Yasashikunai Mirai von Harulein (Tsuzuku x Meto) ================================================================================ Kapitel 13: [Tsuzuku] Act 13 ---------------------------- Ich lag, halb ausgezogen, auf dem Bett, blickte hoch an die Decke und wartete auf Meto, der eben von der Arbeit heimgekommen war und jetzt unter der Dusche stand. Irgendwie … fühlte ich mich seltsam leer. Ich verspürte nicht den geringsten Antrieb, irgendetwas zu tun, konnte mich nicht mal dazu aufraffen, mich ganz bettfertig zu machen. Stattdessen lag ich seit ungefähr einer halben Stunde hier herum und tat ganz einfach nichts. Diese Leere hatte ein wenig Ähnlichkeit mit meinen leeren Tagen auf der Straße, in der Zeit, als ich Meto noch nicht gekannt hatte. Die Trauer hatte mein Inneres leergefressen, bis nur noch ein Gefühl von völliger Leere übriggeblieben war, als sei ich nur noch eine hohle Hülle gewesen. Dann war Meto in mein Leben getreten, hatte mein Herz erst mit Freundschaft, und dann mit Liebe wieder aufgefüllt und seitdem war dieses Gefühl von Leere eigentlich fast weg gewesen. Doch jetzt spürte ich die Leere wieder, wie von weitem, als käme sie langsam wieder angeschlichen. Und ich wusste, sie hatte meine Trauer dabei, und meine tiefsten Ängste noch dazu. Ich fühlte mich dem ausgeliefert, so als sei ich festgebunden und konnte nur zusehen, wie es langsam immer näher auf mich zukam. Augenblicklich, bei der Vorstellung, dass es mich wieder leerfressen wollte, sprangen mir Tränen in die Augen und ich begann zu zittern. In dem Moment kam Meto aus dem Bad zurück, und er sah sofort, dass es mir nicht gut ging. Abgesehen davon, dass er mich einfach zu gut kannte, war es wohl auch offensichtlich, da ich kaum imstande war, meine Gefühle zu verbergen. „Tsu? Was hast du?“, fragte er, setzte sich auf die Bettkante und sah mich besorgt an. Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. ‚Ich hab Angst, dass die Leere kommt und mich auffrisst‘ klang sicher ziemlich bescheuert. Und so zuckte ich nur mit den Schultern, sagte nichts. „Kannst es wieder nicht recht sagen, hm?“ Meto streckte die Hand aus und fuhr liebevoll durch meine Haare, strich mir die Stirnhaare aus dem Gesicht und beugte sich dann über mich, um einen sanften Kuss auf meine Stirn zu hauchen. „Kann ich was tun?“ Sofort, als er das fragte, spürte ich den heftigen Wunsch, in seinen Armen zu liegen und nah bei ihm einzuschlafen. Tief zu schlafen, zu vergessen und morgen glücklich wieder aufzuwachen. „Halt mich“, flüsterte ich. „Halt mich einfach ganz fest.“ Meto lächelte, ging zum Schrank, tauschte den Bademantel gegen Shorts und ein Schlafanzughemd und legte sich dann zu mir. „Zieh dich aus und dann komm her“, sprach er, immer noch lächelnd. Langsam erhob ich mich, zog meine Jeans und dem Schmuck aus (das Shirt hatte ich schon vorhin ausgezogen) und legte mich dann wieder neben Meto, der mich sogleich in seine Arme schloss und an sich zog. Ich verspürte, obwohl ich nichts weiter als Shorts trug, überhaupt keine Erregung in diesem Moment, wollte nur gehalten werden, nichts weiter. Metos Hände streichelten über meinen Rücken, meine Seite, meine Arme, er war so lieb und süß und so warm, deckte mich schließlich zu und küsste wieder meine Stirn. Wenn er mir so nah war, spürte ich die Leere nicht mehr, dann war mein Herz voll von Liebe und Wärme. Und so schlief ich, eng an seinen Körper geschmiegt, irgendwann ein, versank in Träumen, die sich wie dichte Wolken um mich legten und mich mit sich zogen. Ich hatte oft mehrere Träume hintereinander, ganz unterschiedliche, gute wie schlechte, zwischen denen ich kurz aufwachte und nur Sekunden später wieder eingeschlafen war. Die ersten beiden in dieser Nacht waren belanglos, wirr, durcheinander, und wären bestimmt ein Paradies für fantasievolle Traumdeuter gewesen. Die würden jedoch nie davon erfahren, denn bei jedem kurzen Aufwachen vergaß ich fast alles davon sofort wieder. Aber das, was dann kam, war anders. Keine wirren Bilder und Filme, die sich vermischten und keinen rechten Sinn ergaben, sondern Erinnerungen an mein Leben, ganz deutlich und lebhaft. Und es war die Art von Traum, von dem man selbst dann nicht aufwachte, wenn man erkannte, dass man träumte. Ich war vollkommen darin gefangen. Zuerst war ich in meiner Schule früher, sah vor mir, wie mein sechzehnjähriges Ich mit der Faust die Fensterscheibe zerschlug, im Streit mit einem meiner Mitschüler, den ich mit dieser Aktion ziemlich erschreckt hatte. Dann ein kurzes Bild, wie ich infolge dieser Sache mit verbundener Hand beim Schulpsychologen saß und dieser mich nach dem Grund für meinen Wutausbruch gefragt hatte. Ich konnte mich nicht mehr recht erinnern, was mein Mitschüler zu mir gesagt hatte, dass ich so ausgerastet war, wusste nur, dass es eine ziemliche Kleinigkeit gewesen war. „Na, meiner Einschätzung nach klingt das nach ADHS“, waren die Worte des Schulpsychologen und ich hörte sie im Traum ganz deutlich, wie in echt. Das nächste, was mich in diesem Traum von meiner Vergangenheit wieder einholte, war, wie mein Hund, den ich von meinem zwölften Lebensjahr an gehabt hatte, gestorben war. Da war ich achtzehn gewesen. Ich träumte nur eine kurze Sequenz, sah den toten Körper vor mir und mich selbst, wie ich mich weinend darüber beugte, und dann Mama, wie sie mich in den Arm nahm. Mama. Als hätte ich es geahnt und damit selbst im Traum heraufbeschworen, war meine nächste geträumte Erinnerung ihr Tod. Ich wusste es sofort, als ich im Traum unsere Küche in der Wohnung betrat und in Erinnerung die von der Operation noch verletzte Haut auf meiner Brust und den damals ganz neuen Fremdkörper unter meiner Haut spürte. Das Implantat, welches ich mir tags zuvor einfach so hatte einsetzen lassen. Ich war damals einfach für zwei Tage verschwunden und dann mit dem Ring unter der Haut wieder aufgetaucht. Hatte mich cool gefühlt und kaum an Mama gedacht, obwohl ich eigentlich gewusst hatte, was sie von derlei Dingen hielt. Es hatte ihr nun einmal nicht gefallen, was ich aus mir machte. Sie war nach mir in die Küche gekommen, hatte mich gehört und war dann auf mich zu gestürzt. „Genki! Wo bist du gewesen, verdammt?!“, hatte sie mich angeschrien und mich dann plötzlich umarmt. „Ich hab mir Sorgen gemacht!“ Und dann hatte sie das Implantat bemerkt, beziehungsweise den weißen Verband auf meiner Brust, der unter meinem T-Shirt herausschaute. Sofort hatte sie mich losgelassen. „Was ist das?! Was hast du schon wieder gemacht?!“ „Ich war in Tokyo“, hatte ich ziemlich cool geantwortet. „Die machen da Implantate.“ Mamas Blick war völlig fassungslos gewesen, und eigentlich hatte ich da schon gewusst, dass es jetzt gereicht hatte, dass ich sie wütend gemacht hatte. Aber ich hatte nicht daran gedacht, es einfach vergessen, dass sie krank war, dass ich sie hätte schonen müssen. „Wieso musstest du so was machen, Genki?! Reichen dir die Piercings und die Tattoos nicht mehr?! Was soll so ein Ding unter deiner Haut?!“, hatte sie mich angeschrien. „Und auch das mit deiner Zunge, das musste doch nun wirklich nicht sein!! Hab ich dich so erzogen, dass du so was aus dir machst und dir deine Zukunft verbaust?! Nein!!“ Auf einmal war ich furchtbar wütend geworden. Hatte gedacht, was Mama sich eigentlich einbildete, mir Vorschriften zu machen, wo ich doch längst erwachsen war mit zweiundzwanzig Jahren! Und das hatte ich ihr, in meiner Wut und mit meinem unberechenbaren Temperament, laut ins Gesicht gesagt: „Dann schmeiß mich doch raus, wenn dich das so stört! Kann dir doch egal sein, was ich mit meinem Körper mache!! Das geht dich gar nichts an! Ich bin alt genug! Und wenn dir das nicht passt, dann halte dich verdammt nochmal aus meinem Leben raus!!“ Der letzte Satz hallte laut nach, und der ganze Traum schwankte und waberte kurz wie ein Bild, über das jemand Wasser gegossen hatte. Ich spürte ein merkwürdiges Stechen im Körper und fühlte mich wie aufgespalten, da ich wusste, dass ich träumte, und trotzdem alles aus dem Blickwinkel meines zweiundzwanzigjährigen Selbst sah. Den tief erschrockenen Blick, mit dem Mama mich auf meine wütenden Worte hin angesehen hatte, würde ich, das wusste ich damals sofort, niemals vergessen. Einen Moment lang hatte sie mich einfach nur so angesehen, fassungslos und verletzt. Sofort hatte ich meine Worte bereut, doch da war es schon zu spät: Mama keuchte auf, griff sich ans Herz, und ich, unfähig mich zu bewegen, konnte nur noch daran denken, dass sie ja krank war und meine Worte sie offensichtlich so sehr verletzt hatten, dass sie jetzt einen Anfall bekam. Sie beugte sich, stöhnte vor Schmerzen, ich wollte zu ihr, mich entschuldigen, sie um Verzeihung bitten, sie halten, irgendwas tun, doch stattdessen stand ich nur wie gelähmt da und sah zu, wie sie zusammenbrach. Erst, als sie schon reglos am Boden gelegen hatte, da hatte ich mich wieder bewegen können. Automatisch, wie reflexgesteuert, lief ich zum Telefon, wählte die Nummer des Notarztes und nannte mit zitternder Stimme Mamas Namen, ihre Krankheit und unsere Adresse. Dann wurde alles schwarz. Doch diese Schwärze war jetzt voller schmerzhafter Gedanken und voll von Schuldgefühlen, im Gegensatz zu damals, wo sie sehr leer gewesen war. Quälend leer. Und ich träumte weiter, in dieser Dunkelheit, hörte immer wieder Mamas letzten Worte, die einfach nicht ihre letzten hätten sein dürfen, und dann meine Worte, die sie umgebracht hatten. Umgebracht. Es war meine Schuld. Allein meine Schuld. Wahrscheinlich war ich damals schon gestört gewesen, impulsiv, leicht wütend zu machen, und sogar ja irgendwie selbstverletzend, wenn man sich meinen Körper so ansah mit dem ganzen Zeug. Ich mit meiner kranken Persönlichkeit war schuld an Mamas Tod. Ich träumte Dunkelheit, da war kein Bild mehr, nur noch Stimmen, die mich anschrien und dann wieder kalt und schmerzhaft flüsterten, dass es meine Schuld war, meine Schuld, meine Schuld … Es tat einfach nur wahnsinnig weh, meine Seele brannte vor Schmerz, doch ich brachte den Wunsch, dass es einfach nur aufhören sollte, noch nicht übers Herz, da ich Mamas Andenken nicht auch noch zerstören wollte. Doch als es immer schlimmer wurde, es sich anfühlte, als würde das Messer der Schuld tief in mein Herz gestoßen und darin herumgedreht, da konnte ich nicht mehr, und zum ersten Mal seit über eineinhalb Jahren war er wieder da, der Wunsch, zu sterben, einfach weg zu sein, wo nichts mehr war, nichts mehr wehtat. Und Mama wieder zu sehen. „Tsuzuku!“ Was war das? Eine leicht raue, leise, sehr besorgt klingende Stimme, eine warme Hand an meiner Schulter. Langsam, sehr langsam, wurden die quälenden Stimmen leiser, die tiefschwarze Dunkelheit löste sich langsam auf, und ich erkannte, dass es Meto war, der mich zu wecken versuchte. Ich blinzelte, öffnete die Augen, und erwartete, dass der Schmerz in meinem Herzen, der sich anfühlte, als würde ein Messer hineingestoßen, verschwand. Doch das tat er nicht. Sowie ich die Augen öffnete, spürte ich einen heftigen, schmerzhaften Ruck im Herzen, dann war es, als würde es für ein paar Schläge aussetzen. Ich keuchte auf, drückte meine Hand darauf, und langsam drang zu meinem Verstand durch, dass dieser Schmerz echt war, kein Traum mehr, ich war wach. „Tsu, was hast du?“, fragte Meto, ich hörte Angst in seiner Stimme. „Sag doch was!“ Er war über mich gebeugt, griff über meinen Kopf hinweg nach dem Schalter der Nachttischlampe und machte Licht an. „Ich hab …“, begann ich zu sprechen, kam jedoch nicht weiter, ein heißer, glühender Schmerz blitzte durch mein Herz, ich presste meine Hände darauf, versuchend, das Brennen irgendwie zu lindern, keuchte wieder. „Tut dir was weh? Dein Herz wieder?“ Ich nickte zitternd. Meto rückte etwas näher zu mir, hob die Hand und strich mir die Ponyhaare aus der Stirn. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich klatschnass geschwitzt war, meine Shorts und die Bettdecke klebten an meiner Haut. Und ich spürte Tränen in meinen Augen, und salzige Tränenspuren auf meinem Gesicht. „Du hast mich geweckt, so unruhig hast du geschlafen. Hast du schlecht geträumt?“, fragte Meto, klang trotz der Angst ganz lieb und geduldig. Ich nickte wieder. „… Ich hab … von Mama geträumt …“ Und dann: „Wie viel Uhr ist es?“, weil mein Zeitgefühl weg war. „Halb eins“, antwortete Meto. „Aber ist okay. Du hast mich zwar geweckt, aber mach dir deshalb jetzt bloß keine Vorwürfe, okay?“ Er lächelte leicht, ich spürte seine Hand auf meiner Brust, sie streichelte ganz sanft und zärtlich, berührte die meine, welche ich immer noch verzweifelt auf mein Herz drückte. Wie aus dem Nichts schoss der nächste heiße Blitz aus Schmerz durch meinen Körper, es fühlte sich an, als würde mein Herz zerreißen. Hatte es sich für Mama so angefühlt, als sie zusammengebrochen war? War das ihr letztes Gefühl gewesen, dieser glühende Schmerz? Und war das jetzt die Strafe für mich? Zerbrach mein Herz wortwörtlich, als gerechte Strafe, weil ich Mama solchen Schmerz bereitet hatte? Jede dieser Fragen tat mir wiederum furchtbar weh. Ich drückte meine Hand so fest auf mein Herz, dass ich fast fürchtete, mir selbst eine Rippe zu brechen, und als der nächste Schmerz kam, schrie ich auf, mir wurde kurz schwarz vor Augen. „Meto …“, keuchte ich, halb wahnsinnig vor Schmerz, wusste kaum, was ich tat und sagte. „Mach, dass das aufhört, bitte …!“ Augenblicklich zog er mich an sich, legte seine Hand auf meine, schob sie weg und berührte direkt meine Haut, unter der mein Herz mit jedem Schlag wehtat. Seine Berührung war warm und liebevoll, doch sie verschaffte nicht die sonstige Linderung, zu stark war dieser Schmerz, der mein Herz in heißen Wellen durchflutete und mich immer wieder keuchen und aufschreien ließ. „Tsu, ich bin gleich wieder bei dir. Ich steh jetzt auf und ruf den Notarzt.“ Meto löste sich von mir, stand auf und lief aus dem Schlafzimmer. Notarzt. Krankenhaus. Sofort bekam ich Panik. Wenn ich ins Krankenhaus kam und die dort rausfanden, dass ich erstens essgestört und zweitens Borderliner war … Ich hatte furchtbare Angst, dass sie mich dann nicht wieder gehen lassen würden. „Meto!“, schrie ich und fühlte mich wahnsinnig hilflos, „Komm zurück!“ Er kam zurück, hatte sein Handy in der Hand. „Ich … will nicht … ins Krankenhaus … und das … weißt du …“, brachte ich heraus, versuchte, mich hinzusetzen, was wiederum wehtat, sodass ich wieder ins Kissen zurücksank. „Tsuzuku, dir tut dein Herz weh, du schreist vor Schmerzen, und ich soll mir das einfach anschauen? Tut mir leid, aber das kann ich nicht. Das ist doch nicht mehr nur das bisschen Herzschmerz, was du sonst hast. Ich ruf jetzt ‘nen Notarzt und dann lässt du dich zumindest mal untersuchen. Wo doch deine Mama herzkrank war, wer weiß, ob du so was nicht auch hast?“ Augenblicklich, als er es aussprach, Mama erwähnte, brannte in mir die Sicherung durch, hinter der ich den Albtraum hastig eingeschlossen hatte. Die Bilder, Gedanken und Gefühle flossen durch meine verletzte Seele und Tränen aus meinen Augen. „Das ist … jetzt die Strafe“, sagte ich, noch leise, wurde dann mit den folgenden Worten immer lauter, während es immer weiter wehtat, „Ich hab von Mama geträumt. Davon, wie sie gestorben ist! Es ist meine Schuld, meine ganz allein! Ich hab sie umgebracht, ich bin schuld! Ich muss leiden, ich hab’s verdient! Und wenn ich davon draufgehe!“ Ich spürte geradezu, wie meine Gefühle und Gefühlssplitter zwischen den Worten schwankten, fühlte die Impulse, konnte nichts aufhalten, alles kam so heraus, wie ich es in dem Moment fühlte. Und als der Schmerz wieder durch mein Herz schoss: „Ich … kann nicht mehr …“ Meto kam auf mich zu, setzte sich auf die Bettkante und sah mich wahnsinnig besorgt an, ergriff meine Hand. Ich sah ihn an, meine Tränen verschleierten meine Sicht, meine Hand in seiner zitterte. „Es tut … so weh … Ich halte diese Schuld nicht aus“, flüsterte ich, vollkommen kraftlos. „Warum lebe ich überhaupt noch?“ „Tsuzuku …“ Metos Finger streichelten über meinen Handrücken. Ich spürte, er hatte keine Worte, um mir zu helfen. Er war ebenso hilflos wie ich. Das plötzliche Gefühl des glühenden Messers in meinem Herzen war so echt, so stark, dass ich mit zitternder Hand danach tastete, obwohl ich wusste, dass es kein reales Messer war. Ich schrie wieder auf vor Schmerz, wurde beinahe wahnsinnig, dann wurde mir wiederum schwarz vor Augen und ich sank einfach weg, ins dunkle, tiefe Nichts. … „Aoba-san?“ Eine fremde Stimme, weiblich, sprach mich mit meinem Nachnamen und der höflichen Form an. „Aoba-san, können Sie mich hören?“ Langsam kehrte mein Bewusstsein zurück, ich blinzelte, öffnete die Augen und blickte in das Gesicht einer etwa dreißig Jahre alten Frau, die sich über mich beugte. Sie trug einen weißen Kittel, hielt eine kleine, silbrige Lampe in der Hand und hatte etwas um den Hals hängen, was ich auf den zweiten Blick als Stethoskop erkannte. War ich jetzt doch im Krankenhaus? Nein, zum Glück nicht. Ich sah zur Seite, erkannte den Schrank und das Bett, sah Meto am Fußende auf der Bettkante sitzen. Er hatte gerötete Augen, so als hätte er geweint. „Er ist wieder wach“, sagte die Frau zu ihm, dann sah sie mich wieder an. „Aoba-san, mein Name ist Matsuyama, ich bin Notärztin. Sie waren eine Weile ohnmächtig, Ihr Freund hat mich gerufen. Wie fühlen Sie sich jetzt?“ Ich versuchte, zu lächeln, bekam jedoch nur ein müdes, halbes Lächeln zustande. Doch Meto sah es und lächelte zurück, ebenso erschöpft, aber sehr erleichtert. „Ihr Freund hat erzählt, dass Sie starke Schmerzen hatten. Tut Ihnen jetzt etwas weh?“, fragte Dr. Matsuyama. Ich schüttelte den Kopf. Mir tat auch wirklich nichts mehr weh. Die glühenden Schmerzen waren verschwunden, in dem Moment, als ich ohnmächtig geworden war. „Können Sie die Schmerzen noch beschreiben?“ „Es hat sich angefühlt, … wie ein Messer, das in meinem Herzen herumgedreht wird. So, als ob es mich zerreißt.“ „Hatten Sie solche starken Schmerzen schon einmal?“ „Nein. Nur ein bisschen, … aber nie so stark.“ Dr. Matsuyama sah mich einen Moment lang nachdenklich an, dann sagte sie: „Ich habe Sie eben untersucht und konnte keine Rhythmusstörungen oder dergleichen feststellen. Ihr Herz schlägt ganz normal und gleichmäßig. Sagen Sie … haben Sie sonst schon mal irgendwelche psychosomatischen Symptome gehabt, also zum Beispiel solche Schmerzen ohne körperliche Ursache?“ Ich nickte, dachte an diese eher leichten Herzschmerzen, die ich bei Angst und Aufregung verspürte. „Wenn ich … Angst habe, oder so …“, antwortete ich. „Dann tut mein Herz weh. Aber … es war bisher nie so schlimm.“ Ich sah Meto an, er stand auf und kam zu mir, nahm meine Hand. „Meto“, sagte ich leise und zog ihn zu mir herunter, flüsterte: „Was hast du ihr erzählt?“ „Ich hab nur gesagt, dass wir zusammen sind. Und dass deine Mama herzkrank war“, flüsterte er zurück. „Danach hat sie gefragt, also, ob es bei dir Vorbelastungen gibt.“ Ich lächelte leicht. Solange die Ärztin nicht nach meinem Gewicht und meiner Psyche fragte, war alles gut. Jetzt, wo ich nicht weglaufen konnte, da konnte ich nur hoffen, dass sie gar nicht auf die Idee kam, danach zu fragen. „Gab es denn einen Auslöser für die Schmerzen jetzt?“, fragte sie. Die Frage war auch nicht viel besser. Ich wollte nicht mit einer fremden Ärztin über Mama und den Albtraum reden, denn ich kannte mich gut genug, um zu wissen, dass ich dann unweigerlich auch das Thema ‚Borderline‘ berühren würde. „Ich hatte … ‘nen Albtraum“, antwortete ich dann aber doch, um überhaupt etwas zu sagen. „Hm …“ Dr. Matsuyama sah mich erst nachdenklich an, dann ernst. „So gravierende Schmerzen sind bei einem ansonsten gesunden Menschen sehr ungewöhnlich.“ Auch, wenn sie es nicht direkt fragte, so stand hinter ihren Worten doch die eindeutige Frage danach, ob ich ihr etwas verschwieg. Einen kurzen Moment lang hätte ich ihr beinahe erzählt, was mit mir nicht stimmte, doch ein einziger Gedanke ans Krankenhaus reichte aus, damit ich wieder wusste, wohin ich auf gar keinen Fall wollte: Dorthin, in die Klinik. Meto beugte sich zu mir runter und fragte, ganz leise: „Willst du nicht sagen, was los ist?“ „Dann komm ich doch gleich in die Klinik.“ „Ich hab ihr gesagt, dass du auf keinen Fall ins Krankenhaus willst, sonst hätte sie den Krankenwagen gerufen, aber sie hat’s gelassen, weil ich ihr gesagt hab, dass du so große Angst vor Krankenhäusern hast. Ich glaube … du kannst ihr vertrauen.“ So, wie Meto mich ansah, konnte ich ihm nur glauben. Und so entschloss ich mich doch dazu, der Ärztin zumindest ungefähr zu sagen, was los war. Sie hatte wahrscheinlich sowieso gehört, was Meto und ich sprachen. „Sie müssen keine Angst haben, Aoba-san. Sie können hier zu Hause bleiben“, sagte sie auch gleich und lächelte sogar ein wenig. „Sagen Sie mir nur, was los ist, damit ich Ihnen hier helfen kann.“ Und so beschloss ich, zum ersten Mal einer Ärztin gegenüber über meine Probleme zu sprechen, die Dinge zumindest mal beim Namen zu nennen. Auch, wenn ich mir nicht vorstellen konnte, wie sie mir helfen sollte. Aber mein Untergewicht sah sie ja sowieso. „Ich … bin psychisch nicht gesund“, begann ich und konnte weder Dr. Matsuyama, noch Meto dabei ansehen, blickte hoch an die Decke. „Ich hab ein Problem mit dem Essen und … sehr wahrscheinlich … ‘ne Borderline-Störung. Und der Albtraum jetzt, der die Schmerzen ausgelöst hat … Ich hab mich an meine Mutter erinnert, sie ist vor ungefähr zweieinhalb Jahren an ‘nem Herzanfall gestorben …“ „Sind Sie denn auf Borderline diagnostiziert worden?“ Ich schüttelte den Kopf. „Aber … ich merk doch, was mit mir nicht stimmt.“ „Na ja, dass Sie zu dünn sind, sehe ich ja. Und mir sind auch Ihre Narben aufgefallen. Aber was so eine Störung angeht, sollten Sie sich noch mal mit einem Psychiater unterhalten.“ Dr. Matsuyama sah mich wieder einen Moment lang nachdenklich an, dann sagte sie: „Nun, so etwas kann natürlich auch psychosomatische Schmerzen mit sich bringen, erst recht, wenn Sie vom Tod Ihrer Mutter traumatisiert sind. Von daher kann das schon sein. Aber Sie sollten das abklären.“ „Ich geh nicht ins Krankenhaus“, sagte ich, klang dabei so schwach, wie ich mich fühlte. „Sie müssen ja nicht über Nacht dort bleiben. Nur, dass Sie mal ein paar Termine machen.“ Meto streichelte mit dem Daumen über meinen Handrücken und sah mich immer noch mit Sorge in den Augen an. Ich wusste, ich hatte ihm wieder Angst gemacht, große Angst. Er liebte mich, und es tat ihm weh, wenn ich so litt. Zwar hatte ich diese Schmerzen ja wirklich nicht absichtlich gehabt, doch trotzdem hatte ich irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn damit so in Angst und Sorgen versetzt hatte. „Meto …“, flüsterte ich, „Tut mir leid …“ „Was tut dir denn jetzt leid?“, fragte er. „Dass du wieder solche Angst um mich hast und so … Ich will das nicht …“ „Alles gut, Tsuzuku. Mach dir keinen Kopf.“ Er beugte sich runter, strich mir wieder die Haare aus dem Gesicht und küsste meine Stirn. „Ich bin bei dir. Ich liebe dich.“ Die letzten, süßen Worte sagte er so, als wollte er mir das einfach noch mal versichern, damit ich es nur ja nicht vergaß. Er verließ mich nicht. Liebte mich und blieb bei mir. Ich dachte daran, dass ich immer noch vorhatte, ihm einen Heiratsantrag zu machen. Auch, wenn unser Staat es nicht anerkennen würde, wenn es keine echte Ehe sein würde, so wollte ich ihm doch wenigstens diese eine, besondere Frage stellen und ihm einen Ring an den Finger stecken. Der Gedanke daran ließ mich lächeln und Meto sah mich fragend an. „Woran denkst du jetzt, mein Schatz?“ Ich hob die Hand, legte sie in seinen Nacken und zog ihn zu mir runter, wobei mir völlig egal war, dass die Ärztin noch da war. Küsste meinen Liebsten auf seine süßen, vollen Lippen und hauchte: „Daran, dass ich dich liebe.“ Dr. Matsuyama räusperte sich leise, stand auf und packte ihre Tasche wieder zusammen. „Da Sie ja nicht ins Krankenhaus wollen: Kann ich mich darauf verlassen, dass Sie sich melden, wenn die Schmerzen wieder auftreten?“, fragte sie. Ich löste mich von Meto und versuchte, mich aufzurichten, hatte jedoch keine Kraft und sank wieder ins Kissen zurück. „Wir … Sie anrufen … wenn wieder schlimmer …“, antwortete mein Freund an meiner Stelle. Die Ärztin zog eine Visitenkarte aus ihrer Tasche und Meto nahm sie entgegen. „Das ist die Nummer von meinem Büro in der Klinik.“ Sie lächelte leicht. „Melden Sie sich morgen bei mir, dann kann ich Ihnen auch wegen weiterer Termine weiterhelfen.“ Dann ging sie, Meto brachte sie noch zur Tür und kam dann zu mir zurück. Ich war auf einmal furchtbar müde, konnte kaum noch die Augen offen halten und fühlte mich so komplett kraftlos, dass ich mich fragte, wie ich morgen überhaupt irgendetwas tun sollte. Meto legte sich nah neben mich und deckte mich ganz liebevoll zu, legte seinen Arm um mich, und ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter. In diesem Moment erschien er mir so viel stärker als ich, wie jemand, der mich hielt und bei dem ich mich anlehnen konnte. Einerseits wollte ich ihm nicht so viel aufbürden, doch auf der anderen Seite genoss ich es auch sehr, wenn er derjenige war, der auf mich aufpasste. In meiner Zeit auf der Straße war es ja auch so gewesen und da ich mich jetzt ähnlich instabil fühlte wie damals, tat es sehr, sehr gut, Meto bei mir zu haben und zu wissen, dass ich mich auf seine Stärke in diesem Augenblick verlassen konnte. Und irgendwann, es war wohl gegen zwei, sank ich in einen tiefen, gottseidank traumlosen Schlaf. Als ich wieder aufwachte, war es hell. Zu hell für mein Gefühl, welches mir sofort sagte, dass ich verschlafen hatte. Ich tastete über Metos Betthälfte, doch da war kein Meto, und so drehte ich mich um und entdeckte einen Zettel auf seinem Kopfkissen. „Tsuzuku, mein Herz, ich hab dich schlafen lassen. Ich hab im Studio angerufen und gesagt, dass du krank bist. Bin jetzt selber los zum Café. In der Küche steht Frühstück für dich. Mach dir einen schönen Tag, erhol dich gut, und wenn was ist, ruf mich an. Ich liebe dich. Meto.“ Ich stellte mir vor, wie er das wohl gemacht hatte, einfach beim Studio anzurufen und denen da verständlich zu machen, dass ich heute nicht zur Arbeit kommen würde. Er musste sich unheimlich angestrengt haben, ich wusste ja, dass er wegen seiner Sprachprobleme nur sehr ungern mit Fremden telefonierte. Seine süße Fürsorglichkeit rührte mich und ich stand langsam auf, lief, nur in Shorts, in die Küche und erblickte einen schön gedeckten Tisch mit einem liebevoll angerichteten Frühstück. Eigentlich hatte ich keinen Hunger, aber ich setzte mich trotzdem hin und begann zu essen. Meto musste heute Morgen extra noch mal einkaufen gewesen sein im Conbini um die Ecke, denn das Essen bestand nicht nur aus dem wenigen, was wir im Kühlschrank gehabt hatten, sondern enthielt auch frische Brötchen und Lachs, es war ein richtiges Restaurantfrühstück. Ich stand auf und schaute in den Kühlschrank, der gestern Abend noch ziemlich leer gewesen und jetzt für unsere Verhältnisse recht voll war. „Du bist so süß, Meto …“, murmelte ich in Gedanken an meinen Liebsten und setzte mich wieder, hatte auf einmal richtig Hunger und musste aufpassen, dass ich nicht zu viel aß. Nach einem ganzen Brötchen und einer Tasse Kaffee war ich dann aber auch so satt, als hätte ich zu Mittag gegessen, und hatte das Gefühl, dass das jetzt auch für den Tag reichte. Nach dem Frühstück ging ich schnell duschen und zog mich dann an, ließ das Schminken ausfallen und zog als Schmuck auch nur meine Uhr an, neben dem Ring, den ich ja Tag und Nacht trug. Ich setzte mich aufs Bett und überlegte, was ich mit dem Tag heute anfangen sollte. Ich ging ins Wohnzimmer und stand eine Weile vor dem Regal mit den Büchern, welche, mit Ausnahme von Hitomis beiden Büchern, alle Meto gehörten. Ich hatte früher, in meinem alten Leben, mal ganz gern gelesen, doch mit meinem Absturz völlig die Lust daran und auch meine sämtlichen Bücher verloren, sodass ich jetzt keine mehr besaß. Zuerst griff ich mir einen von Metos Gay-Romance-Romanen und begann, darin zu lesen, doch die Geschichte nahm mich nicht so recht gefangen und so stellte ich das Buch zurück. Dabei streifte mein Blick das Borderline-Buch von Hitomi, ich griff danach und nahm es mit dem Gedanken in die Hand, dass ich darin vielleicht eine Erklärung für meinen Schmerzanfall von letzter Nacht finden würde. Ich konnte mich jetzt nur noch bruchstückhaft daran erinnern, aber ich wusste, dass das neu war, dass ich derartig schlimme Herzschmerzen vorher nicht gehabt hatte. Höchstens vielleicht in der Zeit kurz nach Mamas Tod, doch da mir an jene Zeit nahezu jede Erinnerung fehlte, wusste ich es nicht sicher. Ich hatte dieses tiefschwarze Kapitel meines Lebens ganz extrem verdrängt. Mit dem Buch in der Hand setzte ich mich aufs Sofa und suchte im Inhaltsverzeichnis nach ‚psychosomatische Symptome‘. Ganz am Ende fand sich ein kurzes Kapitel darüber, ich schlug es auf und begann zu lesen. Dort stand, dass solche Symptome zwar nicht direkt zum Krankheitsbild gehörten, aber durchaus vorkommen konnten. Es wurde der Fall einer Frau beschrieben, deren Geschichte ähnlich wie meine klang, und abschließend stand da, dass man diese Anzeichen sicherheitshalber immer von einem auf Psychosomatik spezialisierten Arzt untersuchen lassen sollte. Ich behielt das Buch in der Hand und las noch ein wenig darin, hatte dabei das Gefühl, mich selbst besser zu verstehen und wieder zu finden, fühlte mich verstanden und irgendwie so … als ob es auch in irgendeiner Weise okay war, wie ich war. Ich war, wie ich nun mal war, und fühlte bei diesem Gedanken beinahe so etwas wie … Selbstbewusstsein. Es war, wie Hitomi gesagt hatte: Die Störung war ein Teil von uns, und ich musste lernen, damit zu leben und zurechtzukommen. Irgendwie. Schließlich nahm ich auch noch den schwarzen Gedichtband aus dem Regal und begann, diesen von Anfang an zu lesen. Irgendwann holte ich mir von Metos Schreibzeug einen Stift und ein leeres Heft und begann, meine Gedanken und Gefühle zu den Gedichten und Texten aufzuschreiben. Zuerst schrieb ich einfach nur auf, was ich dachte und empfand, doch dann begann ich, die Worte in ähnliche Gedichte zu fassen, wie ich sie in dem Buch fand. So etwas zu schreiben war mir nicht neu, doch das letzte Mal, dass ich meine Gefühle zu Papier gebracht hatte, war so lange her, dass ich erst wieder hineinfinden musste. Mein Herz zitterte mit jedem Wort, ich spürte, welche Kraft die Schriftzeichen hatten, und wie es mich lockte, das Dunkel. Es zog mich an und gleichzeitig hatte ich Angst davor. Und so wagte ich nicht, meine Gedanken ganz direkt aufzuschreiben, umschrieb manches so metaphorisch, dass nur ich es noch erkennen konnte, und einiges schrieb ich auch ganz einfach auf Englisch, damit es nicht mehr diese ganz direkte Wirkung auf mich hatte. Ich las und schrieb eine ganze Weile lang, und als ich keine Kraft mehr dafür hatte, war es schon fast Mittag. Hunger hatte ich keinen, aber ich wollte raus, nach draußen, in die Stadt oder zum Strand, nur nicht länger hier drinnen herumsitzen. Auf Metos Schreibtisch fand ich die Visitenkarte von Frau Dr. Matsuyama und dachte darüber nach, ob ich ins Krankenhaus gehen und mit ihr sprechen sollte, und danach vielleicht noch in die Stadt. Diese Entscheidung, zu der Ärztin zu gehen, war schwer, weil sie auch bedeutete, dass ich mit einer vom Fach, die sich auskannte und vielleicht sogar richtige Diagnosen stellen konnte, über meine Probleme sprach. Bis jetzt hatte ich mir sozusagen ein wenig aussuchen können, wem ich davon erzählte, und es war immer noch ein wenig mein Geheimnis gewesen. Wollte ich, dass irgendwo in einer Akte über mich dieses Wort ‚Borderline‘ stand und dass es dann jeder Arzt lesen konnte? Nein, eigentlich wollte ich das nicht. Aber ich wusste, irgendwas musste infolge der letzten Nacht geschehen, das war einfach zu schlimm gewesen, um folgenlos zu bleiben. Ich konnte mich jetzt nicht entscheiden, wollte aber in jedem Fall raus, also beschloss ich, das ganz spontan zu entscheiden, falls ich auf meinem Weg durch die Stadt an der Klinik vorbeikam. Und so nahm ich erst mal einfach meine Tasche und ging raus, nahm die Bahn in die Innenstadt und lief dort ein wenig herum. Als ich dann am Krankenhaus vorbeikam, entschied ich mich doch dagegen, hineinzugehen, und ging in die entgegengesetzte Richtung weiter. Ich hatte einfach nicht den Mut, mit der Ärztin über meine Probleme zu sprechen. Vielleicht sollte ich vorher erst noch mit Meto und mit Hitomi darüber reden. Ich ging einfach ziellos weiter durch die Straßen und irgendwann fand ich mich in der abseitigen Gegend wieder, wo sich der Sexshop befand, in dem ich letztens mit Meto gewesen war. Und weil mir ein wenig langweilig war und mich dieser Ort außerdem reizte, lief ich nun hier herum, obwohl um diese Zeit noch nicht wirklich was los war. Ich schaute in die Schaufenster, in manchen saßen schöne Mädchen, in anderen wurden alle möglichen Sexspielzeuge und Porno-DVDs ausgestellt. Eines der Mädchen lächelte mir einladend zu, ich sah sie an und erwartete irgendwie, dass mich ihr nur mit einem knappen Spitzenkleid bekleideter Körper ansprach. Doch ich fühlte bei ihrem Anblick so gut wie nichts außer einer blassen Erinnerung an früher, der jedoch jegliche Erregung fehlte. Kein Interesse, sie zu berühren, kein Gefühl von Lust. Als ich dann jedoch kurz an Meto dachte, daran, wie es sich anfühlte, wenn er nackt und mit verbundenen Augen unter mir lag, da war es wieder da, das Kribbeln im Bauch. Machte mich ein männlicher Körper wirklich mehr an als ein weiblicher, obwohl ich doch früher eindeutig Frauen gemocht hatte? Oder war es nur Meto, den ich eben liebte und dessen Körper mich darum erregte? Bisher hatte ich mir um diesen Unterschied irgendwie kaum Gedanken gemacht. Meine Gefühle für Meto waren einfach so stark, dass ich mir seitdem nie die Frage gestellt hatte, wie ich denn nun eigentlich orientiert war. Aber jetzt war die Frage in meinem Kopf und ich hatte das Gefühl, dass ich dem nachgehen musste. Ich hatte ja Zeit und war schon am richtigen Ort. Und so ging ich an dem Fenster mit den Mädchen vorbei weiter, erblickte am Ende der Straße einen Laden, der im Gegensatz zu den umliegenden Etablissements nicht nach Hetero aussah. Über dem Eingang leuchtete ein rot-pinkfarbenes Neonschild mit der Aufschrift ‚Love has no gender‘ und als ich näher kam, erkannte ich einschlägige Film-DVDs und andere Gegenstände im Schaufenster. Das typische rote Licht, das hinter den Fenstern leuchtete, zeigte an, dass schon geöffnet war, und kurzentschlossen ging ich auf die Tür zu und öffnete diese, wobei sie eine leise Glocke klingeln ließ. Es schien sich um eine Mischung aus Sexshop, Kino und Club zu handeln, aus einem Raum weiter hinten kam jedenfalls leise Musik und Gläserklappern, und auf der anderen Seite erkannte ich ein paar solcher Kinokabinen. Der erste Raum sah ähnlich aus wie der andere Sexshop, lauter Vitrinen und Regale mit Sachen drin. „Hallo“, hörte ich eine weibliche Stimme von irgendwoher. „Schau dich ruhig um, ich bin gleich wieder da.“ Ich wusste ja gar nicht so recht, was genau ich wollte. Mich nur umschauen? Einen Film ansehen? Irgendwas kaufen? Was ich wusste, war, dass ich neugierig war und wissen wollte, wie nah ich dieser Szene und Lebensweise stand. Ich hatte nicht das Gefühl, wirklich schwul oder bisexuell zu sein, aber hetero war ich ja wohl auch nicht mehr. Ich liebte Meto über alles, und auch seinen Körper, doch ich hatte wie gesagt nicht das Gefühl, allgemein auf Männer zu stehen. Weil ich nicht einfach nur herumstehen wollte, sah ich mich dann doch in dem Ladenraum um. Neben allen möglichen üblichen und unüblichen Sextoys gab es eine große Anzahl an Filmen und auch ein kleines Regal voll einschlägiger Manga und Bücher, welche mich in diesem Moment am meisten interessierten, weil Meto auch solche besaß. Ich nahm einen der Manga aus dem Regal und schaute hinein, das Heft war nicht in Folie eingeschweißt und so konnte ich einfach so ein wenig darin herumblättern. Es war keiner dieser leichten Boyslove-Manga für junge Mädchen, sondern ein in einem ganz realistischen Stil gezeichnetes Werk aus der schwulen Szene, welches eine Abgrenzung von diesen Mädchen-Manga ganz deutlich machte. Da die Verkäuferin sich nicht blicken ließ, nahm ich den Manga einfach mal mit in eine der Kabinen, um ungestört darin lesen zu können. Zuerst las ich etwas von der Geschichte, dann blätterte ich vor bis zur ersten Sexszene und sah mir diese genau an. Ich wollte wissen, ob es mich anmachte, Bilder von zwei Männern beim Sex zu sehen. Ja, musste ich nach einer Weile vor mir selbst zugeben, diese Bilder hatten was. Obwohl die beiden Männer in der Geschichte nur wenig Ähnlichkeit mit Meto und mir hatten, erkannte ich uns doch irgendwo darin wieder, und diese Gedanken wirkten durchaus erregend auf mich. Aber wenn ich mir die Bilder ohne den Gedanken an mein eigenes Sexleben anschaute, verlor sich diese erregende Wirkung fast völlig, und ich spürte recht genau, wie es sich bei mir damit verhielt: An anderen Männern als Meto hatte ich kein sexuelles Interesse. Ich begehrte nur ihn. Und da ich nun mal irgendwann das Interesse an Frauen verloren hatte, war ich jetzt weder hetero-, noch wirklich homosexuell. Es fühlte sich seltsam an, undefiniert und ein wenig verwirrend, dass ich anscheinend zwischen den Orientierungen stand, und ich spürte, wie abhängig ich von Meto war, weil es für mich nur noch ihn gab. Ich stand wieder auf und brachte den Manga ins Regal zurück. In dem Moment kam die Verkäuferin um die Ecke, ein junges Mädchen, wahrscheinlich gerade erst volljährig, und fragte: „Kann ich helfen?“ Zuerst tat ich so, als schaute ich mir die Buchrücken der Werke im Regal weiter an, während ich überlegte, ob ich danach fragen sollte, ob es hier auch Bücher gab, deren Protagonisten in einer ähnlichen Lage und Orientierung waren wie ich. Ich wusste ja nicht, ob und in welcher Form es auch so etwas gab, aber wenn ja, dann wollte ich gern etwas davon lesen. „Ähm … ja“, begann ich und tat nachdenklich, „Ich suche … eine bestimmte Art von Geschichte. Ich weiß aber nicht, ob es so was überhaupt gibt, ich kenne mich da nicht aus.“ „Beschreib es einfach mal, dann kann ich schauen, ob wir was in der Richtung da haben“, sagte die Verkäuferin und lächelte. Aus irgendeinem Grund duzte sie mich, vielleicht war das hier so üblich, also ging ich darauf ein und benutzte ebenfalls die weniger höfliche Form. „Also, stell dir vor … Ein Mann, der früher nur Frauen mochte, hat einen besten Freund, den er wahnsinnig gern hat, und nach einer Weile verliebt er sich in ihn. Er verliert jegliches Interesse an Frauen, interessiert sich aber sexuell auch nicht für andere Männer, sondern nur für seinen Freund, der diese Liebe erwidert. Gibt es so eine Geschichte?“ „Hmm… lass mich mal nachdenken.“ Sie kniete sich vor das Regal und suchte bei den weiter unten einsortierten Büchern, zog schließlich eines heraus, ein dickes, vielversprechend aussehendes, und hielt es mir so hin, dass ich den Text auf der Rückseite lesen konnte. „Da, das könnte dir gefallen.“ „Darf ich eben ein bisschen darin lesen?“ „Natürlich.“ Sie verschwand wieder zwischen den Vitrinen und ließ mich mit dem Buch alleine. Ich zog mich wieder in die eine Kabine zurück und begann zu lesen. Von der ersten Seite an gefiel mir der Schreibstil, und die Geschichte hatte wirklich kleine Ähnlichkeiten mit meinem Leben, zumindest so weit, dass ich mich bald mit dem Ich-Erzähler der Geschichte identifizieren konnte. In dem Buch, das ich vorhin zu Hause in der Hand gehabt hatte, war es um ganz andere Dinge gegangen, dieses hier passte besser für mich. Ich las das erste Kapitel und blätterte dann noch ein wenig weiter, insgeheim hoffend, dass ich so auf eine Sexszene stieß. Ich fand sogar recht bald eine, die sich über mehrere Seiten hinzog und in einer fesselnden, angenehm erotischen und mich sehr ansprechenden Wortwahl geschrieben war. Was da beschrieben wurde, war vor allem kein schneller One-Night-Stand oder dergleichen, sondern ein Liebesakt zwischen zwei Menschen, die sich wahnsinnig nahestanden und liebten, genau so, wie es bei Meto und mir eben auch war. Mit einem Unterschied: Der Ich-Erzähler in der Geschichte war in diesem Akt der ‚Bottom‘, der unten lag und sich nehmen ließ. Durch den sehr eingängigen und deutlichen Schreibstil bekam ich eine recht genaue Vorstellung davon, wie das war, und spürte sofort meine eigene Neugierde darauf. Ich wollte nicht nur der Gleichberechtigung halber mit Meto tauschen, ich wollte es auch, weil ich wissen wollte, wie es sich anfühlte. Ich spürte, wie es mich reizte und lockte, wie ein Geheimnis, das mir die meiste Zeit meines Lebens über vollkommen fremd gewesen war. Ich hatte ja in meinem Leben schon einige sexuelle Praktiken und dergleichen ausprobiert, aber diese eine war mir, als ich mich noch für hetero gehalten hatte, ja gar nicht in den Sinn gekommen. Jetzt, wo ich die Möglichkeit hatte, wollte ich es auch tun. Ganz zu schweigen davon, dass ich es für Metos und meine Beziehung wichtig fand, dass er auch mal zum Zuge kam. Ich verschlang die Beschreibung des Aktes in dem Buch geradezu, las sie sogar zweimal und spürte, wie es mich fesselte, faszinierte und geil machte. Danach klappte ich das Buch zu, legte es beiseite und schloss die Kabine von innen ab, entdeckte dabei neben der Sitzbank eine Box Taschentücher, die ganz sicher nur für einen bestimmten Zweck hier stand. Sollte ich? Hier und jetzt? Ich spürte, wie sehr mich das Lesen dieser Szene erregt hatte, und wollte so nicht raus gehen, wo das sicher aufgefallen wäre. Kurz dachte ich an meine Zeit auf der Straße, wo ich mir manchmal nachts, wenn alle schliefen, und ich jenen körperlichen Druck verspürte, möglichst leise einen runtergeholt hatte. Ich kontrollierte noch einmal, ob die Tür gut verschlossen war, dann setzte ich mich wieder, öffnete meine Hose und schob meine Hand hinein. Es ging schnell, die Aufregung aufgrund der fremden Umgebung erregte mich, und ich dachte an Meto, stellte mir seinen nackten Körper vor und dass es seine Hand war, nicht meine, die mein hartes Glied berührte. Ich kam mit einem halb unterdrückten Keuchen, blieb danach einen Moment einfach sitzen und nahm mir schließlich welche von den Taschentüchern, säuberte meine Hand und warf die benutzen Tücher in den daneben stehenden Mülleimer. Dann schloss ich meine Hose wieder, öffnete ich die Tür, nahm das Buch und meine Tasche mit und suchte nach der Kasse, um das Buch zu kaufen. Als ich den Laden mit dem Buch wieder verließ, fiel draußen ein leichter Nieselregen. Meine leichte Jacke hatte keine Kapuze und einen Schirm hatte ich natürlich auch nicht, also beeilte ich mich, zur nächsten Bahnstation zu kommen und mich dort unterzustellen. Von dort nahm ich dann die Bahn zurück nach Hause. Während der Fahrt wurde der Regen draußen immer heftiger, auf dem Weg von unserer Bahnstation zurück nach Hause wurde ich klatschnass und spürte, wie mich das gefährlich frustrierte. Schlechtes Wetter war für meine Stimmung schon oft Grund genug für einen Zusammenbruch gewesen, und ich musste wirklich aufpassen, damit die Frustration mich nicht abstürzen ließ. Als ich die Haustür öffnete, war ich nass bis auf die Haut und gefährlich nah an meiner inneren emotionalen Grenze. Ich dachte angestrengt an eine heiße Dusche und kämpfte mich die Treppen hoch, mein Herz klopfte schneller und es stach ein wenig. Ich öffnete die Wohnungstür und zerrte mir die nassen Schuhe von den Füßen. Dabei bemerkte ich einen Brief auf dem Boden, der durch den Briefschlitz in der Tür hereingeworfen worden war. Ich hob den Umschlag auf und nahm ihn mit in die Küche, wo ich ihm erst mal auf den Tisch legte und mich bis auf die Unterwäsche auszog. Dann zündete ich mir eine Zigarette an, öffnete das Fenster und dann den Brief, las diesen, während ich rauchte und draußen der Regen rauschte. Es war der Brief mit den Ergebnissen der Blutuntersuchung, die ich bei Dr. Ishida hatte machen lassen. Er war direkt nur an mich adressiert und kam von einem Labor, das im Auftrag des Arztes mein Blut untersucht hatte. Ich verstand nicht viel von dem medizinischen Drumherum und überflog die Tabelle mit den verschiedenen Werten nur, denn darunter musste ja irgendwo stehen, ob ich nun irgendeine Krankheit hatte oder nicht. „… liegt die Wahrscheinlichkeit einer bekannten Geschlechtskrankheit oder von anderen getesteten Krankheiten bei Ihnen augenblicklich bei unter 1 Prozent …“, stand da. Und dass ich mich bei jedem weiteren Verdacht wieder untersuchen lassen sollte, um weitere Krankheiten auszuschließen. Ich atmete erleichtert aus. Obwohl ich mir nicht allzu viele Sorgen und Gedanken darum gemacht hatte, war die Gewissheit, dass ich zumindest in dem Bereich keine körperlichen Krankheiten hatte, jetzt doch sehr erleichternd. Ich las die Tabelle noch einmal, versuchte, sie zu verstehen und zu erkennen, ob das Ergebnis auch Herzkrankheiten ausschloss. Doch da ich von derlei medizinischen Fachbegriffen keine Ahnung hatte, wurde ich nicht recht schlau daraus. Dieser Anfall, oder was das auch gewesen war, von letzter Nacht, gab mir weit mehr zu denken als irgendwelche Geschlechtskrankheiten. Dr. Matsuyama hatte zwar gesagt, dass sie zumindest in dem Moment keine körperliche Ursache hatte feststellen können, doch das beruhigte mich kaum. Schließlich waren meine Schmerzen zuvor nie so extrem gewesen, ich war bisher nie davon ohnmächtig geworden. Jetzt konnte ich mich auch wieder genauer daran erinnern und versuchte, selbst zu verstehen, wie es dazu gekommen war und woran es liegen könnte. Es hatte mit meinem Albtraum zu tun gehabt, mit der Erinnerung an mein tiefstes Trauma, da war ich mir ziemlich sicher. Aber konnte ein Albtraum wirklich ganz allein solche schlimmen körperlichen Schmerzen auslösen? Einen Moment lang dachte ich darüber nach, mich wieder anzuziehen und doch noch zu Dr. Matsuyama zu gehen, aber ein Blick aus dem Fenster nach draußen, wo es immer noch in Strömen regnete, reichte aus, damit ich es mir doch wieder anders überlegte. Aber anrufen konnte ich ja. Damit die Ärztin zumindest wusste, dass es mir gut ging. Ich drückte meine Zigarette aus und schloss das Fenster, dann ging ich ins Wohnzimmer und suchte die Visitenkarte raus, nahm mein Handy und wählte die Nummer auf der Karte. Es dauerte ein wenig, bis die Ärztin abnahm und sich mit ihrem Namen meldete. „Aoba hier“, meldete ich mich. „Ich wollte nur sagen, mir geht’s gut. Ich wollte auch zu Ihnen kommen, aber … wegen dem Regen …“ „Sind Sie heute zu Hause geblieben?“ „Ja. Ich hab total verschlafen und dachte auch, ich ruhe mich mal besser aus.“ „Aoba-san, ich habe über ihre Symptome noch einmal nachgedacht. Und ich denke, Sie sollten sich in nächster Zeit sicherheitshalber doch untersuchen lassen, einfach, um eine körperliche Ursache der Schmerzen auszuschließen. Ansonsten … wegen Ihrer psychischen Probleme und so weiter … da können Sie erst einmal auch zu mir kommen. Sie müssen auch bestimmt nicht gleich über Nacht in der Klinik bleiben.“ „Danke.“ „Ich sage Ihnen einfach mal, wann ich noch Termine frei habe, dann können Sie zu mir kommen und wir reden über alles“, sagte sie und nannte mir dann Zeiten, wo ich zum Reden und für Untersuchungen zu ihr kommen konnte. Es war auch ein Termin für morgen Nachmittag dabei, nach meiner Arbeitszeit, und den schrieb ich mir auf, sagte, dass ich dann zu ihr ins Krankenhaus kam. „Passen Sie gut auf sich auf“, sagte Dr. Matsuyama zum Schluss. „Und wenn es Ihnen nicht gut geht, melden Sie sich bitte.“ „Mach ich“, antwortete ich, wusste aber nicht, ob ich es wirklich tun würde. Ich spürte, irgendwas in mir war durch den Regen und die Erinnerung an den Albtraum aus dem Gleichgewicht geraten. Und weil ich jetzt nichts mit mir anzufangen wusste, ging ich ins Schlafzimmer und legte mich aufs Bett. Eigentlich hatte ich ja duschen wollen, aber auf einmal fehlte mir die Lust dazu und ich blieb einfach eine Weile so auf dem Bett liegen, in Unterwäsche und mit vom Regen nassen Haaren. Wieder diese Leere, wie gestern Abend. Mir fiel ein, dass ich seit heute Morgen nichts mehr gegessen hatte und es längst Nachmittag war, aber ich konnte mir nicht vorstellen, jetzt etwas zu mir zu nehmen. Ich hatte das Gefühl, als ob mir von jedem kleinen Bissen übel werden würde. Auf einmal fühlte ich mich entsetzlich einsam, einfach so, ohne ersichtlichen Grund. Ich starrte hoch an die weiße Decke und stellte mir vor, sie schwarz zu färben. Den ganzen Raum rot und schwarz, so wie das Bett. Ich drehte mich auf die Seite, starrte nun an die Wand, zog die Knie hoch und weinte einfach, ohne recht zu wissen, warum. Wünschte mir, dass Meto da war und mich in seine Arme schloss, und hatte gleichzeitig irgendwie Schuldgefühle, weil ich so abhängig von ihm war. Einerseits wollte ich ihn anrufen, einfach um seine Stimme zu hören, doch auf der anderen Seite fürchtete ich, dass er sich dann wieder Sorgen um mich machte und dass ich ihm zur Last fiel. ‚Borderline‘, flüsterte es in meinem Kopf, immer wieder. Ich erinnerte mich an meine rasende Eifersucht, als Meto noch mit MiA zusammen gewesen war und es mich unheimlich wütend gemacht hatte, die beiden zusammen zu sehen. An meine Angst davor, dass er mich wegen MiA, der so viel gesünder und umgänglicher war als ich, verlassen könnte. Die Erinnerung an diese Angst hatte ich bisher verdrängt, doch jetzt flammte sie wieder auf, brannte wie Glut auf meinem Herzen, das sofort wieder wehtat. Ich liebte Meto wahnsinnig und je mehr ich ihn liebte, umso größer wurde meine Angst, dass er mich allein ließ. Mich mit meinen vielen Fehlern und einer solchen Störung. Wie machte er das, mich so zu lieben? Warum begehrte er gerade mich? Warum hatte er sich für mich entschieden und nicht für MiA? Was hatte ich denn an mir, dass er mich mehr liebte? Ich sah es nicht. Weinend vergrub ich mein Gesicht im Kopfkissen, mein ganzer Körper zitterte und meine Sehnsucht nach Meto wurde immer größer. Ich griff nach meinem Handy, das auf dem Nachttisch lag, und schaute auf den Bildschirm, wo ich ein Foto von uns beiden als Hintergrund eingestellt hatte. Das Foto, auf dem ich ihn küsste. Er sah so lieb und glücklich aus. Und ich musste noch mehr weinen, weil ich mir gerade einfach nicht vorstellen konnte, wie er an meiner Seite so glücklich sein konnte. Der Wunsch, Metos Stimme zu hören, wurde so übermächtig stark, dass ich schließlich doch seine Nummer raussuchte und ihn anrief. Es dauerte einen Moment, bis er abnahm. „ … Tsu?“, fragte er sofort, „Alles okay?“ „Ich … wollte deine Stimme … hören …“ Meine Stimme klang deutlich tränenerstickt und natürlich bemerkte er das. „Hey, was hast du denn?“ „Ich … weiß nicht … Mir geht’s einfach … nicht gut …“ „Einfach so?“, fragte er. „Oder ist irgendwas passiert?“ „Ich bin vorhin in den Regen gekommen“, antwortete ich, während in meinem Kopf weiter diese schmerzhaften Fragen nach dem Warum von Metos Liebe zu mir herumschwirrten. Ich wusste, es verletzte ihn, wenn ich diese Fragen aussprach, doch ich konnte nicht anders: „Meto? Warum liebst du mich eigentlich?“ Er antwortete nicht gleich und ich wusste, jetzt machte er sich wieder große Sorgen um mich. „Tsuzuku, was ist denn das wieder für eine Frage? Ich liebe dich, weil ich dich liebe, da gibt’s kein Weil und kein Warum. Höchstens, dass du für mich der liebste und begehrenswerteste Mensch auf der Welt bist.“ Seine Stimme klang leise und ein wenig rau, wahrscheinlich, weil er bei der Arbeit ja eigentlich nicht sprach. „Ich liebe dich, hörst du?“ Ich wollte erklären, warum ich so etwas fragte, doch er ließ mich gar nicht erst zu Wort kommen. „Tsu, ich weiß ja, warum du solche Fragen stellst. Aber ich kann’s dir nur immer wieder sagen, dass du alles für mich bist und dass ich dich niemals verlassen werde. Ich bleibe bei dir, ich weiß doch, wie sehr du mich brauchst. Ich hab jetzt noch zweieinhalb Stunden zu arbeiten, dann bin ich wieder bei dir. Bis dahin halte bitte durch und tu dir nicht weh, ja?“ Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Denn der Gedanke, mich zu verletzen, war so präsent, dass ich kaum dagegen ankam. Es erschien mir als einzige erreichbare Möglichkeit, meinen seelischen Schmerz zu betäuben. Ihn mit körperlichen Schmerzen zu überdecken, welche ich mir selbst zufügte. „Tsuzuku?“, sprach mich Meto an, als ich nicht antwortete. „Bleib stark, ja? Ich glaub an dich.“ „M-hm …“, machte ich und dachte mit aller Kraft an sein Gesicht, wenn er lachte. Stellte mir vor, dass er mich nachher, wenn er wieder da war, umarmte und küsste und mir wieder Kraft schenkte, weiter zu machen, weiter zu kämpfen. „Bis nachher, mein Herz.“ Er machte noch ein leises Kussgeräusch zum Schluss und legte dann auf. Ich wusste, wenn ich hier so liegen blieb, wurde es nicht besser. Und so stand ich auf, zog mich wieder an und setzte mich ins Wohnzimmer vor die Spielekonsole, um mich zu beschäftigen und abzulenken. Und tatsächlich gelang es mir, mich da hinein zu vertiefen und an nichts anderes mehr zu denken. Einmal in die Spielwelt abgetaucht, verging die Zeit wie im Flug und irgendwann hörte ich dann, wie Meto die Wohnungstür aufschloss und seine Schuhe auszog. „Tsu, ich bin wieder da.“ Ich stoppte das Spiel, stand auf und ging zu ihm in den Flur, wo er mich sofort umarmte. „Wie geht’s dir, mein Herz?“, fragte er und küsste mich. Seine süßen, weichen Lippen vertrieben sofort jedes Gefühl von Einsamkeit und ich fühlte mich wieder sicher. „Geht wieder“, flüsterte ich. „Wenn du bei mir bist …“ „Na, siehst du.“ Meto lächelte. „Und? Was machen wir heute Abend noch? Ich bin noch nicht wirklich müde, und du?“ Nein, müde war ich auch noch nicht. „Such du dir was aus.“ Meto sah mich einen Moment lang nachdenklich und prüfend an, dann fragte er: „Wollen wir vielleicht mal wieder ausgehen, in ‘nen Club, zum Tanzen? Oder ist dir heute nicht nach Menschenmengen?“ Ich fühlte in mich hinein, ob ein Clubbesuch gerade infrage kam oder nicht, und kam zu dem Schluss, dass ich es zumindest versuchen wollte. Tanzen gehen, ein bisschen was trinken, damit der Tag noch ein schönes Ende hatte. „Das geht schon“, sagte ich und lächelte. „Ich würde gerne mal wieder mit dir tanzen gehen.“ Meto hob die Hand und streichelte sanft meine Wange. „Dann machen wir uns erst schön und gehen dann in denselben Club wie letztes Mal?“ Ich nickte. Dachte an meine schönsten Klamotten und fühlte schon einen Anflug von Vorfreude. Wir gingen zusammen ins Schlafzimmer und Meto kramte sein schönstes Lolitakleid raus, das gepunktete, dazu die hellblaue Lockenperücke mit Haarschleife, und rote Lackschuhe. „Das willst du anziehen?“, fragte ich. „Ich dachte, dann fällt es nicht auf, dass wir beide Männer sind, und du fühlst dich von den Leuten deshalb nicht so angestarrt“, erklärte Meto. „Und außerdem hatte ich dieses Kleid lange nicht an.“ Ich hatte eigentlich vorgehabt, meine Lacksachen anzuziehen, aber die passten irgendwie nicht so recht zu Metos Kleid, und so wusste ich jetzt außer dem Netzhemd, das ich unterziehen wollte, nicht, was ich anziehen sollte. Mein Liebster griff rüber in meine Hälfte unseres Kleiderschrankes und zog mein einziges helles Hemd zwischen meinen Shirts raus. Es war ein ganz leichtes Hemd aus hell bedrucktem Stoff, ein Geschenk von Metos Mama zu meinem Geburtstag. Dazu hatte ich nur eine passende Hose, eine schwarze aus einem schönen, samtigen Stoff, und ein langes Jackett aus demselben Stoff, beides hatte ich im vergangenen Winter gekauft und dann bei Meto zuhause aufbewahrt. Ebenso wie ein Paar schöne rote Schuhe, die ich bisher erst einmal getragen hatte und die auch dazu passten. „Zieh doch das alles zusammen an“, sagte Meto. „Das sieht gut aus.“ Er lächelte wieder und hielt mir das Hemd hin. Ich zog mich bis auf die Shorts aus, stieg in die Anzughose und zog dann erst eins meiner Netzhemden, dann das helle Hemd und schließlich die Jacke an. Wahrscheinlich würde es mir nachher warm werden, aber ich wollte lieber eine Jacke dabei haben, als auf dem Hin- und Rückweg zu frieren. Als wir dann beide angezogen zusammen im Bad vor dem Spiegel standen, hatte Meto die Idee, dass er mich zuerst schminkte und dann ich ihn. Dass er mich schminkte, war mir ja vertraut, aber umgekehrt hatten wir’s noch nie gemacht, dass ich ihn im Gegenzug auch schön machte. Zuerst kamen sowieso die Haare dran, wobei ich bei mir mit dem ganzen Haarspray mehr zu tun hatte als Meto, der ja nur die Perücke aufsetzen und diese einmal ordnen musste. Ich setzte meine hellblauen Kontaktlinsen ein, Meto seine üblichen Scleras, eine schwarz und eine weiß, und dann fing er an, mich zu schminken. Er wusste ja, wie ich mein Makeup am liebsten mochte, und so bekam ich es auch, mit viel Schwarz um die Augen und diesem einen, dunklen Rotton beim Lippenstift. Es fühlte sich immer noch unheimlich gut an, wenn er mich schminkte, das erinnerte mich so an seine Fürsorglichkeit in der Zeit, als ich nicht für mich selbst hatte sorgen können. Und als mein Makeup fertig war und ich begann, Meto in ganz anderen, helleren Farben zu schminken, da hatte ich das Gefühl, ihm damit etwas von seiner Fürsorglichkeit zurückgeben zu können, sodass es wieder ausgeglichen war zwischen uns. Metos Makeup war, weil er gern Glitzersteinchen und dergleichen verwendete, etwas komplizierter als meines, aber am Ende sah es besser aus als ich mir am Anfang zugetraut hatte. „Hab ich das gut gemacht, gefällt’s dir?“, fragte ich. Meto sah in den Spiegel, nickte, lächelte, strahlte mich an. „Bist du jetzt im Puppenmodus und redest nicht mehr?“ Er grinste und nickte wieder, flüsterte dann jedoch: „Doch. Aber nur ganz leise.“ Ich ging in die Küche und schaute aus dem Fenster. Der Regen hatte aufgehört und der Himmel war wieder frei, die langsam untergehende Sonne strahlte die verbliebenen Wolken an, sodass diese in sanften Orange- und Rosatönen am Himmel hingen. Einen Moment lang blieb ich am Fenster stehen und schaute mir diesen schönen Himmel an, dann steckte ich meine Zigaretten und das Feuerzeug ein und ging in den Flur, um die roten Schuhe anzuziehen. Meto kam aus dem Schlafzimmer, hatte Ruana im Arm, die ein ähnlich süßes Kleid wie seines trug. „Soll Ruana mitkommen?“, fragte ich. Meto nickte und antwortete leise: „Ich hab so lange nichts mehr mit ihr zusammen gemacht.“ „Dann darf sie mit“, sagte ich und lächelte. Der Club, in dem wir auf unserer kleinen Reise damals ja schon gewesen waren, war nur zwei Bahnstationen von unserer Wohnung entfernt. Er lag in der Nähe des Strandes und ich konnte mich noch gut daran erinnern, wie wir damals dort gewesen waren. In der Bahn spürte ich die Blicke der Leute, doch da ich wusste, dass sie Meto wahrscheinlich für ein Mädchen hielten und nur so schauten, weil wir beide so auffällig zurechtgemacht waren, kam ich relativ gut damit klar. Meto lehnte sich an mich, seine eine Hand lag auf meinem Bein, die andere hielt Ruana fest, und ich legte meinen Arm um seine Schultern. „Oh, was für ein niedliches Paar“, flüsterte eine Mädchenstimme hinter uns. „Das Mädel hat ja ein tolles Kleid an!“ „Er sieht aber auch toll aus“, antwortete eine andere, die anscheinend daneben saß. Ich drehte mich nicht um, doch Meto schien es ebenfalls gehört zu haben, er wandte sich zu den beiden Mädchen um und lächelte sie an. Dann drehte er sich wieder zu mir um und drückte mir Ruana in die Hand. Hinter mir hörte ich sofort ein begeistertes Quietschen. „Ein süßer Typ mit ‘nem süßen Teddy, awww!“ Jetzt drehte ich mich doch um und sah die Mädchen, die beide Schuluniform trugen, an. Sie schienen total begeistert von uns zu sein, und ich hatte so das Gefühl, dass sie auch kein Problem damit haben würden, wenn Meto jetzt etwas sagte und sie an seiner Stimme sein Geschlecht erkannten. Ich wusste ja, dass es viele Mädchen gab, die homosexuelle Männerpaare irgendwie toll fanden, nur war mir das bisher immer ein wenig unheimlich gewesen. Ich verstand es nicht so ganz, doch jetzt freute ich mich ein wenig darüber, denn es war immerhin besser als die Ablehnung, die ich ja auch schon erfahren hatte. An der nächsten Station stiegen wir aus, Meto lächelte den beiden Mädchen noch einmal zu und nahm dann meinen Arm, verhielt sich genau so, wie es das Bild eines puppenhaften Mädchens an der Seite ihres Freundes vorsah. Er hatte ja vorhin gesagt, dass er das auch für mich tat, und das rührte mich, auch wenn es mir irgendwie ein wenig unangenehm war, dass er wieder diese Frauenrolle spielte. Aber so war Meto eben. Als wir den Club erreichten, war dort noch recht wenig los. Nicht weiter verwunderlich an einem normalen Wochentag, aber gut für uns, wenn es nicht so voll war. Der Mann an der Eingangstür wollte Metos Ausweis sehen, bekam ihn gezeigt und ließ uns rein, drinnen war die Musik noch nicht so laut und im Augenblick wurde auch ein eher ruhiges Lied gespielt. Meto gab seine Handtasche an der Garderobe ab, Ruana würde dort ebenfalls auf uns warten, damit ihr im Gewirr des Clubs nichts passierte. „Wollen wir zuerst bisschen was trinken?“, flüsterte Meto als wir den Raum mit der Bar betraten. Er sprach gerade laut genug, dass ich es trotz der Musik hören konnte, kein bisschen lauter. „Ja, ein bisschen was“, antwortete ich. An der Bar bestellte ich mir ein kleines Bier, und Meto tippte auf einen Cocktail auf der auf dem Tresen liegenden Getränkekarte. Er bezahlte für uns beide und wir setzten uns mit den Getränken in eine ruhigere Ecke. Meto lehnte sich wieder ein wenig an mich, legte seine Hand auf mein Bein und nach einer ganzen Weile fragte er leise: „Tsu? Darf ich … dich was … fragen? Es ist … ein bisschen was Schwieriges …“ „Was denn?“ „Deine Angst, dass ich dich allein lasse … hast du die auch, wenn ich bei dir bin, oder nur, wenn ich gerade mal nicht da bin?“ Metos Hand lag fest auf meinem Bein, so als wollte er mir damit zeigen, dass meine Angst völlig unbegründet war. „Jetzt gerade ist sie nicht da. Zumindest fühle ich sie gerade nicht“, antwortete ich. „Aber … eigentlich ist sie immer irgendwie vorhanden. Sobald ich daran denke, dass ich krank bin und … dass du mich deswegen … verlassen könntest.“ „Aber eigentlich weißt du doch, dass ich das nicht tun werde, oder?“ „Eigentlich schon.“ „Was kann ich denn tun, dass du das nicht mehr vergisst, dass ich bei dir bleiben will?“ „Sag’s mir einfach immer wieder. Ich glaube, mehr kannst du auch nicht tun.“ Meto antwortete nicht mit Worten darauf. Stattdessen beugte er sich vor und tupfte seine rot geschminkten Lippen vorsichtig und lieb auf meine, legte seine Hand auf mein Herz und streichelte über meine Rippenbögen. „Ich weiß doch, dass das da drinnen nur für mich schlägt“, sagte er und lächelte. Dann stand er auf, hielt mir seine Hand hin, damit ich aufstand, und fragte: „Wollen wir jetzt tanzen gehen?“ Tanzen war gut. Es machte den Kopf frei, lenkte die Konzentration auf schönere Dinge und ich bekam ein richtig gutes Gefühl dabei. Meto hielt meine Hände, lächelte mich an, brachte spielerisch Abstand zwischen uns und kam dann wieder näher, um mich zu küssen und sich dann von mir herumdrehen zu lassen. Um uns herum wurden es immer mehr Menschen, doch ich hatte keine Angst. Ich war vollkommen auf Meto konzentriert, er bemerkte es und strahlte mich glücklich an. Als das Lied wechselte und etwas Langsameres gespielt wurde, legte er seine Arme um mich, und ich umarmte ihn meinerseits, er sah mich an und fragte leise: „Bist du glücklich, Tsuzuku?“ Ich nickte, lächelte, drückte ihn enger an mich. Ja, in diesem Moment an der Seite meines Liebsten war ich wirklich glücklich. Es tat mir einfach gut, ihn nah bei mir zu haben und an nichts denken zu müssen außer an ihn. Wir wiegten uns ein wenig zu dem langsamen, romantischen Song, Meto lehnte seinen Kopf an meine Schulter und ab und zu spürte ich ganz leicht und zart seine Lippen an meinem Hals. Auf der Tanzfläche wurde es langsam doch merklich voller und schließlich zog Meto mich einfach hinter sich her weg aus der Menge und zurück zur Bar. Er hatte, noch bevor es gefährlich für mich wurde, bemerkt, dass mir die Menschenmenge nicht lange guttun würde. Wir zogen uns in eine ruhigere Ecke zurück und Meto nahm mich in seine Arme, zog mich an sich und flüsterte in mein Ohr: „Wollen wir nach Hause? Ich würde gerne … was mit dir versuchen.“ „Was denn?“, fragte ich und versuchte, in seinen Augen zu erkennen, in welche Richtung seine Gedanken gerade gingen. Doch er antwortete nicht darauf, lächelte mich nur an und sagte dann: „Lass dich überraschen.“ Eine Überraschung also? Na, so was hatte ich gern … Aber irgendwo ahnte ich, dass es irgendwas Sexuelles war, was er vorhatte, in seinen Augen leuchtete eine gewisse Lust. Wir holten unsere Taschen und Ruana an der Garderobe wieder ab und verließen den Club. Draußen war es jetzt ganz dunkel, die Luft war ganz klar und am Himmel leuchteten die Sterne. Ich fragte mich, was Meto gerade im Kopf herumging, was er vorhatte, womit er mich überraschen wollte. Wir hatten ja inzwischen vieles ausprobiert und es dauerte eine Weile, bis ich auf den Gedanken kam, was es sein könnte, was er mit mir tun wollte: Hatte er etwa vor, jetzt, heute Nacht, zum ersten Mal zu tauschen? „Meto?“, fragte ich ihn leise, als wir schon fast bei der Bahnstation waren. „Kann es sein, dass du … dass du vielleicht heute Nacht tauschen willst?“ Er lächelte mich nur geheimnisvoll an. „Sag schon!“, forderte ich, mich hatte die Neugierde gepackt. „Was hast du vor?“ „Es wird dir gefallen“, flüsterte er und ging dann ein paar Schritte voraus, sodass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. „Meto! Jetzt sag schon! Spann mich nicht so auf die Folter!“ Ich lief schneller, holte ihn ein und griff seinen Arm. Er lachte. „Du bist ja richtig ungeduldig, Tsu!“ „Natürlich, wenn du vielleicht tauschen willst!“ „Du wirst schon sehen, was ich mir ausgedacht habe.“ In der Bahn war aus ihm wieder kein Ton mehr rauszukriegen, doch auf dem Heimweg versuchte ich es weiter, ihm sein kleines Geheimnis zu entlocken. Aber er kannte mich einfach zu gut, hielt komplett dicht und lachte über meine Ungeduld und Neugierde. Und so musste ich, ob ich wollte oder nicht, warten, bis wir zu Hause waren. Doch auch dort verriet er mir zuerst nicht, was er vorhatte, sondern verschwand erst einmal im Bad, um sich auszuziehen und abzuschminken. Ich tat es ihm gleich und versuchte, währenddessen noch einmal herauszubekommen, was er denn nun vorhatte. Meto lächelte wieder nur, legte mir den Finger auf die Lippen und flüsterte: „Gleich, Tsu. Du kannst dich ja schon mal hinlegen, ich bin gleich bei dir.“ Ich war sowieso gerade fertig mit Abschminken, ging rüber ins Schlafzimmer und begann schon mal, mich auszuziehen. Da hatte ich also richtig geraten, mein Liebster hatte irgendwas Verführerisches vor. Na ja, das war bei uns beiden auch wenig verwunderlich. Mein Herz klopfte schneller vor Spannung und Vorfreude und ich stellte mir alles Mögliche vor, dachte dabei an das Buch, das ich heute in dem Laden im Rotlichtviertel gekauft hatte. Wo war dieses Buch eigentlich geblieben? Ich konnte mich nicht erinnern, es ins Regal gestellt zu haben. Nur mit meinen Shorts bekleidet, ging ich zurück auf den Flur und sah die diskret dunkelblaue Plastiktüte des Ladens neben meinen noch immer ein wenig nassen schwarzen Schuhen stehen. Da war das Buch also! Ich hatte es nicht mal aus der Tüte genommen. Ich stellte es noch schnell ins Regal, ging dann ins Schlafzimmer zurück und legte mich aufs Bett. Es dauerte noch eine Weile, bis Meto in Unterwäsche aus dem Bad kam, und ich fragte mich, was da jetzt so lange gedauert hatte. „Jetzt sag mir aber auch mal, was du vorhast“, sagte ich und richtete mich wieder halb auf, sah ihn erwartungsvoll an. Wenn er wirklich das plante, was ich mir dachte … Aber eigentlich war das unwahrscheinlich. Denn so, wie ich Meto kannte, hätte er dann mit mir darüber gesprochen, statt so ein Geheimnis darum zu machen. Nein, es musste irgendwas anderes, weniger Bedeutsames sein, was er jetzt mit mir tun wollte. Meto lächelte und kam dann zu mir aufs Bett, küsste mich und flüsterte: „Was Schönes.“ „Sehr informativ“, lachte ich, küsste ihn zurück und sah ihn dann an. „Nein, mal ernsthaft, Meto, was wird das?“ Er merkte, dass ich langsam echt ein wenig ungeduldig wurde, und kam noch ein wenig näher, legte sich zu mir und schmiegte sich eng an mich. „Also gut“, sagte er schließlich, „Ich hab mir gedacht, wir machen … ein bisschen so was, wie du dir gewünscht hast.“ Ich wusste sofort, was er meinte, und fragte: „Ein bisschen? Wie meinst du das?“ „Na, ein bisschen eben. Den Anfang davon.“ Meto hob eine Hand, berührte meinen Hals und ließ seine Hand von da aus über meine Schulter runter auf meine Brust wandern, streichelte mein Tattoo und berührte dann meine Brustwarze, ließ seinen Finger darum kreisen. Ich seufzte wohlig und spürte, wie mich schon diese kleine Zärtlichkeit erregte, jede sanfte Berührung vonseiten meines Liebsten tat mir so unsagbar gut. Ich zerrte mir die Shorts vom Leib, ehe sie noch enger wurden, Meto tat es mir gleich und schloss mich dann fest in seine Arme, um mich lange und liebevoll zu küssen. Ich drückte mich eng an seinen nun ganz nackten Körper, sein schon halb hartes Glied berührte meines und ich stöhnte in den Kuss, was Meto ein leises Lachen entlockte. Er löste den Kuss, ließ mich los und richtete sich halb auf, um sich dann über mich zu beugen und meinen Oberkörper mit lauter süßen kleinen Küsschen zu übersäen. Und obwohl das ganz sicher nur das Vorspiel zu dem war, was er eigentlich vorhatte, erregten mich diese zärtlichen Küsschen schon sehr. Ich bog ihm meinen Körper entgegen, verlangte wortlos nach mehr, wünschte mir, dass er meine Nippel küsste und mit meinen Piercings dort spielte. Er kannte mich gut genug, um bald zu wissen, was ich wollte, und er tat es, senkte seine süßen, weichen Lippen auf meine Brustwarze, küsste, leckte, saugte und ließ seine heiße Zunge mit dem Piercing spielen. „Mmeto …“, kam mir sein Name schon ein wenig verwaschen über die Lippen, „Ohhh…“ „Das magst du richtig gerne, oder?“, fragte er liebevoll, um dann gleich weiter zu machen. „Ohh … jaah …!“ Viel zu früh hörte er damit auf, legte sich wieder neben mich und rückte dann so weit hoch, dass er mit dem Rücken ans Kopfteil unseres Bettes lehnte. „Tsu? Machst du jetzt auch für mich was, was ich mag?“, fragte er mit einem kleinen Lächeln. Ich drehte mich ganz zu ihm um, sah ihn an und fragte zurück: „Was möchtest du denn?“ „Das … was du letztens gemacht hast …“ Jetzt stieg ihm doch wieder ein sichtbarer Rotschimmer in die Wangen. Ich fand es so süß, wenn er rot wurde. Es zeigte, dass er immer noch viel unschuldiger als ich an die Sache ranging. Ich lächelte anzüglich. „Du meinst ‘nen Blowjob?“ Meto nickte, immer noch mit diesem süßen Rot auf den Wangen. „Ja. Das war schön.“ Ich richtete mich auf, schob seine Beine sanft auseinander und kniete mich so dazwischen, dass ich mich nur runterbeugen musste, um mit den Lippen sein Glied zu berühren. In dieser Position, streichelte ich es, bis es ganz hart wurde, und setzte dann kleine Küsse auf die zarte, nach ihm schmeckende Haut. Als ich seinen erregten Pulsschlag unter meinen Lippen spürte, schlug mein eigenes Herz ebenso schneller und ließ meine Erregung ein wenig pochen. Und obwohl ich Meto ja mit dem, was ich jetzt tat, noch nicht zum Kommen bringen wollte, konnte ich nicht anders, als seine lustgerötete Eichel zwischen meine Lippen zu nehmen und seinen heißen, in diesem Moment austretenden Lusttropfen abzulecken. Es schmeckte zwar bitter, doch das Gefühl dazu war süß, so süß! Ich schluckte, nahm es in mich auf, und löste dann meine Lippen vom Glied meines Liebsten, rückte hoch bis zu seinem Gesicht und hauchte einen zarten Kuss auf seinen Mund, wusste, dass er jetzt sich selbst an meinen Lippen schmecken konnte. Er sah mich mit diesem einen Blick an, wie er mich immer ansah, wenn ich solche Dinge tat, die er sich selbst nicht traute, die ihm aber trotzdem gefielen. „Und?“, fragte er leise. „Möchtest du, dass ich mal den Anfang versuche?“ Ich stellte es mir vor, wie er mit mir dasselbe tat wie ich sonst mit ihm, fragte mich, wie es sich wohl anfühlte, wenn er mich erst mal nur vorbereitete, und spürte ein neugieriges, erregtes Kribbeln im Bauch. „Ja, will ich“, antwortete ich und erhob mich, um mich dann wieder richtig hinzulegen. Meto stand ebenfalls kurz auf, griff in meine Nachttischschublade und nahm die Tube mit dem Gleitgel heraus, legte sich dann wieder zu mir, vor mich, so, dass ich ihn ansah. Er legte seinen Arm um mich, schob den anderen unter meine Taille und zog mich an sich, rutschte dabei ein Stückchen runter und hauchte einen Kuss auf mein Schlüsselbein, während seine Hände begannen, meinen Hintern mit Streicheleinheiten zu verwöhnen. Mein Herz schlug immer schneller und ich seufzte angetan, die Vorstellung dessen, was gleich kommen würde, erregte mich immer mehr. Ich spürte, wie aufgeregt Meto war, fühlte seinen Herzschlag neben meinem, seine Körpermitte berührte die meine, und als seine Finger an meinem Hintern nach meinem Eingang tasteten, stöhnten wir beide auf. Ich, weil es so neu und anders war, weil ich niemals zuvor jemand anderes Finger dort gespürt hatte, und er, weil es auch für ihn neu war, er es noch nie bei jemand anderem getan hatte. Er nahm sich die Tube mit dem Gleitgel, tat sich etwas davon auf die Finger und machte weiter, verteilte dabei etwas davon um meinen Eingang. Es fühlte sich erst doch ein wenig merkwürdig an, doch ich war so erregt, dass ich mich schnell daran gewöhnte. Ich legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, spürte den heißen Körper an meinem und das Tasten um mein Loch herum, und hörte Metos leise Stimme: „Entspann dich, Tsuzuku.“ Ich hörte aus seinen Worten noch eine gewisse Unsicherheit heraus, vielleicht wusste er noch nicht ganz sicher, was zu tun war, und so antwortete ich, ebenso leise: „Weißt du, was du tun musst? Mach einfach dasselbe mit mir, was ich sonst immer mit dir mache.“ „Genau dasselbe?“, fragte er. Ich nickte, woraufhin er noch ein Stückchen runter rutschte und begann, meine Brust und meine Nippel zu küssen und vorsichtig zu saugen. Sollte ich eben noch nicht richtig entspannt gewesen sein, so war ich es jetzt ganz sicher. Ich fühlte mich wie Butter in der Sonne, zerging geradezu unter seinen zärtlichen, süßen Berührungen, seufzte erregt, und stöhnte, als Metos Finger vom Tasten zum Eindringen übergingen und noch etwas zögerlich begannen, mein Inneres zu erkunden und meinen Eingang weiter zu dehnen. Die erregten Laute, welche sich zunehmend lauter von meinen Lippen lösten, ermutigten ihn, immer weiter zu machen, und ich spürte, wie es ihm gefiel. Kurz kam mir der Gedanke, dass er durch sein Tun jetzt mehr zum Mann wurde und ein Gefühl entdeckte, das er bisher nicht gekannt hatte. Ich hatte jedenfalls das Gefühl, dass wir nun ein bisschen mehr gleichauf waren und er sich ein wenig aus der ‚Frauenrolle‘ löste, in die ich ihn mehr versehentlich gedrängt hatte. Doch es erschien mir nicht so, als würde ich diese Rolle nun übernehmen müssen oder dergleichen. Viel mehr war es so, dass wir nun beide einfach Männer waren, die sich liebten und auch im Bett gleichberechtigt waren. Er war immer doch der Jüngere, der mit weniger Erfahrung, und der Süßere von uns beiden sowieso, aber eben mit der Möglichkeit, durchaus auch mal im Bett die Führung zu übernehmen. Und genau das hatte ich mir gewünscht. Eine glühend heiße Lustwelle riss mich aus den Gedanken und ich spürte einen süßen, schwebenden Schwindel, hörte mich selbst laut aufstöhnen, es war fast schon ein Schrei. Ich wusste sofort, was es war, dass Meto jenen hocherregenden Punkt in mir gefunden hatte, den ich in ihm auch jedes Mal zu reizen suchte. Er lächelte und strich dann wieder in mir über diese heiße Zone, ganz langsam, fast schon quälend, sodass ich nicht anders konnte, als wieder zu schreien. Mein ganzer Körper erbebte und ich war selbst überrascht, reagierte ich doch noch heftiger als Meto es tat, wenn ich dasselbe mit ihm machte. Möglicherweise war ich da empfindlicher. „Lass … das!“, keuchte ich, vor meinen Augen tanzten weiße Punkte und ich fragte mich, soweit ich dazu imstande war, warum ich jetzt noch nicht gekommen war. „Warum? Ist das zu gut?“ „Viel … zu gut …!“ „Soll ich aufhören?“, fragte Meto leise. Ich nickte, und er zog seine Finger aus mir zurück, küsste dabei sachte meine Brust und ließ seine Lippen auch über die Haut über dem Implantat streichen. In meinem Innern blieb ein seltsames Gefühl von Aufgewühltsein zurück, mein Glied pochte wieder und ich wünschte mir jetzt nichts weiter, als endlich von Metos Hand zu kommen. Er rutschte wieder hoch, bis sein Gesicht vor meinem war, und küsste mich. Seine Hand war noch ganz glitschig vom Gleitgel, als er sie um mein Glied legte und dann liebevoll, aber bestimmt drückte. Ich stöhnte laut auf und ergoss mich in seine Hand, mein ganzer Unterleib zitterte und ich schloss wieder die Augen, genoss die heißen Lustwellen, die durch meinen Körper fluteten. Nur am Rande bekam ich mit, wie Meto sein Glied an meine Hüfte drückte und rieb, bis er ebenfalls mit einem tiefen Stöhnen kam. Danach lag ich in seinen Armen, innerlich immer noch ein wenig schwebend, und ließ meine Gedanken auftauchen und wieder vorbeiziehen, fühlte mich ganz ruhig und entspannt. „Tsuzuku?“, sprach Meto mich irgendwann leise an. „Hm?“ Ich war schon fast weggedämmert und brachte nicht mehr heraus. „Willst du … immer noch, dass ich … irgendwann … damit weitermache?“ Ich nickte, mir fielen schon die Augen zu. „Und du willst das auch ganz sicher?“ „Jaah …“, antwortete ich schlaftrunken. „Hab ich dir doch gesagt.“ Meto bemerkte, dass ich schon fast schlief und fragte nichts mehr, küsste mich stattdessen auf die Stirn und zog mich an sich, sodass ich mich ganz von selbst an seinen warmen Körper kuschelte. „Schlaf schön, mein Herz“, waren seine geflüsterten Worte, bevor ich in tiefen Schlaf sank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)