A little Christmas Miracle von Amunet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Es war Weihnachten in Hogwarts und das ganze Schloss war geschmückt. In den Gängen standen wie jedes Jahr Ritterrüstungen, die falsch sangen, weil ihnen die Texte nur unvollständig beigebracht worden waren. Peeves war natürlich auch dabei, um die fehlenden Textstücke mit unanständigen Zeilen zu füllen und auch Mr. Filch, der wiederum versuchte, Peeves von dem Unfug abzubringen. Lametta und Tannenzweige verschönerten die kalten Steinmauern und hier und da hingen Mistelzweige, funkelnde Feen und von innen heraus leuchtende Sterne. Es gab mehr Kerzen an den Wänden und das komplette Schloss wirkte sehr beschaulich. Doch so hübsch die Gänge auch waren, nichts kam an die Pracht in der großen Halle heran. Hagrid und Professor Flitwick hatten sich dieses Jahr mit den Tannenbäumen übertroffen. Noch nie waren 12 so große, herrliche Tannen in der Halle gestanden und noch nie waren sie so schön geschmückt worden. Fast schien es, als würden die Lehrer und Schüler mehr feiern als Weihnachten und wenn man die Geschehnisse des letzten Jahres berücksichtigte und die Heldentat, welche im Sommer von einem 17.-Jährigen Jungen begangen worden war, dann stimmte es auch. Nach Harry Potters sechstem Schuljahr in Hogwarts war der Krieg zwischen Lord Voldemort und der Zaubererwelt erst richtig ausgebrochen. Auf beiden Seiten waren Opfer gefordert worden und doch war man erleichtert, dass sich die Zahl der Verluste so in Grenzen hielt. Den tragischsten Verlust, welchen man auf Seiten der Gewinner – dem Orden des Phönix und gleichzeitig dem Ministerium – zu beklagen hatte, war der Verlust von Albus Dumbledore und der von Harry Potter selbst. Nun, Harry Potter war nicht tot, doch als verloren galt der Junge trotzdem. Seit dem entscheidenden Kampf war Harry in einer Starre gefangen, die den Jungen wie eine leblose Puppe wirken ließ. Harry aß, lernte und nahm an allen alltäglichen Pflichten teil, aber das Funkeln in seinen Augen war erloschen. Zu viele schreckliche Dinge hatte er im Krieg erlebt. Zu viel Grauen hatten seine jungen Augen sehen müssen. Er hatte gesehen, wie Freunde an seiner Seite gestorben waren und letztendlich hatte auch er töten gemusst. Verkraftet hatte er diesen Schicksalsschlag noch nicht und die Zeit würde noch lange brauchen, um aus dem Jungen wieder einen lebenden Menschen zu machen. So war es einzig Harry Potter, der vom weihnachtlichen Glanz in ganz Hogwarts nichts mitbekam. Der Einzige? Nein, es gab noch jemanden im Schloss, der vom ganzen Trubel nichts mitbekam. Es war derjenige, der von Schuldgefühlen fast zerfressen wurde, weil er am Leid so vieler mit schuldig war und der nun, nachdem seine Eltern dem Krieg zum Opfer gefallen waren, alleine war. Er hatte niemanden, der sich um ihn kümmern konnte, denn außer entfernten Verwandten, die ihn gar nicht kannten, die ihn auch nicht haben wollten, war keiner mehr da. Die einzigen seiner Verwandten, die ihn vielleicht zu sich geholt hätten, saßen in Askaban und warteten auf die Vollstreckung durch die Dementoren. Seine Freunde hatten sich von ihm abgewandt, denn sie hatten gesehen, wie tief er gefallen war. Hatten mit angesehen, wie er gewinselt und gebettelt hatte, um sein Leben zu retten – sie hatten ihren Respekt vor ihrem jugendlichen Anführer verloren. Und keiner von ihnen hatte damit gerechnet, ihn nach dem Krieg jemals wieder zu sehen, geschweige denn lebend und in Hogwarts. Aufgrund seiner Jugend und seiner Zwangslage, hatte das Ministerium seine Haftstrafe auf Bewährung ausgesetzt und es war Professor McGonagalls Verdienst als neue Schulleiterin, dass Draco Malfoy nicht auf der Straße gelandet, sondern in einem sicheren Hafen – Hogwarts – eingelaufen war. Draco hatte sich ebenso wie Harry sehr verändert. Aus dem verzogenen Gör war ein sehr ruhiger Junge geworden, der seine Freizeit mit dem Lesen von Büchern verbrachte. Selten verließ er das Schloss und wenn doch, dann suchte er sich stets einen ruhigen und von Menschen verlassenen Ort. Das Geschnatter seiner Schulkameraden tat ihm weh, denn in Dracos Herz hatte sich eine Einsamkeit gefressen, die mit dem Verlust seiner Eltern gewachsen war. Zum ersten Mal konnte er verstehen, wie Harry Potter sich als Waise fühlen musste. Zum ersten Mal war Draco bewusst geworden, wie schmerzhaft für Harry all der Hohn gewesen war und es war auch das erste Mal, dass Draco tatsächlich Reue empfand. Durch die Einsamkeit geprägt, hatte er genug Zeit gehabt, um über seine Taten nachzudenken. Darüber, wie sehr er Harry gequält hatte oder dessen Freunde. Sogar zu seinen eigenen Freunden war er nicht besser gewesen. Crabbe und Goyle waren von ihm wie Lakaien behandelt worden, von denen er damals dachte, dass er einen Anspruch darauf hätte. Wie sehr hatte er sich geirrt! Wäre er netter und ehrlicher zu den Menschen in seinem Umfeld gewesen, vielleicht hätte er nun irgendjemanden, der sich um ihn kümmerte. Selbst Pansy, welche sich ihm stets angebiedert hatte, war fort. Sie hatte sich dem nächstbesten Slytherin mit Einfluss und Gold zugewandt. Von Liebe war keine Spur zu finden, doch wie hätten wahre Gefühle entstehen können, wenn Draco sie niemals zugelassen hatte? oooOOOooo Harry saß auf dem Fenstersims im Gryffindorschlafsaal und blickte aus dem Fenster. Seine Freunde, die auf Rons Bett saßen und Zauberschach spielten, nahm er nicht wahr. Er war tief in Gedanken versunken und beobachte mit einer schweren Melancholie den Schnee, der in wild tanzenden Flocken vom Himmel fiel. Das Gelände um Hogwarts war vollständig in unschuldiges Weiß eingetaucht. Es war grotesk, wenn man bedachte, dass hier vor wenigen Monaten die Erde von Blut durchtränkt war. Der Krieg hatte Spuren an Mensch und Land hinterlassen. Nichts war für Harry mehr, wie es vorher gewesen war. Alles hatte sich für ihn mit dem Krieg verändert – auch er selbst. Die Freude war auch jetzt, nachdem die äußeren Schäden an Hogwarts repariert und der Alltag Einzug gehalten hatte, nicht zurückgekehrt. Harry trug Narben auf seiner Seele, die frisch, rot und porös wucherten. Es brauchte nicht viel, Harry wusste dies, damit die Narben aufrissen, die Wunden sich entzündeten und sich pulsierend durch ihn fraßen. Manchmal hatte Harry den Einruck, dass etwas von Voldemort in ihm zurückgeblieben und nicht mit dem Dunklen Lord gestorben war, sondern in seinem Geist unbemerkt weiter wuchs. Aber irgendwie war Harry das egal. Er war so erschöpft. Der Krieg hatte ihn ausgelaugt und seiner Lebenskraft beraubt. Seine Narben waren tiefer, als die der meisten anderen, denn Harry hatte mehr Verantwortung als jeder andere auf seinen schmalen Schultern getragen. Doch obwohl die Last schier unüberwindbar für diesen jungen Zauberer gewesen schien, war Harry daran gewachsen. Er hatte Lord Voldemort besiegt. Er war es, der triumphieren durfte, wenngleich er es nicht tat. So viele waren gestorben. Der Tod von Cedric Diggory und Sirius nagte auch nach Monaten und Jahren noch an ihm. Er hatte nie die Schuld aus seinem Herzen verbannen können, selbst wenn sein Verstand ihm sagte, dass er weder für Voldemorts kaltblütigen Mord an Cedric, noch an Sirius‘ tollkühnem Verhalten im Ministerium etwas hätte ändern können. Aber es gab so viele andere Zauberer und Hexen, die ihm in diesen Krieg gefolgt waren, die an den Jungen-der-Überlebt geglaubt hatten und diesen Glauben mit ihrem Leben bezahlen mussten. Harry weinte. Stumm und Innerlich. Keiner seiner Freunde sollte seine Tränen sehen, denn Harry konnte und wollte nicht von ihnen getröstet werden. Hermine und Ron würden sich nur wieder unnötige Sorgen machen. Professor McGonagall würde ihn zum Gespräch bitten und ihm erneut anraten, sich aktiver am Gesellschaftsleben zu beteiligen. Aber Harry wollte nicht. Es fiel ihm schwer genug, morgens aufzustehen und den Unterricht zu besuchen. Seine Schulnoten waren mies, da sein Gehirn zu müde war, um nur einen Funken Wissen in sich aufzusaugen. Oft verbrachte er die Stunden in eisernem Schweigen und mit Augen, die wie jetzt aus dem Fenster gerichtet waren. Wenn er nach draußen sah und die Landschaft betrachtete, fühlte sich Harry zwar schwer, doch auf seltsame Art und Weise auch zufrieden. Die Natur zeigte ihm mehr als alles andere, dass die Zeit weiterlief. Mit den ersten Blumen, die im Frühling gesprossen waren, kam das Leben zurück. Der Sommer hatte es vertieft und die Schatten des Krieges vollständig verdrängt. Es war die Jahreszeit, in welcher Harry erstmals wieder Lachen in Hogwarts vernommen hatte. Der Herbst hatte, wie um sie alle an ein stummes Mahnmal zu erinnern, das Leben wieder genommen und die Welt für den tristen Winter vorbereitet. Doch selbst der Winter, zuerst trostlos und deprimierend, hatte über Nacht die Welt verzaubert und in eine weiße, unbefleckte Decke gepackt. Seitdem schneite es in Hogwarts ununterbrochen, weshalb es Harry nicht möglich war, seine langen Spaziergänge über den Grund von Hogwarts fortzusetzen. Der Schnee stand ihm bereits hüfthoch. Harry seufzte tief und endlich, nach Stunden, löste er den Blick vom Fenster. Ron, Seamus, Dean und Neville spielten noch immer Zauberschach, doch konnten sie ihr Gähnen nicht länger unterdrücken. Es war spät. Die Uhr auf dem Kaminsims deute beharrlich eine Zeit weit nach Mitternacht. Erneut seufzend glitt Harry von der Fensterbank und wurde plötzlich von seinen Freunden angestarrt. Für einen Moment schien es, als wollten sie etwas zu ihm sagen, doch dann – so als hätten sie nur auf ihn gewartet – stoben sie auseinander, löschten die Kerzen und legten sich in ihre Betten. Auch Harry legte sich in sein Bett, aber schlafen konnte er nicht. Nach und nach hörte er, wie einer nach dem anderen einschlief und der Schlafsaal von leisem Schnarchen erfüllt wurde. Eine Weile lauschte er den Geräuschen, doch dann hielt er es nicht mehr aus. Er musste sich bewegen. Jahrelanger Übung zum Dank, schlüpfte er in seinen Tarnumhang und schlich sich geräuschlos durch Schlafsaal und Gemeinschaftsraum, bis hinaus aus dem Gryffindorturm. Das Schloss umfing ihn kalt und dunkel. Die Fette Dame murmelte verschlafen etwas vor sich hin, doch wachte sie nicht einmal richtig auf, um den Übeltäter zu ermahnen. Harry tapste durch die Gänge und auch wenn seine Stimmung nicht weihnachtlich war, kam er keineswegs umhin, die farbenfrohe Weihnachtsdekoration zu bemerken. Goldene und silberne Glitzerfäden durchzogen die Korridore. Festlich geschmückte Tannenzweige verzierten die Wände und beherbergten winzige Feen, die friedlich vor sich hin schlummerten. Der Anblick dieses Frohlocken stimmte Harry noch trauriger. Er wünschte sich so sehnlich, all dies genießen zu können. Teil dieses fröhlichen Ganzen zu werden und für ein paar Stunden den Schmerz in seinem Herzen vergessen zu können. Wie gerne hätte er die schmerzverzerrten Schreie jener Hexen und Zauberer aus seinem Kopf verdrängt, die Bilder, wie sie erstarrt oder entstellt am Boden lagen. Harry wünschte sich ein leichtes Herz, welches es genoss, Weihnachtslieder zu hören und zu Lachen. Wie um sich selbst zu beweisen, dass er noch lange nicht geheilt war, suchten seine Füße die Große Halle. Hier an diesem Ort, wo mehr als irgendwo sonst im Schloss die Weihnachtsfreude vorherrschte, wollte er versuchen, ein Gefühl zu finden. Er betrat die Große Halle und die magischen Kerzen leuchteten auf. Kurz war er geblendet und sah deshalb zur verzauberten Decke, die noch immer einen Schneehimmel zeigte. Dann jedoch sah er sich erneut in der Halle um und entdeckte, dass er nicht alleine war. Unter dem größten Weihnachtsbaum saß einsam und verlassen Draco Malfoy. oooOOOooo Harry überlegte, ob er einfach gehen sollte, doch da Draco ihn direkt ansah mit einem Blick, welcher ebenso leer schien, wie Harry sich selbst fühlte, ging er auf den Slytherin zu. Ganz automatisch wurde er bis zu Draco gezogen, obwohl er eigentlich gar nicht wusste, was er ihm sagen sollte. Was sagte man zu einem Jungen, der auf der anderen Seite des Krieges gekämpft hatte und der trotzdem denselben Verlust teilte? Was sagte man zu jemandem, der einen stets gequält, verspottet und verhöhnt hatte? Was? Es war zu spät, um seine Meinung zu ändern. Denn schon hatte Harry die Halle durchquert. Er stand vor Draco und sie sahen sich an, abwägend, vorsichtig, Grün in Grau. Eine ganze Weile verging, dann taten Harrys Füße weh und er musste blinzeln. Der Hauch einer Sekunde, als seine Lider sich schlossen, löste den Bann. „Was gibt’s, Potter?“ Der Anflug des gewohnheitsmäßigen Spottes. „Das könnte ich dich auch fragen.“ „Und jetzt?“ „Was machst du hier?“ „Was machst DU hier?“ Sie befanden sich in einer Pattsituation. Harry wusste, dass Draco sich ihm ebenso wenig offenbaren würde, wie er sich dem Slytherin. Es lag zu viel Hass zwischen ihnen, zu viel Böses, als dass sich irgendetwas zwischen ihnen normalisieren könnte. Dennoch konnte er nicht gehen. Obwohl sein Verstand ihm unentwegt suggerierte, er müsse die Halle verlassen und weg von diesem blonden, gestürzten Prinzen kommen, hielten ihn seine Füße an Ort und Stelle. Im Gegenteil, als der Schmerz in seinen Beinen größer wurde, setzte er sich neben Draco, der ihn mit großen Augen ansah. „Was soll das?“ „Keine Ahnung“, antworte Harry ehrlich. Wieder herrschte ein Schweigen, welches von Minute zu Minute unangenehmer wurde. Nie waren sie sich so nahe gewesen, ohne dass Beleidigungen oder Gemeinheiten geflossen wären. Jetzt, hier, in dieser unwirklichen Weihnachtswelt, war das ganze Szenario noch unglaublicher. Harry Potter und Draco Malfoy nebeneinander unter einem geschmückten Tannenbaum sitzend, glich einer Wahnvorstellung. „Ich gehe“, sagte Draco, welcher weder die Anwesenheit von Harry, noch die Spannung länger ertragen konnte. Er stand auf, schwankte und suchte mit seiner Hand Halt, den er in Harry fand, welcher instinktiv aufgesprungen war, um Draco zu stützen. Eine Sekunde lang verstanden beide nicht, was geschehen war, doch als ihre Blicke sich abermals trafen, erröteten sie gleichzeitig. Sofort ließ Harry Draco los, sodass dieser beinahe wieder gestrauchelt wäre. Und dann bemerkte Harry etwas Unfassbares! Seine Fingerspitzen, seine Handfläche, mit welcher er Dracos Arm gehalten hatte, prickelte. Das Kribbeln breitete sich aus, wurde wärmer und erfüllte innerhalb kürzester Zeit seinen ganzen Körper. Verwundert sah er Draco an, fast so, als würde er eine Antwort von dem Slytherin erwarten, doch er wurde enttäuscht. Draco sah ihn mit dem gleichen fragenden Ausdruck im Gesicht an. „Was hast du getan?“, wollte Draco wissen und Harry konnte lediglich fassungslos seinen Kopf schütteln. „Mir ist plötzlich so… komisch.“ „Ich war das nicht“, rechtfertigte Harry sich, irritiert darüber, dass das wärmende Gefühl einfach nicht verschwinden wollte. „Was für ein Zauber kann das sein?“ Dracos Stimme klang ängstlich besorgt. „Woher soll ich das wissen? Sag mir lieber, wie er aufhört.“ Es war keineswegs so, dass dieses Gefühl schlecht gewesen wäre, doch spürte Harry ein gewisses Unbehagen, welches er nicht näher zu deuten wusste. Er konnte ja nicht ahnen, dass es Draco mitnichten anders erging. Auch dieser litt unter der Hitze, die sich weiter in seinem Körper ausbreitete und die ihn drängte, an Harry heran zu rutschen. Aber Draco gab diesem Drang eben so wenig nach, wie Harry. Harry, von mentaler Stärke erfüllt, stemmte sich dagegen, bis sein Körper zu zittern begann und der Zauber ihn Millimeter für Millimeter zu Draco zog. „Komm mir nicht näher!“, quiekte Draco, der nicht nur sah, wie Harry zu ihm kam, sondern sich selbst fast doppelt so schnell auf Harry zubewegte. In seiner Angst griff er nach dem erstbesten, das er erwischen konnte. Doch alles, was er erhaschte, war ein Stück des Weihnachtsbaumes, das ihn unangenehm piekte und ihm recht schnell durch die Finger glitt. „Vielleicht sollten wir es einfach zulassen“, schlug Harry, mit vor Anstrengung zusammengebissenen Zähnen, vor. „Spinnst du?“, fauchte Draco zurück. „Egal, was dieser Zauber bewirken soll, ich will auf keinen…“ Aber Draco bekam nicht die Gelegenheit, seinen Satz zu beenden, denn mit einem plötzlichen Ruck landete er in Harrys Armen. Es herrschte Stille. Weder Harry, noch Draco traute sich, etwas zu sagen, denn der Zauber tat sein übriges. Die Hitze nahm an Intensivität zu und jetzt gab es keinen Zweifel mehr, worin sich ihr Sinn erstreckte. Harrys Wangen röteten sich peinlich berührt. Wer nur hatte diesen fürchterlichen Zauber über sie gelegt? Und warum? Harry verstand es nicht. Er wollte Draco entkommen und versuchte, ihn wieder von sich zu schieben, doch alles, was er damit bewirkte, war ein unterdrücktes Stöhnen, das Draco entwich. Erschrocken hörte Harry damit auf. „Nicht“, flüsterte Draco verlegen, „nicht anfassen. Das macht es nur schlimmer.“ Sofern möglich, wurde Harry noch röter. Dem Slytherin erging es also nicht anders, als ihm selbst. „Kommst du an deinen Zauberstab heran?“ „Nein, der ist mir vorhin runter gefallen. Und du?“ „Er“, und Harry widerstrebte es wirklich, es zuzugeben, „er steckt in meiner hinteren Hosentasche.“ Draco brauchte einen Augenblick, um die verborgende Information darin sacken zu lassen. „Vergiss es, Potter, ich werde nicht an deinen Hintern langen!“ „Aber so können wir den Zauber vielleicht lösen.“ „Eben konntest du deine Arme auch noch bewegen, warum jetzt nicht mehr?“ „Es ist nicht so, dass ich sie nicht bewegen kann, es ist nur scheinbar so, dass ich damit nur noch dich berühren kann.“ „Oh…“, hauchte Draco. „Das ist echt blöd.“ In einer anderen Situation hätte Harry den drastischen Umschwung Dracos von Scham zu einem Wutanfall und wieder zurück amüsant gefunden. Doch nicht jetzt, wo er sich selbst in dieser Zwickmühle befand. Während Draco aber krampfhaft bemüht war, seine Gefühle zu unterdrücken, versuchte Harry, sie zu ignorieren und eine Lösung für ihr gemeinsames Problem zu finden. Leicht war es nicht, dafür hatte sich die Hitze in seinem Körper schon zu sehr in ein sexuelles Rauschen verwandelt. Harry wollte nur nicht wissen, wohin ihn dieser Zauber noch führen mochte. „Draco, du musst es versuchen! Oder willst du, dass uns irgendjemand SO findet?“ Sein Argument war gut, das leuchtete auch Draco ein. „Wenn du jemals ein Wort darüber verlieren solltest, dann…“ „Es reicht, Draco. Wir haben uns in der Vergangenheit genug angetan, meinst du nicht auch?“ Draco musste schlucken. Natürlich hatte Harry recht, er wusste es selbst, schließlich hatte er diese ganzen Schuldgefühle. Aber warum konnte er es dem Gryffindor nicht sagen? War ihre Feindschaft zu so einer starken Gewohnheit geworden? Lange hatte er überlegt, wie er sich bei Harry entschuldigen konnte und war zu keiner Lösung gelangt. Selbst jetzt, in dieser misslichen Lage, konnte er nicht aus seiner Haut. Er musste sich ändern. Nicht morgen oder übermorgen, er musste jetzt anfangen, Taten walten zu lassen. „In Ordnung“, sagte Draco und ließ seine Hände zu Harrys Po wandern. Der Zauber bewirkte, dass ihm ganz schwindlig wurde und seine Erregung weiter wuchs. Er biss sich auf die Unterlippe, um ein erneutes Keuchen zu vermeiden. Als seine Hände auf Harrys festem Po zu liegen kamen, fühlte Draco sich, als hätte er eine lange Reise hinter sich. Sein Atem ging stoßweise, sein Puls raste. Er benötige eine Pause, da seine Nerven zum bersten angespannt waren. „Malfoy“, flüsterte Harry fragend in sein Ohr. Unwillkürlich erschauerte der Slytherin, als der heiße Atem ihn streifte. „Was?“, keifte Draco zurück. „Der Zauberstab“, erinnerte Harry ihn. „Ich weiß!“, fauchte Draco, „Ich muss mich konzentrieren?“ „Warum das denn?“ „Weil“, gab Draco zerknirscht zu, „meine Hände sich ansonsten selbstständig machen.“ „Oh…“, hauchte nun Harry, hielt aber von da an seinen Mund. Er war froh, dass Draco sein Gesicht gerade nicht sehen konnte, denn Harry war knallrot. Mit geschlossenen Lidern spürte er, wie Draco nach dem Zauberstab griff und ihn ganz langsam aus der Hosentasche zog. „Ich hab ihn“, sagte Draco erfreut. „Gut, denkst du, du kannst damit zaubern?“ „Keine Ahnung, ich probier’s einfach.“ Draco machte so gut es ging einen Schlenker mit dem Stab und murmelte: „Avis“. Falls Draco mit ein paar entzückenden, gefiederten Freunden gerechnet hatte, wurde er enttäuscht. Mit einem lauten Geräusch fing eine der 12 Tannen Feuer. „Was hast du getan?“, fragte Harry entsetzt, der das Feuer prasseln hören und riechen konnte. „Keine Ahnung, ich wollte Vögel herbeizaubern.“ „Gib mir den Stab?“, befahl Harry. „Wie?“, zischte Draco wütend zurück. „Gleite einfach mit dem Stab in der Hand an meinem Körper entlang.“ „Ich werde dich nicht betatschen!“ „Mach jetzt, Malfoy, oder willst du, dass die Große Halle abfackelt?“ Mit vor Wut zusammengekniffenen Augen tat Draco widerwillig, was Harry gesagt hatte. Erstaunlicherweise ging es relativ schnell und Harry konnte das Feuer mit einem Schlenker aus seinem Zauberstab löschen. Der Anblick der halbverkohlten und Tanne hatte etwas ernüchterndes, etwas deprimierendes. Beide fühlten es und ihre ursprüngliche Stimmung, die durch das kurze Intermezzo unterbrochen worden war, kehrte zurück. Von dem störenden, doch erotisch prickelnden Gefühl war nichts mehr vorhanden, obwohl sie einander berührten und der Zauber immer noch wirkte. „Glaubst du, ein ‚Reparo‘ kann sie noch retten?“, richtete sich Harry Rat suchend an Draco. „Woher soll ich das wissen? Du bist doch der Held!“, knurrte Draco, welcher seine Worte sofort bereute, sich unbemerkt auf die Unterlippe biss, jedoch jegliche Form der Entschuldigung hinunterschluckte. Harry wiederum ignorierte Dracos Sarkasmus und sprach den Zauber. Tatsächlich bewegte sich die Tanne. Die verkohlten Überreste der Dekoration, vom kleinsten Schleifchen bis zur schönsten Kugel, fügte sich wieder zusammen, wurde ganz und strahlte von Neuem wunderschön, doch der verbrannte Teil des Baumes blieb verbrannt. „Funktioniert wohl nur bei Gegenständen“, stelle Draco in einem wesentlich versöhnlicheren Tonfall fest. „Ja“, antwortete Harry. „Ich hätte es wissen müssen.“ Draco ahnte, dass Harry nicht von der Tanne, sondern von allem verlorenen Leben sprach. In diesem Moment fühlte er sich sehr schmerzlich an den Verlust seiner Eltern erinnert. Seine Knie wurden schwach und er bekam den Drang, sich zu setzen. Er wollte sich schon setzen, als er bemerkte, dass er Harry noch immer nicht loslassen konnte. Genervt schloss er kurz seine Lider, atmete dreimal durch, ehe er sprach: „Potter, können wir uns einen Augenblick hinsetzen?“ „Von mir aus“, murmelte Harry, dem es offenkundig sehr schwer, fiel den Blick vom Baum zu lösen. Gemeinsam gelang es ihnen, etwas umständlich, sich erneut unter die Tannen zu setzen. Irgendwie war es ihnen geglückt, nebeneinander zu sitzen, was wesentlich unverfänglicher als eine intime Umarmung war, doch saßen sie mit Schulter und Oberschenkel fest aneinander gepresst da, da die Magie verhinderte, dass sie den Körperkontakt gänzlich lösten. Draco wanderte mit dem Blick über die Haustische und stellte fest, wie groß die Halle doch tatsächlich war. Wenn man dort unten saß, kam sie einem viel kleiner vor, nur von hier oben war es möglich, den Überblick zu behalten und seinen Horizont zu erweitern. Vielleicht, so dachte er, hatte Dumbledore deshalb immer so wissend ausgesehen. Seine Finger zitterten bei dem Gedanken an den verstorbenen Schulleiter und er war heilfroh, dass Harry nichts von seinen Gedanken ahnte. Dieser wiederum fragte sich gerade, weshalb ihn der Zauber ausgerechnet an Draco bannte. Er konnte die Traurigkeit in dem anderen spüren, als wäre sie ein Spiegelbild seiner selbst. Nur wusste Harry keinesfalls damit umzugehen. Wie hätte er auch alles, was Draco seinen Freunden und ihm angetan hatte, vergessen können? „Hast du deine Idee, wie wir den Zauber lösen können?“, fragte er Draco und schreckte den blondhaarigen Jungen aus seinen eigenen Gedanken. „Nein“, antworte Draco ehrlich. „Ich habe nämlich keine Idee, was für ein Zauber so etwas bewirkt.“ „Dieses Kribbeln“, sprach Harry weiter. „Ist es bei dir auch weg?“ „Hm…“, machte Draco. „Ich hoffe, das bleibt auch so.“ „Bestimmt ist das ein Streich von Peeves.“ „Peeves? Ehrlich, Potter? Geister können nicht auf diese Art zaubern, das weiß doch jedes Kind. Haben deine Eltern dir das nicht-“ Draco unterbrach sich mitten im Satz und Harry, welcher dies falsch interpretierte, sagte: „Es tut mir leid, das mit deinen Eltern.“ „Danke“, entgegnete Draco und schluckte einen plötzlichen Kloß in seinem Hals hinunter. Für einen Moment saßen sie nur beieinander, bis Draco erneut das Wort ergriff. „Mir auch.“ Erstaunt sah Harry auf. „Was?“ „Das mit deinen Eltern. Ich verstehe es jetzt.“ Wieder entstand eine Pause. „Wird es irgendwann besser?“, wollte Draco wissen und zum ersten Mal, seit sie sich gesetzt hatten, blickten sie sich direkt in die Augen. „Besser? Ich weiß es nicht, ich kannte meine Eltern nicht. Für mich sind es nur Schatten. Geister, die nur in meiner Sehnsucht leben.“ „Das ist traurig.“ „Ja. Aber du hast es auch schwer. Deine Eltern waren bei dir und sie haben sich geliebt.“ „Ich vermisse sie“, sagte Draco und ihm stiegen Tränen in die Augen. „Um diese Jahreszeit war meine Mutter immer besonders gut gelaunt. Sie mochte Weihnachten sehr. Vater und sie sind gerne Weihnachtsgeschenke kaufen gegangen. Sobald sie in der Winkelgasse erschienen mit dem großen Beutel Galleonen, den sie zuvor bei Gringotts geholt hatten, haben die Händler ihre besten Sachen ins Schaufenster gestellt.“ Draco schmunzelte dabei, obwohl sich das Lächeln nicht auf seine Augen erstreckte. „Wir hatten einen Tannenbaum, der ebenso groß wie dieser war. An Heiligabend haben Mutter und ich ihn gemeinsam geschmückt, natürlich mit Magie, aber wir haben es selbst gemacht, obwohl es unter guten Zaubererfamilien so üblich war, dass dies die Hauselfen übernehmen. In diesem einen Punkt hat sie sich aber über die Konventionen gesetzt.“ Harry wusste nicht, weshalb, doch er nahm Dracos Hand mit der seinen und drückte sie sanft. Irgendwie wollte er dem Slytherin Trost spenden. Von dieser Seite her hatte er Draco noch niemals gesehen und auch wenn es ihm schwer fiel, sich die Malfoys wie eine normale Familie vorzustellen, so glaubte er es Draco doch. „Du musst Weihnachten auch geliebt haben.“ „Das stimmt, aber jetzt… Für mich wird es kein schönes Weihnachten mehr geben.“ „Hast du denn niemanden mehr? Eine Tante oder einen Onkel?“ „Nein. Die, welche nicht in Askaban sind, wollen mich nicht. Ein ehemaliger Todesser? Das würde ihr Ansehen ruinieren. Zumindest jetzt nach dem Krieg, den wir verloren haben.“ „Ich verstehe.“ „Und du? Warum lässt du den Kopf hängen? Du hast gewonnen und auch wenn du keine Familie hast, du hängst doch immer bei den Weasleys. Bedeutet dir das nichts?“ „Doch, aber es ist so viel passiert. Ich… Ich fühle mich so fehl am Platz bei ihnen. Sie sehen nach vorne, leben weiter, fast, als wäre nichts passiert. Aber ich kann noch nicht vergessen.“ „Was sollen sie sonst tun?“, meinte Draco. „Du kannst das Geschehene nicht ungeschehen machen. Schau dir doch die Tanne an“, und Draco nickte mit dem Kopf zu dem halbverbrannten Baum. „Was lebendig ist oder war, kann nicht zurückgeholt werden. Alles was du machen kannst, ist, diejenigen, die du verloren hast, in dein Herz einzuschließen und weiterzuleben.“ „Ich weiß, aber es ist so verdammt schwer.“ „Ja…“, seufzte Draco. In dieser Sekunde waren sie stärker miteinander verbunden als jemals zuvor. Sie beide teilten gerade den gleichen Schmerz, die gleiche Bürde. „Wollen wir versuchen, den Zauber zu lösen?“, fragte Harry, der die Schwermut nun nicht länger ertrug. „Und wie?“ „Keine Ahnung. Welche Zaubersprüche kennst du?“ Für die nächsten zwanzig Minuten waren sie damit beschäftigt, jeden Zauber, den sie jemals gehört hatten und der halbwegs passend schien, auszuprobieren. Die Effekte wären für Außenstehende teilweise sehr amüsant gewesen. Einmal waren sie beide komplett purpurn geworden, von Kopf bis Fuß. Ein anderes Mal hatten sie sich tanzend im Kreis gedreht, bis sie gestolpert sind und per Zufall direkt vor Dracos Zauberstab zu liegen kamen, dem es daraufhin gelang, den Tanzfluch zu beenden. Bei einem weiteren Versuch kam bei jedem Wort, welches Harry sagte, ein Sickel aus seinem Mund geflogen. Als die Ideen und Sprüche versiegt waren, standen sie erschöpft vor dem Baum. „Vielleicht sollten wir einfach zu Madam Pomfrey?“, schlug Harry vor. „Bist du verrückt? Ich will nicht, dass mich jemand so mit dir sieht!“ „Besser Madam Pomfrey, als die Schüler oder?“ „Ich hasse es, wenn du im Recht bist“, grummelte Draco und Harry musste grinsen. Irgendwie war ihm mit einem Mal warm ums Herz und er konnte seit langem wieder etwas fühlen, das nicht nur an der Oberflache kratzte. „Lass uns gehen“, meinte er und nachdem sie nun nebeneinander standen, fanden ihre Hände wie von alleine zueinander, die Finger verschränkten sich und die Verbindung an den Schultern löste sich. „Das ist doch jetzt ein übler Scherz!“, keuchte Draco, als er Händchen haltend neben Harry stand. „Scheint so“, gab dieser zurück, doch obwohl es Malfoy war, der neben ihm stand, konnte er den Anflug von Belustigung keineswegs unterdrücken. Es gab wahrlich schlimmeres, als mit seinem früheren Kontrahenten Hand in Hand durch das Schloss zu gehen, solange sie niemand dabei sah. Eine Weile liefen sie durch das Schloss und irgendwie schien es, als hätte dieses etwas gegen sie. Die Treppen wechselten häufiger als sonst ihre Richtungen, führten sie mehrfach in die falsche Richtung und irgendwann kamen Harry und Draco, die sich eigentlich sehr gut auskannten, vom Weg ab. Voll Verwunderung führte der Weg sie in den dritten Stock, welcher noch immer für die Schüler gesperrt war. Inzwischen jedoch nicht mehr wegen Fluffy, sondern irgendwelcher Renovierungsarbeiten. Also sie jedoch in dem Korridor standen, der im Gegensatz zu allen anderen nicht weihnachtlich geschmückt und beleuchtet war, hielten sie inne. Ein Meer aus Eis erstreckte sich über den kompletten Korridor. Der Fußboden glitzerte glatt und schön im Licht des Mondes, der inzwischen durch die Schneewolken spitzelte. „Wir sollten umkehren“, meinte Draco. „Bist du nicht neugierig?“ „Warum? Wegen einer Schlittschuhlaufbahn?“, fragte Draco, dem das Ganze in der Tat nicht geheuer war. „Lass uns gehen. Wir bekommen Ärger, wenn Filch uns erwischt.“ „Seit wann kümmert dich das?“ Ertappt schwieg Draco und wurde von Harry mitgezogen. Kaum, dass sie die Eisfläche betraten, verwandelten sich ihre Schuhe und sie trugen Schlittschuhe in ihren Hausfarben. Ein Schal hatte sich um ihre Hälse gewickelt, eine Mütze bedeckte ihren Kopf und von der Decke fielen Schneeflocken, während ein paar wenige Kerzen an den Wänden in sanftem Licht aufleuchteten und den Korridor wie einen Eispalast wirken ließen. „McGonagall hat sich eine tolle Überraschung einfallen lassen“, sagte Harry. „Die Erstsemester werden sich freuen.“ „Oder die Älteren“, ergänzte Draco. „Nachts kann man hier bestimmt gut knutschen.“ Verblüfft starrte Harry Draco an. Augenblicklich überzog ein sanftes Pink Dracos Wangen und er murmelte etwas von: „Was denn?“ „Ich wusste nicht…“, stammelte Harry. „Hast du denn eine Freundin?“ „Nein“, gab Draco unverblümt zu, verschwieg aber, weshalb Pansy ihn verlassen hatte. „Und du?“ „Auch nicht.“ „Echt?“ Nun war es an ihm, überrascht dreinzublicken. „Ich dachte immer, du hättest was mit der Weasley.“ „Mit Ginny? Nein, wie kommst du denn darauf?“ „Ich weiß nicht, weil sie in deiner Nähe herumschwänzelt und dich so verliebt anblickt.“ „Du irrst dich. Ginny ist nur eine Freundin.“ „Für dich vielleicht, aber was ist mir ihr?“ „Wollen wir eine Runde laufen?“, fragte Harry, um von dem Thema abzulenken. „Ich weiß nicht…“, wich Draco aus, der bemerkte, wie das Kribbeln in seinen Körper zurückkehrte. Der Drang, noch näher an Harry heranzukommen, wuchs und von ihren inei-nander verschränkten Fingern breitete sich eine Wärme aus, die ihn ganz komisch berührte. „Komm schon“, lockte Harry. „Uns sieht doch keiner.“ „Okay“, willigte Draco schließlich ein. Ihre ersten Schritte waren zögernd und sie stolperten fast, doch intuitiv hielten sie einander fest und stützten sich gegenseitig, bis sich ihr Lauf einander angepasst hatte. Draco fühlte sich gut, denn er liebte Schlittschuhlaufen ebenso sehr wie Weihnachten und in seinem Herzen erwachte Freude, auch wenn er mit Harry diesen Spaß hatte und nicht mit seinen Eltern und Freunden, während sie über den gefrorenen Teich vor Malfoy Manor jagten. Harry hingegen bedauerte zwar, dass Ron und Hermine an diesem Spaß nicht teilhatten, nahm sich jedoch vor, sie morgen Abend hierher zu führen. Über das ganze Gesicht strahlend, übernahm Draco die Führung und brachte Harry dazu, sich mit ihm im Kreis zu drehen. Ihre Gesichter verschwammen, so schnell drehten sie sich und als sie irgendwann wieder langsamer wurden, war ihnen derart schwindlig, dass sie sich auf das Eis plumpsen ließen und duselig, aber amüsiert lachend auf der kalten Fläche lagen. „Das war schön.“ „Ja“, bestätigte Draco. „Danke.“ „Wofür?“ „Dass du mitgemacht hast.“ „Was für eine Wahl hatte ich denn, wenn du mich aufs Eis ziehst?“ „Ich hab dich nicht gezogen“, meinte Harry. „Du bist mir gefolgt.“ „Bin ich nicht!“ Harry stützte sich mit dem freien Arm auf, damit er Draco ins Gesicht sehen konnte. Die blasse Haut war von der Bewegung leuchtend rot geworden, die grauen Augen funkelten und irgendwie fand er Draco sehr hübsch in diesem Moment. „Ist es so wichtig, wie es war? Reicht es nicht, dass wir uns amüsiert haben? Ich hatte schon lange keinen solchen Spaß mehr.“ „Ich auch nicht“, gab Draco zurück und bemerkte, dass Harry ihm immer näher kam. „Was hast du vor, Potter?“, fragte er leise, schaute Harry dabei tief in die Augen, während die Wärme ihn nun von Oben bis Unten erfüllte. „Weiß nicht“, nuschelte Harry. „Austesten, ob man hier wirklich küssen kann?“ Falls Draco hatte antworten wollen, erstarb diese, als Harrys Lippen ganz vorsichtig seine berührten. Es fühlte sich eindeutig merkwürdig an, von einem Jungen geküsst zu werden und mehr als ein keusches Berühren war es ohnehin nicht, als Harry sich wieder von ihm löste. „Das nennst du küssen?“, stichelte er. „Du nicht?“ „Nicht so wirklich“, gab Draco zurück, zog Harry wieder zu sich und küsste ihn richtig. Eine ganze Weile später unterbrachen sie das Bekenntnis aus Lippen und Zunge und Draco sagte: „Das war ein Kuss.“ „Jetzt verstehe ich den Unterschied“, ging Harry auf das Necken ein. „Warum hast du mich geküsst?“, fragte Draco. „Irgendwie war da so eine Stimmung…“ „Dann war es vielleicht der Zauber?“ „Vielleicht“, sagte Harry, aber irgendwie wussten sie beide, dass es nicht an der Magie lag. Da war etwas ganz besonderes in der Luft. Sie spürten es beide und möglicherweise hatte es etwas damit zu tun, dass sie sich noch nie so richtig und ehrlich miteinander unterhalten hatten wie heute. Es konnte aber auch daran liegen, dass sie erkannt hatten, dass sie inzwischen so viel gemeinsam hatten und nicht so alleine waren, wie sie die ganze Zeit geglaubt hatten. In Harry wurde das Bedürfnis wach, nochmals Dracos Lippen zu kosten, doch als er sich herabbeugte, hielt Draco ihn auf. „Lass es uns langsam angehen.“ „Was denn?“ „Das, was auch immer es ist.“ „Und wenn es nur der Zauber ist?“ „Dann haben wir trotzdem den schönen Abend, an den wir uns erinnern werden“, meinte Draco versöhnlich. „Das klingt sehr Optimistisch.“ „Komisch, nicht? Als ich mich heute Abend unter den Weihnachtsbaum setzte, war ich so traurig, dass ich mir gewünscht habe, darunter einzuschlafen und wie im Märchen zu schlafen, bis sich mein Leben positiv verändert.“ „Du bist zwar nicht eingeschlafen, aber eventuell hat sich dein Leben schon geändert.“ „Weil du mich geküsst hast?“, neckte Draco. „Nein“, überging Harry den Scherz lächelnd, „weil du heute gelacht hast, weil du dich amüsiert hast und auch… weil du in mir einen Freund gefunden hast.“ „Ein Freund?“ „Du musst nicht mehr alleine sein, wenn du nicht willst.“ „Und was ist mit dir, Potter?“ „Ich will auch nicht mehr alleine sein. Es wird Zeit, dass ich mich nicht länger vor meinen Freunden verstecke. Sie wollen mir helfen und ich will diese Hilfe annehmen, aber… Sie können mich nicht so verstehen wie du. Möchtest du diesen Weg mit mir gehen?“ Draco überlegte nur ganz kurz. „Einverstanden. Aber wir sollten es besiegeln wie ein Versprechen.“ „Du meinst einen unbrechbaren Fluch?“, fragte Harry geschockt. „Idiot! Nein! Ich meine das hier“, schalt Draco, langte nach Harry und küsste ihn voll süßer Verlockung. „Ich glaube, das war noch nicht genug besiegelt“, raunte Harry, als Draco ihn wieder freigab, beugte sich abermals hinab und fing die Lippen auf ein weiteres Mal ein. Die Wärme hatte sie nun beide eingehüllt. Sie erfüllte sie und die Hoffnung kehrte in ihre Herzen zurück. In ihrer trauten Zweisamkeit bemerkten sie nicht einmal, wie müde sie wurden und wie der goldene Sand des Sandmannes sie in süße Träume geleitete… oooOOOooo Am nächsten Morgen erwachte Harry sehr ausgeruht. Er streckte und reckte seine Glieder, schob den Vorhang von seinem Himmelbett zur Seite und sprang auf, als er aus dem Fenster sah. Am Fenster bestätigte sich sein Eindruck, dass es aufgehört hatte zu schneien. „Ron, Ron!“, rief er aufgeregt. „Wach auf! Es hat aufgehört, zu schneien!“ „Und wenn schon“, murmelte Ron verschlafen, doch zwei Sekunden später traf ihn ein Schneeball ins Gesicht und er war wach. „Was soll das?“, fauchte er, da traf in ein weiterer Ball. Harry hatte das Fenster geöffnet und sich den Schnee vom Fenstervorsprung gekrallt. „Na warte“, drohte Ron, fügte die Überreste der Schneebälle zusammen und warf sie auf Harry, welchen er verfehlte und stattdessen Seamus traf, der durch das Geschrei geweckt worden war. „Hey!“, beschwerte sich dieser sofort, tat aber das einzig Richtige und warf den Schneeball zurück. Durch den Lärm wachten auch Neville und Dean auf. „Lasst uns rausgehen!“, schlug Harry vor. „Schneeballschlacht im Schulhof in 10 Minuten!“ Dann griff er nach seinen Klamotten und zog sie im Laufen über seinen Schlafanzug, sogar die Schuhe und den Schal warf er sich über, während er durch den Gemeinschaftsraum lief. Er wusste, seine Freunde würden nachkommen. Ron war schon fast auf seiner Höhe, als sie bei der großen Halle ankamen und dort eine Menschentraube stehen sahen. „Was ist denn los?“, fragte Harry, als er sich neben Hermine und Ginny stellte. „Irgendein Spaßvogel hat in den Weihnachtstannen Mistelzweige versteckt.“ „Und?“ „Weißt du das immer noch nicht?“, fragte Hermine. „Nach der Sache damals mit Cho nahm ich an…“ „Nein, was denn?“ „In den Mistelzweigen sind Liebeszauber versteckt.“ „Oh!“ Plötzlich musste Harry an die vergangene Nacht denken. Er war durch das Schloss gelaufen und Malfoy war auch da gewesen. Der Tannenbaum hatte gebrannt und irgendwie hatten sie sich nicht loslassen können. Hatte er das nur geträumt? Unauffällig lugte er durch die Tür. Der Weihnachtsbaum war intakt. Keine Spur von Feuer war zu sehen. Dann musste er wirklich geträumt haben, doch je länger er darüber nachdachte, umso realer fühlten sich seine Erinnerungen an. „Wen hat der Liebeszauber getroffen?“, fragte Ron und Ginny fing an zu kichern. „Das ist NICHT lustig“, schalt Hermine, konnte sich ein Grinsen aber ebenfalls nicht verkneifen. „Jetzt sag schon!“, drängelte Ron. „Flitwick und McGonagall!“ Harry und Ron schauten sich erstaunt an, dann brachen sie bei der Vorstellung, dass die Beiden sich geküsst hatten, in lautes Lachen aus. Die Umstehenden drehten sich zu ihnen um und wirklich jeder wunderte sich, dass Harry wieder ausgelassen lachen konnte. „Was macht ihr hier?“, wollte Dean wissen, der mit Seamus und Neville angerannt gekommen war. „Ab raus mit euch, Schneeballschlacht!“ Gemeinsam liefen sie hinaus, bis Harry in einer Ecke Draco stehen sah. „Ich komme gleich nach“, meinte er zu seinen Freunden, die sich zwar wunderten, aber weiter gingen. Harry war heute so guter Stimmung, da wollten sie ihn nicht ausfragen. „Hallo“, sagte Harry, als er vor Draco stand. „Hallo“, entgegnete Draco. Sie beide wurden verlegen. Harry wusste nicht, ob er seinen Traum ansprechen sollte. Wusste nicht einmal, ob es ein Traum oder Realität war, aber irgendwie war da so ein Gefühl in seinem Inneren, das ihn hoffen ließ. „Möchtest du mit? Wir machen eine Schneeballschlacht.“ „Ich weiß nicht…“ „Komm schon“, meinte Harry, ohne zu wissen, dass diese Wortwahl in Draco Erinnerungen wach rief. „Okay“, antworte er zögernd. „Lass uns ein Team machen, du und ich gegen die anderen.“ „Wir zwei gegen die Welt?“, stichelte Draco. „Was für ein amüsanter Gedanke.“ „Ist doch egal“, grinste Harry. „Hauptsache, wir sind nicht alleine.“ Damit nahm er Draco bei der Hand und zog ihn raus ins Freie, wo der erste Schneeball schon auf sie wartete. Während die Schneeballschlacht in vollen Zügen tobte und mehr und mehr Schüler und auch ein paar Lehrer anlockte, räumte Filch im Inneren die leeren Kisten mit der Weihnachtsdekoration fort, die Hagrid und Professor Flitwick nach dem Schmücken hinter den Tannen stehen lassen hatten. „Hast du das gesehen, Mrs. Norris? Lassen einfach ihren Müll hier liegen. Alles muss man selbst machen. Alles muss man selbst machen“, murmelte er vor sich hin. Zwei Kisten hatte er schon weggeräumt, als er die dritte in die Hand nahm. „Sieh nur, da ist eine zerbrochene Flasche drin. Lass uns das gleich entsorgen“, brummte der Hausmeister, schleppte die Kiste zum Raum der Wünsche und schmiss sie hinein. Mrs. Norris wollte ihn noch auf etwas aufmerksam machen, doch ein paar Erstklässler, die leichtsinnig genug waren, die Schneeballschlacht ins Schloss zu verlegen, rissen seine Aufmerksamkeit an sich. So bekam niemand mit, als die Kiste im-Raum-in-dem-alles-versteckt-ist ver-schwand, wie auf ihrer Seite in goldenen Lettern „Eigentum von Albus Dumbledore“ aufleuchtete, das Fläschchen sich zusammensetzte und auf dem Etikett in gleicher Schrift stand „Ein kleines Weihnachtswunder“. ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)