TMNT - Schicksal? von Pamuya_ ================================================================================ Kapitel 13: Nichts als Wut -------------------------- Aus Raphaels Sicht: Es ist tiefste Nacht, als ich in die Nähe von Bernadettes Zuhause ankam. Doch anstatt direkt zu ihr zu gehen, habe ich einfach beschlossen, auf diesem Dach zu bleiben. Meine Beine haben einfach Halt gemacht, kaum dass ich schon die Dachziegel dieses Hauses erspäht habe. Es ist seltsam. Dabei ist es erst die zweite Nacht, seitdem meine Familie dahintergekommen war und schon habe ich das Gefühl, dass mich alles, was ich auch nur ansehe, stört. Jedes Wort und jeder Blick machen mich so wütend, sodass ich alles und jeden in den Boden rammen könnte. Ich hasse es und viel mehr würde ich dieses Gefühl im Keim ersticken! Zwar konnte ich mich bei der heutigen Patrouille austoben und so manchen Gaunern das Leben zur Hölle machen, aber diese innere Ruhe, dich noch vor kurzem noch gespürt hatte, ist nun wie weggeblasen. Als wenn allein nur der Gedanke an ihr alles in mir wieder hochkommen lässt. Eine Weile stehe ich so und gehe sogar hinter dem nächsten Schornstein in Deckung, als sich bei ihrem Fenster etwas tut. Bernadette sieht hinaus und betrachtet den Himmel. Sie blickt sogar suchend umher, als würde sie schon nach mir Ausschau halten. Wartet sie aber tatsächlich auf mich, oder hofft sie sogar, dass meine Brüder mit dabei sind? Immerhin hatten sie alle das letzte Mal viel Spaß zusammen, während ich damit beschäftigt war, nicht völlig aus der Haut zu fahren. Wie Donnie und Mikey sie mit ihren Geschichten und blöden Witzen fesselten. Es gab kaum ein Moment, in der mal nicht mit Sarkasmus, alten Erlebnissen und Sonstigen um sich geworfen wurde, während ich mich wie das fünfte Rad am Wagen fühlte. Dabei war ich es doch, der sie als Erstes kennenlernte, während sich meine Brüder schön brav an die Regel hielten und den direkten Kontakt zu Menschen mieden. Nun haben sie doch Gefallen daran gefunden, mal etwas aus dem Schatten zu treten und ich stehe da, wie der Trottel vom Dienst. Die einzige Ausnahme ist unser Anführer. Doch der hat völlig andere Probleme, von denen ich mich einfach nur fernhalten möchte. Mir reichen schon meine Eigenen. Da brauche ich seine Nörgelei nicht auch noch. So beobachte ich einfach im Stillen weiter, was sich bei Bernadette so tut. Sie hat nun ihren Kopf auf ihre Hände abgestützt und sogar ein weiteres Mal den Himmel erkundet. Soweit ist nichts Aufregendes passiert, das wird es auch wohl nicht, wenn ich noch lange hier stehenbleibe. Nur kann ich mich gerade nicht von dem Schornstein wegdrücken. Ich kann es nicht beschreiben, aber obwohl ich einfach zu ihr gehen will, hindert mich etwas in mir davon ab. Ist es meine Wut, welche sowohl an meine Brüder, als auch auf alles und jenen gerichtet ist? Oder ist es doch etwas völlig Anderes, was ich einfach nur nicht begreifen kann? Wenn ich nur mit ihr reden könnte? Bis vor kurzem ist mir das sogar so einfach gefallen, als würden wir uns beide schon ein ganzes Leben kennen. Wenn ich bei ihr bin, kann ich einfach sagen, was mir auf dem Keks geht. Es stellt weder ein Problem dar, noch habe ich dabei den Eindruck, als würde sie mir nicht zuhören wollen. Es ist genau das Gegenteil der Fall. Egal wo ich bis jetzt mit ihr gewesen bin, oder was ihr bisher erzählt habe, sie ist stets neugierig gewesen und hat keine Scheu gehabt, egal worum es sich dabei auch gehandelt hat. Doch jetzt komme ich mir so wildfremd vor, der nicht einmal hier sein sollte. Am liebsten wäre es mir sogar, es wäre niemals rausgekommen. Doch seit meine Familie von ihr Wind bekommen hat, ist alles jetzt irgendwie anders. Kaum, dass meine Brüder sie gestern unter ihre Fittiche genommen hatten, wollte ich sie einfach nur noch von ihnen wegzerren und nun kann ich nicht einmal mit ihr alleine reden, ohne dabei befürchten zu müssen, die Blicke meiner Brüder im Nacken zu spüren. Als würden sie mir überall folgen. Ich habe ja gemerkt, wie Bernadette ständig zu mir rüber gesehen hat, als wir bei ihr waren. Ich konnte aber nichts zu ihr sagen. Ich konnte sie ja nicht einmal richtig ansehen, als wir alle gemeinsam unterwegs waren. Warum weiß ich selber nicht so genau und genau das macht mich auch heute noch so wütend. Ich könnte sogar alles um mich herum niederreißen, so sehr hat mich der Zorn gepackt. Vermutlich ergeht es Bernadette dabei nicht viel anders, so wie es einige Nächte zuvor war, als sie meine Familie überstürzt kennenlernen musste. Sie sagte ja zu mir, dass sie es überhaupt nicht in Ordnung von mir fand, dass nicht einmal sie eine Ahnung von diesem Geheimnis hatte, welche Dank meiner Brüder wie eine Seifenblase geplatzt war. Doch ich kann es jetzt nicht mehr ändern. Ich kann höchstens das Beste daraus machen und das wird Bernadette wohl einsehen müssen. Egal ob sie jetzt auf mich sauer ist, oder nicht, ändert nichts daran. Jetzt steht sie auf. Ihr Blick zeigt schon, dass sie angefressen ist, denn sie schüttelt gerade genervt den Kopf und geht schließlich zu Bett. Das Fenster ist nun zu und meine Chance, es wieder hinzubiegen, vertan. Vielleicht hätte ich jetzt doch zu ihr gehen sollen. Immerhin hat sie gewartet, aber jetzt scheint es dafür zu spät zu sein. Ich habe zu lange gezögert und vermutlich ist sie jetzt schlechter auf mich zu sprechen, als was sie schon vorher war. Vielleicht sollte ich mich für die nächsten Nächte nicht bei ihr blicken lassen, das wäre jetzt vermutlich besser so. Seufzend schließe ich für einen Moment die Augen, bis ich mich dann auf dem Weg mache. Aus Bernadettes Sicht: Die Tage vergingen, doch jeder Einzelne erschien mir so zäh wie ein Kaugummi zu sein, an dem man schon eine Weile gekaut hat. Wie könnte ich es sonst beschreiben? Dass ich an jeden Morgen nicht gerne dieses verfluchte Gebäude aufsuchte und dass ich das bis zu meinem Abschluss noch weiterhin tun werde, steht außer Frage. Weswegen ich mich Tag für Tag immer mehr nach dem erlösenden Wochenende sehnte und mich einfach von einer Unterrichtseinheit in die Nächste quälte. Natürlich hatte Lucinda mir die ganze Zeit über keine Ruhe gelassen. Sie ist so erpicht darauf, ihr Ziel zu erreichen, sodass sie allmöglichen Hebel in Bewegung setzte, um mich ja an die „Verpflichtung“ zu erinnern. Auf verschiedenster Art und Weise ließ mich spüren, dass sie ihre Drohung ernst meint. Egal ob es die Drohbriefchen mit demselben Inhalt waren, die sie mir immer häufiger zukommen ließ, oder ob es einfach einer ihrer Handlanger direkt übernahm, es mir deutlich ins Gesicht zu pfeffern, sie ließ einfach nicht locker. Neben meiner Wut und dieses Nichtverstehen, warum gerade mir immer solch etwas wiederfahren muss, versuchte ich die Geschehnisse stets hinunterzuschlucken. Wie könnte ich es auch einfach rauslassen? Ich habe schließlich keine Möglichkeit dafür! Meine Spaziergänge sind fürs Erste gestrichen, meine Familie versteht mich nicht, oder hört mir überhaupt nicht zu und Raphael hat sich schon die ganze Zeit nicht mehr bei mir blicken lassen. Welche Optionen bleiben mir da noch? Das Musikhören, das Lesen und andere meiner Hobbies helfen mir nur bedingt und ermüden mich eher, als dass ich dadurch meine Ruhe finden könnte. Sie lassen mich nur für eine beschränkte Zeit vergessen, welche Last auf meinen Schultern lastet, aber dann reicht schon der kleinste Gedanke, welcher nur indirekt mit meinen Problemen zu tun hat und dann bin ich wieder am Grübeln. Es zerrt förmlich an meinen Kräften und am liebsten würde ich deswegen schreien. Mir bleibt aber nichts Anderes übrig, als jeden Tag irgendwie zu überstehen und sie einfach mit Lernen vollzustopfen. Abgesehen von dem bevorstehenden Test, versuche ich meine Gedanken auf das Wesentliche zu konzentrieren. Nur damit ich diese Angst nicht mehr spüren muss, die ich neben dem Zorn noch erleide. Es ist einfach beschissen und ich stecke mittendrin! Wie Lucinda selbst, quält mich diese Sorge jeden Tag und ich habe sogar die Befürchtung, dass sie immer stärker wird. Meine Wut auf das Leben und meine beschissene Situation ist immer mehr gewichen. Dabei gibt mir dieses Gefühl doch irgendwie den Antrieb, mich ja nicht doch von dem Gesindel herumkommandieren, beziehungsweise fertigmachen zu lassen. Gerade im Fall meiner Erzfeindin bemühe ich mich, meine wachsende Angst nicht zu zeigen, oder mich gar von ihr übernehmen zu lassen, aber je mehr Zeit verstreicht, desto mehr wird mir bewusst, dass ich meine wachsende Angst bald nicht mehr leugnen, geschweige ignorieren kann. Sie frisst sich förmlich in mich hinein, aber dennoch schreit ein Teil von mir, mich meinen Frust ja nicht hinzugeben. Niemand darf es sehen, wie sehr mich diese Einsamkeit und diese wachsende Angst bis jetzt geschwächt hat. Mit jedem Tag in der Schule habe ich stets versucht mir nichts anmerken zu lassen. Ich habe stets gelächelt und bin mit erhobenen Haupt durch das Gebäude gegangen, während ich nur einmal am liebsten alles hingeschmissen hätte. Ich habe sogar mal kurz mit den Gedanken gespielt, einfach aufzugeben, damit endlich Ruhe einkehrt. Doch wie schon so oft, hat alles dann in mir so heftig geschrien, dass ich das ja nicht zulassen darf, sodass ich mich doch noch von diesen absurden Gedanken abwenden konnte. Ich will mich einfach nicht unterkriegen lassen, ich will es nicht! Doch was soll ich machen, wenn sich nicht bald etwas ändert und diese Angst von mir weicht? Ich würde so gerne mit jemandem reden. Endlich einmal diese Last von mir werfen und wenn es nur für ein paar Minuten ist, so würde es mir fürs Erste reichen. Ich wüsste dann zumindest, dass ich mich jemand anvertraut habe, dass ich einfach nicht alleine bin und dass mir jemand zugehört hat. Vielleicht würde man mir einen Rat geben, oder mir wenigstens zeigen, dass ich das nicht alleine durchstehen muss. Es wäre jemand da, der mir den Rücken stärkt. Das Alles ist verdammt hart für mich und die schlechten Träume, die mich in letzter Zeit auch noch quälen, machen das nicht viel besser. Vielmehr sind sie das I-Tüpfelchen von dem, was mich zurzeit belastet und es ist einfach scheiße! Dennoch versuche ich es, soweit es nur irgendwie geht, weiterzukämpfen. Etwas Anderes kommt einfach nicht in Frage. Etwas niedergeschlagen komme ich gerade von der Schule nach Hause. Einen weiteren Tag habe ich zumindest zur Hälfte überstanden und ich warte nur noch, dass mich die kurze Ruhe in Empfang nimmt. Doch jetzt heißt es wieder, für ein paar Minuten gute Miene zum bösen Spiel zu machen, bevor ich noch mehr raufgeknallt bekomme. So lächle ich, auch wenn es gerade mehr bemüht wirkt, aber besser geht es nun mal nicht. Kaum habe ich schließlich die Haustür betreten, zwinge ich mich selbst, ein Lächeln beizubehalten. Ich habe einfach keine Lust, dass Tante Tina mich wegen der Schule anspricht und ein genervter Gesichtsausdrück würde sie nur dazu hin verleiten, mir wieder auf dem Wecker zu fallen. Schließlich „muss“ sie sich scheinbar in Dinge einmischen, die ihr nichts angehen und von dem sie sowieso kein Verständnis hat. Schnell habe ich mich über die Treppe in mein Zimmer verzogen und hole schon die Bücher heraus, die ich fürs Lernen brauche, als meine Tante mich plötzlich ruft: „Bernadettchen, komm doch bitte mal runter!“ Och ne, bitte nicht! Gerade jetzt, wo ich gehofft habe, mich in Ruhe konzentrieren zu können, muss sie mir dazwischenfunken. Hat sie etwa doch etwas gemerkt? Bitte nicht, ich habe jetzt nicht die Nerven dafür. Schnaufend erhebe ich mich vom Schreibtischsessel und mache mich auf dem Weg. Vielleicht habe ich ja Glück und es geht um etwas Anderes. Dann kann ich mich zumindest schnell wieder verziehen. Außerdem, wenn sie mich mit diesem Spitznamen in so einer Art ruft, ist eine kleine Hoffnung da, dass meine Tante gute Laune hat. Vielleicht ist es gar nicht so schlimm, wie ich es befürchte. Dennoch ist mir klar, dass die Chancen dafür nicht gerade hoch sind und ich mich bereits nicht nur einmal mächtig geirrt habe. Trotzdem stirbt die Hoffnung zuletzt und daran klammere ich mich einfach. Seufzend gehe schließlich die Treppe hinunter, wobei ich dabei bemüht bin, meinen Kummer und Sonstiges nicht anmerken lassen, als ich jedoch stutzig werde. Mitten im Flur steht ein großer Koffer und dieser kommt mir mehr als nur bekannt vor. Mein Gesicht fängt an zu strahlen, meine Augen werden vor Freude immer größer und dann kann ich nur ein fragendes „Mom?“ von mir geben, während ich hastig die letzten Stufen herunterrenne. Mein Weg verläuft direkt ins Wohnzimmer und schon sehe ich sie, meine Mutter und sie scheint auf mich gewartet zu haben. Vor Freude öffnet sie ihre Arme. Ich stürme einfach auf sie zu und werfe mich, ohne groß nachzudenken, um ihren Hals. Es ist schon so lange her und es ist einfach schön, sie jetzt wieder hier zu haben. Auch wenn ich das letzte Mal sauer auf sie war, ich habe sie einfach vermisst. Die Tatsache, dass ich meine Mutter endlich wieder umarmen kann, ist für mich ein Glücksgefühl, nachdem ich mich schon lange gesehnt habe. Zu lange war sie schon weg gewesen und jetzt ist sie überraschende Weise wieder da. Ich genieße einfach ihre Umarmung und würde sie am liebsten nie mehr wieder loslassen. „Es ist so schön dich zu sehen Kind. Wie geht es dir?“, werde ich schon von ihr gefragt. Auch sie freut sich mich zu sehen und das lässt mein Herz vor Glück noch höher springen. Ich antworte ihr aber nicht gleich, sondern lasse dieses schöne Gefühl noch eine Weile auf mich wirken. Zu lange habe ich das nicht mehr gespürt und ich möchte das einfach nicht mehr missen. „Ach, wie es halt so ist, aber ich bin so froh, dass du wieder da bist.“, sage ich schließlich und drücke mich dabei noch etwas fester an sie. Woraufhin meine Mutter etwas nach Luft ringen muss und mich schließlich bittet: „Schatz, drück nicht so fest. Sonst bekomme ich ja keine Luft mehr, oder willst du mich gleich nach meiner Ankunft wieder in den Himmel befördern.“ „Entschuldige bitte, ich bin einfach nur so froh, dass du wieder da bist.“, entschuldige ich mich, nachdem ich sofort meinen Griff gelockert habe und sogar etwas von meiner Mom gewichen bin. Sie lächelt und streicht mir mit ihrer rechten Hand sanft über der linken Wange. Dabei meint sie meiner sanften Stimme: „Ich bin auch froh, dich zu sehen. Ich habe dich vermisst Bernadettchen.“ „… Du weißt doch, dass ich diesen Spitznamen hasse.“, nörgele ich etwas, aber meine Mutter kichert nur: „Ich weiß, aber ich sage es einfach gerne und du bist und bleibst einfach für mich mein Bernadettchen.“ Sie kann es wohl nicht seinlassen, aber ich bin über ihre Ankunft einfach zu glücklich, als dass ich mich über sowas wirklich aufregen kann. Vielleicht sieht sie das genauso. Meine Tante dagegen, die ich die ganze Zeit über ausgelbendet habe, steht strahlend steht daneben. Währenddessen hat sie sich nicht geäußert, sondern uns nur zugesehen. Doch dann räuspert sie sich und meint: „Tut mir leid, wenn ich diesen rührseligen Augenblick jetzt störe, aber ich muss jetzt los. Mein Chef wartet und heute werden wir einen großen Auftrag an Land ziehen. Da darf ich auf keinen Fall zu spät kommen. … Ich wünsche euch beiden aber noch viel Spaß.“ „Na dann geh schon, wenn du es schon so eilig hast!“, lacht meine Mutter und wir beide sehen ihr noch nach, bis meine Tante endlich aus dem Haus gegangen ist. Schon wendet sie ihren Blick wieder zu mir und fragt mich grinsend: „Deine Tante hat sich wohl kein bisschen gehändert, was?“ Ich schüttle einfach nur den Kopf, wobei mir mein Lächeln bleibt. „Naja, was soll´s. Dann sind wir halt zu zweit. Ist vielleicht auch ganz gut so. Dann können wir beide mal endlich wieder ein Mutter-Tochter-Tag machen. Den hatten wir schließlich schon lange nicht mehr. … Mal überlegen, was hältst du davon, wenn wir beide was essen gehen. Nach dem langen Flug habe ich richtig Hunger bekommen.“, schlägt meine Mom mir vor und fügt auch hinzu, dass wir beide schließlich viel zu erzählen hätten. Natürlich sage ich vor Freude „Ja!“, denn endlich kann ich mit meiner Mutter ein bisschen Zeit verbringen. Das ganze Jahr hindurch ist sie meistens unterwegs und so genieße ich jeden Augenblick mit ihr, wenn sie mal für mich da ist. Da ist mir auch das Lernen vollkommen schnuppe. Nicht nur, dass ich mir bereits seit Tagen mit dem Lernstoff gequält habe, mir ist meine Mom momentan viel wichtiger. Wenig später sitzen wir beide in einem Lokal, den sich meine Mutter ausgesucht hat. Schon seit längeren wollte sie mal wieder hier essen und da wir heute unser Wiedersehen feiern, ist dies sogar der perfekte Ort dafür. Meine Mom ist gerade dabei, über Reisen zu erzählen. Manchmal verbringt sie mehrere Tage an einem Ort und gönnt sich dabei jedes Mal eine kleine Sightseeingtour. Man könnte fast sagen, dass sie durch ihren Job zwischendurch die Möglichkeit hat, Urlaub zu machen. Selbst, wenn es sich dabei nur um 24 Stunden handelt. Sie versucht dabei stätig, alles auszukosten und jeden Moment zu genießen. In meinem Zimmer hat sich wegen ihr bereits einiges angesammelt. Denn sie hat mir immer wieder einige Postkarten und Bilder geschickt, welche sogar einen Teil meines Zimmers schmücken. Schon seit Jahren sammle ich sie und wünsche mir manchmal, ebenfalls an ferne Orte reisen zu können. Als Kind wollte ich mich manchmal sogar in ihrem Koffer verstecken, damit ich einen ihrer Geschichten live miterleben könnte. Doch als ich es einmal versucht hatte, war sie ziemlich böse auf mich, nachdem sie mich dabei erwischt hatte. Seitdem warte ich immer gespannt auf ihre Postkarten, oder auf die Videochats. Dann kann ich mir ihre Erlebnisse zumindest vorstellen. Irgendwann werde ich aber selbst reisen und alles mit meinen eigenen Augen sehen. Vermutlich werde ich nicht denselben Beruf, wie der von meiner Mom, ergreifen, aber es gibt noch viele andere, die mit Reisen verbunden sind. Selbst, wenn es nicht so sein sollte, so will ich zumindest ab und zu in den Urlaub fliegen und dabei werde ich immer wieder ein neues Land erkunden. Ich weiß sogar, welches Land mein erstes Ziel sein wird und zwar ist es Frankreich, aus der mein Name kommt. Dicht gefolgt von Irland und Schottland werden noch viele weitere kommen, aber bis dahin bin ich erst einmal in meinem Zimmer gefangen. Mom ist gerade so vertieft in ihren Erzählungen, sodass ich meine Sorgen für einen Moment zur Seite schieben konnte, bis sie mich aber plötzlich auf die Situation aus der Schule anspricht. Wenn ich nicht wüsste, dass mein Herz im Brustkorb fest verankert ist, könnte ich schwören, dass es mir gerade in die Hose hinuntergerutscht ist. „Was ist los Schatz? Sag jetzt nicht, dass du schon wieder Ärger bekommen hast.“, fragt sie mich auffordernd und ihre Stimme ist auf einmal sehr ernst geworden. Auch meine Fröhlichkeit ist nun endgültig verschwunden. Nicht nur, dass es ein Thema ist, was mich sehr betrifft, sie unterstellt mir wieder etwas, was gar nicht der Fall ist. Wieso glaubt sie, dass ich was angestellt habe? Sie müsste mich doch am besten kennen und wissen, dass ich sowas eher vermeide, oder etwa nicht? Traut sie mir wirklich sowas zu, oder hat sie Tante Tinas übertriebenen Geschichten zu sehr verinnerlicht, sodass sie sich nichts mehr anderes vorstellen kann? Mein Gesicht verfinstert sich und ich spreche sie darauf an: „Warum traust du mir sowas zu? Bin ich etwa für dich nur das Sorgenkind, welches nichts anderes im Kopf hat, als allen anderen das Leben zur Hölle zu machen?“ „Nein, das habe ich nicht gesagt, aber deine Tante meinte, dass es in letzter Zeit nicht einfach mit dir ist und sie die Sorge hat, dass du demnächst wieder Ärger von der Schule bekommen könntest.“, meint Mom nur darauf, was aber meinen Zorn nur verstärkt. Natürlich, ich hätte mir ja denken können, dass Tante Tina wieder dahintersteckt. Jetzt wendet sie schon wieder meine Mutter gegen mich und dabei ist diese noch nicht einmal da! Was soll das?! Sie kann doch nicht etwa solche bescheuerten Geschichten über mich verbreiten, die weder Hand noch Fuß haben! Würde sie mal zuhören und mir mal glauben, wüsste sie, dass das nicht auf meinem Mist gewachsen ist! Schließlich ist es Lucinda, die mir das Leben zur Hölle macht! Sie ist das Problem und nicht ich! Jetzt ist meine Mom endlich wieder bei mir und dann muss ich mir sowas hören! Ich muss mich sogar wieder für etwas rechtfertigen, für das ich nicht einmal irgendetwas gemacht habe. Ich gehe einfach nur zu Schule und versuche dort irgendwie zurechtzukommen. Doch anstatt mich dabei zu unterstützen, werde ich nur von allen Seiten fertiggemacht! Am liebsten würde ich schreien und alles rauslassen, was mich quält, aber stattdessen seufze einfach nur, während ich meine Finger in die Tischplatte kralle. Denn ich will mich nicht streiten, weder jetzt, noch mit meiner Mutter. Dafür ist mir die wenige gemeinsame Zeit mit ihr viel zu kostbar. „Mom, du weißt ja gar nicht, wie es wirklich ist.“, sage ich möglichst ruhig, auch wenn man meinen Zorn sicherlich noch heraushören kann. Doch nach dem Gesichtsausdruck meiner Mutter zu urteilen, scheint sie auf derselben Seite zu sein wie meine Tante. Allerdings fordert sie mich nun auf, zu erzählen und ich werde stutzig:“ Also gut, dann sag mir bitte, wie es „wirklich“ ist.“ Einen Moment bleibe ich allerdings noch still. Denn will sie jetzt wirklich meine Sicht hören, oder ist das nur ein Witz gewesen? Irgendwie traue ich ihr nicht, auch wenn ich mir eigentlich das schon die ganze Woche gewünscht habe. Immer wieder wollte ich mit jemandem über meinen Kummer reden, aber es ging nie. Meine Brüder hatten keine Zeit, Raphael hat sich seit Tagen nicht mehr bei mir blicken lassen und Tante Tina konnte ich gleich von Anfang an vergessen. Nun hätte ich die Chance. Doch jetzt fällt es mir irgendwie schwer, wobei es eigentlich mehr daran liegt, dass ich wieder einmal in ein falsches Licht gestellt worden bin und das hat nun eben wieder an meinem Stolz gekratzt. Wie ein fetter Kloß stecken die Worte in meinem Hals und erst als mich Mom immer ernster ansieht, überwinde ich dieses beschissene Gefühl und rücke endlich mit der Sprache raus: „Du willst also wissen, wie es wirklich ist? Dann lass dir mal als Erstes sagen, dass Tante Tina dir nur einen Teil von der ganzen Story erzählt hat und nicht einmal das ist zu 100 Prozent wahr. Denn ich werde in der Schule gemobbt! Meine ehemaligen Freunde meiden mich wie die Pest und dann gibt es auch noch ein Mädchen in meiner Klasse, die mir schon lange das Leben zur Hölle macht! Sie droht mir und versucht mich sogar dazu zu zwingen, dass ich den kommenden Geschichtstest für sie schreibe! Wenn ich das nicht tue, so will sie mich das spüren lassen!“ Meine Mutter hört mir eine Weile zu. Sie redet mir nicht einmal dazwischen und ich hoffte schon, dass sie mich endlich versteht, je mehr ich alles rauslasse. Viel zu oft hat sie alles von meiner Tante für bare Münze genommen und jetzt habe ich endlich die Chance, ihr meine Sichtweise zu zeigen. Zu meiner Enttäuschung muss ich jedoch wieder schnell feststellen, dass Mom mir kein einziges Wort zu glauben scheint: „Du meinst wohl diese Lucinda, von der habe ich bereits schon gehört. Ihr hast du ja die blutige Nase verpasst, richtig? … Tja, ich gehe mal davon aus, dass du sie aus irgendeinen Grund hasst und das spiegelt sich vielleicht sogar wider. Meinst du nicht, dass du nicht etwas übertreibst und dir manches sogar einbildest? Vielleicht haben sich genau deswegen deine Freunde von dir entfernt. Irgendeinen vernünftigen Grund muss es ja dafür geben.“ Bin ich hier in einem falschen Film, oder scheint sich die ganze Welt gegen mich verschworen zu haben?! Ich schütte ihr mein Herz aus und was macht meine Mutter, sie fällt mir in den Rücken! Anscheinend war sie zu lange über den Wolken, sonst wüsste sie, dass Mobbing keine Einbildung ist! „Das … das ist doch jetzt nicht wirklich dein Ernst, oder?!“, hake ich leicht stotternd und schockiert nach, da ich es einfach nicht glauben will, was sie vorhin behauptet hat. Jedoch bestätigt mir ihr Blick, dass es ihr voller Ernst ist. „Schatz, beruhige dich und benimm dich bitte. Wir sind immerhin hier unter Leute. Da kannst du nicht einfach deine Stimme so erheben, aber ich muss dir leider sagen, dass du dich verändert hast. Ich …“, will sie schon mit ihrer Heuchelei anfangen, aber jetzt reicht es mir. Ich halte es einfach nicht mehr aus! Ich will nichts mehr davon hören! Wütend springe ich auf, wodurch der Stuhl ruckartig nach hinten kippt und auf dem Boden knallt, während wir beide nun von den anderen Gästen angestarrt werden. Erschrocken dreht meine Mutter um sich. Beschämend will sie nun die Situation bereinigen, aber ich bin in diesem Moment viel zu sehr aufgebracht, als dass ich mir von ihr noch irgendetwas sagen lasse und schnauze sie daher an: „Lass mich einfach in Ruhe!“ Mit diesen Worten renne ich aus dem Lokal. Ich will nur noch fort von hier, bevor ich noch den ganzen Laden in Schutt und Asche lege. Jedoch bleibe ich nicht allein, meine Mom ist mir wenige Sekunden später hinter mir hergeeilt und versucht mich nun aufzuhalten. Ich fasse es einfach nicht! Viele Wochen und Monate ist sie nicht da, bekommt von all dem nichts mit und glaubt dann auch noch der eigenen Tochter nicht! Sie will nur das glauben, was ihre Schwester ihr erzählt. Dass diese sich vielleicht auch mal irren könnte, an das hat meine liebe Mutter wohl natürlich nicht gedacht! Wer würde auch nur auf sowas kommen?! Natürlich ich und mir glaubt man ja nicht! Ich bilde mir schließlich alles nur! Wer weiß, vielleicht haben sich die beiden sogar in den Kopf gesetzt, dass ich dadurch nur nach Aufmerksamkeit schreie! Das würde sogar passen! Ist sie aber wirklich so wildfremd geworden, dass sie nicht einmal das Offensichtliche erkennen kann?! Muss ich es ihr aufschreiben, oder sogar dekodieren, damit es mal bei ihr durchsickert?! Was will sie überhaupt von mir, was will sie von mir hören?! Soll ich etwa auf ihre Leier Danke und Amen sagen, oder wie stellt sie sich das vor?! Wütend marschiere ich weiter und habe meine Hände zu Fäuste geballt. Dass ich dabei die vorbeigehenden Passanten halb niederreise, ist mir völlig egal. Viel zu sehr bin ich sauer und ich drohe sogar zu explodieren! Ich will einfach nur weg von hier, als ich plötzlich von Mom aufgehalten werde und sie mich nach Luft ringend anschreit: „Bist du wahnsinnig?! Du kannst doch nicht einfach so weglaufen! Wenn dir etwas passiert wäre …“ Wieder unterbreche ich sie und schnauze sie leicht spöttisch an: „Als wenn du dich dafür interessieren würdest, wie es mir geht! Lass dir doch wieder was von Tante Tina andrehen, bei ihr sperrst du ja mal die Lauscher auf! Ob es allerdings überhaupt stimmt, interessiert dich ja nicht die Bohne!“ Meine Mom sieht mich geschockt an. Sie will schon etwas erwidern und mich zur Vernunft bringen, als plötzlich jemand hinter ihr steht, sich ganz nah zu ihr drängt und ihr zuflüstert: „Keinen Mucks. Geht einfach weiter.“ In der ganzen Hysterie haben weder meine Mutter noch ich bemerkt, wie jemand uns gefolgt ist und dann auf den richtigen Moment gewartet hat, um uns zu bedrängen. Ich will schon um Hilfe schreien, als sie wiederum besorgt und ängstlich den Kopf schüttelt. Hat der Kerl etwa eine Waffe? Bitte nicht! Leider bestätigt sich meine Befürchtung, denn als dieser meine Mutter weiter vordrängt, sehe ich kurz eine schwarze Pistole aufblitzen. Direkt an ihren Rücken gedrückt, hält er das Ding, bedeckt es aber zum Teil mit seinem Körper, damit die restlichen Passanten nichts mitbekommen. Widerwillig aber gehorsam gehen wir nun ein Stück weiter. Ich habe Angst und meiner Mutter geht es genauso. Sämtliche Befürchtungen schießen durch meinen Kopf, die man normalerweise nur vom Fernsehen kennt. Was wenn der Typ Mom erschießt? Das könnte ich mir niemals in meinem Leben verzeihen! Ich bereue einfach nur, dass wir uns gestritten haben und dass ich das Lokal so wutentbrannt verlassen habe. Ängstlich starre ich den Mann an. Gehüllt in einem dunkeln Mantel drängt uns der Schwarzhaarige mit den Stoppeln im Gesicht weiter. Irgendwie glaube ich Alkohol zu riechen, aber die Angst lässt mich nicht weiter klar nachdenken und ich gehe gehorsam weiter. In diesem Augenblick wünschte ich mir, dass ich nicht so ausgerastet wäre, denn dann wären wir jetzt nicht in diesem Schlamassel. Wir würden immer noch in diesem Lokal sitzen und miteinander streiten. Das wäre mir jetzt tausendmal lieber, als das wir nun um unser Leben bangen müssen. Immer weiter zwingt uns der Fremde voranzugehen, bis wir an einer Stelle kommen, die kaum von Menschen betreten wird. Ständig versuche ich eine Möglichkeit zu finden, um Hilfe zu holen. Mein Blick wandert stetig herum und ich suche. Meine Befürchtung, dass meiner Mutter etwas zustoßen könnte, sollte ich auch nur eine falsche Bewegung machen, hält mich jedoch etwas zurück. Der Kerl wartet noch einen Moment, bis er uns in die nächste dunkle Gasse schubst. Was will der von uns? Geld allein scheint es nicht zu sein, sonst hätte er das schnell hinter sich gebracht und wäre dann mit unserem Hab und Gut davongelaufen. Stattdessen fuchtelt er mit seiner Waffe herum, während er uns immer weiter ins Dunkle drängt. Arm in Arm stehen meine Mom und ich nun da, gehen teilweise einige Schritte zurück und starren weiterhin auf dem Kerl, welcher nur boshaft und siegessicher grinst. „Nun meine Damen. Einen herzlichen Dank dafür, dass ihr beide es mir so leichtgemacht habt. Eure „Show“ war einfach grandios und es war ein Genuss, euch zuzusehen, wohin euch euer Zorn gebracht hat, aber jetzt wird es Zeit, dass wir zum Finale überschreiten.“, murmelt er und kommt uns immer näher. Dabei hält er seine Waffe ständig vor sich, um uns zu zeigen, dass es für uns beide kein Entrinnen gibt. Meine Vorstellung darüber, was nun passieren könnte, lässt sich nicht in Worte fassen. Doch kaum, dass dieser Widerling uns nur noch einige Schritte entfernt ist, höre ich plötzlich ein Geräusch. Ich zucke zusammen. Allerdings bin ich nicht die Einzige, die das gehört hat, denn jeder von uns horcht auf und starrt in die Richtung, aus der dieses Geräusch vermutlich gekommen war. Dabei war es mir seltsamerweise vertraut. Es klang nämlich, als wenn jemand von einer bestimmten Höhe heruntergesprungen wäre. Mein erster Gedanke führt mich automatisch zu Raphael. Hat er mich etwa gesehen, vielleicht sogar beobachtet und ist mir nun zur Hilfe geeilt? In diesem Moment wünsche ich mir nichts Anderes, auch wenn das bedeutet, dass Mom ihn höchst wahrscheinlich sehen könnte. Allerdings sind unsere Optionen nicht gerade breitgefächert, weswegen meinem Freund wohl nichts anderes übrigbleiben wird. Doch dieser ist durch den Schatten eingehüllt. Man kann nichts sehen, man könnte höchstens eine Silhouette erahnen und das wäre schon viel verlangt. Ich kann nicht einfach sagen, ob es Raphael ist, aber er muss es sein. Ich hoffe es einfach. Ebenfalls von dem Geräusch aufmerksam gemacht, wendet der Mann sich kurz von uns ab, dreht sich um und brüllt in die Finsternis: „Wer auch immer hier sein mag, sei gewarnt! Ich habe eine Waffe und ich werde mich mit Sicherheit nicht scheuen, diese einzusetzen!“ „Das würde ich nicht wagen.“, antwortet ihm nun eine Stimme, die allerdings auf keinen Fall von Raphael ist. Dennoch kommt sie mir so bekannt vor. Jedoch habe ich momentan einfach nicht das Hirn dafür, logisch zu denken, geschweige in mein Hirn herumzustöbern. Perplex und völlig verängstigt schaue ich einfach in dessen Richtung. Der Schwarzhaarige jedoch stürmt sogleich auf meine Mutter zu und reißt sie an sich, wodurch ich plötzlich zu Boden gestoßen werde. Zitternd bleibe ich bei meiner jetzigen Position, während der Kerl die Pistole an ihre Schläfe hält. Abwechselnd schaut er zu mir und zu meiner Mutter, drückt aber dann die Waffe noch dichter an ihren Kopf, während sein Finger auf dem Lauf ruht. „Einen Schritt und sie ist tot!“, faucht der Kerl und schaut mit einem drohenden Blick in den schwarzen Schatten. Er wird doch wohl nicht ernsthaft abdrücken?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)