Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 39: ------------ ~°~39~°~     Noch am gleichen Tag nahm ich zu meiner alten WG Kontakt auf. Doch davor suchte ich die Nummer im ganzen Haus. Schließlich fand ich sie im hintersten Fach von meinem Geldbeutel. Dort hätte ich sie als Erstes suchen müssen. Schlauer ist man immer hinterher. „So Basta, dann werde ich mein Glück versuchen“, sprach ich zu ihm, als er neben mir mit dem Schwanz wedelte und eigentlich mit mir joggen wollte. „Jetzt nicht, ich habe noch etwas zu erledigen.“ Ich nahm das Telefon und wählte die Nummer. Ein Freizeichen war zu hören. Für mich war das ein gutes Zeichen und ließ mich etwas aufatmen. Und noch ein besseres Gefühl bekam ich, als ich nach drei Freizeichen bereits eine weibliche Stimme vernahm, die mir durchaus vertraut war – Sabine. Sie freute sich riesig, meine Stimme zu hören und fragte natürlich, wie es mir ging, dann schwenkte sie schnell um und der Vorwurf, mich lange Zeit nicht mehr gemeldet zu haben, kam auf. Dass ich sie überhaupt erreichte, lag daran, dass Sabine heute auf der Arbeit etwas früher Schluss gemacht hatte. Das Glück war auf meiner Seite und ich freute mich. Ich erzählte ihr im Groben, was in der Zeit alles passierte, bis hin zu Carstens Tod, ließ aber Sachen wie meinen alkoholischen Absturz aus. Dinge, an die ich mich nicht erinnern wollte, dennoch wurde aus dem anfänglich gedachten kürzeren Telefonat ein erheblich längeres. Wir verabredeten uns schließlich für das Wochenende, da Ina mit wollte und beide unter der Woche arbeiten mussten. Ich richtete mich mit dem Treffen ganz nach ihnen, war flexibel. Auf ein paar Tage kam es auch nicht mehr an. Wie ich mich freute, die beiden wiederzusehen, war nicht in Worte zu fassen, als ich den halben Vormittag damit verbrachte, was ich denn anziehen sollte. Ich war aufgeregt. Das Aufeinandertreffen, was in einem Café in der Hamburger Innenstadt stattfand, war herzlich und ich bedauerte es, den Kontakt so einschlafen gelassen zu haben. Beide hatten sich kaum verändert. Sabine trug ihr Haar etwas länger und es war immer noch in dem sommerblond, Ina mit ihren roten Haaren stach weiterhin heraus. Basta hatte ich mitgenommen. Ich nahm ihn überallhin mit, denn eines wollte ich nicht, dass der Hund alleine war. Er begrüßte die beiden Frauen mit einem Schwanzwedeln und wurde zum Dank gestreichelt. „Schöner Hund, ist das deiner?“, erkundigte sich Sabine neugierig. „Ja, das ist Basta, er gehörte aber zuerst Carsten und ist nun ein treuer Freund und Seelentröster für mich geworden – mein Seelengefährte sozusagen.“ Ich klopfte Basta auf den Rücken und gab ihm Anweisung, sich neben mich zu platzieren, was er sofort machte. „Und hört aufs Wort – erstaunlich!“, gaben beide Frauen anerkennend von sich. „Wie geht es dir?“, fragte mich im Anschluss Ina, als wir alle am Tisch saßen. Wir hatten uns für einen freien Platz am Fenster entschieden. Zum Glück war um diese Zeit das Lokal nicht voll. Bevor ich ihr jedoch antworten konnte, kam die Bedienung und nahm unsere Bestellung entgegen. Wir hatten jeder einen Latte macchiato bestellt und Sabine einen Mohnkuchen dazu. Ich rührte mit dem langstieligen Löffel in meiner Tasse. Als mir Zucker angeboten wurde, lehnte ich dankend ab. Zucker tat ich mir keinen rein, das mochte ich immer noch nicht, aber eine aufgeschäumte Milch ließ ich mir gerne gefallen. Und so löffelte ich die erste Lage Schaum aus dem Glas, leckte mir genüsslich über die Lippen, bevor ich Ina endlich eine Antwort gab. Diese Zeit hatte ich mir gegönnt, um meine Gedanken zu ordnen. Mir war klar, dass Sabine ihr alles erzählt hatte. Sie waren immer noch unzertrennlich. Manchmal könnte man auf den Gedanken kommen, dass sie sogar ein Paar waren, aber dem war nicht so. Es gab durchaus tiefe Freundschaften ohne sexuellen Hintergrund. Warum ich das wusste? Wie Sabine mir am Telefon erzählt hatte, hatte Ina einen neuen Freund und sich darüber gefreut. Nur sie war zurzeit solo. Ich richtete mich auf und blickte Ina an, die immer noch auf meine Antwort wartete. „Mir geht’s besser. Es war nicht einfach – aber es geht“, antwortete ich ihr ehrlich. „Das tut mir echt leicht. Du hast es wirklich nicht einfach. Selbst als du noch bei uns gewohnt hast“, gab sie traurig von sich und löffelte schweigend ihren Schaum, trank dann aus dem Glas, stellte es dann aber gedankenverhangen auf den Unterteller. Ich beobachtete sie, ihr war der Kaffee vergangen, denn sie schob ihr Glas etwas von sich. Klar, wie konnten sie wissen, wie es einem wirklich ging. „Carsten und ich, das hatte keine lange Zukunft, und dennoch …“ Ich brach ab, schluckte und Sabine legte die Hand auf meinen linken Arm, gab Ina ein Handzeichen. „Weswegen wolltest du uns treffen? Doch nicht nur, um uns wiederzusehen. Das hättest du auch früher machen können.“ Sie hatte bewusst das Thema gewechselt und ich war ihr absolut dankbar deswegen. „Ich möchte wieder zurück … meine Eltern besuchen“, ich stockte kurz, „ … meine damalige Freundin. Es wird Zeit.“ Bewusst hatte ich Darian ausgelassen. Ina und Sabine wussten nichts von meinem Bruder – noch nicht. Vielleicht würde es sich aus dem weiteren Verlauf ergeben, wer weiß. „Du hattest eine Freundin … eine richtige, also war das damals nicht gelogen, weil, als du dich geoutet hattest, haben wir dir die Geschichte, dass du dich von deiner Freundin getrennt hast, nicht mehr geglaubt?“ Ungläubig wurde ich angestarrt. „Ähm, unrichtig war sie nicht, aber sie war nur in Anführungszeichen“, ich machte pantomimenartige Zeichen, krümmte die Finger dabei „... ‚eine‘ Freundin und ja, sie wusste von meiner Neigung.“ „Ach so, und ich dachte, wir hören jetzt eine unglaubliche Story von dir, warum du nur noch auf Männer stehst.“ „Oh je, nach einer Story ist mir nicht.“ Ich wurde ernst und auch ein wenig traurig. „Tut mir leid“, entschuldigte sich Sabine sofort. Sie merkte, dass sie mit dem, was sie gesagt hatte, danebengehauen hatte. „Ich will zurück“, kam ich nochmals auf den Punkt, warum ich die beiden hatte treffen wollen und wollte auch somit die peinliche Stille, die sich zwischen uns bildete, wegwischen. Inzwischen war das Café so stark besucht, dass wir uns glücklich schätzen konnten, einen guten Platz zu haben. Ich spielte an dem Zipfel der Tischdecke. „Für immer?“, fragte Ina und nahm dabei einen Schluck von ihrem Getränk. Sabine hatte ihren Mohnkuchen aufgegessen und kurz war ich gewillt, mir auch einen zu bestellen, da er wirklich lecker aussah, beließ es aber. „Ich weiß nicht, ich will sie erst einmal besuchen, die Lage abschätzen. Auf jeden Fall komme ich zurück.“ „Das ist eine gute Idee.“ „Finde ich auch“, meinte ebenfalls Sabine. „Aber was hat das mit uns zu tun?“ Die Frage war berechtigt. „Und da kommt ihr jetzt ins Spiel, es müsste jemand auf das Haus aufpassen und ich will nicht Carstens ehemalige Frau damit belasten oder die Freunde von uns. Ich war nicht gerade umgänglich, wenn ihr versteht, was ich meine. Nun ja. Ich weiß, ihr habt eure WG und …“ Ina fiel mir ins Wort. „Sabine, das wär doch …“ Sie brach ab und sah Sabine geheimnisvoll an. Die nickte nur. Ich verstand nur Bahnhof und interpretierte ihre Zeichensprache falsch. „Ich hätte Euch nicht fragen sollen“, und war im Begriff abzuwinken und ein anderes Thema einzuschlagen. „Jaden, nein, das wäre klasse, weil …“ „Weil was?“ Immer noch fragte ich mich, was los war. „Der Vermieter, dem die Wohnung gehört, möchte sie als Eigenbedarf anmelden und wir sind bereits seit geraumer Zeit auf Wohnungssuche. Zudem wollte ich in einen Vorort ziehen oder etwas außerhalb und … und wir sind schon seit einiger Zeit alleine in der WG, können kaum die Miete noch zahlen, seit die Jungs ausgezogen sind.“ „Oh“, meinte ich beinahe entschuldigend, ich hatte gar nicht nach den anderen gefragt, fiel mir auf. Aber beide grinsten mich an. Ich wusste noch, wie ich mich verabschiedet hatte, sogar versprach, anzurufen, nichts von dem hatte ich getan. Da fiel der Groschen und ich konnte mein Glück kaum fassen. So würde für das Haus ein wenig Geld hereinkommen und genug Platz wäre auch. „Ihr könnt zu mir ziehen, zahlt so viel Miete wie vorher, als ihr noch vollständig wart. Das Haus ist groß genug“, schlug ich sofort vor, hoffte auf Zuspruch. „Ich muss gestehen, Ina und ich wollten dich einmal spontan vor Jahren besuchen und waren an eurem Haus vorbeigefahren, doch hinter den Fenstern war es dunkel und uns verließ der Mut. Nun ja!“ Sie seufzte, faltete ihre Hände ineinander. „Ja, gehört es dir denn nach Carstens Tod überhaupt?“ Das Erstaunen in ihrer Stimme war nicht zu überhören und ich schmunzelte. Mir wurde stets bewusst, gerade in solchen Situationen wie gerade jetzt, dass Carsten für mich wirklich ausgesorgt hatte. Dass er mir ein einigermaßen sorgenfreies Leben nach seinem Tod ermöglicht hatte. Kurz fiel ich in mein altes Muster, stimmte mich traurig, weil sein früher Tod nicht fair war. Es war nicht fair, dass er nicht meine große Liebe war, ich ihn dennoch liebte, und nicht fair, dass er doch recht jung sterben musste. Das Leben war nicht fair. Ich fühlte mich innerlich schlecht. Die Gedanken daran wegzuwischen, was ich hätte noch anders machen können, fiel mir schwer. Als die beiden Frauen meinen Stimmungswandel bemerkten, räusperte ich mich schnell. „Carsten hatte mir alles hinterlassen. Er wollte, dass es mir gut geht. Zum Glück bekam ich bei der Erbschaft keine Probleme mit seinen Eltern oder mit seiner Ex-Frau, noch mit der Verwandtschaft überhaupt. Die Erbschaftsteuer, die ich zahlte, war hoch, da Carsten die Schenkung nicht mehr rechtzeitig machen konnte. Es müssen zehn Jahre dazwischen liegen und die Zeit, es früher zu regeln ... Nun ja. Carsten hatte alles über einen Anwalt geregelt.“ Ich merkte gar nicht, wie ich alles runterratterte und ich dabei monoton und geschäftsmäßig klang. „Hey, ist doch in Ordnung, wenn er dir fehlt. Das eine Mal, als du ihn uns vorgestellt hattest, schien er wirklich nett. Also wir würden dein Angebot gerne annehmen und dich fragen, wann wir einziehen können.“ Sabine hatte meine Hand ergriffen. „Am besten gestern.“ Ich lachte und auf einmal schien erneut die Sonne in mein Herz. Endlich würde das Haus leben und ich wäre nicht mehr alleine, vielleicht sollte ich doch in Hamburg bleiben. Ich wusste selbst nicht, was ich wollte.   Es vergingen keine zwei Wochen, da zog als Erstes Ina zu mir. Ich begrüßte es sehr, denn endlich wurde das Haus mit Leben gefüllt. Basta gefiel es ebenso und empfing unsere neue Mitbewohnerin mit einem Bellen. Davor aber hatten sich beide die Einrichtung angeschaut, als sie mich letzte Woche besuchen kamen. Sie waren aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen, besonders der Wintergarten hatte es ihnen angetan. Auf den war ich auch stolz, hatte er doch noch vor Kurzem nicht gut ausgesehen. Ich setzte einen Mietvertrag auf, den beide noch am selben Tag unterschrieben. Somit waren die Formalitäten abgeklärt. Ina zog in das Gästezimmer, was wir bereits vorher vereinbart hatten. Zwei Tage später kam dann Sabine. Wie viele Koffer und Umzugskartons sie mitbrachte, zählte ich ab dem 10. Karton oder Gepäckstück nicht mehr. Der gemietete Lieferwagen sagte alles und ihre Freunde und ich halfen, die ganzen Umzugskartons ins Haus zu bringen. Die Nachbarn hatten an dem Tag was zu schauen und zu erzählen. Ich schmunzelte nur, schüttelte dabei den Kopf. Ina hatte schon viel mitgebracht, aber Sabine sprengte alles. Frauen! Ich rollte mit den Augen, als ich stöhnend Karton für Karton ins Haus trug. „Was?“, hatte sie dann gefragt, als der letzte Karton von mir ins Haus geschleppt wurde. Mühevoll, denn auf den Straßen lag Schnee und Eis und machte das Ganze nicht einfacher. „Nichts.“ Ich grinste und verkniff mir jeglichen Kommentar. Was sollte ich denn herumzicken, endlich war wieder Leben in dem Haus. Sabine zog in das damalige Zimmer von Carsten, das er als Hobbyraum genutzt hatte. Die letzte Woche hatte ich vieles in den Keller geräumt, damit die Frauen auch ihre Sachen reinstellen konnten. Küche, Bad sowie Wohnraum durften sie mitbenutzen. Und ich stellte ihnen den BMW zur Verfügung, so wurde das Auto genutzt, verkaufen wollte ich es nicht. Es war Carstens ganzer Stolz gewesen. Begeistert richteten sie ihre Zimmer so her, wie sie es wollten. Ina hatte ihres sogar frisch angestrichen. Ich war froh um Gesellschaft. Eines Abends fragte mich Sabine aus heiterem Himmel, ob ich nicht doch an Frauen Interesse hätte. Ich war gerade mit einem der Internetartikel fertig, da sah ich zu ihr, lächelte und schüttelte energisch den Kopf. In ihren Augen las ich Traurigkeit. Hatte sich Sabine in mich verliebt? „Die Männerwelt wird dir noch zu Füßen liegen“, versuchte ich sie schnell zu trösten. „Es sind immer die Männer, die man will, aber nicht haben kann.“ Auf ihren Lippen kräuselte sich ein Lächeln, dann umarmte sie mich. Sie trug es sichtlich schwer, immer noch alleine zu sein. Aber lieber war ich ehrlich, als eine Liebe vorzuheucheln, die ich ihr und auch sonst keiner Frau geben konnte. Ich mochte sie, mehr aber auch nicht. Dann kam der Tag, an dem ich mich endlich entschloss, nach München zu meinen Eltern zurückzukehren. Es war Anfang Februar und bitterkalt. Das Thermometer zeigte -10 Grad. Vorsorglich packte ich mir die wärmsten Klamotten in den Koffer sowie Unterwäsche und Socken für etwa eine Woche. Ich achtete darauf, keine auffälligen Sachen einzupacken. Es klopfte an der Tür – Sabine. Eigentlich hatte ich den beiden einen Zettel hinterlassen wollen, da ich sehr früh losfuhr. Daher erstaunte es mich, dass Sabine extra aufgestanden war. Immerhin hatten wir erst fünf Uhr in der Früh. „Guten Morgen! Ich wollte dich nicht wecken?“ „Was heißt hier wecken, du wolltest dich nicht verabschieden, und einmal kann man eine Ausnahme machen.“ Sie gähnte laut. „Ich finde es gut, dass du Kontakt zu deinen Eltern aufnimmst.“ „Ja, es wird Zeit, fast fünf Jahre ist es her, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe“, gab ich von mir. Etwas, was ich nicht mehr aufschieben wollte. „Und ich möchte zu meinem Bruder“, fügte ich leise hinzu. „Bruder?“, fragte sie erstaunt und schien wacher zu werden. Mir fiel ein, dass ich ihr oder Ina gegenüber niemals etwas von einem Bruder erwähnt hatte. „Ja, mein Halbbruder, Darian.“ Basta machte sich an der Tür bemerkbar und er wollte sich gerade vor meinem Bett ausbreiten, da fiel mir ein, dass ich ihn nicht mit nach München nehmen würde. Ein wenig traurig stimmte mich der Gedanke. „Passt ihr so lange auf Basta auf, bis ich wiederkomme? Ich möchte erst einmal dort alleine hin.“ An alles hatte ich gedacht, aber nicht an Basta. „Sorry, ich hab’s ehrlich gesagt vergessen, euch Bescheid zu geben.“ Ich strich mir die Haare aus den Augen. „Was ist das für eine Frage, klar.“ Sie fragte zum Glück nicht weiter nach. Auf Sabine konnte ich mich verlassen, das wusste ich und Basta fühlte sich bei ihr wohl. Manchmal ging sie mit ihm alleine spazieren, wenn ich zu beschäftigt war. Ina hingegen weniger, da sie immer öfter bei ihrem Freund schlief. Ich vermutete, dass es nur noch eine Frage der Zeit sein würde, bis sie zu ihm ziehen würde. Daher tat mir Sabine ein wenig leid, war sie genauso alleine wie ich. Darum war es auch gut, dass Basta bei ihr blieb. So hatte sie jemanden um sich herum und es war beiden geholfen. „Super.“ Ich schloss den Koffer, und eine Wehmut kam auf, als ich meine Finger über den Hartschalenkoffer gleiten ließ. Den Koffer hatte ich Carsten zu seinem 44. Geburtstag geschenkt … Erinnerungen daran wurden wach. Ich wischte sie beiseite, denn sie ließen mich traurig werden und das wollte ich nicht. Mein Blick fiel auf Basta, der mich die ganze Zeit anschaute und ahnte, dass ich gehen würde. Den Hund zurückzulassen fiel mir schwerer, als ich mir eingestehen wollte, als ich den Vierbeiner umarmte, ihm durch das weiche Fell strich. Es fühlte sich nicht richtig an, ihn hier zu lassen, aber ich musste alleine sein, wenn ich meine Familie nach so langer Zeit wieder traf. Das Wiedersehen würde schwer genug werden. „Sei schön brav und lass dich nicht von Sabine oder von Ina ärgern.“ Liebevoll streichelte ich ihm weiter übers Fell. „Wir passen auf, okay. Er wird dich nicht vermissen.“ Ina grinste, sie hatte uns vom Gang aus gehört und war hinzugekommen, hatte sich neben Sabine gestellt. „Und hey, wir sind nett, anständig …“ Sie gähnte laut und herzhaft, und ich verzieh ihr das, war es nicht wirklich eine christliche Zeit. „Anständig?“ Ich sah sie an und grinste schief. „Ihr braucht anscheinend alle keinen Schönheitsschlaf.“ „Wir passen auf alles hier auf“, versprach Sabine und ich wurde dann von den Frauen kurz umarmt. „Okay, ich hab ja mein Handy, wenn etwas sein sollte. Bin also ständig erreichbar“, beruhigte ich sie. „Hast du dir genügend zu essen eingepackt?“ Sabines Fürsorge kam ans Licht. „Ja.“ Meine Tasche war voll mit Broten, die ich gestern Abend gemacht hatte. „Und Kaffee?“ „Auch der ist eingepackt, zudem gibt es Rastplätze.“ Ich schmunzelte über so viel Fürsorglichkeit, doch dann huschte ein Schatten über mein Gesicht. Schnell verbarg ich es vor ihnen. Es war ein komisches Gefühl, das erste Mal seit Langem dem Haus, dem Ort, dem Norden überhaupt den Rücken zu kehren. Ich nahm meinen Koffer in die Hand und beide begleiteten mich bis vor die Tür. Ein eisiger Wind schlug mir entgegen, als ich dann in mein Cabriolet, das ich vor meinem Haus geparkt hatte, einstieg. Ich winkte den beiden, die bibbernd draußen standen, und sah ein letztes Mal zu Basta, der traurig ausschaute. Dann startete ich den Wagen, ließ das Gebläse auf die Scheiben gerichtet, die angelaufen waren und wartete, bis die Sicht frei war, um losfahren zu können. Ein dicker Kloß hatte sich in meinen Magen gelegt, der sich wie ein Stein anfühlte. Es verursachte ein mulmiges Gefühl. Was würde mich dort erwarten? Vor allem, würde ich Darian wirklich wieder sehen? „Okay, dann mal los!“ Ich machte mir selbst Mut und winkte noch ein letztes Mal, sah aber, dass die beiden mit dem Hund bereits im Haus waren. Ich konnte das verstehen, die Kälte hätte mich auch nicht lange draußen gelassen. Inzwischen wurde es im Auto angenehm warm. Ich hätte auch den BMW nehmen können, aber ich hing an dem Cabriolet.     ©Randy D. Avies 2012 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)