Gegen die Schwerkraft von mickii-K ================================================================================ Kapitel 8: ----------- Embry – Donnerstag 21:34 Der Kuchen ist der Hammer! Danke dir nochmals :) Embry – Donnerstag 22:58 Du schläfst wahrscheinlich schon, trotzdem wünsche ich dir eine Gute Nacht :) Embry – Freitag 07:56 Guten Morgen :) Wie geht’s? Heute ist dein freier Tag, nicht? Hast du Zeit, dass wir uns sehen? Embry – Freitag 12:21 Scheinst beschäftigt zu sein. Ich bin total ausgelaugt. ^^ Wir müssen heute noch ein altes Auto in Schuss bringen. Ein Ding der Unmöglichkeit, dass sag ich dir. ^^ Embry – Freitag 16:15 Hey, ist alles in Ordnung bei dir? Ich bin fertig mit der Arbeit. Hab die alte Schüssel zum Laufen gebracht! :) Embry – Freitag 17:23 Bin gerade im Kaffee. Nina meint, du hättest dir eine Erkältung eingefangen. Ich hoffe, es ist nicht schlimm. Embry – Freitag 18:43 Ich hab Nina gerade eine Kräutermischung mitgegeben. Meine Mutter macht sie. Du sollst dir damit einen Tee kochen. Sie meint, damit sei man ganz schnell wieder auf den Beinen! Ich hoffe, dass es dir schmeckt ^^ Embry – Freitag 20:19 Hey. Das klingt zwar total bescheuert, aber hab ich was falsch gemacht? Du meldest dich schon seit gestern nicht mehr! :( Embry – Freitag 21:47 ANA? Embry – Freitag 22:01 Soll ich dich in Ruhe lassen? Embry – Freitag 22:02 Ignorier bitte die letzte Frage! Embry – Freitag 22:22 Ana … kannst du mir wenigstens sagen, was los ist? Du warst gestern auch schon so komisch! Hat es etwas damit zu tun, dass ich aus La Push komme? Embry – Samstag 10:02 Guten Morgen Ana :) Geht’s dir schon besser? Ich hab heute nichts vor, also wenn du möchtest, kann ich dich am Nachmittag besuchen kommen. Embry – Samstag 10:35 Schläfst du noch? Ich sah zur Uhr auf meinem Handydisplay. Es war kurz vor Mittag. Ein lautloses Schnaufen entwich mir, als ich mich im Bett aufrichtete und aus dem Fenster sah. Der Himmel war in einem hellgrauen Ton und nahm dem Wald vor meinem Fenster das wunderschöne Grün. Er wirkte matt und öde, als würde man ihm all sein Leben entziehen. Genau wie bei mir. Jede einzelne Nachricht von Embry war ein weiterer Stich ins Herz. Denn obwohl ich einen guten Grund hatte, ihm aus dem Weg zu gehen, fühlte ich mich so verdammt schuldig. Warum ließ er mich nicht einfach in Ruhe? Warum konnte ich es ihm nicht einfach sagen, dass ich nichts mehr von ihm hören wollte? Warum wollte mein Herz seine Nachrichten lesen, wo doch mein Verstand sich dagegen wehrte? War ich zu einem Masochisten geworden? Ich legte wieder mich müde ins Bett zurück. Mir wurde das alles langsam aber sicher zu viel. Seit gestern hatte ich nicht geschlafen, und die ganze Zeit gegrübelt, was ich am besten machen sollte. Eine Lösung hatte ich immer noch nicht. Vater hatte gemeint, dass er sich in meine Entscheidung nicht einmischen würde. Er würde nachvollziehen können, dass ich den La Push Einwohnern aus dem Weg gehen wollte. Doch er bezweifelte stark, dass Embry mir etwas Böses wollte. Kein Mann der Welt würde sich freiwillig mit den Eltern seiner Freundin treffen und Embry wäre wahrscheinlich heute gerne vorbeigekommen. Ich sah Dad vor mir, wie er mich anlächelte. "Huyana, jeder Mensch verdient eine zweite Chance. Nur weil er dich einmal verletzt hat … und das auch noch als Kind … bedeutet das nicht gleich, dass er es wieder machen würde." In seinen Worten schwang seine unausgesprochene Hoffnung auf eine zweite Chance. Eine Chance, in der er ein normales Leben mit mir führen könnte. Insgeheim hoffte ich wirklich, dass mein Vater Recht hatte. Aber warum sonst, sollte Embry mir so viel Aufmerksamkeit schenken? Ich nahm mein Handy und scrollte den Nachrichtenverlauf wieder zum Beginn. Die Nachrichten von mir waren schrecklich kurz. Ob er sich mit seinen Freunden darüber lustig gemacht hatte? Ich wusste es nicht, aber möglich war es. Zum gefühlten hundertsten Mal fing ich an, den Nachrichtenverlauf zu lesen. Embry – Montag 20:33 Hallo Ana :) Ich – Montag 20:45 Hi! Embry – Montag 20:46 Was machst du gerade? Ich – Montag 21:04 Lernen. Embry – Montag 21:05 Jetzt noch? Du bist wirklich unglaublich! Meine Mutter ist mir immer nachgerannt, damit ich ja meine Hausübung machte. Sie hat mir sogar damit gedroht, nichts mehr für mich zu kochen. Kannst du dir das vorstellen? ^^ Aber gut, jetzt mache ich eine Ausbildung zum Automechaniker. Das macht mir wenigstens Spaß. Mein bester Freund Jacob und ich, haben nämlich schon von klein auf an Autos und Motorrädern geschraubt. Ich würde sagen, ich hab mir meinen Traum erfüllt ;) Hast du so etwas, wie einen Traumberuf? Ich – Montag 21:28 Früher einmal Embry – Montag 21:29 Und was? Warum jetzt nicht mehr? Ich – 21:40 Kindergärtnerin. Ich bin mir nicht mehr sicher Embry – Montag 21:41 Wie süß. Kindergärtnerin. ^^ Was möchtest du jetzt nach der High School machen? Ich – Montag 22:02 Studieren. Ich muss schlafen. Gute Nacht. Embry – Montag 22:03 Gute Nacht! Träum was Schönes :) Tränen stiegen mir in die Augen. Der Schmerz in meiner Brust war nahezu unerträglich. Der Gedanke, dass diese Aufmerksamkeit von Embry nur falsch war, zerriss mich innerlich. Ich wollte ihn nicht sehen. Ich wollte ihn nicht mögen. Er war der Embry, der mich einst in Stich gelassen hatte. Gott! Ich hatte sogar mehr als nur freundschaftliche Gefühle für ihn! Ich musste ihm von nun an aus dem Weg gehen! Was wenn er mich erneut verletzte? Wenn ich wieder all meine Hoffnungen in ihn stecken würde, nur damit er darauf trampeln konnte, weil ich nichts weiter als ein Monster war. Ich war in seiner Gegenwart nicht ich selbst, also durfte ich das nicht riskieren. Noch einmal würde ich so etwas nicht durchstehen können. Nein. Ich würde ein weiteres Mal mit all meiner Kraft verhindern! Jemand klopfte an meiner Tür und riss mich aus meinen Gedanken. Ich seufzte leise, denn ohne meine Antwort abzuwarten, kam Nina ins Zimmer. „So Huyana. Ich weiß zwar nicht, was passiert ist, aber du wirst mich auf der Stelle aufklären! Ist etwas zwischen Embry und dir vorgefallen? Er ist gestern total aufgelöst ins Kaffee gekommen und hat nach dir gefragt. Meine Mom hat mich gestern aufgehalten, deshalb konnte ich dir das nicht geben.“ Sie reichte mir eine kleine Papiertüte. >Werde schnell wieder gesund :)< stand auf der Tüte drauf. Die Schrift war krakelig und es wirkte total gehetzt. Ich liebte es. Meine Augen fingen erneut, zu tränen an. Wusste er wirklich nicht mehr, wer ich war? Durfte ich darauf hoffen, dass sich Menschen ändern konnten? Oder machte er das alles zu seinem Vergnügen? Wie sollte ich mich nur bei solchen Gesten von ihm fernhalten? „Er ist aus dem Kaffee hinausgestürmt, als ich ihm gesagt hatte, dass es dir nicht gut geht. Ich meinte, du würdest mit einer Erkältung im Bett liegen. So gegen halb sieben war er wieder zurückgekommen. Er hatte mir gesagt, dass diese Kräutermischung seine Mutter macht. Sie pflückt die Kräuter bei ihnen im Garten“, erklärte sie mir, während sie mich musterte. Sie seufzte, als ich darauf Nichts erwiderte. „Ich weiß nicht, was passiert ist. Aber ich verstehe nicht, warum du ihn so quälst. Ich hab noch nie einen Mann gesehen, der so besorgt um einen war, der eine Erkältung hatte“, lächelnd wischte sie mir meine Wange trocken. „Erzählst du’s mir?“, fragte sie leise. Eine Zeit lang saßen wir nur da und sagten Nichts. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte. Allein seinen Namen aussprechen zu müssen, kostete mich eine Menge an Kraft und Überwindung. „Erinnerst du dich an die Gesichte, früher im Reservat?“, abwesend zupfte ich an meinem Handschuh. „Das in der Grundschule? Nach dem Unfall?“ Ich nickte ihr leicht zu. „Erinnerst du dich an den Jungen, den ich so mochte? Meinen Sitznachbar, der immer total nett war. Mit dem ich aufgewachsen war?“, setzte ich meine Erklärung fort. Nina nickte mir zu. Ich konnte erkennen, dass sie den Zusammenhang nicht verstand. Ich seufzte. „Das war er. Embry ist erst achtzehn und kommt aus La Push. Embry Call. Gott … Er ist derselbe Junge von damals … Es passt … Wie konnte ich nur so dumm sein … ich hätte ihn gleich nach seinem Namen fragen sollen“, meine Stimme brach zum Ende hin ab. Ich konnte es noch immer nicht fassen, dass mich meine Vergangenheit einholen musste. Reichten nicht all die Narben, die mich nichts vergessen ließen? „Verstehe … Und deshalb meidest du ihn?“ „Ich glaube, ich mag ihn … er ist mir wichtig, so wie du es bist … für einen kurzen Augenblick, hatte ich sogar befürchtet, mehr für ihn zu empfinden … Aber Embry … er hat mich damals schon gesehen und mich, als ein Monster bezeichnet … wie soll ich jemals … nein … das ist nicht relevant. Ich möchte nur nicht, dass er mich … erneut so verletzt. Er hat mich … sicher wiedererkannt … Vielleicht hoffte er, dass er mich nach La Push bringen kann … und mich erneut demütigt“, murmelte ich. Nina nahm mein Gesicht in die Hände. „Sag mal geht’s noch? Warum sollte er das tun? Denkst du das wirklich?“ Ich zuckte mit den Schultern und sah weg. „Aus demselben Grund, wie die Kinder damals in der Schule mir die Maske vom Kopf gezogen hatten. Embry … Nina … ich will ihm nicht trauen … ich hab Angst!“ „Warum glaubst du nicht daran, dass dich jemand mögen könnte? Ich mag dich doch auch“, sie sah mich lächelnd an. Wahrscheinlich wollte sie mich nur aufmuntern. Ich zuckte erneut mit den Schultern. „Naja … ich bin nicht hübsch … ein Freak … und mein Charakter…“ „Jetzt hör aber mal auf. Du bist wirklich schön. Klar hast du diese Narbe an der Schläfe, Stirn und an der Seite, aber sie sind nicht so groß und auffällig. Außerdem versteckst du sie ja unter deinen Haaren. Dummerchen. Dein Gesicht ist wunderschön. Du hast große, schwarze Augen, die mittlerweile so viele Emotionen zeigen, dass sogar ich mich darin verlieren könnte“, sie schmunzelte, „Und … und deine Haut ist rein und deine Lippen sind nicht zu dünn und nicht zu voll. Klar, du hast ein schiefes Lächeln, weil deine Muskeln in der Ohr-Nähe beschädigt worden sind, aber es sieht gut aus. Irgendwie geheimnisvoll. Deine Haare sind wunderschön. Sie glänzen wie Seide und passen gut zu deiner Hautfarbe, die den Ton einer Sommerbräune hat. Ich sehe vor mir kein Monster, sondern eine wunderschöne, junge Frau. Warum erniedrigst du dich ständig selbst? Und was deinen Charakter betrifft … Ja gut, du hast ein paar Macken, aber die hat jeder. Ich auch! Dafür bist du aber nett. So unglaublich zuvorkommend und du würdest nie jemandem etwas Böses antun. Und das obwohl du genügend Gründe hättest, jeden Menschen zu verachten und ihnen das Schlimmste zu wünschen. Aber dennoch bleibst du still und lässt alles schweigend über dich ergehen. Ana … Huyana du bist wirklich wundervoll!“ Nina war aufgestanden und ging hektisch in meinem Zimmer umher. Ich starrte sie mit offenem Mund an. War das wirklich alles wahr, was sie mir sagte? „Ich weiß was!“, klatschte sie begeistert. „Wir gehen shoppen und verpassen dir einen neuen Look. Dann fühlst du dich endlich wohler in deiner Haut. Du rennst ja ständig nur in Jean und Pullover herum, wie eine graue Maus. Wir könnten auch zu einem Frisör Salon schauen.“ Ich wollte gerade dagegen protestieren, als sie mit dem Finger vor meinem Gesicht wedelte. „Keine Widerrede! Dieses Mal nicht! Du musst endlich lernen dich selbst zu lieben, Ana. Erst dann kann deine Seele heilen und dein Herz richtig lieben. Wenn du soweit bist, dann kannst du auch Embry endlich glauben und nicht an seiner Ehrlichkeit zweifeln. Ich glaube wirklich nicht, dass er dir etwas Böses will“, sie lächelte mir zu. Eine kleine Blume der Hoffnung fing an, in meinem Herzen zu keimen. Vielleicht hatte sie Recht. Ich wünschte mir, dass sie Recht hatte. „Los mach dich fertig und schreib Paps eine Nachricht, dass wir nach Port Angeles fahren. Man der wird Augen machen, wenn wir heute Abend zurück sind“, kicherte Nina voller Aufregung und ging aus dem Zimmer. Ich sah ihr hinterher. Wenn ich mich selbst lieben würde, könnte meine Seele heilen. Es würde nicht mehr so höllisch schmerzen. Und Embry – ich könnte ihm endlich glauben. Ich könnte ihm endlich auf Augenhöhe begegnen. Das wäre wirklich toll! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)