Yasashikunai Mirai von Harulein (Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 14: [meto] Act 14 ------------------------- Ich wachte wieder früh auf an diesem Morgen, ein Blick auf die Leuchtanzeige meines Weckers zeigte mir fünf Uhr zwanzig an. Tsuzuku lag immer noch nah bei mir, mein Arm unter der Decke auf seiner Seite, und als ich mich ein wenig an ihn kuschelte, kitzelten seine schwarzen Haare meine Nase. Ich strich sie vorsichtig weg und fuhr dann mit den Fingern noch ein wenig hindurch, sie fühlten sich ganz glatt und weich an, gesünder als meine eigenen, die ich ja auch mit Bleichen und Färben traktierte. Obwohl ich selbst meine Haare am liebsten kurz trug, fand ich es wunderschön, dass Tsuzukus Haare ihm bis auf die Schultern reichten und ich so die schwarzen Strähnen durch meine Finger gleiten lassen konnte. Ich streckte mich, bis ich mit der anderen Hand den Lichtschalter erreichen konnte, und machte Licht an, sodass ich das Gesicht meines Schatzes sehen konnte. Er sah so lieb und weich aus, wenn er so friedlich schlief, und ich konnte nicht anders, als ihn ganz vorsichtig und zärtlich auf seine wundervollen, süßen Lippen zu küssen. Tsu gab im Schlaf einen leisen Laut von sich und schmiegte sich enger an mich, so als träumte er gerade von mir. „Ich liebe dich“, kam es mir leise über die Lippen, und am liebsten wollte ich ihn wieder küssen, aber andererseits wollte ich ihn ja nicht wecken, also ließ ich es. Ich blieb einfach so liegen und wartete, hing derweil meinen eigenen Gedanken nach, die sich vor allem um Tsuzuku und mich drehten. Ich dachte an die vorletzte Nacht, an Tsus rätselhaften Schmerzanfall, der bei mir einen bleibenden Eindruck von Angst und Hilflosigkeit hinterlassen hatte. Zu sehen, wie mein liebster Mensch auf der Welt solche Schmerzen hatte, und wie er dann sogar davon ohnmächtig geworden war, hatte mir ebenfalls wehgetan. Ich hatte wieder furchtbare Angst um ihn gehabt. Bis zum Eintreffen der Ärztin und ihrer beruhigenden Diagnose, dass körperlich gesehen mit Tsuzukus Herzen alles okay war, hatte ich befürchtet, dass er vielleicht an derselben Krankheit litt wie seine Mama. Es war zwar nicht das erste Mal gewesen, dass Tsuzuku scheinbar sehr nah an der Grenze zwischen Leben und Tod gestanden hatte (ich konnte mich noch gut an die Zeit erinnern, als wir uns gerade erst kennen gelernt hatten und er oft gesagt hatte, dass er nicht mehr leben wollte), aber da das letzte Mal, dass er vom Sterben gesprochen hatte, so lange her war, war es doch ein ziemlicher Schock gewesen. Und als er plötzlich ohnmächtig geworden war, hatte ich ganz kurz gedacht: „Was, wenn er jetzt …?“ Ich hatte dann sofort die Notrufnummer gewählt, mit zitternder Stimme und stockenden Worten unsere Adresse genannt und versucht, möglichst genau zu beschreiben, was los war. Ich sah Tsu an, wie er immer noch tief schlafend neben mir lag, und auf einmal hatte ich wieder große Angst um ihn. Was, wenn es irgendwann noch schwerer wurde, das alles? Wenn dieses Ungeheuer Borderline in ihm noch größer wurde und ich ihm nicht mehr helfen konnte? Wenn es irgendwann nicht mehr ausreichte, ihn in meinen Armen zu halten, zu küssen und meine Hand auf sein Herz zu legen? Wenn ich nichts mehr tun konnte? Mir blieb nichts, als zu hoffen und zu beten, dass es nicht schlimmer wurde, und dass Tsuzuku sich doch, falls er abstürzte, professionelle Hilfe suchen würde. Aber ich wusste, dass ich ihn dazu nicht zwingen konnte. Wieder spürte ich diese Last auf meinen Schultern, die Verantwortung, für ihn da zu sein und mich um ihn zu kümmern. Ich wusste, ich war nicht ganz allein damit, da war auch noch Koichi, und Tsu hatte außerdem noch Hitomi, aber mir war klar, dass ich derjenige war, von dem er emotional am abhängigsten war. Er liebte mich wahnsinnig und obwohl sich das sehr, sehr schön anfühlte und mich glücklich machte, war da eben doch diese schwer wiegende Verantwortung. Seine Angst davor, verlassen zu werden, verstärkte das noch. Ich fragte mich, woher diese Angst eigentlich kam. So, wie er das sagte, hing sie direkt mit der Tatsache, dass er krank war, zusammen, damit, dass er fürchtete, seine Art und sein Wesen könnten mir zu viel werden. Und obwohl ich mir sicher war, dass ich, auch wenn es ihm schlechter ging, nicht von seiner Seite weichen würde, konnte ich ihm diese Angst nicht nehmen. Als ich Tränen in meinen Augen spürte, war mir klar, dass ich ganz schnell ein anderes Thema für meine Gedanken finden musste. Vorsichtig löste ich mich von Tsu und stand auf, zog mir Shorts und mein Schlafanzughemd an und ging vom Schlafzimmer in die Küche, wo ich mir einen starken Kaffee kochte und dann mit der Tasse in der Hand auf meinem Platz am Tisch saß. Bemüht, mit meinen Gedanken nicht wieder an die schmerzhaften Dinge und die Angst zu rühren, dachte ich an gestern Abend, als mir beim Tanzen mit Tsuzuku die Idee gekommen war, das, was wir dann ja auch getan hatten, zu versuchen. Erst einmal nur den Anfang des sexuellen Positionstauschs zu wagen, den er sich ja so wünschte. Es hatte mir gefallen, ihn vorher ein bisschen auf die Folter zu spannen, und ihn dann so zu verführen, wie er es am liebsten hatte. Nur, dass es dieses Mal eben nicht darin geendet hatte, dass er mich nahm, sondern dass ich zum ersten Mal erlebt hatte, wie es war, selbst den dominanteren Part zu übernehmen. Und dieser Part hatte mir so für den ersten Versuch doch recht gut gefallen. Es war noch ein wenig ungewohnt, doch irgendwas daran löste in mir schon beim Gedanken ein leises, angenehmes Kribbeln aus. Ich erinnerte mich an das starke Herzklopfen, das ich verspürt hatte, und an Tsuzukus erregten Reaktionen, besonders daran, wie er reagiert hatte, als ich jene süße Stelle in seinem Innern entdeckt hatte, von der ich von mir selbst wusste, dass eine Berührung dort eine heftige Lustwelle auslöste. Er hatte darauf noch heftiger reagiert als ich und ich hatte gespürt, wie es ihm fast zu viel geworden war, noch kurz bevor er das auch gesagt hatte. Aber es hatte ihm anscheinend gefallen, so, wie er danach gewirkt hatte. Entspannt und müde und zufrieden, weil wir endlich den Anfang dessen gemacht hatten, was er sich wünschte. Und noch ein anderer Gedanke schwirrte jetzt in meinem Kopf herum: Ich hatte vorher gar nicht gewusst, dass mir doch irgendwie ein Teil meines Männlichkeitsgefühls gefehlt hatte. Wie denn auch, wenn ich doch bisher nie den männlicheren Part einer Beziehung so inne gehabt hatte. Doch jetzt fühlte ich mich in Bezug auf mein Liebesleben so, als sei ich durch diesen kleinen Anfang doch ein wenig mehr erwachsen und mehr zu einem ‚richtigen Mann‘ geworden. Der Gedanke fühlte sich noch ein wenig seltsam an, und mir wurde klar, dass ich doch irgendwie ziemlich die Frauenrolle gespielt hatte. Draußen wurde es langsam heller und ich blieb noch eine Weile in der Küche sitzen, trank meinen Kaffee und dachte über meine eigene Vorstellung von Männlichkeit und meine Orientierung nach, darüber, wie ich mich eigentlich als Mann sah, der ich ja nun mit meinen zwanzig Jahren war. Ich hatte schon recht früh gemerkt, dass ich ausschließlich auf Männer stand, dass Frauen für mich nur gute Freundinnen waren und ich mir sexuelle Dinge nur mit einem anderen männlichen Wesen vorstellen konnte. Doch lange Zeit hatte ich mich wegen meiner Sprachprobleme nicht getraut, mit einem eine Beziehung anzufangen, und es war auch keiner da gewesen, mit dem ich mir so etwas hätte vorstellen können. Irgendwo hatte ich auch gewusst, dass ich für eine dauerhafte Beziehung ein enges Vertrauen zu jemandem brauchte. Nur war ich ja damals noch davon ausgegangen, dass Tsuzuku, mein liebster, bester Freund, hetero wäre, weshalb ich gar nicht daran gedacht hatte, dass er der Richtige für mich sein könnte. Dann war da MiA gewesen, der mir Ablenkung und ein bisschen Ruhe vor Tsuzukus Problemen geboten hatte, und von dem ich mir gewünscht hatte, dass er vielleicht der Richtige war. Der Richtige. Die perfekte, oder zumindest fast perfekte Beziehung, in der man sich angekommen und angenommen fühlte, und in der es einfach passte. Ich hatte das bestimmte Gefühl, dass das zwischen Tsuzuku und mir genau das war und dass er das genauso empfand. Immer, wenn er mich seinen ‚Liebsten‘ nannte, mich so lustvoll und sehnsüchtig küsste und ganz fest umarmte, spürte ich es, wie sehr er mich liebte, und dass er mich so annahm, wie ich war. Ich trank den Kaffee aus und ging dann ins Schlafzimmer zurück, wo Tsuzuku immer noch schlafend halb unter der Decke lag, und ich legte mich wieder zu ihm, um ihn ganz langsam und liebevoll zu wecken. Ich schmiegte mich eng an seinen schmalen, warmen Körper, küsste seinen Hals und seine Schulter, und berührte schließlich seine süßen, leicht dunklen Nippel, die von der Kühle im Raum hart waren und sich ein wenig röteten, als ich sie zärtlich streichelte. „Mhh… Meto …“, seufzte er schlaftrunken, die Augen noch geschlossen. Ich beugte mich über ihn und küsste seine weichen Lippen, leckte dabei zärtlich über seine Unterlippe und hauchte: „Guten Morgen, mein Herz.“ „Mach weiter … das ist schön …“ „Sicher?“, fragte ich. „Ich meine, wir müssen doch heute beide arbeiten.“ Tsuzuku öffnete die Augen, legte seine Arme um mich und drehte uns dann mit einem Mal beide herum, sodass er auf mir lag. „Aber bis dahin ist doch noch Zeit, oder?“, schnurrte er in mein Ohr. Ich blickte zur Seite, der Wecker zeigte jetzt sechs Uhr fünfzehn an. Sollten wir? Jetzt noch so etwas wie Sex zu tun, was mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, war das richtig? „… Es sei denn, du möchtest nicht?“, fragte Tsu und sah mich an. Ich versuchte, in seinen dunklen Augen zu lesen, ob er, sollte ich jetzt ‚Nein, ich möchte nicht‘ sagen, enttäuscht sein würde. „Wir können doch auch mal einfach nur ein bisschen kuscheln, oder?“, fragte ich. Tsuzuku lächelte. „Na klar können wir das.“ Und so taten wir jetzt nichts anderes, als uns zu umarmen und zu küssen, wobei Tsu es sich jedoch nicht nehmen ließ, mein Schlafhemd aufzuknöpfen und mein von ihm so geliebtes Tattoo-Baby zu streicheln und mit kleinen Küsschen zu übersäen. Im Gegenzug verwöhnte ich ein bisschen seine Nippel, wohl wissend, wie sehr er das mochte und dass ich ihn damit sehr schnell erregen konnte. Als er selbst merkte, dass es ihn nur allzu geil machte, hielt er meine Hand fest und lenkte meine Aufmerksamkeit auf seine Seiten und seinen Rücken, wo ich ihn weiter streichelte, und ihn dann ganz fest und liebevoll umarmte. Ich spürte Tsuzukus Herzschlag, seine Atemzüge, seine glatte, warme Haut an meiner, und wollte ihn am liebsten nie wieder loslassen. Immer bei ihm bleiben, jede Dunkelheit aus seinem Herzen vertreiben und ihn spüren lassen, wie sehr ich ihn liebte. Er genoss meine Nähe ebenso und ich spürte, dass er jetzt gerade, in diesem Moment, vollkommen entspannt war, und verliebt bis in die Haarspitzen. Eine ganze Weile blieben wir so eng zusammen liegen, ohne ein Wort, einfach nur so, und unser beider gleichmäßiger Herzschlag ließ uns fast wieder einschlafen. Doch dann bewegte Tsu sich, hob den Kopf und küsste mich. „Hab ich dir heute eigentlich schon gesagt, dass ich dich liebe?“, fragte er lächelnd. Ich schüttelte, ebenfalls lächelnd, den Kopf. Tsuzukus dunkelbraunen Augen leuchteten glücklich, als er ein leises „Ich liebe dich, Meto“ gegen meine Lippen hauchte. Irgendetwas blitze in ihnen auf, ein Gedanke oder eine Idee, die ihn offenbar sehr glücklich stimmte. „Weißt du, was wir heute Nachmittag nach der Arbeit machen?“, fragte er mich dann. „Was denn?“ „Wir kaufen Farbe und dann machen wir dieses Zimmer hier mal schön. Ich kann diese weißen Wände nicht mehr sehen.“ „Und welche Farben nehmen wir?“, fragte ich, obwohl wir das ja schon irgendwann mal besprochen hatten. „Ich dachte an Rot und Schwarz. Oder hättest du gern was anderes?“ Ich erinnerte mich kurz an den Mietvertrag, ob es darin erlaubt war, die Wände mit solchen starken Farben zu streichen. „Ich weiß nicht …“, sagte ich. „Ist das überhaupt erlaubt?“ „Sind doch unbemalte Tapeten drauf. Sollten wir hier jemals wieder ausziehen, reißen wir einfach die Tapeten von den Wänden, dann ist die Farbe mit weg.“ Tsuzuku grinste. „Also, willst du Rot und Schwarz, oder was anderes?“ „Eine schwarze Wand erschlägt einen doch, oder?“, fragte ich. „Dann machen wir Rot mit irgendwelchen schwarzen Mustern drauf, wie wäre das?“ Ich nickte. Tsuzuku war eh nicht mehr von seiner Farbwahl abzubringen und seine Motivation war auch irgendwie ansteckend. „Aber erst mal gehen wir heute Vormittag arbeiten“, sagte ich. „Irgendwo muss ja das Geld für so was herkommen.“ Aufstehen, duschen, anziehen und schönmachen ging dann doch recht schnell, und als ich zum Frühstücken in die Küche kam, stand Tsu schon mit einer Zigarette am Fenster. „Hast du schon gegessen?“, fragte ich. „Hab keinen Hunger.“ Es war schon seltsam. Eben war er noch so gut drauf gewesen, und jetzt stand er da, schaute aus dem Fenster und rauchte, statt zu essen. Doch er wirkte gar nicht so wirklich traurig. Viel mehr sah es so aus, als hätte er einfach keinen Antrieb, etwas zu essen. „Komm, Tsu“, sagte ich und hielt ihm meine Schale mit kaltem Reis hin. „Iss ein bisschen was, für mich, bitte.“ Er sah mich erst einfach nur an, dann huschte ein kleines Lächeln über sein Gesicht. Er drückte die Zigarette aus, kam auf mich zu, hockte sich vor mich hin und machte den Mund auf, wie ein Vogelküken, das gefüttert werden wollte. Ich nahm ein bisschen Reis zwischen die Stäbchen und schob es ihm in den Mund, musste dabei lächeln, weil er, um die Niedlichkeit perfekt zu machen, ganz große Augen machte. „Braves Tsu“, grinste ich. „Und nochmal …“ Wir spielten dieses Spiel noch ein wenig weiter, wobei Tsu immer mehr auf niedlich machte. Ich war ein bisschen überrascht, weil diese Seite von ihm nur selten zu sehen war, aber irgendwie passte das auch zu ihm, zu seiner Gegensätzlichkeit. Als er dann anfing, Geräusche zu machen, die sich sehr nach einer kleinen Katze anhörten, musste ich aber so lachen, dass mir fast die Essstäbchen aus der Hand gefallen wären. „Und du willst mir erzählen, dass du nicht süß bist?“, lachte ich. Er zuckte nur mit den Schultern, lächelte wieder. Ich legte die Stäbchen weg, Tsu stand wieder auf und schloss das Fenster. Während ich den Tisch abräumte, ging er schon mal zur Tür und zog seine Schuhe an. Ich folgte ihm kurz darauf und wir gingen dann zusammen raus in Richtung Bahnstation. Auf dem Weg hielt Tsuzuku meine Hand und so spürte ich deutlich, dass er sich gerade durchweg gut fühlte. Und als er plötzlich stehen blieb, mich spontan umarmte und küsste, da hatte ich das Gefühl, dass heute ein guter Tag wurde. „Sag mal, Meto …“, begann er dann, als wir weitergingen, „… wovon bezahlen wir nachher die Farbe und das alles eigentlich?“ Ich dachte an mein Bankkonto, auf das ich zurzeit immer noch Geld von meinen Eltern bekam. Da war bestimmt noch genug drauf, dass wir davon zwei Eimer Farbe, und was man sonst noch so brauchte, kaufen konnten. „Du hast noch keinen Lohn bekommen, oder?“, fragte ich noch mal nach. Tsu schüttelte den Kopf. „Nein. Und eigentlich wollte ich den auch für das neue Tattoo ausgeben.“ „Na, was willst du zuerst haben? Rot-schwarze Schlafzimmerwände oder ein neues Tattoo?“, fragte ich. „Da musst du dich entscheiden.“ Ich lachte, denn so ganz ernst gemeint war das nicht. Natürlich war ich als der finanzkräftigere von uns beiden bereit, den größten Teil unserer spontanen Schlafzimmer-Streichaktion zu bezahlen. „Ach man, was soll denn das?“, seufzte Tsu. „Hey, das war ‘n Scherz. Ich bezahl die Farbe, wer sonst?“ Wir erreichten die Bahnstation und setzten uns auf eine der Bänke, warteten, bis die nächste Bahn in die Innenstadt kam. Tsuzukus Hand lag wieder auf meinem Bein, liebevoll und zugleich besitzergreifend, deutlich machend, dass er und ich zusammen gehörten. Er sah mich an und in seinen dunklen Augen leuchtete etwas auf, so als ob ihm wieder eine schöne Idee kam, die irgendwie mit mir zu tun hatte. Jetzt, in diesem Moment, hatte er bestimmt keine Angst, dass ich ihn allein lassen könnte. Auf dem Bahnsteig wurden es immer mehr Menschen und ich spürte ab und an einen irritierten oder abfälligen Blick auf uns. Hoffentlich, so wünschte ich es mir von ganzem Herzen, fühlte Tsu sich gerade gut und stark und sicher, sodass ihm diese Blicke nichts anhaben konnten. Dass seine Hand auf meinem Bein liegen blieb, er sie nicht zurückzog, sprach jedenfalls dafür, dass er gerade keine Angst vor den Blicken der Leute hatte. Als die Bahn einfuhr, stand er mit einem Ruck auf, umarmte mich noch einmal und stieg dann ein, sah mich noch durch ein Fenster an, als die Bahn schon losfuhr, und formte seine Lippen zu einem Kussmund. ‚Hoffentlich bleibt er heute so glücklich‘, dachte ich, und dann: ‚Wird es immer so sein, dass seine Stimmung so sehr schwankt und ich immerzu hoffen muss?‘ Kurz darauf kam auch meine Bahn und auf dem Rest des Weges zu meiner Arbeitsstelle musste ich daran denken, wie Tsu früher auf der Straße gewesen war. Manches war jetzt ja viel besser, anderes schien schlimmer zu werden. Oder einfach irgendwie anders. Ich war froh, dass er nicht mehr ganz so kaputt war wie damals, als ich ihn kennen gelernt hatte, denn das war auch für mich, der ich ihn sofort gern gehabt hatte, eine schwere Zeit gewesen. Ich kam recht nachdenklich im Café an, und Koichi, der schon da war, bemerkte das sofort, als wir zusammen in der Umkleide waren. „Na, Meto-chan, woran denkst du?“, fragte er. „Wegen Tsu … ihm geht heute grad sehr gut … aber ich hab dann so Angst, dass … er einfach so wieder … abstürzt“, antwortete ich leise und begann, mich umzuziehen. „Hm …“, machte Koichi und setzte sich neben mich. „Kommt das denn öfter vor?“ „Ab und zu. Einen Moment … ist er total gut drauf und dann … na ja, weißt du ja. Und weil ich jetzt weiß, wie man das nennt und was das ist … Es wird immer so sein, oder?“ Ich spürte, wie ein kleiner, fieser Zweifel in mir hochkam, eine gemeine Angst davor, dass Tsuzukus größte Angst sich bewahrheiten und ich ihn wirklich irgendwann nicht mehr aushalten würde. „Meto, ich denke mal, solange wir beide bei ihm sind, wird’s nicht arg schlimmer werden“, sagte Koichi. „Wir sind doch genau das, was Tsuzuku am meisten braucht. Du bist nicht allein mit ihm, ich bin auch noch da, und Tsu hat ja jetzt noch Hitomi.“ „Aber … weißt du, vielleicht… wir mal so richtige… Hilfe brauchen ... Und das will er nicht. Er absolut nicht …ins Krankenhaus will…“ „Weißt du, warum er nicht will?“ „Er sagt, …will nicht so… unter Kranken sein. Dass… Angst hat, dann sein letztes bisschen Normalität verliert und völlig durchdreht.“ „Okay, das kann ich irgendwie verstehen“, sagte Koichi und knöpfte dabei die Weste seiner Uniform zu. „Wenn man den falschen Psychiater erwischt, kann das übel schiefgehen.“ Die Arbeit lenkte mich dann aber ganz gut von der Sorge um meinen Freund ab. Ich hatte alle Hände voll zu tun damit, stumm die Mädchen im Café zu bespaßen, Essen zu servieren und immer wieder für Fotos bereitzustehen. Ein bisschen überfordert und ungeübt war ich zwar immer noch, aber ich kam zurecht und Koichi half mir auch, wo er konnte. Er ging richtig auf in seiner Arbeit und ich hatte den Eindruck, dass er sich aus seiner Traurigkeit der letzten Tage rausgekämpft hatte. „Geht dir besser, Ko, oder?“, fragte ich, als wir in der Pause im Hinterhof standen. Koichi zündete sich eine Zigarette an und nahm einen Zug, dann antwortete er: „Ja, alles wieder so weit gut.“ Er schwieg einen Moment, lächelte und sagte dann: „Mikan und ich, wir sind jetzt so was wie zusammen.“ „Echt? Also, so ein … richtiges Paar?“, fragte ich erstaunt, denn ich hatte nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde. „Na ja, so ganz und gar klar ist es noch nicht. Aber wir sprechen darüber und wir küssen uns. Das ist doch schon was, oder?“ „Schön ist das!“ Ich lächelte. Es freute mich sehr für Koichi, dass er nicht mehr so einsam war und dass Mikan ihn jetzt anscheinend auch als vollwertiges männliches Wesen ansah. Das hatte ihn offenbar doch sehr gekratzt, dass ihn die Mädels als ‚halbe Frau‘ angesehen und auch irgendwie so behandelt hatten. In dieser Pause rauchte ich mal wieder eine einzelne Zigarette mit, hatte irgendwie Lust darauf. Ich wusste, ich konnte mich glücklich schätzen, dass ich nicht immer rauchen musste, sondern es die längste Zeit über sein lassen konnte. Tsuzuku war da ja ganz anders, er war so ziemlich abhängig und konnte nicht ohne seine Zigaretten klarkommen. Ich konnte mich noch gut erinnern, wie ich ihm damals im Akutagawa-Park fast jeden Tag ein Päckchen mitgebracht hatte. Inzwischen rauchte er weniger als damals, vielleicht vier oder fünf am Tag, aber aufhören würde er bestimmt nicht. „Sag mal, wie geht’s Tsu?“, fragte Koichi mich. „Also, so allgemein?“ Und da erst fiel mir ein, dass Koichi vielleicht noch gar nichts von dem schlimmen Schmerzanfall wusste, den Tsu letztens gehabt hatte. Ich traute meinem Freund zu, dass er diese Sache vor Koichi verschwiegen hatte, aber irgendwie fand ich, dass dieser darüber Bescheid wissen sollte. „Tsu dir erzählt hat, … was vorletzte Nacht war …?“, fragte ich deshalb. „Nein. Was war denn?“ „Er… so ‘ne Art schlimmen Schmerzanfall… hatte. Irgendwie… Albtraum oder so …, und dann …aufgewacht und… Herz tat ihm sehr weh. Er ist richtig …ohnmächtig geworden… von den Schmerzen. Ich hab… Notärztin gerufen, aber die… hat keine körperliche …Ursache gefunden …“ „Oh Gott …“, entfuhr es Koichi, er schlug sich die Hand vor den Mund vor Schreck. „Warum sagt er mir so was nicht?“ „Wahrscheinlich, damit… dir keine Sorgen machst… Kennst ihn doch, so ist er.“ Koichi nickte mechanisch, und ich fragte mich, ob es nicht doch falsch war, dass ich ihm das jetzt erzählt hatte. Er schien ziemlich schockiert zu sein. „Und ist er wenigstens deswegen mal im Krankenhaus gewesen?“, fragte er dann. „Nein, noch nicht. Weil … die Ärztin hat gesagt, dass … halt psychosomatische Ursache sein kann … und Tsu will halt nicht … in Klinik über … na ja, Borderline und das alles reden …“ „Hm … Ach man, warum muss das auch immer alles so schwer sein?“, seufzte Koichi. Ich zuckte mit den Schultern, wusste ja auch nicht, warum. „Wir beide müssen gut auf Tsuzuku aufpassen“, sagte er dann. „Anscheinend weiß er mal wieder vor lauter Angst nicht mehr, was gut für ihn ist.“ Wir gingen beide wieder an die Arbeit und machten bis Mittag durch, dann hatte ich Schluss, während Koichi noch bis abends zu tun hatte. Wenn er nicht noch zu arbeiten gehabt hätte, hätte ich ihn gefragt, ob er Tsu und mir beim Streichen unseres Schlafzimmers helfen wollte, aber so musste ich jemand anderes fragen. Und darum meldete ich mich, als ich auf dem Heimweg war, nach einer gefühlten Ewigkeit mal wieder bei Haruna. Sie war anscheinend wieder mal im Akutagawa-Park, denn ich hörte im Hintergrund das Rauschen der Bäume und das Reden der anderen. „Hey, Meto! Gibt’s dich auch noch?“, fragte sie und lachte. Ich nickte, dann fiel mir wieder ein, dass sie das ja am Telefon nicht sehen konnte, und ich brachte ein leises „Ja“ raus. „Du und Tsuzuku, ihr fehlt hier ein bisschen bei uns im Park. Will er immer noch nicht wieder herkommen?“, fragte Haruna. „Nein … Aber Hanako und du, ihr … gerne zu uns … kommen könnt. Darum … ich anrufe, weil … Tsu und ich … das Schlafzimmer streichen wollen … heute.“ „Und da braucht ihr Verstärkung, ja?“ Haruna lachte wieder. „M-hm.“ „Okay, wann sollen wir da sein?“ „Irgendwann … heute Nachmittag. Tsu und ich … noch erst die Farbe kaufen müssen.“ „Also so um drei oder so?“ „Ja, … drei is gut.“ „Alles klar, ich sag Hana und Yami Bescheid, dann treffen wir uns beim Baumarkt, okay? Dann können wir euch gleich schleppen helfen.“ Als ich zu Hause angekommen die Wohnungstür aufschloss, schallte mir laute Musik entgegen. Dir en grey, Raison d‘être. Ich schaute ins Schlafzimmer und sah Tsuzuku bäuchlings auf dem Bett liegen, er hatte meine Musikanlage auf den Boden gestellt und um ihn herum lagen eine Menge Zettel, Stifte und aufgeschlagene Bücher. „Was machst du da?“, fragte ich laut gegen die Musik an. „Siehst du doch“, antwortete er. „Ich schreibe wieder.“ „Und was schreibst du?“ Er stand auf, stellte die Musik etwas leiser und sagte: „Gedichte, Texte, alles, was mir so einfällt.“ Ich wusste, dass er früher mal Gedichte geschrieben hatte, doch ich hatte ihn noch nie direkt kreativ schreiben sehen. Und irgendwie, obwohl die Gedichte, die er jetzt schrieb, wahrscheinlich überwiegend dunkel und traurig waren, hatte dieses Bild von ihm, so umringt von Zetteln und Büchern, etwas Positives. Auf der hellen Bettwäsche sah ich etwas liegen, das meine Aufmerksamkeit auf sich zog: Eine rote, runde Schachtel, eine von denen, die man im Juwelierladen bekam, wenn man ein Paar Ohrringe oder dergleichen kaufte. Hatte Tsuzuku sich irgendein neues Schmuckstück gekauft? Er bemerkte meinen Blick und nahm die Schachtel in die Hand, doch statt sie zu öffnen und mir zu zeigen, was darin war, steckte er sie in die Tasche seines Kapuzenpullovers. „Hast du schon Lohn bekommen und dir was gekauft?“, fragte ich. „Ja, Kurata hat heute mal ausgezahlt. Ist nicht viel, reicht noch nicht für das Tattoo.“ „Und was hast du gekauft?“ „Siehst du noch früh genug“, sagte Tsu und lächelte. Er war immer gut drauf, wenn er ein schönes neues Teil erstanden hatte, aber das Leuchten, das jetzt in seinen Augen strahlte, war irgendwie ein bisschen anders als seine normale Freude über etwas neu Gekauftes. Und so fragte ich mich, was wohl in dieser kleinen, roten Schmuckschachtel steckte, dass es meinen Freund so glücklich stimmte. Tsuzuku räumte die Schreibsachen weg, ich brachte die Musikanlage zurück ins Wohnzimmer und setzte mich dann in die Küche, um mal zu überlegen, was wir alles brauchten, um das Schlafzimmer schön zu machen. „Meto, ich war vorhin kurz bei Dr. Matsuyama. Sie sagt, ich soll demnächst doch noch mal für Untersuchungen zu ihr kommen, EKG und so was“, sagte er auf einmal und öffnete dabei wieder das Fenster, um eine Zigarette zu rauchen. „Und? Gehst du dann auch hin?“ „Wäre wohl besser, oder?“ Er zündete die Zigarette an und nahm einen Zug. „Und sie hat für mich bei einem Psychiater angerufen … Da weiß ich allerdings wirklich nicht, ob ich das will …“ „Eher nicht, oder?“, fragte ich. „Nein … Wenn ich so dran denke, will ich das wirklich nicht.“ „Hast du ihr das gesagt?“ „Ja. Sie meinte auch, ich muss nicht sofort mit dem Psychiater sprechen. Aber … ich weiß ja selber, dass ich das irgendwann muss …“ „Rede da doch mal mit Hitomi drüber“, schlug ich vor. „Die kennt sich doch aus mit so was, da kann sie dir bestimmt sagen, was man da am besten sagt.“ „M-hm …“ Ich nahm mir Zettel und Stift und wechselte das Thema: „Also, wir brauchen Farbe und Pinsel und diese Malerrollen, Folie, um das Bett und den Schrank abzudecken und … was noch?“ „Dieses Klebeband aus Papier, was man ganz leicht wieder abkriegt, oder? Wenn wir auf dem Rot einen schwarzen Streifen haben wollen.“ Ich schrieb alles auf und sagte dann: „Haruna, Hanako und Yami warten beim Baumarkt auf uns. Dann müssen wir beide nicht alles allein schleppen.“ „Und Koichi muss arbeiten?“ „Ja, bis heute Abend.“ „Meinst du, wir schaffen das ganze Zimmer heute?“, fragte Tsu. „Weiß nicht. Aber eigentlich schon, zu fünft müsste das zu schaffen sein.“ „Sonst schlafen wir halt eine Nacht im Wohnzimmer, ne?“ Tsuzuku grinste und fügte dann mit einem leicht anzüglichen Ton in der Stimme hinzu: „Das hat doch auch was Romantisches an sich.“ Ich lachte. „Wie du immer gleich an Sex denkst …“ „Ich bin verliebt, ich darf das.“ Ich stand auf und umarmte ihn, flüsterte in sein Ohr: „Ich auch.“ Das brachte mir einen besonders süßen Kuss ein und Tsuzukus Hand unter meinem Shirt an meinem Rücken. „Heute lieb ich dich irgendwie ganz besonders“, flüsterte er zurück. „Ich will dich am liebsten gar nicht mehr wieder loslassen.“ Einen Moment blieben wir so stehen, eng umarmt und verliebt, und ich spürte geradezu, wie sich Tsu’s innerer Liebesspeicher auffüllte mit meiner Nähe. „Wir müssen los“, sagte ich schließlich leise. „Komm, heute Abend kann ich dich noch viel mehr umarmen.“ Er löste sich langsam von mir, ich nahm die Liste vom Tisch und tat sie im Flur in meinen Rucksack, der sicher groß genug war, um Pinsel, Malerrollen und eine Rolle Folie unterzubringen. Die Eimer mit der Farbe würden wir so tragen müssen. Zum ersten Mal ärgerte ich mich, dass ich nie den Führerschein gemacht hatte und deshalb immer alles zu Fuß oder mit der Bahn erledigen musste. „Sag mal, Tsu, hast du eigentlich früher mal Auto fahren gelernt?“, fragte ich ihn, während ich meine Schuhe anzog. „Ich hab mal angefangen. Aber ich hatte immer Stress mit dem Fahrlehrer und dann halt keine Lust mehr. Außerdem hatten Mama und ich nicht das Geld für ein Auto.“ Wir machten uns auf den Weg zur Bahnstation, und Tsuzuku hielt wieder die ganze Zeit über meine Hand, ganz fest, sodass ich spürte, dass er wieder diese leise, gemeine Angst hatte, ich könnte ihn irgendwann verlassen. Ich drückte seine Hand, streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken und sah ihn ab und zu an, er sah nachdenklich aus. Und als wir die Bahnstation erreichten, spürte ich, wie seine Hand mit einem Mal zu zittern anfing. „Alles okay?“, fragte ich leise. Er zuckte mit den Schultern. „Es ist nur … dieser Zwiespalt immer. Einerseits will ich mit dir auch öffentlich Händchen halten, aber … ich hab Angst vor den Blicken, die dann kommen.“ „Vergiss die Leute. Ignorier sie. Lass nicht zu, dass dich das kratzt“, sagte ich und lächelte leicht. „Das sagst du so.“ „Versuch es mal. Sieh mal, ich falle auch auf, aber ich kann die Blicke ausblenden. Und ich glaube, das kannst du auch lernen.“ „Meinst du?“ Ich antwortete nicht darauf, denn in diesem Moment fuhr die Bahn ein, die wir nehmen mussten, um in das Industriegebiet am Stadtrand zu gelangen, wo es sicher auch einen Baumarkt gab. Die Fahrt ging einmal quer durch die Stadt, aber wir redeten in der Bahn nicht viel, Tsuzuku hing seinen eigenen Gedanken nach, und ich versuchte, im Kopf auszurechnen, wie lange wir zu fünft für das ganze Schlafzimmer brauchen würden, es zu streichen. Von der Bahnstation war es ein ganzes Stück zu Laufen, bis wir vor der riesigen Industriehalle standen, über deren Tür in großen Zeichen der Name des Marktes stand. Davor, auf dem Boden an der Mauer, sah ich Haruna und Hanako sitzen, beide in denselben Klamotten wie im Park: Buntschwarz, zerrissen und auffällig, so, wie ich sie kannte. Zuerst dachte ich, dass Yami vielleicht doch nicht mitgekommen war, aber dann kam sie um die Ecke, mit einer Tüte vom Schnellimbiss, der sich auf der anderen Straßenseite befand. Sie sah ebenfalls genauso aus, wie ich sie kannte, komplett in Schwarz und eine deutliche Spur abgerissener und ärmlicher als die beiden anderen. Anscheinend lebte Yami immer noch dort im Park unter der Brücke, im Gegensatz zu Haruna und Hana, die ja beide in richtigen Wohnungen lebten. „Heeey, Meto“, rief Hanako und stand auf. „Hey, Tsu!“ Sie kamen alle drei auf uns zu und ich fühlte ein klein bisschen was von dem alten Akutagawa-Park-Gefühl, von dem Zusammenhalt dort. Es fühlte sich seltsam an, ich wusste nicht, ob ich noch wirklich dazugehörte oder nicht. Haruna umarmte erst mich, dann Tsuzuku, und Yami lächelte nur leicht, blieb wie immer erst mal auf Abstand. Und irgendwie fragte ich mich auf einmal, was mit ihr eigentlich los war. Ich kannte sie kaum richtig, eben weil sie sich selbst immer eher aus Gruppen herauszog und Distanz hielt, aber anscheinend ließ sie sich von Haruna immer wieder überzeugen, Sachen mitzumachen. Ich wusste, ‚Yami‘, Dunkelheit, war ihr selbstgewähltes Pseudonym, und sie wirkte auch so, dass es zu ihr passte. Als wir alle zusammen in den Markt gingen, sah ich aus dem Augenwinkel, wie Tsuzuku Yami ansprach, und hörte ihn fragen, wie es ihr ging. Ich ließ mich zwei Schritte zurückfallen und ging neben Tsu, hörte ein bisschen zu, was Yami sagte. „Na ja, geht so … Letzte Woche war ich schlimm erkältet, deshalb war ich in der Unterkunft. Aber kennst du ja, Tsu, die vielen Menschen da machen einen wahnsinnig.“ Sie blickte zu Boden, dann griff sie an ihren Arm, strich über den löchrigen Stoff ihrer schwarzen Jacke. „… Sieht so aus, als ob ich ein bisschen deine Rolle bei uns im Park übernehme, Tsuzuku.“ „Wie jetzt, meine Rolle?“, fragte mein Freund, klang alarmiert. Yami blieb stehen, blickte wieder nur zu Boden und sagte dann: „Na ja, mit dem Ritzen und so … Ich hab das jetzt auch ein paar Mal gemacht.“ Tsu sah ziemlich erschrocken aus, blieb ebenfalls stehen und sagte recht laut: „Hör damit auf, solange du noch kannst! Sonst kommst du nie wieder davon weg.“ Ich spürte, wie seine Stimmung umschlug und dann lief er voraus, zu Hana und Haruna, die schon auf der Suche nach dem Regal mit den Wandfarben waren. „Jetzt ist er sauer auf mich, oder?“, fragte Yami mich leise. „Nein…“, sagte ich. „Ist er nicht … Es ist nur … na ja, er da so tief drin steckt, in dieser… Borderline-Sache, deshalb… ihn regt das auf…“ „Also hat er das so richtig, Borderline?“ „Wahrscheinlich schon…“ Yami sagte nichts mehr dazu und wir gingen die anderen einholen. Als wir an dem Regal ankamen, hörte ich Hanako fragen: „Schwarz? Echt jetzt, Tsuzuku, du willst die eine Wand schwarz streichen?!“ „Ja, will ich. Zwei Wände rot, zwei schwarz.“ „Das wird dann aber dunkel, euer Liebesnest …“, sagte Haruna. „Ich mag‘s dunkel, das wisst ihr doch.“ „Und was sagt Meto dazu?“, fragte Hanako, dann sah sie mich und fragte mich direkt: „Meto, was sagst du dazu, dass Tsu die Wand bei den Fenstern und die mit der Tür schwarz streichen will?“ Was sollte ich dazu sagen? Ich konnte mir das noch nicht so wirklich gut vorstellen, obwohl ich irgendwo doch das Gefühl hatte, dass es zum Bett, das ja auch rot und schwarz war, passen würde. Und ich wollte Tsuzuku nicht in seine Farbwahl reinreden, weil ich selbst keinen besseren Vorschlag hatte. Mein Zimmer zu Hause war hellblau und das war ja nun wirklich nicht seine Farbe. „Meto, lass dich doch von Tsu nicht immer unterbuttern“, sagte Hanako. „Schließlich musst du auch in dem Zimmer schlafen.“ Das hätte sie mal lieber nicht gesagt. Tsuzuku, der sich gerade schon die Farbstreifen am Regal angeschaut und die Rottöne mit dem tiefen Lackschwarz verglichen hatte, fuhr mit einem Ruck herum und blitzte sie wütend an. „Ich buttere ihn nicht unter! Wir haben die Farben zu Hause besprochen und da war Meto vollauf damit einverstanden, dass ich schwarz dabei haben will!“, widersprach er ziemlich laut. „Und wenn euch das nicht passt, dann machen wir das halt nur zu zweit!“ „Darum geht’s nicht, dass ich nicht mithelfen will oder so. Nur solltest du mal drauf achten, ob ihr beide wirklich zusammen Dinge entscheidet, oder ob du die Sachen einfach beschließt und Meto das dann nur mitmacht.“ Hanako wurde nun auch merklich laut, sodass sich schon die Leute am anderen Ende des Regals nach uns umdrehten. „Ach ja?! Dann weißt du ja bestimmt auch, wie ich mit meinem Freund am besten umzugehen habe, oder?! Dass ich ihm ja so ein schlechter Freund bin und so weiter …! Sag mir doch auch noch, wie ich wieder gesund und normal werde, wenn du’s alles so genau weißt!“ Innerhalb von ein paar Augenblicken war Tsuzuku komplett auf hundertachtzig, so schnell, dass ich gar nicht richtig mitkam. „Tsu…“, begann ich, doch er unterbrach mich, schrie mich geradezu an: „Sag’s mir, Meto, hab ich über dich hinweg entschieden?! Bin ich so ein unerträglicher, egoistischer Typ, dass ich keine ordentliche, gleichberechtigte Beziehung auf die Reihe kriege?! Ist das so offensichtlich, dass ich ‘n gottverdammter Borderliner bin?!“ Bei den letzten Worten sprangen ihm Tränen in die Augen, er drehte sich um und lief weg, nach draußen. Hanako blickte ganz schockiert und betroffen zu Boden. „Das wollte ich nicht“, sagte sie leise. „Echt nicht. Ich dachte nur …“ Ich drehte mich um und lief raus aus dem Markt, sah mich draußen suchend nach Tsuzuku um. Hoffentlich war er jetzt nicht zu weit weg gelaufen. Ich fand ihn auf einem fast leeren Parkplatz, wo er mit hochgezogenen Knien auf einem Kantenstein saß. Schon von weitem sah ich an seiner Haltung, dass er weinte. Schnell lief ich zu ihm, setzte mich neben ihn und legte meinen Arm um seine Schultern. „Fuck!“, fluchte er mit tränenerstickter Stimme. „Ich hab’s schon wieder verbockt.“ „Hana hat’s nicht so gemeint“, sagte ich leise. „Sie wollte dich nicht verletzen.“ „Aber mir sagen, was ich zu tun habe, oder was?!“ „Tsu, wir gehen gleich zurück und dann kaufen wir die Farben, die du möchtest, okay?“ „Aber willst du das denn auch? Möchtest du auch, dass wir die eine Wand schwarz machen?“ „Ja“, sagte ich und fühlte, dass es stimmte. „Wir haben das heute Morgen beschlossen und wenn ich da was dagegen gehabt hätte, dann hätt ich dir das schon gesagt.“ „Sicher?“ „Ja. Ganz sicher.“ Ich stand auf und hielt meinem Freund die Hand hin, um ihm aufzuhelfen. „Alles gut, mein Herz.“ Er stand auf und umarmte mich, und da spürte ich sie wieder, seine Angst, dass ich ihn verlassen könnte. Ich fühlte es daran, wie er mich an sich drückte: So, als wollte er mich festhalten, gar nicht wieder loslassen, weil er fürchtete, ich könnte verschwinden. Wir gingen Hand in Hand wieder zurück in den Baumarkt, zu dem Regal mit den Farben, wo Haruna gerade versuchte, die immer noch geschockte Hanako zu beruhigen, und Yami etwas unschlüssig danebenstand. „… Vielleicht geh ich besser“, hörte ich Hana gerade sagen. „Nein, wir machen das jetzt zuende. Schau, da sind die beiden schon wieder“, erwiderte Haruna. Tsuzuku ließ meine Hand los und ging auf Hanako zu. „Tut mir leid, Hana“, sagte er. Sie stand auf und sah ihn an. „Na ja, war ja irgendwie mein Fehler. Ich muss mich entschuldigen.“ Und bevor es schon wieder gefährlich wurde, mischte sich Haruna ein: „Ist doch jetzt egal, wer angefangen hat. Vertragt euch wieder, und dann ist gut.“ Und obwohl danach Ruhe war und keiner mehr ein böses Wort verlor, war die Stimmung so ziemlich hin. Wir kauften vier Eimer Farbe, zwei rot, zwei schwarz, dazu Malerrollen, Pinsel, Abdeckfolie und Kreppband. Ich bezahlte alles mit Karte und erinnerte mich kurz an die Zeit, als ich vor den Leuten im Akutagawa-Park damals verheimlicht hatte, dass ich aus reichem Hause stammte. Als nicht mal Tsuzuku gewusst hatte, wovon ich seine Zigaretten und die häufigen Besuche im Badehaus bezahlt hatte. Heute verstand ich kaum mehr, warum ich das damals so geheim gehalten hatte. Im Zug zu uns nach Hause fielen wir mit dem ganzen Kram natürlich ziemlich auf. Wer schleppte schon Farbeimer mit der Stadtbahn nach Hause? Es war auch ziemlich voll und wir hatten Mühe, zusammen zu bleiben und die Eimer an der Haltestelle aus der Bahn zu kriegen. Auf dem Weg von der Bahn zu uns nach Hause kam dann wieder etwas bessere Stimmung auf. Haruna und Yami redeten über irgendwelche Geschichten aus dem Park, Hanako sagte etwas dazu und Tsuzuku mischte sich schließlich auch wieder ein und zeigte so, dass er Hana den Streit von eben nicht länger nachtrug. Ich sagte nicht viel, da ich den Mädchen gegenüber immer noch nicht gut sprechen konnte und es mir vor Tsu immer irgendwie ein wenig peinlich war, dass ich mit allen anderen außer ihm immer noch nur mit Sprachfehler redete. Wir schleppten die Eimer bis rauf zu unserer Wohnung, es gab ja keinen Fahrstuhl, deshalb dauerte es ziemlich lange, bis wir oben angekommen waren. Oben im Flur stellte Haruna dann mit Blick ins Schlafzimmer fest, dass es schon ziemlich spät war, und sagte: „Ich glaube, wir müssen das Ganze in zwei Etappen machen. Heute schaffen wir nicht alles.“ „Wir können ja morgen wieder herkommen, dann machen wir den Rest, während Tsu und Meto bei der Arbeit sind“, schlug Yami vor. „Geht das?“ Sie sah mich fragend an und ich nickte, fragte sicherheitshalber meinen Freund noch mal: „Oder, Tsu, das geht doch …?“ „Klar geht das.“ Tsuzuku lächelte. Irgendwie schien es ihm wieder gut zu gehen. So war er eben: Innerhalb von Sekunden konnte er sowohl völlig zusammenbrechen, als auch wieder bester Laune sein. Ich hatte mich eigentlich schon längst daran gewöhnt und kam einigermaßen damit zurecht, aber jetzt, wo diese starken Schwankungen einen Namen hatten, sah ich sie ein wenig mit anderen Augen. Ich fragte mich einfach, ob die jemals wieder weniger werden, oder ob es in Zukunft schlimmer werden würde. Mir blieb jedoch keine Zeit, weiter über die psychische Gesundheit meines Freundes nachzudenken, denn jetzt ging es daran, Schrank und Bett mit der Folie abzudecken und das Zimmer für’s Streichen vorzubereiten. Die Folie reichte geradeso auch noch für den Fußboden, und wir holten uns die Stühle aus der Küche, weil wir ja keine Leitern hatten. Die Matratzen und das Bettzeug kamen rüber ins Wohnzimmer, wo Tsu und ich uns dann später ein Lager für die Nacht machen wollten. Das Streichen an sich machte zu fünft dann doch ziemlich viel Spaß. Haruna und Hanako hatten sich alte Hosen und Shirts mitgebracht, auch welche für Yami, die ja so wenig besaß. Ich suchte mir ebenfalls geeignete Sachen raus, ein ausgeleiertes T-Shirt und eine alte Sporthose, und auch Tsuzuku kramte eine abgewetzte Jeans und ein schon leicht kaputtes, schwarzes Shirt aus dem Schrank. Wir fingen mit Rot an, strichen erst die von der Tür aus gesehen rechte Wand, wo ja nichts im Weg stand und wir so ohne Hindernisse einfach den Streifen vorzeichnen und dann alles drum herum rot streichen konnten. Dabei kleckste Haruna sich natürlich Farbe auf die Hose, Hanako lachte sie aus und bekam dafür einen Tupfen mit dem Pinsel ab, wurde dafür wiederum von Tsuzuku ausgelacht, der jetzt allerbester Laune war und mir dementsprechend auch einen Farbtupfer verpasste. Yami kicherte verhalten, und um sie ein bisschen mit einzubeziehen, verpasste Haruna ihr auch einen Klecks rote Farbe. „Geht die Farbe eigentlich leicht wieder ab?“, fragte Yami auf einmal und grinste. „Mit Wasser und Seife wahrscheinlich schon“, sagte Hanako. „Musst sie halt nur schnell wieder abwaschen, denke ich.“ „Dann ist ja gut.“ Yami nahm grinsend ihren Pinsel, an dem ordentlich Farbe war, schnappte sich Tsu, und ehe der sich irgendwie hätte wehren können, hatte sie ihm einen roten Streifen auf die Wange gemalt. „Woah, Yami, was …?!“ Ein weiterer Streifen kam auf seine Hand, seinen Arm, noch einer in sein Gesicht, er lachte laut, griff sich seinerseits einen Pinsel und verpasste Yami ebenfalls einen Farbstreifen ins Gesicht. „Iiieeeks, das kitzelt!“, quietschte sie. „Mal du lieber mal Meto an!“ Und bevor ich irgendwas dagegen sagen konnte, hatte ich von Tsu nicht nur einen roten Farbtupfer aufs T-Shirt, sondern auch einen ins Gesicht bekommen. „Steht dir gut“, lachte er. „Passt zu deinen Haaren.“ „Findest du, dass das passt?“, fragte ich und bemerkte erst gar nicht, dass ich ganz fließend sprach, obwohl ich nicht mit Tsuzuku allein war. Haruna, deren rückenlange Haare ja ebenfalls blau waren, wenn auch ein wenig dunkler als meine, bemerkte es aber: „Also, ich finde, das passt wunderbar. Aber was ich noch mehr finde, ist, dass Metolein ja gerade ganz ordentlich spricht!“ „Stimmt, das war gerade ganz einfach und fließend“, sagte Hanako. Sofort wurde ich rot und brachte dank Vorführeffekt nur wieder stockend heraus: „Das… wegen Tsu. Ich… mit ihm ja… gut spreche…“ „Ich glaube, wenn du nicht drüber nachdenkst, dass du sprichst, dann klappt es auch“, sagte Haruna. Das gab mir ordentlich zu denken, und ich verschwand erst mal ins Bad, um mir die Farbe wieder abzuwaschen. Tsu tat es mir danach gleich und auch die Mädels wuschen das Rot wieder ab, bevor es antrocknete. Dann machten wir weiter, zumindest ich und die Mädchen, während Tsuzuku sich für eine kurze Zigarettenpause ans Küchenfenster zurückzog. Gegen sieben Uhr waren wir mit der ersten Wand fertig und nahmen uns die zweite Wand, rechts von der Tür vor, wo der Schrank stand. Nachdem wir diesen von der Wand abgerückt hatten, zeichneten Haruna und ich den Streifen wieder mit Kreppband vor und dann ging die Malerei von vorne los. Die zweite Wand war, da wir schön in Schwung waren, um einiges schneller fertig, und dann war auch schon die rote Farbe leer. „Machen wir das Schwarze heute noch oder verschieben wir das auf Morgen?“, fragte Yami. „Ich würde sagen, wir machen alles, was wir heute noch schaffen“, antwortete Haruna und sah auf die Uhr. „Wir haben jetzt halb neun. Wann wollt ihr Jungs denn schlafen gehen?“ „Keine Ahnung. Vielleicht um zehn oder elf, das geht auf jeden Fall, oder, Meto?“, fragte Tsu. Ich nickte. Dachte an das Schlaflager im Wohnzimmer und freute mich schon drauf, mich nachher mit Tsu zusammen dort schlafen zu legen. Allein, wenn ich daran dachte, dass wir einander wieder in den Armen hielten, küssten, und noch mehr … Aber erst einmal mussten wir die schwarze Wand zumindest anfangen. Ich war vollauf einverstanden damit, dass wir die Wand, in der die beiden Fenster waren, schwarz machten, auch, wenn das Tsuzukus Idee und nicht meine gewesen war. Schließlich lebten wir hier zusammen und er hatte es sich nun mal sehr gewünscht. Wand Nummer drei in schwarz wurde tatsächlich noch zur Hälfte fertig, dann hatte zuerst Yami, dann auch Haruna genug vom Streichen. „Den Rest machen wir morgen, okay?“, sagte Haruna. „Haste keine Lust mehr?“, fragte Hanako grinsend. Haruna nickte, legte den Pinsel weg und umarmte ihre Freundin. „Ich bin fix und alle.“ „Alles klar, meine Süße. Willst du noch Entspannungsprogramm a la Hana bei mir zu Hause oder gleich in die Heia?“ „Entspannungsprogramm?“, mischte sich Tsuzuku mit einem breiten Grinsen ein. „So nennt ihr Frauen das also?“ „Was du immer gleich denkst …“ „Etwa nicht? Habt ihr keinen Sex?“, fragte Tsu ganz direkt. Haruna lachte. „Doch, klar. Aber eben nicht nur.“ „Was macht ihr denn noch?“ „Als wenn dich das was angeht … Aber okay, ja, Hana hat ‘ne tolle Badewanne zu Hause, da baden wir oft zusammen. Zufrieden, Mr. Neugierde?“ Haruna lachte, zum Zeichen, dass sie Tsu seine Neugier nicht übel nahm, fragte dann aber: „Und ihr beide? Macht ihr auch ... noch andere Sachen?“ Ich wurde sofort rot, aber Tsuzuku sah die Sache natürlich wieder ganz offen: „Meto und ich duschen ab und zu zusammen. Und wir gehen halt auch zusammen ins Schwimmbad.“ „Ihr Männer seid bei so was ein bisschen direkter, oder?“, fragte Hanako. „Kann sein“, antwortete Tsuzuku. „Wobei ich nicht so wirklich weiß, ob ich da normal bin.“ „Gibt’s bei Sex überhaupt ‚normal‘ und ‚unnormal‘?“, sagte Hanako und fügte noch hinzu: „Ich meine, wenn es total einvernehmlich ist, kann man doch fast alles machen, oder?“ „Ja, das schon. Aber … ich weiß manchmal nicht, ob es okay ist, dass ich so oft will.“ Tsu sah mich an und in seinen Augen stand die Frage, ob ich denn das alles auch wollte. „Tsuzuku, wie alt bist du jetzt? Fünfundzwanzig, oder? Ich glaub, da ist es ziemlich normal, oft Sex zu wollen. Und solange Meto das mag, was ihr zusammen tut, brauchst du dir, denke ich, keine Sorgen zu machen“, sagte Haruna. Ich lächelte, griff Tsu’s Arm und zog ihn zu mir, küsste ihn und flüsterte: „Alles gut, es gefällt mir sehr, was wir zusammen tun.“ Er lächelte mich an, küsste mich zurück, und ich hörte, wie Yami neben uns ein leises „Irgendwie seid ihr schon echt süß, ihr beiden“ hauchte. Später dann, als die Mädels weg und wir wieder allein waren, legten Tsu und ich die beiden Matratzen im Wohnzimmer aus und machten uns dort ein gemütliches Schlaflager aus Kissen und Decken, zogen uns bis auf die Unterwäsche aus und kuschelten uns eng zusammen. „Und? Wie findest du unser Schlafzimmer jetzt?“, fragte Tsuzuku. „Schön“, sagte ich und lächelte. „Ich dachte erst, die schwarze Wand wäre vielleicht doch zu viel, aber jetzt mag ich’s.“ Tsus Finger malten kleine Kreise auf meinen Arm, er wirkte ein bisschen unruhig und aufgeregt. Sein Blick ging zu der roten Schmuckschachtel, die auf dem Bücherregal lag, und ich spürte, wie sich sein Herzschlag unter meiner Hand ein wenig beschleunigte. Auf einmal beugte er sich über mich, sah mich kurz mit leuchtenden Augen an und knutschte mich dann ins Kissen, drückte seinen ganzen Körper an meinen. Mir entwich ein überraschter Laut, den er mit einem kurzen Lachen quittierte, und dann löste er sich wieder von mir, stand auf und nahm tatsächlich die Schachtel aus dem Regal, kam mit ihr in der Hand zu mir zurück, kniete sich neben mir hin. „Was ist da-…“, begann ich, weiter kam ich nicht, denn er legte mir den Finger auf die Lippen. „Shhh, keine Fragen, Meto“, sagte er und lächelte. Langsam und mit leicht zitternden Fingern klappte er die samtig bezogene Schachtel auf. Und was mir da entgegen strahlte, war keine Kette, kein Ohrschmuck, sondern ein silberner Ring mit einem einzigen, winzig kleinen, weißen Stein in der Mitte. Im Gegensatz zu den auffälligen Ringen, die ich sonst trug, war dieser ganz schlicht und praktisch gehalten, wie einer, den man immer trug. „Gefällt er dir?“, fragte Tsuzuku, seine Stimme klang ganz weich. Ich nickte, mein Kopf brauchte eine Weile zum Nachdenken. Tsu wollte mir einen Ring schenken? Ein Ring hatte deutlich mehr Bedeutungskraft als eine Kette oder ein Armband, also musste da irgendwas dahinterstecken. Ich war zugegeben ein wenig verwirrt. Tsuzuku lächelte wieder. „Ich wollte es eigentlich so richtig kitschig machen, mit Rosen und Kerzen und so, aber … na ja, irgendwie ist mir da gerade nicht nach“, sagte er und verwirrte mich damit noch mehr. „Also wird es jetzt eben ganz einfach, nur du und ich und dieser Ring.“ „Tsuzuku? Wovon sprichst du?“, fragte ich. Er lächelte, sah mich mit diesem unglaublich liebevollen Blick an und nahm dann mit leicht zitternden Fingern den Ring aus der Halterung der Schachtel. Langsam ahnte ich, dass er irgendetwas sehr Wichtiges und Besonderes vorhatte, doch so richtig begriff ich es erst, als er mir bedeutete, mich vor ihn zu knien, was ich auch tat, und er dann wieder tief durchatmete. Oh Gott, das war doch jetzt kein …? „Ich weiß ja, unser Staat wird das nicht anerkennen, aber das ist mir auch egal. Mir geht es nur um dich, Meto. Darum, dass ich dich über alles liebe und keinen Tag mehr ohne dich sein will. Und ich will, dass das fest wird, dass man es sieht, dass du zu mir gehörst.“ Mein Herz klopfte wie verrückt, bei seinen Worten, und so, wie er mich ansah. Ich versuchte, diesen Moment in mir aufzunehmen, jede Sekunde in meine Erinnerung zu brennen und diese ganze starke Liebe zu spüren, die Tsuzuku in diesem Moment für mich empfand. „Ich bin schon den ganzen Tag furchtbar aufgeregt, weil ich dir das unbedingt sagen will und dir diese eine Frage stellen muss“, fuhr er fort und hatte dieses wunderschöne Leuchten in den Augen. „Meto, ich liebe dich mehr als mein Leben, mehr als mich selbst und mehr, als ich jemals jemanden geliebt habe. Du bist mein Lebensinhalt und deshalb ...“ Er drehte den Ring zwischen seinen Fingern hin und her, blickte abwechselnd auf seine Hände und wieder in meine Augen. Mein Herz raste und ich glaubte, seines ebenso schnell und laut klopfen zu hören, als er sie stellte, diese eine Frage: „… Deshalb will ich dich fragen: Willst du dein Leben mit mir verbringen, für immer, und … willst du mich heiraten?“ Im ersten Moment war ich zu keiner Antwort imstande. Ich konnte ihn einfach nur ansehen, spürte sofort, dass er unsicher wurde, weil ich nicht gleich antwortete. Ich blickte auf seine Hände, die den Ring weiter unruhig hin und her drehten, und dachte daran, dass ich diesen Ring gleich tragen würde, denn meine Antwort war: Ja. Ja! Ja!! „Meto …?“, fragte Tsuzuku, seine Stimme zitterte ein wenig. Und da brach es geradezu aus mir heraus: „Ja! Ja, ich will dich! Ich will dich heiraten!“ Ich sah, wie sich ein überglückliches Strahlen auf Tsuzukus Gesicht ausbreitete, legte im selben Moment meine Arme um seinen Hals und drückte meine Lippen auf seine, küsste ihn mit all meiner Liebe. Er ließ sich rückwärts ins Kissen sinken, ich auf ihm, doch einen Moment später fand ich mich unter ihm wieder, meine Hand in seiner, und sah den Ring aufblitzen. Tsuzuku küsste mich, ganz zärtlich und liebevoll, und schob dann langsam den Ring auf meinen Ringfinger. „Du machst mich so wahnsinnig glücklich!“, flüsterte er in mein Ohr, küsste mich wieder und wieder und wieder, schmiegte sich eng an mich und ließ mich spüren, dass er heiß und erregt vor Liebe war. Fast sofort waren seine Finger an meinen Brustwarzen, drückten, streichelten, wobei er mein leises Seufzen mit seinen Lippen auffing. ‚Jetzt sind wir verlobt‘, dachte ich mit klopfendem Herzen. ‚Bestimmt hat Tsu gerade überhaupt keinen Zweifel daran, dass ich bei ihm bleiben werde‘ Meine Hände strichen über seinen warmen Körper, bis sie seine Nippel fanden und meine Finger schon fast wie von selbst mit ihnen zu spielen begannen. Tsuzuku stöhnte, ich beobachtete seine erregte, genießende Mimik und dachte daran, wie sehr ich ihn liebte. Ich wollte wirklich mein Leben mit ihm verbringen und trug den Beweis dafür jetzt am Finger, was mich ebenso glücklich machte wie ihn. Und so schob ich meine Shorts runter, zog seinen Körper noch etwas näher an meinen und flüsterte: „Ich will mit dir schlafen.“ Tsu lächelte, drückte mir einen kurzen, sehr süßen Kuss auf die Lippen und richtete sich dann auf, um seine schon recht eng sitzende Shorts ebenfalls auszuziehen. Er war schon richtig erregt, und ich wollte sein Glied einfach nur noch in mir haben, ohne Kondom dazwischen. Ich lächelte ihn an und fragte leise: „Ist eigentlich das Ergebnis von dem Bluttest schon da?“ „Ja“, sagte er, seine Augen leuchteten erregt. „Alles gut. Wir können’s ohne Kondom tun.“ Er ging kurz das Gleitmittel aus dem Schlafzimmer holen, war schnell wieder bei mir, legte sich zu mir und fragte: „Wie hättest du es denn gern?“ „Ich will dich anschauen, wenn du mich nimmst“, antwortete ich. „Ich will deine Lust sehen, dich küssen und anfassen und lieb haben.“ Was dann folgte, war der wohl liebevollste und süßeste Sex meines bisherigen Lebens. Tsuzuku gab sich noch mehr Mühe als sonst, lieb und zärtlich zu mir zu sein, und doch fühlte ich seine kaum beherrschbare Leidenschaft und Ekstase, diese fast schon wahnsinnige Liebe. Und als er kurz nach mir mit einem tiefen, erlösten Stöhnen kam und sich endlich, zum ersten Mal, richtig in mein Inneres ergoss, war das genauso schön, wie ich es mir immer vorgestellt hatte. Etwas von ihm in mir zu haben, seinen heißen Samen, seine ganze Lust und Liebe, das fühlte sich unglaublich schön an. Danach lag er nah bei mir, in meinen Armen, sah mich an und flüsterte, noch ganz schwebend: „Ich liebe dich. Oh Gott, Meto, wenn du wüsstest, wie wahnsinnig ich dich liebe! Du bist das Beste, was mir je passiert ist, das Allerbeste!“ Er griff rüber zu meinem Kopfkissen, wo Ruana saß, und schob sie zwischen uns, kraulte sie ein bisschen zwischen den Ohren und ich drückte sie an mich. „Schau mal, Ruana“, sagte er leise, nahm meine Hand und hielt meinem Bärchen den Verlobungsring vor die Nase. „Meto bleibt jetzt für immer bei mir.“ „Ja, das tue ich“, sprach ich und küsste meinen Schatz über Ruanas Köpfchen hinweg. Tsu legte seinen Arm um mich und drückte mich mitsamt meinem Bärchen eng an sich. Küsste erst mich, dann sie, dann wieder mich, und ich spürte, wie er sich von seinen eigenen Glücksgefühlen berauschen ließ und sich ihnen vollkommen hingab. So, wie wir lagen, konnte ich aus dem Fenster schauen und die Sterne sehen, die über der Stadt und dem Meer leuchteten. Sie waren nicht stark zu sehen, nur ein wenig, aber sie waren da und ich fand sie romantisch. „Tsu, schau mal, da sind Sterne“, flüsterte ich. Er drehte den Kopf, löste sich dann von mir, so, dass er auch zum Fenster schauen konnte. „Wenn da jetzt eine Sternschnuppe wäre … was würdest du dir wünschen?“ Er zuckte mit den Schultern. „Weiß ich gar nicht … Gibt so vieles … Außerdem darf man’s doch nicht sagen, oder?“ „Stimmt.“ Auf einmal huschte ein Lächeln über sein Gesicht. „Du, ich glaube, ich weiß sogar doch was. Aber ich sag’s nicht.“ „Macht’s dich glücklich?“ „Wenn es sich erfüllen würde, wäre ich der glücklichste Mensch auf der Welt.“ „Dann wünsch ich’s mir auch, für dich mit.“ Tsuzuku lächelte wieder und küsste mich. „Danke, mein Liebster.“ Er schmiegte sich eng an mich, ich setzte Ruana beiseite und umarmte Tsu, fühlte seinen warmen, nackten, wunderschönen Körper Haut an Haut an meinem und war glücklich, ebenso glücklich wie er. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)