Petunias Erleben von Liliputh (Die Beziehung zu Harry und ihre Entscheidungen) ================================================================================ Kapitel 1: Petunias Entscheidung -------------------------------- Der Kaffee war heiß und so stark, dass Petunia das Gesicht verzog. Vernon, der gerade nach seiner Zeitung gegriffen hatte, legte sie zurück und reichte seiner Gattin stattdessen unaufgefordert die Milchflasche. Verliebt lächelte er sie an. Mit einem dankbaren Blick verdünnte Petunia das Getränk, spreizte den kleinen Finger ab und trank. Was für ein Morgen! Petunia fühlte sich, als wäre sie des Nachts nicht im Bett, sondern auf der Flucht gewesen. Jedes kleinste Geräusch ließ sie zusammenfahren. „Das ist die letzte Flasche“ erinnerte Vernon sie. Petunia nickte, rieb gedankenverloren an einem Fleck in der Tischdecke und seufzte leise. Es gab keinen Grund für diese rätselhafte, innere Alarmbereitschaft. Alles war wie immer vollkommen normal. Genau so, wie sie es liebte und brauchte. Dudley krabbelte auf die Vase zu, die Petunia vor zweiundzwanzig Monaten auf den kleinen Tisch gestellt hatte. Die Frau verharrte in der Bewegung, wollte Dudley wegziehen und zugleich sehen, wie er sie zerbrach. Das hässliche Geschenk der Schwester zerstörte und es vielleicht vermochte, ihr die Genugtuung zu verschaffen, die sie so sehr herbeisehnte. Sie selbst konnte sich nicht dazu überwinden, die Vase zu entsorgen. Wie achtlos und hektisch sie auch den Tisch säuberte: Seit zweiundzwanzig Monaten stand dieses Ding wie festgewachsen. Lilys Geschenk hatte ihr nie gefallen, so erhielt die Schwester zur vergangenen Weihnachtszeit das Gegenstück. Petunia dachte an den Brief, der noch immer in ihrer Schreibtischschublade lag. Das mitgeschickte Foto von sich, ihrem Mann und dem Kind, existierte nicht mehr. So sehr Petunia damals versucht hatte, sich nur auf die Schwester zu konzentrieren: Immer wieder schob sich der Mann in ihr Blickfeld, der ihr Lily zum dritten Mal genommen hatte. Das zerrissene Foto milderte damals die stürmischen Gefühle. Nur die Vase war geblieben. Wahrscheinlich auch so ein verdammtes Zauberding, dachte Petunia verbittert – bis es klirrte. Petunia verschluckte sich und hustete. Tränen stiegen ihr in die Augen und eilig klopfte Vernon ihr den Rücken. Eine Schrecksekunde lang schien Dudley erstarrt zu sein, dann heulte und schrie er los. „Alles gut, Diddyschatz“, würgte die junge Frau zwischen dem Hustenanfall hervor und nahm ihr Goldstück auf den Arm. Nachdem sie ihn eine volle Viertel Stunde lang gestreichelt hatte, ihm eine frische Windel angezogen, gesüßten Tee gereicht und vierzehn Mal „Heile, heile Segen“ vorgesungen hatte, hörte Dudley auf zu brüllen. Erleichtert setzte sie ihn in den Sandkasten und ging in die Küche zurück. Die Milchflaschen auf dem Arm öffnete sie die Haustür und wurde zunächst von der Sonne geblendet. Jedoch nicht lange. Entsetzt schrie sie auf: Ein Bündel lag zu ihren Füßen. Eingewickelt in eine Decke und einen Brief auf der Brust. Petunia wusste nicht, wie ihr geschah. Sie war zu Boden gesunken und sah auf den kleinen Jungen hinab. Nie zuvor hatte sie das Kind leibhaftig gesehen, doch noch ehe sie in die grünen, mandelförmigen Augen sah, wusste sie, wer da auf der Fußmatte lag. Die Frage Vernons nach dem Namen ihres Neffen am vergangenen Abend erschien ihr nun wie ein böses Omen. Zehn Monate hatten sie nicht über diesen familiären Schandfleck gesprochen und nun das. „Petunia, Liebling, was ist passiert?“ Vernon stand neben ihr und Fassungslosigkeit breitete sich beim Anblick von Harry auf seinem Gesicht aus. Ohne dass Petunia selbst es wirklich wahrnahm, schlang sie die Arme um das Kind. Harry war wach und blickte sie interessiert an. „Halt du mal“, murmelte Petunia und drückte ihrem überrumpelten Ehemann das Kind in die Arme, noch ehe dieser protestieren konnte. Mit zitternden Fingern löste Petunia den Brief und zögerte. Sie wollte nicht wissen, was darin stand. Wollte das Unvermeidliche so lange hinauszögern, wie ihre Fähigkeit der Verdrängung es zuließ. Dieser Brief würde ihr geordnetes Leben unwiderruflich verändern und es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Unter größter Anstrengung begann sie zu lesen. Der Brief war in der selben schrägen Handschrift verfasst, wie jener, den sie vor so langer Zeit erhalten hatte. Damals, als sie als dumme dreizehnjährige Albus Dumbledore gebeten hatte, mit ihrer Schwester auf Hogwarts zu dürfen. Bei der Erinnerung kochte erneut eine Welle von Wut und Scham in ihr hoch. Dumbledore hatte freundlich erklärt, dass ihre Schwester die Fähigkeiten habe, die ihr leider nicht gegeben waren. Sie würde in der Welt der Magier nicht glücklich werden. Und zu allem Überfluss hatten Severus und ihre Schwester den Brief auch noch gelesen. All dies kam ihr in den Sinn, als sie versuchte, den Inhalt des aktuellen Briefes zu erfassen. Nur bruchstückhaft schienen die Worte sich in ihrem Gehirn zusammenzufügen und Sinn zu ergeben. Lily und James hatten den Angriff von Lord Voldemort nicht überlebt. Lily ... tot. Lily, ihre kleine Schwester, die sie über alles geliebt, die sie beneidet und gehasst hatte. Petunia sah zu den Scherben der Vase und ein irreales Schuldgefühl erstickte sie. Lily ist tot, weil die Vase zerbrochen ist. Tränen brannten in ihren Augen und sie wusste nicht, ob aus Trauer oder Wut. Das Kind brauchte Schutz. Der alte Magier hatte eine Verbindung erschaffen. Sie sollte das Kind bei sich aufnehmen, ansonsten wäre es in tödlicher Gefahr. Was ging es sie an? Sollte es doch sterben, wie ihre Schwester gestorben war! Ihr Gatte war hinter sie getreten, um mitzulesen. Nun schnaubte er empört: „Was bildet sich dieser Mann eigentlich ein? Uns ein Kind aufzuhalsen, das genauso abnormal ist!? Wir bringen ihn ins Waisenhaus." Langsam ließ Petunia die Hand sinken. Widerwille regte sich in ihr. Weshalb musste sie diese Entscheidung treffen? Warum musste ausgerechnet ihr das passieren? War sie nicht genug gestraft gewesen mit dieser Familie, dieser Schwester? Hatte sie nicht endlich auch ein bisschen Glück und Ruhe verdient? Und doch... Unwillkürlich fiel ihr Blick auf das Kind. Es hatte ihre Augen. „Petunia?" „Lass uns ... überlegen Vernon." Sie schaffte es nicht. Ihr Blick fiel auf das Fenster. Dudley buddelte friedlich im Sandkasten. Ihm war nichts aufgefallen. Das Kind wurde unruhig. Wie von selbst ging sie zum Kühlschrank und begann, Brei anzurühren und es zu füttern. Er heißt Harry, dachte sie. Sein Name ist Harry und er hat die Augen seiner Mutter und meiner Schwester Lily. Ihre Entscheidung war gefallen. --- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=Yq2Ga43s3jQ&t=57s Kapitel 2: Briefe aus Hogwarts ------------------------------ „Was sollen wir tun, Vernon? Sollen wir vielleicht antworten? Ihnen sagen, wir wollen nicht?“ Ihr Mann überlegte. Nach einer Weile sagte er „Nein. Wir werden es einfach ignorieren. Als wir ihn bei uns aufnahmen haben wir uns geschworen, diesen gefährlichen Unsinn auszumerzen!“ Sie schwieg. Es ist gescheitert, dachte sie, und dir war klar, dass es scheitern würde. Du hast dir all die Jahre versucht, etwas vorzumachen. Und ihm mit. Seltsamerweise dachte sie an Dudley. Ihr Liebling würde nicht unter dieser Abnormalität zu leiden haben. Er würde nicht in den Schatten gestellt, wie sie es immer wurde. Beiseitegeschoben. Weg vom Ruhm und Glanz der absoluten Lily, der freundlichen, schönen und begabten Lily. 9 Jahre lang hatte sie diese Gefühle weggeschoben, ignoriert, unterdrückt, wie sie ihren Neffen unterdrückt hatte. Weggesperrt in denselben dunklen Schrank, abgelehnt. Und doch hatte sie es gewusst. Eines Tages würde der Tag kommen, an dem dieser Brief eintreffen würde. Es war nicht so, dass sie davon überrascht worden war. Die Erkenntnis, dass nun tatsächlich der Tag gekommen war, vor dem sie jahrelang Angst hatte, ließ sie schwer schlucken. Ja, sie hatte versucht, es ihm auszutreiben. Jeden Vorfall, der magische Kräfte erahnen ließ, hatte sie geahndet. Ihn versucht, zu schwächen. Die perfekte Lily war innig geliebt worden. Sie hatte sich entfalten können, alle Möglichkeiten und Fertigkeiten ungehindert aufbauen können. Müsste es nicht möglich sein, hatte sie gedacht, ihn mitsamt seinen Kräften zu schwächen? Sie fühlte sich schuldig. Wie sie es machte, war es falsch. Ja, sie wollte, dass dieses Kind lebte und doch tat sie alles, um ihm das Leben so schwer wie möglich zu machen. Ich tue es aus Verantwortung, sagte sie sich. Um ihm das Schicksal meiner Schwester zu ersparen. Um Dudley, Vernon und mir diese Schande zu ersparen. Die Fragen der Nachbarn. Sie hätte umfallen mögen vor Scham, als Lily in ihrem Umhang zuhause angekommen war. „Sie ist in einem Begabteninternat“, pflegten ihre Eltern stets mit stolz geschwellter Brust zu sagen, wenn sie gefragt wurden. Auch ihr wurde diese Antwort eingeschärft. „Wir legen höchsten Wert darauf, geheim zu bleiben. Die Interationale Geheimhaltung ist da sehr strikt!“ Die Beamtin des Zaubereiministeriums hatte Petunia bei diesen Worten direkt angesehen und Petunia hatte folgsam genickt. „Auf unsere Älteste ist Verlass. Sie ist sehr vernünftig für ihr Alter“, hatte ihr Vater versichert und Petunia hatte schreien wollen, dass ihr diese ganzen Regeln und Gesetze egal waren, dass sie es jedem erzählen würde und hoffte, diese fremde Welt würde komplett zusammen brechen. Doch sie hatte geschwiegen. Nur Emma gegenüber hatte sie ihr Schweigen gebrochen. „Lily muss in eine Anstalt, sie ist krank und muss vor uns und sich selbst geschützt werden“, hatte sie erzählt. Grimmige Genugtuung hatte sie dabei erfüllt. Und Emma hatte es in der Klasse weiter erzählt. Es war das kleine Stück Rache, welches die Schmach von Albus Dumbledores Antwort vorübergehend zu mildern vermochte. Doch natürlich war die Sache aufgeflogen. „Lily? Nein, Lily ist doch nicht krank, Emma, wie kommst du darauf?“ Am Geburtstag von Petunia, ihrem 14. war die Bombe geplatzt. „Lily ist auf einem Begabteninternat.“ Da war sie ausgerastet, hatte geschrien und den Teller auf den Boden geworfen. Und 2 Tage später, nach dem Wochenende, hatte Emma jedem in der Klasse erzählt, dass Petunia Evans eine neidische Lügnerin war. Auch ihre Eltern waren sauer und ausgerechnet Lily hatte versucht, sich ihr anzunähern. Sie hatte sie aus ihrem Zimmer gestoßen und sich eingesperrt. Sich schuldig gefühlt und ihren Hass auf Lily übertragen. Ihren Hass auf diese Ungerechtigkeiten, ihre Eltern, Emma und sich selbst. „Wir konntest du nur, Petunia, was hat Lily dir denn getan, dass du ihr so übel nachredest?“ Sie hatte geschwiegen. Nur genickt hatte sie diesmal nicht folgsam. „Völlig verstockt“, hatte ihre Mutter gemurmelt. Und sie war gegangen. Wieder einmal. Sie allein gelassen in ihrer Verletzlichkeit, ihrem Neid, ihrer Missgunst und dem Gefühl, ungewollt zu sein. Dudley wird es besser haben, hatte sie sich geschworen. Und er hatte es besser, sie hatte ihm stets jeden Wunsch von den Augen abgelesen, hatte ihn gehegt und gepflegt. Ihm all das gegeben, was sie all die Jahre ihrer Jugend so schmerzlich vermisst hatte. Und ihr Junge war prächtig, sie liebte ihn und wusste, dass er sich stets geliebt und geborgen fühlen würde. Dass sie alles tun würde, um Schaden von ihm abzuwehren. Und es war gelungen. Dudley konnte sich zur Wehr setzen gegen das Kind. Er war beliebt, hatte viele Freunde. Er würde nie im Schatten eines berühmten Vettern stehen, dafür würde sie schon sorgen. Und solange nur die geringste Chance bestand, das Kind von dieser Welt fern zu halten, würde sie nicht aufgeben.   In den folgenden Tagen kamen täglich mehr Briefe. Petunia schwankte zwischen Resignation und Aktionismus. „Stell keine Fragen“, blafffte sie das Kind an und schickte es weg. Sie ertrug seine Anwesenheit nicht und musste sich beherrschen, ihm nicht zu verletzen. Bis zum Sonntag. Eine ganze Woche lang hatte sie unter der gereizten Stimmung Vernons gelitten, war ihre eigene Anspannung stets vor dem Siedepunkt gewesen. Eine gewonnene Woche, dachte sie, als ihr Mann gut gelaunt die Vorzüge von Sonntagen verkündete. Bis es zu rumpeln begann und sie wusste, dass das Spiel aus war. Briefe, Briefe, Briefe, überall. Um sie herum und das Kind und ihr Goldstück versuchten begierig, einen in die Hand zu bekommen. Auch ihr Dudley hatte gelitten, zum ersten Mal konnte sie seinen Wunsch nicht erfüllen. Konnte seine Neugier nicht befriedigen, konnte nicht ehrlich sein. Sie zuckte zusammen, als ihr Mann mit nur einem halben Schnurbart Dudley eine knallte. Und dann fuhren sie. Wir werden es nicht schaffen, es ist verloren, dachte sie müde, während sie fuhren. Und fuhren. -- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=2MvE-Ebwie8&t=16s Kapitel 3: Die Hütte -------------------- Petunia erwachte durch die Stimme des Riesen. Stöhnend zog sie sich die klamme Decke über den Kopf und kniff die Augen zusammen. Lass es vorbei sein, dachte sie. Lass es endlich vorbei sein! Wie gerne läge sie jetzt in ihrem eigenen Bett an einem ganz normalen Morgen. Ohne diese fremde, magische Welt vor Augen, die sie so sehr hasste. Stattdessen lag sie in einer Hütte, mit einer Tür, die ein Riese eingetreten hatte und einem Kind, dem ein Schwanz angezaubert worden war. Mit einem lauten Knarzen der Bettfedern drehte sich Vernon zu ihr und sie sah, dass er schon eine längere Zeit wach lag. Zärtlich küsste er sie und murmelte: „Sie sind weg.“ Nur langsam schienen die Worte in ihrem Gehirn anzukommen und Sinn zu ergeben. Tatsächlich: Die Stimmen des Kindes und des Riesen waren verstummt. Tränen schossen Petunia in die Augen und diesmal war sie nicht imstande, sie zurückzuhalten. Erleichterung, pure Erleichterung durchflutete sie wie ein Strom heißer Lava. Zugleich empfand sie eine so große Scham ihres Ausbruchs wegen, dass sie den Blick ihres Gatten kaum erwidern konnte. Wut und Angst über das, was Dudley angetan wurde. Dass der Riese ihrem Goldstück Leid angetan hatte, machten das Gefühlschaos perfekt. Dudley hob am Ende des Bettes den Kopf und sah seine weinende Mutter an. „Es tut gar nicht weh“, versuchte er, sie zu trösten und gerührt schloss sie ihren Sohn in die Arme. Langsam beruhigte sie sich. Schweigend packten sie ihre Habseligkeiten zusammen. Noch ehe jemand ihn aufhalten konnte, hatte Dudley sich über ein letztes, vergessenes Würstchen des Riesen hergemacht, doch keiner der Eltern reagierte darauf. Erst Dudley durchbrach kurz darauf mit einem Schrei die Stille: „Das Boot! Es ist weg!“ In heller Aufregung rannten Petunia und Vernon nach draußen, nur um festzustellen, dass Dudley vollkommen Recht hatte. Die Ader Vernons schwoll innerhalb weniger Sekunden an und er brüllte: „Da hat dieser verdammte Kerl uns doch das Boot geklaut.“ Er verlor nun komplett die Beherrschung und pfefferte das Gewehr mit dem verbogenen Lauf, die Bananenschalen sowie anderen Müll nacheinander ins Wasser, während er weiter tobte. Petunia fühlte, wie ihre Beine nachgaben und rasch ließ sie sich auf den feuchten Boden sinken. Was nun, dachte sie verzweifelt. Würde der kleine Kerl, der sie am Vortag hergebracht hatte, nach ihnen sehen? Petunia wollte es glauben, doch die Angst, durch die Erschöpfung zusätzlich verstärkt, überwog. Der Alptraum endetet mittlerweile nicht mehr durch das Erwachen, er begann erst dann richtig. Wir hätten es dem Kind einfach sagen können, dachte sie. Oder ihm direkt den Brief lassen, ihn nicht wegnehmen sollen. Dann wären sie jetzt zuhause und Petunia hätte die Abwesenheit des Kindes mit vollem Herzen genießen können. Dudley wäre nicht entstellt worden. Diese ganze sinnlose und kräftezehrende Flucht vor der Magie wäre ihrer Familie erspart geblieben. Flucht vor der Magie! Ein hohles Lachen drang aus ihrer Kehle. Wie absurd. Doch keiner vermochte ihrem Mann, hatte er sich etwas in den Kopf gesetzt, davon abzubringen. Vernon war fest entschlossen, zu fliehen, sie abzuschütteln und so sehr er seine Frau auch liebte, kein Wort hätte ihn zur Vernunft gebracht. Aber liebte sie nicht auch dies so sehr an ihm? Dass er nicht einer dieser Weichlinge war? Schnaufend saß er neben ihr. Sie hatte gar nicht bemerkt, dass auch er sich gesetzt hatte. Hoffentlich bekomme ich die Grasflecken da jemals wieder raus, war der erster Gedanke an diesem Morgen, der ihr normal und vertraut erschien. Ihr Kleid war dunkel, doch die hellen Hosen Vernons und Dudleys vertrugen gewiss keine derartigen Flecken, dazu waren sie zu teuer gewesen. Ich werde sie vorbehandeln und eine Weile einweichen, dann habe ich eine Chance. Petunia spürte, wie die geistige Beschäftigung mit Alltagssorgen sie beruhigte. Wäsche. Eine weiße Weste. Die Worte Lilys: „Ja, klar! Hauptsache du hast eine weiße Weste, wie immer!“ Das laute Türenschlagen. Petunia verdrängte den Gedanken und erhob sich. Sofort sahen die anderen zu ihr auf. „Ich räume ein bisschen auf“, sagte sie. Penibel faltete sie die Decke im Schlafzimmer, hielt dann inne und überlegte, dass die Feuchtigkeit dadurch kaum besser würde. Sie öffnete weit das Fenster und wollte sie gerade über das Fensterbrett hängen, als ihr die zentimeterdicke Dreckschicht ins Auge fiel. Unmöglich konnte sie darauf die Decke legen. Petunia eilte in den einzigen Raum mit Wasser, nahm einen alten Socken Vernons und ging ins Schlafzimmer zurück. Der Rahmen war sauber gemacht, die Decke gerade fein säuberlich ausgebreitet, als ihr Blick auf das offene Wasser fiel. Ein Punkt, der sich langsam vergrößerte. Der Mann! Er war gekommen um sie zu retten. Erleichtert seufzte sie und doch verharrte Petunia und starrte mit zunehmendem Entsetzen auf das Boot. Es saß niemand darin. Petunia kniff die Augen zusammen, rieb sie, doch nichts änderte sich, als sie erneut hinsah. Überstürzt rannte sie aus der Hütte. Vernon und Dudley saßen noch immer da und Dudley jammerte, er wolle endlich nach Hause. Als Petunia kam, sahen beide sie erwartungsvoll an und mit zitternder Hand deutete sie auf das Wasser. Die Miene Vernons entgleiste, seine Gesichtsfarbe wirkte durch die einsetzende Blässe im ansonsten roten Gesicht wieder einmal wie schlecht gemischtes Himbeereis. Dudley wimmerte. Sacht stieß das Boot an die Klippen und schaukelte unschuldig und einladend. „Dudley“, krächzte Vernon, „du steigst nicht ein. Wer weiß, was für ein Humbug damit getrieben wurde.“ Dudley zögerte. Für einen Augenblick fuhren seine Hände über den dicken Hintern, über die Stelle, an welcher sich der Ringelschwanz befand. „Ich will jetzt heim“, quengelte er. Petunia warf ihrem Mann einen panischen Blick zu, doch Dudley war schon auf das Boot gestiegen. Mit angehaltenem Atem wartete Petunia auf das erste Anzeichen der Tragödie, die gewiss gleich eintreffen würde. Fuhr das Boot womöglich allein mit ihrem Liebling fort? Sank es? Verschwand es? Doch bis auf den Teint ihres Lieblings, der vor Ungeduld und aufkommender Wut rot wurde, änderte sich nichts. Was sein Temperament anging, war er eindeutig seines Vaters Sohn. Unbeherrscht brüllte er: „Ich fahre gleich alleine los, jetzt kommt endlich, ich bleibe hier nicht länger!“ Tatsächlich griff er nach den Rudern zu seinen Seiten. Vernon seufzte und kletterte behäbig hinterher und Petunia folgte ihm. Jetzt habe ich die Decke gar nicht zurück aufs Bett gelegt, war der erste Gedanke Petunias, während Vernon schwerfällig begann, zu rudern. „Ein Kunde von mir arbeitet als Chirurg in einer Privatklinik. Er wird uns schnell einen Termin geben. Wenn du nach Smeltings kommst“, mit stolz geschwellter Brust betrachtete Vernon seinen Sohn, „ist alles wieder in Ordnung.“ „Hm“, murrte Dudley. Er kniete, vermutlich drückte der Schwanz. Das Land war in Sichtweise und Petunia atmete tiefe, beruhigende Züge der Seeluft. Es ist vorbei, dachte sie. Wirklich vorbei. Das Kind war fort, der Riese ebenfalls. Sie würde ihren Alltag zurück bekommen, ihr Haus, ihre Familie. Für ein ganzes Jahr. Nur ein Jahr, dachte sie und eine Spur Widerwille regte sich in ihr ob des Erbes ihrer Schwester. Denk nicht daran, beschwor sie sich. Petunia wandte ihren Blick von der leeren Hütte, dem Festland entgegen. -- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=Ub1Wrod_OZ0&t=14s Kapitel 4: Harrys Ankunft ------------------------- Die Tasse glitt ihr aus der Hand und krachte mit einem Scheppern, welches Petunia vor Schreck einige Sekunden lähmte, auf den gefliesten Boden. Auch Vernon fuhr heftig zusammen und spähte besorgt über den Rand seiner Zeitung. „Petunia, Liebling, was ist los mit dir?“ Wie immer, wenn er sich um geliebte Menschen sorgte, war seine Stimme behutsam und warm. Hastig öffnete Petunia den Schrank, nahm Kehrblech und Schaufel und beseitigte die Porzellanscherben. Scherben bringen Glück, dachte sie sarkastisch und ihre Mundwinkel verzogen sich gequält. „Nichts, Liebling“, murmelte sie, ohne ihren Gatten dabei anzusehen. „Morgen kommt Dudders!“ Versonnen sah Vernons sie an. Und das andere Kind, dachte Petunia und erschauderte. Ihr Blick fiel auf den Kalender. Es hatte keinen Zweck, sie musste es sagen. Petunia räusperte sich und setzte mit leicht zitternder Stimme an: „Morgen kommt.. ER .. wieder hier an.“ Schlagartig wich die versonnene Miene Vernons einer entgeisterten. „Bitte?“, ächzte er. Petunia schwieg und sah ihren Gatten nur an. Er hatte verstanden und eine Wiederholung der Worte würde die Tatsache nicht besser machen, dass beinahe ein ganzes Jahr vergangen war. Ein wunderbares Jahr, in welchem sie Ruhe vor dem Kind und seiner Abnormität gehabt hatten. In denen nur Dudley und ihr Mann Familie waren und es ihr gelungen war, das Kind nahezu vollständig zu verdrängen. Nur die Unruhe, die bedrohlichen Traumbilder, das nervöse Zittern, waren innerhalb der letzten Woche ins Unerträgliche gesteigert worden und erlaubten ihr nun nicht mehr, das Gesicht Harrys aus dem Unterbewusstsein zu drängen. Harry war omnipräsent und konnte sie sich tagsüber noch mit dem Haushalt, dem Kochen aufwändigster Gerichte oder dem zwanghaften Putzen ablenken, so erschien immer häufiger des Nachts die Gestalt ihrer Schwester mit der flehentlichen Bitte, Harry zu schützen. An diesem Morgen war Petunia mit vor Tränen geschwollenen Augen erwacht und hatte sich rasch von ihrem Mann abgewandt, als er ihr einen Guten Morgen wünschte. Im Badezimmer legte sie sich nach Monaten wieder eine Gesichtsmaske auf, welche die letzten Spuren beseitigen sollten. Zu ihrer Erleichterung war Vernon morgens selten gesprächig und so war ihm nichts aufgefallen. Bis jetzt. „Kann er nicht auch in den Sommerferien in dieser Beklopptenschule bleiben?“, schnaubte er ungnädig. Erschöpft schüttelte Petunia den Kopf und starrte ihr Brötchen an, dass ihr wie ein Stück Pappkarton im Hals stecken blieb. Vernon setzte zu einer weiteren Unmutsbekundung an, als ein lautes Krachen ihn zusammenfahren ließ. Petunia stieß ein hysterisches Kreischen aus und Vernon gelang es gerade noch, eine weitere Kaffeetasse vor dem Fall zu schützen. Vernon drehte sich schwerfällig um und starrte wie hypnotisiert aus dem Küchenfenster. Ein großes Müllauto war zu sehen und ihr cholerischer Nachbar, der auf den Müllmann einbrüllte. Beruhigt setzte Vernon sich und sah Petunia an, die ihre Hand gegen die Brust presste und gegen die Tränen kämpfte. „Wir müssen ihn abholen“, schnappte sie stattdessen. Überrascht sah Vernon sie an, war jedoch klug genug, nichts zu erwidern. Petunia wandte sich ab, während ihr Gatte sich erneut darum bemühte, konzentriert die Zeitung zu lesen. Doch immer wieder huschten seine Augen in ihre Richtung und Petunia erhob sich nervös von ihrem Stuhl. „Bis später“, murmelte sie und ging ins Badezimmer. Während des Zähneputzens sah sie Lily vor ihrem inneren Auge, die mit einem riesigen Koffer und einem Umhang die Straße entlang gelaufen kam, ein begeistertes, glückliches Glänzen in den Augen. Ihre Eltern, die am Gartentor gestanden und Lily minutenlang in den Armen gehalten hatten. Tränen vor Liebe und Familienglück. Und Petunia daneben. Sie war immer am selben Tag von der Schule gekommen, war nichts besonderes, nichts, worauf sich die Eltern monatelang freuten, ungeduldig den Ferien entgegenfieberten, in welchen sie die geliebte Tochter wieder bei sich hatten. In Lilys erstem Schuljahr hatten sie einen Brief erhalten, Lily würde von London mitgenommen, sie bräuchte nicht abgeholt werden. Es war der Tag, an dem Emma Petunia angespuckt hatte, doch dafür hatten ihre Eltern kein Ohr. Nein, Lily kam! Sie würde nach vier Monaten zum ersten Mal nach Hause kommen und sicher eine Menge zu erzählen haben. Ihre begabte, großartige Lily. Ob sie sich wohl fühlte, die Kleine? Ob sie Heimweh hatte? Ob sie dem Unterricht folgen konnte? Wie aufregend! Noch bevor Lily kam, war das Gefühl glühenden Hasses und Eifersucht in Petunia eingezogen. In den folgenden Ferien hatte Petunia sich lieber herumgetrieben, als die Ankunft der Schwester miterleben zu müssen. Auch hatte sie sich hinter eine Fassade kalter Gleichgültigkeit verschanzt und behandelte Lily höhnisch und herablassend. Anfangs hatte die kleine Schwester versucht, durch die Mauer aus Ablehnung zu dringen, doch Petunias Stolz ließ es nicht zu. Nur Harry hatte niemanden, der ihn mitnahm. Also bestand die Chance, dass er nicht so beliebt und abgehoben wie Lily würde. Dennoch: Niemals durften die Nachbarn erfahren, wo Harry lebte und wie besonders er war. Petunia spülte sich den Mund aus, zog das Sommerkleid an und ging zurück zu Vernon. Sie lächelte und er erwiderte es mit deutlich sichtbarer Erleichterung. „Was glaubst du wie die Nachbarn glotzen, wenn er in einem dieser furchtbaren Umhänge die Straße entlang kommt?“ Sie schnaubte. „Wir müssen ihn abholen und Dudders können wir dann auch direkt mitnehmen.“ „Natürlich, mein Schatz“, erwiderte er. Das Kind kam auf sie zu. Seine Augen glitzerten, die Wangen waren vor Aufregung gerötet und er stand in einer Menge von Freunden und ihren Familien, die sich alle um ihn geschart hatten. Petunias Knie wurden schwach. Nein, bitte nicht! dachte sie und starrte entsetzt auf die Szene. „Sie müssen Harrys Verwandte sein“, sagte ein Mann mit rotem Haar und streckte ihrem Mann die Hand entgegen. Wenn uns nur keiner in solcher Gesellschaft sieht, dachte Petunia und sah sich ängstlich um. Dudley stand mit offenem Mund da und glotze seinen Cousin an. „Man mag es so nennen“, blaffte Vernon den Mann an und wandte sich ab, nachdem er Harry einen unfreundlichen Blick zugeworfen hatte. Petunia legte ihrem Goldstück den Arm um die Schultern, mehr um sich zu halten, denn als Zeichen der Liebe. Dieses verdammte Kind würde die nächsten Wochen täglich im Haus sein und sie alle in den Wahnsinn treiben. Ihnen den normalen Alltag mit seiner Abnormität zur Hölle machen. Ein Fluch lag Petunia auf der Zunge, doch sie kaute stattdessen nur darauf herum. Da war nur eines, das sie tun konnte: In diesen Wochen würde sie das Kind von seinem hohen Ross stoßen und ihm zeigen, was sie von ihm und seinesgleichen hielt. Verächtlich kräuselten sich Petunias Lippen. Und wenn das Kind es wagte, ihren Liebling anzurühren, sollte es sich warm anziehen. Mit diesem Vorsatz und gerader, stolzer Haltung, folgte sie ihrem Mann hinaus auf den Bahnhofsvorplatz. -- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=1REDILadaM8&t=8s Kapitel 5: Besuch der Masons ---------------------------- Der Kaffee war wunderbar stark und Petunia trank mit leicht abgespreiztem kleinen Finger genießerisch einen Schluck. Was für ein Morgen! Schon wieder hatte diese grässliche Eule durch ihr Gekreische die viel zu kurze Nacht abrupt beendet und den Blutruck ihres Gatten schon in aller Herrgottsfrühe in ungesunde Höhen getrieben. „Diese Eule fliegt raus, wenn du sie nicht in den Griff kriegst“, brüllte er da auch schon mit dunkelrotem Teint das Kind an. „Wenn ich sie wenigstens nachts raus lassen dürfte“, rief Harry. Ein kalter Schauer lief Petunia bei der Vorstellung über den Rücken. Die Erfahrungen im vergangenen Jahr hatten ihr gereicht. „Mrs Dursley? Mrs Dursley! Halten Sie bei sich im Haus eine Eule?“ Angewidert hatte die Nachbarin von Nummer Sechs sie angesehen und die Nase gerümpft. Zunächst überrumpelt hatte sich Petunia rasch gefangen und ebenso arrogant zurück gefragt: „Eine Eule? Was bilden Sie sich ein?“ Dann hatte sie den Kopf in den Nacken geworfen, die Tasche an sich gepresst und war mit laut klackernden Schuhen Einkaufen gegangen. Seitdem grüßte die Nachbarin nicht mehr zurück, doch das kümmerte Petunia wenig. Wenigstens war ihr Rasen immer wesentlich gepflegter als der der Nachbarn. Vermutlich waren die auch auf das große Auto neidisch. „Kommt nicht in Frage“, knurrte Vernon nun und riss seine Frau aus den Gedanken. „Wir wissen ja, wohin das führt.“ Oh ja, dachte Petunia. Alles, bloß das nicht! Nur was tun? Das Vieh würde sich niemals einfach aussetzen lassen. Viel eher würde sie in den Ligusterweg zurück finden und die Aufmerksamkeit der Nachbarschaft erst Recht auf sich lenken. „Mehr Schinken“, verlangte ihr Goldstück nun und hastig bemühte sich Petunia, dem Wunsch nachzukommen. Wie dünn er geworden war. Ob Smeltings ihm gut bekam? Besorgt musterte sie ihn. Immerhin lebte er überwiegend in Sicherheit vor dem Kind. Vernon hatte ganz recht, Harry so im Auge zu behalten. „Gib mir die Pfanne“, sagte Dudley. „Du hast das Zauberwort vergessen!“ Erschrocken und zeitgleich mit Dudley schrie Petunia auf. Laut polternd fiel Dudley zu Boden. Der Sturz ihres Kindes ängstigte sie noch mehr und sie fühlte sich erbleichen. Das war bei ihr und Vernon immer so: Sie erbleichte und er errötete. Zittrig half sie ihrem Liebling auf den Stuhl zurück und langsam beruhigte sich auch die Atmung Vernons wieder. „Wie wir alle wissen, ist heute ein bedeutender Tag“, sagte er schließlich mit gewichtiger Miene. Harry zuckte zusammen und Petunia grinste höhnisch. Sie hatte den Mund schon geöffnet um zu sagen: „Nein, dein Geburtstag ist damit nicht gemeint“, als ihr einfiel, dass die Taktik des kompletten Ignorierens noch schmerzhafter sein könnte. So wandte sie sich mit überlegener Miene ihrem Gatten zu und ging mit ihm den Ablauf des Abends durch. Wie sie es genoss, Harrys unglückliche Miene zu sehen. Wahrscheinlich würden die Masons Harry sogar reizend finden. Harry konnte ebenso einnehmend wie Lily sein, was die Abscheu Petunias noch verzehnfachte. Nicht auszudenken, wenn die Masons Harry ihrem Goldstück vorziehen würden, sich alles um ihn drehen würde und ihr Goldstück durch magische Kniffe im Schatten stünde. Nein, ausgeschlossen! Vernon würde den großen Auftrag heute sichern können und das Kind würde bleiben, wo es hingehörte. „Und in einer Woche werden wir in unserer Ferienwohnung in Mallorca sein“, schloss ihr Gatte zufrieden. Beschwingt begann Petunia nach dem Frühstück mit der Hausarbeit. In den schönsten Farben malte sie sich den Urlaub aus, das Meer, der Sand, ein Glas Wein abends. Sie seufzte versonnen, bis ein Schrei sie zusammenfahren ließ. Das Kind bedrohte ihren Sohn? Schon wieder!? Petunia glaubte, in einer Welle rasender Wut ersticken zu müssen. Außer sich nahm sie die noch nasse Bratpfanne und schlug nach dem Kind, das sich gerade noch weg duckte. Du wirst nie wieder meinen Sohn verletzen, dachte sie, als sie sich am Herd festhielt. Ungefragt tauchten innere Bilder in ihr auf. Dudley im Krankenhaus, die aufdringlichen, entwürdigenden Fragen der vielen Menschen. Petunia schnappte nach Luft, gab dem Kind Gartenarbeiten auf und registrierte erleichtert, dass sie ihre Fassung allmählich wieder gewann. „Nun, ein Abszess ist das nicht, es scheint eher ein Gewächs zu sein. Doch diese Form, wirklich unüblich – sehen Sie sich das an Herr Kollege, es hat tatsächlich die Form eines Ringelschwänzchens.“ Eine Schar schnatternder Medizinstudenten hatten sich um den auf dem Bauch liegenden, wimmernden Dudley gedrängt. Als sie ihr Kind jedoch anfassen wollten, sprach Vernon ein Machtwort und bis auf den Oberarzt verließen alle den Raum. Die Erinnerung trieb Petunia noch jetzt die Schamesröte ins Gesicht. „Sir! Wenn Sie unseren Sohn nicht augenblicklich aus dieser entwürdigen Situation bringen und diese neugierigen Kerle raus schmeißen, werde ich mich an ein anderes Klinikum wenden. Das ist ja unfassbar!“ Der Schnurrbart hatte bei jeder Silbe vor Empörung mit gebebt und Petunia kaute auf ihrer Zunge, um sich vor Flüchen zu bewahren. Plötzlich eilfertig und wohl an die Summe, welche seiner Klinik entgehen könnte, denkend, verwandelte sich der Oberarzt in einen höflichen, diskreten Mann, der alle Untersuchungen behutsam vornahm. Eine lange Woche musste ihr Goldstück im Krankenhaus bleiben, dann war es endlich überstanden. Ich muss dieses Kind brechen oder es bricht uns, dachte Petunia entschlossen und entleerte den Eimer mit Schmutzwasser aus dem Fenster. Der Abend läuft nach Plan, dachte Petunia drei Stunden später und lachte schrill und falsch. Sie konnte Mrs Mason nicht ausstehen und hatte nach dem ersten Blick gespürt, dass ihre Gefühle erwidert wurden. Mit einer überschwänglichen Begrüßung, einem breiten Lächeln und Augen, die Blitze zu schießen schienen, hatten sie beide sich in die Rolle gefügt, die ihnen für den Abend zugedacht war. Was für ein geschmackloses Kleid, dachte Petunia und sah stolz auf ihr eigenes herab. „Ein ganz bezauberndes Kleid, Sie müssen mir unbedingt verraten, wo Sie das gekauft haben“, flötete Petunia und setzte das Glas ab. Das Geplänkel der Damen wurde von einem Jaulen unterbrochen und schreckensstarr hielt Petunia mitten im Bissen inne. Alle sahen zur Decke. „Dudley muss seinen Fernseher angelassen haben“, rief Vernon mit furchterregendem Grinsen und stampfte die Treppe nach oben. „Dudley interessiert sich auch sehr für Bauunternehmen, nicht wahr, Liebling?“, sagte Petunia in die Stille hinein. „Auf jeden Fall! In der Schule mussten wir mal einen Aufsatz über unseren Helden schreiben und ich habe über Sie geschrieben“, sagte Dudley und blickte Mr Mason stolz an. Dieser runzelte die Stirn. Zu dick aufgetragen, dachte Petunia. Die Rückkehr Vernons löste die gespannte Stille. Mit halbem Ohr lauschte sie der „unglaublich lustigen Geschichte über die amerikanischen Klempner“ von Mrs Mason und blickte verstohlen auf die Uhr. Ein lautes Klirren ließ sie zusammenfahren und alle sprangen erschrocken auf. Harry, in einer von Nachtisch vollgespritzten Küche stand mit vor Angst geweiteten Augen da und starrte sie an. Der Blick ließ Petunias Herz verkrampfen, diese Angst in diesen Augen. In Lilys Augen. Vernon schaffte es sogar, die Situation zu beruhigen, doch trotzdem überfiel Petunia der leise Verdacht, dass es mit dem Auftrag vielleicht doch nichts werden würde. Wehe, wenn dieser ganze Abend umsonst war und wir nicht nach Mallorca können, dachte Petunia gerade, als sie vom Fenster der Schrei einer Eule vernahm. Das Tier flog hinein, ließ kreischend einen Brief auf Mrs Masons Kopf fallen und war im nächsten Moment in der Nacht verschwunden. Nun kreischte Mrs Mason los und Petunia musste hastig ein hämisches Grinsen verbergen. Das geschah dieser Frau recht. „Diese Verrückten“, kreischte Mrs Mason und stürmte aus dem Haus. Die Genugtuung ebbte ab. Alles umsonst, dachte Petunia. Nun hat es das Kind also wieder geschafft, obwohl wir es schon versteckt haben. Wahrscheinlich war das der Fehler und er bestraft uns dafür, dass wir normal sind und er nicht. Sie hätte heulen mögen. Das hat er mit Absicht getan. Uns den Urlaub versauen, weil sich die Welt nicht um ihn dreht. Doch dass Harry hier nicht zaubern durfte, überraschte sie. Also waren die Regeln geändert worden. „Du gehst nie wieder in diese Schule zurück“, schrie Vernon und ausgelaugt lauschte Petunia den Geräuschen ihres Mannes und Neffen, die aus dem oberen Stockwerk erklangen. Er glaubt das wirklich, registrierte sie überrascht und schenkte sich das letzte Glas Cognac ein. -- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=JZBf1eNWRLk&t=11s Kapitel 6: Die Flucht --------------------- „Tunia...“ Die Stimme klang verzweifelt und flehend. „Tunia, hilf mir, bitte!“ Starr vor Angst stand Petunia da. Der Nebel war so dicht, dass sie ihre Hand vor Augen nicht sehen konnte. Der Boden zu ihren Füßen bebte und schwarze Wolken neigten sich zu ihr hinunter, bis sie in vollkommene Schwärze getaucht war. Nur die Stimme drang durch das Dunkel. Eine Stimme, die kraftloser wurde. Mutloser. „Tunia.“ Die Stimme war kaum vernehmbar. „Lily.“ Petunia meinte, der Kopf müsse ihr bersten, so laut schrie sie. Noch immer konnte sie die kleine Schwester nicht entdecken. „Lily.“ Zwei große, starke Hände kamen aus der Dunkelheit auf sie zu. Griffen nach ihr und schüttelten den bebenden Körper. „Petunia, Liebling, wach auf!“ Langsam öffnete sie die verklebten Lider, sah sich benommen um und erkannte die besorgte Miene ihres geliebten Gatten. „Oh Vernon“, stieß sie mit von Tränen erstickter Stimme hervor und schmiegte sich an ihn. Unbeholfen strich er ihr über den Rücken. „Einen Schnaps auf den Schreck?“, fragte er nach einer Weile und Petunia meinte, Erleichterung aus seiner Stimme zu vernehmen. Sie nickte. Zwar verspürte sie nicht die geringste Lust auf das bittere Getränk, doch ihr war bewusst, dass Vernon das Gefühl brauchte, ihr helfen zu können. Und der Mann für emotionalen Beistand war er nie gewesen. Ihr Gatte verließ das Schlafzimmer und stieg polternd die Treppe hinab. Hoffentlich wacht Dudders nicht auf. Wenn er mich so sieht, regt er sich bestimmt auf, mein Diddyspatz. Zart und empfindsam, wie er ist. Sie seufzte, stellte ihre Beine auf und schlang die Arme darum. Die Traumbilder waren mit dem abrupten Erwachen erloschen, nur eine dunkle Ahnung blieb. Eine kleine, schwarze Wolke, die sie traurig machte und von innen her aufzufressen schien. Besorgt lauschte sie auf die Geräusche des Hauses, doch alles war wie immer. Die Uhren tickten beruhigend regelmäßig und Vernons Schritte, sowie sein keuchender Atem kamen wieder näher. Petunia nahm kaum wahr, was für ein Gebräu sie trank. Endlich wurden die Glieder schwerer und der Schlaf nahm sie mit sich. Das Kind lag noch im Bett, als Petunia den Riegel zur Seite schob und die Zimmertür öffnete. „Aufstehen, dalli!“, herrschte sie es an. Wenn nur das drückende Gefühl in der Magengegend nachließe. Verschlafen erhob Harry sich und warf ihr einen Blick zu, aus dem Petunia stillen Vorwurf und Trotz herauslas. Mit grimmiger Miene trafen ihre eisblauen Augen die vertrauten Grünen. Endlich senkte ihr Neffe den Blick. Stumm beobachtete sie, wie das Kind ins Badezimmer ging. Kurze Zeit später war das Rauschen der Dusche zu hören. Das Ausbleiben eines Triumphgefühls, besänftigte Rache dafür, dass sie alle des Kindes wegen nicht nach Mallorca konnten, beunruhigte Petunia. Sie hätte sich gut fühlen müssen, das Kind war eingesperrt. Es würde in absehbarer Zeit nicht ständig um sie sein. Nur zweimal pro Tag musste sie seinen Anblick ertragen. Und doch… Mit leerem Blick sah Petunia aus dem Fenster, während sie sich von Minute zu Minute elender fühlte. Endlich war das Kind fertig, Petunia richtete sich auf und sah es streng und unbarmherzig an. „Hast du den Abfluss sauber gemacht?“, keifte sie. Harry erwiderte ihren Blick. War es Stolz? „Ja“, antwortete es knapp. Heftiger als beabsichtigt schlug sie die Tür zu und endlich stellte sich das angenehme Gefühl der Überlegenheit ein. Es ging nicht länger darum, einen zwölfjährigen Jungen einzusperren, nein: Es war ihr kurzfristiger Sieg gegen die Magie. „Frühstück gibt es gleich“, rief sie höhnisch durch die Tür und stieg leichtfüßig die Treppe herab. „Hat er Ärger gemacht?“, knurrte Vernon und lugte mit rotem Gesicht hinter der Zeitung hervor. „Nein“, sagte Petunia und schenkte sich eine Tasse des extra starken Kaffees ihres Gatten ein. „Ich gehe schon, Liebling.“ Vernon erhob sich, nahm das trockene Brot von vor zwei Tagen, legte eine Scheibe Käse darauf und wandte sich zum Gehen. „Das hat doch Zeit“, schnappte Petunia. „In einer halben Stunde gehe ich ohnehin nach oben!“ Etwas Unverständliches murmelnd stellte Vernon den Teller zurück und ging ins Badezimmer. In dieser Nacht wurde sie nicht durch Alpträume belastet, doch ruhig schlafen konnte sie dennoch nicht. Ununterbrochen dachte sie an das Erbe ihrer Schwester, dieses grauenhafte Kind, das sie nicht ausstehen konnte und zu allem Überfluss auch noch Tür an Tür mit ihrem Goldstück schlief. Früher hatten sie es immerhin in den Schrank sperren können, doch nun… Es sollte einfach nur weg sein, für immer. Doch nie hatte sich Petunia zum letzten Schritt überwinden können, das Kind ins nächste Waisenhaus zu stecken. Wann immer sie ernsthaft darüber nachgedacht hatte, überwältigten sie des Nachts Alpträume in einer Brutalität, die sie den darauf folgenden Tag kaum überstehen ließen. Noch sechs Jahre, dachte sie und wälzte sich zur Seite. Sechs Jahre, dann hat es ein Ende. Dann ist Lilys letzter Wille erfüllt und ich habe getan, was ich konnte. Noch drei Wochen bis Schuljahresbeginn. Und dann noch fünf Mal sechs Wochen. Dreiunddreißig Wochen muss ich es ertragen, danach werde ich es nie wieder sehen müssen. Vernon schnarchte laut und Petunia schrak zusammen. Wie soll ich das drei lange Wochen aushalten? Ein Geräusch riss sie aus den Gedanken und Petunia setzte sich auf. Mit gespitzten Ohren saß sie im Bett, die Decke umklammert und lauschte. Ein Wispern, knarrende Stufen. Ein Motorengeräusch. Leise und geschmeidig wie eine Katze stieg sie aus dem Bett und schlich auf Zehenspitzen zum Fenster. Hastig unterdrückte sie einen Aufschrei. Sie rieb sich die Augen und sah erneut hin. Das Bild hatte sich nicht verändert: Ein Wagen schwebte vor dem Fenster ihres Neffen, ein Junge nahm gerade einen Koffer entgegen. Die Erleichterung durchflutete Petunia so sehr, dass sie beinahe aufgelacht hätte. Es flieht! Der Knoten in Petunias Magengegend löste sich. Tief und befreit atmete sie. Bis die Eule schrie. Erschrocken sprang Petunia ins Bett zurück und fixierte ihren Mann, als hoffe sie, ihn durch die Intensität im Schlaf halten zu können. Vernon öffnete die Augen, warf einen wilden Blick zur Tür und stürmte aus dem Schlafzimmer. Beeilt euch, dachte Petunia und starrte paralysiert zur Wand. „Petunia“, röhrte ihr Gatte, „er haut ab!“ „Wurde auch Zeit“, murmelte Petunia und stand auf. Auch Dudley stand an Harrys Fenster und glotzte den roten Rücklichtern nach. „Bis nächsten Sommer“, rief ihnen das Kind lachend zu und Petunias Mundwinkel hoben sich. Dreißig Wochen, dachte sie zufrieden, zog den rasenden Vernon sacht vom Fenster und schloss es. -- Wenn euch die Geschichte gefallen hat und ihr sie euch gerne anhören würdet, könnt ihr das hier tun: https://www.youtube.com/watch?v=lsJBFW-q7uY&t=210s Kapitel 7: Schmerzhafte Liebe ----------------------------- Tock. Tock Tock. Der Regen beschlug die Fensterscheiben so stark, dass Petunia das Wesen zunächst nicht erkannte, das gegen die Scheibe klopfte. Entgeistert tauchte ihr Mann hinter der Zeitung auf, lief ziegelrot an und japste: „Schon wieder so ein verfluchtestes Vieh!“ Erschrocken sprang Petunia von ihrem Stuhl auf, strich mit feuchten Händen ihren Rock glatt, öffnete das Fenster und ließ das dunkelbraune Tier auf das Fensterbrett hüpfen. Ein Brief war an seinem Bein befestigt. Hinter ihr erhob sich Vernon und eilte zur Besteckschublade. „Jetzt reicht es! Wenn diese widerwärtigen Kreaturen nicht begreifen, dass sie in einem anständigen Haushalt nichts – aber auch GAR NICHTS verloren haben, werden jetzt Tatsachen geschaffen.“ Mit heimtückisch glitzernden Augen riss er die unterste Schublade auf, wobei ein Schraubenzieher heraus fiel, packte den Fleischklopfer und stapfte durch die Küche auf sie zu. „Nicht!“ Unwillkürlich stellte Petunia sich mit dem Rücken zu der Eule und hob die Arme. Vernon ließ den Fleischklopfer sinken und sah seine Frau fragend an. „Sie bringt ja nur einen Brief!“ Beruhigt ließ sie die Arme sinken und drehte sich zu dem Tier. Sie schluckte. Es war nicht nur die Abscheu vor diesem Tier, die sie zögern ließ. Mehr noch beschäftigte sie die Frage, welche Botschaft ihr Leben aufs Neue erschüttern würde. Ob dem Kind etwas zugestoßen ist? Nervös fuhr sie mit der Zunge über ihre trockenen Lippen, doch sie verwarf den Gedanken: Sollte Harry etwas Ernsteres fehlen, würden die Zauberer gewiss persönlich das Gespräch mit ihr suchen. So war es ja auch bei Lily gewesen… „Was schreiben Sie?“, raunzte Vernon und Petunia schreckte so stark zusammen, dass die Eule kurz das Gleichgewicht verlor. Angeekelt löste sie den Brief vom Bein des Tieres, das misstrauisch jede Regung ihres Gatten verfolgte. Petunia wusste, dass dieses Vieh alles verstand, was Vernon von sich gab. „Eine Abmahnung“, entgegnete sie überrascht, während sich ihr Magen angesichts der vertrauten engen, schrägen Handschrift zornig verkrampfte. Sie räusperte sich. „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass Ihr Neffe Harry bei weiteren Verstößen gegen das …“ Petunia schluckte erneut und spie die nächsten Worte aus. „… Internationale Geheimhaltungsabkommen der Schule verwiesen wird.“ Nun stülpte sich ihr Magen vollständig um. Internationales Geheimhaltungsabkommen! Wie sehr sie diese beiden Worte hasste!!! Ebenso wie die Frau, die ihr Lily mit diesen Worten zum ersten Mal genommen hatte. Vernon schnaubte. „Wäre er nur hochkant rausgeflogen“, blaffte er, wobei Speicheltropfen auf der Anrichte landeten. „Dann hätte es sich ein für allemal ausgezaubert!“ Petunia schüttelte den Kopf. „Was bedeutet hätte, dass wir ihn die nächsten sechs Jahre unentwegt hier hätten“, gab sie zu bedenken und spürte eine heftige Woge der Abneigung. Die Eule stieß einen Schrei aus, tippelte vom Abtropfbrett auf den Fenstersims, breitete ihre Schwingen aus und flog davon. Vernon knurrte etwas Unverständliches und drehte den Fleischklopfer unschlüssig in seiner fleischigen Hand. Schließlich legte er ihn auf den Tisch, küsste sie und ging zur Arbeit. Lange nachdem der Wagen das Grundstück verlassen hatte, stand Petunia noch da und starrte aus dem Fenster. Was alles hätte passieren können! Das Bild eines türkisen, zertrümmerten Ford Anglia erschien vor Petunias innerem Auge. Eine rauchende Ruine mit dem leblosen Kind hinter der Windschutzscheibe, das die Augen ihrer Schwester besaß. Nein! Petunia drückte sich beide Hände gegen den Kopf und schüttelte ihn so fest sie konnte. Dieses Kind bedeutete ihr nichts. Es war ihr gleich, was mit ihm geschah!! Petunia zerknüllte den Brief und pfefferte ihn ins Altpapier, doch noch immer verfolgten sie die Handschrift Dumbledores und die Bilder, die er in ihr ausgelöst hatte. Am ganzen Körper zitternd ließ sie sich in einen Sessel sinken. Die Bilder kamen näher, wurden größer, intensiver, atemraubender. Als hätte ein Winkel ihres Gehirns entschieden, sie absichtlich zu quälen. Als wären keine zwanzig Jahre verstrichen, fühlte Petunia einen Druck an der linken Hand, als umklammere ihre Mutter im Gewühl der Straßen Londons eben diese. Ihre Mutter, die so fest klammerte, dass die Hand taub wurde. Der leer stehende Laden mit Schaufensterpuppen, ein wildes Durcheinander von Menschen mit den haarsträubendsten Erkrankungen und Symptomen. Heiler, die mit sorgenvollen Mienen die nicht enden wollenden Gänge des St Mungo Hospitals auf und ab hasteten. Lily, in einem weißen Bett. Lily, mit geschlossenen Augen, deren dickes, wunderschönes dunkelrotes Haar in wirren Strähnen auf dem Kopfkissen ausgebreitet war. Hatte Lily im Tod ebenso ausgesehen? So verloren und so schön? Doch eines sonnigen Tages öffneten sich die Lider dieser grünen Augen wie eine Rose nach einem schlimmen Sturm. Sie suchten den Blick Petunias und lächelten, wie es nur Lilys Augen vermochten. Das Entsetzen, die Panik, die Wut. Dudley, der durch den Riesen Opfer der Magie geworden war. So wie ihre Schwester. Wenn dieses Zaubererpack mich nach Hogwarts gelassen hätte, wäre Lily nicht gestorben. Ich hätte sie gerettet. Diese arroganten, überheblichen, aufgeblasenen Magier mit ihren verdammten Zaubertricks konnten sie nicht retten. Sie haben sie umgebracht. Etwas in Petunia schien zu bersten, sie sprang auf und stürmte in die Abstellkammer. Bebend griff sie nach Schwamm und Scheuermittel. Der Zorn verlieh ihr ungeahnte Kräfte und es gelang ihr, den hartnäckigen Fleck im Badezimmer zu entfernen, der ihr seit Wochen ein Dorn im Auge war. Langsam verblassten auch die Bilder von Dudley, der wimmernd und desorientiert nach der Operation im Bett lag. Zwar ohne Schwanz, doch in miserablem Gesamtzustand. Petunia kippte viel zu viel der scharfen Flüssigkeit ins Putzwasser. Mit der unerträglichen Energie reinigte sie die komplette untere Etage, bis ihre Hände aufgrund der Chemikalien feuerrot und rissig wurden. Tief holte sie Luft. Ihr wurde fast schlecht von dem Zitronengeruch. Die Energie wurde aus ihr gesogen und es gelang ihr nicht einmal mehr, die Fenster zu öffnen. Die Beine kamen der inneren Aufforderung nicht nach, gehorchten nicht mehr. Ausgelaugt ließ sie sich auf dem Sofa nieder. Volle drei Stunden waren seit dem Ankunft des Briefes vergangen. Petunia zog die Beine an den Körper und legte die Stirn auf die Knie. Ihre Wut auf diese Welt, die ihr alles nahm was sie liebte – die alles zerstörte woran sie hing, war Trauer gewichen. -- Anhören könnt ihr euch das Kapitel hier: https://www.youtube.com/watch?v=AGkTueEoEpU Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)