Darkness inside von ScarsLikeVelvet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Blitze zuckten über den dunklen Himmel und der Regen fiel in dichten Schauern herab, so dass man kaum einen Meter weit sehen konnte. Kyo störte das nicht. Er stand auf der überdachten Terrasse hinter seinem Haus und zog an seiner Zigarette, während er ein wenig verloren und in Gedanken versunken in den Regen starrte. Seine Gedanken kreisten noch immer um die Worte, die Daisuke ihm an den Kopf geknallt hatte, bevor er das Studio wutentbrannt verlassen hatte. Der Gitarrist war wütend gewesen, weil Kyo schon wieder zu spät zu den Aufnahmen aufgetaucht war, vollkommen durchnässt, unterkühlt und in den selben Klamotten wie am Vortag. Er hatte Kyo gefragt, ob er überhaupt zuhause gewesen war um zu schlafen und zu essen, was er verneint hatte. Daraufhin war der Rotschopf ausgeflippt. ~Flashback~ „Warst du überhaupt zuhause, um zu schlafen und zu essen? Oder bist du wieder die ganze Nacht durch die Stadt geschlichen und hast in irgendwelchen Büschen gepennt?“, fragte Daisuke, nachdem Kyo endlich aufgetaucht war. Dreck verschmiert, nass und zitternd stand der Sänger vor ihm und verneinte leise die erste Frage, bejahte dann die zweite. „Ich fass es nicht, Kyo ... es gibt Leute, die ... die sich Sorgen um dich machen ... für dich da sind, dich von Herzen lieben und du Vollidiot gibst nicht mal ansatzweise auf dich acht ... du hättest da draußen sterben können ... aber das kümmert dich ja nicht ... genauso wenig wie meine Gefühle, du verdammtes Arschloch!“, fauchte der Gitarrist und sah zu ihrem Bandleader. „Ich gehe ...so kann ich nicht arbeiten ...“, verkündete er und noch bevor jemand etwas sagen konnte, war er aus dem Probenraum verschwunden. Kaoru hatte ihn kurz darauf heim gebracht und ihn angewiesen zu baden, zu essen und sich zu überlegen, wie er sich mit Daisuke versöhnen konnte. ~Flashback Ende~ ‚Was meinte er bloß? Ich ... mich kümmert es nicht ... wenn ich sterbe, dann sterbe ich halt ... mich hält hier ja nichts ... meine Welt besteht nur aus Schmerz ... und ... die anderen kümmern sich doch nur um mich, weil ich ihr Sänger bin ... sie brauchen nicht mich ... nur meine Stimme ... und wenn ich weg wäre, wäre es doch nicht so schlimm ... oder? Was meinte Daisuke bloß? Seine Gefühle? Was empfindet er denn für mich? ... ich dachte, wir wären Freunde ... oder Arbeitskollegen ... aber mehr ist da doch nicht, oder? Er hat doch nie was gesagt‘, überlegte Kyo und zog abermals an seiner Zigarette. Da er mit seinen Überlegungen nicht weiterkam, ging er ins Haus und zog sich sein Regenzeug über, steckte sein Handy und seinen Hausschlüssel ein und verließ trotz des noch immer tobenden Gewitters das Haus. Er konnte am besten Nachdenken, wenn er lief und das tat er. Seine Füße trugen ihn ganz automatisch durch die menschenleeren Straßen Tokyos. Keine Menschenseele wagte sich bei solch einem Sturm auf die Straße und Kyo war das nur recht. So rempelte ihn wenigstens niemand an und riss ihn aus seinen Gedanken. Er achtete nicht einmal darauf, wohin er ging und erst als er irgendwann stehen blieb, stellte er fest, dass er wirklich quer durch drei Stadtbezirke gelaufen war und nun vor Daisukes Haus stand. Da er selbst sich seine Fragen nicht beantworten konnte, musste er wohl den Verursacher ebendieser befragen. Er ging langsam auf die Tür zu und drückte auf die Klingel, wartete dann, bis er eine Bewegung hörte. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet und Daisuke blickte hinaus. „Was machst du denn hier? Und noch dazu bei dem Wetter... komm rein, aber schnell“, sagte er und zog Kyo in den Flur, scherte sich nicht darum, dass Kyo pladdernass war. „Ich ... ich muss dich wegen heute Morgen was fragen“, murmelte Kyo und blickte auf seine Füße. Dai schnaubte leise. „Und deswegen kommst du bei dem Wetter hierher? Kyo, es regnet seit Stunden in Strömen und gewittert und so wie es aussieht, bist du zu Fuß hier, oder?“, fragte er. Kyo nickte leicht. „Hai ... ich ... mein Auto ist in der Werkstatt ... und ich uhm ... ich konnte nicht warten ... ich ...“ „Naja wenigstens hast du diesmal Regenzeug an. Pell dich mal daraus und ich such dir eine Jogginghose und n Pulli raus. Wenn du umgezogen bist, dann reden wir“, sagte Daisuke. Der Sänger verstummte, als Daisuke ihn unterbrach und nickte einfach nur. Die Regenjacke war schnell ausgezogen und an den Jackenhaken neben Daisukes gehängt, die Regenhose und Stiefel folgten kurz darauf. Die Jogginghose, die er darunter trug, war feucht und er streifte sie ab, hielt sie in der Hand, als Daisuke mit einem flauschigen Handtuch und frischen Sachen zurück in den Flur kam. Der Gitarrist lächelte bei dem Anblick leicht und legte die Kleidung auf die Kommode im Flur, nahm dann das Handtuch und trocknete zunächst Kyos Haare, bevor er seine Beine ab frottierte und auf die trockenen Sachen deutete. „Ich setz rasch noch Tee auf. Setz dich ruhig schon mal an den Kamin.“ Brav nickte Kyo, zog sich die viel zu großen Sachen über und schlurfte dann ins Wohnzimmer, wo der Kamin brannte. Er zog einen von Dais Sitzsäcken näher an den Kamin und ließ sich hineinfallen, rollte sich darauf ein. Die Wärme machte ihn schon bald träge und er schloss seine Augen. Der weite Weg forderte seinen Tribut und Kyo driftete langsam in eine Traumwelt ab. Als Daisuke kurze Zeit später mit einer Kanne Tee und zwei Tassen auf einem Tablett ins Wohnzimmer kam, sah er Kyo eingekuschelt im Sitzsack schlafen. Er stellte den Tee aufs Stövchen und nahm eine warme Decke vom Sofa, legte sie über Kyo und setzte sich aufs Sofa, las weiter in seinem Buch. Er wusste aus Erfahrung, dass der Sänger meist nicht sehr lange schlief, bevor er von Albträumen geplagt aufwachte. Tatsächlich schlief Kyo vielleicht eine halbe bis dreiviertel Stunde, bevor er hochschreckte und sich mit geweiteten Augen umsah, versuchte zu erfassen, wo er sich befand. Daisuke, der gemerkt hatte, wie unruhig Kyo wurde, hockte schon neben dem Sitzsack und legte vorsichtig eine Hand an seine Schulter. „Alles gut, Kyo ... du bist in Sicherheit“, murmelte er leise. Es tat ihm weh, Kyo so zu sehen. Die Panik, die Kyo beim Aufwachen erfasst hatte, wich beim Klang der vertrauten Stimme langsam aus seinem Gesicht und seine kleine Hand legte sich auf Daisukes. Er blinzelte und schluckte schwer, sah Daisuke mit gesenktem Haupt durch seinen Pony an. „Gomen ... ich wollte nicht einschlafen“, sagte er leise. „Ist nicht schlimm, Kyo ... ich bin froh, dass du mir genug vertraust, um in meiner Gegenwart zu schlafen“, sagte Daisuke und streichelte Kyo kurz durchs Haar, stand dann aber aus der hockenden Haltung auf und streckte Kyo seine Hand entgegen. „Komm aufs Sofa ... da redet es sich besser“ Zögerlich legte Kyo seine Hand in Daisukes und ließ sich auf die Beine ziehen. Entgegen seiner Gewohnheit ließ er sie aber diesmal nicht los. Er folgte Dai zum Sofa und ließ sich neben ihm nieder, lehnte sich Schutz suchend an dessen Seite. „Was ist nur mit dir los, Kyo? Du verhältst dich in letzter Zeit so merkwürdig“, fragte Daisuke leise und legte seinen Arm um Kyos Schulter, um ihm etwas Halt zu geben. Kyo starrte für einen Moment mit leerem Blick in seinen eigenen Schoß. „Ich weiß es nicht, Daidai ... aber ... bist... bist du sehr böse mit mir?“, fragte er leise und seine Stimme klang so verdammt unsicher in seinen eigenen Ohren, dass er sich dafür hasste. Überrascht sah Daisuke ihn an. „Böse auf dich? Nein ... dafür hab ich dich viel zu gern ... aber Kyo, ich ertrage es nicht, dich so zu sehen und nichts tun zu können ... ich weiß, dass du nicht vernünftig isst und schlafen tust du selten länger als zwei, drei Stunden, wenn überhaupt ... das ist nicht gesund ... du machst dich kaputt ... dann deine Stunts auf der Bühne ... Nora wird dich wahrscheinlich jedes Mal Filzen, bevor du auf die Bühne darfst ... dich blutig und so am Boden zerstört zu sehen ...“, er verstummte und sah Kyo an, der ihn mit großen Augen ansah. „...du hast mich gern?“, fragte Kyo ihn erstaunt. Er konnte nicht fassen, dass jemand ihn mochte, obwohl er solch ein gebrochener Mensch war und mehr Probleme als gute Seiten hatte. Jetzt sah Daisuke ihn verwirrt an. „Natürlich habe ich dich gern, Kyo ... mehr als das sogar ... du bist mein bester Freund ... hast immer ein offenes Ohr für jeden von uns, aber bei deinen Problemen lässt du uns nicht helfen ... dabei wäre jeder in der Band bereit dazu ... wir wollen, dass es dir gut geht ... und das nicht nur körperlich ...“, sagte er und drehte sich ein wenig, legte eine Hand auf Kyos. „Deswegen kann ich ja auch nicht mitansehen, wie du dich selbst zu Grunde richtest ... das muss aufhören, Kyo ... es bricht mir das Herz“ Daisukes Worte trafen ihn mitten ins Herz und ein leises Schluchzen entwischte Kyos Lippen, bevor er es verhindern konnte. „Aber ich bin das doch gar nicht wert ... ich kann nichts außer singen und das nicht einmal besonders gut ... an mir ist nichts liebenswertes ... ich bin ein Knirps, süchtig nach Schmerz und in mir ist es so dunkel, dass ich nicht einmal mit nem Flutlichtscheinwerfer daraus finden würde ...“, brachte er nach einer Weile hervor. Daisuke schüttelte den Kopf. „Tooru ...“ Er biss sich kurz auf die Lippen, als ihm bewusst wurde, dass er Kyos verhassten Taufnamen benutzt hatte. „Du bist du ... deine Stimme beschert mir jedes Mal eine Gänsehaut, wenn du singst und deine Gefühle zum Ausdruck bringst. Das du so klein bist, dafür kannst du nichts ... aber ich finde es toll, denn das heißt, dass ich viel besser mit dir kuscheln kann und das Dunkel und den Schmerz ... dagegen können wir gemeinsam etwas tun ... wenn du mich lässt ... du bist für mich mehr Wert als alles Geld der Welt ... wenn du lächelst, dann ist es für mich, als würde die Sonne aufgehen. ... was ich sagen will, falls du es immer noch nicht begriffen hast ... du bist meine Welt, Tooru ... mein ein und alles ...“ Fassungslos starrte Kyo ihn einige lange Momente an, bevor er sich an Daisuke kuschelte, seine Worte akzeptierte und die angebotene Nähe wahrnahm. „Beschützt du mich?“, fragte Kyo. „Ich werde mein Bestes geben“, sagte Daisuke und zog die Decke über sie beide, legte beide Arme um Kyo und streichelte über seinen Rücken. „Genug geredet ... schlaf ein wenig ... du brauchst es“, murmelte er. Kyo kuschelte sich weiter ein und bettete seinen Kopf an Daisukes Brust, lauschte seinem Herzschlag und driftete langsam weg. Daisuke hielt ihn sanft in seinen Armen und war einfach nur glücklich, dass Kyo ihn aufgesucht hatte. Sein Blick richtete sich auf das warm flackernde Feuer in seinem Kamin und er verlor sich in seinen Gedanken, bis auch er irgendwann einschlief. Kyo wachte auf, als ein frecher Sonnenstrahl ihm ins Gesicht schien. Er rieb sich über die Augen und wollte sich aufsetzen, aber das ging nicht, weil jemand ihn festhielt. Ein wenig panisch sah er sich um und entspannte sich, als er entdeckte, dass es Daisuke war, der ihn so umfangen hielt. Langsam kam die Erinnerung an den Vorabend zurück kam. Ein klitzekleines Lächeln schlich sich auf Kyos Lippen, als ihm bewusst wurde, dass Daisuke ihm gesagt hatte, dass er ihn liebte. Nicht mit diesen Worten, aber das Endergebnis war dasselbe. Daisuke blinzelte, als Kyo sich in seinen Armen rührte und er wollte schon etwas sagen, als er die Panik in dessen Gesicht sah, aber dann entspannte der Sänger sich wieder und lächelte tatsächlich. „So möchte ich jeden Morgen aufwachen ... zu solch einem Anblick“, murmelte Daisuke. Seine Stimme war noch rau vom Schlaf, aber das störte ihn wenig. Kyo blickte zu ihm hinauf und er nickte leicht. „Und ich möchte jede Nacht so gut schlafen, wie in der letzten“, murmelte er und streichelte abwesend über Dais Brust. „Heute ist es nicht ganz so dunkel ...“, murmelte er dann, legte Dais Hand über sein Herz. „Weder hier noch da draußen ... danke dafür“ „Nicht dafür ... niemals dafür“, sagte der Rotschopf. „Aber ich bin froh, dass es so ist ...“ ~ ENDE~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)