Monster gibt es doch! von Phase ================================================================================ Kapitel 1: Monster gibt es doch! -------------------------------- Er hatte das Fenster gar nicht absichtlich kaputt gemacht, es war einfach im Weg gewesen. Gut, vielleicht hatte er sein Beyblade nicht so gut unter Kontrolle. Und vielleicht war es tatsächlich so gewesen, dass seine Mutter ihm schon mehrfach verboten hatte, im Haus zu beybladen. Aber das rechtfertigte doch noch lange keinen Hausarrest! Vor allem nicht die Art von Hausarrest, bei dem er nicht einmal die heimischen Sportplätze nutzen durfte. Nein, einfach stupides Herumsitzen in den eigenen vier Wänden. Wie er es hasste. Und so stromerte Johnny McGregor, sechs Jahre alt und seines Zeichens stolzer Schotte, nun schon den ganzen Tagen mit mürrischer Miene durch die Flure des McGregor-Anwesens, immer auf der Suche nach Ablenkung von seiner Langeweile. Irgendwann hatte er die Tür zum alten Speicher entdeckt und war, nachdem er sich kurz umgesehen hatte, hindurchgewischt. Im Gegensatz zum restlichen Haus seiner Familie, wirkte dieser Ort unbewohnt und vergessen. Die schweren Vorhänge vor dem Fenster tauchten den Raum in ein dunkles Licht, sodass er eine bedrohliche Aura erhielt. Johnny zögerte einen Moment und blickte sich genau um. Hinter den Stapeln an Kisten und den abgedeckten Möbeln wäre eindeutig genug Platz, dass sich ein Monster dahinter hätte verbergen können. Für einen kurzen Augenblick überlegte er, umzudrehen. Wenn da tatsächlich ein Ungeheuer lauerte... Aber er war kein Feigling! Er stammte aus einem Ritter-Geschlecht ab und Ritter hatten keine Angst vor Monstern in Schränken oder hinter alten, verstaubten Kisten. Zumindest erzählte ihm das sein Vater in den „Gute Nacht“-Geschichten immer - also musste es stimmen. Wagemutig, wenn auch bemüht kein Geräusch zu machen, setzte der junge Schotte einen Fuß nach vorne. Nichts geschah. Kein Untier stürzte sich auf ihn, kein dunkler Schatten baute sich vor ihm auf. Es schien alles in Ordnung zu sein. Erst jetzt bemerkte er, dass er die Luft angehalten hatte und stieß sie langsam wieder aus. Schritt für Schritt kämpfte er sich mit klopfendem Herzen nach vorne, bis er am ersten Kistenstapel angelangt war. Er konnte die Aufschriften der Kartons nicht genau entziffern, wenngleich er eigentlich schon alle Buchstaben gelernt hatte. Aber wer auch immer die Texte geschrieben hatte, schrieb verdammt undeutlich. „Jonathan.“ Erschrocken fuhr er herum, suchte den Raum ab – doch niemand war zu sehen. Niemand, der seinen Namen gesagt haben könnte. Am liebsten wäre er auf der Stelle aus dem Raum und zu seinen Eltern gerannt. Aber Ritter rannten nicht davon. „Jonathan.“ Diesmal hörte er genau hin, aus welcher Richtung die Stimme kam. Langsam trat er näher, hielt auf eine der Boxen zu. Vorsichtig schob er die Kiste darüber herunter und diese ging mit einem dumpfen Scheppern zu Boden. Interessiert musterte er den Karton vor sich. In undeutlicher Schrift, die er nur mit großer Anstrengung entziffern konnte, stand „Sir Richard McGregor“ darauf. Johnnys Augen wurden ganz groß vor Erstaunen, und mit zittrigen Händen wischte er den Staub etwas zur Seite. Sir Richard McGregor war sein Urgroßvater gewesen. Ein stolzer Ritter ihres Hauses, wenngleich er dazu gezwungen gewesen war, in einem großen Krieg zu kämpfen. Aber er war gesund nach Hause zurückgekehrt, was ein Wunder gewesen war. Sein Opa hatte ihm schon oft von ihm berichtet. Johnny zog die Kiste vorsichtig herunter und stellte sie auf den Boden. Sie war erstaunlich leicht. Vorsichtig klappte er den Deckel auseinander und betrachtete den Inhalt der Box. „Jonathan.“ Die Stimme machte ihn bald wahnsinnig. Aber sie war nun lauter geworden, was ihm die Sicherheit gab, dass er an der richtigen Stelle suchte. Was genau er sich zu finden erhoffte, wusste er nicht. Und so begann er damit, den Karton zu durchwühlen. Obenauf lag eine prächtige Uniform, die sich im Vergleich zu seiner Kleidung richtig klobig anfühlte. Darunter waren ein einzelner alter Schuh, den er ebenso erst einmal auslagerte, indem er ihn auf den Boden fallen ließ, und ein paar militärische Rangabzeichen und ein paar Briefe. Nichts wunderbar Exotisches oder Abenteuerliches. Enttäuscht verzog er das Gesicht und hockte sich mit verschränkten Armen hin. Es wäre ja auch zu schön gewesen. „Jonathan!“ Er zuckte zusammen und starrte auf den Schuh neben sich, von dem das Rufen gekommen war. Das bildete er sich doch nur ein, oder? Ein Schuh konnte nicht sprechen. Nie und nimmer. Oder doch? Vorsichtig streckte er seine Hand aus. „Ähm... Hallo, Mister Schuh?“, er griff danach und betrachtete ihn genau. Es war ein alter Soldatenschuh aus braunem Leder und mit einfacher Schnürung. Er wirkte abgetragen und wies deutlich sichtbare Schrammen auf. Doch es gab keine Reaktion. Sorgsam fuhr er mit dem Finger die einzelnen Nähte entlang und dachte angestrengt nach. Vielleicht... Er hatte einmal das Märchen von den Siebenmeilenstiefeln gehört. Die magischen Stiefel entfalteten ihre Zauberkraft nur dann, wenn man sie anzog! Und welche bessere Erklärung gab es dafür, dass nur ein Schuh in dem Karton gewesen war? Es musste ein verzauberter Schuh sein! Hastig öffnete er die Schnürung und schlüpfte geschickt in den Schuh hinein und- er ließ den Schuh fallen, der mit einem dumpfen Knall auf dem Boden aufkam. „Aua!“, jammerte er und Tränen schossen ihm in die Augen, die er eilig mit seinem Ärmel wegwischte. Irgendwas in dem Schuh hatte ihn gebissen! Er wich zurück und beäugte das Ding durchdringend, doch kein Tier kletterte heraus. Als auch nach längerer Zeit des Wartens nichts geschah, stieß er vorsichtig mit dem Fuß dagegen. Doch wieder rührte sich nichts. Mit zitternden Händen griff er nach dem Schuh, schüttelte ihn leicht. Irgendetwas war in dem Schuh, wenngleich es sich recht träge und klobig in seinen Bewegungen anfühlte. Johnnys Herz raste. Er nahm allen Mut zusammen und drehte die Öffnung des Schuhs nach unten. Ein spitzer Schrei entwich ihm, als etwas herausfiel und er machte einen großen Satz nach hinten, während er den Schuh wie eines seiner Kuscheltiere fest an sich presste. Doch, was auch immer das war, was herausgepurzelt war, es blieb ruhig auf dem Boden liegen. Noch eine ganze Weile hielt er die sichere Distanz zwischen ihm und dem unbekannten Etwas, ehe er den Schuh langsam sinken ließ und zögerlich näher kam. Das Ding war eine fein gearbeitete Figur aus Metall. Seine Angst war ganz vergessen, als er sich hinkniete und sie in die Hand nahm. Es schien eine Art Drachenkrieger mit spitzen Hörnern, scharfen Klauen und gefährlichem Kamm am Rücken zu sein. Exakt waren Schuppen und Augen des Tieres gearbeitet, das in seiner ganzen Haltung eine gewisse Bedrohung ausstrahlte. Aber nicht auf Johnny. Sorgsam fuhr er die Konturen mit seinen Fingern nach und bewunderte die wunderschöne Arbeit. Neugierig drehte er sie hin und her, suchte nach Hinweisen, woher sie stammte, oder was es mit der Figur genau auf sich hatte. War es ein Glücksbringer? Ein Erinnerungsstück? Er wusste nicht genau, was es war, aber diese Figur fühlte sich in seinen Händen einfach richtig an, als wäre sie ein Teil von ihm. Die beruhigende Wärme, die ihn plötzlich erfasste, legte sich wie ein warmer Schal um ihn. Johnny schloss für einen kurzen Augenblick die Augen, als ihn ein sanfter Schauer überkam. Als er sie wieder öffnete, erstrahlte das Metall in seiner Hand ganz hell und vor Schreck ließ er es fallen. Hastig krabbelte ein Stückchen davon weg und er riss seine Augen ob der riesigen Eidechse, die sich nun vor ihm aufbaute, erschrocken auf. Das Ungetüm war durchflutet von einem gelben Licht, das den ganzen Raum erhellte, und – was am schlimmsten war – es hatte ihn entdeckt. Sein Blick war stur auf ihn gerichtet und Johnny wagte es nicht, auch nur den kleinen Finger zu bewegen. Er durfte dieses Monster nicht reizen, nicht, dass es auf die Idee kam, ihn zu fressen. Es legte den Kopf schief, musterte ihn genau. Johnny fühlte sich wie die Beute eines übermächtigen Raubtieres. Und trotzdem war da etwas, das ihn beruhigte und das ihm Sicherheit gab. „Jonathan“, wieder diese Stimme, doch diesmal sehr weich und freundlich, „Ich warte schon eine ganze Weile darauf, dass du mich findest.“ Johnny glotzte das Untier vor sich an und eine Mischung aus blanker Angst und höchster Bewunderung lag auf seinem Gesicht. So furchterregend das Geschöpf war, so sehr zog es ihn beinahe magisch an. „Du brauchst keine Angst zu haben.“ Vorsichtig streckte er seine Hand aus, versuchte, es zu berühren. Es senkte seinen Kopf, legte ihn sanft auf die kleine Kinderhand. Zuneigung ging von dem Tier aus, eine Sanftmütigkeit, mit der er nicht gerechnet hatte. Ermutigt tätschelte er die ledrige Haut und ein Lächeln legte sich auf seine Lippen. „Ich bin Salamalyon, Schutzgeist deiner Familie. Ab heute will ich dafür sorgen, dass dir nichts geschieht.“ Die Gestalt löste sich langsam in das Leuchten auf, aus dem sie bestand und in einem feurigen Schweif fuhr es seinen ausgestreckten Arm entlang und suchte sich seinen Weg an seinem Körper herab, direkt in seine Hosentasche. Johnny blieb gerade noch genügend Zeit erschrocken aufzujapsen, ehe das Licht erloschen war und er wieder in der Dunkelheit des Dachbodens saß. Er tastete nach seiner Tasche, fühlte darin sein Beyblade, wie es ungewöhnlich zu pulsieren schien und er zog es hervor. Doch es hatte sich verändert. An der Stelle, an der ein einfacher Bitchip gewesen war, war nun das Bild des Salamanders zu sehen. Ein Bitbeast. Sein Bitbeast. Die Verbindung zwischen ihm und dem Wesen spürte er deutlich in seinem Inneren. Er lächelte. Seit diesem Moment wusste Johnny, dass es Monster tatsächlich gab. Und dass sie nicht böse waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)