[Severus Snape] Vorbestimmte Pfade von nyma (Der Weg durch die Finsternis) ================================================================================ Prolog: Avada Kedavra --------------------- „Avada Kedavra“ Mit einem leisen Stöhnen kniff Severus Snape seine Augen zu, als der grellgrüne Blitz sich auf seine empfindliche Netzhaut brannte und einen dumpfen, bohrenden Kopfschmerz zurückließ. Wie versteinert sah er in Gedanken wieder und wieder, wie Dumbledore, durch die Wucht des Fluches über die Brüstung des Astronomieturmes geschleudert wurde. Als die Wahrheit Severus Sinne erreichte, gefror sein Innerstes.  Seine Sinne gaukelten ihm die detailreiche Ansicht von Dumbledores blauen Augen vor, denen der letzte Lebensfunke entwich und deren lebendiges Aufleuchten sich in der Schwärze der Nacht verlor.  Severus schnürte es die Luft ab. Mit einem erstickten Keuchen versuchte er seine Lungen zu füllen. Bittere Kälte flutete seine Brusthöhle, während seine Lungenflügel nicht Willens schienen sich zu füllen. „Ruhig, mein Freund, ganz ruhig.“ Eine heisere, beinahe tonlose Stimme erreichte Snape und zwang ihn an die Oberfläche seiner Empfindungen. Sein Kopf schien bersten zu wollen und noch immer schien ihm jeder Atemzug eine schier unmenschliche Anstrengung abzuverlangen. Verschwommen nahm er die heruntergekommene Gestalt seines alten Gefährten wahr. Lucius Malfoy hatte seine Hand auf Severus' Schulter gelegt und schien auf ihn einzureden, doch die Worte blieben unverständlich. Nur langsam tauchten die Erinnerungen der vergangenen Stunden aus seinen grauen Untiefen auf. Er, Severus, hatte den Todesfluch gegen Dumbledore gesprochen. Sein väterlicher Freund war durch seine Hand zu Tode gekommen. Der Tatsache, dass der alte Zauberer ohnehin hätte sterben müssen, schenkte Severus keinerlei Beachtung.  Wieder wurde es erschreckend eng in Severus Brust. Schmerzen. In seinem Kopf, seinem Oberkörper. Er wollte sich zusammenkrümmen, die Beine anziehen, wie ein Embryo im Leib der Mutter, doch der Schmerz in seinen Beinen ließ ihn aufschreien. Er presste die Kiefer zusammen, sehnte sich nach der erlösenden Ohnmacht. Doch ihm war keine Gnade gegönnt. Seine Zähne schlugen hart aufeinander, als sein Körper von einem entsetzlichen Zittern erfasst wurde. Pure Willenskraft hielt ihn davon ab noch einmal laut zu schreien. Nur allmählich verebbte die Welle aus siedend heißer Qual, sodass Severus anfing seine Umgebung wahrzunehmen: Leiser Singsang drang an sein Gehör und mit jeder melodisch verklungenen Silbe, fiel ihm das Atmen leichter. Erst jetzt nahm er das leise Schluchzen wahr, das den heilenden Gesang begleitete. Zudem spürte er Hände, stark, aber erstaunlich kalt, an Oberarm und Schulter. Noch einmal unternahm Severus den Versuch die Augen zu öffnen, seinen Blick zu klären. Und wieder war es Lucius Gesicht, das er wahrnahm. Er spürte, wie sich seine Lippen bewegten, während sein Geist es nicht schaffte die umherschnellenden Fragen zu formulieren. Schließlich krächzte er mit entkräfteter Stimme: „Draco?“ Tiefe Furchen hatten sich in das Gesicht des malfoy’schen Familienoberhauptes gegraben. Anstatt etwas zu sagen, senkte der Blonde den Blick und griff nach Severus Hand. „Verzeih ihm…“, wisperte Lucius und schaffte es allem Anschein nach nicht Severus in die Augen zu schauen. Noch bevor er sich einen Reim auf das betretene Verhalten des anderen machen konnte, schob sich das Gesicht einer Frau in sein Blickfeld. „Wie fühlen Sie sich, Professor Snape?“ Severus blinzelte und blieb eine Antwort schuldig. Die dunkelhäutige Hexe schnaubte mürrisch und öffnete vor seinen Augen eine verkorkte Flasche. „Skelewachs“, sagte sie knapp und goss eine Wenigkeit des Trankes in einen Becher, bevor sie diesen an Severus Lippen hielt. Sein fragender Blick erreichte Lucius, der mit bebender Stimme versuchte zu erklären: „Der Dunkle Lord…“ Er stockte und schien sich zu winden. „Er hat Draco eine Lektion erteilen wollen. Er hat ihn sich gefügig gemacht und den Jungen genötigt, dir mit diversen Knochenbrecherflüchen und… und anderem beizukommen.“ Mit dem Empfinden flüssigen, eisenangereicherten Kalk schlucken zu müssen, würgte Severus den Heiltrank hinunter und spürte sofort das Übelkeit erregende Gefühl der sich richtenden Bruchstücke in seinen Beinen. Es war zwecklos das leise Stöhnen unterdrücken zu wollen. Seine gepeinigten Nervenenden nahmen mit erschöpfender Trägheit ihre Aufgaben in seinem Körper wieder auf. Es hatte ihn mehr als nur ein Cruciatusfluch getroffen. Der Dunkle Lord schien in Rage gewesen zu sein. Als Severus spürte, wie ein Hauch Mobilität in seine Gliedmaßen zurückkehrte, hob er mit einer bedächtigen Bewegung den Kopf, nur um ihn sofort wieder sinken zu lassen. Er zwang sich ruhig zu atmen, dem Unwohlsein Herr zu werden und dem lauernden Würgereiz keine Chance zu lassen. Vulnerus. Er hasste diese Flüche, die tiefe, eiternde Wunden auf dem Körper ihrer Opfer hinterließen. Sein Unterleib schien auf den ersten Blick zerfetzt. Kein Wunder, dass ihn die Folter so ermattet hatte. Doch anscheinend hatte die Hexe bereits die passenden Heilsprüche gesprochen, vielleicht sogar eine Tinktur aus Wegwarte, Hauhechel und dem Knochenmehl vom Brustbein eines Kelpies zur Hand gehabt.  Und dieser Gedankengang führte Severus zu einer weiteren Erkenntnis: Die dunkelhäutige Hexe war mitnichten eine Heilerin. Vielmehr war sie eine Kollegin, die sich den schwarzmagischen Zaubertrankkünsten verschrieben hatte. Seit Jahrhunderten schon betrieb die Familie Shafiq eine Apotheke in den finsteren Häuserschluchten der Nokturngasse. Galathea Shafiq. „Wie komme ich zu der Ehre…“ Serverus Stimme brach und er schluckte hart, um den beginnenden Krampf seiner Stimmbänder zu lösen. „… Ihrer unverwechselbaren Künste, Miss Shafiq?“ „Ich schuldete Mr. Malfoy einen Gefallen“, knurrte sie unwirsch, ohne sich in ihrem Tun beirren zu lassen. Vorsichtig ließ Severus seinen Blick wandern und stellte fest, dass er sich im privaten Schlafzimmer von Lucius und Narzissa befinden musste. Nur verschwommen sah er Draco zusammengesunken in einem Sessel kauern, während Narzissa auf der Lehne saß, den Arm um die Schultern ihres Sohnes geschlungen. Noch immer saß Lucius neben Severus und stützte ihn, wann immer nötig. „Der Dunkle Lord sollte bei künftiger Anwendung von Folter besonnener vorgehen. Sofern ihm etwas an einer repräsentativen Anzahl von Gefolgsleuten liegt.“ Severus schloss die Augen, während ein raubtierhaftes Lächeln seine Gesichtszüge erreichte. Die Stimme der jungen Frau klang rauchig. Unwillkürlich musste der Professor an den Dunst eines alten, herben Feuerwhiskeys denken.  Lucius lachte humorlos auf. „Nein, Miss Shafiq, Sie liegen falsch. Das hier ist mitnichten das Ergebnis einer Folter. Vielmehr hat der Dunkle Lord ausgefallene Methoden zur Disziplinierung seiner Getreuen. In diesem Fall galt der Tadel auch nicht unserem guten Severus, sondern viel mehr…“, er nickte hinüber zu dem Sessel vor dem Kamin. „… meinem Sohn. Der von heute an mit dem Gedanken leben muss, dass es seine Unfähigkeit und seine Flüche waren, die einen alten Freund an den Abgrund des Todes geführt haben.“ Die Tränkemeisterin schnaubte verächtlich. „Professor Snape kann von Glück reden, dass ich Ihrem Ruf so schnell gefolgt bin.“ „Nehmen Sie sich in Acht…“, krächzte Severus erschöpft. „Unmutsbekundungen werden in… in unseren Kreisen nur bedingt geduldet.“ Seine Stimme verlor sich in einer kraftlosen Artikulierung. Mit einer Sanftheit, die ihrer verstimmten Miene Lügen strafte, legte sie ein feuchtes Tuch auf Severus schweißnasse Stirn. „Ihr Herz, Professor Snape… Als ich hier ankam hatte es schon beinahe zu schlagen aufgehört. Ich bin keine Heilerin, aber ich lasse mich gern zu der Vermutung hinreißen, dass Sie eine solche Misshandlung künftig das Leben kosten wird.“ Erneut schlich sich das raubtierhafte Zähneblecken in seine Züge. „Wie… bedauerlich“, schnarrte er beinahe altgewohnt. „Miss Shafiq ist in der Lage ein Herz durch einen gesungenen Zauber zu retten. Es war beeindruckend“, berichtete Lucius, dessen Überheblichkeit sich allmählich zu erholen schien. Die kalte Arroganz schlich sich langsam in seine Miene zurück. „Ein Jammer, dass… dass ich nichts davon… habe hören können.“ Severus blinzelte. In seiner Miene lag lediglich tiefe Melancholie, die er nicht zu verbannen schaffte. „Ein tröstlicher Gedanke, dass…“ Er ließ den Satz unbeendet und gab sich der nahenden Ohnmacht hin, die so gnädig war ihn zu umschlingen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)