Erwachen von BloodyRubin (Nichts ist, wie es scheint) ================================================================================ Kapitel 20: Notizen ------------------- 4. Januar, 2:36 Uhr: Ein lautes Klopfen hat mich geweckt. An der Tür stand der Portier und stammelte etwas über eine Gruppe Jugendlicher und dass ich unbedingt mitkommen müsse. Vor dem Haus standen tatsächlich mehrere Personen. Mir wurde sofort klar, dass es richtig vom Portier gewesen war, mir Bescheid zu sagen. Alle Jugendlichen gaben ein elendes Bild ab. Nur ein junger Mann, der sich als Shin Namiyoka vorstellte, schien in der Lage, mit mir zu reden. Er sagte, er hätte die Gruppe bei einem Spaziergang entdeckt. Leider war er sehr durcheinander und seine Erklärungen unzusammenhängend. Ich muss mich später unbedingt noch intensiver mit ihm unterhalten. 6. Januar, 14:03 Uhr: Die Jugendlichen sind nun seit zwei Tagen hier. Zum Glück wurden sie hierher gebracht. Sie haben schwere seelische Schäden erlitten, doch nicht einmal Herr Namiyoka wusste, woher diese stammten. Er konnte mir nur sagen, dass die Kinder wohl aus dem >Haus der Hoffnung< stammen, das vorgestern durch ein Feuer teilweise zerstört wurde. Sobald das schlimmste Chaos beseitigt ist, werde ich mich bei den Leitern des Heimes erkundigen, was es mit diesen Jugendlichen auf sich hat. 13. Februar, 17:52 Uhr: Es ist doch nicht zu glauben! Ich habe mich nach den Kindern erkundigt und niemand scheint sie zu kennen. Wie kann das sein? Ich muss zum Waisenhaus. Hoffentlich finde ich dort einige Antworten. Schließlich kenne ich noch nicht einmal die Namen der Jugendlichen. Und das, was ich gesehen und gehört habe...war schrecklich. Was ist nur im >Haus der Hoffnung< geschehen? 15. Februar, 12:00 Uhr: Nun weiß ich ungefähr, was passiert ist. Nach einem wenig zufriedenstellendem Gespräch mit der Leiterin habe ich darauf bestanden, mir den Keller anzusehen. Dort war so gut wie alles zerstört. Nur ein feuerfester Safe hat das Inferno überlebt. Darin lagen Unterlagen mit Informationen, in denen die Vergangenheit der Kinder genau geschildert war. Woher die beiden diese Informationen haben, ist mir aber selber ein Rätsel. Auch zwei Dokumente, bei denen nur das Wort >verstorben und hinter dem Haus begraben< gekritzelt wurde, habe ich dort gefunden. Außerdem befanden sich in dem Safe mehrere Schalen. Darin waren Augen, Zähne, ein Skalpell und Phiolen mit Säure. Mir wird bereits übel, wenn ich nur daran denke, was diesen armen Seelen, die nun in meiner Anstalt leben, widerfahren ist. Und ich kann es kaum glauben, dass niemand etwas von allem wusste. 9. März, Kurzzusammenfassung der Patienten: Sayuri Mizuki hat sehr heftig reagiert, als ich mit ihr sprechen wollte. Also habe ich meine Frau gebeten, sich um sie zu kümmern. Später erzählte Aimi mir, was ich schon halb geahnt habe. Ich fürchte, dass Sayuri sich nicht von den Folgen ihres traumatischen Erlebnisses erholen wird. Izuya Harabashi ist etwas umgänglicher. Solange man ihn nicht berührt, ist er sehr ruhig und wirkt fast friedlich. Jedoch ändert das nichts an der Tatsache, dass er panisch wird, sobald man ihn anfasst. Vielleicht kann man ihn mit sehr viel Geduld doch noch wieder in die Gesellschaft integrieren. Ryo und Taku Masame haben ebenfalls zu schwere Traumata erlitten, als das man sie entlassen könnte. Sie haben kein Wort gesagt, seit sie hier sind und weigern sich standhaft, getrennt zu werden. Wenn man sie trennt, beginnen sie, solange zu schreien, bis sie wieder zusammen sind. Besonders bei Taku, dem sämtliche Zähne fehlen, ein furchtbares Geräusch. Und dann noch Kenjiro Ashiba. Die meiste Zeit liegt er nur da. Ab und an hat er grundlos minutenlange Panikanfälle. Auch er spricht nicht und hat offenbar Angst davor, zu schlafen. Ich muss versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen. Vielleicht hat er eine Chance, irgendwann entlassen zu werden. 13. März, 9:00 Uhr: Heute ist Herr Namiyoka vorbeigekommen, um die Patienten zu sehen. Nachdem er kurz mit Izuya gesprochen hat, habe ich ihn zu Kenjiro gebracht. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass es wahrscheinlich sinnlos ist, mit den Patienten zu reden, aber er scheint sich für sie verantwortlich zu fühlen. Als er begann, mit Herrn Ashiba zu sprechen, passierte jedoch etwas Seltsames. Nicht nur, dass Kenjiro deutlich ruhiger wurde, er antwortete Herrn Namiyoka! Und er hat endlich richtig geschlafen. Kaum war Herr Namiyoka aus dem Zimmer getreten, bat ich ihn, Kenjiro öfter zu besuchen. Er stimmte zu und versprach mir, mir alles zu erzählen, was passierte. Das Ganze ist mehr als seltsam, aber ich glaube, dass Kenjiro sich nur jemandem in seinem Alter anvertrauen kann. Warum, kann ich allerdings nicht sagen. 24. März, 20:30 Uhr: Herr Namiyoka berichtete mir heute, dass Kenjiro sich offenbar in eine Fantasiewelt geflüchtet hat, in der sein Leben in Ordnung ist. Zudem hat er auch ein gestörtes Zeitgefühl. Das ist wirklich faszinierend, allerdings geschieht so etwas öfter, als die meisten annehmen. Auch Herr Namiyoka scheint recherchiert zu haben. Er sagte mir, dass die ehemaligen Leiter des Waisenhauses, die Mashi-Brüder, offenbar bei dem Brand umgekommen sind. Sie waren es auch, die den Kindern diese fürchterlichen Dinge angetan haben. Und niemand hat irgendetwas geahnt. 30. April, 16:46 Uhr: Kenjiro macht weiterhin Fortschritte. Jedenfalls, wenn Herr Namiyoka bei ihm ist. Sobald er fort ist, hat Kenjiro teilweise stundenlange Panikattacken. Eine Tatsache, die ich Herrn Namiyoka nicht berichtet habe. Vorerst muss ich selber herausfinden, warum dies so ist. Und ich muss versuchen, etwas über die Vergangenheit der Mashi-Brüder sowie zu finden. 2. Mai, 11:12 Uhr: Heute hat Herr Namiyoka mir gebeichtet, dass er sich in Herrn Ashiba verliebt hätte. Das ist in der Tat etwas Neues. Auch wenn ich ihn nicht verurteile, habe ich dennoch versucht, ihm klarzumachen, dass es keinesfalls sicher ist, dass Kenjiro diese Gefühle erwidert oder diese überhaupt erfassen kann. Bei meinen Nachforschungen über die früheren Leiter des Waisenhauses bin ich kaum weitergekommen. Alle, die die beiden kannten, haben sie als höflich und erfahren bezeichnet. Ob sie ihre wahren Persönlichen nur gezeigt haben, wenn sie alleine waren? 5. Mai, 13:33 Uhr: Kenjiro weiß, was los ist. Offenbar beginnt er, sich wieder an alles zu erinnern. Ich habe beobachtet, wie er im Schlaf geweint hat. Doch auch Herr Namiyoka scheint bedrückter zu sein, als ich ihn je zuvor erlebt habe. Anscheinend hatte er einen Streit mit Herrn Ashiba. Worum es ging, wollte er mir nicht sagen. So wie es aussieht, werde ich mal mit Kenjiro reden müssen. 9. Mai, 16:00 Uhr: Erstaunlich, wie gut Kenjiro sich erholt hat. Natürlich habe ich mich über ihn und die anderen Jugendlichen so gut informiert, wie es ging. Mit diesen Informationen und dem, was ich mir über die früheren Leiter vom >Haus der Hoffnung< zusammengereimt habe, konnte ich ihm einen sehr detaillierten Eindruck davon geben, was damals mit ihm geschehen ist. Er schien es recht gut aufgenommen zu haben. Jedenfalls hatte er keine Panikanfälle oder ähnliches. Und ich habe ihm erlaubt, die anderen zu sehen. Er wirkte zwar traurig, aber auch gefasst. Ich werde bald versuchen, einige Tests mit ihm zu machen. Herr Namiyoka ist wieder zurück. Anscheinend hat er beschlossen, den Streit mit Herrn Ashiba ruhen zu lassen. Das freut mich, wirklich. 10. Mai, 8:55 Uhr: Herr Namiyoka hat mir gesagt, dass er mit Kenjiro geschlafen hat. Nun, das hatte ich bereits halb erwartet. Allerdings hat er beteuert, dass er Kenjiro zu nichts gezwungen hat. Da er mich noch nie angelogen hat, glaube ich ihm. Dass er mir so etwas Persönliches berichtet, zeigt mir, wie sehr er mir vertraut. 7. Juni, 12:19 Uhr: Heute beginnen die Tests. Kenjiro scheint sich wieder bester geistiger Gesundheit zu erfreuen. Dennoch muss ich mir sicher sein, dass er wirklich dabei ist, sich zu erholen. Ich habe Herrn Namiyoka erlaubt, bei den Tests dabei zu sein. Alles ist gut verlaufen. Nur das Bild der Mashi-Brüder hat eine Reaktion in ihm ausgelöst. Allerdings hielt diese nur wenige Sekunden an. Nach den Tests habe ich eine Art Schocktherapie ausprobiert und ihm gezeigt, was die damaligen Leiter des Waisenhauses mit ihm gemacht haben. Anscheinend war das zu früh. Herr Ashiba ist, nachdem er sein Spiegelbild gesehen hat, zusammengebrochen. 22. Juni, 8:04 Uhr: Kenjiro scheint sich wieder erholt zu haben. Zumindest hat Herr Namiyoka mir das gesagt. Und ich habe herausgefunden, wie es damals zu dem Feuer kommen und die gefangenen Jugendlichen fliehen konnten. Es sieht so aus, als hätten sie eine Zentralverriegelung für die Zellen benutzt. Dadurch waren sie in der Lage, sämtliche Türen mit nur einem Knopfdruck zu öffnen. Das war es auch, was ihnen zum Verhängnis wurde. Sie hatten gedacht, dass die Kinder es niemals wagen würden zu fliehen und deshalb die Zellen offen gelassen. Als sie gerade dabei waren, ein neues `Experiment´ an Taku Masame auszuprobieren (anscheinend wollten sie ihn mit Ethin foltern), griff dieser sie an und bekam dabei ein Feuerzeug in die Hand. Ethin ist hoch entzündlich und kaum hatte Taku das Feuerzeug angemacht und den beiden vor die Füße geworfen, standen diese sofort in Flammen. Der Rest der Gruppe wurde von den Schreien der beiden Männer angelockt und gemeinsam flohen sie aus dem Gebäude. Der Rest ist bekannt. 01.Juli, 10:39 Uhr: Es ist alles bereit. Heute wird Kenjiro Ashiba, seit einem halben Jahr Patient in unserer Anstalt, entlassen. Herr Namiyoka hat darum gebeten, dass Herr Ashiba bei ihm wohnen darf. Ich habe dieser Bitte entsprochen. So wie es aussieht, erwidert Kenjiro Herrn Namiyokas Gefühle und hat den Vorschlag bereitwillig angenommen. Herr Ashiba ist dazu verpflichtet, sich zu weiteren Kontrolluntersuchungen wieder hier einzufinden. Das einzige Problem ist sein immer noch gestörtes Zeitempfinden. Die Besuche hier werden mir ein gutes Bild davon vermitteln, ob es sich von selber wieder gelegt hat oder weitere Behandlungen notwendig sind. Ich wünsche Herrn Ashiba viel Glück auf seinem weiteren Lebensweg. 24. Oktober, Nachtrag: Herr Ashiba hat sich sehr gut entwickelt. Sein Zeitempfinden hat sich wieder normalisiert und er hat keinerlei Panikanfälle mehr. Sein letzter Besuch vor zwei Tagen hat mir gezeigt, dass er dabei ist, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Herr Namiyoka unterstützt ihn dabei, so gut er kann. Des Weiteren hat Kenjiro eine Aushilfsstelle in einem Supermarkt bekommen und scheint sehr glücklich darüber zu sein, wieder mit anderen Menschen Umgang zu pflegen. Bei den anderen Patienten ist es momentan Izuya Harabashi, der langsam beginnt, sich von allem zu erholen. Vielleicht kann auch er von seinem schweren geistigen Trauma befreit werden. Aber ich werde nichts überstürzen. Zu wünschen wäre es Herrn Harabashi auf jeden Fall. Ende Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)