Suche nach Antworten von Nightprincess ================================================================================ Kapitel 1: Wie geht es weiter? ------------------------------ ~~~~~ 1. Wie geht es weiter? ~~~~~ ~Joeys Sicht~ Drei Tage bin ich nun schon in der Kaiba Villa, von Seto Kaiba sehe ich allerdings kaum etwas. Es scheint mir so, als würde er mir seit der ersten Nacht aus dem Weg gehen. Als ich am nächsten Morgen in Kaibas Schlafzimmer aufgewacht bin, war nur noch Mokuba im Bett neben mir, Kaiba selbst war schon weg und hatte nur eine Nachricht auf seinem Nachttisch hinterlassen, dass er in der Firma sei und spät zurückkehren würde. In Anbetracht der Tatsache, dass er einige Zeit von der Bildfläche verschwunden war und in der Kaiba Corporation einiges drunter und drüber gelaufen ist, während wir uns in Ägypten befanden, war es nicht verwunderlich, dass Kaiba viel zu tun hatte. Dennoch kommt es mir so vor, als würde er die viele Arbeit regelrecht begrüßen, um nicht zuhause sein zu müssen. Ich weiß von Mokuba, dass Kaiba immer sehr spät zurückkehrt, sich aber jedes Mal die Zeit nimmt, bei Mokuba im Zimmer vorbei zu schauen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Das macht mich etwas eifersüchtig, denn bei mir schaut Kaiba nie vorbei, oder fragt wie es mir geht. Wenn ich Glück habe, bekomme ich ein genuscheltes „Morgen“, wenn ich früh genug wach bin, um ihm noch beim morgendlichen Kaffeetrinken in der Küche zu begegnen. Seit gestern habe ich einen elektrischen Rollstuhl, den ich mit einer Hand selbst bedienen kann, außerdem sind im Gäste- und im Badezimmer überall Haltegriffe angebracht, auf diese Weise kann ich mich in der unteren Etage der Villa und in meinem Zimmer fast frei bewegen, ohne auf irgendeine Hilfe angewiesen zu sein. Das selbstständige An- und Ausziehen ist zwar noch immer recht zeitaufwendig, aber ich bekomme es alleine hin, auch duschen ist kein Problem, denn in der Duschkabine steht ein Plastikhocker, auf den ich mich setzen kann. Ich kann dann mein Gipsbein aus der Kabine ragen lassen, meine Gipshand hochhalten und mit der anderen Hand den Duschkopf halten, um mich abzuduschen. Das einzige Problem stellen die Verbände dar, die ständig erneuert werden müssen. Diese Aufgabe hat Mokuba freiwillig übernommen, nachdem ich mich geweigert habe, irgendeine von Kaibas Dienstmädchen an meinen halbnackten Körper zu lassen. Eigenartigerweise macht es mir nichts aus, wenn Mokuba sich darum kümmert. Nachdem er mir erzählt hat, dass er sich schuldig fühlt, weil ich so verletzt wurde, versuche ich ihm klar zu machen, dass es keinen Grund für derartige Schuldgefühle gibt. Leichter gesagt als getan. Er macht sich schreckliche Vorwürfe und deswegen tut er alles, damit es mir irgendwie besser geht. Fragt nach meinem Befinden, wechselt meine Verbände, kümmert sich darum, dass ich regelmäßig meine Medikamente einnehme und liest mir auch sonst jeden Wunsch fast von den Augen ab. Kurz gesagt, es ist nervig. Aber bis mir etwas besseres einfällt, um ihn aufzubauen und ihm die Schuldgefühle zu nehmen, lasse ich ihn gewähren. Was Kaiba vom Verhalten seines kleinen Bruders hält, weiß ich nicht, aber vermutlich ist er ebenso ratlos wie ich. Meine eigenen Schuldgefühle gegenüber Jimmy wird mir niemand nehmen können, das ist mir schon nach dem ersten Alptraum klargeworden. Ich träume jede Nacht von ihm und jedes Mal wird der Traum schrecklicher. Gestern hatte ich wieder dieses grausame Bild vor mir, als ich ihn in diesem Raum fand, gefesselt an dieses Kreuz, mehr tot als lebendig. Faszinierend und abstoßend zugleich. Nur waren seine Augen in meinem gestrigen Traum nicht verbunden und sein Kopf hing auch nicht bewegungslos hinab, sondern drehte sich unnatürlich bis fast ganz nach hinten um und er starrte mich mit weißen weit aufgerissenen Augen an. Und während er mich ansah, lief Blut seine Wangen hinab und seine Augen färbten sich rot. Ich konnte meinen panischen Schrei beim Aufwachen nur dadurch unterdrücken, indem ich meinen Kopf in mein Kopfkissen presste und die Luft anhielt. Die Träume von Jimmy sind allerdings nicht mein einziges Problem. Ich habe vermutlich etliche Phobien entwickelt. Achluophobie - Angst vor der Dunkelheit, Klaustrophobie - Angst vor engen oder geschlossenen Räumen, Chiraptophobie - Angst vor Berührungen, Algophobie - Angst vor Schmerz und Hämatophobie - Angst vor Blut. So zumindest die Aussage von Kaibas Hausarzt, als er mich vorgestern untersucht hat. Chiraptophobie tauchte das erste Mal auf, als mir eine von Kaibas Dienstmädchen beim Anziehen helfen wollte, vorgestern früh. Ich hatte eine Panikattacke und konnte mich erst beruhigen, als Kaiba in meinem Zimmer erschien, das Dienstmädchen hinausschickte und mir selbst beim Anziehen half. Eine erneute Attacke hatte ich, als mir Roland eine Stunde später als freundlich gemeinte Geste eine Hand auf die Schulter gelegt hat. Auch dort konnte ich mich erst beruhigen, als Kaiba neben mir erschien und Roland weg war. Warum ich bei Kaiba und Mokuba keine Attacke habe, kann ich nicht genau sagen, aber vermutlich liegt es daran, dass beide wissen, was mir in Ägypten passiert ist. Algophobie und Hämatophobie wurden deutlich, als mir Kaibas Hausarzt Blut abgenommen hat. Ob ich nun aber gleich beide Phobien habe, oder nur eine davon, ist noch nicht vollständig klar. Ich kann zumindest kein Blut mehr sehen, weder mein eigenes, noch das von anderen. Ich bekomme Schweißausbrüche und werde kreidebleich, bei der Blutabnahme bin ich sogar in Ohnmacht gefallen und hab dem Hausarzt erst einmal einen gehörigen Schrecken eingejagt. Dass ich während der Untersuchung nicht gleich aufgrund der Berührungen des Hausarztes in Panik ausgebrochen bin, lag nur daran, dass Kaiba direkt neben mir stand und mir dadurch ein Gefühl der Sicherheit gab. Klaustrophobie und Achluophobie tauchten in meiner ersten Nacht im Gästezimmer auf, seitdem steht meine Zimmertür immer einen Spalt weit offen und eine kleine Nachttischlampe brennt die ganze Nacht durch. Wenn mir jemand vor ein paar Wochen erzählt hätte, dass ich mal so viele Ängste auf einmal entwickeln würde, hätte ich ihn sicher ausgelacht oder für verrückt erklärt. Doch nun betrachte ich mich selbst im Spiegelbild und halte mich selbst für den absoluten Loser. Ich habe Mokuba da rauschaffen können, hab auch noch dafür gesorgt, dass diese Mira ihre Freiheit bekam, doch zu was für einem Preis? Ich behaupte nicht, dass Mokuba es nicht wert war oder dass ich irgendetwas anders tun würde, könnte ich die Zeit zurückdrehen. Dennoch frage ich mich immer wieder, warum es soweit kommen musste. Warum hat es ausgerechnet mich so hart erwischt? War ich zu selbstgefällig? Zu draufgängerisch? Zu leichtsinnig? Ist das die Strafe dafür, dass ich selten über die Folgen meines Handelns nachdenke? Oder hatte ich einfach nur Pech? Warum auch immer es mir jetzt so scheiße geht, es gibt mir zu denken. Lässt mich die Welt mit anderen Augen sehen. Die Welt, die ich nun sehe, ist gefährlich und angsteinflößend. Und es wird sicher eine Ewigkeit dauern bis aus dem Häufchen Elend, das ich gerade bin, wieder der waghalsige Idiot geworden ist, der ich einmal war, wenn das überhaupt noch möglich ist. ~~~~~ Kapitel 2: Unsicherheiten ------------------------- ~~~~~ 2. Unsicherheiten ~~~~~ ~Setos Sicht~ Ich weiß nicht, wie ich mit dem blonden Elend umgehen soll. Wenn sich das Elend nicht in seinem Zimmer verkriecht, hängt es mir am Hosenbein oder lässt sich von Mokuba bemuttern. Wann immer es möglich ist, verbarrikadiere ich mich im Büro der KC oder hier in meinem Arbeitszimmer, um dem blonden Elend nicht über den Weg zu laufen. Ich weiß, dass es keine Dauerlösung ist, aber ich bin mit Wheeler schlicht überfordert, außerdem muss ich mich um die Firma und um Mokuba kümmern, Wheelers Phobien zusätzlich zu seinen körperlichen Einschränkungen sind für mich momentan eine zu große Belastung, der ich einfach nicht gewachsen bin. Obendrein mache ich mir gerade vermehrt Gedanken über meine sexuelle Orientierung und das Ergebnis ist erschütternd. Ich finde Frauen noch immer attraktiv oder sexy, habe auch ganz normale sexuelle Phantasien und nächtliche Träume von ihnen und reagiere dagegen auf Männer gar nicht. Alles also eigentlich völlig normal, gäbe es da nicht diese eine Ausnahme. Es ist schwer zu akzeptieren, weil es sich bei dieser Ausnahme ausgerechnet um den Typen handelt, dem ich momentan aus dem Weg zu gehen versuche. Ausgerechnet bei dem blonden Elend namens Wheeler spielen meine Hormone verrückt oder was auch immer mich sonst dazu veranlasst, Wheeler in mein Bett zerren zu wollen, vorzugsweise nackt oder zumindest mehr als spärlich bekleidet... Möglicherweise ist es nur eine Phase, ich hoffe wirklich, dass es eine ist und dass es vorbei geht, wenn ich es lange genug verdränge und ignoriere. Über die Möglichkeit, dass es nicht nur eine Phase ist, mag ich gar nicht nachdenken. Fakt ist, dass ich das Problem Wheeler momentan nicht zu lösen vermag, was mich dazu zwingt, es vor mich herzuschieben, was sonst gar nicht meine Art ist. Mokuba macht mir jedoch im Moment mehr Sorgen. Er macht sich noch immer heftige Vorwürfe und jedes Mal, wenn Wheeler in seinem Rollstuhl am Frühstückstisch sitzt, wird Mokubas Blick düster und man hat das Gefühl, in seinen Augen die dunkelste, sternenloseste Nacht sehen zu müssen oder in einem schwarzen Loch zu verschwinden. Ich habe keine Ahnung, wie ich Mokuba davon überzeugen soll, dass die Sache mit Wheeler nicht seine Schuld ist, ebenso wie die ganze Entführungsgeschichte nicht seine Schuld ist. Wenn jemand Schuld hat, dann ja wohl ich, immerhin war mein Interesse an einer Expandierung der KC nach Ägypten ja der hauptsächliche Grund für den Zorn des Scheich Kashi. Er hat mich als Bedrohung angesehen und wollte mir den größtmöglichen Schaden zufügen. Mokuba war nur mal wieder ein unschuldiges Opfer und Mittel zum Zweck. Und ich scheine noch immer unfähig zu sein, ihn vor derartigen Attacken zu beschützen. Dieses Mal musste sogar ein Straßenköter meinen Job erledigen. Wie erbärmlich ich doch bin. Haben mich die Jahre der Ruhe unvorsichtig werden lassen? Habe ich aus diesem Grund nicht mit einer derartigen Reaktion aus Ägypten gerechnet? Habe ich deshalb die ganze Situation falsch eingeschätzt? Früher wären mir derartige Fehler nicht passiert. Zu Gozaburos Lebzeiten hätte mich ein derartiges Versagen den Kopf gekostet oder mehr. War die Aktion von Scheich Kashi möglicherweise einfach nur die logische Konsequenz dafür, dass ich mich zu lange auf meinen Lorbeeren ausgeruht habe? Bin ich zu arrogant geworden nachdem ich alle meine Feinde in Grund und Boden gestampft habe? Gozaburo, Pegasus, Big 5, Dartz, Schröder...keiner von ihnen kann mir mehr gefährlich werden, allerdings spielt Scheich Kashi in einer völlig anderen Liga als alle meine vorherigen Feinde. Selbst jetzt, wo er auf der Flucht ist, ist er eine Gefahr. Er ist einfach zu mächtig, um sich feige zu verkriechen. Ich weiß, dass er nur auf seine Chance wartet. Auf einen Moment meiner Unachtsamkeit. Ich kann mir keine Fehler mehr erlauben. Es steht zu viel auf dem Spiel. Und dabei geht es mir nicht einmal so sehr um die Firma. Ich habe Angst, dass Kashi erneut versuchen wird, Mokuba zu kidnappen. Vielleicht vergreift er sich aber auch an Wheeler, um sich zu rächen und ihn endgültig zu vernichten. Den Köter auf diese Weise zu verlieren, könnte Mokuba nicht ertragen. Ich vermutlich auch nicht, aber das werde ich der Flohschleuder auf gar keinen Fall sagen. Eher bring ich ihn eigenhändig um. Was zum Teufel ist bloß los mit mir? Ich sollte mich um Mokuba sorgen und die Probleme in der Firma beseitigen, anstatt über den Köter nachzudenken. Stattdessen stehe ich seit mindestens 10 Minuten vor der leicht geöffneten Zimmertür des blonden Elends und lausche seinen unruhigen Atemzügen. Er hatte wieder einen Alptraum, ich hab ihn schniefen gehört, als ich auf dem Weg von meinem Arbeitszimmer in mein eigenes Zimmer war. Erst wollte ich zu ihm gehen und ihn trösten oder was auch immer, ich habe es nicht getan und bin stattdessen vor der Tür stehengeblieben und habe gewartet, ob er wieder einschläft. Scheinbar hat er es getan, es gibt also keinen Grund, weiter hier herumzustehen und zu warten. Oder bin ich enttäuscht darüber, dass er mich scheinbar nicht braucht und einfach so wieder eingeschlafen ist? Schwachsinn. Warum sollte ich enttäuscht sein? Ich bin froh, dass er mich nicht belästigt, außerdem soll man schlafende Hunde nicht wecken. Zeit von hier zu verschwinden. „Seto.“ Wheelers leise Stimme lässt mich ruckartig erstarren. Er ist wach? Und weiß, dass ich hier vor seiner Tür stehe? „Wo bist Du, Seto?“ Moment. Träumt er etwa von mir? Leise schleiche ich näher an die Tür zu Wheelers Gästezimmer und schaue durch den Türspalt zum schwach beleuchteten Bett, auf dem der Köter schläft. Unruhig wälzt er sich von einer Seite auf die andere und zeigt mir plötzlich sein Gesicht, das schwach von der kleinen Nachttischlampe beleuchtet wird. Seine Augen sind zusammengekniffen, seine Stirn liegt in Falten, sein Mund ist nur als dünner Strich erkennbar. „Seto.“ Seine leise Stimme klingt seltsam traurig und was zum Teufel glitzert da im schwachen Licht? Weint der Köter etwa? „Wo bist Du? Seto?“ Weint er wegen mir? Unsicher und völlig überfordert öffne ich die Zimmertür etwas mehr, um leise hindurch zu schlüpfen. Leise schließe ich die Tür hinter mir und dreh den Schlüssel herum, auch wenn ich weiß, dass Wheeler Angst vor geschlossenen Räumen hat, so weiß ich auch, dass er das unter Kontrolle hat, wenn ich bei ihm bin. Warum das so ist, weiß ich allerdings nicht, das weiß er vermutlich nicht einmal selbst. Leise nähere ich mich dem großen Bett, auf dem er sich noch immer hin und her wälzt, ebenso leise schlage ich seine Bettdecke ein Stück beiseite, klettere zu ihm ins Bett und deck mich zu. Dass ich noch immer meine schwarze Hose und mein schwarzes Langarmshirt trage, anstatt eines Pyjamas, spielt jetzt kaum eine Rolle, denn kaum habe ich meinen Kopf auf das Kopfkissen gelegt, da werde ich auch schon gepackt und an einen ziemlich warmen Körper gezogen. Wheelers Körper. Wheelers halbnacktem Körper, wie ich erschrocken feststellen muss. Außer einer kurzen Shorts, seinen Verbänden und dem Gips trägt er nämlich absolut nichts. Oh, verdammt! Hoffentlich wacht dieses blonde Elend jetzt nicht auf... ~~~~~ Kapitel 3: Warum? ----------------- ~~~~~ 3. Warum? ~~~~~ ~Joeys Sicht~ Ich weiß nicht, wann es anfing, als sich meine alptraumhafte Nacht umwandelte zu einem traumlosen Schlaf, aber ich scheine zumindest den Grund dafür gefunden zu haben. Der Grund liegt nämlich gerade schlafend in meinen Armen und hat, so wie es aussieht, anstatt seines Pyjamas seine normale Stoffhose an, die er im Alltag immer trägt, allerdings scheine ich ihm sein Oberteil in der Nacht ausgezogen zu haben, zumindest trägt er es nicht und ich halte es ziemlich verkrampft in beiden Händen, während ich ihn umarme und fast brutal an mich presse. Dass er in dieser schraubstockartigen Umklammerung überhaupt schlafen kann, verwundert mich ein wenig, aber vermutlich war er wirklich müde von der vielen Arbeit. Warum er sich jedoch in mein Bett verirrt hat, will sich mir nicht ergründen. „Seto?“ Ein Zucken geht durch seinen Körper. „Hhm?“ Seine Augen öffnet er jedoch nicht. „Was machst Du in meinem Bett?“ Seine Muskeln scheinen sich zu verkrampfen, ich kann es spüren. Ist es ihm peinlich, dass er mir so nah ist, noch dazu so spärlich bekleidet? „Du hattest einen Alptraum.“ Ich hebe verwirrt meine rechte Augenbraue. „Und? Ich habe jede Nacht einen Alptraum.“ Er öffnet seine Augen und schaut mich mit einem sehr undeutsamen Blick an, der mich wirklich nervös macht. „Was hast Du geträumt? An was erinnerst Du Dich?“ Ich runzle die Stirn. „Ist das wichtig?“ „Sag schon. Was war das für ein Traum?“ Angestrengt denke ich nach, kann mich allerdings an keine wirklichen Details erinnern. „Ich weiß nicht genau. Ich war in dieser Zelle. Es war dunkel und kalt. Ich hatte Schmerzen, war aber bei vollem Bewusstsein. Ich war am Ende, wollte nur noch sterben, um diese Schmerzen nicht mehr ertragen zu müssen. Vermutlich hab ich um Hilfe gerufen, keine Ahnung. Jedenfalls war es plötzlich ganz warm und hell und alles war auf einmal egal, so irgendwie. Mehr weiß ich nicht.“ Er mustert mich sekundenlang schweigend und nickt dann. „Verstehe.“ „Was verstehst Du? Hab ich im Schlaf etwa geredet? Was hab ich gesagt?“ „Es war nichts Wichtiges, ich habe kaum etwas verstanden.“ Misstrauisch starre ich ihn an, versuche zu ergründen, ob er lügt, doch sein Gesicht, das mir so nah ist, zeigt keinerlei Anzeichen dafür. Entweder sagt er die Wahrheit oder er ist ein verdammt guter Lügner. Ich tippe auf Letzteres, sage aber nichts weiter dazu. „Okay. Allerdings beantwortet das nicht meine Frage. Warum bist Du in mein Bett gekommen?“ Angespannt warte ich auf seine Antwort, während ich ihn noch immer in dieser engen Umarmung gefangenhalte. Sekunden des Schweigens vergehen, ich spüre seinen Herzschlag an meiner Brust, höre meinen eigenen Herzschlag überlaut in meinem Kopf dröhnen, fühle wie sich sein Brustkorb hebt und senkt bei jedem Atemzug, spüre seinen heißen Atem auf meinem Gesicht, sehe seine Augenlider zucken, fühle wie er tief einatmet, um vermutlich meine Frage zu beantworten. „Ich weiß es nicht.“ Geräuschvoll atme ich aus und merke, dass ich vor Anspannung die Luft angehalten habe. „Du weißt es nicht? Was soll das heißen?“ Seine Stirn legt sich in Falten, er sieht genervt aus. „Das heißt einfach, dass ich es nicht weiß. Ich weiß nicht, warum ich zu Dir ins Bett gekommen bin. Es erschien mir lediglich die einzig logische Reaktion auf Deinen Alptraum zu sein.“ „Aber....“ „Bei Mokuba hat es immer funktioniert, als er noch ein Kind war und Alpträume hatte, nach ….“ Er schweigt kurz und seufzt dann leise. „... nach dem Tod unseres Vaters.“ Gerührt und gleichzeitig betroffen schweige ich sekundenlang. „Ich bin kein Kind.“ „Du benimmst Dich aber oft wie eins.“ „Aber ich bin nicht Mokuba.“ „Nein. Das bist Du nicht.“ „Also warum ….“ Er gibt mir einen kurzen Kuss, um mich zum Schweigen zu bringen. „Frage mich nicht nach dem warum und hinterfrage meine Handlungen nicht, denn mein Hiersein ist, nach Auswertung der bekannten Fakten, einfach eine logische Schlussfolgerung und einzig mögliche Reaktion, die, der Situation entsprechend, als angemessen gewertet werden konnte.“ Ich muss krampfhaft ein Grinsen unterdrücken. „Logische Schlussfolgerung also. Einzig mögliche Reaktion. Verstehe.“ „Irgendwelche Einwände?“ Meine Mundwinkel zucken sekundenlang nach oben, ohne dass ich es verhindern kann. „Du hättest mich auch einfach wecken können.“ Sein ganzer Körper verkrampft sich in meinen Armen. Hat er etwa diese Möglichkeit überhaupt nicht in Betracht gezogen? „Sag jetzt nicht, Dein logischer Verstand hat diese Möglichkeit nicht einmal in Erwägung gezogen?!“ Er antwortet nicht und starrt mich einfach nur stumm an. Sein Gesicht ist zu einer eisigen Maske mutiert. Würde ich nicht seine Hitze spüren, könnte man annehmen, er wäre völlig leblos. Sein Herzschlag beschleunigt sich leicht, seine Atmung ist flach und stoßweise. Sein Körper völlig regungslos und steif. Ich habe das Bedürfnis, ihn zu küssen. Bisher gingen derartige Aktionen von ihm aus. Aber, was spricht dagegen, dass ich die Initiative ergreife? Macht es mich gleich homosexuell, nur weil ich ihn küssen will? Will ich denn mehr als nur das? Und wenn ja, spielt es irgendeine Rolle? „Was überlegst Du?“ Seine Stimme ist lauernd, aber sanft. Es lockt mich. „Ich überlege, ob es okay ist, Dich zu küssen.“ „Und wenn es das nicht ist?“ „Ändert nichts daran, dass ich es trotzdem will.“ Schweigend sieht er mich an, sein Körper noch immer regungslos in meiner Umarmung gefangen, sein Gesicht undurchschaubar und unbeweglich. „Tust Du nicht ständig nur das, was Du willst?“ „Aber genau das hast Du mir doch verboten. Ich muss Deine Befehle befolgen, solange ich in Deiner Villa bin. Schon vergessen?“ Seine Mundwinkel zucken verdächtig und lassen ein triumphierendes Grinsen erahnen. „Na dann. Küss mich. Joseph.“ Mein Grinsen ist nun nicht mehr aufzuhalten. „Zu Befehl! Seto.“ Seine Zunge ist heiß, seine Lippen etwas trocken, sein Herzschlag etwas schneller als zuvor, seine Atmung gepresst. Es ist wie ein Rausch. Seine Nähe raubt mir den Verstand. Schweiß bildet sich zwischen unseren nackten Oberkörpern. Hitze staut sich zwischen unseren zusammengepressten Unterkörpern. Ich spüre plötzlich seinen harten Penis an meinem Oberschenkel und mein eigenes Glied an seinem Oberschenkel zuckt als Reaktion. Ein langgezogenes Stöhnen erfüllt das Zimmer, keine Ahnung ob es von ihm oder mir kommt. Er beißt mir in die Unterlippe, dann spüre ich seine Hände an meiner Hüfte, an meiner Shorts, eine Hand wandert hinein, krault durch meine Schamhaare. Ich seufze laut, sauge an seiner Zunge und greife nach seinem Hintern. Mir ist so heiß! Ein Klopfen lässt uns gleichzeitig erstarren. Seine Hände in meiner Shorts, meine an seinem Arsch, seine Zunge in meinem Mund, seine Augen vor Schreck geweitet, meine vermutlich ebenso, unsere Körper so dicht aneinandergepresst, dass nicht einmal ein Blatt Papier dazwischen passen würde und in meinem Kopf nur ein einziges Wort: Fuck! ~~~~~ Kapitel 4: Rückzug ------------------ ~~~~~ 4. Rückzug ~~~~~ ~Setos Sicht~ Verfluchter...! Wer wagt es, mich ausgerechnet jetzt zu stören? „Joey? Bist Du wach?“ Mokuba? Das ist nicht gut! Angespannt schiebe ich Wheeler von mir, der mich nun endlich aus seiner fast brutalen Umklammerung entlässt. Nur kurz kommt mir der Gedanke, dass mir ohne seine Nähe kalt ist, bevor ich mich ruckartig aus dem Bett erhebe und nach meinem schwarzen Shirt greife, das er mir entgegenhält. „Zieh Dir etwas mehr an, Mokuba muss Dich so nicht sehen. Schon gar nicht, wenn es so aussieht, als hätte ich die Nacht mit Dir verbracht.“ Meine Stimme ist nur ein leises Flüstern, damit Mokuba nichts davon mithören kann, hoffentlich. „Aber Du hast doch die Nacht mit mir verbracht.“ Wheelers leise Stimme klingt eindeutig amüsiert, was mich mürrisch die Stirn runzeln lässt. „Mach Dich nicht lächerlich, Köter, als ob ich so etwas jemals tun würde.“ Ich ignoriere den plötzlichen Kloß in meinem Hals und den eindeutig verletzten Ausdruck in Wheelers Gesicht. „Natürlich nicht. Verzeih. So was hast Du ja nicht nötig.“ Mühselig krabbelt er aus seinem Bett in seinen nebenstehenden Rollstuhl. Ich wende den Blick von seinem halbnackten Körper ab und verfluche die mehr als eindeutige Reaktion in meiner unteren Körperhälfte. Weiß der Geier warum meine Hormone derart verrückt spielen. Hab ich es etwa doch nötig? Vielleicht ist es an der Zeit, dass ich mir endlich eine Partnerin suche. Eine weibliche Partnerin. Möglicherweise bekomme ich dann diese unvorteilhaften Ausrutscher in Bezug auf Wheeler unter Kontrolle. Die Sache fängt an mir zu entgleiten und das kann ich nicht zulassen. Unter gar keinen Umständen! Egal wie anziehend der kleine blonde Köter auch momentan auf mich wirken mag, ich werde nicht zulassen, dass es mich kontrolliert, dass es vor allem meine körperlichen Reaktionen kontrolliert. Ich bin es, der meinen Körper kontrolliert, nicht umgekehrt. „Weißt Du, Seto, es bringt Dir gar nichts, wenn Du diese Sache zwischen uns zu ignorieren versuchst. Deine Reaktionen auf mich sind eindeutig genug, finde ich. Warum lässt Du es nicht einfach zu? Was ist so schlimm daran, wenn Du einmal die Kontrolle verlierst? Was hast Du zu verlieren?“ Mit einer mordsmäßigen Wut im Bauch und einem mehr als finsteren Blick dreh ich mich zu ihm um. Ich registriere mit Genugtuung, dass er heftig zusammenzuckt. „Was ich zu verlieren habe? Du scheinst zu vergessen, dass meine Firma hauptsächlich Spiele herstellt. Spiele für Kinder. Wie würde die Presse reagieren, wüsste sie, dass ich die Nacht bei einem Mann im Bett verbracht habe, über den ich am nächsten Morgen auch noch beinahe hergefallen bin? Wie würden die Eltern der Kinder, für die meine Firma Spiele herstellt, reagieren? Den Kindern selber wäre es vermutlich völlig egal, bei wem ich meine Nächte verbringe, aber nicht die Kinder sind es, die die Spiele meiner Firma kaufen, sondern die Eltern. Und die Eltern sind lauter törichte Erwachsene, voller Vorurteile, Missgunst und Neid. Sie würden meine Firma boykottieren, aus reinem Prinzip. Männer schlafen nicht bei Männern im Bett. Selbst dann nicht, wenn es, nach Auswertung der bekannten Fakten, eine logische Schlussfolgerung und einzig mögliche Reaktion war, die, der Situation entsprechend, als angemessen gewertet werden könnte. Und das ist ein Fakt, den ich nicht ignoriere, ganz egal was da auch zwischen uns sein mag.“ Mit jedem meiner leise gezischten Worte sinkt er tiefer in seinen Rollstuhl und es deprimiert mich, dass ich diesmal der Grund dafür bin, dass Wheeler aussieht wie ein Häufchen Elend mit dem Wunsch zu sterben. Und doch werde ich keines meiner Worte zurücknehmen können, denn nichts davon ist gelogen und das wird auch der Köter wissen, denn außer seinem todtraurigen Blick kommt von ihm keinerlei Widerspruch oder Reaktion. „Und wenn wir es geheim halten?“ Seine Stimme klingt gebrochen und kraftlos. Ich muss dem Impuls widerstehen, ihn in die Arme schließen zu wollen, so wie ich es bei Mokuba tun würde. „Geheimnisse bleiben bei berühmten Persönlichkeiten wie mir selten lange geheim. Ich werde auf Schritt und Tritt beobachtet. Für mich gibt es kein Privatleben, so wie Du es gewohnt bist. Hier in dieser Villa ist mein einzig sicherer Ort, sicher vor Paparazzi, sicher vor Fans, sicher vor Feinden, doch, wie lange wird dieser Ort sicher sein? Wie lange wird es dauern, bis sie auch in meine Villa vordringen?“ „Du bist paranoid.“ Ich hebe herausfordernd meine rechte Augenbraue. „Ach? Tatsächlich? Sieh Dich doch mal an. Sieh Dir Mokuba an. Sieh Dir an was passiert ist, nur weil ich geglaubt habe, es wäre sicherer geworden. Und dann wage noch einmal zu behaupten, ich wäre paranoid. Es kann wieder passieren. Und wieder. Und wieder! Es wird niemals aufhören! Nicht solange ich im Rampenlicht stehe, als Chief Executive Officer der Kaiba Corporation.“ Er mustert mich schweigend, zusammengesunken in seinem Rollstuhl, dann richtet er sich plötzlich kerzengerade auf und starrt mich herausfordernd an. „Und wenn Du einfach aufhörst, CEO der KC zu sein?“ Ein heiseres Lachen dringt von ganz tief unten aus meiner Kehle, bevor ich es zurückhalten kann. Es klingt verdammt bitter, selbst für meine Ohren. „Aufhören? Was bin ich denn ohne die Kaiba Corporation? Was bin ich ohne den Namen Kaiba? Was frage ich Dich, Köter?“ Er erwidert nichts darauf und ich nicke triumphierend. „Genau! Ich wäre nichts. Ein Waisenkind ohne Besitz, ohne Zukunft, ohne Hoffnung.“ Er schüttelt den Kopf. „Nein, Seto. Du wärst nicht nichts. Du wärst wie ich. Ein Mensch. Ein Mensch mit Träumen, mit Vertrauen in die Welt, mit Freunden, die für Dich da sind, mit dem Wunsch, geliebt zu werden. Du wärst der Mensch mit Namen Seto, nicht die Maschine namens Kaiba.“ Mir fällt keine Erwiderung dazu ein und ganz untypisch für mich ergreife ich die Flucht. Fast panisch flüchte ich zur verschlossenen Zimmertür, breche fast den Schlüssel beim Aufschließen ab, reiße die Tür beinahe aus den Angeln beim Öffnen und sende ein Stoßgebet gen Himmel, als ich sehe, dass Mokuba nicht mehr vor der Tür zum Gästezimmer steht, was es mir möglich macht, ungesehen das Zimmer in Richtung Foyer zu verlassen. Ich muss hier verschwinden. Auf der Stelle. Bevor ich ihn umbringe oder, was noch viel schlimmer wäre, mit Haut und Haar verschlinge. ~~~~~ Kapitel 5: Freundschaft ----------------------- ~~~~~ 5. Freundschaft ~~~~~ ~Mokubas Sicht~ Müde schleiche ich durch die Flure der Villa und denke darüber nach, was ich soeben aus dem Zimmer von Joey gehört habe. Es war nur sehr leise zu verstehen, aber was ich verstanden habe, ist, dass sich Seto und Joey gestritten haben. Besonders der letzte Rest der Unterhaltung war laut genug, um auch durch die Tür gehört zu werden. Setos Selbstzweifel haben mich zutiefst erschüttert. „Aufhören? Was bin ich denn ohne die Kaiba Corporation? Was bin ich ohne den Namen Kaiba? Was frage ich Dich, Köter?“ „Ich wäre nichts. Ein Waisenkind ohne Besitz, ohne Zukunft, ohne Hoffnung.“ Ich wusste nicht, dass er sich nur anhand seines Namens identifizieren kann. Er steht noch immer im Schatten von Gozaburo und kann sich nicht davon lösen, so sehr er es auch versucht. Dabei hat er das doch alles nur für mich getan, damit ich ein normales Leben führen kann, damit ich eine ganz normale Kindheit haben konnte, ohne Sorgen oder Ängste. Mit Setos Hilfe konnte ich in meinem eigenen Tempo erwachsen werden, während er selbst durch Gozaburo viel zu früh zum Erwachsenen gedrillt wurde. Seto hat soviel aufgegeben für mich und tut es noch heute, dabei bin ich mittlerweile alt genug, um auf mich selbst aufzupassen. Zumindest solange mich kein perverser Scheich in die Finger bekommt. Aber eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass Seto mich noch immer für ein Kind hält, das beschützt werden muss. Er kann einfach nicht aus seiner Haut. Was mich aber tatsächlich überrascht hat, war Joeys Antwort. „Nein, Seto. Du wärst nicht nichts. Du wärst wie ich. Ein Mensch. Ein Mensch mit Träumen, mit Vertrauen in die Welt, mit Freunden, die für Dich da sind, mit dem Wunsch, geliebt zu werden. Du wärst der Mensch mit Namen Seto, nicht die Maschine namens Kaiba.“ Ist es wirklich so? Hat Joey Recht damit? Wenn ich an das lächelnde Gesicht von Seto denke, als wir noch im Waisenhaus waren oder an die gemeinsame Zeit mit unserem richtigen Vater, dann denke ich, dass es vielleicht alles anderes hätte laufen können. Wäre Seto doch nur niemals auf die Idee gekommen, Gozaburo dazu zu zwingen, uns zu adoptieren. Hätte ich doch nur die Kraft gehabt, Seto davon abzuhalten. Vielleicht wäre er dann wirklich einfach nur der Mensch mit Namen Seto, anstatt die Maschine namens Kaiba, die Gozaburo geschaffen hat. Es hat mich einiges an Überwindung gekostet, mich zu verstecken, bevor Seto mich entdecken konnte, als er Joeys Zimmer überstürzt verließ, aber es war besser so. Hätte er mich entdeckt, dann hätte er sofort gewusst, dass ich mitgehört hatte, wenn auch nur einen Teil. Er hätte sich ohne zu zögern von mir abgewandt und hätte wochenlang kaum mit mir geredet, weil er in meinen Augen nicht schwach aussehen will. Er spielt mir jedes Mal vor, dass es ihm gut geht, damit ich mich nicht um ihn sorge. Doch dieses Mal wird es anders laufen. Dieses Mal weiß ich, dass er Probleme hat und dieses Mal bin ich auch in der Lage ihm zu helfen. Joey scheine ich nicht helfen zu können, aber vielleicht kann es Seto. Aber damit Seto Joey helfen kann, muss ich erst Seto bei seinen Selbstzweifeln helfen und ich weiß auch schon wie ich das anstelle. Mit zusammengebissenen Zähnen, erhobenen Kopf und gestraften Schultern marschiere ich zielstrebig in mein Arbeitszimmer und direkt zu meinem Telefon auf meinem Schreibtisch. Die Nummer, die ich wähle, kenne ich in- und auswendig, weil ich sie schon oft gewählt habe. Es klingelt zweimal und dann hebt jemand ab. „Mokuba? Ist irgendetwas mit Joey?“ Ich grinse leicht. Sein erster Gedanke gilt noch immer seinem besten Freund, auch noch nach all den vielen Jahren. „Nein, Yugi. Mit Joey ist alles in Ordnung, sofern man seinen momentanen Zustand in Ordnung nennen kann. Es geht um Seto und nein, ihm ist nichts passiert, aber ich brauche trotzdem Deine Hilfe. Können wir uns heute bei Dir treffen?“ „Selbstverständlich. In zwei Stunden?“ „Perfekt! Dann bis nachher.“ „Bis nachher.“ Ich lege erleichtert auf und wähle eine zweite Nummer, die ich fast ebenso auswendig kann, wie die von Yugi. Diesmal muss ich allerdings lange warten, bis jemand abhebt. „Gott! Wer stört mich hier beim Duschen! Wenn es nichts Wichtiges ist, werd ich ernsthaft sauer!“ Eine leichte Röte heizt mein Gesicht schlagartig auf und ich muss mich erst räuspern, bevor ich antworten kann. „Becci? Ich bin es. Mokuba.“ Ich höre, wie ihr das Telefon aus der Hand fällt und muss mich krampfhaft zurückhalten, um nicht laut loszulachen. „Mokuba! Meine Güte, wie peinlich. Gibt es irgendetwas Wichtiges?“ „Ja. Das gibt es in der Tat. Wie schnell kannst Du nach Domino kommen?“ Kurze Zeit ist es still, dann höre ich sie leise seufzen. „Lass mich raten. Es gibt Probleme mit Seto und Joey, oder?“ „So in etwa, ja.“ „Na schön. Gib mir drei Tage, ja? Dann hab ich hier alles soweit geregelt, denn ich geh mal davon aus, dass ich so schnell nicht wieder abreisen werde, wenn ich erst mal bei euch bin, oder?“ Nachdenklich kratze ich mich am Hinterkopf. „Möglicherweise. Hängt davon ab, wie sich die Dinge hier entwickeln.“ „Okay, dann werd ich mal packen. Wir sehn uns dann in drei Tagen.“ „Ich danke Dir, Becci.“ „Keine Ursache, Mokuba. Bis dann.“ „Bis dann.“ Ich lege auf und atme tief durch. Soweit so gut, jetzt brauch ich nur noch ein paar Ideen, wie ich meinen Plan auch in die Tat umsetzten kann. Leicht wird es mit Sicherheit nicht, soviel steht fest, aber genau wie Seto liebe ich Herausforderungen. Und das hier ist genau nach meinem Geschmack. Und wozu hat man schließlich Freunde? ~Setos Sicht~ Mürrisch sitze ich an meinem Schreibtisch im Büro der Kaiba Corporation und arbeite mich durch eine unzählige Anzahl an eMails, die mein Postfach verstopfen. Beschwerden wegen nicht eingehaltenen Lieferterminen, Beschwerden wegen zu späten Zahlungseingängen, Beschwerden wegen rückläufigen Produktionszahlen. Da bin ich nur ein paar Tage nicht erreichbar, herrscht hier gleich unendliches Chaos. Nun ja, dieses Mal war auch Roland nicht in der Lage, alles wie gewohnt laufen zu lassen, aufgrund der Entführungsgeschichte. Ich nehm es ihm nicht übel, ich hatte schon mit diesem Chaos gerechnet. Das Problem ist nur, dass ich mich heute gar nicht auf meine Arbeit konzentrieren kann, weil mir noch immer die Worte von diesem Köter im Kopf herumgeistern. „Du wärst der Mensch mit Namen Seto, nicht die Maschine namens Kaiba.“ Was glaubt er eigentlich, wer er ist? Dieser Idiot! Ich bin keine verdammte Maschine, nur weil ich Kaiba heiße! Ich bin nicht wie Gozaburo. Ich funktioniere nicht nur, ich lebe! „Verdammter Köter!“ Aber, tu ich das wirklich? Leben? Besteht mein derzeitiges Leben nicht hauptsächlich nur aus Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit? Wie oft habe ich mir schon diese Fragen gestellt? Wie oft habe ich in Gedanken versunken bis tief in die Nacht an meinem Schreibtisch gesessen und mich gefragt, warum ich nicht einfach nachhause gehe und die Arbeit sein lasse? Wie oft habe ich schon alles hinwerfen wollen und wie oft habe ich mich am Ende dagegen entschieden? Diese Firma ist mein Leben, aber wäre mein Leben vielleicht doch besser ohne sie? Hat der Köter Recht? „Und wenn Du einfach aufhörst, CEO der KC zu sein?“ „Idiot! Als wenn das so einfach wäre!“ Ich habe soviel geopfert, um zu erreichen was ich erreicht habe. Wie könnte ich das einfach so wegwerfen? Diese Firma ist mit mir gewachsen, sie ist ein Teil von mir, ohne sie bin ich nicht vollständig. Ich bin nichts ohne diese Firma. „Du wärst nicht nichts. Du wärst wie ich. Ein Mensch.“ „Verschwinde aus meinen Gedanken, blöder Köter!“ Was weiß er schon! Was hat er denn schon erreicht? Er hat doch keine Ahnung! Aber, ist er deswegen unglücklich? Mal abgesehen von seinem jetzigen Zustand ging es ihm doch nie wirklich schlecht. Zumindest soweit ich von Mokubas Erzählungen weiß. Und auch während der Schulzeit schien es ihn nicht zu belasten, dass er nichts konnte und kaum etwas wusste. Er hat sich trotzdem mehr oder weniger erfolgreich durchs Leben gekämpft und mehr als einmal hat er sich meinen Respekt verdient, obwohl er ein Vollidiot ist und nichts weiter als Yugis Schoßhund. Und auch wenn seine übereilten Entscheidungen in Bezug auf Kashi mehr als idiotisch waren, konnte doch Schlimmeres verhindert werden. „Verflucht! Dieser Typ macht mich noch wahnsinnig!“ Es klopft an meiner Bürotür und Roland steckt seinen Kopf durch die Tür. „Mr. Kaiba? Ist alles in Ordnung?“ Ich winke mit der Hand ab und streich mir ein paar verirrte Haarsträhnen aus dem Gesicht. „Es ist nichts. Diese Mails irritieren mich nur.“ Und das ist nicht einmal gelogen, auch wenn es nur die halbe Wahrheit ist. „Soll ich Ihnen einen starken Kaffee besorgen, für eine kurze Pause?“ Kurz überlege ich, den Kopf zu schütteln, nicke dann aber. „Ja. Tu das. Eine Kaffeepause wäre jetzt wirklich nicht schlecht.“ „Selbstverständlich, bin in wenigen Augenblicken wieder zurück.“ Er schließt die Tür wieder, ich lehne mich in meinem Bürosessel zurück und schließe kurz die Augen. Doch das Bild von Wheeler in dieser Zelle lässt mich meine Augen wieder öffnen. Sein geschundener Körper, nur halb von der Taschenlampe beleuchtet. Werde ich dieses Bild je vergessen können? Geht es dem Köter ähnlich, wenn er an diesen Jimmy denkt? Hat er deshalb jede Nacht diese Alpträume? Und mache ich mir deshalb ständig Sorgen deswegen? Weil ich es ihm nachempfinden kann? Dieses Gefühl der Hilflosigkeit? Der Angst? Versuche ich deshalb dem Köter zu helfen, um mir selbst helfen zu können? Um dieses Gefühl der Machtlosigkeit loszuwerden? „Verdammt. Was ist nur aus dem Seto Kaiba geworden, der sich so vielen Feinden in den Weg gestellt hat? Der immer sein Ziel erreicht hat, egal auf welchem Weg?“ Hast Du gewusst, dass ich meinen Weg verlieren werde, Pharao? Ich schüttle wütend den Kopf. Als ob er das hätte wissen können. Ich bin nicht wie dieser Priester, der sich von seinem Vater hat einwickeln lassen. Ich habe meine Schatten ohne die Hilfe eines Pharaos besiegt. Ich alleine habe Gozaburo zur Strecke gebracht und aus der Kaiba Corporation das gemacht, was sie heute ist. Und ich alleine werde das jetzige Problem in den Griff bekommen. Ich brauche keine Hilfe dabei. Ich bin... „Ein Mensch mit Träumen, mit Vertrauen in die Welt, mit Freunden, die für Dich da sind, mit dem Wunsch, geliebt zu werden.“ ...Kaiba, nicht Seto, Maschine, nicht Mensch? ~~~~~ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)