Leave Time For Love von Aphrodi ================================================================================ Penguin -------                                               „Hast du mit Fudou geschlafen?“   Es herrschte eine Totenstille zwischen Sakuma und Genda. Jeder der beiden versuchte in dem Gesicht des anderen zu lesen, was der dachte. Der Fakt, dass Genda nicht sofort antwortete und es damit nicht einmal direkt abstritt, war verdächtig. Aber so wie er Sakuma ansah, fand er die gerade noch so plötzlich gestellte Frage auch nicht weniger seltsam.   In Sakumas Gedanken brach ein riesiges Chaos aus und er wusste nicht, welche seiner Erwartungen er verhängnisvoller fand – die simple Antwort auf seine Frage oder was Genda nun über ihn dachte eben aufgrund dieser. Er hatte ja schon vermutet, dass er das Thema sensibler angehen müsste, wenn er es überhaupt hätte ansprechen dürfen. Aber jetzt war es zu spät. Er hatte ihn einfach gefragt, gerade heraus. Das Ausgesprochene konnte nicht ungehört gemacht werden.   „Das-“, begann Genda und suchte offenbar noch nach Kraft für seine Stimme, dann räusperte er sich kurz, um den Kloß in seiner Kehle zu lockern. „Was soll die Frage?“   Der Angesprochene hob die Augenbrauen an. Warum musste er sich jetzt für die Frage rechtfertigen? Oh ja, vielleicht, weil er ihm hier gerade irgendwie unterstellte, er könnte auf Jungs stehen und weil es bis gestern Nacht auch absolut nicht naheliegend wirkte, dass Sex zwischen Fudou und einem seiner Freunde überhaupt möglich war. Trotzdem fand Sakuma die Frage weiterhin berechtigt. Und wich ihm Genda hier gerade aus?   „Ist doch nur 'ne Frage“, versuchte Sakuma es irgendwie herunterzuspielen, aber Genda schien das nicht zu überzeugen. Stattdessen schnaufte er kurz. Sakuma presste die Lippen zusammen und krallte sich ein wenig fester in die Plastikbox in seinen Händen. Noch mehr und er könnte den Reis gleich vom Boden einsammeln.   „Nur 'ne Frage...“, wiederholte Genda ungläubig. „Warum denkst du sowas? Hat er dir irgendwas gesagt?“   „Nein, hat er nicht. Nicht direkt. Ich hab halt nur... Es ist mir so in den Kopf gekommen.“   „Aber doch sicher nicht einfach nur so. Also sag mir, was ist der Grund für diese Annahme? Und glaubst du wirklich, dass ich es mit Fudou tue?“   Sakuma schluckte. Er wurde von Genda in die Ecke gedrängt. Nicht körperlich aber geistig, denn je mehr er wissen wollte, desto mehr musste er sich erklären. Und diese Erklärung konnte er auf keinen Fall preisgeben. Wenn er Genda von der Erpressung und dem, was sich letzte Nacht in dem Zimmer abgespielt hatte, erzählen würde... Er wollte nicht, dass sein Freund es wusste und würde alleine mit Fudou fertig werden. Und zu allem Überfluss konnte er Kidou nur schützen, wenn er den Mund hielt.   „Lass uns das einfach vergessen, ja? Es war ein dummer Gedanke von mir und es tut mir leid, dass ich es in Betracht gezogen habe. Außerdem wissen wir doch, dass du auf Mädchen stehst“, gab Sakuma mit einem aufgesetzten Grinsen von sich und hoffte, dass es Genda beschwichtigen würde. Er wollte tatsächlich nicht mehr darüber reden und fühlte sich ziemlich unwohl gerade. Hätte er doch bloß nichts gesagt. Doch Genda schien das nicht zu reichen. Er packte Sakumas Arm so abrupt, dass es um das Donburi nun wirklich geschehen war und es mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden landete. Mit ziemlich festem Blick sah er dem Kleineren direkt ins Gesicht.   „Nein! Ich vergesse es nicht!“   Sakumas Augen weiteten sich und sein Herz fing an zu rasen. Selten hatte er Genda so bestimmend gesehen und das Wissen, dass er aus dieser Situation nicht mehr so leicht rauskommen würde, machten es ihm deutlich schwerer, sich auf den Beinen zu halten. Sein ganzer Körper fing an zu zittern. Jetzt musste er es ihm sagen, oder?   Das Donburi war für den Moment Nebensache.   „Sakuma! Sag mir die Wahrheit. Ich sehe doch, dass du mir was verheimlichst.“   „Es... tut weh. Deine Hand...“   Der strenge Blick auf Gendas Gesicht löste sich ein wenig und die Gesichtsmuskeln entspannten sich mehr und mehr, während Sakuma den Blick von ihm wegdrehte und jedem weiteren Augenkontakt auswich. Er löste die Hand von dem umfassten Arm und ließ ihn somit frei ohne eine Antwort bekommen zu haben. Eigentlich hatte er beharrlich sein wollen, doch Sakuma so zu sehen und zu wissen, dass er ihn offenbar bedrängte, ließ ihn seinen Plan wieder verwerfen. Er konnte das nicht.   Letztendlich hatte keiner von ihnen eine Antwort bekommen.   „Lass uns nach einem Taxi gucken“, sagte Genda so ruhig er konnte und hockte sich auf den Boden, um den zerstörten Plastikbehälter mitsamt dem Inhalt bestmöglich aufzusammeln. Wirklich zu retten war er nicht mehr, denn durch die Risse und Löcher von Plastiksplittern war längst Dreck an das Essen gelangt. Ein Teil davon hatte sich über dem Bürgersteig verteilt und so entsorgte er das, was er tragen konnte, im nächsten Mülleimer.   Wortlos folgte Sakuma ihm bis zum nächsten Taxistand, wo sie in eines der wartenden Fahrzeuge einstiegen und nach kurzer Fahrt vor Gendas Zuhause ankamen. Wäre der Taxifahrer nicht gewesen, hätten sie wahrscheinlich erneut kein Wort miteinander gewechselt, doch durch seinen Versuch ein oberflächliches Gespräch aufzubauen, kommunizierten sie recht schnell wieder miteinander. Doch keiner der beiden wagte es, ein Wort über das zu verlieren, was zuvor noch Thema war.   „Der war ja ganz schön gesprächig.“   „Ich vermute, das ist eine Masche.“   „Oder ihm hilft das gegen die Langeweile.“   „Auch möglich“, merkte Genda an und ging mit seinem Freund hinein ins Haus. Wo sich sein Zimmer befand, wusste Sakuma und so wurde er aufgefordert, schon mal vorzugehen. Sie mussten möglichst leise sein, denn alle anderen im Haus waren schon zu Bett gegangen. Nachdem er das übrige Donburi erwärmt und auf zwei Teller aufgeteilt hatte, folgte Genda Sakuma ins Zimmer. Der hatte es sich auf dem Bett bequem gemacht und hielt einen großen Plüschpinguin – ein Geschenk von ihm an Genda – im Arm. Den Bruchteil einer Sekunde konnte der Torhüter das bedrückte Gesicht sehen, das sich sofort zwanghaft erhellte, als die Zimmertür aufging.   „Manchmal glaube ich, du kommst lieber wegen ihm her als wegen mir“, scherzte Genda in dem Versuch, die Stimmung zu heben und deutete auf den Pinguin. Dann setzte er sich neben Sakuma und reichte ihm einen der Teller und ein paar Essstäbchen.   „So ist es ja auch. Pengu ist einfach zu süß!“   „Pengu? Also hast du ihm jetzt einen Namen gegeben?“   „Klar, du hast es ja nicht gemacht“, merkte Sakuma an und nahm einen Happen Reis in den Mund. Eigentlich hatte er Genda das große Plüschtier in Form eines Kaiserpinguins zu Beginn des neuen Schuljahres geschenkt. Er wusste, dass im neuen Fußballclub eine harte Zeit auf sie zukommen würde durch all die neuen Mitspieler – Senpais, die schon einen Stammplatz hatten und ihnen in ihrer körperlichen Entwicklung voraus waren, aber auch Raimons Topspieler wie Gouenji im Sturm oder Endou im Tor. Gerade letzterer wirkte wie eine unüberwindbare Wand für Genda, denn jeder, der Endou Mamoru kannte, wusste, was für ein Ausnahmespieler er war. Da war für jeden anderen Torhüter ein Platz auf der Bank vorprogrammiert. Der Pinguin sollte als Trostspender und Mutmacher immer für Genda da sein, wenn er ihn brauchte. Und er sollte ihm zeigen, dass seine Freunde immer für ihn da waren, wenn er unglücklich war.   Und trotzdem hatte Genda aufgehört mit seinen Freunden über das zu sprechen, was ihn belastete.   „Ich hätte ihn sicher nur Sakuma genannt.“   „Sehe ich denn aus wie ein Pinguin?“   „Weiß nicht. Wäre das für dich ein Kompliment?“   Sakuma lachte auf und Genda lächelte ihn breit an. Es war alles wie immer – sorgenlos und beschwingt heiter. Jedenfalls oberflächlich. Und für diesen Moment fühlte sich Sakuma wirklich so, als würden all die bleischweren Lasten von ihm abfallen. Als würde er schweben. Und auch Genda sah glücklich aus. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)