Yasashikunai Mirai von Harulein (Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 30: [meto] Act 29 ------------------------- Ein paar Tage später nahm ich mir einen freien Tag, um meine Eltern mal wieder zu besuchen. Ich war ja eine Weile lang nicht dort gewesen und wollte Mama mal wieder sehen. Tsuzuku musste an diesem Tag arbeiten, er sagte, dass er am Vormittag einen wichtigen Kunden hatte, den zu tätowieren wohl mit speziellen Komplikationen verbunden war. Ich hatte ihn gefragt, was genau an dem Kunden so kompliziert war, und Tsu hatte geantwortet, dass dieser Kunde möglicherweise an Borderline litt, sich ihm anvertraut hatte, und jetzt lag es meinem Freund verständlicherweise am Herzen, ihn zu beraten. Also fuhr ich alleine in unsere Heimatstadt, und weil ich auf dem Weg zu meinem Elternhaus am Friedhof vorbei kam, machte ich dort einen Besuch am Grab von Tsuzukus Mama. Ich stellte die Blumenvase wieder auf, die der Wind umgeweht hatte, und leerte das Regenwasser aus der Opferschale, brachte alles in Ordnung. „Hallo, Misayo“, sagte ich dann. „Ich bin heute mal allein hier, Tsuzuku arbeitet.“ Da ich sie ja nie gekannt hatte und auch immer noch nicht wusste, wie sie ausgesehen hatte, konnte ich sie mir auch nicht so vorstellen, wie Tsuzuku das durch seine Erinnerungen an sie konnte. Aber ich versuchte es, mir eine Frau von etwa Vierzig vorzustellen, die ihm ein wenig ähnlich sah. „Misayo, ich weiß nicht, hat Tsuzuku dir schon erzählt, dass er und ich heiraten werden? Er hat mir einen Antrag gemacht und ich hab Ja gesagt. Ich hoffe, das ist okay für dich. Wäre ihm, und auch mir, sehr wichtig, wenn du uns irgendwie … deinen Segen dafür gibst …“ Da ich nicht wusste, was Misayo wirklich für ein Mensch gewesen war, und sie ja nun niemals mehr eine Antwort geben konnte, musste ich dann gehen, ohne zu wissen, ob wir ihn nun hatten, ihren Segen. Aber irgendwie glaubte ich, dass sie mit unseren Hochzeitsplänen einverstanden sein würde, wenn sie noch gelebt hätte. Auf dem Weg zu meinem Elternhaus fühlte ich mich seltsam, irgendwie auf einmal ganz müde und erschöpft. Fast ein bisschen so, als hätte mich etwas über lange Zeit sehr viel Kraft gekostet, und ich bemerkte jetzt erst, dass es mich ausgelaugt hatte. Vielleicht brauchte ich mal einen längeren Urlaub? Mich beschlich eine dunkle Ahnung, was der Grund für meine Erschöpfung sein könnte, doch der Gedanke daran machte mir solche Angst, dass ich ihn weit von mir schob. Nein, das durfte einfach nicht sein! An der Tür meines Elternhauses musste ich klingeln, meinen Schlüssel hatte ich nicht mehr, und ich war überrascht, als mir Papa die Tür öffnete. Es war ungewöhnlich, dass er an einem Vormittag mitten in der Woche zu Hause war. „Hallo … Papa“, sagte ich und zog meine Schuhe aus. „Guten Morgen, Yuu.“ Papa war höflich und förmlich, wie immer. Nur, dass er statt meines vollen Vornamens Yuuhei jetzt die Kurzform benutzte, mit der mich auch Mama immer ansprach. „Ist … Mum … auch … da?“, fragte ich, und fand es nach all der vielen Zeit mit Tsu und Koichi, wo ich ja völlig normal sprach, doch recht seltsam, dass ich jetzt wieder in dieses Stocken verfiel. Papa brauchte nicht antworten, denn da kam Mama schon aus der Küche. „Yuu! Schön, dich zu sehen!“ Sie umarmte mich. „Wie geht’s dir?“ „Ganz okay … bin nur … etwas müde …“ „Ich hab gerade frischen Kaffee gemacht, möchtest du einen?“ „Ja“, sagte ich, und atmete tief durch, als ich meinen Eltern in die Küche folgte. Auf dem Küchentisch lagen eine Menge Papiere, und ich vermutete, dass sie Papa gehörten. Manchmal bat er Mama, wenn ein Fall auch ihr Fachgebiet mit betraf, einen Blick darauf zu werfen, dann brachte er die Unterlagen mit nach Hause. Vermutlich war er deshalb gerade da. Gut für mich, so hatte ich meine Eltern beide beisammen, um ihnen von Tsuzukus und meinen Hochzeitsplänen zu erzählen. Ein bisschen hatte ich ein schlechtes Gewissen, dass wir schon alles vorbereitet hatten und aber meine Eltern noch nichts davon wussten. Insbesondere bei Papa war ich mir nicht ganz sicher, was er dazu sagen würde. „Mama? Papa?“, begann ich, als ich meinen Kaffee auf hatte und die beiden auf der anderen Seite des Tisches gemeinsam wieder in die Unterlagen schauten. „Ich muss mit euch … über was reden …“ „Was denn, Yuu? Was liegt dir auf der Seele?“, fragte Mama und klappte die Mappe, die sie gerade gelesen hatte, zu. Sie setzte sich neben mich und sah mich aufmerksam an. „Also … na ja, dass das mit Tsuzuku und mir etwas sehr Ernstes, Festes ist, wisst ihr ja. Er braucht mich sehr und ist immer noch total verliebt in mich, und ich in ihn.“ Ich war ein bisschen stolz auf mich, als ich selbst bemerkte, dass ich kaum noch stockte und alles richtig herauskam. „Und er hat mir einen Heiratsantrag gemacht, schon vor einer Weile …“ Ich drehte etwas aufgeregt an dem silbernen Verlobungsring an meinem Finger herum und sah, dass Mama ihn bemerkt hatte. „Ich hab Ja gesagt. Ich will ihn nämlich auch heiraten.“ Mamas Reaktion war einfach toll. Genauso, wie man es sich wünschte. „Yuu, Spatz, das ist ja wundervoll! Ich hab das gleich gesehen, Genki ist dein Mann fürs Leben, stimmt’s?“ Sie stand auf und umarmte mich. Papas Reaktion war verhaltener. „Ihr wisst aber, dass ihr das nicht offiziell machen könnt? Laut Gesetz ist die Ehe nun mal nur für Mann und Frau bestimmt …“ „Das wissen wir“, antwortete ich. „Wir heiraten nur buddhistisch, in Kyoto gibt es einen Tempel, wo sie das machen.“ „Und? Habt ihr schon alles vorbereitet?“, fragte Mama. „Ich hab schon ein Kleid, und Tsu einen Anzug. Und ein Hotel in Kyoto haben wir auch schon gefunden.“ „Und wie sieht das Kleid aus?“ Mama war ganz begeistert. „Weiß“, sagte ich. „Ich hab es in Kyoto bei Angelic Pretty gekauft.“ Mama strahlte mich an, hatte sogar Tränen in den Augen. „Mein kleiner Junge … Erst findet er ganz heimlich seinen Mann fürs Leben, dann heiratet er ihn, und auch noch ganz in Weiß … Du bist so schnell erwachsen geworden …“ Ich sah sie nur an, wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte, dass sie so gerührt war. „Wir sind aber auf jeden Fall zu deiner Hochzeit eingeladen, oder?“, fragte Mama dann. „Das lassen wir uns nämlich nicht entgehen.“ Jetzt lächelte Papa auch. „Auch, wenn du niemals den geraden Weg gehst, Yuu, wir sind trotzdem sehr stolz auf dich. Als Eltern wünscht man sich natürlich, dass das eigene Kind erfolgreich ist, aber wir haben dich ja außerdem dazu erzogen, dass du selbst deinen Weg gehst und dir da auch von uns nicht reinreden lässt. Und das machst du sehr, sehr gut.“ „Klar seid ihr eingeladen!“ Jetzt hatte ich, von Papas Worten, auch Tränen in den Augen. Ich hatte schon echt tolle Eltern. Allein, wenn ich mir ansah, dass Mama immer noch als Anwältin arbeitete und damit erfolgreich war … Sie hatte wieder zu arbeiten angefangen, als ich in der Mittelschule war, und das war schon ungewöhnlich in unserem Land, dass sie als Mutter einfach in ihren studierten, anspruchsvollen Beruf wieder eingestiegen war. Ich fand nicht, dass sie mich vernachlässigt hatte, sondern war stolz auf sie. Und jetzt sagte Papa, dass er und Mama ebenso stolz auf mich waren, weil ich mich in dem, was ich wollte und tat, auch nicht beirren ließ. „Und wann ist der Termin?“, fragte Mama. „Wir haben mehrere zur Auswahl und uns noch nicht entschieden. Aber es wird bald sein“, sagte ich und merkte, dass ich jetzt wirklich nicht mehr stotterte. Und Mama bemerkte es auch. „Yuu! Merkst du, dass du ganz normal redest?“ „Ja … fällt mir selbst gerade auf …“ „Wie kommt das denn?“ „Ich weiß nicht … Seit ich mit Tsu zusammen wohne, fällt mir das Sprechen viel leichter. Vielleicht, weil ich mit ihm ja schon immer gut reden kann.“ „Du hast dich so sehr entwickelt, seit du mit ihm zusammen bist, das ist so schön.“ Ich dachte daran, dass Tsuzuku mich eben auch ganz schön forderte. Dass ich durch ihn, seine Art und auch zum Teil eben seine Krankheit, vieles lernen musste, um ihn gut zu unterstützen. Aber das sagte ich nicht. Ich wollte jetzt nicht von seiner Krankheit reden. „Sollen wir den anderen Bescheid geben, dass du heiratest? Also, Oma und Opa, und so weiter? Oder willst du das selbst machen?“, fragte Mama. „Wir wollen nur im ganz kleinen Kreis feiern. Nur ihr beide und Koichi und noch ein paar andere Freunde. Keine große Party …“, antwortete ich. „Wisst ihr … na ja, Tsuzuku würde sich unwohl fühlen, wenn meine ganze Familie angereist kommt, er hat da ein bisschen … Berührungsängste … versteht ihr? Er kennt so vornehme Gesellschaft nicht … Und ich will, dass unsere Hochzeit auch für ihn ein ganz und gar wunderbarer Tag wird, an dem er sich nicht minderwertig oder traurig fühlt.“ „Ja, das verstehen wir natürlich …“, sagte Mama. „Du kannst Oma und Opa sagen, dass ich heirate und wen, und dass ich sie auch dabei haben würde, wenn wir nicht beschlossen hätten, nur im kleinen Kreis zu feiern“, erklärte ich. „Sie kennen Tsu ja nicht, sie wissen nicht, wie empfindlich er manchmal ist …“ Ich blieb bis zum Mittag bei meinen Eltern. Sie waren ziemlich beschäftigt, es schien sich tatsächlich um einen schwierigen Mandanten-Fall zu handeln, bei dem Papa Mamas Hilfe brauchte. Sie war auf einem anderen Gebiet spezialisiert als er und hatte auch eine andere Sicht auf die Dinge als er, das wusste er genau und bat sie deshalb, sich den Fall mit anzuschauen. Während meine Eltern zwischen Küche und Büro hin und her liefen, oder in der Küche saßen und diesen Fall besprachen, saß ich dann im Wohnzimmer vor dem Fernseher und sah mir das an, was dort gerade lief. Ein amerikanischer Naturfilm, der gerade fast vorbei war, eine Sportsendung mit Rückblicken auf ein Fußballspiel Japan gegen Senegal, und schließlich erwischte ich den Anfang eines romantischen Films aus Europa, der Koichi sicher sehr gefallen hätte. Die Geschichte schien aber einigermaßen dramatisch zu sein, und irgendwie sah ich auch bald Parallelen zu Tsuzuku und mir, wenn die Frau im Film ihren Mann verzweifelt bat, sie niemals zu verlassen … Ich drückte die „Beschreibungstext“-Taste auf der Fernbedienung, das war eine moderne Funktion unseres Fernsehers, die einem so etwas wie einen Klappentext zu jedem Film bereitstellte. Ich wollte den Titel des Films wissen, und tatsächlich hieß der Film in seiner französischen Originalfassung „Frontier du Sentiments“, was der japanische Titel mit „An der Grenze der Gefühle“ übersetzte. Und die Beschreibung klang auch danach: Eine Frau, die viele Beziehungen hatte, ehe sie den Mann kennen lernte, mit dem es einerseits so schön und einfacher war, aber zugleich spielten ihre Gefühle manchmal völlig verrückt und sie bekam wahnsinnige Angst … „Es ist schon seltsam …“, dachte ich, „… wie oft es das doch gibt. Ich hab Tsuzuku, Tsuzuku kennt Hitomi, und heute hat er einen Kunden im Studio, der auch so leidet. Es sind doch ganz schön viele, die so was haben … so was wie Borderline …“ Es erschien mir ein bisschen wie eine Welt unter der Oberfläche, in der ich selbst mit meinem Anderssein auch lebte, während unser Heimatland Japan sich dem Rest der Welt ja gerne ebenmäßig, geordnet und stets lächelnd präsentierte. Ich stellte den Film irgendwann aus, die Geschichte wurde mir zu traurig. Und wieder hatte ich dieses seltsame Gefühl von Kraftlosigkeit, als ob ich die letzte Nacht sehr schlecht geschlafen und außerdem in letzter Zeit zu viel gearbeitet hätte. Das hatte ich beides nicht, und wenn ich an die Arbeit selbst dachte, fühlte ich auch keine Ermüdung oder Unlust. Doch … und das machte mir wirklich Angst, es fühlte sich so an, als ob ich mal alleine verreisen wollte. Ohne Tsuzuku. Ich musste an seine Angst denken, davor, dass er mir zu viel wurde, und fühlte mich augenblicklich furchtbar, weil ich so dachte, als ob ich eine Ruhepause ohne ihn brauchte. Ich aß noch bei meinen Eltern zu Mittag und machte mich dann wieder auf den Heimweg. Durch die Stadt, am Park vorbei, wo gerade aber fast niemand war, zum Bahnhof, wo ich auf den Zug nach Hause wartete. Nach Hause … ja, so fühlte es sich jetzt auch an. Die große Stadt war jetzt meine Heimat, ich kam nur noch hier her, um meine Eltern oder Freunde zu besuchen. Ich wusste nicht, ob MiA überhaupt noch hier wohnte oder vielleicht weggezogen war, aber das ging mich ja auch nichts mehr an. MiA? Warum dachte ich jetzt wieder an ihn? Erst dieses Gefühl, als ob ich eine Pause von Tsuzuku brauchte, und dann ein Gedanke an MiA … Es hatte etwas Bedrohliches an sich. Doch im Zug nach Hause, als ich mit Cage von Dir en grey auf den Ohren da saß und aus dem Fenster schaute, wie die Landschaft vorbeizog und in der Ferne sogar das Meer glänzte, da verschwand dieses seltsame Gefühl wieder, tauchte irgendwohin ab und ich freute mich wieder darauf, nach Hause zu kommen, Tsuzuku zu sehen, ihn in meine Arme zu nehmen … Als ich nach Hause in unsere Wohnung kam, war Tsuzuku auch wieder da. Er lag angezogen auf dem Bett und zuerst dachte ich, ihm ging es vielleicht nicht gut, aber als er mich hereinkommen hörte, setzte er sich auf und lächelte, und ich sah, ihm schien es gut zu gehen. Ich setzte mich zu ihm, ließ mich dann auf den Rücken sinken, und er griff meine Hand, hielt sie fest. So lagen wir eine Weile einfach Hand in Hand da, blickten beide hoch an die Decke, und dann sagte ich: „Ich hab Mama und Papa gesagt, dass wir heiraten werden.“ „Und?“ Tsuzuku sah mich an. „Wie haben sie reagiert?“ „Mama war total begeistert. Und Papa hat gesagt, er ist stolz auf mich.“ „Stolz?“ „Ja. Er meinte, er findet es gut, dass wir beide unseren eigenen Weg gehen, so wegen der Gesellschaft und so …“ „Hätte ich gar nicht gedacht, dass er so was sagt“, sagte Tsu. „Ich hatte auch ein bisschen Angst. Papa war früher manchmal ziemlich streng … Aber seit er und Mama so wissen, dass ich nun mal so bin, ist er voll okay damit.“ „Hast du die beiden jetzt eingeladen?“ „Klar. Aber auch nur sie, nicht den Rest meiner Familie. Ich hab gesagt, wir heiraten im kleinen Kreis, ohne zu viel Drumherum …“ Tsuzuku atmete erleichtert aus. „Das find ich gut. Ich hatte … ehrlich gesagt ein bisschen Angst … dass deine Großeltern und Verwandten und so weiter alle kommen und so …“ „Nein, ich hab jetzt wirklich ausdrücklich nur meine Eltern eingeladen. Und ich hab ihnen auch gesagt, dass du da Ängste hast und es keine große Party werden soll.“ Er lächelte mich an. „Meto, du bist ein Schatz.“ Wieder lagen wir eine Weile stumm da, ich spürte Tsuzukus große, warme Hand, die meine etwas kleinere hielt, und rückte ein wenig näher zu ihm. „Weißt du, Meto, woran ich heute irgendwie gedacht habe?“, fragte er. „Was denn?“ „Daran, wie wir zuerst uns nur gegenseitig einen runter geholt haben, nachdem ich dir gesagt habe, dass ich dich liebe. Du warst so verspannt und eng, dass ich nicht in dich eindringen konnte, und dennoch … hatte ich damals das Gefühl, den besten Sex meines Lebens zu haben.“ Ich musste ein wenig lachen, weil es so wirkte, als ob Tsu den halben Tag über Sex nachdachte. „Meto, ich hab dieses Gefühl immer noch. Jedes Mal, wenn wir miteinander schlafen, ist das immer aufs Neue der beste Sex meines Lebens. Du weißt ja, ich hab früher, vor dir, schon viel Sex gehabt, und damals fand ich den auch schön, sonst hätte ich es wohl nicht so wild getrieben … Aber wenn ich so zurück schaue, dann war dieser viele Sex damals, mit den vielen wechselnden Mädchen und so, wirklich längst nicht so toll wie das jetzt mit dir.“ „Weil ich ein Mann bin?“, fragte ich leise. „Vielleicht, manchmal denke ich das auch. Aber egal, warum es so ist, es ist definitiv so, dass dieser Sex mit dir so unglaublich viel erfüllender ist als alles davor. Erfüllender in … na ja, körperlicher, wörtlicher Hinsicht …“ er lachte kurz ob des kleinen Wortwitzes, „wenn du mich nimmst und mit deinem Samen füllst. Du kannst mit mir einfach Dinge tun, mir etwas geben, was Frauen nicht können, einfach weil du ein Mann bist. Aber ich glaube, das Wichtigste ist das Seelische. Diese verrückte, tiefe Verbundenheit zwischen uns, die von Anfang an einfach da ist, die ist so extrem, und es fühlt sich so an, als hätte die Tatsache, dass wir jetzt ein Paar sind und miteinander schlafen, das einfach nur noch mehr gesteigert. Manchmal denke ich wirklich, ich hab dich schon an unserem ersten Tag damals im Badehaus geliebt, als wir uns praktisch noch gar nicht kannten. Ich konnte das damals vielleicht nur nicht erkennen, ich war viel zu kaputt.“ Ich wandte mich Tsuzuku ganz zu, berührte seine Wange und küsste ihn. Diese tiefe, liebevolle, süße Art, wie er mir immer wieder sagte, dass er mich liebte und das mit uns das Wertvollste in seinem Leben war, rührte mich jedes Mal aufs Neue. „Wie geht’s deinem Herzen?“, fragte ich dann. „Ganz okay, tut nicht weh“, antwortete er. „Was hat denn Dr. Ishida gestern gesagt?“ „Nicht viel, aber er hat mir Blut abgenommen und wollte dann anrufen, wenn das getestet ist.“ „Und schlecht war dir auch nicht, oder?“ Tsu schüttelte den Kopf. „Nein, mir geht’s gut. Ich hab sogar ein bisschen Hunger.“ „Soll ich uns was kochen?“, fragte ich. Tsuzuku lächelte, als hätte er eine schöne Idee, dann küsste er mich und sagte: „Wie wär’s, wenn wir zusammen kochen?“ Das hatten wir schon länger nicht mehr gemacht, aber wir hatten dennoch genug Zutaten da, sodass wir nicht noch einkaufen gehen mussten. Tsu stellte das Radio in der Küche an, da lief gerade uralter, amerikanischer Rock aus den 70er Jahren, und zu dieser Musik fingen wir an, uns ein einfaches, aber schönes Essen zu kochen. Ich hatte zwar bei meinen Eltern zu Mittag gegessen, aber Tsuzuku hatte wohl seit dem Frühstück nichts mehr gehabt, er schien ziemlich hungrig zu sein. Wir hatten so viel Spaß beim Kochen, dass wir zuerst Tsu’s Handy nicht hörten, es klingelte ganz schön lange, ehe er ranging und kurz ins Wohnzimmer verschwand, während ich weiter Gemüse für unser Curry klein schnitt. „Das war Dr. Ishida. Der Test hat nichts weiter ergeben, ich bin körperlich gesund“, sagte Tsu, als er wieder kam. „Die gehen da jetzt erst mal davon aus, dass meine Schmerzen und das Erbrechen psychische Ursachen haben.“ „Also musst du noch mal mit Dr. Niimura darüber reden, oder?“ „Werde ich auch tun.“ „Wann siehst du den wieder?“ „Morgen Nachmittag.“ Das Gemüse mit Currypulver anzubraten und dann in Sahne zu kochen, übernahm ich dann größtenteils alleine, während Tsuzuku sich darum kümmerte, die benutzten Kochutensilien abzuwaschen. Und später beim Essen aß er dann mehr als ich, weil ich ja schon Mittag gehabt hatte und er wirklich hungrig war. Ich passte schon ein wenig auf, dass er sich nicht zu viel nahm, aber er wirkte so glücklich und gut drauf, dass ich mir keine allzu großen Sorgen machte. Nach dem Essen fragte Tsuzuku einfach so: „Wollen wir mal wieder zusammen ausgehen? In ‘nen Club, ein bisschen tanzen?“ Ich wusste nicht, wie er da jetzt drauf kam, aber die Idee hörte sich gut an. Wir waren jetzt länger nicht mehr zum Tanzen ausgegangen, und ich bekam gleich Lust darauf. „Mit vorher Schminken und alles?“, fragte ich. „Wie du möchtest.“ Tsu legte seinen Arm um mich und gab mir einen Kuss. „Wir können ja mal nen Gayclub ausprobieren, wo du auch ohne ein süßes Kleidchen mit mir hingehen und tanzen kannst.“ „Kennst du denn einen?“ „Ich hab mal im Internet gesucht, und da hab ich einen kleinen Club entdeckt, der scheint ziemlich schön zu sein …“ Tsuzuku holte sein Handy aus der Hosentasche und suchte darin eine Internetseite heraus, die er mir dann zeigte. „Schau mal, das sieht doch echt gemütlich aus. Und irgendwo auf der Homepage steht auch, dass queere Paare dort sehr willkommen sind.“ Er hatte Recht, der Club schien den Fotos nach wirklich sehr schön zu sein. Zwar eher klein und wahrscheinlich ganz versteckt gelegen, aber die Einrichtung wirkte gemütlich, die Bar war nicht zu groß, und die Tanzfläche sah einladend aus. Wir beschlossen dann tatsächlich, uns dieses Mal nicht besonders schick zu machen oder so, sondern so hinzugehen, wie wir waren, in normal schönen Klamotten und ohne viel Make-up. Wenn das echt so ein richtiger Gayclub war, wo wir uns nicht verstecken mussten, dann wollten wir das auch nicht tun. Und ich hatte in letzter Zeit, weil ich ja zur Arbeit immer Kleid und Perücke trug, auch keine große Lust, in meiner Freizeit noch mal als ‚Mädchen‘ herumzulaufen. Meine männliche, schwule Seite wollte auch gelebt und gezeigt werden. Also gingen wir an diesem Abend noch mal raus, um jetzt endlich in die queere Szene der Stadt tiefer einzutauchen. In unserer Heimatstadt hatte ich keine explizit ausgewiesenen, queeren Clubs gekannt, nur diesen bunt gemischten Club, in dem ich MiA damals kennen gelernt hatte … „Ich war noch nie in ‘nem richtigen Schwulenclub“, sagte Tsu, als wir in der Bahn saßen. „Hoffentlich ist das nicht so einer, wo dich jemand Fremdes einfach angräbt …“ „Ich glaube nicht“, entgegnete ich. „Und selbst wenn, ich lass mich nicht einfach angraben.“ Ich sah Tsu an, er schien wieder seine Angst zu haben, und ich legte meine Hand auf sein Bein. „Du brauchst keine Angst haben, ich hab nur Augen für dich, mein Schatz.“ Der Club befand sich in der Gegend, die hinter dem Love Paradise die Straße runter lag, und wo es auch einen Laden mit Büchern zu queeren Themen im Schaufenster gab. Wir mussten eine ganze Weile suchen, bis wir die schmale, abseitig gelegene Tür fanden, die in den Club hinein führte, der in echt genauso gemütlich aussah wie auf den Fotos. Tatsächlich entdeckten wir, dass sich der Laden mit den Büchern (wo Tsuzuku, wie er sagte, vor einiger Zeit schon einmal ein Buch gekauft hatte) direkt neben dem Clubraum befand, die beiden Räume schienen auch irgendwie zusammen zu gehören, zumindest gab es eine durchsichtige Verbindungstür. Wir bestellten uns beide etwas zu trinken, ich hatte keine große Lust auf Alkohol und blieb bei einem Saftcocktail, während Tsuzuku sich einen Longdrink bestellte. Während wir darauf warteten, sahen wir uns ein wenig um, der Club war wirklich recht klein, bestand nur aus drei Sitzecken, der Bar und der Tanzfläche. Das Ambiente wirkte gemütlich und alles sah ein wenig nach ‚Geheimtipp‘ aus, die roten Plüschsessel waren bequem und die Musik eher ruhig. Wir setzten uns in eine schöne Ecke, der Barkeeper brachte die Drinks und langsam kamen mehr Leute in den Club, ich erkannte zwei ganz verschiedene Männerpärchen, dann eine einzelne Frau, und noch zwei ganz junge Frauen, die offensichtlich ein Paar waren. Die Musik wechselte, es wurde ein Lied mit etwas mehr Rhythmus gespielt, und ich vermutete, dass irgendwo im Dunklen ein DJ saß, der jetzt, wo mehr Leute hier waren, Musik auflegte, die zum Tanzen einlud. Tsuzuku trank den Rest seines Drinks in einem letzten Zug leer, stellte sein Glas ab, stand auf und hielt mir ganz galant seine Hand hin. „Darf ich um diesen Tanz bitten, mein Liebster?“ „Sehr gerne“, lächelte ich und stand auf, ließ mich von ihm zur Tanzfläche führen. Als wir die Tanzfläche betraten, kamen ziemlich bald andere Paare dazu, und ich bemerkte zwei junge Männer, die von ihrem Styling her uns beiden ähnelten, als zählten sie sich auch zum Visual Kei. Die beiden wirkten wie frisch verliebt, küssten sich immer wieder, schienen die freie, offen homosexuelle Atmosphäre in diesem Club vollauf zu genießen. Mich animierte das dazu, dass ich, als das gerade laufende Lied eine etwas ruhigere Melodiestelle hatte, meine Arme um Tsuzukus Nacken legte und ihn liebevoll und innig küsste, dabei spürend, wie frei wir hier waren, niemand störte sich daran, dass ich als Mann meinen geliebten Mann küsste. Tsuzuku erwiderte den Kuss nicht weniger zärtlich, drückte mich einmal fest an sich, ehe die Musik wieder schneller wurde und er meine Hand ergriff und mich ziemlich gekonnt herumwirbelte. Ich sah und hörte ihn lachen, spürte seine Kraft und Energie, und wie glücklich er gerade war, und das machte mein Herz wieder einmal ganz warm. Nach dem ersten Lied waren wir beide erst mal ein bisschen geschafft, setzten uns wieder in die Sitzecke und ich trank meinen Saft aus. Tsuzuku bestellte sich einen zweiten Drink, nahm dieses Mal jedoch einen ohne Alkohol, und dass er dazu zu mir sagte „Ich will ja den Abend mit dir genießen und mich nicht betrinken“, das freute mich doch sehr. Ich war tatsächlich immer froh, wenn er weniger Alkohol trank, da ich ihn früher so oft betrunken und dabei so todtraurig erlebt hatte … Wir machten ein Lied lang Pause, dann gingen wir noch mal auf die Tanzfläche, dieses Mal lief so ein langsames Stück aus viel Klaviermusik, zu dem man schön Schmusetanzen konnte, und das nutzten wir. Nur dass Tsuzuku sich dieses Mal von mir umarmen ließ, sich an mich schmiegte und in mein Ohr flüsterte: „Führ du mich mal, mein Liebster.“ Ich hielt ihn also in meinen Armen, wir wiegten uns mehr zur Musik, als wirklich zu tanzen, und er legte seinen Kopf auf meiner Schulter ab, ich hörte ihn nah an meinem Ohr leise das Lied mitsummen. Das klang beinahe ein wenig wie das tiefe, wohlige Schnurren einer Katze, und ich ließ meine Hände seinen Rücken hinauf wandern, um sanft seinen Nacken zu kraulen. Tsuzuku erwiderte das, indem er kleine Küsschen auf meinen Hals hauchte und mir ein leises „Ich liebe dich, Meto“ zuflüsterte, das so weich und lieb und hingegeben klang, dass mein Herz wilder klopfte. Ich genoss es so sehr, hier zu sein, in diesem besonderen Club, wo ich überhaupt keine Angst haben musste. Und tatsächlich, auch wenn ich meine mädchenhafte Seite sonst sehr gern mochte, genoss ich es ebenso, einfach mal als offen erkennbar männliches Wesen mit meinem geliebten Mann zu tanzen, an einem Ort, an dem wir beide uns auf gewisse Weise zu Hause fühlen konnten. Ich sah über Tsuzukus Schulter hin zu dem jungen Frauenpärchen, die mir vorhin schon aufgefallen waren, die beiden hatten sich ebenso wie wir eng umarmt und sahen so vertraut und glücklich aus, dass ich mich richtig für sie freute. Ich dachte ein wenig nach, darüber, wie bewusst ich mir gerade meiner eigenen Homosexualität war, und wie sehr ich das auch mochte, so zu sein. Lange Zeit hatte es mir Angst gemacht, hatte dafür gesorgt, dass ich mich als Außenseiter empfand, nicht richtig sprechen und kaum Beziehungen eingehen konnte. Doch in diesem Moment war ich stolz und selbstbewusst darauf, schwul zu sein, eben auch weil ich den wunderbarsten Bald-Ehemann bei mir hatte, den ich mir nur vorstellen konnte. Und auch, wenn ich ja längst um Tsuzukus Vorleben und Vergangenheit wusste, das schien rein gar nichts mehr mit dem Mann zu tun zu haben, der er jetzt war. Der Tsuzuku, der sich hier verliebt in meinen Armen zur Musik wiegte und mir immer wieder so zärtliche Küsschen gab, der mich so vollkommen und so abhängig liebte, für den ich Sonne und Mittelpunkt seiner Welt war … da war nichts mehr zu erkennen von einem, der sich in Beziehungen zu mehreren Frauen, wie er sagte, wie ein Vollidiot aufgeführt hatte. Ich glaubte daran, dass Menschen sich ändern konnten, denn das beste Beispiel dafür hielt ich hier in meinen Armen. Dass er selbst nicht sicher war, ob er nun bisexuell, schwul oder irgendwas dazwischen war, störte mich nicht. Ich wusste, dass er mich liebte und begehrte, und dass er keine Augen mehr für andere mögliche Partner hatte. Er wollte mir absolut treu sein, und dafür war ich ihm dankbar. „Ich liebe dich, Tsuzuku“, flüsterte ich ihm zu, „So sehr, zehnmal bis zum Mond und wieder zurück.“ „Nicht elfmal?“, fragte er. „Wenn du willst, auch elfmal oder hundertmal“, antwortete ich und küsste ihn. Er lächelte mich strahlend an. „Ich lieb dich tausendmal!“ Als die Musik wieder wechselte und noch mal etwas Schnelleres gespielt wurde, gingen wir dann wieder, machten uns auf den Heimweg. Und auf dem Weg hielt Tsuzuku die ganze Zeit meine Hand. Ich war glücklich, schmuste mich sogar im Gehen ein wenig an seinen Arm, und er sah mich an und küsste mich. Zu Hause angekommen, gingen wir dann aber bald schlafen. Tsuzuku sagte, dass er jetzt doch ziemlich müde wäre, und so hatten wir an diesem Abend auch keinen Sex. Wir legten uns nur einfach zusammen hin, er hinter mir, sein Arm auf meiner Seite. Doch während Tsu dann wirklich bald eingeschlafen war, lag ich noch eine ganze Weile wach. Ich spürte wieder diese merkwürdige Erschöpfung, dieses Gefühl, als ob mir alles irgendwie auf einmal zu viel wurde. Und wieder machte es mir Angst, weil etwas in mir ahnte, dass es die Beziehung mit Tsuzuku war, die für mich immer anstrengender und erschöpfender wurde. Das machte mich ziemlich fertig, denn ich wollte ihm niemals, auf gar keinen Fall, das Gefühl geben, dass er mir zur Last fiel. Ich musste auf einmal an solche Leute denken, die anderen in komplizierten Beziehungen gern rieten, sich doch einfach von dem schwierigen Partner zu trennen. Dieses Wort ‚trennen‘ tat mir furchtbar weh, weil ich genau wusste, dass Tsuzuku eine Trennung von mir nicht überstehen würde. Und außerdem: Ich spürte, dass ich ihn ebenso brauchte, wie er mich. Ich dachte an die Zeit am Anfang unserer Freundschaft früher, an das, was mich dazu bewogen hatte, mich so um Tsuzuku zu sorgen und für ihn da zu sein. Wenn er nicht gewesen wäre, vielleicht hätte mich dann meine damals latent vorhandene Depression und Einsamkeit ganz gekriegt, ich hätte mich für lange Zeit in meinem Zimmer eingeschlossen … Ich brauchte Tsuzuku. Ich war ebenso abhängig von ihm, wie er von mir. Auch wenn ich, im Unterschied zu ihm, nicht diese große Verlassenheitsangst fühlte, so brauchte ich ihn dennoch sehr und die Vorstellung, ich könnte mit ihm überfordert sein, löste in mir eine ähnlich starke Angst aus. Als ich die Tränen in meinen Augen spürte, und wie das Weinen in mir hochstieg, löste ich mich vorsichtig von seinem schlafenden Körper, schob seinen Arm weg von mir und brachte Abstand zwischen uns, einfach weil ich nicht wollte, dass er aufwachte und mich weinen sah. Ich rückte von Tsuzuku weg, griff mir meine kleine Ruana und drückte sie fest an mich, vergrub mein Gesicht im Kopfkissen und weinte mich in den Schlaf. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)