Wo dich dein Leben hinführt von tatosensei ================================================================================ Kapitel 10: Unter dem nassen Regen ---------------------------------- Sie fand die Notiz, als sie aus dem Bad herauskam. Es war ein gelber Post-it, auf einer rechteckigen Pappschachtel.   Ich warte auf dich unten im Restaurant. Ich hoffe die Sachen passen dir. S.K.   Die Neugier packte sie in diesem Augenblick und sie öffnete die Schachtel. Wann hatte er denn geschafft ihr Sachen zum Anziehen zu besorgen? Sie hatte nur ihr türkisfarbenes knielanges Sommerkleid an als sie aufs Festland kamen. Es war etwas kalt gewesen, vor allem, als es anfing zu stürmen und es sah so aus, dass dieser Tag auch ein Tag sein würde, der etwas trüb ausfallen würde. War er deshalb für sie shoppen gegangen?   Er hatte ihr ein Paar festere Schuhe besorgt, eine lange enge Jeanshose mit einem passenden weißen Top und dazu ein graues Cardigan. Es sah alles sehr stylish aus und es passte ihr perfekt. Sie war froh, dass sie nicht wieder ihr für dieses Wetter viel zu leichtes Kleid anziehen musste. Nur wieso war er auf einmal so aufmerksam zu ihr?   Sie machte sich fertig und ging aus dem Zimmer. Es war zwar erst neun Uhr am Morgen, aber sie wusste nicht wie lange er schon wach gewesen war und auf sie gewartet hatte. Sie sah ihn an der Rezeption. Er bezahlte für die Übernachtung und wurde gerade fertig, als er sie sah. Er lächelte kurz. Seine Personal Shopper hatten Geschmack bewiesen. Sie lächelte zurück.   „Vielen Dank für die Sachen, sie passen wunderbar.“, bedankte sich Tea, „Ich hoffe, ich habe dich nicht zu lange warten lassen.“   „Nein. Ich war gerade dabei ins Restaurant zu gehen und dort auf dich zu warten. Wollen wir?“   Mit einem Nicken folgte sie ihn zum reservierten Tisch, wo sie ein sehr leckeres Frühstück bekamen. Er trank seinen Kaffee, während sie einen Kräutertee bevorzugte.   „Ist es jetzt wieder ungefährlich nach Hause zu fahren?“, fragte sie, als sie mit dem Frühstück fast am Ende waren.   „Ja, das Meer ist wieder ruhig geworden, aber es wäre jetzt zu schade zurückzufahren, wo wir schon hier sind. Ich habe mir überlegt, wir könnten wandern. Hier gibt es schöne Wälder.“   Sein Plan gefiel ihr sehr. Ehrlich gesagt, wollte sie nicht so früh wieder zurück, denn sie kannte jede Ecke dieser Insel ein und auswendig. Deshalb hatte sie nichts dagegen hier auf dem Festland Wandern zu gehen, zumal ihr alles was mit der Umgebung zu tun hatte, sehr interessierte.   Sie machten sich auf dem Weg und gelangen bald an einem Waldweg, der sie immer mehr hinauf auf eine Bergspitze trieb. Sie waren schon etwa eine Stunde gelaufen, als Tea merkte, dass jeder Schritt  für sie nun etwas anstrengender wurde. Der Hügel, der unendlich schien, wurde immer steiler und erschwerte den Gang. Zudem konnte sie mit Kaiba nicht mithalten. Er bemerkte wie sie langsamer wurde und zurückblieb. Sie waren jetzt schon ziemlich weit gekommen und er musste zugeben, dass der Weg nicht gerade leicht war.   „Es ist nicht mehr lange, bald kommen wir oben an. Dort kannst du dich ausruhen.“, sagte er als er auf sie wartete, „Der Ausblick wird dir gefallen“, er näherte sich ihr und nahm ihre Hand zur Unterstützung, er bemerkte, dass sie leicht außer Atem war.   Sie gingen leise nebeneinander. Er verlangsamte seine Schritte um sie nicht hinter sich her ziehen zu müssen. Aber bald sah er, wie die Bäume weniger wurden und sie den Gipfel des Hügels erreichten.  Ihnen öffnete sich ein Bild wie aus einem Gemälde: die ganze Umgebung, verschieden hohe Hügel mit verschiedenfarbigen Wäldern, bis hin zum blauem Meer, öffnete sich wie eine neue Welt. Hier und da ragten ein paar weiße Häuser heraus und einige Vögel umkreisten den Himmel. Tea war begeistert. Sie strahlte vor Faszination. Was für ein wunderschöner, verwunschener Ort. Er hatte es wieder einmal geschafft ihr eine Freude zu bereiten.   Wie leicht es nur ist sie in Staunen zu versetzen und sie zu begeistern, dachte er. Sie war wie ein kleines Kind, das für alles offen war, was ihr neu gezeigt wurde. Sie war bewundernswert. So rein und so unkompliziert war ihr Wesen. Ihn machte es Spaß ihr zuzuschauen, und durch ihre Freude wurde auch um sein Herz warm.   Während sie wortlos den Ausblick genossen, merkten sie bald, wie dicke aber vereinzelte Regentropfen von den angesammelten Wolken herunterfielen.   „Mist, das sieht übel aus“, fluchte Kaiba und schaute sich hektisch um. Er müsste schnell einen Unterschlupf finden, bevor es aus den Eimern auf sie regnete. Während seine Augen die Umgebung scannten, wurde der Regen immer stärker. Plötzlich bemerkte er eine kleine verlassene Holzscheune nicht sehr weit von ihnen entfernt. Er griff nach Teas Hand und rief: „Komm beeil dich, dort hinten ist eine Scheune, dort können wir uns vor dem Regen schützen.“   Sie rannten nun unter dem heftigen Regen in Richtung Scheune, die wirklich sehr verlassen aussah, denn sie hatte nicht einmal eine Tür, die sie vor dem Hineingehen hindern könnte. Sie eilten hinein. Hier und da in der Scheune waren noch Reste von Stroh zu sehen. Anscheinend war hier mal ein Stall für Hirten, die ihre Schafe bis nach oben gebracht hatten. Aber dies war wohl vor vielen Jahren gewesen, denn die Scheune könnte jetzt allenfalls als Zuflucht gegen Regen und Sturm dienen und das auch noch nicht besonders gut.   Jetzt erst bemerkten sie, wie stark sie vom Regen nass geworden waren. Nicht nur, dass dieser strömend auf sie herabfiel, der angesetzte  starke Wind machte ihre Fortbewegung nur noch langsamer und ließ dem Regen Zeit sie zu durchfeuchten. Sie schauten sich an. Tea lächelte und näherte sich Kaiba.   „Du hast da was in deinen Haaren“, lächelte sie verschmitzt und griff mit der einen Hand an einem Blatt, das sich in seinen Haaren festgesetzt hatte. Ihre Bewegung war nicht hektisch, sie konzentrierte sich auf den Störenfried auf seinen Haaren und hatte fest vor nicht an ihnen zu ziehen oder sonst ihm weh zu tun. Der Anblick, sie so konzentriert etwas zu tun zu sehen, und ihre Nähe zu ihm, ließen in ihm etwas Warmes aufsteigen.  Er hatte schon wieder dieses Bedürfnis, sie zu berühren und ihre Wärme zu spüren. Verdammt, was war mit ihm los? Was an der Frau brachte ihn auf solche Gedanken?   Sie holte endlich das Blatt raus und lächelte. „Hier ist er.“ Sie sah ihn an und verspürte plötzlich eine intensive Spannung, wie als würde man die Zeit anhalten, als würde jede Bewegung wie in einer Zeitlupe geschehen, wie als würden ihre Körper sich magnetisch anziehen und sie könnten nichts gegen die Kraft der Natur unternehmen.   Er beugte sich vor, während sie zu ihm näher kam. Sie legte ihre Hände auf seine Schulter und er nahm ihre schmale Taille in seinen Griff. Wenige Sekunden danach waren ihre Lippen gegeneinander gepresst zu einem warmen und intensiven Kuss. Sie wollten sich zum ersten Mal in aller Ruhe spüren, schmecken und sich gegenseitig entdecken, sodass der Kuss nicht hektisch war. Und das alles zum ersten Mal einvernehmlich. Es fühlte sich überwältigend an.   Er wusste, dass sie ihm gefällt, dass er sich jedes Mal nach ihren zarten und warmen Lippen sehnte, aber er hätte sich nie vorstellen können, dass sie noch zarter und noch weicher sein würden, wenn sie ihn zurückküsste. Der fordernde Kuss in ihrem Zimmer war atemberaubend und schaffte es sein Blut hochkochen zu lassen, aber das, was dieser Kuss aus ihm machte, das zog alle Register. Er wollte nicht aufhören, nicht einmal, um Luft zu holen, im Gegenteil, er drückte sie fester an sich und verlieh dem Kuss noch mehr Tempo und Intensität. Sie umklammerte ihre Finger in seine vollen nassen Haare, er dagegen wanderte mit seinen Händen ihren Rücken auf und ab. Die Luft wurde knapp und sie fingen an leise Geräusche, die wie ein Wimmern klangen, von sich zu geben.   Der Sauerstoff ging aus und sie rissen sich los, um dann sich anblickend leise zu keuchen und nach Luft zu schnappen. Keiner konnte sich erklären wie es zu diesem Kuss kommen konnte und keiner konnte es dem anderen in die Schuhe schieben, weil diesmal niemand niemanden provoziert hatte. Sie hatten ihn beide gewollt. Aber bevor sie etwas zueinander sagten oder aber dort weitermachten, wo sie aufgehört hatten -  sie hatten sich noch nicht für eine Option entschieden – hörten sie eine Gruppe von Menschen mit einem Aufschrei in die Scheune rennen. Blitzschnell drehten sie sich erschrocken um.   Es waren ungefähr fünfzehn Rentner, bepackt mit Rucksäcken und Laufstöcken, die endlich ihren Weg in die Scheune gefunden hatten. Anscheinend wurden sie auch von dem Regen überrascht und suchten sich irgendeinen Platz zum Schutz. Davon zeugte auch ihr nasses Aussehen. Trotzdem schienen die älteren Herrschaften nicht ihre Laune verloren zu haben, denn sie lachten herzlich.   Einer der älteren Damen bemerkte die Beiden, die jetzt überrascht auf die Menge schauten. Sie lächelte sanft, als sie das hübsche Paar dicht  nebeneinander sah, sie hatte das Gefühl, dass sie etwas Wichtiges unterbrochen hatten, deshalb zögerte sie nicht und fragte etwas auf Spanisch.   „No, no, no se preocupe[*]“, sagte Tea, als die Dame sich an sie richtete. Die Dame glaubte ihr natürlich nicht und lächelte allwissend und verschmitzt, dann sagte sie, dass hoffentlich bald der Regen vorbei sein werde und sie schnell weg sein würde, um das liebende Pärchen nicht zu stören.   Tea wurde rot, aber antwortete nicht, da sich die Dame wieder an die anderen gesellte.   „Ich wusste nicht, dass du Spanisch kannst“, sagte Kaiba, als sie wieder alleine gelassen wurden.   Tea drehte sich zu ihn um, und lächelte ihn an: „wenn man ein Jahr lang in New York in Bronx gelebt und gearbeitet hat, dann war Spanisch überlebenswichtig.“   Er nickte verständnisvoll. Obwohl er oft in New York geschäftlich gewesen war, so hatte er nie außerhalb Manhattans gelebt. Dennoch wusste er, dass verschiedene Stadtteile mit unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen bewohnt waren und man sich manchmal in Lateinamerika, Afrika oder Asien wiederfand.   Es war klar, dass er wenig über sie wusste, was ihn jedoch überraschte, war, dass er mehr über sie, über ihr Leben, welches bestimmt kein leichtes gewesen sein konnte, erfahren wollte.   Er bemerkte, wie sie ihren Körper umarmte und ihre Hände an den Armen auf und ab bewegte. Ihr war kalt. Kein Wunder, da ihr Cardigan fast durchnässt war. Er zog seine leichte Sommerjacke aus und legte ihr auf den Schultern. Sie war groß genug um sie einzudecken. Sie sah ihn an und nahm die Jacke dankend an.   Der Regen wurde allmählich leiser bis er am Ende ganz aufhörte.  Es war Zeit sich wieder auf dem Weg zum Hafen zu machen.   ______________________________________________________ [*] Nein, nein, machen Sie sich keine Sorgen. Eigene Übersetzung.   Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)