Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 15: ------------ ~°~15~°~     Der Fernseher lief im Hintergrund. Was gerade an Unterhaltung kam, war uns ziemlich egal. Basta lag friedlich in seinem Hundekorb und schien sich nicht daran zu stören, dass wir unweit stöhnende und schmatzende Geräusche von uns gaben. Carsten war ein erfahrener Küsser und hatte mich angeheizt – keine Frage. Auch ich war aus mir herausgegangen, erwiderte seine Küsse mit jedem Mal fordernder und hungriger. Seine Hände waren überall und verursachten mir einen Schauer nach dem anderen. Wie lange war es her, dass ich so viel Zärtlichkeiten erhielt? Zu lange, denn ich konnte mich nicht erinnern. Darum war mein Körper ausgehungert und schrie nach mehr. Aber wie schafft man es, Verstand und Herz zusammenzuführen? Ungewollt hatte sich das Gesicht meines Bruders dazwischen geschoben und es wäre gegenüber Carsten nicht fair gewesen, da weiter zu machen, zumal ich psychisch nicht stabil genug war. Mein Verstand blockte Darian ab, während mein Körper sich nach Carsten verzehrte. Es war zum verrückt werden. Wie alt war ich denn? Sechzehn? Und warum hatte mein Bruder, den ich über ein Jahr nicht mehr gesehen hatte, so eine Macht über mich? Sollte das mit Carstens Rettung nicht endlich abgeschlossen sein? Innerlich fluchte ich. Ich war erregt, spürte die Verhärtung in meiner Hose ganz deutlich, fühlte, wie mein Penis pochte, sich dagegen auflehnte und den inneren Druck loswerden wollte, doch konnte ich nicht. Carsten war gerade dabei, mir das Hemd auszuziehen, und mich nach unten auf die Couch hinunter zu drücken, da stoppte ich ihn sanft, aber bestimmend in seinen Bewegungen. Mein Hemd rutschte in die gleiche Position zurück, als er losließ. Ich lag verschwitzt und außer Atem unter ihm. Er sah mich an. Ich sollte Carsten reinen Wein einschenken. „Nicht, ich bin noch nicht soweit“, gab ich atemlos zu verstehen. Mein Puls raste, mein Herz schlug im Stakkato. Dennoch kam Enttäuschung wie auch Frust auf und breitete sich wie ein Lauffeuer im Innern aus. Traurig sah ich ihn an. „Es tut mir leid.“ Doch die Worte hatten noch eine größere Bedeutung für mich, ich kam mir nun wie ein halber Mensch vor. Mies und kleinlich. „Ich werde nichts tun, was du nicht auch willst“, lenkte er schnell ein, als er meine Unzufriedenheit spürte. „Mein Körper hat auf dich reagiert, wie schon lange nicht mehr. Ich habe mich zu entschuldigen, nicht du. Du bist einfach noch nicht so weit und bereit dazu, den Schritt zu gehen, und ich war zu stürmisch.“ Er sah mir in die Augen, die tief in mich eindrangen, sah das Verständnis sich in ihnen widerspiegeln. Seine Worte mit Tiefenwirkung hatten ins Schwarze getroffen. Beschämt drehte ich mich zur Seite weg. Konnte ich mich einem Mann wirklich hingeben, war ich überhaupt dazu in der Lage? Würde ich dann nicht immer Darian in mir spüren, wie er in mich eingedrungen war und Schmerzen verursacht hatte? Ich konnte nicht weitergehen. Ich konnte noch nicht mit Carsten schlafen, weil es für mich einfach zu früh war, und doch brauchte und wollte ich seine Nähe. Ich richtete meinen Oberkörper auf, während Carsten Abstand genommen hatte. Er setzte sich neben mich und fuhr sich durch die zerzausten Haare. Die ganze Zeit über war Carsten ruhig geblieben, doch spürte ich seine Beobachtung. Ich straffte meinen Rücken und drehte mich komplett zu ihm, sodass unsere Augen kurz aufeinandertrafen. Er legte seine Hand über meine, die verkrampft zwischen uns lag – die andere war im Schoß zur Faust geballt, und tätschelte sie. Dann war die kleine, aber aufmunternde Berührung, weg. Er würde mir die Zeit geben – dies holte ich mir immer wieder in Erinnerung hervor und beruhigte mich auf eine Art und Weise, die selbst für mich Neuland war. Vielleicht auch, weil er Therapeut war und den richtigen Knopf traf? So konnte ich tatsächlich die aufkommenden, zweifelnden Gefühle für kurze Zeit verdrängen. Unbewusst schaute ich nun auf seinen Mund. Ein schmales Lächeln zog sich über meine Lippen, das breiter wurde, als ich unentwegt auf dieses Paar starren musste. Und als er begann mit seiner Zungenspitze die Lippen zu befeuchten, die danach einen schimmernden Glanz hatten, da war es wieder um mich geschehen. So als ob er genau wusste, welche Wirkung das mit sich brachte. Ich schluckte, während ich kaum meine Blicke davon lösen konnte. Eines war sicher, der Mann brachte mein Blut in Wallung – und wie. Die Gier nach seinem Mund hatte überhandgenommen und überrollte mich wie eine Lawine. Seine schmalen Lippen kamen mir gar nicht mehr schmal vor und sein Mund war für mich in dem Moment der schönste auf Erden. „Danke!“, sagte ich mit krächzender Stimme, und setzte gleich nach. „Aber einen Kuss will ich trotzdem noch von dir.“ Und das wollte ich unbedingt – und wie ich das wollte. „Mehr nicht?“, fragte er daraufhin zärtlich und zog die Mundwinkel etwas nach oben. Er spürte meine Sehnsucht nach einem Kuss, doch wartete er. Worauf nur? „Was ist deine Lieblingsspeise?“, erkundigte er sich überraschenderweise und ich zog erstaunt die Brauen nach oben. „Donuts, alle Arten davon“, kam es wie aus der Pistole geschossen. „Wieso?“ Ich wusste nicht, lag das jetzt am Alkohol, denn ihm merkte man kaum etwas an, eher mir, sonst würde ich nicht so etwas Bescheuertes wollen. „Dann weiß ich, was ich dir Morgen zum Frühstück machen werde.“ Ich errötete. Ein warmes Gefühl machte sich breit. „Darf es noch etwas sein?“ Seine Stimme wurde dunkler und rauer. „Nur ein Kuss“, hauchte ich. „Mmh, also ein Kuss, ein Donut ... noch einen Wunsch vielleicht?“ Ich schüttelte errötend mit dem Kopf, als mir klar wurde, dass ich so widersprüchlich auf ihn wirken musste. „Nein, nur ein Kuss“, wiederholte ich mein Verlangen. Als ich ihm erneut in die Augen schauen wollte, drückten sich seine Lippen auf meinen Mund, forderten ihr Recht, mich zu besitzen, bis ich mich willig für ihn öffnete. Schließlich schob Carstens seine Zunge in mich, eroberte mich und suchte das Gegenstück, welches genauso mitmachte in einem einzigen Tanz der Gefühle. Somit hatte Carsten mir den Wunsch erfüllt. Ich versank in eine warme geborgene Welt, in der es nur ihn und mich gab. Verdrängte unstete Gedanken, als ich fest in die Arme gezogen wurde, und spürte, wie erregt er selbst war – ich nicht minder. Doch hatte ich meinen Körper völlig unter Kontrolle und vertraute ihm. Dabei schämte ich mich zugleich, weil ich einfach nicht weitergehen konnte und wusste, dass er mich so sehr in dem Moment haben wollte. Der Sex lag direkt in der Luft wie eine schwere Süße. Die Endorphine spielten eine große Rolle. Doch Carsten blieb tapfer, er rieb sich weder an mir, noch tat er etwas, außer mich mit seinem Mund in den Himmel zu katapultieren. Er holte sich durch unseren Kuss die oberflächliche Befriedigung. Dann griff er in meine Haare und bog den Kopf nach hinten, als er an meinem Kinn zärtlich entlang knabberte und mit kleinen Küssen bedeckte. Schließlich zog er uns beide nach oben. Sein Stöhnen und seine Sanftheit waren Grund genug, dass sich alles richtig anfühlte. Wir schmusten eine Weile herum, bis wir völlig außer Atem unsere küssende Liaison beendeten und uns dann ansahen und lachten. Warum wir lachten? Weil wir mit unseren Haaren so verstrubbelt aussahen, bei eingehender und gegenseitiger Musterung, es sah ulkig aus. Nachdem der Lachflash abgeebbt war, schob ich verlegen eine Strähne hinters Ohr, die gleich wieder vorfiel, da sie zu kurz war. Carsten hingegen stand die Liebe, die er für mich hatte, ins Gesicht geschrieben. Er brauchte nicht viel zu sagen, die Augen sprachen Bände. Lange war ich nicht mehr in solch einem schönen Zustand der Glückseligkeit gewesen wie jetzt. Langsam spürte ich einen Durst und sah auf meine leere Bierflasche. Da entschloss ich mich, nach einem weiteren Bier zu verlangen, was Carsten mit einem Lächeln quittierte und mir das mitgebrachte von vorhin öffnete und mir zuschob. „Hier, bitte!“ An diesem Abend war es egal, ob ich leicht betrunken ins Bett gehen würde. Ich wollte nur bei ihm sein und hier so neben ihm sitzen. Ich kuschelte mich sofort eng an ihn. Er erhob seine Flasche, während sein Arm warm um mich lag. „Auf dich und dass ich dich rechtzeitig gefunden habe“, sagte Carsten erneut. Ich wusste, wir wiederholten uns und wirkten vielleicht für manch einen, der uns hätte beobachten können, lächerlich. Doch das war egal! So losgelöst war ich schon lange nicht mehr. Vielleicht brauchte ich gerade jetzt den Kitsch. Vielleicht gefiel es Carsten selbst, dass er sich so präsentieren konnte und möglicherweise waren wir beide auch ein wenig zu betrunken, um richtig rational darüber nachdenken zu können, was wir sagten und machten. Die Situation war grotesk und wunderschön. „Auf dich … mein Engel.“ Der Satz war lallend ausgesprochen, aber von Carsten verstanden, denn er nickte mir grinsend zu. „Hört, hört.“ Wir stießen an und leerten unsere Flaschen ziemlich rasch. Ein leichtes Karussell war im Anmarsch und Carsten fing mich geschickt ab, als ich mich vorbeugen wollte, warum auch immer und ich es nicht schaffte, mich selbst abzufangen. Mein Gesicht fiel auf seine Brust. Nicht schlecht! Dabei atmete ich seinen Duft ein und fühlte, wie er seine Arme fester um mich legte. „Du bist so süß, besonders wenn du leicht betrunken bist, da wirkst du einfach unbeschwert.“ Er strich mir die Haare aus dem Gesicht. „Du wirst wieder viele solcher Tage haben, dafür werde ich sorgen“, murmelte er in mein Haar und ich seufzte selig. Oh ja, das wäre schön! Ich antwortete ihm nicht, wollte die Situation nicht zerstören. Und alles wäre so schön perfekt, wenn sich nicht immer ganz kurz eine dunkle Wolke aufbaute und aus ihr der Name ‚Darian‘ regnete. Doch durch den Alkohol lichteten sich die Gedanken immer sofort und ließen mich in eine Schwerelosigkeit treiben. Ich sollte es genießen. Ich sollte! Carsten ließ mich kurz alleine, nachdem er sich vergewissern konnte, dass ich mich auf der Couch eingelümmelt hatte und ihm nicht folgte. Wie ein eingerollter Kater lag ich da in einer hellen Decke eingewickelt und versuchte, mich auf ein Programm zu konzentrieren. Schwierig, wenn der Flachbildschirm ab und an doppelt vorhanden war, da der Schwindel in meinem Kopf sich ab und zu dazu meldete. So lag ich still da, wartete auf ihn und berührte dabei immer mal wieder meine Lippen, konnte kaum glauben, wie toll sich doch ein Kuss anfühlen konnte und wie klasse er überhaupt küsste. Eine viertel Stunde später, vielleicht auch etwas länger, kam er vollgepackt mit verschiedenen Köstlichkeiten auf einem silbernen Tablett drapiert zurück. Er hatte uns ein paar Brotschnitten mit Wurst und Käse gemacht – als Mitternachtssnack angepriesen. Ich setzte mich leicht wankend auf und sah erstaunt auf die Mahlzeit. Wer sollte das alles essen? Ich merkte jedoch sehr schnell, wie mein Magen zu knurren anfing. So laut, dass sogar Carsten es mitbekam. Er lachte heiter. „Siehst du, dein Körper meldet sich zu Wort, hör auf ihn.“ Ich wusste, er war froh um jeden Bissen, den ich zu mir nahm. „Jep.“ Ich griff wirklich zum ersten Mal unter Alkoholeinfluss beherzt und mit Appetit zu. Es schmeckte und bald war mir nicht mehr ganz so schwindelig. Carsten hatte jedem von uns zusätzlich ein Wasser eingeschenkt, das er aus der Küche geholt hatte. Alles war reichlich vorhanden. Eine ganze Weile sprachen wir kein einziges Wort und aßen die Brotplatte fast auf, tranken Wasser dazu. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, während im Fernsehen ein Mitternachtskrimi lief, der uns beide nicht interessierte, da wir den Anfang verpasst hatten. „Jaden.“ „Mmh?“, die letzten Reste meines Brotes verschlang ich schnell und sah ihn dann fragend an. Carsten sah mich ebenfalls an, die Hände lagen unruhig auf dem Schoß. „Was ist?“, fragte ich nun. „Ich möchte, dass du hier bleibst.“ Meine Augen wurden größer. „Ich bleibe ja hier, solange ich noch keine Arbeit habe und ich noch nicht stabil bin. Hatten wir doch so ausgemacht, oder nicht?“ „Nein, das meinte ich nicht. Ich meinte richtig bei mir wohnen, für immer, verstehst du?“ „Für immer?“ Hatte ich mich verhört oder wurde gerade eben ein Traum für mich wahr. „Das Haus hat wieder Leben und Basta mag dich auch und ich ...“ Er brach ab, schaute weg und im richtigen Moment kam auch noch sein Hund zu uns, als Carsten seinen Satz beenden wollte, und beließ es dabei. Basta hatte eine wirklich gute Schule genossen, denn bei manchen Hunden, wenn sie Essen rochen, war es mit der Gemütlichkeit zu Ende. Doch er kam nie und belästigte einen. Erst beschnupperte der braun gescheckte Schäferhund sein Herrchen, dann kam ich an die Reihe. Und da meine Finger noch nach Salami und anderen leckeren Sachen rochen, wurde ich abgeleckt. Ich musste schmunzeln, hatte er sich doch nicht ganz zurückhalten können. „Blöder Hund“, sagte ich, meinte aber liebevoll das krasse Gegenteil. Ich streichelte ihn, merkte jedoch, wie Carsten auf seine Antwort wartete, und schickte Basta in seinen Korb zurück. War Carsten noch vom Bier benebelt?, fragte ich mich. Doch hatten seine Worte so klar wie Bachwasser geklungen. Seine Augen fixierten mich. An diesem Abend konnte ich nicht darauf antworten, auch wenn ich so gerne gewollt hätte, hätte ich es nicht für richtig empfunden. Ich wollte das auf den nächsten Morgen verschieben, wenn wir wirklich wieder nüchtern waren, daher blieb ich ihm eine Antwort schuldig. Die Enttäuschung hingegen stand ihm ins Gesicht geschrieben, auch wenn er es vor mir zu verbergen versuchte. Darum versiegelte ich rasch seine Lippen zu einem verführerischen Kuss, in den er locker einwilligte. So schnell konnte man also einen Carsten Engel um den Finger wickeln. „Morgen, versprochen“, versprach ich ihm rasch und seine Augen leuchteten.       ©Randy D. Avies 2012  Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)