Gegen die Schwerkraft von mickii-K ================================================================================ Kapitel 16: Gegen die Schwerkraft - Teil II ------------------------------------------- Mir war schrecklich kalt. Fühlte es sich so an tot zu sein? War ich endgültig von der Welt gegangen? Waren meine Liebsten glücklich? Wie viel Zeit war vergangen? In der Dunkelheit gefangen, fühlte ich nichts, außer der Kälte, die schleichend über den Boden kroch. Mein Tot war grausam gewesen. Ich konnte mich noch gut an die Schmerzen erinnern. An die Verletzungen, die sie mir zugefügt hatte. An das wunderschöne Monster, das freudig aufseufzte, als sie von meinem Blut kostete. Ich hatte mir das Jenseits definitiv anders vorgestellt, als diese gähnende, dunkle Leere, die mich umgab. In meiner Vorstellung war das Jenseits ein Ort ohne Gesetzte. Man konnte fliegen, unendlich tief tauchen, ohne dass einem die Ohren platzten, oder einfach nur auf einer Wolke liegen und sich vom Wind treiben lassen. Doch ich konnte nichts dergleichen. Ich fühlte mich schwer und die Schmerzen, die mir vor meinem Tod zugefügt worden waren, fühlte ich immer noch. Sie waren zwar deutlich schwächer, doch immer noch da. Ein monotones Piepsen erregte meine Aufmerksamkeit. Ich kannte dieses Geräusch. Ich kannte es zu gut! Allein der Gedanke wieder dort zu sein, ließ mich panisch werden. Vielleicht hätten sich andere Menschen darüber gefreut, und wären dem Piepsen gefolgt, um aus dieser Dunkelheit zu entfliehen. Doch ich wusste, was mich dort erwarten würde. Tränen und Schmerz. Ich wollte das nicht! Ich hatte doch Abschied genommen. Ich wollte nicht zurück in diese Welt, wo es tatsächlich Vampire gab. Unsterbliche. Blutsaugende, eiskalte, steinharte Monster. Hier in dieser Dunkelheit war ich in Sicherheit. Hier konnte mir keiner etwas anhaben! „Huyana, tu das nicht!“ Eine Stimme, die ich noch nie in meinem Leben gehört hatte, hallte in der Leere. Von wo kam diese Stimme? Was hatte es mit dieser auf sich? Plötzlich wurde die Dunkelheit von Farben ersetzt. Menschen formten sich vor mir. Ich sah in die entsetzten Augen meines Vaters. Das entsetzten wich und seine Schulter fingen an, zu beben. Er weinte und beugte sich über ein weißes Lacken. Ich sah, wie er sich über mich beugte und meine Stirn küsste. Ich sah, wie ich im Krankenbett lag und an etlichen Maschinen hang. Das Bild wurde ersetzt durch den aufgelösten Ausdruck von Nina. Sie hatte tiefe Augenringe und saß bei einer Glaswand. Dahinter war nur der Wald zu sehen. Ich kannte diese Aussicht nicht. In was für einem Krankenhaus war ich denn? Von wo kamen diese Bilder? Was hatte das alles zu bedeuten? Und ganz plötzlich trat er durch das Bild hindurch, welches sich in diesem Moment in Rauch auflöste. Embry. Embry, wie er weinte und meinen Namen murmelte. Embry, wie er an meinem Bett saß und meine verstümmelte, rechte Hand hielt. Embry, wie er mich ansah, als sei ein großer Teil von ihm gestorben. War ich es, die ihm Schmerzen zufügte? War es meine Schuld, dass alle am Boden zerstört waren? Nein, ich würde von dieser Welt gehen und dann könnten sie glücklich werden. Sie würden eine Zeit lang trauern, aber auch das überwand man mit der Zeit. So war es auch bei mir mit meiner Mutter gewesen. Die Seele heilte. Im Laufe des Lebens wuchs nämlich das Herz weiter und die anfangs noch großen Löcher, wurden kleiner und kleiner. Irgendwann würde das Loch, welches ich in ihre Herzen riss, klein sein. Nahezu unbedeutend. Denn andere Menschen würden kommen und sie würden diese in ihr Herz schließen. Wenn ich starb, würde alles gut werden. Langsam, aber entschlossen ging ich von dem Piepsen weg. Ich kehrte meinem verfluchten Leben den Rücken zu. Plötzlich veränderte sich alles. Ich hörte in der Ferne einen konstant, schrillen Ton und fühlte einen komischen Druck in meiner Brust. Es war ein unangenehmer Schmerz und für einen Moment rang ich mit dem Atem. Just in dem Moment, traf mich ein Stromschlag. Mein ganzer Körper zuckte zusammen. Das schrille Pfeifen wurde kurz unterbrochen. Erneut durchzuckte mich ein Stromschlag. Ohne mich wehren zu können, wurde ich von dem Pfeifen angezogen. Ich stemmte mich dagegen, doch als mich ein Licht blendete, kniff ich fest meine Augen zusammen und vernachlässigte meine Abwehr. Das Nächste, was ich wahrnahm, war ein helles Piepsen neben meinem Ohr. Ich blinzelte und erkannte eine weiße Decke. „Ana!“, schrie jemand. „Ana nein!“ Ich erkannte die Stimme meines Vaters. „Sie ist über den Berg“, sagte jemand. Seine Stimme war wunderschön. Ich erschauderte, denn sie erinnerte mich an das Monster. „Alles wird gut, Miss Doli.“ Zwei goldene Paar Augen tauchten in meinem Blickfeld auf. Beide Männer waren viel zu schön, um von dieser Welt zu sein. Sie waren viel zu bleich. Das Piepsen von dem Gerät neben mir, wurde schneller, hektischer. „Wir tun dir nichts“, freundlich lächelte mich der bronzehaarige Junge an. Ich erkannte seine Stimme! Es war die, die mich aus der Dunkelheit holen wollte. „Miss Doli. Beruhigen Sie sich. Ihre Familie ist bei Ihnen. Es passiert Ihnen gewiss Nichts!“, redete ein blonder Mann auf mich ein und strich mir über meinen linken Arm. Ich zuckte unter seinen kalten Händen zusammen und wimmerte, als das Bild von der Frau vor meinen Augen auftauchte. Sofort nahm er seine Hand weg und räusperte sich. „Ihre Familie wartet auf Sie“, mit diesen Worten verschwand das Gesicht, des blonden Mannes und ich hörte seine Schritte. „Sie lieben dich sehr“, meinte der Junge und folgte dem anderen. „Sie ist wach. Ihr geht es gut Mr. Doli“ „Danke. Vielen, vielen Dank!“, hörte ich die verweinte Stimme meines Vaters. „Renesmee, komm. Danke für deine Hilfe“, erneut drang die Stimme vom bronzehaarigen Jungen zu mir. Ich erschauderte. Sie waren definitiv nicht von dieser Welt. Ob sie genau wie sie waren? „Ana, Spatz!“ Mein Vater setzte sich auf einen der Stühle zu meiner Linken und drückte meine Hand. Schweigend schielte ich zu ihm. Er sah müde aus. Seine Augen spiegelten die Verzweiflung, die ihn packte, als ich nicht antwortete. Ich war erneut in einem Krankenhaus. Erneut hohe Rechnungen, die er bekommen würde. Alles nur wegen mir. Warum nur quälte mich mein Leben so? Warum wurde ich nicht von all dem erlöst? Warum konnte ich nicht verschwinden und meinem Vater ein besseres Leben ohne mich ermöglichen? „Nicht weinen Ana. Alles ist jetzt gut!“, murmelte mein Vater tröstend und strich die Träne, die sich aus meinem Auge stahl, mit dem Daumen weg. Nichts war gut! Ich lebte! Wegen mir litten sie alle. Wegen mir konnten sie nicht lachen. Ich lebte, verdammt! Was wenn sie wiederkommen würde? Wenn sie meine Liebsten angriff? Wie war ich überhaupt hier hergekommen? Wo war ich? Das hier war nicht das Krankenhaus von Forks und auch nicht das von Port Angeles, die ich von meinen früheren Aufenthalten kannte. Mein Vater schien meine Fragen erahnen zu können, denn er lächelte mich aufmunternd an. „Du bist hier in einer kleinen Privatpraxis. Embry hat dich hier hergebracht, da der Arzt ein sehr guter Freund von ihm ist. Ein sehr guter Arzt!“, erklärte er mir. Entsetzten breitete sich in mir aus. Embry – Er hatte mich gefunden? Aber wie? Und wie viel wusste mein Vater? Der Schock wich und feurige Wut breitete sich in mir aus. Embry war schuld! Warum konnte er mich nicht einfach sterben lassen? Warum tat er das? Nun waren sie alle in Gefahr! „Spatz. Beruhig dich. Du bist hier in Sicherheit, niemand wird dich hier noch überfallen. Embry hat erzählt, dass er zwei Männer hat flüchten gesehen, als er dich fand. Gott um ein Haar …“, seine Stimme versagte und er erschauderte. Fassungslos sah ich ihn an. Hatte mich das Monster so in der Stadt abgelegt, dass es wie ein Überfall aussah? Deswegen hatte mich Embry also ausfindig machen können! Ich erschauderte bei dem Gedanken, dass er sie hätte treffen können. Doch von welchen Männern sprach Embry? Ich verstand kein Wort von dem, was mein Vater mir sagte. Viel wichtiger war, was mit der Frau geschehen war? Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass sie von meinem Überleben wusste? Sehr hoch bei meinem bezaubernden Schicksal, das mich hasste. Ein Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken. Ich schielte zu Tür, welche sich einen kleinen Spalt weit öffnete. „Kann ich sie sehen?“, Embrys Stimme ließ mich erschaudern. Nein! Ich wollte ihn nicht sehen! Er sollte sich von mir fernhalten. Er sollte ohne mich glücklich werden. Ich war kein guter Umgang für ihn und fügte ihm nur Leid zu. Von dem Monster, das mich eventuell verfolgen konnte, gar nicht zu reden! Ich würde es mir nie verzeihen, wenn ihm etwas passieren würde. Mein Vater jedoch lächelte ihn glücklich an und nickte. Er schien Embry zu mögen. Vermutlich war er ihm auch unendlich dankbar. „Ich lass euch alleine“, murmelte er und ging. Nein! Bitte nicht! „Hey“, schwach lächelte er mich an, und setzte sich auf den Stuhl wo vorhin mein Vater gesessen hatte. „Ich … Ich dachte mir, du wärst vielleicht durstig“, er hob einen Becher mit Strohhalm hoch. Jetzt, wo er es erwähnte, spürte ich das trockene Brennen in meinem Hals. Doch ich sagte nichts und starrte ihn nur an. Sein Haar wirkte fettig und zerzaust. Seine rostbraune Hautfarbe hatte einen ungesunden Ton angenommen und unter seinen wunderschönen Augen zeichneten sich tiefe, dunkle Augenringe. Er sah so erschöpft aus. Hatte er überhaupt geschlafen, als ich bewusstlos war? Wie lange war das überhaupt her? Mein Herz schlug schmerzhaft gegen die Brust. Ich wollte nicht, dass er hier war. Ich hatte ihn doch verletzt. Ich tat ihm nicht gut. Embry hatte etwas Besseres verdient. Ich presste meine Lippen zusammen und sah wieder hoch zur Decke. Es zerriss mich innerlich, doch ich konnte seinen Kummer nicht ertragen. Ich hatte seine Aufmerksamkeit nicht verdient. Warum hatte er mich nicht einfach sterben lassen können? Warum hasste er mich nicht? „Huyana. Bitte tu das nicht“, flehte er. Anscheinend wusste er, was ich dachte. War ich für ihn ein offenes Buch? Es spielte keine Rolle. Er nahm meine Hand in seine. Ich spürte die unnatürliche Hitze, die von ihm ausging und zuckte zusammen. Warum nur wandte er sich nicht von mir ab? War er ein krankhafter Masochist? Es war doch offensichtlich, dass ich ihm nicht guttat. Mit aller Kraft, die ich aufbringen konnte, entzog ich meine Hand. „Huya …“, seine Stimme brach ab. „Huyana. Bitte. Ich … ich weiß, dass du mich hasst! Ich weiß, ich war ein Idiot als Kind und … das ich dich in Stich gelassen hatte … Bitte Ana. Bitte schieb mich nicht von dir ab … Bitte“, wimmerte er verzweifelt. Er wusste also, wer ich war. Hatte er von Anfang an eine Ahnung gehabt? Es konnte mir auch egal sein, denn es hatte keine Bedeutung mehr. „Ana bitte hass mich nicht“, flüsterte er und stand auf. Er beugte sich über mich, sodass ich in seine Augen sah. Seine Mimik war schmerzverzerrt, genau wie an jenem Tag. Eine Träne stahl sich aus seinem Auge und fiel auf meine Wange. Die Schuld zerdrückte mich. Ich war es, die ihm das Leid antat. Doch ich würde ihm nicht helfen können. Mein Leben war verflucht und jeder der ein Teil davon war, war unglücklich. Ich musste von ihm loslassen, auch wenn ich mich ihm am liebsten in die Arme geworfen hätte. Er war ein wundervoller Mensch. So liebenswürdig. So nett. Einfach nur Embry. Doch er konnte an meiner Seite nicht glücklich werden. Ich wollte ihn lachen sehen, so wie einst. Meine Unterlippe fing an zu zittern, und meine Augen fingen an zu brennen. Wenn man nicht gut genug für jemanden war, musste man ihn gehen lassen. Ich war nicht egoistisch genug, um ihm sein Leben zu zerstören. „Embry“, ich zuckte zusammen, als ich meine kratzige Stimme hörte. Er biss sich auf die Lippen und starrte mich verzweifelt an. „Embry … bitte“, mein trockener Hals kratzte, weshalb ich husten musste. „Alles Ana. Ich werde alles für dich tun“, murmelte er während er mir den Becher reichte und vorsichtig den Strohhalm zwischen meine aufgerissenen Lippen steckte. Ich saugte gierig daran, und genoss das Gefühl, als die Flüssigkeit meinen trockenen Hals benetzte. Als er den Becher abstellte und mich erwartungsvoll ansah, wünschte ich mir, dass sich im Boden ein Loch auftat. Ich verdiente ihn nicht. Niemals. „Embry …“, ich sah ihn kurz an, wandte aber meinen Blick wieder zur Decke, unfähig ihm dabei ins Gesicht zu sehen. Doch erneut beugte er sich über mich und sah zu mir runter. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals runter. Vergeblich. Ich hatte das Gefühl zu ersticken. „Embry … bitte geh“, flüsterte ich. Es war nur ein Hauch und ich selbst konnte es nicht hören. Embry jedoch weitete seine Augen voller Entsetzten und schüttelte den Kopf. „Nein … Ana … nein!“, seine Stimme triefte vor Schmerz. Mein Herz zerbrach, als ich die Trauer in seinen Augen erkannte. Es war doch zu seinem Besten. Irgendwann würde er es verstehen. „Verschwinde … Embry“, presste ich irgendwie heraus. Etwas in meinem Inneren wehrte sich dagegen, doch ich ignorierte es. Embrys Wohl stand über meinem. Tränen bahnten sich über sein Gesicht, verweilten einen Moment am Kinn und fielen dann auf meine Wange. „Ich … Ana … Huyana … Bitte … ich kann das nicht!“, murmelte er. Er schluchzte und vergrub sein Gesicht in mein Kissen. Ich spürte seine Hitze an meiner Schulter. Seine Wärme, die meinen Körper jubeln ließ. „Huyana bitte!“, seine Stimme wurde von meinem Kissen gedämpft. Ich schüttelte meinen Kopf leicht. Warum nur machte er mir diesen Abschied so schwer? Bebend sog ich die Luft ein. Warum forderte er von mir, dass ich zu einem noch größeren Monster wurde, als ich es schon war? „Embry … Ich will dich nicht sehen! Geh!“, meinte ich mit all der Überzeugung, die ich aufbringen konnte. Er erstarrte. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Irgendetwas an ihm löste in meinem Körper eine Welle aus Angst aus. Ich fürchtete, dass er mir weh tun könnte. Er hob seinen Kopf und sah mich an. Ich wünschte, dass es ein hasserfüllter Blick war oder einer mit Verachtung. Doch in seinen Augen war nichts zu erkennen. Glanzlos starrten sie mich an. Sahen durch mich hindurch. Sie waren leer, als hätte ich ihm gerade seine Seele rausgerissen und ein dunkles Loch hinterlassen. Er richtete sich schweigend auf und taumelte zur Tür. Ich setzte mich leicht auf, um ihm nach zu sehen. Mein Inneres schrie. Mein Herz stritt mit meinem Verstand. Beschimpfte es. Verachtete es. Als er bei der Tür ankam, sah er mich noch ein letztes Mal an. Sein leerer Blick bescherte mir eine Gänsehaut. Ich wollte ihm noch sagen, wie sehr es mir leidtat, und dass es nur zu seinem Besten war. Doch ich konnte nicht. Ich starrte ihn einfach wortlos an und sah zu, wie er aus meinem Leben verschwand. Als er die Tür hinter sich schloss, presste ich die Hände auf den Mund und unterdrückte einen Schrei. Ich hatte das Gefühl, dass meine Seele verdorrte. Sie starb mit jedem weiteren Schritt, den sich Embry entfernte. Doch mein Leben war nicht von belangen. Er sollte glücklich werden! Leb wohl, Embry ... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)