. Für dich wäre es doch genauso schlimm, wenn du Liebeskummer hast und Feliciano auf deine verflossene Liebe herumhacken würde.“ „Ich hab doch nur die Wahrheit gesagt“, protestierte Lovino verärgert. „Dieser bastardo hat ihm erst den Kopf verdreht und ihn dann einfach verlassen und ihm das Herz gebrochen. Natürlich bin ich da auf diesen Arsch sauer!“ „Ja schon, aber Ludwig hatte Gründe. Die Lage in Deutschland sieht miserabel aus. Zwar hat Francis eine ziemliche Abreibung kassiert, aber trotzdem sind da noch Alfred, Arthur und Ivan, während Yao sich um andere Probleme kümmern muss und nicht in der Lage ist, auch noch zusätzlich in Europa zu agieren. Ivan und Alfred sind die Stärksten und gefährlichsten von uns. Wenn beide gleichzeitig einen Gegner angreifen, hat dieser kaum eine Chance und Ludwig wird das wissen. Feliciano wäre nur verprügelt worden.“ „Ja aber wer soll ihn jetzt beschützen, nachdem dieser Wurst-Junkie ihn so tief in die Scheiße geritten hat? Mit viel Pech werden als nächstes die anderen herkommen und ihn erst recht fertig machen, dabei kann er sich nicht mal wehren und ich komme gegen die genauso wenig an.“ Antonio nickte und verstand so langsam, was Lovinos Problem war. Er machte es Ludwig zum Vorwurf, dass er Feliciano das Herz gebrochen und ihn weggeschickt hatte, obwohl ihm klar gewesen sein musste, dass Feliciano sich nicht selbst beschützen konnte. Wahrscheinlich hätte er auch ziemlich sauer reagiert, aber er hätte das nicht direkt an Feliciano ausgelassen, der ja nichts dafür konnte. „Ich glaube, dass Ludwig die Situation vorher genau abgewogen hat, bevor er zu dieser Entscheidung gekommen ist. Er war doch schon immer jemand gewesen, der Entscheidungen in erster Linie mit dem Kopf trifft und der eine Strategie hat. So sind die Deutschen halt.“ „Trotzdem…“, grummelte Lovino schlecht gelaunt. „Wenn der mir unter die Augen kommt, dann werde ich ihm so was von in den Arsch treten, dass ihm die Scheiße zum Hals rauskommt. Wenn der meint, er kann Feliciano einfach so verarschen, dann lernt er mich noch richtig kennen.“ „Du machst das schon“, bestätigte Antonio, allerdings klang es eher danach, als wolle er Lovino eher beschwichtigen. Denn dieser war richtig sauer und in dieser Situation wäre ihm durchaus zuzutrauen gewesen, dass er seine Drohung wahr machte, wenn sich ihm die Gelegenheit geboten hätte. Trotzdem beschäftigte Antonio die ganze Situation. Wenn Ludwig jetzt ganz alleine auf dem Schlachtfeld gegen die Alliierten kämpfte, wie würde das Ganze dann ausgehen und was würden sie mit Ludwig machen? Und würde es Konsequenzen für Feliciano geben? Antonio beschloss, an der Sache dran zu bleiben. Schaden konnte es ja nicht, auf dem Laufenden zu bleiben und zur Not konnte er ja mal bei Roderich anrufen. Der hatte ja Kontakt zu Ludwig und war sein Nachbar. Da bekam dieser doch garantiert so einiges mit. Kapitel 4: Streit der Alliierten -------------------------------- Nur langsam kam Ludwig Beilschmidt wieder zu sich und fürs Erste fehlte ihm die Orientierung. Ein grelles Licht blendete seine Augen und er sah alles nur sehr verschwommen. Er brauchte einen Moment, bis er realisierte, was passiert war: der Krieg war vorbei und er hatte kapituliert. Aber was war dann passiert? Ach ja, er war ohnmächtig geworden. Alfred und Ivan hatten ihn ziemlich übel zugerichtet. Als er sich aufsetzte, durchfuhr ein stechender Schmerz seine linke Schulter, erst einen Moment später realisierte er, dass er bei sich zuhause war. Er lag in seinem Bett und seine Wunden waren verarztet worden. Wie lange war er denn eigentlich weggetreten gewesen? Kurz darauf bemerkte er, dass Alfred bei ihm war. Anscheinend hatte dieser Wache gehalten. Er war gerade dabei einen Hamburger zu essen und genüsslich Cola zu trinken. Und da wunderte sich der Kerl über seine Gewichtsprobleme… „Was machst du denn hier?“ fragte er verwundert und als der Amerikaner bemerkte, dass Ludwig wach war, schluckte er schnell seinen Bissen hinunter und erklärte „Dich bewachen natürlich.“ „Sehe ich etwa aus, als würde ich noch in der Lage sein, Ärger zu machen?“ fragte der Verletzte und schaute auf seine Schulter, die bandagiert worden war. Sein linker Arm hing in einer Schlinge und so wie es schmerzte, war es erst mal unwahrscheinlich, dass er diesen so schnell wieder benutzen konnte. „Mein linker Arm ist unbrauchbar und ich fühle mich ohnehin nicht danach, wieder in den Krieg zu ziehen. Wie bin ich eigentlich hierhergekommen?“ „Ich hab dich hergebracht und einer deiner Leute hat dich anschließend verarztet. Ich hatte da nämlich noch Fragen an dich.“ „Und die wären?“ „Wo sind Kiku und Feliciano?“ „Hab ich das nicht gesagt?“ fragte Ludwig und fühlte sich unwohl. Zwar verrannte sich Alfred manchmal in die schwachsinnigsten Ideen, aber er war trotzdem kein Vollidiot. Und wenn ihm irgendetwas nicht ganz plausibel erschien, hakte er so lange nach, bis er endlich zufrieden war. „Sie sind ausgestiegen und wollten nicht mehr. Sie haben erkannt, dass der Krieg keinen Sinn mehr machte und dass das, was ich tat, falsch war.“ Doch Alfred sah nicht gerade zufrieden mit der Antwort aus und trank noch einen Schluck Cola. „Mach mir nichts vor, Ludwig“, sagte er und klang energischer. „Wir wissen doch alle, wie sehr Feliciano an dir geklammert hat. Der hätte sich nie und nimmer von dir abgewandt. Selbst wenn Ivan ihn unter Druck gesetzt hätte, wäre er sofort heulend zu dir gekrochen. Also versuch mir nicht weiszumachen, dass er plötzlich genug von dir hatte. Vor allem nicht nachdem du ihn schon unzählige Male gerettet hast.“ „Es war aber so“, beharrte Ludwig hartnäckig. „Er wollte nicht mehr kämpfen und ist deshalb nach Hause zurückgekehrt.“ Alfred schwieg einen Moment und aß noch den letzten Bissen seines Burgers, wobei es so aussah, als würde er nachdenken. Nach einer Weile fragte er in einer wesentlich ruhigeren Stimme „Ist das deine offizielle Version?“ Ein bestätigendes Nicken folgte und er seufzte. „Okay, ich habe verstanden. Hör mal, ich werde Stillschweigen bewahren, wenn du mir die Wahrheit sagst. Also warum sind die beiden nicht bei dir gewesen? Du kannst es mir ruhig sagen, nachdem wir trotz aller Ereignisse immer noch diese eine Gemeinsamkeit haben und weil ich dich kenne: du hättest die beiden niemals aufgegeben, ganz egal wie sehr sie sich auch danebenbenommen hätten.“ Ludwig sah ein, dass es wohl nichts brachte. Alfred würde hartnäckig bleiben und wenn dieser ihm schon anbot, es ihm im Vertrauen zu sagen, dann konnte er sich wenigstens auf sein Wort verlassen. Außerdem wollte er ihn ohnehin um etwas Wichtiges bitten. „Ich habe die beiden weggeschickt“, erklärte er schließlich. „Ich wollte nicht, dass sie für meine Fehler bezahlen müssen. Vor allem nicht Feliciano. Er ist zu gutmütig und zu ängstlich, um zu kämpfen und er hat niemals jemandem etwas Böses gewollt. Obwohl ich ihn in diese ganze Sache mit reingezogen habe, ist er immer bei mir geblieben und ich will nicht, dass er für meine Sünden büßen muss. Deshalb möchte ich dich um einen Deal bitten…“ „Um einen Deal?“ fragte Alfred erstaunt. „Du hast doch schon kapituliert. Was willst du denn noch einen Deal machen? Ist dir überhaupt klar, in was für einer Lage du dich gerade befindest?“ „Dessen bin ich mir durchaus bewusst. Ich will nur, dass Feliciano in Ruhe gelassen wird und dass er nicht mehr hierher zurückkehren wird. Dafür bin ich bereit, die Schuld für all das ganz alleine auf mich zu nehmen und die Konsequenzen alleine zu tragen.“ „Du willst seinetwegen die ganze Schuld alleine tragen? Warum?“ Wieder schwieg Ludwig und spürte, wie sich seine Brust zusammenschnürte. Und in dem Moment konnte er sich nicht mehr beherrschen. Tränen sammelten sich in seinen Augenwinkeln, als er an Feliciano dachte, der jetzt wahrscheinlich wieder in Italien war und mit Sicherheit genauso unglücklich war. Allein daran zu denken, dass er ihm das Herz brechen musste, war zu viel für Ludwig. „Ich wollte einfach nicht, dass er wegen mir sein Lächeln verliert und sich verändert. Er sollte für immer derselbe sorglose, fröhliche und unzuverlässige Feliciano bleiben und glücklich sein. Außerdem habe ich ihm doch versprochen, ihn zu beschützen. Ganz egal was ich dafür tun muss…“ „War das mehr als nur ein Bündnis zwischen euch?“ Ludwig legte eine Hand auf seine Augen, um seine Tränen zu verstecken, auch wenn er wusste, dass es nicht wirklich etwas bringen würde. „Er war alles für mich…“ Alfred nickte bedächtig und stand auf. Einen Moment lang sah es noch so aus, als würde er noch mal über all diese Dinge nachdenken, dann schließlich sagte er „Okay. Ich werde meinen Vorgesetzten sagen, dass Feliciano sich gegen dich gewandt und sich den Alliierten angeschlossen hat. Dafür wirst du für den Krieg zur Verantwortung gezogen. Und ich kann dich schon mal vorwarnen: dieses Mal hast du richtig Mist gebaut. Ich glaube nicht, dass es dieses Mal nur bei einer Strafe wie beim letzten Mal bleiben wird.“ „Dessen bin ich mir bewusst und ich bin bereit, die Strafe anzunehmen, egal wie sie auch aussehen mag. Hauptsache Feliciano passiert nichts.“ „Okay, dann steht unser Deal. Ich werde den anderen gegenüber nichts sagen und wenn sie nachfragen, werde ich ihnen die offizielle Version erzählen. Als nächstes werde ich mit meinem Vorgesetzten telefonieren und ihm den Sachverhalt schildern und mich im Anschluss mit den anderen beratschlagen, wie wir mit dir verfahren sollen. In der Zwischenzeit bleibst du hier und stehst unter unserer Beobachtung. Solltest du irgendetwas versuchen, dann platzt unser Deal.“ Damit war Ludwig einverstanden und so verließ Alfred das Zimmer. Mit gemischten Gefühlen war Alfred ins Wohnzimmer gekommen, wo Arthur, Ivan und Francis auf ihn warteten. Die Stimmung war ein wenig seltsam. Während Ivan nicht anders als sonst wirkte, schien Arthur ein wenig nachdenklich zu sein, während Francis in absoluter Feierlaune war. Kein Wunder, denn er genoss diesen Triumpf, nachdem er sich eine ziemlich heftige Abreibung von Ludwig bekommen hatte. Die beiden konnten sich noch nie sonderlich ausstehen und machten da auch kein großes Geheimnis daraus. „Zu schade, dass ich nicht dabei war, als er aufgegeben hat“, seufzte der Franzose und strich sich kokett durchs Haar. „Ich hätte zu gerne sein Gesicht gesehen. Dieses Mal wird mir dieser Filou nicht so einfach davonkommen wie beim Versailler Vertrag. Nein, dieses Mal ziehe ich ihn bis auf sein letztes Hemd aus.“ „Aus deinem Mund klingt das jedes Mal ziemlich pervers“, kommentierte Arthur und sah ihn skeptisch an. „Dabei dachte ich doch, du hättest dir Alfreds Bruder gekrallt.“ „Wie bitte?“ rief Alfred fassungslos, als er das hörte und packte Francis am Kragen, woraufhin er ihn heftig durchschüttelte. „Du und Matthew? Seit wann läuft das schon zwischen euch? Wieso weiß ich nichts davon und warum ausgerechnet ihr beide?“ „Beruhig dich doch, mon ami, er hat es dir doch schon längst erzählt gehabt, aber wenn du nie zuhörst, dann ist es doch nicht mein Problem. Mon dieu…“ „Außerdem kommen wir gerade vom Thema ab“, warf Arthur etwas ungeduldig ein, ohne dass er sonderlich auf die kleine Auseinandersetzung der beiden einging. Das interessierte ihn ohnehin nicht so wirklich, vor allem weil er selbst seine Probleme mit den beiden hatte. „Was ist denn jetzt mit Feliciano und Kiku? Ich hab die beiden nirgendwo gesehen.“ „Sie sind gegangen“, erklärte Alfred. „Kiku hatte selber Probleme zu bewältigen und Feliciano hat kalte Füße bekommen und wollte nicht mehr.“ „Ah, très bien!“ rief Francis zufrieden. „Das geschieht ihm ganz recht. Dieser unverschämte salaude hat sich schon lange genug über mich lustig gemacht. Seine Franzosenwitze sind doch der Gipfel der Unverschämtheit.“ „Ich fand sie ganz lustig“, gab Arthur grinsend zu. „Und irgendwie ist da ja auch was Wahres dran.“ Francis grummelte leise vor sich hin und verschränkte sichtlich beleidigt die Arme. Ivan hatte bis dato noch rein gar nichts gesagt und machte wie immer einen harmlosen und friedfertigen Eindruck mit seinem gutmütigen Lächeln, auch wenn sie alle wussten, dass dies ganz und gar nicht bei ihm zutraf und man sich besser vor ihm in Acht nahm. „Wie dem auch sei“, grummelte Francis. „Wenn wir schon mal hier sind, kann er mir auch gleich das Stück Land zurückgeben, das er mir weggenommen hat und ich denke, es wäre nur fair, wenn er dafür ab heute mir gehört.“ „Wieso das denn?“ protestierte Arthur. „Als ob du großartig was beigetragen hättest! Du hast ja direkt kapituliert, nachdem er dir eine reingehauen hat. Just like a bloody coward!“ „Als ob du besser wärst. Du hast auch nicht viel mehr gemacht.“ „Wenigstens hab ich mich nicht feige in den nächsten Graben verkrochen, als er das Feuer eröffnet hat.“ Die beiden gerieten in einen handfesten Streit und Alfred versuchte energisch dazwischen zu gehen und die beiden Streithähne voneinander zu trennen. Ivan betrachtete die Zankereien und meinte dann mit seiner einfältig wirkenden Stimme „Also ich werde mir ganz einfach meinen Anteil nehmen, den ich erobert habe. Ihr könnt euch ja um den Rest zanken.“ „Seit wann bestimmst du hier denn?“ wollte der Amerikaner wissen. „Wir bereden das gemeinsam.“ „Ich hab kein Interesse an euren Streitigkeiten. Ich werde mir einfach das nehmen, was ich will und dann gehen.“ Damit erhob sich Ivan fröhlich summend und wollte gehen, doch so leicht wollte Alfred ihn nicht davonkommen lassen. Er packte ihn an der Schulter und hielt ihn zurück. „Seit wann entscheidest du hier ganz alleine?“ „Gibt es vielleicht ein Problem?“ fragte Ivan, immer noch freundlich lächelnd. „Oder willst du dich mit mir streiten?“ Nun unterbrachen Francis und Arthur ihre Zankerei als sie bemerkten, dass die Luft erheblich dicker geworden war und es nicht einmal an ihnen lag. Nein, es ging eindeutig von Ivan und Alfred aus. Nun gut, die beiden hatten sich schon seit der Oktoberrevolution überhaupt nicht verstanden, weil sie immer verschiedene Ansichten hatten, aber während des Krieges gegen Ludwig hatten sie diese Streitigkeiten beigelegt und ein Bündnis geschlossen. Doch nun schien es so, als wäre es auch mit dem Alliiertenbund vorbei. Stattdessen begannen sie untereinander zu streiten, wer welchen Anteil bekam und offenbar schien es besonders zwischen Alfred und Ivan zu knistern. „Was soll der Mist, Ivan? Wir sind alle Verbündete, also handelt auch keiner einfach so eigenmächtig und wir werden gemeinsam eine Entscheidung treffen.“ „Wir oder doch nicht eher du? Für gewöhnlich muss es immer doch nach deiner Meinung gehen, nicht wahr? Aber schön, wir können auch gerne gemeinsam entscheiden. Was meint ihr denn dazu?“ Und damit wandte sich Ivan an die anderen beiden und als sie sahen, dass etwas Unheimliches und Finsteres von Ivan ausging, behielten sie lieber ihre Meinung für sich. Da sie irgendwie zu keiner Einigung kommen konnten, beendete Alfred fürs Erste die Besprechung. Vielleicht waren ja vernünftigere Gespräche möglich, wenn sich die Gemüter einigermaßen abgekühlt hatten. Die Tage vergingen, doch eine Einigung wurde einfach nicht möglich. Jeder beharrte auf seinen Anteil und wollte sich nichts wegnehmen lassen und während Francis und Arthur sich in den Haaren hatten, spitzte sich augenscheinlich auch der Konflikt zwischen Alfred und Ivan weiter zu. Es wurde diskutiert und gestritten, aber es ließ sich einfach keine Lösung finden, mit der alle zufrieden waren. Jeder wollte seinen Anteil an Ludwigs Haus. Schließlich aber, nachdem es eine Auseinandersetzung zwischen Ludwig und Ivan gab, die etwas unschön endete, sollte es am nächsten Tag ein böses Erwachen geben: als sie nämlich am Morgen wieder in Ludwigs Haus gehen wollten, um sich zu besprechen und über das weitere Verfahren nachzudenken, kamen sie nicht ins Haus hinein. Es war abgeschlossen und die Tür war so verbarrikadiert worden, dass selbst Alfred nicht hineinkam. Zuerst dachte er, es wäre vielleicht eine Aktion von Ludwig, der offenbar versuchen wollte, die Dauerstreithähne aus seinem Haus zu vertreiben, doch es war stattdessen Ivan, der an einem der Fenster auftauchte und ihnen fröhlich lächelnd zuwinkte. „Ivan!“ rief Alfred genervt. „Was soll der Blödsinn? Wieso hast du die Tür verbarrikadiert?“ „Ich mag diese Streitereien nicht mehr. Und es ist nicht nett, wenn mir jemand vorschreibt, was mir gehört und was nicht. Deshalb habe ich alle Türen und Fenster verriegelt.“ „Are you serious?“ wollte Arthur wissen. „Glaubst du echt, das lassen wir uns gefallen?“ „Was ist denn in den gefahren?“ wunderte sich Francis und wandte sich dann an Alfred. „Hey, sag doch auch mal etwas dazu. Was hat er denn vor?“ Doch Alfred schwieg und dachte nach. Wenn Ivan sich im Haus einschloss, war er mit Ludwig alleine und der konnte in seiner Verfassung nicht viel tun. Er würde es auch nicht tun, nicht nach dem Deal, den sie geschlossen hatten. Also was bezweckte Ivan mit dieser Aktion? Wollte er sich etwa das Haus unter den Nagel reißen, indem er Ludwig dazu zwang, sich ihm anzuschließen? Ja, das würde ihm ähnlich sehen… Ivan war hinter dem Haus her und hatte die Gelegenheit genutzt, um seine Verbündeten einfach auszusperren, sodass sie nicht mehr hineinkamen. Als er den anderen diese Vermutung mitteilte, waren sie ausnahmsweise mal einer Meinung: so etwas würden sie sich nicht gefallen lassen. „Die Frage ist aber: was können wir tun?“ fragte Francis. „Helfen werde ich diesem Crétin von Ludwig nicht. Aber ich werde mir doch nicht meinen Anteil von diesem Wodkatrinker wegnehmen lassen.“ „Wir müssen irgendwie einen Zugang finden“, schlug Alfred vor und gemeinsam begannen sie das Haus zu umrunden. Und tatsächlich fanden sie ein offenes Fenster. Allerdings lag es im oberen Stockwerk und hinaufklettern war nicht möglich. Alfreds Hirn begann zu arbeiten und schließlich kam ihm eine weitere Idee: „Wir holen uns eine Leiter und klettern zu ihm hoch.“ „Eine so hohe Leiter habe ich nicht“, gab Francis zu und auch Arthur musste passen. „Und rausklettern kann Ludwig auch nicht. Er wird sich nur die Knochen oder gleich das Genick brechen und so groß und schwer wie er ist, wird er uns eh zerquetschen.“ Alfred ging näher zum Haus hin und sah hoch. Wenn ihn nicht alles täuschte, müsste dort doch eigentlich Ludwigs Zimmer sein. Nun, es gab nur einen Weg um das herauszufinden. „Ludwig?“ rief er hoch. „Bist du da?“ Wenig später tauchte der groß gewachsene Deutsche am Fenster auf und sah hinunter. Alfred winkte zu ihm herauf und rief „Ivan hat die Tür verbarrikadiert und wir kommen nicht rein. Wie sieht es bei dir aus?“ „Er hat mich hier drin eingeschlossen und mir so ein Schreiben da gelassen. Ich soll es unterschreiben, dass ich zu ihm gehe und solange ich das nicht mache, werde ich hier drin bleiben müssen. Vermutlich will er mich auf dem Trockenen sitzen lassen, bis ich nachgebe.“ „Ach sieh an“, bemerkte Francis. „Das nennt man wohl Karma, nicht wahr?“ Doch keiner schenkte seinem Kommentar irgendeine Beachtung. Sie hatten genug damit zu tun, sich eine Lösung für dieses Problem einfallen zu lassen. Ivan einfach so mit dieser Aktion davonkommen zu lassen, kam für sie jedenfalls nicht infrage. Alfred ging noch mal in Gedanken alles durch. Für eine Leiter war es zu hoch, hinaufklettern ging nicht und Ludwig konnte seinerseits nicht runterspringen. Was also blieb noch? Wenn Ludwig Recht hatte und Ivan ihn mit allen Mitteln dazu zwingen wollte, diesen Vertrag zu unterschreiben, dann mussten sie entsprechende Gegenmaßnahmen einleiten. Er würde Ivan einfach zeigen, dass er der Schlauere von ihnen war und dieses kleine Schlupfloch ausnutzen würde. „Okay, ich werde mir etwas einfallen lassen“, versprach er ihm. „Wir werden dir helfen, aber unterschreib auf keinen Fall!“ „Ich hab zwar einen Schlag auf den Kopf gekriegt, aber ich bin noch gut bei Verstand“, meinte Ludwig. „Als ob ich große Lust hätte, bei diesem Verrückten unter einem Dach zu wohnen!“ „Na schön, dann halt solange durch!“ Ludwig humpelte wieder zurück in sein Bett, denn viel tun konnte er jetzt ohnehin nicht. Die Tür von alleine gewaltsam öffnen war erst mal unmöglich. Zwar verstand er nicht so wirklich, was in Ivan gefahren war, dass er plötzlich solche Maßnahmen ergriff und ihn hier drin einsperrte. Nun gut, er hatte lautstark mitbekommen, wie die Alliiertennasen um sein Haus gestritten hatten und ihn damit um seinen erholsamen Schlaf gebracht hatten. Aber so wie es schien, war der Streit wohl ziemlich eskaliert und Ivan fuhr schwerere Geschütze auf. Dabei hätten die anderen sich doch denken müssen, dass der Kerl ein unberechenbarer Psycho war. Na hoffentlich kam Alfred jetzt nicht auf den Trichter, gewaltsam einzudringen, indem er das ganze Haus in Schutt und Asche legte. Doch obwohl er weitaus größere Sorgen hatte, musste er wieder an Feliciano denken. Wie es ihm wohl inzwischen ging? Es waren ja bereits ein paar Tage vergangen und bisher hatte er auch nichts dergleichen gehört, dass er in der Klemme steckte oder dass er versuchte, heimlich zu ihm zurückzukehren. Nun, es war auch besser so, wenn er nicht wieder zurückkam, es hätte sonst nur Probleme gewesen und er war schon froh darum, dass Alfred den Deal angenommen hatte. Aber so ganz behagte ihm die jetzige Situation nicht. Zwar war bekannt, dass Alfred und Ivan nicht gerade gut miteinander auskamen, weil Ivan sich nichts sagen ließ und Alfred mit Ivans Methoden und seiner Lebensweise nichts anfangen konnte. Sie waren immer unterschiedlicher Meinung gewesen, aber während der letzten Zeit hatten sie relativ gut zusammengearbeitet. Aber nun, da der Krieg vorbei war, kamen die alten Konflikte wieder zutage und dieses Mal zeichneten sie sich wesentlich deutlicher als sonst ab. Allerdings wunderte ihn, warum Ivan plötzlich mit so einer Aktion kam. Wollte er irgendetwas provozieren? Irgendwie herrschte schon seit dem Zeitpunkt an schlechte Stimmung unter den Alliierten, seitdem sie sich in seinem Haus eingenistet hatten. Nun ja, Francis und Arthur hatten sich auch während des Krieges nicht wirklich vertragen und sich oft in die Haare gekriegt, trotzdem hatten sie einander immer respektiert. Aber nun schienen sich alle auf einmal zu zanken und fraglich war, ob da jetzt demnächst noch ein Krieg vor der Tür stehen würde. Dabei waren sie doch im Grunde genommen völlig am Ende. Francis musste sich von der Abreibung gegen ihn erholen und Arthur war auch finanziell vollkommen am Ende. Ein Krieg würde da schwierig werden, wenn die Mittel nicht da waren. Und jetzt war er auch noch im Zimmer eingesperrt worden. Seine Hand wanderte zu dem Vertrag, den Ivan ihm da gelassen hatte. Er war ausnahmsweise mal in seiner Sprache geschrieben. Na zum Glück, denn seine Russischkenntnisse waren recht eingerostet. Er hatte ihn kurz überflogen und schnell kapiert gehabt, worum es ging: er sollte freiwillig der Sowjetunion beitreten. So ein Schwachsinn. Kurzerhand zerriss Ludwig den Vertrag und warf die Papierfetzen in den Müll. Er hatte schon schlimmeres überstanden, da würde er auch schon irgendwie mit Ivans Methoden fertig werden. Den Hunger und Durst konnte er noch eine Weile irgendwie aushalten. Da er nicht viel tun konnte, schnappte er sich ein Buch und las ein wenig. So verging die Zeit bis zum Abend, als er wieder eine Stimme von draußen hörte. Es war Alfred. Ludwig legte das Buch zur Seite und ging zum Fenster und sah hinunter. Der Amerikaner winkte ihm zu und tatsächlich war Arthur auch bei ihm, nur von Francis fehlte jede Spur. „Hey Ludwig, wie schaut’s soweit aus?“ „Es braucht schon einiges mehr, um mich weichzukriegen. Und was macht ihr hier?“ „Ich hab mir was überlegt: ins Haus kommen wir jedenfalls nicht und eine Leiter haben wir auch nicht. Also habe ich mir eine wunderbare Lösung für dieses Problem einfallen lassen. Arthur?“ Der Amerikaner wandte sich mit einem optimistischen Grinsen an den etwas klein geratenen Briten, der eine Tasche in der Hand hielt und nicht gerade bester Laune zu sein schien. Zuerst verstand Ludwig nicht ganz, was sie jetzt vorhatten, doch da packte Alfred Arthur auch schon und warf ihn hoch. Mit seiner ungeheuren Kraft gelang es ihm, den Briten hoch genug zu werfen, dass er an dem offenen Fenster vorbeikam und rechtzeitig die Tasche zu Ludwig warf, bevor er wieder hinunterfiel und aufgefangen wurde. Eine etwas merkwürdige Aktion, aber irgendwie passte sie zu Alfred. „Wir kommen morgens und abends vorbei und bringen dir was vorbei. Da ist das Risiko nicht allzu groß, dass Ivan Probleme machen könnte. Ewig kann er das ja eh nicht durchziehen.“ Ludwig schüttelte ungläubig den Kopf und musste schmunzeln. Mit so etwas hätte er ja echt nicht gerechnet. „Ihr seid echt verrückt. Aber danke!“ Damit gingen die beiden wieder und zogen sich fürs Erste zurück. Als Ludwig nun die Tasche öffnete, fand er darin eine Flasche Wasser, Sandwiches und eine Tafel Schokolade, dazu noch Verbandszeug zum Wechseln und Schmerzmittel. Die hatten wirklich an alles gedacht. Kaum zu glauben, dass Alfred tatsächlich so etwas für ihn tat, obwohl sie eigentlich Feinde waren. Aber anscheinend gab es jetzt ein viel größeres Problem, um das es sich jetzt zu kümmern galt, sodass ihre Diskrepanzen fürs Erste vergessen mussten. Kapitel 5: Verhärtete Fronten ----------------------------- Die Tage vergingen, in denen Ludwig nach wie vor eingeschlossen war und nichts tun konnte, außer sich auf die anderen zu verlassen. Wie Alfred bereits angekündigt hatte, kamen er jeden Morgen und Abend vorbei und das ging ein paar Tage lang so, bis Ivan natürlich etwas von dieser Aktion mitbekam und versuchte, dies zu unterbinden, indem er das Fenster verbarrikadieren wollte, doch das erwies sich als nutzlos und als er erkannte, dass sein Plan fehlgeschlagen war und Alfred sich nicht so einfach unterkriegen ließ, gab er es auf und beendete die Aktion schließlich. Doch es endete letztendlich damit, dass es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihm und Alfred kam und es sah nicht danach aus, als würde da noch irgendetwas zu retten sein. Schließlich wurden die Mitglieder der Alliierten zu ihren jeweiligen Vorgesetzten gerufen, um Anweisungen für die nächsten Schritte entgegenzunehmen. Nachdem sich die Beziehung zu Ivan so rapide verschlechtert hatte, musste man davon ausgehen, dass es bald auf einen weiteren Krieg hinauslaufen würde. Und für diesen Fall galt es nun entsprechende Schritte zu planen. Tage später wurde dann eine Versammlung der Alliierten einberufen. Auch Francis war anwesend, kam allerdings mit leichter Verspätung in Begleitung von Alfreds Bruder Matthew, der als private Begleitung dabei war. Allerdings bemerkten die anderen erst knapp eine halbe Stunde später, dass er überhaupt anwesend war und selbst da fiel es Arthur schwer, ihn und seinen Bruder Alfred auseinanderzuhalten. Alfred war ein klein wenig ungehalten über Matthews Anwesenheit, was aber vor allem daran lag, dass dieser so dicht bei Francis saß, denn er hatte den Schock noch nicht hundertprozentig überwunden, dass die beiden allen Ernstes ein Paar sein sollten. „Warum bist du hier, Matt? Das hier soll eine Konferenz sein.“ „Nun reg dich doch nicht auf, mon ami“, warf Francis ein und legte einen Arm um Matthews Schultern, was vermutlich eine unterschwellige Provokation sein sollte. „Eigentlich gehört er immer noch zu uns und wenn ich schon hier bin, wollte ich wenigstens für nachher eine nette Begleitung haben. Also seid mal ein bisschen netter zu ihm. Nicht wahr, mon chéri?“ Matthew schwieg und lächelte nur ein wenig verlegen, während er seinen kleinen Eisbären im Arm hielt, dessen Namen er sich nie merken konnte. Vielleicht hätte er etwas gesagt, aber dafür war er einfach viel zu zurückhaltend und er wollte auch keine Auseinandersetzung mit Alfred riskieren. Arthur betrachtete die drei eine Weile lang schweigend und trank seine Tasse Earl Grey Tea, bevor er zum Punkt kam. „So, wir sind nun alle vollzählig, dann können wir doch mit der Konferenz beginnen.“ „Wow, ausnahmsweise mal ein vernünftiger Vorschlag von dir“, stichelte Alfred sogleich, der es halt nicht lassen konnte und übernahm sogleich das Reden. „Also wir sind hier, weil es inzwischen Neuigkeiten gibt: Ivan hat sämtliche Verhandlungen abgeblockt und beharrt auf seinen Anteil. Und es gibt keinen Grund, warum er seinen Anteil nicht bekommen sollte.“ „Und wie stellst du dir das jetzt vor?“ fragte Francis. „Du willst ihm doch nicht allen Ernstes alles überlassen. Ich bitte dich!“ „That’s right! Nur weil er so einen Aufstand anzettelt, heißt das noch lange nicht, dass er uns auf der Nase herumtanzen kann.“ „Das wird schon nicht passieren“, versicherte Alfred sogleich. „Ludwig hat doch einen Bruder namens Gilbert. Der geht zu Ivan und was Ludwig angeht… nun ja…“ Eine Pause trat ein und Alfred verschränkte die Arme. Sein Gesichtsausdruck hatte nun an Optimismus und Zuversicht verloren und er wirkte nachdenklich. Und die anderen ahnten, dass etwas nicht ganz in Ordnung war. „Jetzt sag schon, Alfred! What’s wrong?“ „Nun, es hat sich einiges geändert. Beim Ersten Weltkrieg ist er ja noch glimpflich davongekommen und hat sich ein blaues Auge eingefangen, weil Francis ihm den Versailler Vertrag reingewürgt hat. Jetzt ist die Sache… wie soll ich sagen? Well… Sie ist komplizierter geworden.“ „Inwiefern?“ fragte Arthur stirnrunzelnd und verstand nicht so wirklich, worauf Alfred denn jetzt eigentlich hinaus wollte. „Dieses Mal hat Ludwig wirklich Mist gebaut und mein Vorgesetzter war der Meinung, dass es nicht nur bei einer Strafzahlung wie beim Versailler Vertrag bleiben sollte. Bei weitem nicht. This time it’s even worse. Deutschland soll aufgelöst und Teil der alliierten Länder werden.“ Wieder trat Stille ein, denn auch wenn es in gewisser Hinsicht offensichtlich gewesen war, dass es auf so eine Situation hinauslaufen würde, nachdem jeder auf seinen Anteil beharrt hatte. Doch dass es tatsächlich auch so durchgesetzt wurde und das in solch einer drastischen Art und Weise, das schockierte sie dennoch. „Aufgelöst?“ fragte Matthew leise. „Was soll das heißen?“ „Is this a bloody joke?” wollte Arthur wissen und wurde sogar laut dabei, als er das fragte. „Deutschland soll aufgelöst werden? Soll das etwa heißen, Ludwig soll sterben?“ Vorsichtig zupfte Matthew an Francis‘ Uniform und hakte zaghaft nach, denn er verstand nicht wirklich, was diese Aufregung zu bedeuten hatte. Nun, er und Alfred waren auch wesentlich jünger als Francis und Arthur, obwohl Alfred dennoch einen großen Wissensstand über die Vergangenheit hatte. Das konnte man von seinem Bruder, der in seinem eigenen Land blieb und eh nicht sonderlich oft bemerkt wurde, allerdings nicht behaupten. Doch Francis gab ihm vorerst keine Antwort, sondern versuchte gegen Arthurs Einspruch zu reden. „Jetzt lasst uns doch nichts überstürzen. Niemand hat hier was von Mord gesagt. Ich meine, es muss ja nicht zwingend seinen Tod bedeuten, nur weil Deutschland aufgelöst wird.“ „Stellst du dich absichtlich so dumm an, oder hast du das etwa schon mit Felicianos Großvater oder dem Heiligen Römischen Reich vergessen? Du kennst die Regeln.“ „Äh hallo?“ versuchte sich Matthew wieder zu melden, allerdings war er immer noch so zaghaft und leise, dass ihn kaum jemand beachtete. „Könnte mich mal jemand aufklären?“ Jetzt endlich reagierte Francis auf seine Frage und seufzte, wobei er sich eine Haarsträhne zurückstrich. „Wir sind, wie du ja weißt, unsterblich. Aber es gibt Bedingungen, an die wir gebunden sind. Wir sind an die Anweisungen unserer Vorgesetzten gebunden und wir leben nur solange wie das Land, mit dem wir verbunden sind. Heißt also: ist das Land weg, sind wir es auch.“ „Als das Römische Reich zerfiel, verschwand auch Felicianos Großvater spurlos“, erklärte Arthur. „Es kommt äußerst selten vor, dass so etwas passiert. Als Preußen immer mehr durch Deutschland ersetzt wurde, änderte sich für Gilbert nicht viel, weil sich an der Kultur und der Sprache nichts änderte. Preußen gehört zu Deutschland dazu. Und meistens ändert sich ohnehin nur der Name. Wenn aber ein ganzes Land zerfällt so wie bei Felicianos Großvater, dann war es das.“ Nun stand Francis von seinem Platz auf, verschränkte die Arme und lief langsam auf und ab. Er sah alles andere als zufrieden aus. Die ganze Situation gefiel ihm nicht und das hatte seine Gründe. Er mochte Ludwig nicht wirklich. Sie waren schon seit Ewigkeiten Erbfeinde gewesen und kriegten sich immer in die Haare, wenn sie einander sahen. Und sie ließen auch keine Gelegenheit aus, dem anderen eine reinzuwürgen. Und Francis hätte ihm mit Vergnügen wieder eine saftige Kriegsstrafe aufgebrummt, die sich gewaschen hatte, einfach nur um die Schadenfreude auszukosten. Aber das hier war nicht das, was er wollte. Feindschaft hin oder her, die Auflösung eines Landes und dem damit verbundenen Tod des Repräsentanten war eine ganz andere Sache. Egal wie sehr sie einander auch hassten, so etwas wollte Francis nun doch nicht. Egal wie verschieden sie alle waren, sie alle waren durch ihre Rolle als Landesrepräsentanten miteinander verbunden. Über all die Jahrhunderte hinweg in denen sie gelebt hatten, hatten sie immer einander als Feinde oder Freunde gehabt und viel erlebt. Egal wie sehr man auch den anderen hasste, man würde ihn trotzdem nicht töten. In all den Jahrhunderten war es höchstens darauf hinausgelaufen, dass man den anderen als Diener zu sich holte. Das war so üblich bei ihnen und eigentlich hatte er erwartet, dass eventuell auf so etwas hinauslaufen würde. Aber gleich solche Konsequenzen? Das passte ihm einfach nicht. „What’s the matter, Francis?“ fragte Alfred als er den mürrischen Gesichtsausdruck bei ihm sah. „Ich dachte, du kannst es nicht erwarten, ihm eins auszuwischen.“ „Das ist ja etwas völlig anderes als das, was von uns verlangt wird“, protestierte der Franzose energisch. „Wir sind doch keine Barbaren. Ihn als Diener schuften zu lassen ist eine Sache, ihn zu töten eine andere. Ich dachte immer, wir würden so etwas nie tun. Egal was auch kommen mag. Es war immer eine unausgesprochene Regel zwischen uns, dass wir einander nie umbringen werden. Wir verprügeln uns höchstens, wenn wir im Krieg sind aber das war es dann auch. Natürlich hasse ich diesen Biertrinker, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn tot sehen will.“ „Es wird aber wohl darauf hinauslaufen“, murmelte Arthur und trank noch einen Schluck Tee. „Jeder von uns beharrt auf seinen Anteil und was sollen wir großartig tun? Uns untereinander bekriegen? Ich bin haushoch verschuldet und am Ende, genauso wie du, Francis. Und die Sache mit Ivan hat ohnehin noch Öl ins Feuer gegossen.“ „Willst du das etwa tatsächlich durchziehen?“ „Das habe ich nicht gesagt“, warf der Engländer ein, der sich diese Unterstellung nicht gefallen lassen wollte. „Ich sage ja nur, wie die Sachlage momentan aussieht. Ivan gewinnt immer mehr Einfluss und kräftemäßig ist er uns auch überlegen, während wir nach dem Krieg völlig am Ende sind. Da ist es doch verständlich, dass jeder sich das nimmt, was er kriegen kann. Oder hat unser großer Held etwa einen besseren Vorschlag?“ Alle Blicke ruhten nun auf Alfred. Nachdem er sich so oft als großer Held aufgespielt hatte, war es natürlich klar, dass man nun ihm die Entscheidung überließ, was geschehen sollte. Und darin lag das Problem. Im Moment wusste er nicht, was die beste Lösung war. Deutschland aufzulösen und damit Ludwig umzubringen, was völlig ausgeschlossen. Wie Francis sagte: es war eine unausgesprochene Regel, dass niemand einen anderen Repräsentanten tötete, egal wie stark auch die persönlichen Gefühle eine Rolle spielten. Selbst Ivan hielt sich daran und der galt als unheimlicher Psychopath. Doch sein Vorgesetzter hatte klare Anweisungen erteilt und die musste er auch befolgen. Eine wirklich schwierige Situation. Feliciano hatte die meiste Zeit in seinem Zimmer verbracht und Trübsal geblasen, was seinen Bruder Lovino aber auch nicht sonderlich davon abgehalten hatte, es auf seine Art zu versuchen, ihm den Liebeskummer ausreden zu wollen. Da Lovino aber so feinfühlig wie eine Raufasertapete war, hatte es nicht sonderlich viel gebracht, weshalb dann Antonio meist versuchte, zwischen den Brüdern zu vermitteln. Nachdem Antonio eines Morgens zu Besuch kam, kam Feliciano endlich aus seinem Zimmer heraus und gesellte sich zu ihnen, allerdings wirkte er nicht wirklich gesund. Er war blass geworden und schien weder sonderlich gut geschlafen, noch überhaupt genug gegessen zu haben. Und Lovino machte da auch kein Geheimnis daraus und sagte direkt „Du siehst echt scheiße aus, Fratellino.“ Seufzend schüttelte der Spanier den Kopf und dachte sich, dass es manchmal besser wäre, wenn Lovino einfach mal den Mund halten könnte. Zumindest dann, wenn etwas mehr Feingefühl gefragt war. Schweigend setzte sich Feliciano an den Tisch und trank einen Espresso. „Und? Wie geht es dir denn?“ fragte Antonio, auch wenn er allzu deutlich sah, dass es Feliciano nicht gut ging. Der jüngere Bruder seufzte und sah ziemlich deprimiert aus. „Es ging mir schon mal besser“, gestand er. „Habt ihr schon etwas von Ludwig gehört?“ „Nicht wirklich“, gestand Antonio. „Aber ich bin auch noch nicht dazu gekommen, die Zeitung zu lesen. Hier, vielleicht steht ja etwas darin.“ „Ach lass es doch sein“, wollte Lovino dazwischen gehen. „Da steht doch eh nur der übliche Scheiß drin, den keine Sau interessiert!“ Doch in Wahrheit wollte er einfach nicht, dass sein Bruder die Zeitung las. Es wusste doch jeder, dass Ludwig den Krieg verloren hatte, aber Feliciano machte sich ja höchstwahrscheinlich immer noch irgendwie Hoffnung, dass alles gut ausgehen würde und er Ludwig vielleicht irgendwann wiedersehen konnte. Und irgendwie musste er ihm diesen Schwachsinn ausreden und vor allem verhindern, dass Feliciano irgendetwas in der Zeitung las, was ihm den Anlass gehen könnte, zu diesem Kartoffel-Macho zurückzukehren, nachdem dieser ihn einfach so abserviert hatte. Doch Feliciano ließ sich nicht reinreden und nahm die Zeitung entgegen und machte den Eindruck, als erwarte er auch nicht sonderlich viel. Mit etwas Glück würde er die Zeitung nur grob überfliegen und die aktuelle Situation in Deutschland nicht bemerken. In dem Fall würde er hoffentlich irgendwann mal Ruhe geben und aufhören, sich so gehen zu lassen und diesem Blödmann nachzutrauern. Feliciano hatte wirklich Besseres verdient als so etwas. Lovino beobachtete seinen Bruder aufmerksam aus den Augenwinkeln und bemerkte, dass dieser tatsächlich nur kurz die einzelnen Meldungen überflog, aber nicht weiter durchlas. Dennoch blieb er angespannt. Innerlich hoffte er, dass da bloß nichts über die neueste Meldung stand. Doch als er sah, wie sich Felicianos Augen weiteten und sich Fassungslosigkeit und Entsetzen darin wiederspiegelten, da wusste er, dass dem nicht so war. „Das… das kann doch nicht sein…“, brachte er hervor und stand ruckartig auf. Antonio schaute fragend zu ihm herauf und schien noch nicht zu wissen, was denn los war. „Steht da irgendetwas von Bedeutung drin?“ erkundigte er sich, doch Feliciano war erst nicht imstande, darauf zu antworten. Zu schockierend war die Neuigkeit. „Ludwig hat den Krieg verloren und… nachdem Ivan die Alliierten verlassen hat, soll Deutschland unter ihnen aufgeteilt werden.“ Etwas ungläubig zog der Spanier die Brauen zusammen und schüttelte den Kopf. „Merkwürdige Methoden“, murmelte er und begann sich Frühstück zu machen. „Anscheinend können sich diese Streithähne mal wieder nicht einigen. Bei der Konstellation hat es mich eh gewundert, wie die überhaupt zusammen kämpfen konnten, ohne sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.“ Während er das eher gelassen sah und Lovino sich ohnehin nicht dafür interessierte, fiel keiner in Felicianos Stimmung ein. Und diesem stand das Entsetzen buchstäblich ins Gesicht geschrieben. „Ich muss sofort los!“ rief er und wollte schon hinausstürmen, doch da packte Lovino ihn am Arm und hielt ihn zurück. Er war fest entschlossen, ihn nicht so einfach gehen zu lassen nach allem, was passiert war und wie heftig Feliciano ohnehin schon unter dem Liebeskummer litt. „Vergiss es“, rief er. „Was willst du denn schon tun? Etwa einen Krieg gegen die anderen anzetteln? Komm doch zur Vernunft, du bist ein weinerlicher Feigling und würdest schon aufgeben, bevor der Feind überhaupt in der Nähe ist. Schlimmstenfalls pflücken sie dich auch noch auseinander. Du kannst nichts ändern, also bleib lieber hier.“ „Aber wenn sie Deutschland auflösen, dann wird Ludwig… er… wird…“ Feliciano spürte, wie ihm die Tränen kamen und sich seine Brust zusammenschnürte. Ohne es zu wollen war er schon wieder am Weinen und verfiel in ein heftiges Schluchzen. „Wir haben doch schon Großvater auf diese Weise verloren. Ich will Ludwig nicht auch noch verlieren!“ „Wie willst du ihn verlieren, wenn ihr nicht einmal mehr zusammen seid?“ warf Lovino ein und hielt ihn fest. Entschlossen, seinen Bruder nicht gehen zu lassen. „Du hast damit nichts mehr zu tun und du wirst dich nur in Schwierigkeiten bringen, wenn du nach Deutschland reist. Und überhaupt: keiner wird dir zuhören oder dich ernst nehmen.“ „Du verstehst das nicht!“ Feliciano war vollkommen aufgebracht und versuchte mit aller Macht, sich loszureißen. „Ludwig hat mich weggeschickt, um mich zu beschützen. Immerzu hat er mich beschützt und sich immer wieder verletzt, nur um mich zu retten. Nach allem, was er für mich getan hat, muss ich jetzt für ihn da sein und ihn beschützen.“ „Du kannst niemanden beschützen, stupido!“ Ohne es zu wollen war Lovino im Affekt die Hand ausgerutscht und er hatte seinem Bruder direkt ins Gesicht geschlagen. Mit Tränen in den Augen hielt sich Feliciano die gerötete Wange und sah seinen Bruder mit einem so herzzerreißenden Blick an, dass es Lovino die Brust zuschnürte. Doch er bereute es trotzdem nicht. Er hoffte, dass dies vielleicht der beste Weg war, um Feliciano endlich zur Vernunft zu bringen und ihn davon abzuhalten, nach Deutschland zurückzukehren. „Verdammt noch mal! Hör auf, dir noch weiter irgendetwas vorzumachen. Also bleib besser hier zuhause.“ „Ich weiß, dass ich ein weinerlicher Feigling bin“, gab Feliciano zu. „Und ich weiß ebenso gut, dass ich nicht sonderlich viel ausrichten kann. Aber ich verstehe mich ja gut mit Francis und vielleicht kann er ja helfen.“ „Dieser kranke Perverse, der sich an mich ranmachen wollte, als ich noch klein war?“ „Er ist doch jetzt mit Matthew zusammen…“ „Halt du mal die Schnauze, Antonio! Du hast jetzt Sendepause! Ich will doch nur verhindern, dass mein Bruder in sein Verderben rennt.“ Nun schaffte es Feliciano, sich loszureißen und wich einen Schritt von Lovino zurück, immer noch eine Hand gegen seine Wange pressend. Nun erhob sich Antonio und ging dazwischen. Dabei legte er eine Hand auf Lovinos Schulter und sah ihn mit seinen grasgründen Augen eindringlich an. Diesen Blick hatte er immer, wenn er dem hitzköpfigen Süditaliener ins Gewissen reden wollte. „Lovino, du kannst dir den Mund fusselig reden so viel wie du willst. Aber das hier ist wahre pasión und gegen die kann man nichts machen. Er liebt Ludwig von ganzem Herzen und wenn das Leben seines Liebsten in Gefahr ist, dann soll er tun, was er tun muss. Feliciano ist kein Kind mehr und wenn er Gefahr auch nur wittert, rennt er schneller als ein Gepard bei der Jagd. Er wird das schon schaffen und wie er schon sagte: Francis versteht sich sehr gut mit ihm und er würde schon nicht zulassen, dass ihm was passiert. Außerdem wissen alle, dass Feliciano harmlos ist. Die werden ihm schon nichts tun.“ „Vai a cagare!“ rief der Süditaliener wütend, verließ den Raum und knallte die Tür hinter sich zu. Feliciano blieb verunsichert stehen und wandte sich an Antonio. Sein Blick sagte alles und der Spanier tätschelte ihm aufmunternd den Kopf. „Keine Sorge, ich kümmere mich schon um ihn. Du weißt ja, wie er ist. Er macht sich halt große Sorgen um dich und er weiß nicht, wie er damit umgehen soll. Geh du ruhig nach Deutschland, wenn du Ludwig sehen willst. Aber pass bloß auf, wenn du wieder über die Schweizer Grenze gehst. Du weißt ja, dass Basch sofort das Feuer eröffnet, sobald er auch nur deine Locke sieht.“ „Okay… Und danke für deine Hilfe, Antonio.“ Damit ging Feliciano, packte seine Sachen und ging schon zur Haustür, da sah er seinen Bruder Lovino, der offenbar auf ihn gewartet hatte. Er stand mit verschränkten Armen und einem finsteren Blick da und sah aus, als würde er ihm jeden Moment den Kopf abreißen. Zuerst dachte Feliciano, sein Bruder würde wieder versuchen, ihn aufzuhalten, doch stattdessen machte Lovino ihm Platz und sagte mit ernster Stimme „Komm ja wieder heil zurück, hast du verstanden? Wenn du draufgehst, erwürge ich dich eigenhändig!“ Auch wenn es seltsam ausgedrückt war, so verstand Feliciano dennoch, was sein Bruder ihm sagen wollte und versprach ihm, dass er auf sich aufpassen würde. Er wusste, dass es vielleicht Probleme geben könnte, wenn er ging, aber er musste es dennoch tun. Er konnte doch nicht zulassen, dass Ludwig schlimmstenfalls sterben könnte. Ihn wunderte ohnehin, wie die Alliierten nur darauf kommen konnten, Deutschland aufzulösen. Auch wenn sie sauer auf Ludwig waren, so konnte er einfach nicht glauben, dass sie so etwas Schreckliches tun würden. Selbst Ivan hatte so etwas nie getan und dem war so einiges zuzutrauen. Er verstand das alles nicht und deshalb war es erst mal am Vernünftigsten, wenn er erst mal in Ruhe mit Francis sprach. Sie beide hatten sich schon immer gut verstanden und Francis war fast wie ein großer Bruder für ihn. Selbst im Krieg hatte dieser es vermieden, gegen ihn zu kämpfen und auch wenn Feliciano wusste, dass er naiv und in vielen Sachen recht dämlich sein konnte, aber er wusste mit Gewissheit, dass Francis ihm zuhören würde und mit Sicherheit würde er ihm auch die Gründe nennen, warum sie so etwas Furchtbares vorhatten. „Ve…“ seufzte Feliciano und sah zum Himmel hinauf. Es war bewölkt und es sah nach Regen aus. Wie wohl das Wetter in Deutschland war? Er fragte sich, wie es wohl Ludwig momentan ging. Diese Sache in der Zeitung, dass Ivan ihn allen Ernstes in seinem Zimmer eingesperrt hatte um ihn unter Druck zu setzen, war ja an sich schon merkwürdig und er verstand auch nicht so ganz, was sich Ivan dabei gedacht hatte, aber andererseits war dieser ohnehin schon immer sehr merkwürdig gewesen. Und wie Antonio schon gesagt hatte, hatten die Alliierten ja sowieso ein komisches Verhältnis untereinander. Arthur und Alfred zankten sich andauernd und das obwohl Arthur sich früher um Alfred gekümmert hatte. Arthur und Francis stritten sich auch ständig und mit Ivan war niemand so richtig grün. Vor allem nicht Alfred, der kräftemäßig mit Ivan in Konkurrenz trat. Wenn man da bedachte, wie das Verhältnis unter den Achsenmächten gewesen war… Nun gut, Kiku hatte mit den westlichen Gepflogenheiten einige Probleme (vor allem mit dem FKK-Thema), aber er und Kiku hatten ihre gegenseitigen Kulturen sehr respektiert und waren immer gut miteinander ausgekommen. Und auch wenn Ludwig bei seinem Training extrem streng war, sie beide hatten einander sehr geliebt und Kiku war ein guter Freund gewesen. Im Grunde hatte die Alliierten nur der Kampf gegen die Achsenmächte überhaupt zusammengehalten. Und nun, da der Krieg vorbei war, traten die alten Feindschaften mehr als deutlich wieder hervor. Das war selbst ihm klar. Doch er fragte sich, was das noch für Auswirkungen haben würde. Was, wenn es wieder einen neuen Krieg gab? Was würde dann mit ihnen allen passieren? Kapitel 6: Alfreds Plan ----------------------- Mit sichtlicher Verstimmung hatte Francis zusammen mit Matthew das Haus nach Beendigung der ersten Konferenz verlassen und war deutlich unzufrieden mit dem Ausgang dieser Geschichte. Dass Ludwig sterben sollte, war ganz und gar nicht das, was er sich erhofft hatte. Aber das war es nicht, was ihn so aufregte. Nein, es war Ludwigs Reaktion, die ihn erst so auf die Palme brachte. Anstatt, dass dieser zumindest den Versuch machte, sie umzustimmen oder gegen den Beschluss zu protestieren, hatte er einfach resigniert. „Äh… Francis?“ gab Matthew zaghaft von sich. „Bist du immer noch sauer wegen der Konferenz?“ „Und ob ich sauer bin!“ rief Francis und verschränkte die Arme. „Aber vor allem regt mich die Reaktion dieser Hopfennase auf. Anstatt, dass er zumindest versucht, dagegen zu protestieren, gibt er einfach auf und sagt, er würde es akzeptieren. Ich verstehe das nicht.“ „Wieso nicht?“ „Ludwig ist kein Feigling, er war auch nie einer gewesen“, erklärte Francis und atmete mit einem lauten Seufzer aus. „Auch wenn ich diesen Wurstfresser hasse, musste ich ihm eines zugutehalten: er war immer schon verdammt hartnäckig. Er hat nie einfach so aufgegeben und den Feigling gespielt. Er mit seinem Ordnungsfimmel und seinen preußischen Tugenden, die er wesentlich besser umzusetzen weiß als Gilbert. Ich finde es ohnehin schon seltsam, dass seine beiden Verbündeten einfach das Feld geräumt und ihn alleine gelassen haben. Irgendetwas ist da faul und ich könnte schwören, dass Alfred etwas weiß.“ „Und wie kommst du darauf?“ Sie gingen zu Fuß, um einen kleinen Spaziergang zu machen. Dabei blieb Matthew allerdings ein klein wenig hinter Francis zurück, da er seinen kleinen Eisbären bei sich hatte, dessen Namen er ständig vergaß. „Glaubst du etwa, sie haben irgendein geheimes Abkommen?“ „Ich weiß es nicht genau“, musste Francis gestehen, der so tief in seine Gedanken versank, dass er gar nicht merkte, wie sich der Abstand zwischen ihm und Matthew immer weiter vergrößerte. „Es war nur so merkwürdig, dass er nach Ludwigs Operation unbedingt alleine bei ihm sein wollte, um mit ihm zu reden. Wir waren alle skeptisch, als dieser Biersäufer uns erzählt hat, dass seine Freunde einfach gegangen sind, weil sie genug hatten. Wir alle wussten, dass dieses Achsenmacht-Trio wie Pech und Schwefel zusammengehalten hat, trotz aller Unterschiede. Und dann so etwas. Und ich glaube kaum, dass dein Bruder uns die ganze Wahrheit erzählt hat.“ „Und was willst du jetzt machen?“ Francis blieb kurz stehen, als er endlich bemerkte, dass er Matthew längst abgehängt hatte und ließ ihn aufholen, damit sie wieder nebeneinander weitergehen konnten. Doch eine genaue Antwort konnte er ihm leider nicht geben. Er war selber überfragt und verstand nicht, wie das Ganze zusammenhing. Normalerweise hätte er kein Problem damit gehabt, Alfred mit Arthurs schlechter Küche so lange zu quälen, bis dieser freiwillig zu reden anfing. Nur blöderweise hatte Alfred einen fast genauso verkorksten Geschmack und dieser Kerl war ohnehin so stark, dass er schon als Kind ausgewachsene Büffel gestemmt hatte. Und so wie er ihn einschätzte, würde Alfred erst mal damit beschäftigt sein, sich einen Plan zu überlegen, wie er Ludwigs Tod verhindern konnte und wie er sich für den Krieg gegen Ivan rüsten würde. Der hatte erst mal genug um die Ohren. „Tja, ich weiß noch nicht so wirklich. Aber ich denke, mir wird schon früh genug etwas einfallen. Aber erst mal genießen wir beide zusammen unseren Feierabend, Cherì.“ Damit gab Francis ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. Ein schüchternes Lächeln spielte sich auf die Lippen des Kanadiers, der ein wenig rot wurde. „Ich hatte wirklich Sorge, dass mein Bruder sich sehr schlimm aufführen würde wegen dem mit uns. Aber da du so souverän reagiert hast, ist ja alles ganz gut gegangen. Ich hatte schon befürchtet, er würde dir an den Hals gehen.“ „Soll er es doch versuchen. Vor ihm habe ich keine Angst und wenn er dich herumschubsen sollte, dann werde ich kommen und dir helfen, mein süßer kleiner Liebling. Und eines sage ich dir: heute Abend gönnen wir uns bei mir eine Flasche Wein und dann wird es Zeit für l’amour.“ „F…Francis, Kumamaru hört doch alles mit.“ „Und wer bist du?“ fragte der kleine sprechende Eisbär und schaute zu ihm auf. Mit einem geschlagenen Seufzer erklärte er „Ich bin dein Besitzer Matthew. Das sage ich dir immer wieder.“ „Und immer wieder vergisst du meinen Namen.“ „Touché…“ Francis lachte amüsiert und gab Matthew einen Kuss auf die Wange. Gemeinsam gingen sie die zerstörten Straßen entlang weiter nach Süden, wo sie sich eine etwas romantischere Landschaft zum Spazierengehen erhofften. Deutschland hatte wirklich schon bessere Tage gesehen und sie beobachteten dabei auch im Vorbeigehen eine Vielzahl von Frauen, die gerade dabei waren, die Trümmer von den Straßen zu räumen. Irgendwann aber hatten sie endlich die zertrümmerten Städte hinter sich gelassen und kamen in eine ländlichere Gegend, wo sie endlich dem Bildnis der Zerstörung für eine Weile entkommen konnten. Doch lange blieben sie nicht ungestört, denn da hörten sie plötzlich ein lautes Schreien und Flennen. „Was ist das?“ fragte Matthew und sah Francis ratlos an. „Hört sich an wie eine schreiende Frau.“ „Na das sehen wir uns mal an.“ Gemeinsam gingen sie in die Richtung und sahen auch schon jemanden in einem Affenzahn auf sie zustürmen. Zuerst wussten sie nicht genau, um wen es sich da handelte, aber dann bemerkte Francis, dass es Feliciano war, der heulend und kreischend in einem übermenschlichen Tempo auf sie zugestürmt kam. Was machte der denn hier und was war mit dem wieder los? Hatte Basch mal wieder das Feuer auf ihn eröffnet? Francis beschloss, ihm mal ein paar Fragen zu stellen und hielt ihn sogleich am Kragen fest, als Feliciano an ihm vorbeirennen wollte. Doch in seiner Panik schien Feliciano gar nicht zu bemerken, wer ihn da festgehalten hatte und wimmerte ängstlich „Nein, bitte tu mir nichts! Ich habe Verwandte in Bern, also bitte erschieß mich nicht. Bitte!!!“ „Beruhige dich doch wieder, mon ami. Du bist nicht in der Schweiz, sondern in Deutschland und ich bin nicht Basch, sondern Francis.“ Nun wurde Feliciano augenblicklich still und schaute auf. Und als er tatsächlich Francis sah, da strahlte er übers ganze Gesicht und umarmte ihn stürmisch. „Buongiorno Francis, bin ich froh dich zu sehen! Ich hatte solche Angst, als Basch plötzlich auf mich geschossen hat. Ich dachte, ich müsse sterben. Aber Gott sei Dank bist du es nur.“ Francis musste schmunzeln und tätschelte Felicianos Kopf. Er hatte sich wirklich überhaupt nicht verändert während des Krieges. Immer noch derselbe Feigling, der sofort die weiße Fahne schwenkte, wenn er auch nur einen Feind erahnte. Absolut unbrauchbar im Krieg, aber aufgrund seiner unschuldigen Natur konnte man ihn einfach nur gerne haben. Zumindest erging es Francis so, denn viele waren von Felicianos Art eher genervt. „Jetzt ist doch alles in Ordnung, Feliciano. Aber erzähl schon: was machst du denn hier?“ Einen Moment lang hielt der Italiener inne und hatte wohl für einen Augenblick vollkommen vergessen, weshalb er noch mal hier war. Vielleicht war er auch nur durcheinander wegen Baschs Schießangriff und musste sich erst einmal sortieren. Dann aber kam es ihm wieder in den Sinn und plötzlich wurde er wieder ganz hektisch. „Ich habe gehört, dass Deutschland aufgelöst werden soll. Bitte sag mir, dass das nicht stimmt, Francis. Ihr werdet Ludwig doch nicht töten!“ Ach so war das. Nun leuchtete Francis ein, warum Feliciano zurückgekehrt war und wieso er wirklich dermaßen durch den Wind war: er machte sich Sorgen um seinen ehemaligen Verbündeten Ludwig. Nun, eigentlich hätte sich Francis das auch irgendwie denken können, immerhin hatte man Feliciano und Ludwig nicht einmal mit einem Brecheisen voneinander trennen können. Ein Grund mehr, warum er nicht wirklich daran glaubte, dass Ludwigs Geschichte stimmte. „Feliciano…“ „Bitte sag mir, dass die Zeitung lügt und alles nur ein großes Missverständnis ist. Ludwig hat zwar ein paar Fehler gemacht, aber das ist doch kein Grund, ihn zu töten!“ Francis sah, dass dem Norditaliener die Tränen in den Augen standen und er kurz davor war, wieder in Tränen auszubrechen und am ganzen Körper zitterte. Und das brachte ihn zu einer Frage, die ihm spontan kam, wo er aber schon glaubte, die Antwort bereits zu ahnen: „Bedeutet er dir etwa so viel?“ Feliciano nickte laut schluchzend und wischte sich die Tränen weg. „Ich liebe ihn, Francis. Ludwig hat mich weggeschickt, um mich zu beschützen, aber… ich kann doch nicht einfach zuhause herumsitzen, wenn ich weiß, dass ihr ihn töten wollt! Wie könnt ihr nur so etwas tun?“ Je mehr er redete, desto schlimmer wurde sein Schluchzen und er begann zu weinen wie ein kleiner Junge. Nun wandte sich Matthew an Francis und zupfte an seiner Uniform. Er sah besorgt aus und schien großes Mitgefühl zu haben. Kein Wunder, immerhin war er ja selbst in einer romantischen Beziehung und konnte deshalb verstehen, wie sich Feliciano fühlen musste. „Francis, gibt es da wirklich keine andere Lösung?“ „Wir können uns den Anweisungen unserer Vorgesetzten nicht widersetzen“, versuchte dieser zu erklären, aber man merkte trotzdem, dass er sich nicht sonderlich wohl in dieser Situation fühlte. „Und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie man das lösen könnte. Sacredieu! Warum muss ich mich plötzlich rechtfertigen? Dieser Biersäufer hat sich das doch selbst zuzuschreiben, dass er in dieser Situation steckt. Er hat diesen Krieg angefangen, warum bin ich auf einmal der Böse hier?“ „Das hat doch niemand gesagt“, beschwichtigte Matthew ihn. „Aber vielleicht könnt ihr euch doch noch mal gemeinsam zusammensetzen und euch eine alternative Lösung überlegen, wie Ludwig seine Strafe verbüßt, ohne dass er dafür gleich mit dem Leben bezahlen muss.“ Francis atmete geräuschvoll aus und rieb sich die Augen. Warum nur musste er sich mit diesem Problem herumschlagen? Er war derjenige, der Ludwig am allermeisten hasste. Sie hatten sich schon immer gegenseitig gehasst und jedes Mal in die Haare gekriegt, wenn sie sich gesehen hatten. Also hatte er auch alles Recht, sich aus dieser Sache rauszuhalten. Und nun wollte man ausgerechnet von ihm, dass er Ludwig rettete? Das war doch wohl ein schlechter Scherz! Aber sollte er Feliciano einfach so hängen lassen? Der arme Kerl war hoffnungslos in Ludwig verliebt und bei so etwas wurde er immer weichherzig. Er mochte Feliciano sehr und sah es nicht gerne, ihn so traurig zu sehen. Also was sollte er tun? Am liebsten wollte er gar nicht erst in dieser Situation stecken. Zum Glück aber hatte Matthew eine rettende Idee, wie er das Problem vorübergehend lösen konnte und schlug deshalb vor: „Wie wäre es, wenn du zu Ludwigs Haus gehst und mit Alfred sprichst? Ich denke, er ist noch dort und vielleicht kann er dir weiterhelfen. Soweit ich weiß, sucht er sowieso momentan nach einer Lösung, wie wir Ludwig retten können.“ Sofort ging Feliciano auf diesen Vorschlag ein, bedankte sich in seiner überschwänglichen und stürmischen Art und umarmte Matthew überglücklich, als sei Ludwig bereits begnadigt worden. Der etwas ruhige und zurückhaltende Kanadier war von dieser stürmischen Umarmung etwas überrumpelt, ließ Feliciano aber gewähren und sofort machte sich der Norditaliener auf den Weg, um mit Alfred zu reden und Ludwig zu besuchen. Die beiden sahen ihm noch eine Weile hinterher, bis dann schließlich Matthew das Schweigen beendete. „Tut mir leid, dass ich dich so bedrängt habe, obwohl du Ludwig nicht ausstehen kannst.“ „Schon gut, mon Chérie. Du bist halt manchmal einfach zu gut für diese Welt.“ „Sollen wir nicht sicherheitshalber mitgehen, nur um sicherzugehen, dass ihm nichts passiert?“ „Nein, wir sind nicht seine Babysitter und ich denke auch nicht, dass ihm irgendetwas zustoßen wird. Der Krieg ist immerhin vorbei und wenn Feliciano etwas besser als jeder andere beherrscht, dann ist es das Flüchten.“ Nun, dem konnte Matthew schlecht widersprechen, allerdings enthielt er sich seines Kommentares, dass Francis auch dazu neigte, die weiße Fahne zu schwenken, wenn es zu brenzlig für ihn wurde und er sich hinter niemandem mehr verstecken konnte. Nicht selten wurde er deshalb als Feliciano der Alliierten bezeichnet. „Mich wundert aber eines: hat Ludwigs seltsames Verhalten irgendetwas mit seinem Gespräch mit Alfred auf sich?“ „Höchstwahrscheinlich“, vermutete Francis. „Es ist doch höchst auffällig, dass Ludwig sein Schicksal einfach so hinnimmt und nicht einmal aufmuckt. Aber ich kann mir so langsam denken, dass dein Bruder von der Beziehung gewusst und wahrscheinlich irgendeine Vereinbarung mit dieser Hopfennase getroffen hat. Ludwig versucht Feliciano zu schützen.“ „Du meinst, er hatte gewusst, dass er den Krieg verlieren würde und hat deshalb Feliciano und Kiku rechtzeitig weggeschickt, damit sie keine Probleme bekommen?“ „Davon gehe ich aus und genau das macht mich fertig… Wenn er es nicht machen würde, dann würde ich mich jetzt wenigstens nicht ganz so mies fühlen, dass ich ihm die schlimmste Strafe gewünscht habe. Jetzt kriegt er sie und es ist so eine. Putain de merde!“ „Kopf hoch, Francis. Es wird sicher schon irgendwie gut werden. Keiner will Ludwigs Tod und ich denke, dass sich mein Bruder schon irgendetwas überlegen wird. Und mit etwas Glück wird es eine brauchbare Idee zu sein. Manchmal kommt er ja auf die verrücktesten Sachen…“ Dem konnte Francis nur zustimmen. Aber man musste Alfred zugutehalten, dass er ein Optimist war, der sich durch rein gar nichts erschüttern oder verunsichern ließ. Auch wenn seine Entscheidungen vielleicht nicht immer die Klügsten waren, so wusste er sich immer zu helfen. Also blieb zu hoffen, dass er auch für dieses Problem eine Lösung fand „Es wird schon alles gut werden, denke ich“, sagte Matthew schließlich. „Und ich denke, für heute ist genug passiert, oder? Und dein Angebot steht ja noch, oder ist dir die Stimmung vergangen?“ „Was?“ rief Francis halb entrüstet. „Als ob mir die Stimmung so schnell vergehen würde… oder die Lust.“ Und mit diesen letzten Worten zwinkerte ihm der Franzose viel sagend zu und Matthew konnte sich schon denken, worauf er anspielte. Und er konnte nicht verhindern, dass er daraufhin errötete. Alfred saß immer noch in Ludwigs Wohnzimmer, nachdem sich auch Arthur verabschiedet hatte und dachte angestrengt nach. Die ganze Situation wurde immer verzwickter, selbst nachdem der Krieg endlich vorbei war. Ivans Aktionen waren ein deutliches Zeichen dafür, dass eine weitaus größere Gefahr drohte als Ludwig. Ivan war wesentlich stärker und er hatte viele Verbündete. Und mit großer Wahrscheinlichkeit würde Ivan auch den Rest der europäischen Länder einnehmen und damit quasi unaufhaltsam werden. Das konnte er unmöglich zulassen. Wenn er ihn jetzt nicht stoppte, dann würde es umso schwerer werden, es zu einem späteren Zeitpunkt zu tun. Das Sinnvollste wäre, wenn er sich Verbündete in den europäischen Ländern dazuholte, um Ivan die Stirn zu bieten. Arthur und Francis waren mit Sicherheit dabei und vielleicht konnte er noch ein paar andere überzeugen. Doch in dem Moment musste er sich an Arthurs Worte erinnern: sie waren vollkommen am Ende. Der Krieg hatte sie haushoch verschuldet und in diesem Zustand wären sie keine große Hilfe für ihn. Sie wären höchstens ein leichtes Ziel für Ivan, der garantiert ihre Situation ausnutzen würde, um sie anzugreifen. Um also effektive Bündnisse zu schließen, musste erst einmal wieder die Wirtschaft angekurbelt werden. In dem Fall mussten wohl Kredite her, aber das sollte eigentlich kein großes Problem darstellen. Alfred beschloss, diese Idee im Hinterkopf zu behalten. Stellte sich nur noch die Frage, was mit Ludwig passieren sollte. Der Befehl war unumstößlich, aber Alfred war sich sicher, dass es irgendwo ein Schlupfloch geben musste. Deutschland sollte ja ausschließlich deshalb aufgelöst werden, weil sich die Alliierten nicht einigen konnten, wie ihre Anteile geregelt werden sollten und weil verhindert werden sollte, dass Ludwig einen neuen Krieg anzettelte. Aber was war, wenn man anderweitig sicherging, dass er keinen Blödsinn mehr anstellte? Dazu musste man nur sämtliche Waffen konfiszieren, das Militär einschränken und Ludwig einen Vertrag aufzwingen, der ihm dergleichen verbot. Und vielleicht konnte er ja sogar die momentane Situation mit Ivan als Argument nutzen, um die Auflösung Deutschlands zu verhindern. Wenn er Arthur und Francis überreden konnte, auf ihre Anteile zu verzichten und sie ihm zu überlassen, dann musste Deutschland nicht aufgelöst werden und Ludwig konnte weiterleben. Er würde ihrem Bündnis beitreten und damit wäre das Problem gelöst. Und somit hätte er, Alfred F. Jones, den Tag gerettet! Der große Held des Westens kämpfte gegen die Bedrohung aus dem Osten. Na wenn das mal nicht in die Geschichte einging. Zufrieden trank Alfred einen Schluck Cola und überlegte sich gerade, ob er sich zur Belohnung für seine brillante Idee ein großes Stück Cheesecake gönnen sollte, da klingelte es plötzlich an der Tür. Da Ludwig momentan in seinem Zimmer war und sich aufgrund seiner Verletzungen eh kaum bewegen konnte, ging er selbst öffnen und fragte sich, ob es vielleicht Roderich sein könnte. Immerhin verstanden sich er und Ludwig ganz gut miteinander, auch wenn dieses Verhältnis zwischen den beiden manchmal verdächtig danach aussah, als wäre Ludwig die Frau in der Beziehung. Kein Wunder, dass er sich lieber für Feliciano entschieden hatte. Als Alfred die Tür öffnete, sah er Feliciano vor sich, dessen Augen von Tränen gerötet waren und der aussah, als hätte er sich bis jetzt tapfer zusammengerissen und könnte jetzt seine Tränen nicht mehr zurückhalten. „Feliciano“, rief er überrascht. „Was machst du denn hier?“ „Ich muss zu Ludwig!“, platzte es aus dem Norditaliener heraus. „Ich habe gehört, dass ihr Deutschland auflösen wollt. Stimmt das wirklich? Soll Ludwig wirklich sterben!“ Feliciano war vollkommen durch den Wind und normalerweise hätte Alfred ihn erst einmal reingebracht, um ihn im Anschluss zu beruhigen, doch er entschied sich dagegen. Er hatte einen Deal mit Ludwig und an diesen würde er sich auch halten. Darum hielt er den Norditaliener direkt auf Abstand. „Mach dir keine Sorgen, ich arbeite bereits an einer Alternativlösung, mit der ich Ludwig retten kann. Niemand von uns wird ihn umbringen.“ „Echt?“ fragte Feliciano und er schien unendlich erleichtert zu sein. „Ein Glück. Ich hatte solche Angst um ihn gehabt, Alfred. Kann ich bitte zu ihm? Ich weiß ja, dass Ludwig mir eigentlich gesagt hat, ich dürfe nicht herkommen, aber ich konnte einfach nicht anders. Ich vermisse ihn so sehr.“ „Das glaube ich dir gerne“, versicherte Alfred und verschränkte die Arme. „Aber ich kann dich leider nicht zu ihm lassen. Du dürftest eigentlich nicht hier sein, Feliciano. Verstehst du eigentlich die Situation? Ludwig hat dich weggeschickt und den Kontakt abgebrochen, weil er dich schützen will. Also mach es nicht unnötig komplizierter und geh nach Italien zurück.“ „Aber… aber…“ Feliciano standen die Enttäuschung und Ratlosigkeit ins Gesicht geschrieben. „Ich will gar nicht nach Italien zurück. Ohne Ludwig ist es einfach nicht dasselbe. Ich kann nicht glücklich sein, wenn er nicht bei mir ist und mich nicht einmal wegen meiner Feigheit oder meiner ganzen anderen Charakterschwächen tadeln kann. Selbst Pasta essen mag ich nicht mehr, wenn Ludwig nicht mal da ist um sich wegen meiner Liebe für Pasta aufzuregen und mich zu fragen, ob ich Pasta statt Hirn im Kopf hätte. Ich will nicht alleine sein, Alfred. Und ich will nicht nach Italien zurück, wenn ich weiß, dass es Ludwig schlecht geht und ich nicht bei ihm bin, um ihn aufzumuntern.“ „Das mag ja alles so sein“, versuchte Alfred zu erklären. „Aber Ludwig will nicht, dass die anderen Wind davon kriegen und du in Schwierigkeiten gerätst.“ „Aber Francis weiß es doch auch schon!“ protestierte Feliciano und der Amerikaner erkannte so langsam, dass er diesen Besucher wohl nicht so leicht abwimmeln konnte. Und dass jetzt auch noch Francis Bescheid wusste, gab ihm zu denken und er fragte deshalb „Und wie hat Francis darauf reagiert? Hat er irgendwelche Probleme gemacht?“ „Überhaupt nicht. Francis und ich verstehen uns gut!“ Wenn Francis Bescheid wusste und diese Sache recht entspannt betrachtete, würde Arthur wahrscheinlich auch nicht sonderlich viele Probleme machen. Ivan hatte den Alliierten sowieso schon den Rücken gekehrt und Wang Yao hatte selbst genug Probleme. Machte es dann überhaupt Sinn, Ludwig und Feliciano voneinander getrennt zu halten? Er konnte das ja irgendwie für sich nutzen. Zwar war Feliciano als Verbündeter eine absolute Vollkatastrophe, aber er gehörte zu Europa und wenn Alfred jetzt schon damit begann, nach Verbündeten zu suchen, dann konnte er seinen Vorgesetzten vielleicht einfacher überzeugen. Und wenn er Ludwig diesen Gefallen tat, würde es sich vielleicht auch als großer Vorteil erweisen, wenn sich ihr Bündnis wesentlich verbesserte. Wenn er Ludwig zu einem loyalen Verbündeten machte, war eine Auflösung Deutschlands nicht mehr nötig. „Okay“, sagte er deshalb. „Wenn Francis schon darüber Bescheid weiß, wird es mit Arthur wahrscheinlich auch kein Problem werden. Du kannst jederzeit zu Ludwig, aber nur unter einer Bedingung: du schließt dich dem amerikanischen Bündnis an.“ „Ve?“ Feliciano lehnte ratlos den Kopf zur Seite und verstand nicht so wirklich, wovon Alfred da redete. Aber das machte auch nichts. Alfred würde seine Idee ohnehin morgen früh bei der nächsten Versammlung besprechen. Dann schließlich zuckte Feliciano mit den Schultern und meinte „Wenn ich dann Ludwig sehen darf, dann trete ich eurem Bündnis bei.“ „Sehr gut“, rief Alfred zufrieden und streckte ihm die Hand hin. „Dann möchte ich dich herzlich willkommen heißen.“ Und mit einem Handschlag war damit das Bündnis zwischen Amerika und Italien beschlossen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)