Besuch aus Amerika von phean ================================================================================ Kapitel 17: Entschuldigung -------------------------- Sonntag, 14. Juli Nachdenklich las Kari die Nachricht des Blonden. Sie sah auf, vor wenigen Minuten war sie mit Tai durch die Haustür gekommen. Ihren Eltern konnten sie gerade noch aus dem Weg gehen, da beide in der Stadt waren. So hatte Kari ihren Bruder kurzerhand in das Badezimmer gesetzt. Sie hatte ihm vorsichtig das Blut abgewischt – seine Lippe war wieder aufgeplatzt und am Kinn, sowie den Kieferknochen hoch, hatte er mehrere Schrammen. Sie desinfizierte die Wunden und cremte sie kurz darauf ein. Er wehrte sich nicht dagegen, obwohl er das Brennen sonst unerträglich fand. Er schien ihr so abwesend zu sein. Es machte Hikari Angst, dass er gar nicht zu reagieren schien. Als sie fertig war, erhob er sich ohne ein Wort und lief in sein Zimmer, er legte sich einfach in sein Bett. Ihr Mund verzog sich, als sie immer noch die Zimmertüre anstarrte. Yamato wollte mit ihr reden … vermutlich über Tai. Und das, was war. Sie überlegte. Kari: Ja, wäre morgen beim Spielplatz in Ordnung? Ihr Bruder würde es nicht gutheißen, wenn er ihre Antwort kannte. Sie konnte sehen, wie verletzt er war. Seine Kräfte waren am Ende und er hielt das nicht mehr lange aus. Er brauchte seine Freunde. Er brauchte seinen besten Freund. Hikari musste das beenden! Für ihren Bruder! ❀ ❀ ❀ Gedankenverloren starrte Hikari auf den Boden. Sie schaukelte leicht vor und zurück – nur ein paar Zentimeter. ‚Das muss sein, Tai geht es nicht gut … Das muss sein …‘, sprach sie sich selbst in Gedanken vor. Ihr Bruder war den gesamten restlichen Tag und auch diesen nicht aus seinem Zimmer gekommen. Als sie zu ihm hineingesehen hatte, lag er eingerollt in seinem Bett. Er hatte nicht mit ihr gesprochen und schien sie gar nicht zu bemerken, obwohl seine Augen offen waren. Ihren Eltern hatte sie gesagt, dass Tai bei Matt geschlafen hatte und mit diesem unterwegs war. Sie hoffte sie würden ihr verzeihen, falls sie das herausfinden sollten. „Hallo“, hörte sie eine tiefe Stimme. Immer noch etwas geistesabwesend hob sich ihr Kopf und sie sah in die Richtung, aus der die Stimme kam. Sie überlegte, was sie erwidern sollte, doch irgendwie wollte kein Wort aus ihrem Mund kommen. Daher zwang sie sich zu einem leichten Lächeln und senkte ihren Kopf wieder. Yamato trat näher und setzte sich auf die freie Schaukel neben sie. Mit beiden Armen griff er um die Seile der Befestigung herum, sodass diese in seinen Armbeugen lagen. Seine Hände verschränkte er vor sich miteinander. Er wollte zwar dieses Treffen, er wusste auch was er wollte, doch er traute sich nicht zu fragen. So blieb es zwischen den beiden still, während die Sonne langsam hinter den Bäumen unterging. Der Himmel färbte sich erst orange und dann rot. Kari hielt diese Stille nicht aus, sie war ihr richtig unangenehm. In ihrem Bauch zog sich alles zusammen, ihr wurde schlecht. Aber das hier musste sein – für Tai. „Er wollte das alles nicht“, murmelte das Mädchen in die Stille hinein. Überrascht sah Yamato auf, doch sein Blick verhärtete sich gleich wieder, „das hörte sich aber letzten Sonntag anders an“, knurrte er. Es war jetzt genau eine Woche her. Kari seufzte und sah zum Himmel auf, „ich weiß nicht, was genau passiert ist, aber er wollte das niemals!“ „Und was wollte er dann?“, seine Stimme war immer noch hart, doch er ließ es zu, dass sie ihn überzeugen konnte. „Er kann nichts für seine Gefühle“, sie drehte sich zu ihm. Er las in ihren Augen, dass sie es ehrlich meinte. Sie war aufrichtig. „Ich sage nicht, dass er keine Fehler gemacht hat. Er hatte auch damit abgeschlossen. Er gab euch seinen Segen … im Winter vor vier Jahren. Doch als aus euch beiden nichts wurde, schöpfte er wieder Hoffnung …“ Sie starrte immer noch auf den Boden. „Matt, was würdest du denken?“, das Mädchen hob den Blick und starrte den Blonden an, „er hatte sich nur Zeit gelassen, weil er dich nicht verletzen wollte. Er war sich nicht sicher, ob es für dich ‚ok‘ sein würde. Auch wenn vier Jahre eine lange Zeit sind, die er euch geben lassen wollte, aber wollte euch einfach nicht zu nahe treten.“ „Belügt er sich dabei nicht selbst?“, Yamato legte den Kopf schief. „Ja, vermutlich …“ Kari nickte und schaukelte wieder vor und zurück. „Aber er weiß es nicht besser, du weißt selbst, wie er ist“, murmelte sie. „Darum hat er nicht mit mir geredet?“ „Ja, als er merkte, dass ihr euch wieder trefft, hat er angefangen, alles in sich hinein zu fressen“, sie machte eine Pause, „er konnte einfach nicht mit dir reden, wie auch? Sollte er dir sein Leid erzählen, während du mit ihr zusammen bist?“ Hikari ließ ihn nicht aus den Augen, sie wartete darauf, dass es ‚klick‘ bei ihm machen würde. Yamato erwiderte ihren Blick und dachte nach. Dann fing er langsam an zu nicken. Sein Atem ging schwer, dann seufzte er. „Matt, er weiß, dass er Fehler gemacht hat. Aber es ist momentan nicht nur das, er hat auch noch andere Probleme. Aber er konnte mit dir einfach nicht reden, weil er sich ausgeschlossen fühlt. Er fühlt sich nicht zugehörig“, Hikari hob ihren Kopf und sah in den Himmel. Leicht schimmerten die Sterne am Abendhimmel – es war noch zu hell, um sie strahlend zu sehen. „Er gehört immer zu uns, das sollte er wissen.“ „Aber er wusste nicht, mit wem er reden konnte. Ich hoffe du verstehst jetzt, weshalb auch ich nichts gesagt habe.“ „Ja“, gab er ihr Recht, „ich wollte mich bei dir noch für gestern entschuldigen. Ich hatte nicht gewollt, dass du dich verletzt! Aber trotzdem hätte Tai doch einfach zu mir kommen können.“ Auch sie musste seufzen. Stille kehrte wieder ein. Seine Gedanken kreisten um die Informationen, die er gerade bekommen hatte. Er verstand Tai, es wäre seltsam gewesen, wenn sein bester Freund mit ihm über seine Freundin geredet hätte. Schließlich waren sie wohl in die gleiche Frau verliebt. „Wie geht es Tai?“, Yamato war doch etwas neugierig, er hatte gesehen, dass Tai sich nicht gewehrt hatte. Das war ihm seltsam vorgekommen. Als Kari zu ihm blickte, erkannte sie, dass er es wirklich wissen wollte. Sie überlegte kurz, wie sie es formulieren sollte. „Er war nicht sehr gesprächig und hat sich gleich in sein Zimmer zurückgezogen.“ „Mh …“, gab Yamato gedankenverloren von sich. „Es geht ihm nicht gut – schon lange nicht – aber seit letzter Woche ist es schlimm und seit gestern besonders schlimm! Ich weiß nicht mehr was ich tun kann, damit es ihm wieder besser geht“, als sie ihren Blick hob, kniete der Blonde vor ihr. Er lächelte sie an, hob seine Hand und strich ihr die Träne von der Wange. Da erst fiel ihr auf, dass sie angefangen hatte zu weinen. „Er ist völlig am Ende, ich sehe, wie er unter dieser Last zerbricht …“ „Ganz ruhig“, er legte seine Hand auf ihr Knie. Verzweifelt hatte sie sich an die Halterung geklammert, unter seiner warmen Hand entspannte sie sich wieder etwas. Er seufzte, „denkst du … ich kann mit ihm reden?“ Ihre Augen weiteten sich überrascht. Sie hatte nicht erwartete, dass er so etwas sagen würde. „Wieso?“ Das Mädchen verstand es nicht, auch wenn sie es gut fand. „Ich kann nicht gutheißen, was er getan hat, aber ich muss es klar stellen. Er hätte zu mir kommen sollen. Wir sind Freunde und dann soll er gefälligst mit mir reden, wenn er ein Problem hat“, den letzten Satz knurrte er und seine Augen blitzten auf. Ihr fehlten die Worte, sie brachte nichts raus. Aber sie fühlte sich so befreit wie nie zuvor. Endlich konnte sie sich jemandem anvertrauen. Ob es nun richtig war, es gerade Matt zu erzählen oder nicht, das wollte sie an einem anderen Tag entscheiden. Tai konnte über sie urteilen wie er wollte, aber für sie war es das Richtige. Sie musste es in Kauf nehmen, dass er zunächst sauer auf sie war. „Aber warte“, er hob einen Finger, „du hast gesagt, er hat noch ein anderes Problem … was ist das?“ Hikari schnappte nach Luft, gleich darauf biss sie sich auf die Unterlippe. Viele Minuten starrte sie in die blauen Augen des Älteren. Sie senkte den Blick wieder. „Kari, sag es mir …“ „I-ich weiß nicht … e-es … e-er sollte …“ „Du kannst mir vertrauen, es wird niemand anderer erfahren … Nicht einmal Sora …“ „Aber … es betrifft nicht nur ihn …“, das Mädchen seufzte. „Wen betrifft es? Sag mir wenigstens das …“ Sie sah auf, „aber dann musst du ihn selbst fragen … niemand weiß es sonst …“, sie wartete auf ein Nicken. Ihr war bei dem Gedanken unwohl, da sie die Braunhaarige doch extra gebeten hatte, erst einmal nichts zu sagen. Sie fühlte sich schlecht, dass nun ausgerechnet sie dieses Versprechen brach. Erwartungsvoll blickte Yamato sie an. Hikari sah ihm in die Augen, dann zur Seite, „Mimi“, flüsterte sie in den nächtlichen Himmel. Matt atmete tief ein. Er brauchte einen Moment, damit er den Namen einer Person zuordnen konnte. Dann realisierte er es und er hatte das Bild der Braunhaarigen vor seinem inneren Auge. Er nickte. „Ich werde ihn darauf ansprechen … er wird dich nicht dafür hassen …“ Sie schüttelte den Kopf, „ich habe es Mimi versprochen … es geht darum, dass er nicht noch mehr ärger erlauben darf, daher habe ich sie gebeten, es für sich zu behalten …“ Er nickte erneut wissend, „auch sie wird dich nicht dafür hassen … haben sie darüber geredet?“ „Nein … er ist momentan nicht in der Verfassung … er schämt sich … aber er wird sich entschuldigen, sobald er es kann …“ In ihren Augen sah er, dass sie es ernst meinte und ihn notfalls dazu zwingen würde. Aber er erkannte auch Liebe darin. Liebe für ihren Bruder. Mitgefühl für ihren Bruder. Sorge um ihren Bruder. Sie war immer noch so mitfühlend wie während ihrer Reise. Sie wollte das Beste für alle. Und sie würde immer zu ihrem Bruder stehen. Egal was auch passieren würde. „Ich werde mit ihm reden … es ist nur … er hätte zu mir kommen sollen …“ „… er … er konnte nicht … d-das weiß du genau …“, begann Kari erneut. Er nickte noch einmal. In ihr brannte es, Tränen stiegen in ihr auf. Sie wusste nichts zu weiter zu sagen. Matt ließ seine Hand sinken und erhob sich. Doch dann griff er nach ihren Händen und zog sie in seine Arme. „Keine Sorge, das bekommen wir schon wieder hin“, murmelte er und strich ihr über den Rücken. Wie von selbst fasste sie um ihn herum und krallte sich in sein Shirt. Das Schniefen konnte sie nicht unterdrücken und dann brachen auch die Tränen aus ihr heraus. Er konnte sich vorstellen, was für eine Last das war, die auf ihren Schultern gelegen haben musste. Yamato kannte ihren Bruder nur zu gut. „Komm“, murmelte er dann, „ich bring dich nach Hause …“ Er löste sich von ihr und auch sie ließ langsam die Arme sinken. Matt trat neben das Mädchen und legte einen Arm um ihre Schultern. Ihr Körper hatte aufgehört zu beben und langsam ließ sie sich von ihm führen. Auch wenn sie sich schlecht fühlte, weil sie sich bei Matt ausgesprochen hatte, fühlte sie sich besser. Während sie darüber nachdachte, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Yamato sah von der Seite zu ihr und musste auch unwillkürlich lächeln. Nun verstand er, was in dem Braunhaarigen los war und weshalb er sich am gestrigen Tag so seltsam benommen hatte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)