TMNT - Schicksal? von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 14: Eine Prüfung nach der anderen ----------------------------------------- Aus Bernadettes Sicht: „Ich warne dich zum letzten Mal: Einen Schritt weiter und die Frau ist tot! Dasselbe gilt auch für das Mädchen hier! Verschwinde!“, wiederholt sich der Schwarzhaarige, während er grimmig in den Schatten hineinstarrt und weiterhin seine Waffe fest gegen die Schläfe meiner Mom drückt. Immer wieder wechselt er hastig seinen Blick. Er will weder mich, noch meine Mutter aus den Augen lassen. Vermutlich befürchtet er, dass ich die Chance ergreifen und wegrennen könnte. Dafür habe ich aber viel zu viel Angst um meine Mutter und meine Beine fühlen sich gerade wie Gummi an. Wie soll ich mich da noch vom Fleck bewegen?! Selbst wenn ich es gewollt hätte, hätte ich nicht einfach so aufstehen und irgendetwas tun können. Genauso ist meine Mom wie gelähmt. Sie ist einfach damit beschäftigt, sich still zu verhalten, während sie zittert und vermutlich darauf hofft, dass der Kerl ja nicht den Abzug betätigt. Ich habe Angst, ich habe Angst um mein Leben und das meiner Mutter. Egal, was auch vorhin vorgefallen war, ich will einfach nicht, dass es so endet. Während ich noch an derselben Stelle dahocke und verzweifelt sie anstarre, greift mein Retter endlich ein. In Binnen von wenigen Sekunden hat er dem Mistkerl einen Wurfstern entgegengeschleudert. Dabei trifft er aus seinem Versteck so geschickt in Richtung der Pistole, sodass der Verbrecher vor Schmerz aufschreit und vor Schreck das Ding von sich schleudert. Es ist so schnell gegangen, wodurch ich kaum mitbekommen habe, wo genau dieser Abschaum getroffen wurde. Stattdessen sehe ich das Endergebnis. Im selben Moment lässt sich meine Mutter fallen und kriecht hastig zu mir. Es vergeht kaum eine Sekunde, schon hat sie ihre Arme um mich geschlungen und versucht mich nun mit ihrem ganzen Körper vor weiteren Gefahren zu schützen. Ich dagegen bin wie versteinert. Es geht einfach so schnell und wie gebannt beobachte ich das Geschehen. Wie aus dem Nichts erscheint eine große Gestalt, welche sich auf dem Typen stürzt, ihn als Erstes gegen die nächste Wand schmettert und sich anschließend wieder in den Schatten zurückzieht. Ein dumpfer Schrei folgt daraufhin, wird aber von dem Aufprall verschluckt und eine schweres Keuchen ersetzt ihn. Dies hindert den Kerl aber nicht daran, sich vor Schmerzen zu winden und schließlich wieder mühselig aufzustehen. Er sucht sogar nach seiner Waffe, damit er sich verteidigen, oder zumindest wild in die Dunkelheit schießen kann. Was er dabei treffen mag, ist ihm egal. Genau das sagen mir seine Augen, die nur wutentbrannt und voller Hass sind. Jedoch hat er nicht mit unserem Retter gerechnet, der nun vollkommen aus dem Schatten tritt und nicht gleich wieder verschwindet. Als ich ihn endlich erkenne, weiten sich meine Augen, doch ich wage es nicht, auch nur ein Laut von mir zugeben. Es ist Leo, der mich und meine Mutter gerade beschützt und sich vor diesem Kerl aufbäumt. Wie ein mächtiger Bär hat er sich vor seinem Gegenüber in Stellung gebracht und ist bereit für den Kampf. Ich dagegen bin einfach nur perplex und mir ist nun endlich klar, warum mir seine Stimme auch so bekannt vorgekommen ist. Jedoch konnte ich diese vor Angst nicht richtig zuordnen, geschweige irgendwie klardenken. Noch dazu kann ich einfach nicht glauben, dass gerade er hier ist. Immerhin ist er der Einzige von den Brüdern, der mich nicht gerade gut leiden kann und mich sogar meidet. Doch nun ist er da und rettet mich und meine Mutter! Nicht nur, dass ich wegen diesem Mistkerl und seiner Waffe Angst habe, ich bin einfach mit der Tatsache überfordert, dass ich gerade von dem Schildkrötenmutanten beschützt werde, der mich ansonsten mit seinem durchbohrenden Blick bestraft und sich vermutlich sogar gewünscht hätte, ich würde alles, was ihn und seine Brüder betrifft, vergessen. Allerdings bin ich nicht die Einzige, welche gerade mit den Nerven kämpft. Denn als meine Mom ihren Blick zu unserem Retter zugewandt und schließlich bemerkt hat, dass es sich hierbei nicht um einen Menschen handelt, starrt sie ihn fassungslos und sogar entsetzt an. Entpuppt hat sich für sie eine riesengroße, humanoide Schildkröte mit Waffen, welche gerade dabei ist, dem Gauner einen weiteren Schlag zu verpassen, sodass jener nun endgültig liegen bleibt und sich nicht mehr rührt. Meine Mom dagegen hat nun die Panik gepackt. Mehrere Male blinzelt sie, reibt sich sogar zwischendurch mit ihren Händen ihre Augen und starrt immer wieder auf ihn. Sie kann es einfach nicht glauben und hätte ich solch Ähnliches nicht selbst mal erlebt, so würde es mir jetzt vermutlich genauso ergehen. „Das … das … das kann doch nicht wahr sein!“, stammelt sie, während sie ihre Arme vor Angst dichter um mich schlingt und mich fester an sich drückt. Meine Mutter kann nicht glauben, was sie da gerade sieht, was nur allzu verständlich ist. Mir ist es doch ähnlich ergangen, als ich Raphael kennenlernte. Doch zu sehr hat auch mich die Angst gepackt, weswegen ich kaum reagieren kann. Schuld daran ist der Typ mit der Pistole, der nun endlich seine gerechte Strafe bekommen hat. Zum Glück ist dies nicht lange von Dauer gewesen und ein Problem haben wir fürs Erste gelöst. Stöhnend liegt der Kerl nun am Boden und rührt sich kaum mehr, während wir beide noch damit kämpfen, dass unsere Herzen nicht gleich aus unseren Brustkörben springen. Leo atmet nach seinem Kampf auf, kickt aber noch die Pistole ein Stück zur Seite, als er dann langsam auf uns zukommt. Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist. Je mehr sich der Mutant nämlich uns nähert, desto mehr Panik bekommt meine Mutter, bis sie dann nicht mehr kann und vor Schreck das Bewusstsein verliert. „Mom!“, rufe ich ihr erschrocken zu, erhalte aber keine Antwort. Sie ist bereits weggetreten und ohne jegliche Reaktion liegt sie nun auf dem Boden. Zum Glück konnte ich sie noch etwas auffangen, bevor sie mit dem Kopf auf dem harten Asphalt geknallt wäre. Es ist aber deutlich, dass das nun endgültig zu viel für sie war. Besonders Leos Erscheinung hat ihr den Rest gegeben. Dieser wiederum steht nun direkt vor uns, kniet sich nieder und fühlt schließlich mit den Fingern an ihrem Hals. Erleichtert spürt er ihren Puls. „Sie ist nur ohnmächtig.“, berichtet er mir mit einer ruhigen Stimme, was auch mich etwas ruhig stimmen und aufatmen lässt. Die Angst um meine Mutter bleibt dennoch erhalten. Den Kopf auf meinem Schoß liegend, ruht sie nun und erholt sich vor diesem Schreck, den sie vermutlich nicht so schnell wieder vergessen lässt. Es sei denn, sie versucht dies zu verdrängen. Wie ich ihr das wohl erklären soll? Ich weiß es nicht. Ich sehe nun zu Leo. Dankbar dafür, dass er rechtzeitig da war, will ich schon etwas zu ihm sagen, jedoch hat er bereits seinen Blick von mir abgewandt. Er steht einfach wieder auf, dreht sich nun ganz um und geht schließlich zu dem anderen Bewusstlosen. Wortlos packt er diesen und wirft ihn wie einen schweren Sack über seine linke Schulter. Doch bevor er geht, wirft er noch einen kurzen Blick auf mich und meine Mutter. Ich kann nicht deuten, was er damit ausdrücken will und bevor ich auch nur irgendwie darauf reagieren, geschweige etwas zu ihm sagen kann, ist er bereits verschwunden. Vermutlich schmeißt er dieses Arschloch den nächsten Polizisten vor die Füße, oder liefert ihn direkt vor dem nächsten Polizeipräsidium ab. Ich hoffe nur, dass dieser Scheißkerl so schnell niemanden mehr bedroht. Wobei er dieses Erlebnis so und so nicht so schnell wieder vergessen würde und das verdanke ich nur einen: Leo Einen Moment sehe ich dem Mutanten noch nach und wende mich dann seufzend wieder meiner Mom zu. Noch immer hat sie sich nicht bewegt. Nur flach atmet sie, während sie das Geschehnis nun irgendwie verarbeitet. Doch es wird schwer werden, ihr das zu erklären. Allein die Tatsache, dass uns ein fremdes Wesen gerettet hat, welches vom Äußeren her einfach nicht erklärbar ist, wird sie nicht so einfach verdauen können. Wer weiß, was meine Mutter in diesem Augenblick gedacht hat. Vermutlich versuchte sie sich einzureden, dass das ein schlechter Scherz sein musste und dass sie sich diese Gestalt aus Angst nur eingebildet hatte. Immerhin hat sie noch nie an Übernatürliches geglaubt. Das war eher Dads Ding und auch ich interessiere mich für solche Themenbereiche. Mom dagegen ist ein purer Realist, wobei sie bei meinen Problemen eher über den Wolken zu schweben scheint, aber das ist jetzt nebensächlich. Viel wichtiger ist es, dass wir beide wohlauf sind und dass niemand verletzt wurde. Die Sache mit Leo muss ich irgendwie anders erklären. Denn ich kann ihr nicht einfach sagen, dass es sich bei unserem Retter um eine mutierte Schildkröte handelt, die noch mit drei weiteren Mutanten New York vor Verbrechern und Co. beschützt und noch dazu irgendwie zu meinem geheimen Freundeskreis gehört. Erstens würde sie mir ein weiteres Mal nicht glauben und vielleicht würde sie mich sogar endgültig für verrückt halten. Auch wenn sie das gerade selbst live miterlebt hat, so wird sie sich garantiert gegen diese Tatsachen wehren. So viel steht schon mal fest. Ich könnte es ihr nicht einmal verübeln, weil es einfach unglaublich ist. So wie ich es mir schon einmal dachte, sieht man sowas normalerweise nur in Filmen, oder liest dies in abenteuerlichen Geschichten. Nur ist dies nicht das Einzige, was mich momentan beschäftigt. Ich habe noch so viele Fragen, jedoch muss ich erst einmal zusehen, dass ich meine Mutter wieder wachbekomme. Wir können schließlich nicht bis zum nächsten Morgen hier versauern und ich kann sie ja hier nicht einfach so liegen lassen. So tätschle ich sie eine Weile sanft bei den Wangen und spreche sie ständig an. Irgendwie muss ich sie ja wieder wachbekommen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kommt sie endlich zu sich. Stöhnend blinzelt sie und stammelt irgendetwas vor sich hin, während ich ihr helfe, sich erst einmal wieder aufzusetzen: „Da … da war … dieses Monster … ich …“ Natürlich ist Leo wieder das Thema. Etwas Anderes wäre einfach unvorstellbar gewesen, aber ich versuche meiner Mutter zu beruhigen und ihr einzureden, dass sie sich „dieses Monster“ nur eingebildet hat. Irgendwie ist das sogar ironisch und wäre das nicht gerade der falsche Zeitpunkt, wäre es vielleicht sogar ziemlich komisch. Denn kurz zuvor hat ausgerechnet sie mir das vorgehalten. Ich würde mir ja alles, was meine Probleme betrifft, nur einbilden und wäre an meiner Einsamkeit selbst schuld. Doch nun bin ich an der Reihe: „Aber Mom, was redest du da? Da war doch kein Monster. … Das hast du dir sicherlich nur eingebildet.“ „Und was war es dann bitte schön?! Kannst du mir das vielleicht erklären?!“, kontert sie sofort beleidigt, da sie einfach nicht verstehen kann, wie ich ihr nun in den Rücken fallen kann. Wäre das allerdings nicht so eine komplizierte Angelegenheit, so würde ich es nicht tun. Ich meine es ja nicht böse, aber ich habe meine Gründe dafür und ich weiß ganz genau, dass sie das nicht verstehen würde. Bei manchen Dingen mögen wir beide uns vielleicht einig sein, aber abgesehen davon, dass sie momentan meine Welt so und so nicht verstehen kann, so würde sie auch das nicht begreifen, geschweige akzeptieren können. Ich kann sie ja verstehen, dass sie aufgebracht ist, aber es ist einfach besser, wenn sie nichts von meinen geheimen Freunden erfährt. Es soll ja niemand zu Schaden kommen und außerdem haben die Jungs mein Vertrauen, den ich nicht brechen möchte. „Ich weiß zwar nicht, was du da gesehen hast, aber ich bin einfach nur froh, dass dieser Fremder aufgetaucht ist. Wäre er nicht so schnell aus dem Nichts erschienen, so wäre es um uns geschehen.“, behaupte ich und so falsch wäre das nicht einmal. Ich drehe da nur etwas an der Wahrheit. Jedoch lässt sich meine Mutter nicht so einfach damit abspeisen: „Wenn du schon behauptest, dass das kein Monster war, wer hat uns dann gerettet? Wie sah er deiner Meinung nach überhaupt aus?“ Gute Frage und jetzt kann ich zusehen, dass ich mir schnell eine Lüge einfallen lasse, die aber auch glaubhaft wirkt. Sonst würde mein Kartenhaus schneller in sich zusammenfallen, als was sie aufgebaut ist. Noch dazu kann ich mit der Erklärung nicht so lange warten, da das nur auffällig wäre und so erzähle ich ihr: „Das kann ich dir auch nicht so sagen. Es ging ja alles so schnell und der Mann war vermummt. Ich habe nur gesehen, dass das ein eher stämmiger und großer Kerl war, denn er konnte den anderen so leicht überwältigen und diesen Mistkerl quasi gegen die Wand klatschen.“ „Aber … das verstehe ich nicht. … Ich habe doch gesehen, dass … dass doch ...!“, will meine Mutter nun verwirrt einwerfen, aber ich unterbreche sie: „Du standst unter Schock und hier ist es ziemlich dunkel. Wer weiß, was du aus Angst noch gesehen hast. Noch dazu hattest du ja die Pistole an deinem Schädel. Wer weiß, was ich an deiner Stelle dann gesehen hätte.“ Grübelnd sieht sie mich an. Überzeugt ist sie von meiner Annahme nicht, aber ich sehe ihr an, dass meine „Logik“ für sie nicht allzu sehr verkehrt klingt. „Das macht wohl Sinn, aber … ach ich weiß nicht.“, stammelt meine Mutter, da sie das Ganze einfach nicht begreifen kann. Ich würde es ihr gerne einfacher machen, aber ich kann nicht und diese Lüge muss erst einmal reichen, welche zu meinem Erstaunen sogar glaubhafter wirkt, als die bittere Realität. Daher bestehe ich weiterhin darauf und versuche dabei so überzeugend zu sein, wie es mir gerade möglich ist. Auch ich bin erschöpft und fertig mit dem Nerven. Eigentlich will ich nur nach Hause, aber erst nach einer Weile kann ich sie doch irgendwie von meiner Lüge überzeugen. Wahrscheinlich will sie diesen Abend einfach nur vergessen und so schnell wie möglich von hier verschwinden. Erleichtert darüber, atme ich auf, bis ich ihr dann aufhelfe und wir dann gemeinsam nach Hause gehen. Für heute reden wir allerdings kaum mehr miteinander. Meine Mutter ist zu sehr erschöpft und aufgebracht und mir selbst ist auch nicht wirklich nach Reden zu Mute. Ich bin einfach nur froh, dass sie nicht verletzt wurde. Alles andere ist mir im Moment egal und ich sehne mich nur noch nach meinem Bett. Ca. eine Stunde später bin ich in meinem Zimmer. Ich sitze auf meiner Matratze und denke gerade über die Geschehnisse nach. Kaum waren meine Mom und ich heimgekehrt, so ging jede von uns wortlos in sein Zimmer. Keine von uns wollte für heute auch nur ein Wort darüber verlieren und wahrscheinlich wird dies erst dann passieren, sollte Tante Tina nachhaken. Irgendwann wird sie es schon erfahren und wie ich meine Mutter kenne, so wird sie als Erste von uns davon berichten. Was für ein Scheißabend, zuerst der Streit und dann noch diese Sache! Ein Klopfen lässt mich plötzlich aufhorchen und mich aus meine Gedankenwelt herausreißen. Es kam vom Fenster und als ich dann dorthin sehe, entdecke ich Leo. Verwundert stehe ich auf und gehe zu ihm. Was er wohl hier will, ach egal. Kaum ist er wenig später zu mir hineingeklettert, sage ich nichts zu ihm, ich umarme ihn einfach. Ich kann nicht anders. Auch wenn er mir bis jetzt mehr als nur seltsam vorgekommen ist und mir misstraut, bin ich ihm trotz allem einfach nur dankbar. Er hat immerhin meine Mutter und mich gerettet und so murmle ich ein leises „Danke.“, ehe ich schließlich zu ihm aufsehe. Leo lächelt stumm, als ich das zu ihm gesagt habe. Doch dann kommt mir wieder die Frage in den Sinn, die ich mir davor schon gestellt hatte: Warum war er überhaupt dort? Mein Gesicht wird nun ernst, als ich ihn meine Frage stelle: „Nicht, dass ich jetzt undankbar erscheinen möchte und verstehe mich bitte nicht falsch, aber sag mir: Wie konntest du rechtzeitig dort sein? Bist du mir etwa gefolgt?“ Er wiederum seufzt, nickt aber dann und erklärt mir auch noch trocken, dass es mit Raphael zu tun hat: „Raphi ist schon seit letzter Zeit seltsam. Er flippt öfters ohne jeglichen Grund aus, oder geht uns aus dem Weg. … Er ist zwar schon immer ein Hitzkopf gewesen, aber jetzt ist es irgendwie schlimmer. Habt ihr euch das letzte Mal gestritten, oder so? Er war das letzte Mal doch noch für einen Augenblick bei dir. … Was hat er denn gesagt?“ „Raphael hat gar nichts zu mir gesagt. Er hat mich nur kurz angesehen, aber kein Wort mit mir gewechselt, bis er dann plötzlich aufgebrochen ist. Wir hätten also nicht streiten können.“, antworte ich auf seine Gegenfrage, obgleich ich auch nicht ganz verstehen kann, was Leo dazu bewegt hat mir zu folgen. Andererseits ist mir selbst aufgefallen, dass Raphael sich komisch benommen hat und ich habe ihn seitdem auch nicht mehr gesehen. „Seltsam, weswegen ist er so eingeschnappt?“, fragt Leo murmelnd, wobei diese Frage mehr an sich selbst gerichtet ist. Dennoch gehe ich darauf ein: „Ich weiß es nicht. Er war schon an diesem Abend so merkwürdig drauf und dann ist er nicht mehr gekommen. … Nur, was hat das jetzt bitte mit heute zu tun?“ „Ich wollte einfach dem nachgehen. Schließlich muss es dafür eine vernünftige Erklärung geben und deswegen habe ich dich beobachtet.“ „Ist das wirklich dein Ernst? Sehe ich wirklich danach aus, als ob ich nur Probleme bereiten würde? Hast du schon mit ihm überhaupt geredet, oder hast du gleich beschlossen, mich zu beschatten?“, frage ich ihn nun beleidigt, wobei ich mich bemühe, meinen Zorn nicht allzu sehr rauszulassen. Schließlich hat er mich noch vorhin gerettet. Aber Dankbarkeit hin, Dankbarkeit her, das berechtigt noch lange keine grundlose Beschattung, geschweige solche ungerechtfertigte Mutmaßung! Zu meinem Glück nimmt mir Leo das nicht krumm. Vermutlich bezieht er meine momentane Stimmung auf vorhin, in der ich noch gemeinsam mit meiner Mom um unsere Leben bangen musste. Dennoch besteht er darauf, zu erfahren, wie ich die eine Nacht erlebt habe. Denn es würde vielleicht helfen. Ich seufze und erzähle ihm: „Wie gesagt, er hat kein Wort rausbekommen und er war auch schnell wieder weg. Seitdem habe ich jede Nacht darauf gewartet, mit ihm zu reden, aber er ist nie gekommen. Ich kann dir daher nicht mehr sagen, weil ich einfach nicht mehr weiß. Tut mir leid.“ Leo scheint jetzt nachzudenken, bis er mir dann vorschlägt: „Vielleicht ist es besser, wenn du gleich mitkommst. Dann könnten wir vielleicht die Sache gemeinsam aufklären.“ Ich jedoch schüttle bei seinem Vorschlag den Kopf und erwidere: „Das geht jetzt nicht Leo. Meine Mom ist da und wenn die mitbekommt, dass ich jetzt plötzlich weg bin, dann flippt sie mir endgültig aus. Es war schon schwierig genug, ihr einzureden, dass nicht du, sondern ein vermummter Fremder uns gerettet hat. Ich will ihr heute das nicht auch noch zumuten. … Besser wäre es, wenn ich morgen Abend komme, dann hat sie das bis dahin vielleicht etwas verdaut.“ Leo nickt zustimmend und so machen wir es für morgen aus, dass er mich abholt. Da es so und so bald Wochenende ist, wird meine Tante meine Mutter unter ihre Fittiche nehmen. Wenn ich Glück habe, lassen sie beide mich in Ruhe und ich kann ohne weiteres verschwinden, ohne dass dabei irgendjemand etwas davon mitbekommt. Ich hoffe das zumindest. Es würde mir mal einmal etwas einfacher machen. Kaum dass wir das nun geklärt haben, bedankt sich Leo auf einmal bei mir. Verwirrt schaue ich ihn an und er scheint sofort zu begreifen, dass ich seinen Dank jetzt nicht verstehe. „Danke dafür, dass du mich nicht verraten hast.“, fügt er schließlich hinzu. Ich schüttle leicht lächelnd den Kopf, während ich ruhig sage: „Hast du wirklich geglaubt, ich würde so was tun? Ich habe euch doch gesagt, na eigentlich sogar versprochen, dass nichts über meine Lippen kommen wird. … Außerdem, einen Freund hintergeht man nicht. Das ist einfach so bei mir und dazu stehe ich auch.“ Dies ist tatsächlich mein voller Ernst. Bei meinen letzten Worten spüre ich allerdings in mir ein seltsames Gefühl, der mich beinahe zu erwürgen scheint. Denn in diesem Augenblick kommen mir meine Ex-Freunde wieder in den Sinn. Denn gerade sie waren es, die mich wegen Lucinda einfach im Stich gelassen hatten, nur damit sie ihre Ruhe hatten. An mich dachten sie dabei nicht und das werde ich ihnen auch niemals verzeihen. Abgesehen davon, dass ich zu meinem Wort stehe, ist Freundschaft etwas Wichtiges für mich. Egal um wen es dabei geht, für meine Freunde bin ich da und niemals möchte auch nur daran denken, jemandem zu hintergehen. Leo scheint sich jetzt irgendwie zu schämen. Der hat doch wirklich die Angst gehabt, dass ich jemandem von ihm oder von seiner Familie erzählen würde. Ich hoffe, dass er jetzt endlich zur Besinnung gekommen ist und dass ich das nicht mehr länger beweisen muss. Zwar kann ich seine Sorge irgendwie nachvollziehen, aber mir wäre es jetzt wesentlich lieber, wenn er damit endlich aufhört und mir eine Chance gibt. Das zerrt nur an den Nerven, so wie ich mich auch jetzt wieder fühle. Ich seufze und setze mich wieder auf mein Bett. Durch die Gedanken an meine Ex-Freunde kommt meine Sorge wegen der Schule wieder hoch. Dabei konnte ich es bis jetzt so gut wie möglich verdrängen und sogar vergessen. Leo scheint bemerkt zu haben, dass mich etwas bedrückt. Anstatt dass er sofort nach Hause geht, setzt er sich neben mich und fragt mich: „Bedrückt dich etwas? So wie du aussiehst, scheint dich gerade etwas zu belasten und ich wage es zu bezweifeln, dass es mit diesem Idioten und seiner Pistole zu tun hat.“ Er hat ja recht. Nur, ob ich jetzt wirklich wieder damit anfangen soll? Selbst bei Mom wurde ich heftig an den Kopf gestoßen. Ein weiteres Mal würde ich für heute vermutlich nicht verkraften, aber andererseits wäre es schön, mal endlich einen Rat zu hören und so, wie mir Leo momentan erscheint, glaube ich eigentlich nicht, dass er mit meinen Nerven spielen wird. Er scheint es sogar ernst zu meinen. Was habe ich also schon zu verlieren? So erzähle ich dem Blaumaskierten von Lucinda und von meinen Problemen in der Schule. Allerdings erwähne ich nicht alles. Im Fokus stehen die Prüfung und die Drohungen, welche mir bis jetzt auf verschiedenster Art und Weise zugeschickt wurden. Alles andere ist irgendwie nebensächlich geworden. Zumindest ist dies für die nächste Zeit so. Was dann kommen wird, steht noch in den Sternen. Darüber möchte ich noch nicht einmal nachdenken, aber irgendwann wird es der Fall sein. Das weiß ich, leider. Geduldig hört Leo mir zu und als ich dann noch meine, dass ich niemanden zum Reden hätte, knufft er mir leicht in den rechten Arm: „Naja, jetzt konntest du mit mir darüber. … Ich schätze mal, das wäre sonst Raphis Part gewesen, oder?“ Bei diesen Worten werde ich plötzlich etwas rot. Er hat ja eigentlich recht, aber das muss er nicht wissen, geschweige laut aussprechen. Irgendwie komme ich mir jetzt vor wie eine rote Tomate. Das ist doch echt peinlich! Da fängt Leo leicht an zu kichern: „Keine Sorge, ich sage nichts weiter, … aber ich gebe dir einen gutgemeinten Rat: Lass dich nicht unterkriegen. … So schwer es dir auch fällt, halte durch und wenn du was brauchst, kannst du auf jeden Fall mit uns reden und damit schließe ich die gesamte Familie mit ein. … Aber nur so ein kleiner Tipp nebenbei: Ich würde Mikeys Vorschläge eher meiden. Sonst bekommst du mehr Ärger, als was dir lieb ist. … Aber jetzt muss wirklich ich los. Wir sehen uns morgen.“ Mit diesen Worten steht er schließlich auf und macht sich nach einem kurzen Abschied meinerseits auf dem Weg. Schon springt er über die Dächer und ich sehe ihm noch nach. Ich winke ihm sogar noch zu, bis er endgültig verschwunden ist. Irgendwie hat sich eine Erleichterung in mir ausgebreitet. Eigentlich kann er sogar nett sein, wenn er will. Nachdem ich mit ihm geredet habe, fühle ich mich einfach etwas besser. Ich habe sogar endlich einen Rat bekommen, den ich eigentlich von meiner Mutter erhofft hatte. Dennoch bin ich damit zufrieden und noch dazu glaube ich, dass sich auch bei Leo etwas getan hat. Er war am Ende einfach anders und wer weiß, vielleicht war dies sogar der Erste Schritt für ein gegenseitiges Vertrauen. Wünschen würde ich es mir. Der nächste Morgen bricht an und mit einem erleichterten Blick wird mir bewusst, dass es Freitag ist. Das heißt, dass ich nur noch einige Stunden überstehen muss, bis ich endlich in das Wochenende flüchten kann. Jedoch ist meine Freude begrenzt, denn heute ist die Geschichtsprüfung, für ich die ganze Zeit gelernt habe. Ich hoffe, dass mir noch etwas im Kopf geblieben ist. Immerhin habe ich in den letzten Tagen viel durchmachen müssen. Tief durchatmen Bernadette, du schaffst das schon. Immer wieder versuche ich mir Mut zu zusprechen. Doch je näher die Prüfung voranrückt, desto nervöser werde ich. Natürlich ist Lucinda mit ihren stechenden und bedrohenden Blick nicht ganz unschuldig. Ich darf mich aber nicht fertig machen lassen. Es geht immerhin um meine Note, für die ich gepaukt habe. Also tief durchatmen, das wird schon. Hoffe ich zumindest. Die Stunde für die Prüfung beginnt. Ich habe mir bereits in der Pause einen freien Platz gesucht und zu meinem Leidwesen, hat sich meine Erzfeindin in meiner Nähe gesetzt. „Ich hoffe für dich, dass du dich für das Richtige entschieden hast. Du weißt ja, was das für ich bedeuten kann.“, droht sie mir mit einer zischenden Stimme, ehe unsere Geschichtslehrerin an uns vorbeikommt und die Blätter austeilt. Bei Prof. Willows ist es nämlich so, dass die Prüfung sich aus zwei Teilen zusammensetzt. Der Erste besteht aus Fragen mit mehreren Antwortmöglichkeiten und beim Zweiten müssen wir eine Aufgabenstellung in einem längeren Text beantworten. Beide Bereiche müssen positiv sein, um die Prüfung überhaupt zu bestehen. Das ist auch der Grund, warum viele bei dieser Lehrerin durchfallen, oder gerade noch eine Vier ergattern können. Wer allerdings weiß, was für diese Professorin wichtig ist, markiert sich bereits im Unterricht die wichtigsten Bereiche im Geschichtsbuch. Dies aber gut herausfiltern zu können, ist eine andere Sache. Die Prüfung beginnt und ich setze mich schon daran. Wie durch Geisterhand gehe ich jede einzelne Frage durch und kann mich ohne Probleme darauf konzentrieren. Es ist fast schon wie Zauberei und ich habe mir doch mehr in meinem Hirn behalten, als was ich zunächst befürchtet habe. So merke ich nicht, dass ich nur die Hälfte der Zeit dafür gebraucht habe. Erst, als ich den Stift zufrieden zur Seite gelegt und einen Blick auf die Uhr geworfen habe, ist dies mir klargeworden. Erleichtert lehne ich mich etwas zurück. Ich bin einfach stolz darauf, dass ich es hinter mich gebracht habe und ich habe sogar ein gutes Gefühl dabei. Doch schon merke ich, dass Lucinda zu meiner Rechten ständig auf meine Arbeit starrt. Zu ihrem Pech bin ich Rechtshänder, weswegen immer ein Teil der Blätter durch meinen Arm abgedeckt ist. Dies war auch so, während ich geschrieben habe. In der Hitze des Gefechts habe ich die Schnepfe sogar vollkommen vergessen, was mir sonst kaum gelungen ist. Umso stolzer bin ich, dass sich meine Mühe irgendwie ausgezahlt hat und dass ich mich ohne Bedenken auf meine Arbeit konzentrieren konnte. Jedoch sieht mich Lucinda wieder drohend an. Als wenn sie sagen wollte: „Zeig mir endlich, was du geschrieben hast, sonst wirst du es bitter bereuen!“ Gerade wo ich mich noch so gefreut habe, ist mir mein Lächeln nun wieder vergangen. Stattdessen schleicht sich nun wieder die Angst in mich hinein. Die Drohbriefe schießen mir vor meinem geistigen Auge und das beklemmende Gefühl wird immer stärker. Ich denke nun an die Konsequenzen, die mir bevorstehen könnten, sollte ich mich jetzt weigern, ihr einen Blick auf meine Arbeit zu gönnen. Was soll ich machen? Schiebe ich die Antworten zu ihr, so würde ich in Gefahr laufen, erwischt zu werden. Gebe ich aber meine Arbeit einfach ab, könnte wer weiß was passieren. Sollte ich es vielleicht einfach wagen? Ich will schon das erste Blatt zu Lucinda drehen, damit sie tatsächlich auf meine Arbeit hinüberschielen kann, als ich mich aber an Leos Worte erinnere: „Lass dich nicht unterkriegen. … So schwer es dir auch fällt, halte durch.“ Er hat Recht und eigentlich hatte ich mich schon von Anfang an dafür entschieden. Mir musste es nur wieder klarwerden, denn mein Leben ist jetzt eh schon die Hölle. Da kann mir nicht mehr viel passieren. So decke ich meine Prüfung einfach wieder mit der Hand ab, bis ich meine Sachen nehme und die Arbeit anschließend vorne beim Lehrertisch abgebe. Ich spüre richtig Lucindas entgeisterten Blick und ich bin mir sicher, dass sie mich in diesem Moment gerne angeschrien hätte, aber das kann sie jetzt vergessen. Schließlich muss sie ihren Test noch zu Ende schreiben und nun kann sie zusehen, wie sie das meistern wird. Mir ist das jetzt egal. Soll sie doch schwitzen und sich nun durchquälen. Das geschieht ihr nur recht. Stolz auf mich selbst werfe ich meinen Rucksack über die Schulter und verlasse zufrieden das Klassenzimmer. Zum Glück ist das die letzte Stunde gewesen und das heißt, dass ich ganz in Ruhe nach Hause gehen und endlich in mein wohlverdientes Wochenende starten kann. Freiheit ich komme! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)