TMNT - Schicksal? von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 42: Im Stich gelassen ----------------------------- Aus Bernadettes Sicht: Es ist einfach nur zum Verzweifeln und so sehr ich auch dagegen ankämpfen will, meine Tränen bahnen sich ins Freie. Sie tropfen sogar auf mein Handy, welches ich noch immer in der Hand halte. Ständig starre ich auf dem Bildschirm und wische die salzigen Wassertropfen zur Seite. „Bitte Raphael, melde dich doch.“, murmle ich, während mein Blick weiterhin auf das schwarze Ding gerichtet bleibt. In stiller Hoffnung, dass Raphael doch wieder zur Besinnung kommt und umkehrt, warte ich eine weitere Stunde. Jedoch zeigt er sich nicht. Mit jeder Minute, die verstreicht und die ich hier verharre, wird mein Herz schwerer. Wie konnte es überhaupt soweit kommen? Immer wieder stelle ich mir diese Frage, erhalte aber doch keine passende Antwort. Denn selbst jede noch so kleine Möglichkeit, die dies erklären könnte, verläuft im Sande. In letzter Zeit haben wir uns nicht einmal gestritten. Es hat keine gröbere Meinungsverschiedenheit, oder sonst irgendetwas dergleichen gegeben. Das Einzige, was war, ist, dass wir oft voneinander getrennt waren, während sich mein alltägliches Leben endlich mal langsam zum Guten gewendet hat. Muss aber deswegen meine Beziehung zu Raphael darunter leiden? Kann ich denn nicht beides haben, meinen Schattenkrieger und ein halbwegs angenehmes Leben am Tag? Ich verstehe das einfach nicht. Ich habe gedacht, dass wir beide eigentlich glücklich sind und dass wir diese „Phase“ gemeinsam hinter uns bringen können. Doch nun bin ich allein und ich habe Dinge gesagt, die ich am liebsten wieder rückgängig machen möchte. Raphael ist nun nicht nur gekränkt, was unsere magere Zweisamkeit angeht, jetzt ist auch noch unsere Beziehung Geschichte. Mit gesenktem Kopf beschließe ich schließlich, alleine nach Hause zurückzukehren. Es hat anscheinend keinen Sinn, wenn ich noch länger hierbleibe. So sehr ich auch daran festhalten will, Raphael wird nicht zu mir zurückkommen. Allein dieser Gedanke ist ein Stich ins Herz. Nur was soll ich tun? Er reagiert auf nichts und ich kann auch nicht ewig hier oben bleiben. Vielleicht ist es besser, wenn ich einfach nach Hause gehe. Es wird zwar eine ordentliche Strecke auf mich zukommen, aber etwas anderes kann ich nun mal nicht tun. Mit schweren Herzen such ich nach einer Möglichkeit, um nach unten zu gelangen. Als ich mich aber auf dem Dach umsehe, muss ich mit Schrecken feststellen, dass dies wohl schwieriger sein dürfte, als zunächst gedacht. Abgesehen davon, dass ich mich hier überhaupt nicht auskenne, ist zwischen diesem Gebäude und dem Nächsten ein weiter Spalt. Es gibt auch nur eine Feuertreppe, welche direkt in einer engen Gasse führt. Jedoch sieht dieses Gerüst keineswegs sicher aus. Allein der starke Rost auf dem Metall lässt für sich sprechen, dass man sich schon lange nicht darum gekümmert hat. Unsicher kaue ich auf meiner Unterlippe. Was soll ich jetzt machen? Ich kann doch hier nicht versauern, aber ich kann da auch nicht runterklettern. Ich habe zwar keine Höhenangst, ich habe aber dennoch keine Lust mir das Genick zu brechen, nur weil das Gerüst der reinste Schrott ist. Ich bin hin- und hergerissen und laufe noch einmal das gesamte Dach ab. Nur um festzustellen, dass es nur eine einzige sichtbare Möglichkeit gibt, um von hier runterzukommen. Wieso musste er mich ausgerechnet dort absetzen, von wo ich so gut wie gar nicht wegkomme?! Am liebsten hätte ich das Handy noch einmal ergriffen, ihn angerufen und gefragt, wie er sich das bitte vorstellt. Allerdings kann ich mir das getrost abschminken. Nicht nur, dass der feine Herr sowieso nicht rangehen wird, er wird heute Nacht nicht mehr zurückkommen. Ich bin vollkommen auf mich allein gestellt. Was ist aber mit Donnie, Mikey, oder Leo? Einer von ihnen könnte mich abholen! Das ist die Idee, wieso ist mir das nicht schon viel früher eingefallen?! Schon zücke ich hastig das schwarze Gerät aus meiner Tasche und will eine der Nummern wählen, aber dann kommen mir Raphaels Worte wieder in den Sinn: „… Leo, sie alle haben vermutlich Recht: Ein Mensch und ein Mutant können nicht zusammen sein. Zumindest nicht so!“ Mitten in der Bewegung habe ich innegehalten, während ich nun stumm in die Leere starre. Nein, das tue ich jetzt gewiss nicht! Auf gar keinen Fall werde ich einen von ihnen anrufen! Ich weiß zwar nicht, was sie ihrem Bruder eingeredet haben, aber ich werde mit Sicherheit nicht auf ihre Hilfe warten. Unsere Beziehung geht denen nichts an und doch müssen sie Raphael irgendwelche Flausen in den Kopf gesetzt haben! Sonst hätte er niemals etwas in diese Richtung gesagt. Nur warum? Ich verstehe mich doch gut mit ihnen. Selbst mit Leo klappt es jetzt besser und seit wann sind die anderen beiden auch dagegen? Ich dachte, dass zumindest Donnie und Mikey hinter uns stehen würden. Kein einziges Mal habe ich den Eindruck gehabt, dass sie zwischen mir und Raphael ein Problem sehen würden. Warum also jetzt? Ich bin verwirrt, wütend und ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht! Alles scheint irgendwie drunter und drüber zu gehen. Ich habe einfach genug! Für heute und für die nächste Zeit soll mir keiner von ihnen in die Quere kommen! So viel ist sicher! Was mache ich aber jetzt? Mir bleibt wohl wirklich nichts Anderes übrig, als diese waghalsige Kletterei zu wagen. Ich schlucke, während ich das Handy wieder zurückstecke. Vorsichtig greife ich nach der Halterung der ersten Leiter. „Bitte lieber Gott lass mich für heute zumindest das hier heil überstehen.“, flehe ich und sehe sogar kurz nach oben. Ob es den nun gibt, interessiert mich keineswegs. Ich weiß nur, dass ich irgendwie heil von diesem Dach herunterkommen will und da ist mir jede noch so kleine Hilfe recht. Selbst wenn es sich dabei um etwas Übernatürlichen handelt, was man nicht mit dem Verstand erklären kann. Langsam steige ich auf die erste Sprosse. Ein Knarren ist zu hören. Ich kann nur hoffen, dass dieses Ding zumindest solange hält, bis ich unten angekommen bin. Dieses Geräusch ist nicht gerade sehr einladen, geschweige ermutigend, aber ich muss weiter. Noch einmal tief durchatmend wage ich die nächsten Schritte. Jedes darauffolgende Geräusch lässt mich aufschrecken. Es gibt keine Garantie dafür, dass das Ganze nicht doch zusammenkracht, während ich hier noch „herumklettere“. Allerdings ist bis jetzt noch nichts passiert, aber das ist nur ein kleiner Trost. Ich bleibe weiterhin angespannt und das ändert sich erst, als ich bei der letzten Leiter angelangt bin. Das Ende ist nicht mehr weit. Bald habe ich es geschafft und ich feiere das schon innerlich, als ich plötzlich wieder etwas höre. Dieses letzte Knarren verheißt diesmal nichts Gutes. Es klingt viel lauter und bedrohlicher. Als wolle es mich daran erinnern, dass ich das noch lange nicht ausgestanden habe und dass ich mich zu früh gefreut habe. Wieso werde ich so sehr damit gestraft? Reicht es denn nicht, dass ich mich bereits beschissen fühle? Die Antwort darauf ist „Nein“ und als wenn ich es vorhin vorausgesehen hätte, passiert schon das nächste Unglück. Wie auf Kommando knarrt es ein weiteres Mal. Das Geräusch wird lauter und ehe ich mich versehe, zerbricht das Stück Metall über meinem Kopf. Ich verliere den Halt und falle in die Tiefe. Ich schreie, als könnte mir das helfen, verstumme aber sofort, als ich auf einem Berg mit Müllsäcken lande und beinahe von diesen Dingern vergraben werde. Mein Sturz wurde von diesem Haufen abgebremst und ich kann von Glück reden, dass ich noch lebe. Mühselig befreie ich mich davon. Wohin ich auch meinen Kopf wende, es stinkt, aber wenigstens handelt es sich hierbei nicht um Biomüll. Das hätte vermutlich noch mehr gestunken und mich sogar zum Würgen gebracht. Meine Freude hält sich aber in Grenzen, denn diesen Sturz habe ich nicht ohne Verletzungen überstanden. Mein rechter Knöchel tut weh, aber das nichts im Vergleich zu dem stechenden Schmerz bei meiner linken Hand. Ein großer Schnitt ziert die Innenfläche und etwas Blut bahnt sich seinen Weg ins Freie. Es brennt höllisch und ich verziehe dabei mein Gesicht. Bei jeder Bewegung, die ich mache, schmerzt es mehr. Damit aber nicht noch mehr Blut meinen Körper verlässt, versuche ich mit Hilfe meiner heilen Hand und meinen Zähnen ein Stück von meinem Shirt abzureißen. Nur mühselig gelingt es mir und dabei sieht das im Fernsehen immer so leicht aus. Wie machen die das, dass das bei denen so schnell geht, oder liegt es vielleicht doch an dem Stoff? Es kann aber genauso sein, dass ich mich momentan ungeschickt anstelle, aber kann man dabei etwas anderes erwarten? Ich bin gerade gestürzt und habe momentan nicht wirklich viel Geduld, während ich mir einen provisorischen Verband herstelle. Meine Finger zittern immer noch, während mein Puls sich aufgeregt zu Wort meldet. Nach einer gefühlten Ewigkeit halte ich schließlich einen langen Streifen in meiner Hand und wickle mir das Stück Stoff über die Wunde. Allerdings muss ich bei jedem weiteren Stich, den ich dabei spüre, zusammenzucken. Es tut einfach höllisch weh, aber zumindest ist die Hand nun gut eingewickelt und ich kann endlich von hier verschwinden. Nur mit Mühe und mit weiteren Schmerzen kann ich nach einer Weile von den Plastiksäcken herunterklettern und diese Gasse humpelnd verlassen. Jeden Schritt, den ich mache, ist die Hölle und ich muss sogar einige Male stehen bleiben, damit ich mich bei der nächsten Wand, die sich mir gerade bietet, ein wenig ausruhen kann. Diese Nacht ist echt zum Vergessen und ich wünschte mir, es wäre niemals soweit gekommen. Weitere Tränen kullern mir nacheinander an den Wangen herunter. Ich fühle mich, als würde ich inmitten eines Albtraumes feststecken. Doch leider ist dies die bittere Realität. Ich bin hier, irgendwo im New York und habe keine Ahnung, wo es mich verschlagen hat. Nichts kommt mir hier irgendwie bekannt vor. Ich bin noch nie in dieser Gegend gewesen und nun muss ich zusehen, dass ich irgendwie wieder von hier wegkomme. Raphael hat mich einfach hier sitzen lassen. Er ist weg und ich habe keine Ahnung, wie ich nach Hause kommen soll. Würde es jetzt auch noch wie aus Eimern schütten, so wäre das die Krönung des heutigen Abends. Doch anscheinend bleibt mir zumindest das erspart. Ich sehe zum Himmel empor. Es ist eine klare Nacht, eine Nacht, in der ich eigentlich eine romantische Zeit mit Raphael verbringen wollte. Doch stattdessen bin ich mutterseelenallein und irre umher, während ich einen Weg nach Hause suche. Hätte ich doch auch mein Smartphone mitgenommen. Dann könnte ich wenigstens ins Internet gehen und eine Karte öffnen. Doch das schwarze Handy, was ich dafür eingesteckt habe, hilft mir momentan überhaupt nicht. Donnie hat mir eine ältere Version von seinen Kreationen gegeben, weswegen ich nicht auf den heutigen Standard bauen kann. Mit dem blöden Ding kann ich nur jemanden anrufen, oder eine Textnachricht verschicken. Das Einzige, was es noch hat, ist eine GPS-Funktion, mit der ich geortet werden kann, aber das ist scheinbar auch nur der erste Versuch. Es ist einfach zum Verzweifeln und ich würde am liebsten schreien! Jedoch bringt mir das nichts und ich will einfach nur noch nach Hause, egal wie lange ich dafür brauchen werde. Sauer auf die ganze Welt versuche ich leicht humpelnd den bestmöglichen Weg zu finden. Doch ich muss erst einmal wissen, wo ich mich überhaupt befinde und da ich ja kein Internet zur Verfügung habe, muss ich es auf altmodische Art herausfinden. Dafür quäle ich mich die nächsten Treppen zur nahegelegenen U-Bahnstation hinunter, die ich glücklicherweise entdeckt habe. Normalerweise befindet sich dort immer eine Karte an der Wand, was auch diesmal der Fall ist. Lieber wäre es mir gewesen, wenn es auch weiter oben eine geben würde. Dann ich hätte mich nicht mit diesem Knöchel nicht so sehr herumplagen müssen, aber vielleicht komme ich mit der U-Bahn ein gutes Stück in Richtung Ziel. Müde und gereizt überfliege ich die gesamte Karte. Dabei stelle ich fest, dass bis zu mir nach Hause noch eine große Strecke vor mir liegt. Na toll, das hat mir gerade noch gefehlt! Hätte Raphael mich vielleicht noch weiter wegbringen können, dann hätte ich eine noch größere Herausforderung. Er hat mich einfach im Nirgendwo im Stich gelassen und nun muss ich selbst zusehen, wie ich von da wieder wegkomme! Das verzeihe ich ihm nicht! Das schwöre ich und wenn er mir nur einmal vor die Augen tritt, dann bekommt er von mir was zu hören, sodass ihm Hören und Sehen vergeht! Schnaubend drehe ich mich nun um und besorge mir beim nächsten Automaten ein Ticket. Zu meinem Glück, wenn man das überhaupt so nennen kann, habe ich immer meine Geldbörse dabei, sobald ich das Haus verlasse. Sonst könnte ich nicht einmal mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren. Was wäre gewesen, wenn das nicht so wäre? Hätte ich dann etwa dort, wo er mich hängen hat lassen, versauern sollen?! Ich könnte vor Wut noch explodieren! Was hat er sich nur dabei gedacht?! Vermutlich gar nichts, sonst wäre er nicht einfach so abgehauen und hätte mich mit meinem Schicksal allein gelassen! Während ich ungeduldig auf die nächste U-Bahn warte, koche ich immer noch vor Wut. Es ist schon ein Wunder, dass ich nicht bereits explodiert bin, aber vielleicht kommt das noch. Denn dieses Gefühl lässt sich nicht so einfach abschütteln, selbst als ich mich murrend einen Platz in den nächsten Wagon gesucht habe. Ich starre einfach aus dem Fenster und beachte die wenigen Leute nicht, die ebenfalls die U-Bahn nutzen. Was sie machen, ist mir scheißegal, ich will nur meine Ruhe haben und möglichst bald wieder zu Hause sein. Wenn ich doch nur aus Leibeskräften schreien könnte. Mir brennt es förmlich unter den Fingernägeln meine Wut freien Lauf zu lassen, aber hier dürfte das wohl etwas schwierig werden. Auch wenn ich am liebsten alles zunichtemachen würde, was mir gerade in die Quere kommt, habe trotz allem keinen Bock darauf, noch mehr in Schwierigkeiten zu geraten. Meine Verletzungen und damit meine ich nicht nur die körperlichen reichen für heute. Um aber dennoch etwas Dampf ablassen zu können, zücke ich noch einmal das schwarze Handy aus meiner Tasche und schreibe einhändig eine letzte Nachricht an Raphael: « Nur zu deiner Information: Vielen Dank auch, dass du mich auf dem Dach hast hängen lassen! Das werde ich dir NIE vergessen! » Damit klappe ich das Ding wieder zu und verstaue es. Seufzend lehne ich mich zurück und starre wieder aus dem Fenster. Wie konnte er mir nur das antun? Aus Raphaels Sicht: Wie konnte sie nur?! Bei allem, was ich für sie getan habe, wie konnte sie nur die Beziehung beenden? Liebt sie mich etwa nicht mehr? Bin ich ihr schon so egal, dass sie alles über Bord wirft? Ihre Worte, sie schmerzen einfach. Wie in meinen Albträumen ist genau das eingetroffen, vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe. Ungewollt kullert mir eine Träne an der linken Wange herunter, die ich aber sofort wieder wegwische und einfach weiterlaufe. Dass sie versucht hat mich telefonisch zu erreichen, ändert nichts an der Tatsache, dass sie unsere Beziehung beendet hat. Ich will einfach nichts mehr von ihr hören. Den ersten Anruf habe ich sogar wegdrückt, doch schon bald folgten die nächsten Versuche, die ich einfach ignorierte. Ich habe es einfach klingen lassen und bin sogar schon soweit gewesen, das verfluchte Ding von mir zu werfen und zu zerschmettern, aber aus irgendeinem Grund konnte ich es nicht. Stattdessen hetze ich über die Dächer und bei jeder Gelegenheit, die sich mir bietet, zerstöre ich etwas und schlage alles um mich herum kurz und klein. Mir ist es im Moment egal, ob ich dabei von Menschen gesehen werde, oder nicht. Ich will einfach diesen Schmerz aus meinen Herzen verbannen, der mich beinahe auffrisst. Dabei verlasse ich sogar die schützenden Dächer und wage mich durch die Gassen und Straßen. Schließlich bleibe ich verdutzt stehen, als ich vor mir den Rand des Central Parks sehe. Genau dort wollte ich eigentlich nicht hin, denn dies war eines der schönsten Orte, die ich mit ihr besucht hatte. Ich will mich schon umdrehen und einen anderen Weg einschlagen, aber mein Körper scheint mir nicht mehr gehorchen zu wollen. Ich betrete den Park und suche sogar einen ganz bestimmten Bereich auf, das Delacorte Theater. Ich erinnere mich noch genau an diese eine Nacht, an der ich es schaffte, Bernadette wieder zum Lachen zu bringen, nachdem mein Engel für einen kurzen Moment ihren Frust losschreien konnte. So wie sie es damals tat, so positioniere ich mich nun auf dieselbe Stelle, blicke zum Nachthimmel hinauf und schreie mir die Seele aus dem Leib. Keiner ist da und genau das nutze ich in vollen Zügen aus. Die Dunkelheit soll meinen Schmerz hören. Es tut so gut, es endlich rauszulassen. Doch leider hält dieses befreiende Gefühl nicht so lange an, wie ich es mir erhofft habe. Ich muss immer noch an sie denken und anstatt den Zorn und die Verzweiflung zu vergessen, hat sich nun zusätzlich die Traurigkeit in meiner Brust breitgemacht. Vielleicht war es doch so keine gute Idee, diesen Ort aufzusuchen. Daran hängen zu viele schöne Erinnerungen, die jetzt einfach nur schmerzen. Ich kann es nun mal nicht ignorieren. Bernadette hat zwar unsere Beziehung in den Dreck geschmissen und trotzdem liebe ich sie immer noch. Als ich gerade im Begriff bin, mir zu überlegen, was ich jetzt machen soll, ertönt auf einmal mein Handy. Ich habe schon gar nicht mehr mitgezählt, wie oft dies bereits schon vorgekommen ist. Doch im Gegensatz zu den vorigen Malen, nehme ich diesmal das Ding heraus und klappe es auf. Siebenmal hat sie mich angerufen und fünf SMS hat sie mir geschickt. Ob ich zumindest diese lesen sollte? Unschlüssig öffne ich doch die Ersten, bei der sie sich entschuldigt: «Raphael, bitte lass uns reden.»; «Ich weiß, dass das nicht richtig war, aber bitte komm zurück.»; «Bitte melde dich, ich möchte nicht, dass es aus ist.»; «Ich bitte dich, es tut mir so leid. Komm bitte zurück. Ich liebe dich doch.» Bei jeder SMS wirkt das Geschriebene verzweifelter, als müsste sie befürchten, mich nicht mehr wiederzusehen und irgendwie komme ich ins Grübeln. Habe ich etwa überstürzt gehandelt? Ich kann aber meine Wut auf sie nicht einfach ignorieren. Immerhin hat sie unsere Beziehung beendet, was also soll ich davon halten? Seufzend öffne ich schließlich die letzte Nachricht, die gerade eben gekommen ist, aber diese ist vollkommen anders. Hass spiegelt sich hier wider und eines wird mir nun bewusst, was ich während meiner rasenden Wut vollkommen verdrängt hatte: Ich habe sie mutterseelenallein auf dem Dach stehen lassen und sie weiß nicht einmal wo sie ist. Verdammt, sie ist immer noch dort oben! Ich muss sofort zu ihr! Panik breitet sich in mir aus und so schnell ich nur kann, hetze ich durch den Park, springe bei der nächsten Gelegenheit aufs Dach und versuche so schnell wie möglich zu Bernadette zu gelangen. Doch als ich nach einiger Zeit dort endlich ankomme, ist niemand zu sehen. Das ist aber doch das Dach, auf dem ich sie zurückgelassen habe! Wo verdammt noch mal ist sie?! Von Panik zerfressen suche ich alles ab. Jedoch fehlt von ihr jede Spur. Die Angst, dass sie sich etwas getan haben könnte, lässt mich das Schlimmste befürchten. Wieder nehme ich das Handy zur Hand und versuche sie anzurufen. Bitte heb ab! Bitte heb ab! Ungeduldig gehe ich auf und ab. Warum hebt sie nicht ab?! Auf einmal wird mein Anruf weggedrückt. Was soll das?! Ein weiteres Mal versuche ich es, ernte aber nur dasselbe Ergebnis. Doch wenig später erhalte ich eine SMS. Was ich aber lese, lässt mich noch mehr unruhig werden: « Ach, meldet sich der Herr auch einmal? Pech, ich will nicht mit dir reden. Lass mich einfach in Ruhe! » Ich brauche einen Moment, bis ich mich etwas wieder fangen kann und ihr zurückschreibe: « Wo bist du?! Ich suche dich schon überall! » Ich mache mir große Sorgen um sie. Schließlich ist es ein weiter Weg bis zu ihr nach Hause und ich habe keine Ahnung, wo sie jetzt steckt. Wenn ihr dabei etwas passiert, werde ich mir das nie verzeihen. Doch sie antwortet mir nicht. So bleibt mir nichts Anderes übrig, als sie zu suchen. Aus Bernadettes Sicht: Tränenüberströmt klappe ich das Handy zu und stecke es in die Jackentasche. Jetzt erst kommt er auf die Idee sich zu melden! Da kommt er aber reichlich spät und seine „große Sorge“ um mich kann er wen anderem erzählen. Er hat mich im Stich gelassen! Er hat mich einfach alleine auf dem Dach gelassen und das werde ich ihm nie verzeihen! Streit hin oder her, aber das hätte er nicht tun sollen! Immer noch schmerzt mich dieser Kummer und meine Tränen scheinen nicht versiegen zu wollen. Erst als ich die U-Bahn verlasse, versuche ich mich zu beruhigen, aber als ich vom Untergrund humpelnd die Treppen emporsteige, höre ich plötzlich eine schmierige Stimme, die nach mir ruft: „Hey Süße! Lass dich doch mal ans Herz drücken. Bei mir kannst du deine Sorgen vergessen. Ich werde dir sogar die Tränen trocknen.“ Ich drehe mich nicht zu den Typen um, sondern gehe einfach stumm weiter. Oh bitte, das kann ich jetzt nicht auch noch gebrauchen! Wenn ich ihn ignoriere, verschwindet er vielleicht. Dies scheint ihm aber provoziert zu haben. Denn schon eilt er zu mir, drückt mich an die nächste Mauer und versperrt mir den Weg. Sein widerlicher Atem lässt schnell darauf schließen, dass er getrunken hat. Das ist so ekelhaft! Angewidert meide ich den Blickkontakt und versuche an dem Typen vorbeizukommen, aber er hat andere Pläne mit mir: „Hey Schnecke, wo wollen wir so schnell hin? Der Spaß fängt doch erst jetzt an. Komm näher, dann zeige ich dir, was ich meine.“ Immer dichter drückt er sich lüstern an mich heran, leckt seine Lippen und will schon bei der nächsten Gelegenheit seine Hand unter mein zerrissenes Shirt schieben, als ich ihm ins Gesicht spucke und ihm mit dem gesunden Fuß zwischen die Beine trete. Schmerzerfüllt krümmt er sich fluchend zusammen und beschimpft mich als Schlampe. Doch ich sehe zu, dass ich so schnell wie möglich wegkomme, was mit dem verletzten Knöchel aber nicht einfach ist. Anscheinend habe ich auch noch nicht fest genug getreten, denn kurzer Zeit später habe ich diesen Mistkerl wieder an der Backe. Drohend schleudert er mich zu Boden, beschimpft mich aufs Neue: „Du Miststück! Dabei wollte ich mit dir ein bisschen Spaß haben, aber jetzt wirst du für deine Tat bezahlen!“ Schon will er sich auf mich stürzen, als er plötzlich einen Schlag von hinten bekommt. Wie erstarrt kann ich nur zusehen, wie der Kerl zusammenklappt und eine Gestalt sich uns nähert. Ich will schon wegrutschen und irgendwie flüchten, aber dann gibt sich mein Retter zu erkennen: „Hey, keine Angst! Ich bin’s, Donnie!“ Der Turtle mit der lila Maske und der Brille im Gesicht tritt ans Licht und hilft mir schließlich auf. „Das ist noch einmal gut gegangen, … aber sag mal, was machst du hier Bernadette und wo ist Raphi?“, fragt er mich leicht perplex. Ich habe aber keine Lust ihm Rede und Antwort zu stehen, was ich auch möglichst monoton von mir gebe: „Keine Ahnung. Das ist mir egal, ich will nur nach Hause.“ Doch Donnie lässt mich nicht einfach so gehen. Verwundert hat er bemerkt, dass etwas nicht stimmt und so fragt er mich besorgt, was passiert ist: „Hey, was ist los?“ Ich habe aber weder Lust auf seine Anwesenheit, noch will ich es ihm erklären. „Das geht dich nichts an und jetzt lass mich in Ruhe!“, schnauze ich ihn an und will endlich gehen, aber dann packt er mich an der linken Hand, wodurch ich vor Schmerz zusammenzucke und aufschreie. Geschockt lässt er mich kurz los und will mir aber sogleich zu Hilfe eilen: „Du bist verletzt! Lass mich das ansehen.“ Ohne das ich das will, öffnet er meinen provisorischen Verband und murmelt: „Das muss so schnell wie möglich desinfiziert werden, sonst entzündet sich das. Wie ist denn das passiert?“ „Ich sagte doch, dass dich das nichts angeht und jetzt lass mich los.“, erwidere ich genervt und ziehe meine Hand zu mir zurück. Der Lilamaskierte seufzt: „Also gut. Ich habe zwar keine Ahnung, was los ist, aber lass mich dich zumindest nach Hause bringen. Bis du dort ankommst, steht die Sonne bereits wieder hoch am Himmel. Außerdem ist es hier alleine für dich viel zu gefährlich.“ Ich will schon protestieren, aber schon hebt er mich hoch und springt mit mir aufs nächste Dach. Es hilft alles nichts. Ob ich will oder nicht, Donnie trägt mich nach Hause. Es hilft kein Strampeln und keine Beschwerden, weswegen ich schließlich aufgebe. Es hat ja eh keinen Sinn. Er lässt mich erst wieder los, als wir bei meinem Fenster angekommen sind. Zum Glück lasse ich immer einen Keil im Rahmen stecken. So erspar ich es mir Tante Tina über den Weg zu laufen. Ich muss mir noch früh genug eine Ausrede einfallen lassen, denn meine Verletzungen werden nicht so einfach zu vertuschen sein. Doch bevor ich mich in endgültig in mein Zimmer verziehen kann, bittet mich Donnie, ihm die Sache zu schildern: „Jetzt sag bitte, was war da vorher los? So aufgewühlt habe ich dich schon lange nicht mehr gesehen.“ Wütend sehe ich ihn an. Zwar bin ich ihm dankbar, dass er mich vorhin gerettet hat, aber das wäre niemals passiert, wenn seine Brüder und er sich nicht in meine Beziehung zu Raphael eingemischt hätten! „Habt ihr euch nicht genug eingemischt? Frag Raphael und lasst mich alle einfach in Ruhe!“, ist das Letzte, was ich zu ihm schroff sage. Ohne auf eine Reaktion abzuwarten, knalle ich das Fenster zu und ziehe sogleich die Vorhänge mit einem Ruck zu. Was Donnie nun macht, ist mir egal. Ich will von ihnen nichts mehr wissen. Erneut kommen mir die Tränen und hätte ich in diesem Augenblick nicht beide Hände gegen mein Gesicht gedrückt, so wäre mir die kleine rote Schildkröte nicht kurz aufgefallen, die immer noch an meinem Hals hängt. Dieses erdrückende Gefühl in mir wird immer schlimmer und ich halte das nicht mehr aus! Wütend rüttle an dem Verschluss herum, bis ich das Ding endlich abbekomme. Unter meinem Bett reiße ich die nächstbeste Schachtel auf, in der ich das Amulett hineinschmeiße. Gefolgt von dem schwarzen Handy und dem Gedicht, knalle ich den Deckel wieder zu und schleudere die Kiste in den hintersten Winkel meines Zimmers. Eine weitere Heulattacke überkommt mich, weswegen ich mich schluchzend auf meine Matratze fallen lasse und mein Gesicht in die Decke vergrabe. Obwohl die Wunde immer noch höllisch schmerzt, kralle ich mit beiden Händen in den Stoff. Ich wünsche mir nichts Sehnlicheres, als das alles nur ein verdammter Albtraum ist. Ich will, dass das endlich aufhört! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)