TMNT - Schicksal? von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 21: Inmitten von Regen und Sturm ---------------------------------------- Aus Bernadettes Sicht: Was zum Henker ist auf einmal los mit ihnen?! Wieso streiten die sich und wieso tickt Raphael jetzt völlig aus?! Haben die vier nun endgültig den Verstand verloren?! Wegen nichts kriegen sie sich in die Haare! Ich kann nicht fassen, was ich da sehe. Mikey wollte seinen Bruder doch nur ein wenig aufheitern, weil der Herr Griesgram wieder einmal so ein grimmiges Gesicht gezogen hatte. Nur das ist schön in die Hose gegangen und Raphael dreht nun völlig durch. Er geht nicht nur auf Mikey los, sondern auch auf seine anderen Brüder, die einfach nur versucht haben, die Sache runterzuspielen, beziehungsweise dazwischen zugehen. Doch Raphael ist völlig von Sinnen und grundlos aggressiv! Ich habe es geahnt. Die ganze Zeit über habe ich schon diese Spannung hier unten gespürt. Als wenn nur noch ein Funke fehlen würde, der dann alles zum Brennen bringt und leider hatte ich damit recht. Mikey war dieser Funke und ich wollte es nicht wahrhaben, weil ich einfach den Teufel nicht an die Wand malen wollte. Hätte ich doch nur auf mein Bauchgefühl gehört, doch für diese Erkenntnis ist es leider nun zu spät. Wie die Irren gehen sie sich an die Gurgel. Zuerst will Raphael Mikey an den Kragen, dann ist es Leo und zwischendurch kommt selbst Donnie dran. Wie ein wildgewordener Stier stellt er sich abwechselnd seinen Matadoren und dabei gibt es doch überhaupt keinen Grund dafür! Was ist nur mit ihm los, ich verstehe das nicht. So kenne ich Raphael nicht. Natürlich weiß ich, dass er seine Probleme gerne mit der Faust löst und dass er auch ziemlich schnell sauer werden kann. Schließlich hat er mir das schon oft genug erzählt. In diesem Punkt sind wir uns sogar ein bisschen ähnlich, aber im Gegensatz zu ihm, kann ich meine Wut bis zu einem bestimmten Punkt zügeln und sogar andere Mittel nutzen, um aus dem Problem herauszukommen. Nur hilft mir das jetzt kein bisschen weiter und ich habe zusätzlich keine Ahnung, was ihn zurzeit ständig zum Kochen bringt. Wenn er mal nicht seine „Show“ abzieht, hat er auch eine sanfte Seite, die überhaupt nichts mit dem zu tun hat, wie er jetzt gerade drauf ist. Als wenn sein Zorn sich über längere Zeit angesammelt hätte, bis schließlich eine falsche Bemerkung das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht hat. Mit Sicherheit geht es ihm schon eine Weile so. Dafür lege ich sogar meine Hand ins Feuer. Ich habe ja bereits mehrere Male gemerkt, dass etwas nicht stimmt und ich habe mir auch deswegen den Kopf darüber zerbrochen. Die ganze Zeit über war er schon so unruhig, angespannt und irgendwann musste es ja so kommen. Auch wenn ich gehofft habe, dass ich mich irre und dass alles nur eine Frage der Zeit ist, bis sich das klärt. Immer wieder habe ich Raphael sogar darauf angesprochen. Ich wollte ihm helfen und etwas von seiner Last nehmen, die mir bis jetzt noch schleierhaft ist. Doch er hat dazu nur geschwiegen, meine Fragen ignoriert und mich sogar davon ablenken wollen, aber sein seltsames Verhalten blieb mir nun mal nicht verborgen. Ich verstehe ihn einfach nicht. Er hätte doch mit mir reden können. Ich hätte ihm zugehört. Vielleicht hätte er dann einen Teil von seinem Frust abbauen können. Egal was auch ist, ich bin für ihn da, aber er ist anscheinend zu blind, das endlich einmal zu kapieren. Dabei habe ich es ja selbst am eigenen Leib erfahren, wie schwer das manchmal sein kann, wenn man niemanden zum Reden hat. Umso befreiender ist es dann, sich endlich aussprechen zu können. Bei ihm konnte ich es, nur warum konnte er es nicht? Jetzt eskaliert alles. Im ersten Augenblick war ich zu dem noch viel zu sehr erschrocken, als dass ich hätte reagieren können, nachdem Raphael so plötzlich aufgesprungen war und mit den anderen zum Zanken anfing. Ich konnte nur beobachten, während ich wie erstarrt auf meinem Platz blieb. Doch dann riss ich mich davon los. Ich versuchte ihm zuzurufen, dass er sich wieder beruhigen soll, aber er hörte mich nicht. Es scheint sogar so, als wenn ich für alle Beteiligten gar nicht hier wäre, als wenn ich nur ein stiller Beobachter wäre. Raphael ist zudem sogar so sehr in seinem Zorn gefangen, sodass er nur noch mehr seine Brüder und seine Wut vor Augen hat. Wie ein Stier, der nur auf dem Matador und seinem Tuch achtet. Schließlich halte ich es nicht mehr aus. Ich springe von der Couch auf und will mich dazwischendrängen, damit diese sinnlose Streiterei endlich ein Ende findet. Doch ehe ich auch nur einen Schritt machen kann, werde ich von Donnie aufgehalten. Er sieht mich mit einem ernsten und warnenden Blick an und gibt mir mit einem Kopfschütteln zu verstehen, dass das jetzt keine gute Idee ist. Was soll ich aber sonst machen? Dies Hitzkopf hört mir doch nicht zu! Flehend schaue ich zu Donnie hoch, er nickt verstehend und zwängt sich nun zwischen den Raphael und Leo. Es hilft aber alles nichts. Er wird einfach wieder grob zur Seite geschoben und auch Mikey hat keine Chance den Sturkopf zu beruhigen. Wobei ich mich doch sehr stark über ihn gewundert habe, dass der sonst so Alberne so ernst sein kann. Erneut versuche ich mit Worten bei Raphael durchzudringen, aber er ist schon so sehr mit seinen Brüdern beschäftigt, dass meine Rufe einfach an ihm abprallen. Selbst wenn ich gerade ein Megaphon zur Hand gehabt hätte, hätte vermutlich selbst das nichts genutzt. Ich komme mir so hilflos vor und ich hasse es wie die Pest! Gerade ist er dabei, sich mit geballten Fäusten auf sie zu stürzen, als Meister Splinter endlich das Wort ergreift und den hatte ich in all der Aufregung vollkommen vergessen. Denn die ganze Zeit über hat er keinen Ton von sich gegeben. Vermutlich kennt er solchen Szenarien bereits, doch nun scheint auch ihm die Geduld verlassen zu haben. Wütend knallt er mit seinem Stock auf dem Boden und brüllt: „Es reicht!“ Seine Stimme ist voll von väterlicher Strenge, sodass wir alle erschrocken zusammenzucken und ihn ansehen. Es herrscht Stille und jeder von uns verharrt in seiner momentanen Position, egal ob man in diesem Moment steht, sitzt, oder jemandem einen Fausthieb verpassen wollte. Keiner wagt es auch nur, sich zu bewegen, oder auch nur etwas zu sagen. Allein die Stille hat diesen Raum erobert und alle Aufmerksamkeit ist auf die mutierte Ratte gerichtet. Meister Splinter erhebt sich nun von seinem Sessel und starrt wütend in die Runde. Als könnte sein Blick jeden töten, sieht er jeden einzelnen von uns an, wobei sein Blick dann bei Raphael anhält und auch dortbleibt. Was er wohl gerade denkt? Ich wage es aber nicht, irgendetwas zu sagen. Ich warte einfach gespannt ab, was nun passieren wird. Ich rechne sogar damit, dass sowas wie eine „Predigt“ oder etwas dergleichen als Nächstes kommen wird. Denn genau das drücken seine Augen meiner Meinung nach aus. Er wiederum sieht nun zu mir. Seine Mimik wird milder und er seufzt kurz, bis er sich schließlich wieder seinem Sohn mit der roten Maske widmet und ihn auffordernd anspricht: „Bring besser unseren Gast nach Hause. Wir reden danach.“ Mehr braucht er gar nicht sagen, um zu verstehen, dass das für meinen Freund nun ernste Konsequenzen nachziehen wird. Im ersten Augenblick begreife ich aber nicht, wieso der Sensei mich nun nach Hause schicken will und warum er die Sache jetzt nicht klärt. Als könnte ich womöglich im Weg stehen. Zumindest komme ich mir gerade so vor. Verwirrt und sogar leicht beleidigt von dessen Entscheidung schaue ich nun zum Angesprochenen, der keine Anstalten macht, irgendetwas dagegen zu erwidern. Auch er ist verwirrt. Doch dann schnauft er kurz auf, packt mich unsanft am Handgelenk und zerrt mich hinter sich her. Ich komme erst gar nicht dazu, irgendetwas empört zu erwidern, oder mich gar über die etwas grobe Behandlung zu beschweren. Ich schaue einfach nur zurück und sehe, wie die anderen immer noch perplex hinter mir her starren, während Raphael und ich das Zuhause der Mutanten verlassen. Wenig später haben wir die Kanalisation hinter uns gelassen und ich liege wieder in Raphaels Armen, wobei ich mich diesmal kein bisschen wohlfühle. Diese unnötige Zankerei sitzt mir immer noch in den Knochen und ich habe gerade das Gefühl, als würde ich Raphael kein bisschen kennen. Der hat es ja nicht einmal in Erwägung gezogen, mich mal endlich aufzuklären. Er hat mich einfach hochgehievt und ist, ohne ein Wort zu sagen, mit mir losgestürmt. Immer weiter springt er mit mir über die Dächer und sieht stur in eine Richtung. Ich dagegen merke, dass das Gewitter, dem ich vor diesem furchtbaren Abend eigentlich entgehen wollte, nun sein volles Ausmaß zeigt. Es muss sogar bereits davor schon etwas geregnet haben, als wir noch unten waren. Denn überall ist es bereits nass und der Regen wird jetzt immer stärker, bis es wie aus Eimern schüttet. Selbst der Wind zeigt, was er so draufhat. Heulend treibt er die Unmengen an Wassertropfen an, welche mir nur so ins Gesicht peitschen und wenn es nicht schon genug wäre, sehe ich aus der Ferne, wie ein Blitz irgendwo am Himmel kurz aufleuchtet und bald darauf der nächste Donner sich grollend bemerkbar macht. Das Wetter scheint genau meine derzeitigen Gefühle widerzuspiegeln. Denn selbst in mir herrscht ein tosender Sturm aus Emotionen und ich kann es noch immer kaum verstehen, was da vorhin passiert ist. Ein sinnloser Streit, mehr war es eigentlich nicht und trotzdem entstand wegen nichts ein so großer Wirbel. Was um Himmelswillen ist mit nur ihm los?! Wieso verhält er sich so bescheuert?! Raphael macht immer noch keine Anstalten mir die Sache zu erklären und dabei sollte er jetzt endlich einmal mit der Sprache herausrücken. Ich verlange verdammt nochmal endlich Antworten und diese ist er mir mehr als nur schuldig! Stattdessen folgt er wortlos seinem Weg und er bekommt nicht einmal mit, dass sich mein erschrockener und verwirrter Blick in Zorn und Verständnislosigkeit verwandelt hat. Denn je mehr ich darüber nachdenke, desto wütender werde ich auf ihn und ich habe endgültig genug davon! „Lass mich runter.“, sage ich schließlich bitter ernst, als ich endlich meine Stimme gefunden habe. Anscheinend habe ich ihn kurz aus seinen Gedanken gerissen, denn sein Blick wandert überrascht zu mir hinunter. Als hätte er damit jetzt überhaupt nicht gerechnet. Er reagiert aber nicht auf das, was ich gerade eben befohlen habe, woraufhin ich meine Forderung wiederhole: „Ich hab gesagt, du sollst mich runterlassen!“ Diesmal ist meine Stimme lauter und energischer. Ich fange sogar an, mich aus seinem Griff zu befreien, nachdem er nach gefühlten Sekunden immer noch nicht das getan hat, was ich von ihm verlangt habe. Zunächst bleibt er erst einmal verwirrt und irritiert mitten auf dem Dach stehen und lässt mich schließlich hinab. Ohne ihn weiter anzusehen, gehe ich von ihm weg und stampfe zwischen den ganzen Pfützen auf das nächste Dach zu, welches direkt an diesem hier angrenzt. Es ist jedoch etwas höher und das ist auch gut so. Geschickt klettere ich darauf und drehe mich anschließend wieder zu Raphael. Diese Aktion hatte seinen Grund, denn so kann ich das Dach als eine Art Podest nutzen. Ich möchte nämlich meinem Freund nun endlich direkt in die Augen sehen, ohne dabei meinen Nacken zu überstrapazieren. Ich will jetzt endlich wissen, was sein Problem ist und ich will ihm verdammt noch mal meine Meinung sagen, dass ich von seiner Schweigsamkeit und von seiner unbegründeten Streitsucht endgültig die Nase voll habe. Arme verschränkend warte ich, bis er auf mich zukommt. Wobei ich feststellen muss, dass er immer noch dieses verdutzte Gesicht hat. Er sieht mich an, wie eine Kuh, wenn´s blitzt, was mich allerdings noch wütender macht. Der kann nun was erleben, aber erst einmal muss der „feine Herr“ endlich einmal vor mir antanzen und ich hoffe mal, dass er endlich einmal seinen Arsch zu mir rüber schwingt! Aus Raphaels Sicht: Jetzt sie nicht auch noch! Was haben die alle gegen mich?! Hat sich denn die ganze Welt gegen mich verschworen?! Was soll dieser Mist?! Bin ich hier etwa der Trottel vom Dienst?! Verwirrt, aber immer noch wütend gehe ich auf Bernadette zu, die am anderen Dach zu warten scheint. Mitten im prasselnden Regenschauer steht sie da und schaut mich vorwurfsvoll an. Dabei hat sie auch noch ihre Arme verschränkt, wobei sie mit ihren Fingern ihrer rechten Hand gegen ihren linken Oberarm unruhig hin und her bewegt. Dass ihre Kleidung bereits völlig durchnässt ist und der starke Wind ihre Haare völlig wild umherwirbelt, scheint sie allerdings nicht das Geringste zu interessieren. Sie starrt mich einfach nur zornig an, während ich nicht den blassesten Schimmer habe, was hier momentan abgeht. Gerade eben hatte ich noch Zoff mit meinen Brüdern und nun stehe ich mit ihr inmitten auf einem Dach, während das Gewitter „seelenruhig“ seine Show abzieht. Wieso wollte sie verdammt noch mal runter und was will sie jetzt von mir? Ich setze mich nun in Bewegung. Wie ferngesteuert gehe verwirrt auf sie zu, während alles in mir Achterbahn fährt. Kaum dass ich mich aber ihr genähert habe, fängt sie auch schon mit ihren Tadeln an und schreit mich am Ende sogar an: „Kannst du mir mal endlich erklären, was mit dir los ist? Was zum Kuckuck ist bitte dein Problem?!“ Was soll das jetzt schon wieder heißen?! Ich habe kein Problem, die anderen sind das Problem! Wieso muss ich mir jetzt auch noch diese Scheiße anhören?! Natürlich versuche ich ihr dies mit anderen Worten zu sagen. Immerhin gilt mein Zorn mehr meinen Brüdern, aber es lässt sich nun mal nicht verhindern, dass meine Stimme nicht so richtig mitspielen will. Ohne wirklich die Kontrolle darüber zu haben, schnauze ich sie an: „Hättest du mal besser aufgepasst, wäre dir nicht entgangen, dass ich nicht derjenige bin, der das Problem hat!“ Bernadette schaut mich aber nur verständnislos an und widerspricht mir: „Das sehe ich aber vollkommen anders!“ „Ach ja?! Was ist deiner Ansicht nach mit mir? Kannst du mir das mal freundlicher Weise erklären?!“, fordere ich sie schließlich auf. Langsam habe ich endgültig genug und ich frage mich, ob Bernadette bei der ganzen Sache überhaupt wirklich dabei gewesen ist, oder ob sie sich einfach Augenklappen auf die Augen geklatscht hat. Denn so blind kann keiner sein, dass das nicht auf meinen Mist gewachsen ist! Ihr scheint es allerdings nicht viel anders zu ergehen. Denn ich sehe, wie die Wut in ihr wächst und ihr Gesicht allmählich eine dunkelrote Farbe annimmt. „Wenn ich das wüsste, würde ich dich nicht fragen und mir nicht ständig den Kopf darüber zermartern! Glaubst du etwa, ich habe nicht gemerkt, dass dich irgendetwas bedrückt?! Die ganze Zeit über verhältst du dich komisch und ich habe keine Ahnung warum!“, wirft sie mir nun vor, als hätte ich mich ständig vor ihren Augen zum Gespött gemacht. „Wovon redest du bitte?!“, kommt von mir nur empört die Gegenfrage, weil ich einfach nicht begreife, was sie von mir will, geschweige, was sie von mir hören will. Zudem lenkt ausgerechnet sie alles auf mich. Es sind doch meine Brüder, die mich nicht einfach in Ruhe lassen und mich mit ihren Faxen auf die Palme bringen! Ständig mischen die sich in Sachen ein, die ihnen nichts angehen, nerven mich bis aufs Blut und da darf ich mich nicht einmal aufregen?! Was soll der Mist?! Meine Frage scheint Bernadette nur noch mehr aufzuregen, denn schon geht ihr Gezeter weiter: „Wovon ich rede?! Ich rede von dem Problem, was du hast! Seit deine Familie von mir Bescheid weiß, bist du so drauf! Ich habe mir zuerst gedacht, ich würde mir das einbilden, oder dass sich das schon mit der Zeit legen wird, aber von Mal zu Mal wurde es immer schlimmer! Warum glaubst du, habe ich dich ständig gefragt, ob alles in Ordnung mit dir ist?! Nicht aus Spaß, sondern weil ich mich um dich sorge! Du bist vollkommen anders, auch wenn du versuchst es zu verstecken! Ich habe es aber immer wieder mitgekriegt und trotzdem verschweigst du es weiterhin! Wenn ich dich darauf angesprochen habe, hast du alles Mögliche versucht, es zu vertuschen, oder du gehst grundlos auf deine Brüder los! Anstatt, dass du endlich einmal den Mund aufmachst und mit der Sprache rausrückst, ziehst du dich immer mehr zurück oder rastest völlig aus, so wie gerade eben! … Manchmal frage ich mich, ob du mir überhaupt vertraust.“ Ich schlucke. Nicht nur, dass ihre Worte mich treffen, sie zweifelt an mein Vertrauen. Was hätte ich aber sonst tun sollen? Glaubt sie etwa, die ganze Scharade hier habe ich zum Spaß gemacht?! Jedes Mal wenn ich sie gesehen, oder wenn ich auch nur an sie gedacht habe, war es wie ein Stich in mein Herz. Wie könnte ich mich ihr anvertrauen, wenn es genau um sie geht?! Ich hätte es weder umschreiben können, noch etwas anderes tun können, ohne dass sie den wahren Grund dafür erfährt und wenn mir meine Brüder noch dazu auf die Palme gehen, muss ich ja irgendwann explodieren! Ich habe es doch versucht mich zu beherrschen! Ich habe es wirklich versucht! Noch dazu habe ich so sehnlichst gehofft, dass sie glaubt, ich hätte nur den alltäglichen Zoff mit der Familie. Zum Teil stimmt das ja auch. Dass sie aber davon wirklich windbekommen hat und dass noch mehr dahinterstecken könnte, habe ich nicht realisiert. Immer noch wütend steht Bernadette da und wartet darauf, dass ich etwas dagegen erwidere, ich aber sage nichts. Ich muss ihre Worte erst einmal sacken lassen, aber sie gibt mir nicht die Zeit dafür. Stattdessen fordert sie mich auf, endlich mit der Sprache rauszurücken. „Ich … ich … ähm …“, kann ich nur stotternd von mir geben, breche aber sofort wieder ab. Ich kann es ihr einfach nicht sagen, ich kann es einfach nicht! Mit der Situation völlig überfordert stehe ich einfach da. Ich spüre nur, wie diese verdammte Angst in mir weiter anschwillt. Mein Hals wirkt wie zu geschnürt, als wenn ich keine Luft mehr bekommen würde. Dieser innerliche Druck raubt mir völlig den Verstand. Wie ein Vollidiot komme ich mir, der zu allem noch dazu schwächelt, aber ich bin verdammt noch mal nicht schwach! Das war ich noch nie und das werde ich auch in Zukunft nicht sein! Das lasse ich nicht zu, aber was soll ich nun tun?! „Raphael, jetzt spuck´s endlich aus! Was zum Henker ist mit dir los?!“, drängt sie mich weiter und nun reißt mir endgültig der Geduldsfaden. Zornig packe ich sie bei den Schultern, woraufhin sie zunächst erschrocken zusammenzuckt, aber ihren wütenden Blick beibehält. Ich weiß nicht, was da gerade über mich kommt, aber ich halte sie immer noch fest im Griff, schaue ihr in meinem Gefühlschaos in die Augen und brülle: „Verdammt noch mal Bernadette! … Ich liebe dich!“ Kaum habe ich das aus meiner Seele geschrien, sehe ich, wie sich ihre Mimik verändert. Ihre Augen weiten sich, sie öffnet stumm etwas ihren Mund und blinzelt ein paar Male. Erst jetzt wird mir gerade bewusst, was ich da eben getan habe. Ich habe Bernadette meine Liebe gestanden und das nicht gerade auf einer romantischen Art. Nein, ich habe sie in wahrsten Sinne des Wortes aus mir herausgeschrien und sie Bernadette direkt ins Gesicht gepfeffert und nun starrt sie mich wortlos an! Immer wieder hallen mir meine eigenen Worte durch den Kopf und klingen dabei wie ein unaufhörliches Echo. Als wenn dieses mir nur unter die Nase reiben will, was ich da eben getan habe und dabei wollte ich das gar nicht! Nicht so und auch jetzt nicht wollte ich es ihr sagen! Erschrocken und leicht panisch über meine Tat wird mein Griff nun lockerer und ich lasse meine Arme sogar einfach sinken. Was habe ich nur getan?! Wieso habe ich das gesagt?! Wie konnte ich es nur soweit kommen lassen?! Wie wird sie nun darauf reagieren?! Was wird sie nun sagen?! Wird sie mich nun dafür hassen?! Wo noch für einen kurzen Augenblich die Wut aus mir gesprochen hat, erwacht nun in mir die Angst, die ich ihr nie zeigen wollte. Denn da nun alles raus ist, weiß ich nicht, wie Bernadette nun darauf reagieren wird. Ich rechne aber mit dem Schlimmsten und je mehr mir das bewusst wird, desto sicherer bin ich, dass sie mich abweisen wird, sodass ich meinen Kopf zunächst beschämt senke und dann anschließend leicht zur Seite schaue. Ich kann ihr jetzt einfach nicht in die Augen sehen. Zu sehr fürchte ich mich davor, was nun geschehen wird. Obgleich mir die Furcht früher ein Fremdwort war, so spüre ich ihn nun dennoch und das passiert mir nicht zum ersten Mal. Immer wieder habe ich in meinen Albträumen dieses Szenario durchleben müssen und immer wieder bin ich auf dasselbe schreckliche Ergebnis gekommen: Bernadette wird mich abweisen. Sie kann und wird mich nicht lieben. Sie ist ein Mensch und ich ein Mutant. Das kann einfach nicht gut gehen. Abgesehen davon würde sie niemals solche Gefühle für mich hegen, wie ich es tue. Da bin ich mir sicher und ich Idiot lasse es auch noch so weit kommen. Niemals wird es je wie vorher sein und das Schlimmste daran ist, dass ich Bernadette nun verlieren könnte und es hängt nur davon ab, wie sie nun reagieren wird. Unfähig irgendetwas zu tun, stehe ich wie ein Trottel da und kann jetzt nur noch abwarten, was als Nächstes passiert. Ich muss es über mich ergehen lassen. Ob ich will oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Es ist bereits zu spät. Sie weiß nun, welche Gefühle ich für sie hege und nun liegt es an ihr, wie es nun weitergeht. Jedoch schwindet meine Hoffnung, dass zwischen uns vielleicht doch etwas werden könnte. Denn warum sollte sie auch etwas mit einem Mutanten anfangen? Ich will mich nun langsam ganz von ihr abwenden, um sie nicht anschauen zu müssen, als ich plötzlich etwas spüre und daraufhin erschrocken aufsehe. Bernadette hat ihre rechte Hand auf meine linke Wange gelegt und drückt mein Gesicht nun so zu sich, sodass ich gezwungen bin, sie anzusehen. Dabei fühle ich mich komplett paralysiert. Ich kann mich einfach nicht dagegen wehren, ich lasse es einfach geschehen. Erstaunt merke ich nun, dass sie lächelt. Ihre Mimik hat nichts mehr Erschrockenes oder dergleichen an sich, was ich überhaupt nicht begreifen kann. Sie müsste mich doch jetzt hassen, oder zumindest versuchen mich behutsam abzuweisen. Denn genauso habe ich das immer befürchtet, oder kommt das erst noch? Verwirrt und überfordert schaue ich sie einfach nur an und warte. Bernadette aber tut nichts dergleichen. Sie hat einfach dieses liebevolle Lächeln im Gesicht und ihre graugrünen Augen scheinen wie kleine helle Smaragde zu funkeln. Momentan bin ich aber überhaupt nicht in der Lage, auch nur irgendetwas zu sagen, oder sonst irgendwie zu reagieren. Stattdessen fühle ich, wie sie nun ihre zweite Hand auf meine andere Wange legt. Sanft spüre ich sie auf meiner Haut und ich warte einfach nur darauf, dass Bernadette mich nun endlich mit den Tatsachen konfrontiert. Was hat sie vor? Warum sagt sie einfach nicht, dass sie nicht dasselbe empfindet? Dann hätte ich es endlich hinter mir und ich mich nicht mehr mit diesem beschissenen Gefühl abgeben. Will sie mich damit etwa quälen? Ich verstehe das nicht! Immer mehr Fragen türmen sich in mir auf und erst spät bekomme ich mit, dass Bernadette mich nun mit einem sanften Druck zu sich sieht. Unsere Gesichter nähern sich. Was passiert hier gerade?! Ehe ich aber auch nur verstehen kann, was da in Moment vor sich geht, ist es schon geschehen, unsere Lippen berühren aneinander. Wie ein Blitz durchfährt etwas meinen Körper. Es ist wie eine Art sprudelnde Energie, die vom Kuss aus durch meinen Kopf bis hin zur letzten Spitze meines Körpers zischt und dabei dieses berauschende Gefühl hinterlässt, welches mich nicht mehr loslässt. Es ist einfach unglaublich! Von der Lust getrieben, kann ich endlich meine Glieder bewegen. So gleite ich mit meiner rechten Hand durch ihr glattes Haar, während ich mit meiner Linken um ihre Hüften fasse und sie dabei sachte etwas hochhebe. Ohne dass Bernadette von mir ablässt, reagiert sie auf meine Bewegungen. Zärtlich gleitet sie mit ihren Händen weiter an meinen Wangen voran, bis sie mit beiden Armen meinen Nacken umschlungen hat. Unsere beiden Gesichter sind nun dichter beieinander und unsere Lippen scheinen miteinander versiegelt zu sein. Ich kann gar nicht glauben, was da eben passiert! Das muss ein Traum sein und wenn es einer ist, so will ich nie mehr wieder aufwachen! Da möchte ich doch bis ans Ende meines Lebens träumen. Es ist einfach zu schön. Von Adrenalin und einem Gemisch aus verschiedenen Gefühlen gepackt, stehen wir noch eine Weile so und ich wünsche mir nur, dass das niemals aufhört. Es ist wie ein unwiderstehlicher Rausch, der einen packt und in eine völlig neue Welt entführt. Ich kann gar nicht beschreiben, wie traumhaftschön das ist und doch müssen sich unsere Lippen nach einiger Zeit wieder lösen. Der Kuss raubt einem nicht nur den Verstand, sondern auch den Atem. Tief ringen wir beide nach Luft. Vermutlich ergeht es Bernadette so ähnlich. Zumindest höre ich, wie stark sie atmet. Während mich der Kuss so übermannt hatte, hatte ich die Augen geschlossen. Doch nun öffne ich sie wieder. Flehend dass das alles doch nicht nur ein Hirngespinst war, blicke ich in ihre Augen. Immer noch leicht keuchend schaut Bernadette mich an. Sie lächelt liebevoll und flüstert dann die drei kleinen Worte, die mich endgültig um den Verstand bringen: „Ich liebe dich.“ Meine Augen weiten sich und ich habe immer noch das Gefühl, als würde ich noch tief in diesem Traum feststecken. Beinahe flüsternd kommt nun aus meinen Mund geschossen: „Meinst du das wirklich ernst?“ Bernadette strahlt, während sie nickt und schließlich ihre Stirn sanft an meine legt. „Mir war nie etwas so ernst wie das hier Raphael.“, antwortet sie mir nun und küsst mich schließlich ein weiteres Mal. Auch wenn dieser Kuss nun eher kurz gewesen ist, so könnte ich freudestrahlend die ganze Welt umarmen. Ein befreiendes Gefühl umgibt mich. Die Angst, sie könnte mich von sich stoßen, weil ich diese Gefühle für sie hege, ist wie weggeblasen. Sie liebt mich und hat mir das auf zwei Arten gezeigt. Wild und mit unendlicher Freude drehe ich mich mit Bernadette in den Armen und lache, als könnte es für mich nichts Schöneres geben. Dabei tanze ich mit ihr auf dem mit bereits Pfützen übersäten Dach, wodurch das Wasser unter meinen Füßen nur so spritzt. Wie kleine Fontänen wirbelt diese Flüssigkeit in der Luft, bis die einzelnen Tropfen wieder auf dem Beton landen, ehe sie aufs Neue von meinen rasanten Bewegungen herumgewirbelt werden. Mir ist es aber völlig egal und Bernadette ergeht es nicht viel anders. Denn auch sie ist vom Glück erfüllt und lacht mit mir, als würde es kein Morgen mehr geben und während ich mit ihr so auf dem Dacht tanze, genießt sie mit mir gemeinsam diesen Moment. Immer noch die Hände an meinen Nacken haltend, lehnt sie sich bei dem ganzen Gewirbel mit dem Kopf etwas zurück und lässt sich mit mir herumwirbeln. Wie in einem Karussell für zwei Personen geht es bei uns zu und ich hätte noch ewig damit weitergemacht, hätte ich schließlich nach etlichen Umdrehungen nicht doch aufhören müssen. Mir ist schon etwas leicht schwindlig, weswegen ich am Ende wie ein Betrunkener etwas taumle, meine Geliebte aber immer noch festhalte. Wieder schaue ich ihr in die Augen. Sie weiß ja gar nicht, was für ein Stein mir von Herzen gefallen ist. Denn nie habe ich es auch nur zu träumen gewagt, dass sie meine Liebe erwidern könnte. Ich bin jetzt einfach so glücklich und momentan wünsche ich mir nur eines: Diese Nacht soll niemals enden. Liebevoll streiche ich mit einer Hand wieder durch ihr Haar und ich will ihr schon den nächsten Kuss einhauchen, als sie plötzlich ihren Kopf ruckartig zur Seite reißt und heftig niest. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)