TMNT - Schicksal? von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 31: Ich komme! ---------------------- Aus Bernadettes Sicht: Mein Blick nur noch geradeaus gerichtet und den Rucksack fest an meiner Brust gedrückt, hetze ich durch die Gänge. Auch wenn ich nicht wirklich hinsehe, spüre ich, wie jegliche Aufmerksamkeit auf mich gerichtet ist, während ich vor der Schmach weglaufe. Sie alle, die verteilt im Flur stehen, starren mich an. Geschockt und gleichzeitig belustigt schauen sie mir hinterher, während ich tränenüberströmt vor all dem hier fliehe. Manchmal stolpere ich etwas über meine nackten Füße. Ich kann mich aber noch selbst daran hindern zu fallen. Zu groß ist bereits der Schmerz, der meinen ganzen Körper befallen hat. Ich will einfach nur noch von hier weg und jeder Fall verzögert das Ganze nur noch weiter. So stürme ich schließlich durch die Eingangstür, laufe die große Steintreppe hinunter und will schon am anderen Ende des Grundstückes durch das große Tor eilen, als ich plötzlich stehen bleibe. Ich sehe zur Straße hin. Meinen Blick, von Angst und Scham erfüllt, wende ich hektisch hin und her. Überall sehe ich Menschen, die unbeirrt ihren Alltag folgen, und wie ständig Autos über den Asphalt rattern. Automatisch weiche ich einige Schritte zurück, bis ich mich seitlich zur Mauer flüchte und mich dahinter verstecke. Nein, das kann ich nicht! Ich kann da nicht raus, ich kann aber auch nicht hierbleiben! In meinem Kopf spuken sämtliche Vorstellungen und Gedanken, die meinen Verstand zu rauben scheinen. Innerlich höre ich wieder dieses Gelächter, welcher in allen Überfluss auch noch lauter wird. Es verfolgt mich! Langsam krümme ich mich zusammen und rutsche dabei weiter an der Mauer entlang, wodurch ich nach und nach von dem umgebenen Gestrüpp verborgen werde. Ich knie mich sogar hin und krieche noch weiter durch das dichte Laub, bis ich schließlich inmitten anhalte und mich dort zusammenkaure. Ich will einfach von niemandem mehr gesehen werden und wenn ich mich schon nicht ins Bodenlose verschwinden kann, so will ich zumindest durch das Blätterdach von ihnen verschont werden. Ich kann einfach nicht mehr und trotzdem sehe ich vor geistigen Auge diese Menge an Menschen. Wie sie da alle stehen, lachen und mit ihren Handys Fotos von mir schießen. Ich will nur noch vergessen, aber dieses Lachen hallt noch so sehr in meinem Kopf, sodass man glaube könnte, mein ganze Körper wieder wie Glas zerspringen. Die Arme um meine Beine geschlungen, kullert eine Träne nach der anderen an meinen Wangen herab. Beinahe wie kleine Wasserfälle bahnen sie sich nach und nach immer mehr ihren Weg und scheinen dabei nicht mehr zu versiegen wollen. Stumm sitze ich da und starre in die Leere. Meine Gedanken sind nur noch auf das Geschehen gerichtet. So sehr ich mir auch wünsche, ich könnte mal an etwas Anderes denken und wäre das auch nur für eine Minute möglich. Jedoch fühle ich mich alles andere als im Stande dies zu tun. Könnte ich doch in ein schwarzes Loch fallen. Ich würde nie mehr wieder herauskommen. Dann gibt es mich nicht mehr und dieser Scheiß würde endlich mal ein Ende finden, aber ich kann nicht einmal nach Hause. Es wäre zwar nicht weit, bis ich endlich in meinem Zimmer wäre, aber es geht nicht. Ohne meine Kleidung ist es mir unmöglich, dieses Grundstück zu verlassen und diese befindet sich leider in meiner Sporttasche. Egal wie sehr ich es auch will, aber allein der Gedanke daran, noch einmal vor Augen anderer dieser Schmach ausgesetzt zu sein, macht mich fertig. Ich möchte es mir nicht einmal vorstellen, was sonst noch auf mich zukommen könnte. Vielleicht wartet Lucinda sogar irgendwo in der Nähe, lässt mich suchen, oder hat noch etwas für mich vorbereitet, sodass ich endgültig ausraste. Ich hoffe nur, sie finden mich nicht. Noch einmal schaffe ich das nicht. Dabei sehne ich mich einfach nur nach jemandem, der mir seine helfende Hand reicht und mich endlich von hier wegbringt. Ach Raphael, wärst du doch hier. Du bist der Einzige, dem ich vertraue, aber es ist Tag. Da kannst du nicht einmal in der Nähe sein und wie soll ich dich überhaupt erreichen? Wenn du nur wüsstest, was mir gerade passiert ist und wie viel Angst ich im Moment habe. Als würde jemand meine Kehle zuschnüren und ich könnte demjenigen nicht entkommen. Ich kann ja nicht einmal das Schulgelände verlassen, ich kann rein gar nichts machen. Mein Blick fällt nun auf meinen Rucksack. Ganz nah an meinem Körper habe ich ihn positioniert und würde mir gerade nicht dieser Gedankensprung in den Sinn kommen, so hätte ich das Ding nicht weiter beachtet, sondern wäre einfach weiterhin in Selbstmitleid versunken. Das, was ich aber befürchte, ist weit schlimmer und ich bete zum Himmel, dass ich mich doch irren könnte. Hastig krame ich in meinem Rucksack und ziehe schließlich mein Smartphone heraus. Zögerlich drücke ich auf dem Display, während ich mir unsicher auf der Unterlippe beiße. Als ich anschließend ins Internet gehe und dann in den gesuchten Webseiten nachsehe, ob meine Befürchtung wirklich stimmt, habe ich plötzlich das Gefühl, als wenn mich gerade der Schlag treffen würde. Die Leute haben tatsächlich Fotos und Videos von mir gemacht und in allen Überfluss haben sie diese hochgeladen und mit üblen Kommentaren bestückt. Ich scrolle herunter und je mehr ich davon sehe, desto mehr von diesem widerlichen Zeug kommt mir entgegen. « „Halbnackter Wahnsinn in der Schule“; „Gestörte Irre spielt „Ball“ mit einer Sporttasche“; „Verrückte Bitch hat sich wohl in der Tür verirrt“ „Handtuch-Dance am Flur“ » und noch mehr solcher „Titel“ überschwemmen die Seiten. Mir wird schlecht, aber ich kann mein Smartphone nicht wieder aus der Hand legen. Ich bin irgendwie gefangen und überfliege sogar einige Hate-Kommentare, die mir im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge stechen: « „Wohl nicht nur die Sachen daheim gelassen, ihr Hirn scheint auch dort zu sein“; „Wie dämlich kann man nur sein … ach so geht das, verstehe“; „Hat wer ´ne Zwangsjacke dabei? Der Olle ist doch kalt!“ » Ich bin in einem Albtraum, das muss ein beschissener Albtraum sein! Nie, in meinem ganzen Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass mir jemals sowas passieren würde. Hat denn das vorhin nicht gereicht?! Müsst ihr denn auch noch auf mich drauftreten, wo ich doch schon am Boden liege?! Kopfschüttelnd und fassungslos starre ich auf dem Display. Was ich jetzt gerade fühle, ist momentan kaum in Worte zu fassen. Dass nichts mehr so ist wie vorher, ist das Einzige was klar ist. Wie kann ich jemals überhaupt wieder auf die Straße gehen? Selbst wenn ich nun von hier wegkomme, ich bin mein Leben lang gebrandmarkt. Das kann man niemals mehr wieder löschen. Mir kann keiner mehr helfen. Bestürzt und mit den Tränen kämpfend, stopfe ich mein Smartphone wieder zurück in den Rucksack und lege schließlich mein Gesicht auf meine Knie. Schluchzend umklammere ich diese mit beiden Armen und lasse die Tränen einfach fließen. Mein Kraft ist dahin, aber mir will es einfach nicht in den Kopf, warum ich so gepeinigt werde. Immer wieder frage ich mich das flüsternd, ohne auf eine Antwort zu erhoffen. Die kann mir ohnehin keiner geben. Noch lange hocke ich so da. Wie viel Zeit dabei verstreicht, weiß ich nicht und es interessiert mich auch nicht. Das Einzige, was ich mir sehnlichst wünsche, ist einfach davonlaufen zu können. Ich will einfach nur weit weg sein, alles hinter mir lassen und nie mehr wieder zurückschauen. Wenn es doch nur möglich wäre, ich würde alles dafür tun. Ohne mich von der Stelle zu rühren, höre ich aus der Ferne sämtliche Geräusche. Egal ob es die Schulglocke ist, die das Ende des letzten Unterrichts des Tages einläutet, die Autos auf der Straße, oder ob es die Menschen selbst sind, die ihren Alltag nachgehen, ich bin weiterhin hier und verstecke mich vor der Welt. Ich könnte mich ohnehin kaum fortbewegen. So sehr ich das auch will. Mein gesamter Körper ist wie gelähmt, als würde ich eine ganze Tonne auf meinen Schultern tragen. Raphael, bitte hole mich, ich brauche dich! Ach, denk nach Bernadette, wie soll er das machen!? Erst nach Sonnenuntergang, kann er die Kanalisation überhaupt verlassen und woher soll er überhaupt wissen, dass ich noch hier bin? Bis er das weiß, ist die Sonne vermutlich wieder aufgegangen. Ich seufze. Meine Tränen sind schon eine Weile versiegt. Obwohl ich allen Grund hätte, wie ein Schlosshund zu heulen, kommt nichts mehr. Stattdessen fühle ich mich einfach nur schwach und ausgelaugt, bis ich meinen Kopf wieder von meinen Knien hebe und schwerfällig in die Leere starre. Mein Blick fällt wieder auf dem Rucksack. Doch an mein Smartphone denke ich gerade nicht. Ich will es sogar nicht mehr wieder fassen, aber darin gibt es noch etwas, was ich trotz meiner Scheißlage nutzen kann. So greife ich wieder in meinem Rucksack und stöbere so lange, bis ich das schwarze, handyähnliche Ding herausgeholt habe, was Donnie mir mitgegeben hatte. Beinahe hätte ich vergessen, dass ich es heute mitgenommen habe und kaum, dass ich es wieder in der Hand halte, wird mein Wunsch, zumindest Raphaels Stimme zu hören, umso größer. Zögerlich klappe ich den Deckel auf, was wohl einst einem Handy aus der älteren Generation gehören musste. Die Innenseite gleicht aber mehr einem Smartphone, trotz dass es zusätzlich mit Tasten ausgestattet. Eine kurze Weile verharrt mein rechter Daumen in der Luft. Ob er wirklich rangehen wird? Ich hoffe es so sehr und drücke schließlich auf die Nummer meines Freundes. Bitte Raphael, geh ran. Aus Raphaels Sicht: „Wenn du glaubst, du könntest mich mit albernen Zahnstocher besiegen, dann hast du dich geschnitten.“, meine ich nur provokant, während ich zu meinem Bruder mit der lila Maske und der Brille im Gesicht hinsehe und dabei schelmisch grinse. Ich bin besser als er. Da kann er noch so lange üben, wie er will. Mit seinem Stöckchen kommt er da bei mir nicht weit und selbst mit dem eingebauten Trick kann ich immer wieder durschauen und seinen Bewegungen entgehen. Also warum fordert er mich ständig heraus, wenn er sowieso demnächst auf Maul fliegt? Wenn er es aber so will, dann werde ich eben nachhelfen. Mit beiden Sais in jeder Hand gehe ich auf der sechseckigen Plattform in Stellung, was Donnie ebenfalls tut. Leicht mit dem Oberkörper nach vorne gebeugt und mit seinem Bo in Bereitstellung entgegnet er mir nur und das auch noch mit einer ruhigen und selbstsicheren Stimme: „Warte es nur ab. Du wirst schon sehen, was du von deiner Großkotzigkeit hast. Mach dich lieber bereit!“ Darauf kann ich nur lachen: „Spitz schon mal deine Lippen, denn du wirst schon bald den Boden unter deinen Füßen küssen.“ Ein schelmisches Grinsen breitet sich in meinem Gesicht aus und ich kann es kaum erwarten, bis Donnie tatsächlich am Boden liegt. Er mag vielleicht mehr in der Birne haben, als so manch anderer hier in der Kanalisation, aber dennoch ist er meiner Kraft und meiner Überlegenheit nicht gewachsen. „Jo Leute, könnt ihr nicht endlich mal anfangen? Da stirbt man ja schon vor Langeweile, bis ihr euch mal in Bewegung setzt.“, mischt sich nun Mikey ein, der etwas abseits des Kampfringes steht und uns mit einem genervten Seufzer beobachtet. Er kann zwar ruhig zusehen, aber er soll gefälligst die Klappe halten. Meckernde Zuschauer sind hier nicht erwünscht! Ich rolle nun leicht grummelnd mit den Augen. Ohne meinen Blick von Donnie abzuwenden, antworte ich dem Dummschwätzer leicht gereizt: „Ruhe da auf dem billigen Plätzen!“ Schon habe ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Gegner gerichtet, der in diesem Augenblick auf mich losstürmt. Endlich geht es los. Begeistert grinse ich schief und starte ebenfalls einen Angriff. Meine Sais direkt auf Donnie gerichtet, renne auf ihn zu. Er wiederum wirbelt währenddessen mit seinen Holzstab und hofft wohl, dass er mich nach einer gezielten Attacke aus der Balance bringen kann. Er zielt sogar auf meine Knöchel. Auch wenn er unser Genie ist, so ist er doch so leicht zu durchschauen. Vielleicht sollte er mal eine Taktik anwenden, die nicht so offensichtlich ist. Ich lasse mich aber auf sein Spielchen ein. Was gibt es schöneres, als den bevorstehenden Sieg umso reizvoller zu machen. Auch wenn der Kampf erst begonnen hat, heißt das noch lange nicht, dass er nicht genauso gut wieder sofort beenden kann. Wenn man es halt draufhat, dann muss das auch gezeigt werden und in diesem Fall braucht mein Bruder mit der lila Maske diese Lektion. Somit täusche ich eine kleine Schwäche vor, gehe dabei aber noch rechtzeitig in Deckung, als Donnie schon zum nächsten Schlag ausholen will. „Ha, so leicht mache ich es dir nicht.“, murmle ich und nutze meine Chance. Gerade in diesem Augenblick ist sein Oberkörper ungeschützt, weswegen ich mein Gewicht verlagere und meine gesamte Kraft auf meinen linken Arm lege. Mit einem ordentlichen Kampfgebrüll stürme ich los und treffe ihn dabei gekonnt auf der Brust, wodurch er mit hohen Bogen nach hinten fällt. Gedanklich warte ich nur darauf, dass er mit einem ordentlichen Knall und mit dem Panzer voraus auf dem Boden landet. Das heißt, dass der Kampf wohl wieder vorbei ist. Schade eigentlich, aber man sollte sich nicht mit mir anlegen. Ich fühle mich schon als Sieger und drehe mich daher zur Seite, als ich im Augenwinkel merke, wie mein Bruder noch rechtzeitig auf dem Geheimkopf seines Stabes drückt. Der Schleudermechanismus wird ausgelöst und so wird das Genie mit Hilfe des Stück Holzes wieder zurück auf die Plattform katapultiert. Sicher landet er auf seinen Füßen, als wäre nichts gewesen. „So leicht wirst du mich nicht los Bruderherz. Ich würde dir also raten, mich zu unterschätzen.“, lacht Donnie und wirbelt gekonnt mit seinem Stab, eher er schließlich wieder in Stellung geht und seine nächste Chance wartet. Eines muss ich ihm lassen, mit seinem Bo kann er einiges anstellen. Er weiß damit umzugehen und mit dieser „Rettungsaktion“, mit dem er seinen Panzer noch rechtzeitig gerettet hat, hätte ich jetzt ehrlich gesagt nicht gerechnet. Mich stört das aber keineswegs, denn so kann es nun weitergehen, worauf ich mich schon freue. Ein längerer Kampf ist mir weit lieber, als wenn er schon nach kurzer Zeit wieder vorbei ist. Denn wo bleibt da der Spaß? Wenn mein Bruder aber glaubt, dass ich ihn mit Samthandschuhen anfasse, dann irrt er sich. Er wird schon sehen, was er davon hat, wenn er mich herausfordert. Kurz lasse ich meine Gelenke knacken, ehe ich nun selbst in Position gehe und Donnie fixiere. Der Kampf geht schließlich weiter und ich bin schon in Begriff, auf ihn loszustürmen und ihm einen ordentlichen Schlag zu verpassen, als plötzlich mein Handy zum Klingeln anfängt. Überrascht halte ich in meiner Bewegung inne, ehe ich einen meiner Sais wegstecke und dafür das noch immer klingende Ding aus meinem Gürtel ziehe. Eigentlich will ich Donnie noch verklickern, dass wir mal kurz eine Pause machen, als ich schon von seinem dämlichen Stab getroffen werde und zu Boden stürze. In Hitze des Gefechts, hat der Hirni zu spät realisiert, dass ich gerade etwas sagen wollte. Doch schon eilt er besorgt zu mir und hilft mir auf. „Hey sorry, ich habe nicht gesehen, dass …“, entschuldigt er sich, aber ich breche ich inmitten des Satzes ab, bevor es noch zu einem Endlosgeschwafel ausartet. Stattdessen hebe ich das Handy auf, was mir dabei aus der Hand geflutscht ist. Es klingelt immer noch, aber ich habe kein gutes Gefühl dabei. Als ich den Deckel aufklappe, sehe ich auf dem Display, dass es Bernadette ist. „Ist sie es?“, fragt Donnie besorgt, während nun auch er auf das Ding schielt. Dabei scheint er womöglich dasselbe zu denken wie ich und zwar, dass da irgendetwas nicht stimmt. Ich spüre das einfach. Was Donnies Frage betrifft, nicke ich nur und gehe schließlich ran: „Bernadette, hey, was gibt´s?“ Stille ist auf der anderen Seite zu hören. Nein, das stimmt nicht ganz. Vollkommen leise und kaum hörbar, nehme ich von der anderen Leitung ein leises Schluchzen wahr, was sämtliche Alarmglocken bei mir läuten lässt. Sofort fordere ich meine Freundin auf, mir zu erklären, was hier eigentlich abgeht: „Hey, was ist los?! Nun sag doch was!“ „Raphael? … Ich weiß … es ist zu viel verlangt, aber … aber bitte komm! … Bitte hol mich!“, stottert Bernadette ins Handy hinein und klingt dabei so verzweifelt, dass es einem ja bis auf Mark erschüttert. Was zum Henker ist passiert?! Sämtliche Befürchtungen schießen mir durch den Schädel, aber stattdessen will ich einfach nur wissen, was mit ihr ist: „Bernadette, was ist passiert?! …“ Eigentlich hätte ich sie noch gefragt, ob sie verletzt ist, aber sie fällt mir nur schluchzend ins Wort und fleht mich an, sieh zu holen. Weitere Fragen diesbezüglich bringen sich nichts, stattdessen will ich von ihr etwas anderes wissen: „Wo … wo bist du?!“ „Vor der Schule … ich kann nicht weg … bitte … bitte komm! ...“, antwortet sie mir und ich höre, wie sie am Ende weint. „Ich komme, ich bin bald da! Hörst du?!“, rufe ich noch am Ende ins Handy hinein, ehe ich dann auflege. Ich darf keine Zeit mehr verlieren, ich muss sofort zu ihr! Währenddessen ich so sehr mit Bernadette beschäftigt gewesen bin, haben sich meine beiden Brüder ganz dicht an mich gedrückt. Sie wollten mithören, was eigentlich los ist, aber ich habe jetzt keine Zeit, es ihnen zu erklären. Ich muss los, bevor ihr noch mehr passiert! Ohne jegliche Erklärung den anderen gegenüber, stürme ich einfach los. Allerdings mache ich beim Eingang kurz halt. Bevor ich aber das Versteck verlasse, rufe ich den anderen noch zu: „Sagt Leo und dem Sensei Bescheid, dass ich nach oben muss! Es ist ein Notfall!“ Normalerweise dürfen wir ja das Versteck bei Tageslicht nicht verlassen. Nur wenn es sich dabei um einen triftigen Grund handelt, können wir es und dieser ist gerade eingetroffen. Ich habe zwar keine Ahnung, was hier gespielt wird, aber so aufgelöst habe ich Bernadette, abgesehen von der Spind-Sache, noch nie erlebt. So laufe ich durch die Kanalisation und versuche den schnellmöglichsten Weg zu ihr zu finden. Das Einzige, worüber ich momentan froh bin, ist, dass ich weiß, wo sich ihre Schule befindet und das weiß ich nur deswegen, weil sie mir den gezeigt hatte, als wir mal zufällig daran vorbeigelaufen sind. Ich weiß noch, wie sie an jener Nacht zu mir sagte: „Das ist übrigens das Irrenhaus, von dem ich dir erzählt habe.“ Ich hoffe nur, ich finde diese Schule. Doch von hier unten sieht die Sache etwas anders aus, als wenn man von oben sämtliche Dächer im Blick hat. Wenn ich mich aber jetzt nicht irre, müsste ich eine gute Strecke noch geradeaus laufen und dann rechts abbiegen, ehe ich dann den nächsten Schacht nach oben nehmen kann. So richtig klar kann ich aber nicht in Moment nicht denken. Auch wenn mir deutlich bewusst ist, dass ich meinen Weg gut im Auge behalten muss. Viel zu sehr mache ich mir Sorgen um Bernadette. Allein ihre zittrige Stimme hat sich in mein Hirn eingebrannt. Was in drei Teufelsnamen ist passiert?! Ständig geht mir diese Frage, sowie auch sämtliche Befürchtungen durch den Kopf. Währenddessen hetze ich wie ein Irrer durch die Kanäle, nur damit ich endlich den gesuchten Schacht erreiche. Als ich allerdings nach einiger Zeit vor der Leiter stehe, halte ich kurz inne. Jetzt heißt es nämlich, vorsichtig sein. Auch wenn ich mich beeilen muss, darf ich von niemandem gesehen, geschweige in irgendetwas anderes verwickelt werden. Ich habe dafür einfach keine Zeit! Schließlich klettere ich die Leiter hinauf und drücke den Gullideckel zur Seite. Ich wage einen vorsichtigen Blick nach draußen. Gut, keiner ist in der Nähe, das heißt ich kann raus. So schleiche mich hinaus und drücke mich in der Gasse, in der ich gerade gelandet bin, an die nächste Wand. Geschützt vom Schatten, der mir gerade geboten wird, sehe ich mich um. Hoffentlich bin ich rechtzeitig abgebogen, sonst muss ich noch einmal hinunter. Mein Blick schweift in Richtung anderer Straßenseite und zeigt mir, dass ich doch richtig bin. Denn auf der anderen Seite sehe ich den hinteren Teil der High-School, sowie auch die Steinmauer, die das Grundstück umgibt. Weiterhin stehe ich unter Spannung, als ich mich von meiner Stellung löse und wie ein schneller Schatten weiterlaufe. Ich kann von Glück reden, dass gerade in diesem Augenblick nicht gerade sehr viel los ist, weswegen ich mich bei den parkenden Autos für kurze Zeit gut verstecken kann, bis ich schließlich über die Mauer klettere. Ich muss mich beeilen, aber zu meiner Erleichterung ist der Haufen aus Stein nicht gerade sehr hoch, weswegen ich mich nicht so wirklich bemühen muss, um hinüber zu kommen. Kaum habe ich mit meinen Füßen das Gras auf der anderen Seite berührt, gehe ich sofort wieder in Deckung. Zwischen den Bäumen und Sträuchern wage ich mich weiter voran und rufe ständig nach Bernadette, wobei ich mich bemühe nicht allzu laut zu sein. Noch bemerke ich nichts, wodurch sich die Spannung in mir verstärkt. Dabei sagte sie doch, sie wäre vor der Schule und sie könnte nicht weg. Das heißt, sie muss irgendwo auf dem Schulgelände sein, nur wo? Noch einmal rufe ich nach meiner Freundin, bis ich sie schließlich doch höre: „Raphael? … Ich … ich bin hier.“ Bewusst versuche ich herauszufinden, woher ihre Stimme gekommen ist und so suche ich die nächsten Büsche ab. Es dauert nicht lange, bis ich meine Freundin schließlich zusammengekauert im Gras hocken sehe. Jedoch verschlägt es mir bei diesem Anblick die Sprache. Bernadette hat nichts weiter am außer einem Handtuch, welches spärlich ihre Körper bedeckt. Ihre Haare sind zerzaust und hängen ihr teilweise wild im Gesicht. Ihre Augen sind vollkommen rot, während alles Andere so blass ist, als wenn sie gerade um ihr Leben gekämpft hätte und dabei noch mit dem Schrecken entkommen konnte. Mit einem verzweifelten Blick sieht sie mich leicht zitternd an, rührt sich aber nicht von der Stelle. Wie ein hilfloses Kaninchen, welches in die Falle getappt ist, blickt sie hilfesuchend zu mir empor, während sie zitternd ihren Rucksack umklammert. Scheinbar ist dies, das Einzige, was ihr, neben das Handtuch noch geblieben ist. Wie von einer Tarantel gestochen, eile ich zu ihr und lasse mich vor ihr auf die Knie fallen. Dabei nehme ich sie in den Arm und drücke sie behutsam an mich. An meiner Brust geklammert schluchzt sie. Ein weiteres Mal bricht sie in Tränen aus, als hätte sie sich vorhin nur zurückgehalten. Völlig überfordert mit der Situation bleibe ich einfach in meiner Stellung und sage nichts. Ich wüsste nicht einmal, was ich sagen sollte. Dafür schießen mir sämtliche Gedanken durch meinen Schädel, während sich auch Wut, Angst und Verwirrung zugleich in mir breitmachen. Was verdammt noch mal ist nur passiert?! Was haben sie meinem Engel nur angetan?! Wer allerdings dafür verantwortlich ist, weiß ich nur zu gut. Ich spüre schon, wie der Groll wegen Lucinda wieder in mir emporsteigt. Am liebsten würde ich momentan irgendetwas zerschmettern! Viel mehr noch, ich hätte dieses Miststück so gerne vor mir, damit ich ihr solch einen Schrecken einjagen kann, sodass sie nicht wieder mehr aufsteht! Allerdings ist Bernadette jetzt weit wichtiger. Zitternd krümmt sie sich in meinem Armen zusammen, als müsste sie befürchten, dass ich sie mit ihrem Schicksal alleine lasse könnte. Doch ich bleibe bei ihr und ich werde sie mit in die Kanalisation mitnehmen, wo sie sicher ist. „Bernadette, willst du mir nicht erzählen, was geschehen ist?“, spreche ich sie fragend an, aber meine Freundin drückt nur beschämt ihren Kopf in Richtung Erde und schweigt. Weitere Tränen folgen daraufhin und manche tropfen sogar direkt auf mich. Vorsichtig wische ich ihr die letzte Träne aus ihrem Gesicht und versuche ihr gut zu zureden: „Komm schon, dass kriegen wir wieder hin. Du wirst schon sehen, alles wird wieder gut.“ Auch wenn ich keine Ahnung habe, was vorgefallen war, irgendetwas musste ich ja zu ihr sagen. Obwohl es auch für meinen Geschmack wie aus dem schlechten Film geklungen hat, ist mir einfach nichts Besseres eingefallen und bevor ich nur stumm dastehe, war das schon ein Versuch wert. Allerdings schüttelt Bernadette bei meinen Worten nur heftig den Kopf, während sie ihren Blick weiterhin nach unten gerichtet hat. Irgendetwas sagen, kann sie gerade nicht und vermutlich kämpft sie gerade damit, kämpft nicht schon wieder in einer Heulattacke auszubrechen. Sie steht wieder kurz davor und ist mit ihren Nerven völlig am Ende. Es ist schon beinahe unerträglich, sie so zu sehen, weswegen ich sie schließlich wieder an mich drücke und sie beim Aufstehen behutsam hochnehme. Bernadette zuckt zusammen und verkrampft sich dabei, was in ihrem jetzigen Zustand gar nicht anders zu erwarten wäre. Jedoch sehnt sie sich nach meiner Nähe, weswegen sie ihren Kopf fest an meine Brust drückt und ihr Gesicht beinahe vollständig darin vergräbt. Leicht spüre ich, wie sie zittert und das liegt sicherlich nicht nur daran, dass sie kaum etwas anhat, oder dass ihre Haare sehr feucht sind. Vielmehr ist es ihr derzeitiger Zustand, welcher ihr zu schaffen macht und ich habe keine Ahnung, was ich nun machen kann. Das Einzige, was ich jetzt tun kann, ist sie von dieser Hölle wegzubringen und dies will ich sofort in die Tat umsetzen. Bevor ich jedoch wieder losstürmen kann, fällt mir noch ihr Rucksack auf, welcher noch mitten im Gras liegt. Ohne Bernadette fallen zu lassen, gehe ich etwas in die Knie, greife die Tasche mit der rechten Hand und mache mich schließlich auf dem Weg. So schnell ich nur kann, flitze ich über das Gelände, springe über die Mauer und eile in Richtung Gasse, wo ich mit meiner Liebsten durch den noch offenen Schacht in die Kanalisation flüchte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)