Psiana aus der Gegenwelt von True710 ================================================================================ Kapitel 23: Nelson – Eingebildet, Selbstverliebt … Schwach ---------------------------------------------------------- Hannah und ich hatten gerade in dem kleinen Restaurant zu Mittag gegessen, in dem mir Hannah ihre düstere Vergangenheit offenbarte. Wir verließen Jubelstadt, um uns auf den Weg Richtung Norden zu machen. Wir sprachen wieder etwas mehr miteinander und lachten auch ab und zu mal. Ich kann es nicht wirklich erklären, doch solche einprägenden Ereignisse wie ein Beinahetod durch einen Helikopterabsturz schweißten auch irgendwie zusammen. Dementsprechend wurde es auch wieder etwas humaner zwischen uns. So langsam machte ich mir Sorgen um Dwayne. Es klang komisch, doch wo Hannah war, konnte Dwayne doch nicht weit sein. Ich war ja froh, dass er nicht zugegen war, es machte mich nur stutzig. Und Hannah würde ich auf dieses Thema auf jeden Fall nicht ansprechen. Wir wanderten gerade den letzten Anstieg vor Flori hinauf, da bemerkte ich, wie ein Junge in meinem Alter mit seinem Rasaff einen Baum malträtierte. Es boxte gegen den Stamm als gäbe es keinen Morgen. Ich machte Hannah darauf aufmerksam, deutete mit meinem Finger auf die Szene. Der Junge bemerkte das offenbar und befahl seinem Pokémon, dass es aufhören sollte. Lässig kam er plötzlich auf uns zu und quatschte Hannah von der Seite an. „Heeeey, hübsche Lady. Was geht ab?“ „Los, verzieh dich und trainier dein boxwütiges Fellknäuel weiter.“ So schnell hatte ich es mir wahrscheinlich mit noch keinem verscherzt. Ich hab ihm wohl seinen coolen Anmachspruch versaut. „Wer redet denn mit dir? Ich rede jedenfalls mit der jungen Dame hier.“ „Ich glaube du solltest tun, was er sagt, sonst zerreißt er dich in der Luft.“ „Ach komm schon, Süße. Gib mir ne Chance. Ich bin der stärkste Trainier in der Umgebung. So einen wie mich findest du nirgendwo mehr.“ „Willst du´s ihm zeigen, Nathaniel?“ „Nee, muss ich jetzt wirklich nicht haben.“ „Ist dein Macker ein kleiner Schisser? Traut er sich nicht gegen den legendären Nelson zu kämpfen?“ „Legendär sagst du? Pass lieber auf was du sagst, sonst ist deine Legende schneller erzählt, als du Niederlage sagen kannst.“ „Du kannst mit deinem Kätzchen vielleicht einen kleinen Nebenpart in meiner Legende spielen. Zu mehr reicht es wahrscheinlich nicht, wenn ich dich so ansehe.“ „Ok, jetzt reicht´s. Wir kämpfen. Hier und jetzt. Und ich werde dir dermaßen in den Arsch treten, dass du nie mehr einen Pokémonkampf bestreiten willst.“ „Nathaniel, bleib ruhig! Er weiß es doch nicht besser.“ „Mir doch egal! Er wollte es so, jetzt bekommt er es!“ Ich war auf 180. Dwayne 2.0 oder wie? Der Typ würde die größte Niederlage seines noch jungen Lebens einstecken. Er grinste nur selbstsicher, holte sein Rasaff und zeigte uns einen geeigneten Kampfplatz. Normalerweise war ich derjenige, der für die Sprüche zuständig war. Doch ich konnte auch dementsprechend liefern. Ich wollte wissen, ob hinter seiner großen Klappe Ähnliches steckt, oder ob er nur der nächstbeste Sprücheklopfer war. Ich konnte ja eigentlich nur auf Letzteres tippen, doch ich ließ mich auch gerne überraschen. „Also Nathaniel. Drei gegen Drei. Das Pokémon darf nur zwischen den Runden ausgewechselt werden. Wenn ich gewinne, bekomm ich ein Date mit deiner Süßen, verstanden?“ Hannah sah mich etwas verwirrt an. Gleichzeitig zeigte sie mir jedoch, dass sie sich keine Sorgen machte heute Abend auf ein Date gehen zu müssen. Ich bestätigte ihr ihre Sorglosigkeit mit einem Augenzwinkern. „Also gut, Nelson. Ich stimme deinen Kampfbedingungen zu. Ich werde es auch kurz machen.“ Nelson kam mit meiner Selbstsicherheit nicht sehr gut zurecht. Sein Gesichtsausdruck wurde kurz nachdenklich. Er sagte nichts mehr und rief stattdessen sein erstes Pokémon. „Ich wähle Vulnona!“ „Ich werde es mir mal nicht ganz so einfach machen und wähle nicht mein Wasser-Pokémon. Ich wähle Frosdedje!“ „Du willst dich doch lächerlich machen, oder? Statt eines Wasser-Pokémons nimmst du einen Eis-Typ? Hast du in der Trainerschule nicht aufgepasst? Ich freu mich schon auf mein Date mit deiner hübschen Begleitung heute Abend.“ Nelson warf einen anzüglichen Blick in Richtung Hannah, die sich daraufhin abwandte und mir einen bösen Blick zuwarf. Seit wann unterschätzte sie mich? Aber kaum glaubte der Typ, er wär im Vorteil, schon konnte er wieder große Sprüche reißen. „Also gut Vulnona, Flammenwurf!“ „Spukball, Frosdedje!“ Man sah sofort, wessen Pokémon gut trainiert war, und wessen nicht. Frosdedjes Spukball spaltete den Flammenwurf, sodass kein einziger Funken mein Pokémon berührte. Stattdessen schlug der violette Klumpen in Vulnonas Gesicht ein, das daraufhin zurückflog und aufschrie. „Komm schon Vulnona, wir versuchen es mit Feuerwirbel!“ „Blizzard, und los!“ Es sollte beim Versuch bleiben. Der Feuerwirbel raste auf Frosdedje zu, doch der Blizzard war so stark, dass der Feuerwirbel sogleich verebbte. Vulnona hingegen konnte sich kaum mehr bewegen. Trotz der eigentlich hohen Körpertemperatur eines Feuer-Pokémons war der Feuerfuchs eingeschneit und an einzelnen Stellen von einer Eisschicht überzogen. „Befreie dich mit einem Feuersturm!“ „Gifthieb, Frosdedje!“ Sein armes Pokémon war aufgrund der Kälte so langsam, dass mein Frosdedje zuerst seine Attacke ausführen konnte. Vulnona blieb besiegt auf der Seite liegen. Eins zu Null für mich. „Ok, Eis-Typen werde ich ab sofort nicht mehr unterschätzen. Aber gegen mein Rasaff kommst du nicht an!“ „Ich wähle Despotar!“ Allein Despotars Auftaktbrüller beeindruckt Nelson sichtlich. Er versuchte es cool herunterzuspielen und sicher aufzutreten, damit ihn Hannah nicht für einen kleinen Schisser hält. Ein Kichern konnte sie sich jedoch nicht verkneifen. „Rasaff, wir beginnen mit Fuchtler!“ Rasaff traf mit seiner Attacke. Es fuchtelte wild durch die Gegend und versetzte Despotar ein paar Schläge, die aber ohne größere Wirkung blieben. „Despotar, Feuerschlag bitte!“ Um Rasaff auch mal einen wirklichen Schlag zu zeigen, packte mein grünes Ungetüm einen Feuerschlag der feinsten Sorte aus. Das konnte man getrost als Volltreffer bezeichnen. „Wir lassen uns nicht unterkriegen! Rasaff, Kreuzhieb!“ Es war schnell, das musste man zugeben. Erneut konnte es einen Treffer landen. Diesmal zeigte die Attacke schon mehr Wirkung. Aber um mein Despotar kleinzukriegen, brauchte es schon etwas mehr. „Despotar, Steinkante!“ Und wieder ein fataler Treffer. Rasaff sah schon sehr mitgenommen aus. „Willst du dein Rasaff nicht lieber zurückrufen? Sieh es dir doch mal an.“ „Nichts da! Das ist gegen die Regeln. Power-Punch, los!“ Bei dieser Ansage musste ich Hannah einen unverständlichen Blick zuwerfen. Wie konnte man in seiner Situation einen Power-Punch befehlen? Hannah zuckte nur mit den Schultern und musste Lachen. „Sorry für deinen dummen Trainer, Rasaff. Donnerblitz, Despotar!“ Das war das Ende für Rasaff. Aufgrund seines Trainers musste es unnötig Schmerzen erleiden. Nelson hingegen konnte seine erneute Niederlage nicht verstehen. Wütend stampfte er auf den Boden und warf seinen nächsten Pokéball. „Rizeros, jetzt musst es du richten!“ „Weil du vorhin mein Kätzchen beleidigt hast, zeig ich dir jetzt mal was mein Kätzchen so alles drauf hat.“ „Nein, bitte nicht, Nathaniel! Nimm ein anderes Pokémon.“ Ungläubig sah ich zu Hannah. Sie verbot mir den Einsatz meines Pokémons? Ich konnte es nicht fassen. Nelson sagte nichts dazu. Allerdings war Psiana auch noch nicht auf dem Kampffeld, und somit konnte ich auch noch ein anderes Pokémon wählen. Nach kurzer Überlegung entschloss ich mich, Hannahs Bitte nachzukommen. „Also gut, ich wähle Noctuh!“ Überrascht sah ich zu Psiana. Was sollte das denn jetzt? Doch es saß nur da wie immer und wedelte mit seinem Schweif. Ich sah zurück aufs Kampffeld und musste feststellen, dass Nelson meine Unachtsamkeit genutzt hat und Noctuh mit einer Steinkante getroffen hatte. „Noctuh, Stahlflügel!“ Noctuh war schnell und Noctuh traf. Rizeros musste sich kurz schütteln. „Setz deinen Hammerarm ein, Rizeros!“ „Ausweichen und Hypnose!“ Das ist jetzt vielleicht etwas fies, doch ich hatte jetzt auch keine Lust mehr, diesen Möchtegern-Proleten zu vermöbeln. Also wollte ich ein schnelles Ende herbeiführen. Und wie gedacht, schlug Rizeros mit seinem Hammerarm daneben und verabschiedete sich dann ins Land der Träume. Ein anschließender Traumfresser gab meinem Noctuh seine Energie zurück. Und für das Ende hatte ich eine besondere Idee. „Noctuh, abschließend den Himmelsfeger!“ Den hatten wir auf Eiland 2 so lange trainiert, doch bisher hatte ich ihn noch nicht eingesetzt. Das sollte sich jetzt ändern. Da Rizeros schlief, konnte sich meine Eule für den Angriff aufladen. Nelson konnte nur zuschauen wie mein hell erleuchtetes Noctuh auf sein Rizeros niederging und den Kampf damit beendete. Er rief sein Pokémon zurück und kam wütend angerannt. „Den Kampf hab ich vielleicht verloren, aber mein Date bekomm ich noch!“ „Verzieh dich jetzt.“ Ich musste lachen. Hannah stimmte mit ein, während Nelson schnaubend davonrannte. „Ich kann mich eben doch auf dich verlassen. Ein Date mit dem … widerlich.“ Sie konnte sich auf mich verlassen … ich lachte weiter, doch in meinem Kopf fing es schon wieder an zu rattern. Wenn das keine subtile Botschaft war. Aber die neu aufgebaute Harmonie würde ich nicht durch unnötige Kommentare zerstören. Wir gingen weiter unseres Weges, der uns wie geplant nach Flori brachte. Auf Wunsch von Hannah checkten wir im Pokémon-Center ein. Wir hätten auch weiterlaufen gekonnt, doch Hannah wollte eine kleine Pause einlegen. Wieso sie in ihrer Pause nochmal ‚schnell etwas besorgen‘ musste wusste ich aber nicht. Ich dachte eine Pause wäre dazu da, um sich auszuruhen. Nach einer knappen Stunde kam Hannah zurück. Ich saß die ganze Zeit auf der Terrasse und genoss die Mittagssonne, die heute angenehm warm vom Himmel strahlte. Ich hatte die Augen geschlossen und bemerkte nicht, dass Hannah hinter mir stand. Sie tippte mich an. „Nathaniel, ich muss dir etwas zeigen. Kommst du bitte mit?“ „Was musst du mir denn zeigen?“ „Komm einfach mit.“ Sie nahm meine Hand und zerrte mich aus meinem Stuhl. Wir gingen an der Rezeption vorbei. Auf dem Tresen stand ein Korb, den Hannah gekonnt im Laufen ergriff und mitnahm. Sie ging voraus, lief einmal quer durch Flori Richtung Norden, um dann an einem wunderschönen Ort Halt zu machen. Wir befanden uns auf einer unendlichen Blumenwiese. Vereinzelt ragte ein Baum empor. Und etwas weiter entfernt plätscherte ein Flüsschen vor sich hin. Ohne ein Wort stellte Hannah den Korb ab und breitete eine Decke aus. Bevor ich etwas sagen konnte, ergriff sie das Wort. „Da du den Kampf vorhin gewonnen hast, bekommst du nun ein Date mit mir …“ Sie musste gegen Ende des Satzes selbst lachen. Ich sagte noch nichts, da ich merkte, dass sie noch nicht ausgesprochen hatte. Als sie sich gefangen hatte, sprach sie weiter. „… nein, ok. Ein Date wird das nicht. Aber trotzdem möchte ich mich hiermit auch irgendwie bei dir bedanken. Wir haben jetzt schon viel miteinander erlebt. Gute sowie schlechte Dinge. Und ich weiß, das es nicht selbstverständlich ist, dass ich wieder mit dir unterwegs sein darf. Ich möchte dir einfach zeigen, dass ich das schätze.“ Sie umarmte mich. Ich umarmte auch sie. Eine schöne Geste. Und auch ich war irgendwie froh, dass sie mich wieder begleitete. Ich konnte es nur noch nicht zeigen. Als wir uns voneinander lösten setzte sie sich hin und begann, die Dinge aus dem Korb auf der Decke auszubreiten. Es war ein wundervoller Nachmittag. Wir redeten wieder wie früher. Wir lachten, wir rissen Witze. Es war schön eine solche Begleitung zu haben. Ich wollte keine schlechten Hintergedanken haben, und doch waren sie da. Ich konnte sie nie loswerden. Immer wenn ich Hannah ansah kamen mir auch die Zweifel, ob das alles echt war. Ob es so bleiben würde, oder ob es wieder Rückfälle geben wird. Einen bestimmten Namen musste ich nicht aussprechen, ich wollte ihn auch gar nicht aussprechen. Dafür kam plötzlich ein anderer ungebetener Name wieder. Gerade als wir über den Kampf von vorhin redeten, tauchte Nelson hier auf. „Hey! Jetzt hast du das Date abgesahnt, oder was?“ „Verzieh dich, Nelson. Du hast verloren. Ich hab dich vernichtend geschlagen. Schau, dass du Land gewinnst“, ich drehte mich nicht um. Der genervte Ton sollte eigentlich signalisieren, dass er jetzt besser gehen sollte. „Du hast ihn gehört, Nelson. Geh jetzt lieber.“ „Ich seh´s in deinen Augen, Süße. Du stehst auf den Kerl. Aber glaub mir, ich werde dein Herz erobern und dann wirst du darum betteln, mit mir ausgehen zu dürfen, Lady.“ „Jaja, hau schon endlich ab jetzt. Die ‚Lady‘ hat keine Lust auf deine Anwesenheit“, meine Tonlage wurde immer ungemütlicher. „Wir sehen uns wieder, Nathaniel! Und dann werd ich dich schlagen und dein Zuckerpüppchen wird mir die Füße küssen.“ Unglaublich wie man nach einer derartigen Niederlage sein Maul noch so weit aufreißen konnte. Mir passte es gar nicht, dass er uns nachstellte und hier einfach auftauchte. Hannah fand es natürlich etwas lustiger als ich. „Du hättest sein ‚Lady‘ nicht so ins Lächerliche ziehen dürfen. Ich bin gerne eine Lady.“ „Jaja … wie kommt dieser Idiot überhaupt darauf, dass er uns hier stören muss. Unfassbar.“ „Bei so einer ‚Lady‘ wie ich es bin, kein Wunder.“ Hannah lachte lauthals los. Ich sagte nichts mehr, musste dann aber ebenfalls in Hannahs Lachen einstimmen. Ein bisschen verweilten wir noch an diesem schönen Ort. Doch irgendwann beschlossen wir zurück zum Pokémon-Center zu laufen. Es war eine wirklich nette Geste von Hannah, die ich zu schätzen wusste. Und wer kann die Zukunft schon vorhersagen? Ich konnte mir nun wieder vorstellen, dass es so wie damals werden würde. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)