Gegen die Schwerkraft von mickii-K ================================================================================ Kapitel 11: ------------ Ich glaubte nicht an Monster oder an die Märchen, die man uns früher erzählt hatte. Ich war davon überzeugt gewesen, dass sie nur dazu dienten, um uns Kinder abzuschrecken. Wesen, die nur in Horror oder Fantasy Filmen vorkamen, gab es in Wirklichkeit nicht. Zumindest war ich davon überzeugt gewesen. Jeder, der mir hätte weismachen wollen, dass es Vampire und andere Monster gab, den hätte ich sofort für verrückt erklärt. Doch das Leben sorgte immer für Überraschungen und mein Schicksal war sehr darauf bemüht, dass ich niemals mit einer Angenehmen konfrontiert wurde. Denn gerade als ich zum Laufen ansetzten wollte, trat das schönste Wesen, das ich je in meinem Leben gesehen habe, aus einer Gasse heraus. „Meine Süße, warum bist du so traurig?“ Ihre Stimme war wunderschön. Ich hatte noch nie eine Stimme gehört, die so verführerisch klang, wie ihre. Die Frau war außergewöhnlich groß und hatte einen Körper eines Top-Models. Sie war schlank, besaß aber Kurven, die jedem Mann den Kopf verdrehen würden. Ihre Haare waren lang und schwarz, wie die meinen, doch ihre wellten sich leicht in den Spitzen. Sie hatte ein schmales Gesicht und eine dazu passende gerade Nase. Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem schiefen Lächeln. Sie sah tatsächlich aus, als wäre sie aus einem Modemagazin herausgesprungen. Und wie sie aus der Gasse mit großen Schritten hervortrat. Ihre Bewegungen waren nahezu flüssig. Auf mich wirkten sie jedoch, wie das Heranpirschen eine Raubkatze. Taumelnd ging ich einen Schritt zurück, als ich ihr in die Augen sah. Ihre roten Augen fixierten mich und ich konnte das pure Entzücken in ihnen erkennen. Das war nicht möglich. Niemand hatte rote Augen. Erneut kicherte sie belustigt. Diese Frau war mir nicht geheuer. Sie machte mir unheimliche Angst. Noch bevor mein Gehirn überhaupt die Signale zum Wegrennen aussenden konnte, stand sie vor mir. Ich wollte erschrocken aufschreien, doch ihre Hand packte mich am Hals und drückte fest zu. Sie war unfassbar schnell! „Man sagt ja normalerweise, dass man nicht mit dem Essen spielen sollte. Aber findest du das nicht auch langweilig? Ich meine … ich könnte dir sofort das Genick brechen, doch es wäre nicht genug. Ich möchte deinen panischen Herzschlag hören. Mich um Gnade betteln sehen. Es gibt nichts Besseres, als wenn Adrenalin durch einen Körper strömt. Das verstärkt noch den Geschmack. Oh mir rinnt das Wasser schon im Mund zusammen“, sie lachte, als hätte sie den Witz des Jahrhunderts gerade erzählt. Ich fand ihn nicht komisch. Gar nichts an der Situation fand ich amüsant. Warum hatte ich diesen Wunsch nur so unachtsam ausgesprochen? Verdiente ich es wirklich zu sterben, dass Gott sofort meinen blöden Worten nachkommen musste? Langsam, als wollte sie mich nicht verschrecken, nahm eine Haarsträhne und roch genüsslich daran. Was war sie? Wollte sie mich tatsächlich verspeisen? War sie eine verrückte Kannibalin mit roten Kontaktlinsen, um die Dramatik dieser Situation zu unterstreichen? Sie zwirbelte mein Haar um ihren Zeigefinger und zog leicht daran. „Also, wie wär’s mit einem Spielchen?“ Ich starrte, wie hypnotisiert, in ihre roten Augen, die langsam dunkler wurden. Ich erschauderte. Nein, das konnten keine Kontaktlinsen sein. Mein Herzschlag geriet ins Stolpern, ehe es zu einem Sprint ansetzte. Sie konnte kein Mensch sein. Ich würde durch diese Frau sterben, dessen wurde ich mir bewusst. „Ja! Das ist die Reaktion, die du haben solltest. Habe Angst. Kämpfe. Schreie. Amüsiere mich, vielleicht lasse ich dich dann am Leben“, flüsterte sie mir ins Ohr. Ihr unnatürlicher, kalter Atem streifte meinen Hals und ließ mich erneut erschaudern. Sie war so merkwürdig kalt. Ich packte sie an ihrem Arm, als sie mich plötzlich von sich hochhielt. Meine Beine taumelten, auf der Suche nach halt, in der Luft herum. Ich drohte zu ersticken. Verzweifelt versuchte ich meine Fingernägel in ihre bleiche Haut zu bohren, damit sie mich losließ, doch es war vergebens. Ihre Haut war fest, und gab nicht nach. „Was … bist … du?“, presste ich hervor. Ich wollte wenigstens wissen, durch was ich sterben würde. Sie lachte entzückt. „Dein schlimmster Albtraum würde ich meinen!“ Sie war nicht mein schlimmster Albtraum. Dem war ich heute schon begegnet. Mein schlimmster Albtraum war es, Embry zu verletzten. Ich hatte selbst nicht gewusst, dass es mich so belasten würde, und wenn ich es mir ausgemalt hätte, dann wäre es eine glatte Untertreibung gewesen. Er hatte mich angesehen, als hätte ich ihm das Herz herausgerissen und darauf noch herum getrampelt. Es tat so unsagbar weh. Mehr, als diese Frau mir je an Schmerzen zufügen könnte. Ohne jegliche Vorwarnung ließ die Frau mich los und ich fiel zu Boden. Nach Atem ringend kniete ich auf dem Asphalt und versuchte den Schmerz, der von der harten Landung kam, an meinen Schienbeinen zu ignorieren. Ich musste schleunigst weg von hier. Sie würde mich umbringen so viel stand fest. Vorsichtig schielte ich zu ihr. Sie hatte selbstfällig ihre Arme vor die Brust verschränkt und beobachtete mich. Ihr Blick erinnerte mich an den einer Katze, die gelangweilt mit einer Maus spielte. Mein Körper schien die Gefahr, die von ihr ausging zu spüren, denn mein Verstand überschlug sich, während ich meine Fluchtmöglichkeiten abwog. „Wegrennen ist zwecklos Süße“, grinste sie. Ich sah kurz über die Schulter. Auf der anderen Seite der Gasse schien die Straße, belebter zu sein. Wenn ich es nur schaffen könnte, dort in die Nähe zu kommen, würde ich vielleicht jemanden auf mich aufmerksam machen können. Ich schätzte die Entfernung auf ungefähr zwanzig Meter. Im Sprint war ich nie gut gewesen, aber es war meine einzige Chance. „Ich … weiß“, nickte ich leicht. Just in dem Moment zog donnernd ein schwerer Laster an uns vorbei, weshalb sie dem Fahrer einen abfälligen Blick zu warf und mich kurz aus den Augen ließ. Das war meine Fluchtmöglichkeit! Ich setzte zum Laufen an, doch bevor ich auch nur einen Meter weit kam, spürte ich einen stechenden Schmerz in meinem Rücken und die unmenschliche Kraft, die mich nach vorne schleuderte. So schnell ich konnte, hob ich schützend meine Hände über den Kopf, ehe ich gegen die Wand prallte und zu Boden rutschte. Mir wurde schwindelig, und alles verschwamm vor meinen Augen. Ihr belustigtes Lachen drang zu mir hindurch. Doch es hörte sich so fern an. Ich wusste, dass ich von hier weg musste. Das Klacken ihrer Stöckelschuhe hallte gegen die Wände und ging in einem Echo unter. Ich sah zu ihr und kniff meine Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, da ich sie doppelt sah. Meine Schläfe pochte schmerzhaft im Takt meines Herzschlages. „Das war ein böser Tritt, ich weiß … Aber stell dich nächstes Mal geschickter an, sonst wird das hier langweilig.“ Ihre Stimme triefte vor Belustigung. Tränen stiegen mir in die Augen, es war hoffnungslos. Ich würde es nicht schaffen, das wusste sie genauso gut, wie ich. Diese Hoffnungslosigkeit – dieses Gefühl, es war mir nicht fremd. Erneut flackerten Bilder vor meinen Augen auf. Sie waren verschwommen und wirkten genauso unecht und surreal, wie diese Person vor mir. Meine Kopfschmerzen wurden immer stärker. Diese Erinnerungen, warum kamen sie nun so plötzlich? Was hatte das zu bedeuten? Ich griff mir wimmernd auf den Kopf und verharrte, als ich etwas Feuchtes ertastete. Ein Knurren von meiner Peinigerin ließ mich erschrocken zu ihr blicken. Ihre Augen hatten sich verdunkelt und waren fast so schwarz, wie meine. Sie blähte ihre Nasenflügel auf und sog die Luft ein. In nur wenigen Millisekunden, zu schnell um es mit meinen Augen erfassen zu können, packte sie mich am Hals und zog mich hoch. Ich stöhnte auf, denn der Schmerz, der von meinem wunden Hals ausging, war unerträglich. „Du … riechst so … unverschämt gut“, ihre Worte kamen gepresst und sie wirkte, als müsste sie sich zusammenreißen, um nicht jeden Moment über mich herzufallen. Ich erschauderte bei dem Gedanken. Nahezu ehrfürchtig nahm sie meine blutige Haarsträhne und zwirbelte sie erneut um ihren Zeigefinger. Hypnotisiert starrte sie das Blut an, welches sich langsam ihren Finger hinunter tropfte. Perplex beobachtete ich, wie sie den Tropfen ableckte und die Augen genussvoll verdrehte. „So köstlich“, schnurrte sie vergnügt. Es war, als wäre sie förmlich in Ekstase. Sie schien zu erschaudern. „Einfach vorzüglich. Ich muss regelrecht ankämpfen, damit ich nicht sofort über dich herfalle Schätzchen“, sie lächelte mich schief an. Plötzlich verengte sie den Griff um meinen Hals und kleine Punkte fingen an vor meinen Augen zu tänzelnd. „Wie wäre es, wenn wir in den Wald verschwinden und noch ein bisschen Spaß haben?? Wir müssen so etwas feiern. Es kommt etwa alle hundert Jahre vor, dass mir jemand, wie du es bist, begegnet“, verkündete sie, als wäre es etwas Wundervolles. Ich versuchte, ihre Worte zu verarbeiten. Hatte sie gerade allen Ernstes gesagt, dass es nur alle hundert Jahre vorkam? Was hatte das zu bedeuten? War sie unsterblich? Gab es so etwas wie Unsterblichkeit auf dieser Welt? Ein schrilles Klingeln durchbrach die Stille. Es war der schreckliche Klingelton meines Handys. Die fröhliche Melodie, die in der engen Gasse gegen die hohen Wände hallte, passte ganz und gar nicht zu dieser Situation. Wäre dies ein blöder Horrorfilm gewesen, hätte ich über diese Situation geschmunzelt. Doch es war die bittere Realität. Dem Monster schien aber die groteske Situation zu gefallen. Ohne zu fragen, zog sie es aus meiner Hosentasche. "Nina?", fragend sah sie zu mir. Gott nein! Nina durfte bloß Nichts geschehen, dass würde ich mir nie verzeihen. Ich würde nicht in Frieden ruhen können, und das war das Einzige, auf was ich noch hoffen konnte. Ihr schien mein panischer Blick zu gefallen, denn sie grinste mich vergnügt an. Mit all meiner Kraft versuchte ich ihr das Handy aus der Hand zu reißen, und es vorher noch zu zerstören. Doch es war unmöglich mich auch nur einen Millimeter aus ihrem Griff zu winden. Sie kicherte und drückte auf die Lautsprechtaste, als sie abhob. "Ana? Ana, wo bist du? Bist du bei der großen Kreuzung nach rechts gelaufen? Gott Ana komm bitte wieder zurück!", hörte ich Ninas panische Stimme, die vom Lautsprecher verzerrt wurde. Ich schloss meine Augen, als der Schmerz in meinem Herzen schwerer wurde. "Ana?", piepste sie. Nina hatte offensichtlich Angst um mich. Tränen stiegen mir in die Augen. Es tat mir alles so unglaublich leid. Wenn ich doch bei dem Unfall damals gestorben wäre, dann würde ich sie nicht in diese Gefahr bringen. "Sag ihr, dass sie herkommen soll", flüsterte mir die Frau ins Ohr. Ich biss mir auf die Zunge, bevor ich ihr noch eine unüberlegte Beleidigung an den Kopf werfen würde. Ihr Griff um meinen Hals wurde locker, sodass ich wieder ein wenig Luft bekam. "Nina … Nina lauf weg. Nina komm mich nicht such ...", rief ich panisch und ignorierte den Schmerz, der von meinem Kehlkopf ausging. Der Griff wurde wieder fester und meine Stimme versagte. Ich wimmerte leise. "Ana? Ana ist etwas passiert?", ihr hörte, wie ihre Stimme panischer wurde. "Es … tut … mir leid … Nina", presste ich die Worte mit meiner letzten Kraft heraus. Ich hoffte, dass sie mich hören konnte. Die Frau vor mir zog überrascht ihre Augenbrauen in die Höhe und grinste belustigt. "Ana … Ana mach keinen Blödsinn! … Embry ist …" Grinsend zerquetschte die Frau mein Handy in ihrer Hand und ließ es achtlos zu Boden fallen. Was war mit Embry? Er würde doch nicht nach mir suchen? Ich wollte nicht, dass er sich wegen mir unnötig in Gefahr begab. Ich hatte sein Leben schon zu genüge zerstört. "Was für ein Drama! Wie in einem schlechten Film", sie lachte, "Da ich heute in feierlauen bin, lass ich deine geliebte Freundin in Ruhe. Ich weiß, ich bin nett! Aber wir haben schon genug Zeit vergeudet Schätzchen.", sie lächelte mich an. Erneut drückte sie fester meinen Hals und ich spürte, wie sich mein Kehlkopf gegen die Luftröhre presste. Die schwarzen Punkte, die vor meinen Augen tänzelten, wurden allmählich größer. Ich verlor langsam mein Bewusstsein. Ein erstickender Laut entwich mir. Es war der letzte Versuch meiner Lungen nach Luft zu schnappen. Ich würde bald sterben. Kurz bevor alles schwarz wurde, sah ich Embrys Gesicht, seine Mimik von Trauer und Enttäuschung verzogen. Es tut mir so leid Embry. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)