Yasashikunai Mirai von Harulein (Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 20: [meto] Act 20 ------------------------- Ich wachte wieder sehr früh auf am nächsten Morgen. Wärme umgab mich, und ich hörte Tsuzukus ruhigen, schlafenden Atemzüge nah an meinem Ohr. Seine Arme hielten mich umarmt, was mir ein wundervolles Gefühl von Liebe und Geborgenheit gab, und ich sah ihn an, hauchte einen sachten Kuss auf seine Wange. Er schlief noch tief und fest, doch vielleicht träumte er gerade von mir, denn er schmiegte sich enger an mich und gab einen leisen, wohligen Laut von sich. Ich hatte gestern, während der Arbeit im Café, in einer Pause den Entschluss gefasst, es am Abend endlich mit dem sexuellen Positionstausch zu wagen, und diese Entscheidung danach nicht wieder überdacht, sondern mich dann innerlich meiner Neugier hingegeben, die dann bis zum Abend immer größer geworden war, ebenso wie meine Vorfreude. Schließlich war ich dann innen drin so erregt gewesen, dass ich meine ganze sonstige Schüchternheit und dieses doch irgendwie Mädchenhafte für den Moment hatte ablegen können, was sich zwar neu, aber auch sehr gut angefühlt hatte. Und dieses zweite Erste Mal war dann so viel besser gewesen, als ich es mir hätte vorstellen können! Von Tsuzuku genommen zu werden, seine hemmungslose Leidenschaft zu spüren und ihn in mir zu haben, war ja schon so wunderschön, doch in ihn einzudringen, ihm zu zeigen, dass auch ich ihn so sehr liebte und begehrte, und zu spüren, wie er sich mir schenkte und hingab, das war schlicht unglaublich! Und hatte ich zuvor noch Angst gehabt, ihm vielleicht weh zu tun, so war ich jetzt auch dazu bereit gewesen, weil er doch sehr deutlich gemacht hatte, dass er das mochte, solchen Schmerz. Er hatte es ja sogar ausgesprochen und da war es für mich dann irgendwie okay gewesen. Wenn er es sich so sehr wünschte, so wollte ich es ihm geben, denn mein oberstes Gebot war weiterhin, ihn so glücklich wie möglich zu machen. Und das hatte ich gespürt, dass es ihn glücklich gemacht hatte. Jetzt fühlte ich mich irgendwie ein bisschen verändert, konnte es aber noch nicht ganz einordnen. Ich wusste nicht sicher, ob dieses neue Gefühl, entstanden aus der neuen Erfahrung, ein Gefühl von Männlichkeit oder Erwachsensein war, aber es fühlte sich gut an. Vielleicht war es auch nur einfach eine neue Ebene in der Beziehung zwischen Tsuzuku und mir, weil wir jetzt noch mehr und deutlicher gleichauf waren. Und als ich dann weiter darüber nachdachte, wurde mir klar, dass mir dieses Männerrolle-Frauenrolle-Ding, von dem Tsu gesprochen hatte, einfach gar nicht so wichtig war. Ich kannte genug Geschichten aus Manga und dergleichen, in denen es in homosexuellen Beziehungen diese Einteilung in zwei Rollen gab, doch ich wusste ja, dass das nichts mit der Wirklichkeit zu tun hatte. Wenn ich über meine Beziehung mit Tsuzuku nachdachte, dann nicht darüber, ob ich in irgendeiner Form ‚die Frau in der Beziehung‘ war, sondern über ganz andere Dinge. Viel wichtiger war mir doch, dass ich bei ihm war, dass wir beide zusammen glücklich waren, und dass Tsuzuku sich an meiner Seite gut und sicher fühlte. Es ging nicht um ein Rollenschema, es ging nur um ihn und mich, und um unsere Liebe. Mir war nicht mal wirklich wichtig, ob ich selbst nun mehr männlich war oder halt meine femininen Züge hatte, ich war nun mal, wie ich war, ich mochte mich so, und ich konnte meine Liebe zu Tsuzuku jetzt auf beide Arten ausdrücken, konnte mich ihm hingeben oder ihn nehmen. Hauptsache, er fühlte deutlich, dass ich ihn wahnsinnig liebte. Ich sah ihn wieder an, erkannte sein schönes Gesicht im Halbdunkel und musste lächeln, weil Tsuzuku so lieb und weich aussah, wenn er schlief. ‚So ein wunderschöner Mann …‘, dachte ich und hauchte noch einen Kuss auf seine Stirn. ‚Und er ist ganz meiner …‘ Ich blieb lange so liegen, ließ meine Gedanken kommen und gehen, fühlte die Nähe zwischen uns und sah zu, wie das Halbdunkel zur Dämmerung wurde und sich das frühmorgendliche Licht sanft auf den roten und schwarzen Wänden unseres Schlafzimmers zeigte. Es war schön, einfach nur zu liegen, Tsuzukus nackten, warmen Körper so nah an meinem zu spüren, seinen Schlaf zu bewachen und zu warten, dass es heller wurde. Als die ersten richtigen, golden glänzenden Sonnenstrahlen durchs Fenster kamen und die schwarze Wand bei der Tür in eine schöne Mischung aus Grau und Gold tauchten, beschloss ich, meinen Freund langsam und liebevoll zu wecken. Zuerst streichelte ich nur einfach über seinen Rücken und seine Seite, dann brachte ich ein wenig Abstand zwischen uns, aber nur gerade so viel, dass ich mit den Händen zwischen uns kam und seinen Bauch, seine Rippenbögen und seine Brust berühren konnte. Ich fühlte seine Atmung und seinen Herzschlag, beides ganz ruhig und regelmäßig, und beschloss kurzerhand, ihn heute nicht nur wach zu streicheln, sondern seinen Körper ganz zärtlich wach zu küssen. Ich rutschte ein Stückchen runter und begann an seiner Schulter und seinem Hals, liebkoste die empfindliche Stelle zwischen Halsbeuge und Schlüsselbein, bevor ich begann, kleine Küsschen auf den Tattoos auf seiner Brust zu verteilen. Tsuzuku gab im Schlaf einen leisen Laut von sich, fast schon ein kleines, wohliges Seufzen, und ich sah ihn an, erkannte an seinem Gesicht, dass er ganz langsam wach wurde. Sein Seufzen wurde ein wenig lauter, als ich meine Lippen auf seine rechte Brustwarze tupfte, und er bewegte sich mir sehnsüchtig entgegen. „Mmmeto … mhhh …“ „Gut geschlafen, mein Herz?“, fragte ich mit einem Lächeln. Er nickte, seufzte wieder so süß, sah mich an und sagte mit noch ganz verschlafener Stimme: „Eben träum ich noch von dir, dass du mich im Arm hältst, und dann wache ich auf und du küsst mich wirklich …“ „Du magst das doch, wenn ich dich so wecke“, erwiderte ich und küsste seinen Hals. „Jaah … das ist schön …“ Ich lächelte und setzte einen zärtlichen Kuss auf sein Implantat, bevor ich noch ein Stückchen runter rutschte und ihn liebevoll über seinem Herzen küsste. Der völlig hingerissene und von Glück erfüllte Laut, den Tsuzuku dabei von sich gab, traf mich direkt in der Seele und machte mich ebenso glücklich. Ich sah zu seinem Gesicht hoch, er hatte die Augen geschlossen, die Lippen leicht geöffnet und wieder diese genießerische kleine Falte zwischen den Augenbrauen. „Hör … auf …!“, bat er, und ich spürte, wie sein Körper zu reagieren begann. „Sonst … vögeln wir … gleich wieder …“ Ich stoppte und ging ein bisschen auf Abstand, aber nur gerade so weit, dass ihn meine Nähe nicht mehr so sehr erregte. „Und wie … würden wir es denn jetzt tun?“, fragte ich dann. „Würdest du mich nehmen, oder soll ich dich?“ „Mir egal“, antwortete Tsu, legte seine Arme um mich und zog mich wieder an sich. „Hauptsache, wir sind eins.“ Einen Moment lang dachte ich, dass wir es gleich wirklich tun würden, doch dann ging Tsuzuku wieder ein Stückchen auf Abstand und sagte: „Aber … ich glaube, wir lassen das jetzt besser.“ „Tut … dir noch was weh, … von gestern Abend?“, fragte ich leise und wurde wieder einmal klatschmohnrot. „Selbst wenn, das würde mich nicht davon abhalten.“ „Was dann?“ „Ich … denke, wir sollten … nicht so extrem oft miteinander schlafen. Sex lebt doch auch davon, dass man ein bisschen Spannung und Wartezeit davor hat, das macht es doch erst richtig schön. Wir haben gestern und vorgestern so schön gevögelt, vielleicht sollten wir jetzt ‘ne kleine Pause damit machen, oder?“ Ich nickte. „M-hm. Ist okay.“ „Aber weißt du, Meto, was wir stattdessen machen können?“ „Mh?“ Tsuzuku lächelte mich strahlend an. „Wir können zusammen duschen gehen.“ Und das taten wir dann auch. Gingen zusammen nackt ins Bad, anziehen brauchten wir uns ja nicht, und stellten uns unter die Dusche, ließen das warme Wasser auf uns herunter regnen. Tsuzuku umarmte mich, ich legte meinerseits meine Arme um ihn, und eine ganze Weile standen wir einfach nur da, genossen die Wärme und ich fühlte Tsu’s nackten Körper an meinem, seine Haut, seine Atmung und seinen Herzschlag. Wir sprachen beide kein Wort, hörten nur das Wasser rauschen, aber es gab auch nichts zu sagen, nur die Gefühle zwischen uns, die sich über unsere Körper mitteilten, sodass wir uns in diesem Moment ohne Worte verstanden. Nach einer Weile löste Tsuzuku sich langsam von mir und nahm die Flasche mit dem Duschgel, tat sich etwas davon auf die Hände, schäumte es ein wenig auf und begann dann, den Schaum auf meinem Körper zu verteilen. Er sagte nichts, doch seine Hände sprachen von einer solchen Liebe, wie sie ganz sanft und zärtlich über meine Haut strichen, dass mein Herz ein wenig schneller klopfte und mir vor Rührung sogar ein paar Tränchen in die Augen sprangen. Ich fühlte mich so geliebt und sicher bei ihm, dass ich die Augen schloss und ihn einfach machen ließ. Auch, als er begann, mich zwischen den Beinen zu waschen, sagte ich nichts, nur ein kleiner Seufzer löste sich von meinen Lippen, was Tsuzuku mit einem leisen Lachen erwiderte und einfach weiter machte, wissend, dass ich damit einverstanden war. Und als er das Wasser wieder anstellte und mir den Schaum vom Körper wusch, tat er auch das mit derselben liebenden Zärtlichkeit. „Jetzt du“, sagte er leise, stellte das Wasser wieder aus und gab mir das Duschgel in die Hand. Ich tat mir etwas davon auf die Hand und machte es genauso wie Tsu, schäumte das angenehm nach exotischen Früchten riechende Zeug leicht an und begann dann meinerseits, ihn zu waschen. Dabei ließ ich meinen Händen freien Lauf, ließ sie seinen Körper erkunden und auch ein bisschen mit ihm spielen, nur nicht zu viel, damit er nicht zu sehr erregt wurde. Ich fand eine sensible Zone hinten an seiner Schulter, und berührte auch die, die ich schon kannte, welche sich an seiner Halsbeuge befand, kurz vor dem Grübchen am Schlüsselbein. Er seufzte wohlig, über seine Lippen huschte ein süßes Lächeln und ich fühlte, dass er glücklich war. Zuerst scheute ich mich doch noch ein wenig davor, ihn jetzt auch zwischen den Beinen zu waschen, doch als er meine Scheu bemerkte und mich mit einem leisen „Du kennst meinen Körper doch schon“ dazu aufforderte, tat ich auch das und hörte ihn wieder so süß aufseufzen. Kurz fragte ich mich, ob ihm nicht sein Hintern von gestern her noch wehtat, doch falls das so war, ließ er es sich absolut nicht anmerken, denn seine Reaktion auf mein Tun jetzt sprach nur davon, dass es ihm gefiel. „Magst du das?“, fragte ich. Tsuzuku nickte, lächelte leicht und sagte dann: „Das tut einfach so wahnsinnig gut …“ „Dann geht’s dir jetzt gut?“ Wieder nickte er lächelnd, dann überbrückte er einfach die kurze Distanz zwischen uns und küsste mich auf den Mund. Seine nassen Hände fuhren in meinen Nacken und er hielt den Kuss einige Sekunden, so als ob er den Geschmack meiner Lippen genoss. Ich nahm noch eine zweite Portion Duschgel und verteilte noch mehr weißen Schaum auf seinem Körper, spielte ein wenig damit, indem ich versuchte, seine vielen Tattoos so unter dem Weiß zu verstecken, dass sie nur noch durchschimmerten. Tsuzuku schien an diesem Spiel irgendwie Gefallen zu finden, denn er nahm sich ebenfalls noch etwas und tat dasselbe mit meinem Tattoo, versuchte, es unter dem Schaum zu verstecken, um das Weiß dann mit einer fließenden Handbewegung wieder wegzuwischen und die bunten Farben auf meiner Haut wieder freizulegen. „Meto“, sprach er mich an und küsste mich wieder. „Du bist so wunderschön …“ „Danke“, flüsterte ich. „Du auch.“ Zum Dank bekam ich noch einen Kuss, dann stellte Tsu das Wasser wieder an und wusch uns beiden den Schaum von der Haut, wobei er wieder so zärtlich war, dass ich einen Moment doch das Gefühl hatte, dass er jetzt eigentlich am liebsten mit mir schlafen wollte. Aber er schien sich gerade wirklich mal beherrschen zu wollen, denn das Haare-Waschen ging dann ohne irgendwelche erregenden Zwischenspiele ab. Wir nahmen uns unsere Handtücher und ich zog nach dem Abtrocknen erst mal meinen Bademantel an, um Tsuzukus Selbstbeherrschung nicht dadurch zu gefährden, dass ich nackt durch die Wohnung lief. Während er sich im Bad zurechtmachte, trocknete ich meine Haare im Schlafzimmer mit einem Handtuch und begann dann schon mal, mich anzuziehen. Und als er sich dann anziehen ging (wobei er tatsächlich einfach nackt vom Bad zu mir ins Schlafzimmer lief), nutzte ich das Bad für meine Morgenroutine. Fertig angezogen und schön gemacht kam ich wenig später in die Küche und sah meinen Freund schon wieder rauchend am offenen Fenster stehen. Er sah nachdenklich aus, so als beschäftigte ihn irgendwas, und ich setzte mich auf meinen Platz am Tisch und fragte: „Alles gut?“ „Vielleicht hätten wir vorhin … doch Sex haben sollen …“, antwortete er. „Das hilft wenigstens ein bisschen gegen diese Leere in mir …“ „Hast du dich denn vorhin auch schon wieder so gefühlt?“ „Nein, aber jetzt. Und jetzt ist es zu spät.“ Ich stand auf, stellte mich zu ihm, nahm seine Hand. „Heute Abend können wir‘s wieder tun. Dann kannst du wieder in meinen Armen liegen.“ „Und du nimmst mich?“ „Wir machen es so, wie du dann möchtest“, sagte ich. „Ich will, dass du dich gut fühlst.“ Tsuzuku lächelte leicht, ein halbes, irgendwie auch trauriges Lächeln. „Meto, du bist so süß.“ Er drückte seine Zigarette aus, ließ sie nach draußen runterfallen und umarmte mich dann. Ich legte meine Arme um ihn, drückte ihn fest an mich und spürte dabei ein Zittern in ihm, ehe auch schon eine Träne über seine Wange lief und auf mein Shirt tropfte. „Hey, nicht weinen …“, sagte ich leise, doch da schluchzte er schon und klammerte sich an mich, weinte einfach, ohne dass ich recht erfuhr, warum. Ich konnte mir irgendwie unter dieser Leere, die er beschrieb, kaum etwas vorstellen, doch anscheinend war das ein sehr schmerzhafter Zustand, den er kaum aushielt. Alles, was ich tun konnte, war, ihn festzuhalten und so deutlich zu machen, dass ich bei ihm war und ihn liebte. Vielleicht, so dachte ich, war meine Liebe sowieso das einzige, womit ich gegen Tsuzukus Seelenschmerz irgendwas tun konnte. „Meto …“, flüsterte er weinend, „Lass mich nicht los …“ „Mach ich nicht, Baby. Ich halte dich fest. Hab dich lieb.“ Ich lächelte ein bisschen, streichelte über seinen Rücken und küsste ihn dann, mit meiner ganzen Liebe. Er erwiderte den Kuss sehnsüchtig, aber fast ein wenig scheu, und seine Lippen schmeckten ganz salzig von seinen Tränen. Ich streifte mit meinen Lippen über seine Wange, küsste die Tränen weg und hielt ihn dabei weiter fest umarmt, wollte, dass er sich sicher und geliebt fühlte. Eine Weile standen wir so da, bis Tsuzuku sich wieder ein wenig beruhigt hatte. Ich ließ ihn langsam wieder los, er schloss das Fenster und ging in den Flur, griff in seine an der Garderobe hängende Tasche und nahm sein Handy heraus, ging damit ins Schlafzimmer, wo er sich aufs Bett fallen ließ und begann, irgendwas zu schreiben, vielleicht in sein Blog. Ich sah auf die Uhr, wir hatten noch ziemlich viel Zeit, aber weder Tsu noch ich hatten Lust auf Frühstück, und so setzte ich mich noch ein wenig vor die Konsole und spielte eine Weile. Letztes Jahr hatte ich kaum gespielt, aber seit wir hier wohnten, hatte ich es wieder entdeckt und fand es fast besser, als immer nur zu lesen. Als es dann Zeit war, loszugehen, schaltete ich die Konsole wieder ab und ging ins Schlafzimmer rüber, packte mein Kleid für die Arbeit und alles, was dazu gehörte, in eine Tasche. Tsu war inzwischen auch fertig mit seinem Handy und stand auf. „Eigentlich könnte ich mir ja, so wie ich mich gerade fühle, heute schon das neue Tattoo stechen lassen …“, sagte er. Ich war ein bisschen verwundert, weil er eben noch so unsicher gewirkt hatte, aber vielleicht war es ja auch genau das: Er brauchte eine Entscheidung, irgendwas, was ihn sich wieder sicher fühlen ließ, und ich wusste, dass ein neues Tattoo für ihn genau das bedeutete: Sicherheit. „Mach doch“, sagte ich. „Vielleicht erst mal nur die Outlines, oder gleich alles?“ „Mal sehen, was Kurata dazu sagt, wegen der Kosten … Aber ich brauch das mal wieder, mein letztes Tattoo ist fast drei Jahre her.“ Tsuzuku zog seine Schuhe an und fügte dann noch hinzu: „Und bevor irgendein Arzt auf die Idee kommt, mir neue Tattoos zu verbieten …“ „Können solche Ärzte das denn?“ „Anscheinend schon. Eine in der Klinik, auf Hitomis Station, hat das gesagt, dass man sich während ‘ner Borderline-Therapie nichts stechen lassen darf.“ „Weil es als Selbstverletzung zählt?“, fragte ich. Tsuzuku nickte. „Warum sonst?“ Er schaute in den Garderobenspiegel, strich sein Haar am Hals ein wenig beiseite und sah sich einen Moment lang an, als stellte er sich vor, wie das neue Tattoo auf seiner Haut wohl aussehen würde. „Und wenn ich jetzt selber kein neues haben darf, dann mach ich eben deins fertig. Du hast ja auch lange nichts mehr dran machen lassen.“ Da hatte er Recht. Ich hatte jetzt auch schon fast ein Jahr lang nichts mehr an meinem Tattoo weitermachen lassen, aber in letzter Zeit bekam ich wieder Lust darauf. Die bunte Entwurfszeichnung lag irgendwo in meinem Schreibtisch, war schon komplett fertig und musste nur noch nach und nach auf - beziehungsweise in - meine Haut gebracht werden. Auf dem Weg zur Bahnstation sprachen wir noch ein wenig weiter über das Thema Bodyart, was für uns beide doch recht unterschiedliche Bedeutungen hatte. Für mich war es einfach ein besonderes Schönheitsideal, eine Art von Schmuck, und ich mochte es gern bunt und auffällig, außerdem hatte das ‚Baby‘ auf meiner Haut eine gewisse Bedeutung für mich. Tsuzuku ging es dagegen, wie er ehrlich zugab, neben der Schönheit und Bedeutung der Motive vor allem um Kraft und Sicherheit, und auch sehr um den Prozess des Stechens an sich. Er sagte, dass er das Summen der Nadel und den Schmerz mochte, dass ihn das entspannte und sogar irgendwie glücklich machte. Und dass es ihm eben auch Spaß machte, anderen die Haut zu schmücken und in dem Tattoo-Studio zu arbeiten. Ich freute mich, dass Tsu an seiner Arbeitsstelle so glücklich war, das Studio passte einfach perfekt zu ihm und ich hatte auch das Gefühl, dass es ihm Halt gab. Das viele Herumsitzen damals auf der Straße hatte ihm ja überhaupt nicht gut getan, das hatte ich genauso gemerkt wie er selbst. „Vielleicht bin ich in Wirklichkeit einfach so eine verrückte Künstlernatur“, sagte er und lachte. Er wirkte richtig gut drauf und entspannt, ganz anders als vorhin, und ich freute mich einfach darüber. Und auch, was er da sagte, war gut. Dass er sich selbst auch mal anders sah, als immer nur krank. ‚Verrückte Künstlernatur‘ klang einfach so viel schöner und positiver als ‚Borderliner‘. „Stimmt“, sagte ich. „Du zeichnest ja echt gut, und Gedichte schreibst du ja auch wieder.“ „Ich könnte dir auch mal eins über Liebe schreiben.“ Tsuzuku lachte wieder. „So richtigen Kitsch.“ Ich lachte mit, stellte mir das ein bisschen vor und spürte, wie sehr ich mich über ein solches Liebesgedicht von Tsuzuku freuen würde. Die Bahn in die Innenstadt fuhr ein und Tsu entschied schnell, dass ich die nächste in Richtung Café nehmen sollte und er die Strecke bis zum Studio ohne mich fuhr. Ich war damit einverstanden, weil er gerade stark und glücklich wirkte und den Weg sicher alleine schaffen würde. Die Bahn war nicht mal besonders voll, und nachdem er eingestiegen war und sogar noch einen Sitzplatz gefunden hatte, warf er mir durchs Fenster noch eine Kusshand zu. Ich winkte ihm zu, dann fuhr die Bahn ab und ich setzte mich auf eine der Bänke, wartete auf die nächste Bahn in die andere Richtung. Als diese kam, stieg ich ein und hörte während der Fahrt noch ein bisschen Musik. Koichi und Satchan waren schon da, als ich im Café ankam und mich erst mal zum Umziehen in die Umkleide zurückzog. Als ich von dort zurückkam, fertig umgezogen und aufgerüscht, ging ich zu Koichi in den Caféraum. „Hey, Meto“, begrüßte er mich lächelnd und fragte gleich: „Wie geht’s euch, dir und Tsu?“ Bei Koichi war mir das Sprechen zwar um einiges leichter geworden, doch ein bisschen musste ich mich trotzdem noch sammeln, bevor ich dann wenig stockend antwortete: „Tsuzuku … geht’s gut, er will sich vielleicht … bald ein neues Tattoo machen lassen. Und mir … geht’s auch gut.“ „Schön, was für eins denn?“, fragte Koichi. „Am Hals, ‘ne Schere“, antwortete ich. „Na, da bin ich ja mal gespannt, wie das dann aussieht.“ Koichi sah mich einen Moment lang an und fragte dann: „Sag mal, hat sich bei euch beiden irgendwas verändert? Du wirkst irgendwie … anders als sonst. Oder täusche ich mich?“ Ich wusste erst nicht recht, was er meinte, weil ich selbst in dem Moment keine besondere Veränderung an mir spürte. „Nein, eigentlich hat sich nichts verändert.“ „Irgendwie siehst du selbstbewusster aus.“ Eigentlich war ja nur eine Sache passiert, der Positionstausch gestern Abend, aber ob das wirklich bewirkt hatte, dass ich jetzt selbstbewusster wirkte? Jedenfalls stieg mir, ob selbstbewusst oder nicht, beim Gedanken daran doch ein wenig Blut in die Wangen. „Tsu und ich haben … gestern Abend zum ersten Mal richtig getauscht …“, sagte ich leise. „Im Bett?“ Ich nickte. „Dann liegt’s vielleicht daran. Und, war‘s schön?“ „Ja, total schön.“ Jetzt spürte ich es auch, das Selbstbewusstsein, und ich lächelte. „Und Tsu hat es auch sehr gefallen, glaub ich …“ „Würde zu ihm passen.“ Koichi grinste. „Er hat mir erzählt, dass er sich darauf gefreut hat.“ „Er … erzählt dir so was?“, fragte ich und wurde noch ein wenig röter. Obwohl ich ja wusste, dass Tsuzuku beim Thema Sex kaum Schamgefühle hatte, überraschte es mich doch irgendwie, dass er Koichi so etwas erzählt hatte. Zwar war Ko sein bester Freund und ich wusste ja, wie Tsu war, aber dass er ihm auch von der Sache mit dem Tauschen so offen erzählt hatte … „Was … hat er denn gesagt?“, fragte ich leise. „Dass er sich sehr drauf gefreut hat, mit dir zu tauschen, und dass er sehr neugierig darauf war. Und er wollte unbedingt, dass du diese Erfahrung machst. Ich glaube, diese Gleichberechtigung in eurer Beziehung, die ist ihm sehr wichtig.“ Koichi lächelte wieder. „Ich fand‘s richtig süß, wie er das gesagt hat. Wie verschossen er einfach in dich ist, das ist echt was Besonderes.“ Wir machten uns an die Arbeit, dasselbe wie immer, aber ich war mit den Gedanken irgendwie mehr woanders. Ich fragte mich, ob Tsuzuku das mit dem neuen Tattoo heute wirklich machen lassen würde, nachdem er ja heute Morgen wieder so schwankend in seiner Stimmung gewesen war. Und da fiel mir auf, dass es das erste Mal war, seit wir uns kannten, dass er wieder etwas an seinem Körper verändern wollte. In seiner Zeit auf der Straße war da ja nichts Neues dazugekommen, also kannte ich das Gefühl, dass mein Freund etwas an seinem Aussehen nachhaltig veränderte, so nicht, weil ich ihn vorher ja noch gar nicht gekannt hatte. Und meine eigene letzte Veränderung in dem Bereich war auch schon fast ein Jahr her. In der Pause stand ich mit Koichi im Hinterhof, wir rauchten beide und redeten ein bisschen, über dies und das. Ich hatte irgendwie ein seltsames Gefühl, musste auf einmal sehr an Tsuzuku denken, und als dann mein Handy klingelte und ich seinen Namen auf dem Screen sah, fühlte ich von irgendwoher schlagartig Sorge um ihn. „Tsu?“, fragte ich, noch ehe er Hallo sagen konnte. „Alles gut?“ Er antwortete erst nicht, ich hörte ihn atmen, es hörte sich irgendwie gar nicht gut an. „Meto …“, sagte er dann, seine Stimme klang wieder so sehr nach Angst und Weinen. „Meto, ich … ich hab Angst …“ „Was ist los?“, fragte Koichi neben mir. „Ist das Tsuzuku?“ Ich nickte in seine Richtung und fragte dann ins Telefon: „Tsu, was ist los?“ „Ich … hab eben … wieder gebrochen …“, hörte ich ihn mit verzweifelter Stimme sagen. „In … meinem Kopf … dreht sich alles … und … ich weiß wieder … was letztens war … da im Park …“ „Du kannst dich wieder daran erinnern?“, fragte ich, jetzt hochgradig besorgt. „Meto … es tut mir leid … Ich hatte nur … so Angst, dass … die mich … alle hassen … wenn ich sage, dass wir … zusammen sind … Ich wollte dir … nicht wehtun …“ Ich dachte an das, was ich an jenem Tag beschlossen hatte, dass wir darüber noch einmal würden sprechen müssen. Aber das ging so am Telefon wirklich nicht. Koichi drückte seine Zigarette aus, sah mich einen Moment lang an und sagte dann: „Geh schon zu ihm, Meto. Ich krieg das hier auch alleine geschaukelt.“ Und als ich zögerte, fügte er noch hinzu: „Tsu ist wichtiger als das bisschen Arbeit hier. Ist heute ja sowieso nicht so viel los.“ „Danke, Ko“, sagte ich, wollte dankbar lächeln, doch meine Sorge um Tsuzuku ließ in diesem Moment kein Lächeln zu. „Tsu, ich bin gleich bei dir“, sprach ich ins Telefon. „Ich mach mich sofort auf den Weg.“ Er antwortete nicht, ich hörte ihn nur zitternd atmen, dann legte er auf. Ich zog mich schnellstmöglich um und schminkte mich ab, verließ das Café und machte mich auf den Weg ins Tattoo-Studio. Wie war das jetzt nur passiert, dass Tsu sich wieder an den Vorfall von letztens erinnern konnte? Kam so etwas einfach so zurück oder hatte er irgendwas getan, was die Erinnerung wieder freigegeben hatte? Ich machte mir wieder große Sorgen um ihn. Als ich das Studio betrat, war nur Takashima zu sehen, der an seinem Platz saß und mit einer der Nadelmaschinen hantierte. Als er mich erkannte, sah er davon auf. „Hat Genki dich angerufen?“, fragte er. Ich nickte nur. Sprechen war wieder mal nicht drin. „Er ist hinten im Bad. Ich glaub, ihm geht’s wieder gar nicht gut.“ Er deutete auf einen Flur, der hinten vom Ladenraum abging, und ich sah eine Tür, dem Schild nach die zur Herrentoilette. Ich durchquerte den Raum und klopfte an die Tür. „Tsu? Ich bin’s. Bist du da drin?“ Zuerst kam keine Antwort, dann ein leises „Komm rein …“. Ich öffnete die Tür, blickte mich um und sah Tsuzuku in einer der beiden geöffneten Kabinen auf dem gefliesten Boden sitzen. Mir fuhr der Schreck in die Knochen, als ich sah, dass er seine Jeans bis zum Knie hochgezogen hatte und sein rechter Unterschenkel von blutig roten Schnitten übersät war. Seine Augen waren vom Weinen gerötet und als er mich ansah, war da diese Mischung aus abgrundtiefer Traurigkeit und entsetzlicher Leere in seinem Blick. Neben ihm lagen sein Handy und eine einklappbare Klinge, so eine, wie sie in einem Studio wie diesem für Cuttings verwendet wurde. Die Luft im Raum roch ein bisschen sauer, und ich wusste gleich, dass das daher kam, dass Tsu wieder gebrochen hatte. „Hey, was machst du denn für Sachen?“, fragte ich und fühlte mich furchtbar hilflos. Er sah mich nicht an, blickte nur zu Boden und sagte mit ausdrucksloser Stimme: „Borderliner sein …“ Ich riss mich zusammen, hockte mich vor ihn hin und berührte ihn am Kinn, zwang ihn so, mich anzusehen. „Das ist keine Antwort, mein Schatz. Also, was ist los?“ Es dauerte wieder einen Moment, bis Tsuzuku antwortete: „Ich … weiß nicht … Auf einmal … war das alles … wieder da … Und jetzt … hab ich wieder Angst …“ Seine Augen füllten sich mit neuen Tränen und er bat mich mit flehender Stimme: „Bitte … hass mich nicht …!“ „Du Dummerchen …“, sagte ich und streichelte seine Wange. „Wie könnte ich dich jemals hassen? Ich liebe dich, und eigentlich weißt du das auch.“ „Ich … hab dir wehgetan …“ „Das hab ich dir doch längst verziehen, mein Herz. Es ist alles gut. Kein Grund, dass du dir selbst wehtust.“ Ich beugte mich vor und hauchte einen Kuss auf Tsuzukus Stirn, was dazu führte, dass er plötzlich seine Arme um meinen Nacken schlang und mich ganz fest umarmte, so als drohte er, zu ertrinken. „Verlass mich nicht … bitte …“, flüsterte er weinend und klammerte sich an mich. Ich konnte nichts weiter tun, als ihn zu halten, liebevoll über seinen Rücken zu streicheln und zu versuchen, ihn irgendwie spüren zu lassen, dass ich ihn liebte. „Komm, wir fahren nach Hause“, sagte ich nach einer Weile, griff seine Hände und zog ihn hoch. Er hob sein Handy auf, und die Klinge, die er in ihre Schutzhülle einklappte, so als bereute er es jetzt, sich damit verletzt zu haben. Dann zog er das rechte Hosenbein wieder runter, versteckte so die Schnitte und ging mit mir raus, zurück in den Ladenraum. „Wir… nach Hause… fahren“, sagte ich zu Takashima. „Ist gut, ich sag dem Chef Bescheid“, antwortete er und sah dann Tsuzuku an: „Ruh dich gut aus, und lass dir helfen, Genki.“ Tsu versuchte zu lächeln, doch im nächsten Moment sah er schon wieder aus, als müsste er weinen, und drehte sich weg, nahm seine Tasche. Wir verließen das Studio und machten uns auf den Weg zur Bahn, Tsuzuku hielt sich die ganze Zeit über an meiner Hand fest und einzelne Tränen liefen über seine Wangen. Und als wir die Bahnstation erreichten, schwankte er, wir schafften es gerade noch bis zu einer Bank, bevor er emotional vollkommen zusammenbrach. Ich setzte mich neben ihn, umarmte ihn, versuchte, ihm den größtmöglichen Halt zu geben, während er so furchtbar weinte wie neulich auf dem Friedhof am Grab seiner Mama. Vorsichtig fragte ich ihn, was denn los war, was ihm so schrecklich wehtat, solche entsetzlichen Schmerzen bereitete. Seine Antworten waren kaum zu verstehen, er konnte vor Weinen kaum sprechen und brachte nur Satzfetzen heraus, deren Zusammenhänge ich kaum verstand. Und immer wieder war da dieses Wort, das er sichtlich kaum aussprechen konnte und es doch tat, dieses furchtbare, verletzende Wort ‚Borderline‘. „Schscht …“, machte ich, drückte ihn fest an mich und strich durch sein Haar, „Es wird alles wieder gut, mein Schatz, ich bin bei dir …“ Eine ganze Weile blieben wir so, Tsuzuku lag weinend in meinen Armen, bekam vor Schluchzen kaum noch Luft, und ich hielt ihn, versuchte dabei, ihn zumindest ein klein wenig vor den Blicken der vorbeigehenden Leute zu schützen. Mir war es kaum unangenehm, dass sie uns anschauten, doch ich spürte, dass es Tsuzuku noch mehr verletzte, so angestarrt zu werden. Irgendwann beruhigte er sich langsam wieder, hing völlig erschöpft in meinen Armen und schien überhaupt keine Kraft mehr zu haben. Wir blieben noch ein wenig sitzen, bis ich das Gefühl hatte, dass er den Weg nach Hause schaffte, dann nahmen wir die Bahn in unser Viertel. Auf der kurzen Fahrt lehnte er sich an mich, sah mit leerem Blick zu Boden und schien von der Welt um uns herum nicht mehr viel aufnehmen zu können. Ich legte meinen Arm um ihn, hielt seine Hand. Auf dem Weg von ‚unserer‘ Station nach Hause kamen wir an einer Apotheke vorbei und ich kaufte eine Salbe für blutige Wunden, weil ich nicht mehr wusste, ob wir zu Hause welche hatten. Tsuzuku hielt sich wieder an meiner Hand fest und die Verkäuferin in der Apotheke sah ihn mitleidig an, weil er komplett kaputt und verweint aussah und teilnahmslos neben mir stand, als ich die Salbe kaufte. Als ich gerade unsere Wohnungstür aufschloss, klingelte mein Handy, Koichi wollte wissen, ob alles okay war. Ich bat ihn, einen Moment zu warten, wollte ihn gleich zurückrufen. Zuerst einmal verfrachtete ich Tsuzuku ins Bett, wo er einfach liegen blieb und an die Decke schaute. Dann rief ich Koichi zurück und erzählte ihm, was passiert war, woraufhin er gleich sagte, dass er nach der Arbeit bei uns vorbeikommen wollte, um nach Tsu und mir zu schauen und zu helfen. Nach diesem Gespräch mit Ko ging ich zu meinem Freund zurück, der immer noch so da lag wie eben. Ich setzte mich auf die Bettkante und streichelte ihn einfach ein wenig, dann fragte ich: „Magst du dich nicht ausziehen?“ Er schüttelte den Kopf. „Ich … möchte jetzt nicht … so nackt sein …“ „Aber zieh zumindest die Jeans aus, damit ich dein Bein eincremen kann. Sonst kann sich das doch entzünden.“ Ich sah meine weite, lange Schlafanzughose auf den Boden liegen, hob sie auf und fügte hinzu: „Du kannst dann die hier anziehen, wenn du jetzt nicht nackt sein magst.“ Zögernd und langsam begann er, sich auszuziehen, und ich gab ihm auch das Oberteil von meinem Schlafanzug, was er dann zusammen mit der zugehörigen Hose anzog. Da es ja meine Sachen waren, hatten sie eher süße, helle Farben und ein etwas kindisches Katzen-Motiv, und Tsuzuku sah darin ein wenig komisch, aber irgendwie auch niedlich aus. Ich holte die Salbe und schob das weite Hosenbein ein bisschen hoch, sah die Schnitte auf Tsuzukus schmalem Unterschenkel, an denen jetzt das Blut getrocknet war, und begann, sie vorsichtig einzucremen. Er beobachtete mich dabei, sein Blick war leer, und er gab keinen Ton von sich, kein ‚Aua‘, kein schmerzerfülltes Zischen, gar nichts. Als jeder Schnitt ein bisschen Salbe bekommen hatte, zog Tsu selbst das Hosenbein wieder runter und sah mich einen Moment lang nur an, dann fragte er leise: „Meto … wie hab ich dich nur verdient …“ Ich lächelte, kannte diese Frage ja schon, und antwortete: „Tsuzuku, du bist ein wunderbarer, sensibler, lieber und süßer Mensch. Ich liebe dich über alles, das kannst du mir ruhig glauben, und ich werde alles tun, was ich kann, damit es dir gut geht.“ Zur Bekräftigung meiner Worte umarmte ich ihn und drückte ihn fest an mich. Er schmiegte sich in die Umarmung, ganz weich und ergeben, eine ganze Weile blieben wir so, und dann merkte ich, dass er fest eingeschlafen war. Vorsichtig bettete ich ihn aufs Kissen, deckte ihn zu und hauchte einen Kuss auf seine Stirn. Blieb bei ihm sitzen und bewachte seinen Schlaf, damit ich ihn wecken konnte, falls er Albträume bekam. Ruana saß auf ihrem Platz neben meinem Kopfkissen, schaute mich an, und ich nahm sie in die Hand, legte sie neben Tsu, so, dass sie das Erste sein würde, was er sah, wenn er wieder aufwachte. Ich machte mir ein bisschen Essen in der Küche und kehrte dann damit ins Schlafzimmer zurück, aß auf dem Bett sitzend, und ab und zu streichelte ich Tsuzuku ein bisschen, hoffend, dass er meine Anwesenheit auch im Schlaf ein wenig spürte. Irgendwann legte ich mich neben ihn und es dauerte nicht lange, da war ich ebenfalls eingeschlafen, obwohl es mitten am Tag war. Das Läuten an der Wohnungstür weckte mich gegen fünf. Ich brauchte einen Moment, bis ich soweit wach war, dass mir einfiel, dass Koichi ja noch vorbeikommen wollte. Tsuzuku schlief immer noch, aber ich stand langsam auf und ging zur Tür. „Hey, Meto“, begrüßte mich Koichi, und ich ließ ihn in die Wohnung. „Du siehst ja verschlafen aus.“ „Ich hab auch geschlafen“, antwortete ich. „Und Tsu schläft immer noch.“ Ko warf einen kurzen Blick ins Schlafzimmer, dann gingen wir beide in die Küche. Ich machte eine kleine Kanne Tee und wir setzten uns an den Tisch, und Koichi fragte: „Was ist denn jetzt eigentlich genau passiert?“ „Tsu kann sich … wieder an den Streit erinnern, den wir letztens hatten. Das, wo er danach im Krankenhaus war. Und irgendwie … hat ihm das ganz furchtbar wehgetan.“ Ich schwieg einen Moment, dann fügte ich hinzu: „Er hat gebrochen und sich auch wieder geschnitten.“ „Oh, schlimm geschnitten?“, fragte Koichi besorgt. „Am Bein, ganz viele Schnitte. Und er hat sehr geweint.“ „Hast du den Psychiater mal angerufen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Ich kann ja nicht gut telefonieren. Und ich glaube, Tsuzuku will das auch nicht, dass ich den anrufe.“ „Frag ihn mal, wenn er wieder wach ist. Ich glaube, er wird das einsehen, dass so ein Rückfall keine Kleinigkeit ist, und dass er Hilfe braucht.“ „M-hm, ja.“ In dem Moment kam Tsuzuku ganz verschlafen in die Küche getappt, fuhr sich mit der Hand durch die vom Schlaf wirren Haare und fragte mit müder Stimme: „Ko? Was machst du denn hier?“ „Na hör mal, ich mach mir Sorgen um dich!“, erwiderte Koichi, dann grinste er breit und schaute auf das, was Tsu immer noch anhatte, meinen Schlafanzug mit den Kätzchen drauf. „Und was bitte hast du da an?!“ „Meto hat drauf bestanden, dass ich nicht in Jeans und T-Shirt schlafe, also hat er mir seinen Schlafanzug hingelegt“, antwortete mein Freund, und da wir nur zwei Stühle da hatten, von denen einer von Koichi und einer von mir besetzt war, setzte er sich einfach auf meinen Schoß. „Hast du keine eigenen Schlafsachen?“, fragte Koichi. „Ich schlafe doch eh meistens nackt.“ Tsuzuku grinste, und ich hatte das Gefühl, dass ihm der Schlaf gut getan und er sich wieder ein bisschen erholt hatte. Jedenfalls umarmte er mich, nahm sich dann einen Schluck aus meiner Teetasse und schließlich trank er die Tasse ganz leer, sodass ich ihn bat, von mir aufzustehen, damit ich mir neuen Tee einschenken konnte. Er blieb dann stehen, öffnete das Fenster und zündete sich eine Zigarette an. „Geht‘s dir ein bisschen besser, mein Herz?“, fragte ich ihn. Tsuzuku nahm einen Zug Rauch, schaute aus dem Fenster und antwortete: „Irgendwie schon. Nur … ich weiß nicht recht, was ich jetzt tun soll.“ „Was denkst du denn, was du tun könntest?“, fragte Koichi. „Na ja, dagegen ankämpfen. Oder es eben lassen. Am liebsten, also von meinem Gefühl her, würde ich gerade einfach alles so laufen lassen, weil ich keine Kraft zum Kämpfen habe. Aber … ich hab auch Angst … dass es dann wieder ganz schlimm wird.“ Tsu fuhr sich mit der Hand über die Narben an seinem Unterarm, dann fügte er hinzu: „Ich will nicht, dass ihr so unter mir zu leiden habt. Und ich will auch nicht wieder sterben wollen.“ „Dann musst du kämpfen. Und du bist ja nicht allein. Wir sind bei dir, und du hast dir professionelle Hilfe gesucht, das Ganze ist also nichts, was du alleine durchstehen müsstest“, sagte Koichi. Tsuzuku antwortete nichts darauf, doch er schien dankbar für Koichis Worte zu sein und dafür, dass wir bei ihm waren. Koichi blieb dann noch eine Weile, aber wir redeten nicht mehr direkt über Tsuzukus Rückfall, nur über die Medikamente, die Dr. Niimura vorgeschlagen hatte. Ich saß allerdings eher still daneben, irgendwie war das mehr ein Gespräch zwischen Tsu und Koichi. Ko hatte irgendwas recherchiert bezüglich dieser Medikamente und jetzt sahen sie sich zusammen über sein Smartphone das Ergebnis an. „Schau mal, wenn du das hier nimmst, dann musst du auch nicht ständig zur Beruhigung rauchen. Das wäre auch besser für dein Herz und für deine Lunge sowieso“, sagte Koichi und deutete auf einen Absatz in dem Heftchen, das uns der Psychiater mitgegeben hatte. „Ich weiß nicht …“, erwiderte Tsu. „Ich trau dem ganzen Zeug nicht.“ „Was daran macht dir denn Angst?“ „Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie das wirken soll. Ich meine, wenn sich diese Ärzte noch nicht mal sicher sind, wieso ich überhaupt krank bin und was genau da bei mir falsch läuft, wie sollen sie dann wissen, was solche Tabletten mit meinem Kopf machen?“ „Aber meinst du nicht, dass es zumindest mal auf einen Versuch ankommt?“, fragte Koichi. „Du bist doch vorher nie in irgendwelcher psychiatrischer Behandlung gewesen, oder?“ „Nein …“ „Und, sag mal, ganz ehrlich, Tsuzuku: Kann es sein, dass du das im Grunde immer noch nicht wirklich willst, in Behandlung sein?“ Einen Moment lang sah Tsu verletzt aus, doch dann antwortete er: „Ja … kann sein …“ „Da musst du mit dem Arzt auch drüber sprechen. Dass du noch nicht den richtigen Willen dazu hast und warum das so ist. Aber, was ich mich frage: Wie hast du dir das bis jetzt vorgestellt? Weil, dass du gesund und glücklich werden willst, das hast du letztes Jahr ja schon gesagt.“ Irgendwas daran tat Tsuzuku weh, das sah ich sofort. Und als sich seine Augen dann wieder einmal mit Tränen füllten, umarmte ich ihn gleich. „Ich dachte … dass ich das … schon irgendwie schaffe … mit Meto und mit dir … dass ihr ja bei mir seid … und dass ich … das in meinem Kopf … fast alleine hinkriege … weil … ich dachte halt … dass es so schon irgendwie gehen wird …“, antwortete er schluchzend. „Aber … ich schaff es einfach nicht …“ „Nicht weinen, mein Schatz“, sagte ich leise und streichelte über seinen Rücken. „Du hast doch heute schon genug geweint …“ Ich berührte ihn am Kinn, sodass er mich ansah, und ich tastete mit meinen Lippen über sein Gesicht, küsste die Tränen weg und fuhr dabei ein wenig mit meinen Händen durch sein schwarzes Haar. Ihm schien das sehr gut zu tun, er lehnte sich an mich und ließ sich einfach von mir halten. Ich wollte so sehr, dass das genügte, dass es reichte, um ihn gesund und glücklich zu machen. Dass meine Liebe stark genug war, diese furchtbare Krankheit weit von ihm wegzuschieben. Denn viel mehr als das, was ich jetzt tat, konnte ich nicht tun, und das machte mich so traurig, dass ich beinahe auch noch zu weinen angefangen hätte. Doch ich schluckte meine Traurigkeit herunter. Es half doch nichts, wenn ich jetzt auch noch verzweifelte. Ich musste doch stark sein, Tsuzuku festhalten und auf ihn aufpassen! Denn ich hatte es versprochen, und es war zugleich mein größter Wunsch. Und dann fühlte es sich einen Moment lang so an, als würde sich dieser Wunsch doch bald erfüllen, oder zumindest für diesen Augenblick: Ein Lächeln schlich sich auf Tsuzukus schönes Gesicht, obwohl er noch Tränen in den Augen hatte, er schmiegte sich an mich und sagte leise: „Ich liebe dich, Meto. Du machst mich so glücklich.“ Koichi murmelte irgendwas, das verdächtig nach „Ihr beiden seid ja so wahnsinnig süß zusammen …“ klang, und sagte dann: „Wir sind ja auf jeden Fall bei dir, Tsu.“ Wir aßen dann noch zu dritt zu Abend, wobei Koichi dann auch Zeuge wurde, wie Tsuzuku sich wieder von mir füttern ließ. Ko fand das ziemlich niedlich und sagte, dass er so eine Beziehung wie die unsere echt noch nicht gesehen hatte. „… da hast du ja keine andere Wahl, als schön alles aufzuessen“, fügte er an Tsu gewandt hinzu und lächelte. Und Tsuzuku war jetzt so gut drauf, dass er lachte und antwortete: „Und ich glaube, es macht mich für Meto sogar attraktiv, wenn er mich füttern darf.“ Ich wurde natürlich wieder rot, weil es einfach stimmte. Ich tat das gern, konnte ich doch auf diese Weise ein wenig dafür sorgen, dass mein Freund wieder ein bisschen Freude am Essen hatte, außerdem war es romantisch und ich fand es ziemlich süß, wie Tsuzuku in solchen Momenten auch Gefallen daran fand, sich etwas verspielter und ein bisschen kindlich zu geben. Nach dem Essen ging Koichi, zum Abschied umarmte er zuerst Tsuzuku, dann mich, und sagte: „Tsu, du musst dir noch mal klar drüber werden, was du genau willst, und was du tun willst, um da auch hin zu kommen. Denk da mal noch ein bisschen drüber nach.“ Tsu nickte nur, wirkte wieder ziemlich in Gedanken versunken. Als Koichi dann weg war, legten wir uns ziemlich bald hin, und ich merkte sehr, dass so was wie Sex oder dergleichen jetzt nicht drin war. Tsuzuku wirkte unsicher, schwankend, so als wüssten seine Gefühle nicht, zu welcher Seite sie kippen sollten. Vorsichtig rückte ich ein bisschen näher zu ihm, meine Nähe hatte ihm bisher ja immer noch am meisten gut getan, und umarmte ihn, doch er war seltsam teilnahmslos, so dass ich leise fragte: „Geht’s? Oder fühlst du dich wieder nicht gut?“ Tsu blickte hoch an die Decke und es dauerte einen Moment, bis er antwortete: „Ich … weiß es nicht. Mir tut … irgendwas weh … aber ich kann dir nicht sagen, was.“ „Kann ich … was tun?“, fragte ich weiter. Wieder dauerte es ein wenig, bis er antwortete: „Halt mich.“ Und das tat ich. Tsuzuku trug immer noch meinen Schlafanzug und ich nichts weiter als Shorts, und ich hielt ihn in meinen Armen, einfach nur liebevoll und mit dem Wunsch, ihn zu beschützen. Als er dann doch wieder ein bisschen weinte, umarmte ich ihn fester und küsste seine Stirn, zum Zeichen, dass ich für ihn da war und jetzt nicht zu viel von ihm verlangte. Hätte er jetzt gewollt, dann hätten wir auch miteinander schlafen können, doch da er sich ganz offenbar gerade nicht danach fühlte, schob ich mein eigenes Verlangen beiseite und bewahrte die Unschuld dieser Umarmung. Und irgendwann danach schlief erst er ein, dann ich. Als ich aufwachte, war es noch ganz dunkel, irgendwann mitten in der Nacht. Ich spürte, dass Tsuzuku sich irgendwann umgedreht hatte und nun mit dem Rücken zu mir lag, und hörte ihn ganz ruhig und tief schlafend atmen. Zuerst wollte ich einfach wieder einschlafen, doch binnen weniger Augenblicke war ich so wach, dass ich nicht so einfach wieder einschlafen konnte. Und so blieb ich wach liegen, ließ meine Gedanken ein bisschen laufen und dabei landete ich irgendwie wieder beim Thema Sex. Ich dachte an das Tauschen, daran, wie es sich angefühlt hatte, und wie Tsuzuku sich mir so lustvoll hingegeben hatte. Augenblicklich wallte es in mir auf, dieses neue, andere Begehren, zusammen mit meiner Liebe zu ihm, und ich schmiegte mich an seinen Rücken, legte meinen Arm um ihn und barg mein Gesicht an seinem Nacken, atmete den Duft seiner Haut und seiner weichen Haare ein. Allein der Gedanke daran, dass er aufwachen und sich mir wieder so hingeben könnte, dass ich dann erneut in seine heiße Enge eindringen und ihn so unglaublich glücklich machen würde, indem ich seinem süßen Körper diese Lust schenkte … Die Vorstellung reichte aus, damit ich hart wurde. „Tsuzuku …“, flüsterte ich und küsste zärtlich seinen Nacken, „Hast du eine Ahnung, wie sehr ich dich begehre? Was für ein wahnsinnig wunderschöner Mann du bist?“ Er reagierte nicht, schlief viel zu fest, um irgendwas bewusst mitzukriegen, und so wagte ich noch ein bisschen mehr, ließ meine Hand unter sein -mein- Schlafanzugoberteil wandern und seinen flachen, leicht muskulösen Bauch ein bisschen streicheln. Ihn so zu berühren, erregte mich weiter, ich begehrte und liebte jeden Quadratzentimeter seiner warmen Haut und schmiegte mich noch ein wenig mehr an seinen schmalen Körper. Mir kamen Gedanken, die ich so noch nicht allzu oft gedacht hatte, eindeutige Fantasien von Dingen, die ich mit Tsuzuku zusammen tun wollte, und von denen ich jetzt glaubte, dass sie auch mir sehr gefallen könnten. Am liebsten wollte ich ihn hier und jetzt vernaschen, anfangen, während er noch schlief, damit er aufwachte, wenn ich schon dabei war, seinem Körper die allerschönsten Lustgefühle zu bereiten. Schon beim Gedanken daran spürte ich, wie mein Körper sich darauf freute, doch sollte ich Tsuzuku wirklich jetzt wecken? Ich wusste ja nicht, was er gerade träumte und ob er sich innen drin gut fühlen würde, wenn er jetzt aufwachte. Und als wir eingeschlafen waren, hatte er nichts Sexuelles gewollt. Ich beschloss also, mich zu beherrschen, da ich nicht riskieren wollte, etwas zu tun, das Tsu möglicherweise in diesem Moment gar nicht wollte. Und auch, wenn mein Begehren nach ihm in diesem Moment so stark war, so wollte ich ihn doch nicht im Schlaf überfallen. Vorsichtig löste ich mich von ihm, stand auf und ging ins Bad, wo ich mich auszog und erst mal unter die kalte Dusche stellte, um meine Erregung wieder in den Griff zu bekommen. Mein Glied war in seiner Lust in diesem Moment ungewöhnlich hartnäckig und es brauchte eine Weile, bis es wieder weich wurde. Als ich mich gerade abtrocknete, hörte ich ganz leise Tsuzukus Stimme aus dem Schlafzimmer. „Meto …?“ Ich wickelte mir mein Handtuch um die Hüfte und lief zu ihm, fragte mich, ob ich ihn etwa doch geweckt hatte. Er lag jetzt auf dem Rücken, hatte das Schlafhemd aufgeknöpft, und mir fiel sofort auf, dass er seine Hand auf sein Herz drückte, so als ob es ihm wieder wehtat. „Wo … warst du?“, fragte er und jetzt klang auch seine Stimme nach Schmerzen. „Ich hab nur eben kalt geduscht“, antwortete ich und setzte mich aufs Bett. „Hatte ‘nen ziemlichen Ständer …“ Ich rückte nah zu ihm, legte mich hin und fragte dann: „Tut dir was weh?“ „Mein Herz …“, antwortete er. „Ich weiß auch nicht … warum.“ „Na ja, war ja wieder ein ziemlich harter Tag für dich“, sagte ich und legte meine Hand auf seine Brust, spürte sein Herz ziemlich schnell schlagen. „Vielleicht ist es ein bisschen überanstrengt, dein Herz.“ Er seufzte, als ich sanft über seinem Herzen streichelte, es tat ihm offenbar sehr gut, und ein süßes Lächeln huschte über seine Lippen. „Möchtest du einen Kuss auf dein Herz?“, fragte ich leise. Tsuzuku nickte, und ich beugte mich über seine Brust, drückte meine Lippen liebevoll auf die Stelle über seinem Herzen, wo er so sensibel war. Er seufzte lauter, sein Körper bog sich mir ein wenig entgegen, verlangte nach mehr. Ich setzte einen weiteren Kuss auf die Stelle, was ihm wahnsinnig gut zu tun schien, und streifte dann ganz vorsichtig mit meinen Lippen über seine gepiercte Brustwarze. „Mmmeto … ahhh …“ „Das magst du sehr, oder?“, fragte ich lächelnd und küsste ihn wieder dort, dieses Mal ein wenig mutiger und eindeutiger. Tsuzuku stöhnte, seine Herzschmerzen schienen vergessen, und auch, dass er sich ja eigentlich, was Sex anging, hatte beherrschen wollen. Innerhalb von ein paar Augenblicken war er erregt, seine Hände wanderten hungrig über meinen Körper, und ich ließ mich ganz auf ihn sinken, was mich meinerseits wieder erregte. Ich sah ihn an, blickte in seine schönen, dunkelbraunen Augen, in denen wieder diese intensive Lust und Liebe leuchtete, die ich an ihm so liebte, und im nächsten Moment knutschte ich ihn mit aller Leidenschaft ins Kissen, atemlos, geradezu verschmelzend, während seine Hände das Handtuch von meiner Hüfte lösten und er sich dann die Schlafanzughose vom Hintern zerrte. Kurz dachte ich noch daran, dass ich mir die kalte Dusche hätte sparen können, dann war kein klarer Gedanke mehr möglich. Mit einem unglaublich intensiven Gefühl, das fast nicht von dieser Welt sein konnte, stürzten sich unsere erbebenden Körper aufeinander, Tsuzuku zitterte vor Lust und küsste mich mit einer solchen Intensität, dass mir beinahe schwindlig wurde und ich nichts anderes mehr fühlte als ihn, seine Haut an meiner, sein Haar unter meinen Händen, seine unbeherrschte Ekstase und seine heiße, gespaltene Zunge, die gierig und wie wahnsinnig liebend in meinen Mund drängte. Es war eigentlich nichts weiter als ein Kuss, doch ein so inniger, mit so viel Lust und Körpereinsatz, dass wir in diesem Moment keinen ‚richtigen‘ Sex brauchten. Und so eng und heiß, wie wir uns aneinander drückten, war es auch nicht verwunderlich, dass wir bald kurz nacheinander zum Höhepunkt kamen und Tsuzuku dabei voller Verzückung laut gegen meine Lippen stöhnte. Danach lag ich in seinen Armen, mein Kopf auf seiner Brust, ich hörte seinen Herzschlag, erst noch schnell und hämmernd, dann langsam ruhiger. „Das war besser … als alle Tabletten der Welt …“, sagte Tsuzuku leise und streichelte mit den Fingern über meine Seite. „Ich brauch keine Medikamente, Meto. Ich brauche nur dich.“ Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. Er war gerade so glücklich und ich wollte das auf keinen Fall trüben. Außerdem … war das, was er da sagte, ja im Grunde auch mein Wunsch: Dass das, was ich für ihn tun konnte, ausreichte, um ihn glücklich und vielleicht sogar irgendwie gesund zu machen. Ich wollte jetzt nicht daran denken, dass das schwierig, wenn nicht gar unmöglich war, sondern mich einen Moment lang der Hoffnung und der Liebe hingeben, die ich für Tsuzuku empfand. Und so kuschelte ich mich einfach ganz nah an ihn, hauchte noch ein kleines Küsschen auf seine Brust und war dann bald wieder eingeschlafen. Am Morgen wachte ich davon auf, dass jene warmen, schlanken Männerhände, die ich so liebte, sanft über meinen Körper strichen, und zarte, weiche Lippen meinen Hals küssten. Ich blinzelte und tastete nach dem schmalen, süßen Körper neben mir, hörte Tsuzukus Stimme leise lachen, und dann sah ich ihn, als er sich über mich beugte und seine Lippen auf meine drückte. „Ich dachte, ich weck dich auch mal wieder so“, sagte er dann und lächelte. „Mein Liebster …“ Ich lächelte zurück. „Gut geschlafen, Baby?“ Er nickte, sah wirklich glücklich und entspannt aus. „Du willst nicht wissen, was ich geträumt habe.“ Ich musste grinsen. „Doch, will ich. Erst recht, wenn es ein schöner Traum war.“ „Na gut.“ Tsuzuku ließ sich wieder neben mich sinken und sagte lächelnd: „Ich hab geträumt, dass ich dein Tattoo weiter bunt mache. Und dann waren wir im Love Hotel und du hast mich nach allen Regeln der Kunst vernascht.“ „Du träumst ja Sachen … Hast wieder nur Tattoos und Sex im Kopf?“, fragte ich und küsste ihn. „Du bist bald mein Mann, da darf ich doch wohl davon träumen, dass wir Sex haben, oder?“ „Ist ja schön“, erwiderte ich. „Ich freu mich, wenn du schöne Sachen träumst.“ Ich dachte an den Kuss nachts, diese süße Lust, und daran, dass ich mir davor gewünscht hatte, Tsu noch mal richtig zu vernaschen. Vielleicht hatte er das irgendwie gespürt und dann hatte der innige, heiße Kuss dafür gesorgt, dass er schön geträumt hatte. Dieser Gedanke stimmte mich glücklich, dieses schöne Gefühl, dass ich es anscheinend doch irgendwie schaffte, dass Tsuzuku sich gut fühlte. Er sah mich an, berührte sanft meine Wange. „Du weißt, ich will mich ja beherrschen und so … aber eigentlich … würde ich jetzt doch gern mit dir schlafen.“ Ich lächelte. „Ich ja auch“, gab ich ehrlich zu. „Mir fällt’s genauso schwer, mich zu beherrschen.“ Tsuzuku beugte sich über mich und schnurrte mit verführerisch tiefer Stimme in mein Ohr: „Wie wär’s dann, wenn wir heute den ganzen Tag im Bett bleiben und kuscheln? Und dann machst du mich so geil, dass ich ganz willig die Beine für dich breit mache?“ Ich musste mich ganz gewaltig zusammenreißen, und doch ließ es sich nicht vermeiden, dass ich allein schon von der Art, wie Tsu das sagte, heiß wurde, und seine Worte taten ihr Übriges. „Tsu!“, protestierte ich mit roten Wangen. „Mach mich nicht so heiß!“ Aber er wäre nicht er gewesen, wenn er dieses Spielchen nicht noch ein klein wenig weiter gespielt hätte: „Stehst du drauf, dir das vorzustellen, Meto? Macht dich der Gedanke an, dass ich unter dir liege, vollkommen willig und dir ganz hingegeben, und ich die Beine breit mache, damit du mich nimmst?“, fragte er herausfordernd und schmiegte sich eng an mich. Ich nickte, konnte nicht anders, denn diese Vorstellung war, zusammen mit meinem Wunsch, Tsuzuku zum Dahinschmelzen zu bringen und ihm so viel gutes Gefühl wie nur möglich zu schenken, wirklich sehr, sehr schön und erregend. Er lächelte, süß und selbstsicher, küsste mich, und ich spürte, dass er erregt war und sich trotz seines Vorhabens, sich zu beherrschen, jetzt doch sehr danach sehnte, mit mir zu schlafen. „Wie viel Zeit haben wir?“, fragte ich. „Wenn wir heute arbeiten gehen und so?“ Tsu drehte sich kurz nach dem Wecker um und sagte dann: „Ne halbe Stunde, dann aufstehen, duschen und so, dann los. Schaffen wir, oder?“ „Du hast das Frühstück vergessen. Ich muss dich doch füttern.“ Er lachte, küsste mich wieder und sagte: „Dann fang mal jetzt an, mich zu vernaschen, dann haben wir dafür auch noch Zeit.“ „Und?“, fragte ich, hob die Hand und strich eine Strähne von Tsuzukus schwarzem Haar hinter sein gepierctes Ohr. „Wie möchtest du es heute?“ Er sah mich an, mit diesem für ihn typischen, unverstellten Blick, und antwortete: „Am liebsten würde ich mich dir wieder so hingeben, und dass du in mich eindringst. Aber … ich glaube fast, mein Hintern fände das nicht so toll … Der muss sich noch ein bisschen erholen. Und du? Wie möchtest du es gern?“ „Ich möchte, dass du dich gut fühlst, dass du heute einen schönen Tag hast. Ich will es dir und uns beiden schön machen“, antwortete ich. „Das ist süß von dir, Meto. Aber ich will wissen, wonach dir ist, was du dir gerade vorstellst. Wonach sehnt dein Körper sich? Was möchte er mit meinem tun, oder was soll ich mit ihm anstellen?“ Ich fühlte einen Moment in mich hinein, fragte mich, ob es da etwas Bestimmtes gab, was ich mir jetzt wünschte. Doch ich spürte in diesem Augenblick kein solches eigenes Sehnen, da war nur der Wunsch, meinem Freund nach dem furchtbaren Tag gestern jetzt schöne Gefühle und Genuss zu schenken. Ich wollte dieses wunderbare Gefühl spüren, das ich hatte, wenn es mir gelang, Tsuzuku glücklich zu machen. „Ich meine das ernst, Tsu. Ich will jetzt nichts weiter, als dir solche Lust zu bereiten, dass du dich heute den ganzen Tag gut fühlst.“ Und während ich das sagte, bekam ich auch eine konkrete Vorstellung, was ich gleich tun würde: Seinen Unterleib liebkosen, sein Glied mit meinem Mund verwöhnen, und ihn auf diese Weise dazu bringen, dass er so süß stöhnte und schrie wie vorletzten Abend, als ich ihn zum ersten Mal richtig genommen hatte. „Oh Gott, Meto …“ Tsuzukus braunen Augen leuchteten geradezu. „Du bist viel, viel zu gut für mich!“ Ich legte ihm meinen Finger auf die Lippen. „Nichts sagen, Baby. Setz dich auf die Bettkante, mach die Beine auseinander, und dann will ich aus deinem Mund kein Wort mehr hören, nur noch diese wunderschönen Laute, die mir zeigen, dass du das, was ich gleich mit dir machen werde, wahnsinnig gern magst.“ Er tat einfach, was ich sagte, konnte sich mit seiner lebhaften, lustvollen Fantasie ganz sicher denken, was ich vorhatte. Zog sich Shorts und Schlafanzughose aus, ließ beides neben das Bett fallen, und setzte sich dann auf die Kante, die Beine so weit auseinander, dass ich gut Platz dazwischen fand, als ich mich dann vor ihn hinkniete. Er war jetzt richtig erregt, seine voll ausgeprägte Härte lustvoll gerötet, und als ich dieses schöne, heiße Glied mit der Hand sanft berührte, spürte ich ein erwartungsvolles Zucken darin, dieses süße Sehnen nach meinen Zärtlichkeiten. Und während ich Tsuzukus Erregung zuerst nur liebevoll streichelte, und erforschte, was er dort besonders mochte, beobachtete ich jede Reaktion seines so wunderschönen Männerkörpers, wie seine Atmung rascher wurde und sein Brustkorb sich dadurch ruckartiger bewegte, seine Bauchdecke vor Erregung leicht zuckte, seine schönen Hände ins Bettlaken krallten und sein Gesicht seine Lust spiegelte. Ich ließ meine Hände etwas höher und darum herum wandern, strich über seine Leisten- und Lendengegend, machte ganz langsam, so lange, bis ihm ein leicht unwilliges Seufzen über die Lippen kam. „Meto … jetzt quäl mich nicht so …“ Ich lächelte zu ihm hoch und beugte mich dann vor, drückte einen Kuss auf sein Glied, noch einen, immer weiter, viele kleine Küsschen, fühlte das Pochen seines erregten Pulsschlages unter meinen Lippen und lauschte seinem erst noch leisen, dann immer lauteren, glückstriefenden Seufzen. Und als ich dann seine Eichel, aus der schon sein Lusttropfen austrat, zwischen meine Lippen nahm und zärtlich zu lecken begann, wurde er richtig laut, stöhnte und schrie seine Lust frei heraus. Der bittere Geschmack war mir egal, ich leckte alles ab, schluckte, dachte nur an meinen größten Wunsch, Tsuzuku glücklich zu machen, und hörte zufrieden, dass es ihm mehr als gefiel, ja dass er es liebte, was ich mit ihm tat. Meine Hände strichen derweil über die helle Haut seiner schmalen Oberschenkel, ich fühlte die eine oder andere Narbe unter meinen Fingern und dachte kurz daran, dass seine Haut dort deshalb so blass war, weil er seine Beine nicht gern zeigte und sie deshalb kaum Sonne bekamen. Und so streichelte ich ihn jetzt dort besonders liebevoll, um ihm zu zeigen, dass ich auch diejenigen Partien seines Körpers liebte, die er selbst nicht so mochte. Und während ich sein Glied mit meinen Lippen verwöhnte und seinem süßen Stöhnen lauschte, kam meine Hand auch an seinem Unterschenkel an, berührte vorsichtig die verletzte Haut. Ich sah zu ihm hoch, ob es für ihn okay war, dass ich ihn jetzt auch dort berührte, er blickte zu mir runter, fragend, schien nicht recht zu wissen, was er davon halten sollte. „Möchtest du da auch ein bisschen Liebe haben?“, fragte ich. Auf einmal sah ich Tränen in seinen Augen, kurz schien es so, als würde er anfangen zu weinen, weil ihn etwas daran emotional traf, doch dann nickte er. „Ja … bitte, Meto …“ Ich ließ meine Lippen von seinem Glied ab, er streckte sein Bein so, dass ich leichter ran kam, und ich begann, vorsichtige kleine Küsschen auf den immer noch leicht geröteten Schnitten zu verteilen. Seine Reaktion ähnelte der, wie wenn ich sein Herz küsste, war mehr emotional als körperlich, ein hingerissenes, tief aus seiner Seele kommendes Seufzen, das zwar glücklich, aber auch irgendwie so klang, als sei er von seinen eigenen Gefühlen fast ein wenig überfordert. „Ist das schön, mein Schatz?“ Er nickte, lächelte, doch seine Augen weinten, ihm liefen Tränen über die Wangen. „Soll ich da weiter machen oder … wieder dein Glied küssen?“, fragte ich. Die Antwort schien ihm seltsam schwer zu fallen, er war sichtlich gerührt und jetzt nicht so imstande zu seinen üblichen freien Worten. „Ja … küss mich wieder da … meinen Schwanz … ich … halte das andere … jetzt nicht so aus …“ „Ist doch okay“, erwiderte ich. „Ich mach es so, wie es für dich schön ist.“ Und so setzte ich das liebende Tun meiner Lippen an seinem Glied fort, langsam und vorsichtig, dabei genau auf seine Reaktionen achtend, und ab und zu sah ich zu ihm hoch. Der Anblick, der sich mir dann bot, war so schön und rührend zugleich, und so typisch für Tsuzuku, dass ich eine Gänsehaut bekam und mein Herz wie verrückt klopfte: Er stöhnte genießend, seine Lippen zogen sich immer wieder zu einem lustvollen Lächeln, und dabei liefen weiter Tränen aus seinen geschlossenen Augen. Ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass diese Tränen keine der Traurigkeit waren, sondern einfach nur deshalb flossen, weil er so voller Gefühle war, dass er nicht anders konnte, und sein erregtes Stöhnen und das Lächeln sagten mir, dass er sich dennoch gut fühlte. Mir kam jedoch die Frage, ob es denn so gut war, wenn er am frühen Morgen schon so viele Gefühle durchmachte. Es war jetzt einfach so passiert, weil ich mich sehr von ihm und seinen Reaktionen leiten ließ, und die nun mal so gefühlsbetont und sprunghaft waren. Sollte ich es schnell zu Ende bringen und ihn jetzt kommen lassen? Ihn aus diesen dichten Wolken voller Gefühl zurück auf den Boden holen und dafür sorgen, dass er heute seinen Arbeitstag gut überstand? Vernünftiger war das sicher und ich wollte ja auch auf keinen Fall, dass er wieder so zusammenbrach wie gestern. Meine eigene Lust war mir in diesem Moment nicht wichtig, ich konnte mir auch gleich unter der Dusche einen runterholen. „Tsuzuku?“, sprach ich ihn leise an, „Ich bring’s zu Ende, okay? Du musst heute noch den ganzen Tag durchstehen und du weinst ja jetzt schon wieder …“ Er nickte, fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Tut mir Leid, Meto, ich …“ „Ist okay“, unterbrach ich ihn und sah zu ihm hoch. „Alles gut. Entspann dich.“ Ich senkte den Kopf, nahm seine Eichel wieder zwischen meine Lippen, schmeckte die zarte Haut und schenkte ihm so viel Lust, wie er gerade aufzunehmen vermochte. Er stöhnte, und ich spürte, wie die Erregung wieder in ihm aufflammte, schnell mehr wurde, bis er mit einem tiefen, knurrenden Laut zum Höhepunkt kam und seinen heißen Samen in meinen Mund ergoss. Es war viel, schmeckte bitter und eigenartig, doch ich dachte dennoch nicht daran, es auszuspucken, sondern schluckte alles herunter, leckte sogar noch weiter, bis nichts mehr kam. Als ich mich danach von ihm löste, ließ er sich nach hinten aufs Bett fallen, schien seine Gefühle erst wieder ein wenig ordnen zu müssen, und ich legte mich dazu, beugte mich über ihn und streichelte seinen Hals. Meine eigene Lust war abgekühlt, mein Glied wieder weich, doch ich war nicht unzufrieden, obwohl ich mich ein wenig seltsam fühlte. „War das jetzt trotzdem schön, obwohl du weinen musstest?“, fragte ich leise. Er nickte, lächelte, umarmte mich. „Ja, war es. Dankeschön, mein Liebster.“ Ich stand auf, ging kurzentschlossen als Erster ins Bad, stellte mich unter die Dusche und musste mich irgendwie auch erst mal wieder innerlich ordnen. Irgendwas war durcheinander geraten, doch ich konnte nicht erkennen, was es war. Der Rest des Morgens verlief dann aber wieder so wie immer. Duschen, anziehen, schminken, frühstücken, beziehungsweise rauchen. Und es fühlte sich auch alles normal an, fast so, als ob der Tag heute gut wurde, für mich, und auch für Tsuzuku. Wir gingen zusammen zur Bahn, Tsuzuku umarmte mich auf dem Bahnsteig und wir nahmen jeder die jeweilige Bahn zu unseren Arbeitsstellen. Innerlich betete ich, dass er den Tag gut überstand, halbwegs stabil blieb. Und gleichzeitig spürte ich, dass ich mich auch um mich selbst kümmern musste. Ich spürte permanent die Versuchung, nur noch für ihn da zu sein, alles für ihn zu tun, nur ihn glücklich zu machen, und dabei passierte es leicht mal, dass ich mich selbst ein wenig vergaß. Während der Bahnfahrt hörte ich Musik und versuchte, mir mal wirklich keine Sorgen um meinen Freund zu machen, sondern nur über mein eigenes Leben nachzudenken. Ich hoffte, dass MiAs Auftauchen an meiner Arbeitsstelle eine einmalige Sache gewesen war und er nicht erfuhr, dass ich dort arbeitete. Beziehungsweise, vielleicht sollte Koichi ihm das einfach sagen, damit MiA sich dann nicht mehr blicken ließ. Ich wollte ihn wirklich nicht mehr sehen, und schon gar nicht irgendwie mit ihm zu tun haben. Jede Situation mit ihm wäre einfach nur seltsam gewesen. Als die Bahn hielt und ich ausstieg, kam mir vom anderen Bahnsteig Koichi entgegen. Anscheinend war er heute auch ein bisschen später dran. „Morgen, Meto“, begrüßte er mich lächelnd und fragte auch gleich: „Wie geht’s dir?“ Ich brauchte wieder einen Moment, bis ich richtig sprechen konnte, dann antwortete ich: „Eigentlich ganz gut.“ „Und Tsuzuku?“ „Vorhin ging’s ihm gut“, sagte ich und dachte daran, dass ich das, sobald ich nicht mehr bei ihm war, ja nicht mehr sicher wissen konnte. „Ist gerade alles ziemlich … schwankend, oder?“, fragte Koichi. Ich nickte. „Meto, du darfst dabei auch nicht vergessen, für dich selbst zu sorgen. Ich weiß, du willst am liebsten nur für Tsuzuku da sein, aber pass auch auf dich selber auf.“ „Ich weiß“, sagte ich. Auf den Gedanken war ich ja selbst schon gekommen. Nur, irgendwie war das schwer umzusetzen. Vielleicht sollte ich erst einmal einfach meiner täglichen Arbeit nachgehen, ohne mir die ganze Zeit Sorgen zu machen. Der Vormittag verlief dann tatsächlich ziemlich gleichförmig und geregelt, es gab genug zu tun und ich machte einfach meinen Job, was mir auch soweit gut gelang. Bediente die wie immer zumeist weibliche Kundschaft, stand für Fotos bereit und spielte die stumme Puppe. Es gefiel mir, und das Ganze hatte, trotz dass es Arbeit war, etwas Entspannendes an sich, weil es mich zwang, nur an mich und meine Kundschaft zu denken, und mich von meiner Sorge um Tsuzuku abzulenken. In der Mittagspause rief ich ihn trotzdem kurz an, einfach um zu fragen, ob bei ihm alles okay war. Er klang ganz entspannt und ruhig, erzählte ein bisschen was und fragte mich, wie es bei mir lief, worauf ich ebenfalls ein wenig erzählte. Nach dem schlimmen Tag gestern und dem Gefühlschaos heute Morgen war ich jetzt einfach nur froh, dass es ihm gerade ganz normal gut ging. Tatsächlich hätte ich mir, wenn er jetzt wegen irgendwas euphorisch gewesen wäre, mehr Sorgen um ihn gemacht, weil ich dann befürchtete, dass er zu hoch flog und dann umso tiefer fiel. Aber jetzt war alles okay und ich machte mich nach der Pause wieder an die Arbeit. Ein ganz normaler Tag, ein fast normales Leben, einfach mal nicht daran denken müssen, dass der Mann, den ich über alles liebte, an einer schlimmen Krankheit litt. Ich hoffte, dass er das auch ab und zu mal vergaß und sich auch mal ohne einen Gedanken daran einfach nur gut fühlte. Ich wünschte es ihm so sehr! Abends, als ich nach Hause fuhr, fühlte ich mich seltsam, traute dem Frieden nicht. Ich war nicht mehr an solche Ruhe gewöhnt. Doch als ich unsere Wohnung betrat, erwartete mich kein Chaos, kein weinender oder sonst wie niedergeschlagener Tsuzuku, sondern stattdessen einer, der irgendwie unseren Fernseher zum Laufen gebracht hatte, und jetzt davor saß und eine Sportsendung ansah. Er hatte eine Tüte Knabberzeug neben sich stehen, dazu eine Dose Bier, und wirkte so entspannt, wie ich ihn lange nicht mehr gesehen hatte. „Hey, Baby“, begrüßte er mich lächelnd. „Wie war dein Tag?“ „Gut. Hatte ordentlich zu tun“, antwortete ich. „Und bei dir?“ „Alles gut.“ Er lächelte wieder und es wirkte ganz ehrlich. Es war nur eine kleine Unterhaltung und in einer anderen Beziehung hätte sie vielleicht für Langeweile oder ähnliches gesprochen, doch für Tsuzuku und mich war es einfach mal ein Stück Normalität, etwas, das wir beide brauchten, weil es Stabilität und Entspannung bedeutete. Ich setzte mich neben ihn aufs Sofa und wir sahen uns die Sendung, ein Baseballspiel, zusammen an, aßen von dem Knabberzeug und ich holte mir auch ein Bier. Das Spiel war schon halb durch, aber spannend bis zur letzten Minute, und als dann tatsächlich die Mannschaft gewann, die Tsu lieber mochte, freute er sich richtig darüber, sprang sogar auf, und umarmte mich dann. Der Rest des Abends verlief ebenso entspannt und normal. Nach dem Spiel sahen wir noch einen Film an, der auf einem anderen Sender lief, und als wir beide müde waren, gingen wir einfach schlafen, ohne Tränen, ohne Sex, ich lag einfach nur in seinen Armen und fühlte, wie sein Herz kräftig und gleichmäßig schlug und er ganz ruhig atmete. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)