Bruderliebe von randydavies ================================================================================ Kapitel 2: ----------- ~°~2~°~   „Jaden“, hörte ich Darian hinter mir rufen. Aber trotzig und stur, wie ich nun mal war, hielt ich nicht an, im Gegenteil. Auch auf seine weiteren Rufe reagierte ich nicht. Eisern stemmte ich mich gegen den schneidenden Wind und die Schneemassen, die fröhlich weiter in Unmengen vom Himmel fielen, und gegen meinen Körper peitschten. Ich wusste, dass ich unvernünftig handelte und mir wurde kälter und kälter, auch wenn ich in Bewegung blieb, umhüllte mich das Wetter und kühlte mich immer weiter aus. Ohne Mütze waren meine Haare nun ein einziger Eisklumpen. Da an mir wirklich nichts dran war, schlotterte ich wie Espenlaub. So bekam ich auch nicht mit, wie Darian mich mit zügigen Schritten einholte, mich schließlich unsanft am rechten Arm packte und so zum Stehenbleiben zwang. Der Versuch mich gegen ihn zu wehren ließ ich schnell sein. Ich hatte gegen ihn keine Chance. Er wirbelte mich zu sich herum, sodass ich leicht ins Taumeln geriet, wurde aber von ihm aufgefangen, in dem ich gegen seinen Oberkörper prallte. Schnell brachte ich mich auf Sicherheitsabstand. Darians Augen funkelten zornig. „Sag mal, kannst du mir erklären, was mit dir schon wieder los ist?“, schrie er mich an. Er war völlig aufgebracht. Der Wind rüttelte uns richtig durch, der Schnee peitsche uns weiterhin eisig ins Gesicht, wir beide sahen aus wie zwei gerupfte Hühner. Auch Darian hatte seine Mütze nicht aufgesetzt. Ich schüttelte nur den Kopf und blieb stur, ihm nicht zu antworten. Da packte Darian mich wütend am Arm und schleifte mich unter strengen Protest zurück zu dieser dreckigen Hütte. Verzweifelt versuchte ich mich, aus seinen Fängen zu befreien. „Ich will da nicht rein“, schrie ich ihn ebenfalls an und hatte damit mein Schweigegelübde gebrochen, was er hingegen völlig ignorierte. Kaum waren wir in der Hütte, verpasste mein Bruder mir eine schallende Ohrfeige. Sprachlos und viel zu perplex rieb ich mir die schmerzende Wange. Die Wut wandelte sich in Schreck. Gekränkt sah ich ihn an. Darian hatte mich noch nie geschlagen. Niemals! Im nächsten Moment sah ich, dass es ihm leidtat und er selbst über seine Reaktion erschrocken schien, doch dann wurde sein Gesicht wieder von Zorn überrollt. Hatte ich mich geirrt? „Zieh deine Sachen aus, du wirst sonst ganz krank, bekommst vielleicht noch eine Lungenentzündung“, fauchte er mich an und etwas in seiner Stimme sagte mir, dass es besser war, sich ihm nicht nochmals zu widersetzen. Außerdem, eine Pneumonie wollte ich auf keinen Fall. Doch gestaltete es sich schwieriger als gedacht. Ich spürte meine Hände nicht. Die Finger waren steif vor Kälte und ich war nicht in der Lage mich meiner nassen am Körper klebenden Kleidung zu entledigen. Mein Zähneklappern verstärkte sich noch. Dann tat Darian etwas, was ich niemals für möglich gehalten hätte. Er half mir und ich ließ es geschehen – wie eine Puppe wurde ich ausgezogen. Dabei starrte ich auf seine Hände, die zielstrebig meine durchnässten Sachen abstreiften. Es war nicht zärtlich, und doch ... Seine Hände, seine Finger, entfachten eine Glut, die mich erhitzen ließ und mein Blut in Wallung brachte. Äußerlich versuchte ich kühl zu wirken, ließ mir nichts anmerken und ließ all das stumm über mich ergehen. Denn ich wusste genau, verlor ich nur ein Wort über diese Situation hier, so würde ich ihm endlich gestehen, wie sehr ich ihn liebte. Aber auch noch etwas anderes würde ich ihm offenbaren, was negatives, wie stark mir seine Ohrfeige wehgetan hatte. Der Wind pfiff leise durch die offenen Stellen. Ich stand seit einer viertel Stunde mitten in der staubigen Hütte auf einem trockenen, kleinen, grünen Handtuch, barfuß und in feuchter Unterwäsche und schlotterte. Da ich mich nicht vor ihm komplett entblößen wollte, hatte ich mich dagegen gewehrt, als er mich ganz ausziehen wollte. Meine Unterhose, so nass sie auch war, behielt ich an. Aus Sicherheitsgründen. Mein Schwanz hatte mir eh schon einen kleinen Herzinfarkt verpasst, als er ein Eigenleben entwickelte, nur bei Darians Versuch mir meine Shorts auszuziehen. Einen zweiten Versuch wollte ich nicht riskieren und hatte mich rechtzeitig von ihm weggedreht. Nun hoffte ich, nein, betete inständig, dass er das nicht mitbekommen hatte. Ich fluchte innerlich über meine Gefühle für ihn. Zu meiner Erleichterung schien er meine Erregung nicht gesehen zu haben, die nun wieder am Abklingen war. Es war zu kalt hier drinnen, um sich wohlzufühlen. Darian wirkte zufrieden, mich aus meinen Sachen geschält zu haben. Mit einem Grinsen meinte er: „Du solltest dir trotzdem frische Unterwäsche anziehen.“ Nein! Hatte er dies wirklich mit einem Grinsen auf den Lippen gesagt? Ich war verwirrt und hatte es mir bestimmt nur eingebildet, denn nun war nichts mehr von einem Lächeln zu erkennen. Es wäre kein Unding gewesen, mir frische, vor allem trockene Sachen anzuziehen, aber mich vor ihm ganz zu entblößen, das schaffte ich nicht. Immerhin hatte ich verhindern können, dass er mich jemals unbekleidet zu Gesicht bekam. Schon als wir noch Kinder waren und ich bereits wusste, dass ich mehr für ihn empfand, tat ich alles, damit er mich nicht komplett sah. Meine Erektion nicht sah, die ich ständig bekam, wenn er mich nur ansah oder in meiner Nähe war. Wer wusste schon, wie mein Körper hier auf ihn reagieren würde, wenn ich mich vor ihm komplett ausgezogen hätte oder mich von ihm hätte komplett ausziehen lassen. Daher war ich froh über mein Zittern, welches ich größtenteils auf die Kälte schob. So umschloss ich meinen Oberkörper mit den Armen, rieb mich warm oder versuchte es zumindest, scheiterte aber kläglich. Ich sah Darian dabei zu, wie er beide Rucksäcke auspackte. Zuerst meinen, dann seinen. Er holte zwei dünne Decken heraus, den Sturmkocher und dann unsere Schlafsäcke, die bei ihm im Rucksack untergebracht waren. Ich selbst hatte nur einen Satz frischer Unterwäsche, ein Wechselshirt, eine schwarze Leggins, eine dünne Decke und zu trinken mit eingepackt – so meine Erinnerung. „Warum hast du nichts außer Unterwäsche dabei?“, kam dann die prompte Frage von meinem Bruder, als er weiter in meinem Rucksack wühlte. Was ich ziemlich dreist fand, einfach ohne zu fragen in meinen Sachen zu wühlen. Kopfschüttelnd reichte er mir meine Decke, in der ich mich sofort und dankbar einhüllte. So fühlte ich mich behaglicher und war froh, nicht mehr halb nackt vor Darian dazustehen. Hatte ich wirklich vergessen, ein T-Shirt und meine Leggins mitzunehmen? Ich ahnte bereits, dass beide Teile noch ausgebreitet auf dem Bett lagen, weil ich viel zu hastig alles eingepackt hatte. Auf den letzten Drücker eben. „Hab ich wirklich nicht mehr dabei?“, fragte ich zögerlich, während Darian nun seinen Rucksack durchstöberte, als ob er selbst etwas darin suchte. „Nein, hast du nicht. Super. Ich hab meine auch vergessen“, schimpfte er mehr zu sich selbst. Er schüttelte verärgert den Kopf, holte tief Luft, seufzte und breitete unsere Schlafsäcke auf einer Stelle aus, wo es noch am saubersten schien – wenn man Sauberkeit neu definierte. Angewidert rümpfte ich die Nase, blieb aber ruhig. Die Schlafsäcke waren für die Hütte als Zusatz gedacht gewesen, wenn wir kein Bettzeug für eine Übernachtung gehabt hätten und ebenso die beiden dünnen Decken, die wirklich nicht viel Platz brauchten, waren zur zusätzlichen Sicherheit dabei. Wenigstens hatten wir die nicht vergessen. Mein Bruder legte unsere Schlafsäcke dicht aneinander, sodass mein Herz zu rasen anfing. Warum musste er sie so nah beieinander hinlegen? Pikiert schaute ich auf die Ruhestätte, als er mich dort hin dirigierte, dabei blieb mein Blick weiterhin auf den Schlafsäcken haften. Ich wich seiner Hand aus, als er mich an der Hand anfassen wollte. „Du bist echt seltsam, heute ganz besonders.“ Darian ließ mich in Ruhe. Mir war klar, dass ihm mein Verhalten merkwürdig vorkommen musste. Ich verschloss mich immer mehr vor ihm und wortkarger war ich dazu auch noch, denn ich sprach nur das Nötigste, wenn überhaupt. Ich erinnerte mich mit einem bitteren Nachgeschmack, wie er heute Früh, als wir die Tour starteten, sich von seiner Freundin leidenschaftlich verabschiedet hatte. Neidisch hatte ich beide beobachtet in ihrer innigen Zweisamkeit. Ich hatte meine Augen geschlossen, um sie nicht weiter zu beobachten. Innerlich hatte ich mir vorgestellt, dass ich es gewesen wäre, den Darian so küsste und nicht seine Freundin. Mir war bei dem Gedanken sogar schwindelig geworden, und als ich meine Augen geöffnet hatte, war von meiner Fantasie nur ein schaler Beigeschmack geblieben. Es tat weh, solche Gedanken zu haben. Aber sollte ich noch länger leiden, wenn die Sache so aussichtslos war? Ich war mit meinen 24 Jahren schon so lange alleine und sehnte mich nach Geborgenheit, nach einem Partner. Einerseits konnte ich mich glücklich schätzen, so nah bei Darian zu sein, andererseits war er gedanklich meilenweit von mir entfernt. Du musst ihn vergessen. Darian liebte nun mal seine Stefanie. Und ich, ich liebte Darian. Verdammt, damit musste endlich Schluss sein. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und ich hüllte mich noch fester in die Decke. Trotz, dass sie so dünn war, wärmte sie mich dennoch. Die Decke lag nun eng um mich herum. „An dir ist wirklich nichts dran“, stellte Darian trocken fest. Hatte er mich beobachtet? Ich schaute verletzt, über seine Worte, zu ihm und zog jetzt unbewusst die Decke noch einen Tick fester um mich, wodurch ich eigentlich von meiner Schlankheit mehr preisgab als umgekehrt. Sein Blick ging mir durch Mark und Bein. Draußen heulte und tobte es. Mir wurde bewusst, wenn Darian mich nicht zurückgeholt hätte, hätte ich keinerlei Chancen gehabt, da draußen zu überleben. Ich wäre erfroren. In den Bergen war es tatsächlich gefährlich, alleine bei einem Wetterumschwung aufzubrechen. Meine Aktion kam mir selbst kindisch und unreif vor. Wenn es die ganze Nacht so weitergehen würde, dann konnten wir am nächsten Tag nicht gleich weitermarschieren, soviel stand fest. Draußen war es dunkel geworden und nur Darians Lampe erhellte die kleine Schutzhütte, wenn auch spärlich und hüllte uns beinahe in ein gespenstisches Licht. Ich sah, wie Darian meine Sachen ausbreitete, die jetzt tropfnass über dem einzigen morschen Stuhl hingen. Die Fürsorge um meine Klamotten erstaunte mich. Ich sah auf die Einrichtung und es wunderte mich, dass der Stuhl unter meinen nassen Sachen nicht zusammengebrochen war. Bei dem Tisch, der mehr einem morschen alten Baumstumpf ähnelte, wollte ich mir gar nicht erst ausmalen, was bei weiteren Belastungen passieren würde. Ich sah ein paar Krabbeltiere herumlaufen. Bestimmt waren mehr Bewohner in dem Holz als draußen in der freien Natur. Ich schüttelte mich vor Ekel. „Ich habe dich was gefragt, Jaden? Warum bekomme ich heute fast keine Antworten von dir?“ Ich hatte vergessen, ihm zu antworten, aber wollte ich darauf eingehen, warum ich so schlank war? Was sollte ich ihm sagen? Dass ich ihm nicht gefalle, dies hatte er mich mehr als einmal spüren lassen. Ich entschloss mich doch, darauf zu reagieren. „Das kann dir doch egal sein oder?“, murrte ich als Antwort, während Darian mir eins der Brote rüberreichte, die seine Freundin für uns gemacht hatte. Missbilligend starrte ich drauf. Sie sahen zwar immer noch appetitlich aus und die Salami verströmte ihren unverkennbaren Duft, der den muffigen Geruch der Hütte kurz übertünchen konnte, dennoch verging mir schlagartig der Hunger auf eines der Sandwiches. Ich wollte schon den Kopf schütteln, sah aber Darians mahnenden Blick, woraufhin ich es schnell unterließ, das Essen abzulehnen. Ein wenig trotzig nahm ich ihm das dargebotene Brot aus der Hand und ließ mich auf meinen Schlafsack nieder. Darian setzte sich neben mich auf seinen eigenen und biss genüsslich in sein Sandwich. Ich biss ebenfalls, wenn auch nur halbherzig, in das Salamitoastbrot, das mit viel zu dicker Butter bestrichen war, und verzog das Gesicht. Die Tatsache, dass es auch noch seine Freundin für uns gemacht hatte, machte das Ganze für mich nicht gerade einfacher. „Ja, das kann es wohl“, murmelte Darian kauend und mit halb vollem Mund und ich wusste nicht, was er meinte. „Kann wohl was?“, fragte ich darum nach. „Tse, du hast doch gesagt, es kann mir egal sein, ob du viel zu dünn bist. Wäre es mir auch, wenn du nicht mein Bruder wärst.“ Dabei sah mich Darian merkwürdig an. „Halbbruder“, korrigierte ich ihn und merkte selbst nicht, wie lächerlich ich mich mit meinem stoischem Verhalten machte. Auch wenn ich das Brot lieber an irgendwelche Tiere verfüttert hätte, aß ich mit einem von mir nicht gewollten Appetit. Dabei spürte ich seine Blicke – die ganze Zeit, während ich aß. „Was ist? Warum starrst du mich so an?“, fragte ich ihn schließlich leicht angefressen, als ich fertig mit dem Salamibrot war. Den letzten Bissen schluckte ich runter und stellte fest, als ich Darian anblickte, dass er immer noch seins in der Hand hielt. Er hatte es nicht weiter angerührt. Im Gegenteil, außer dem einen Bissen hatte er nichts mehr davon gegessen. „Warum gibst du dich so unmännlich? Selbst dein Haar trägst du lang. Und dann die ganzen schwarzen Sachen. Sie wirken zum Teil so androgyn. Dieser Rock, den du letztens anhattest, der ist total frauenhaft.“ Die Verachtung in seiner Stimme war kaum noch zu überhören und seine Worte trafen mich direkt ins Herz. Er hatte meine Achillesferse getroffen. Warum konnte man mich nicht so nehmen, wie ich war? „Mir gefällt es aber“, rechtfertigte ich mich motzend. In der Tat trug ich gerne schwarze oder dunkle Farben, und niemals etwas Helles. Ich schminkte mich tatsächlich gerne, trug mit Vergnügen Kajal auf, aber ich trug keine Frauenkleider und so lang waren meine Haare auch nicht. Sie waren in Stufen geschnitten, den Pony kurz, die Seiten asymmetrisch – eben etwas Besonderes. An den Spitzen waren sie in ein dunkles Blau getaucht. Doch das, was Darian über mich sagte, fand ich mehr als beleidigend. Ich war ein Mann und war stolz, einer zu sein und diese Szeneröcke oder Bondagehosen, die mit Schnallen und Nieten versehen waren, gefielen mir nun mal. Mir war sofort klar, dass ich den Rock haben musste, als ich in der Stadt an dem Gothicladen vorbeigeschlendert war, und ihn im Schaufenster entdeckt hatte. Ich mochte die Gothicszene, wenn ich sie auch nur angehaucht mitmachte. So liebte ich unter anderem die Band: ‚The Cure‘ oder ‚Bauhaus‘. Aber auch einige Bands der Metal-Szene fand ich toll, auch wenn ich nichts mit der Szene zu tun hatte. Ich war eben ein Sonderling, wollte überall dazugehören und gehörte im Prinzip zu niemanden. Ich gehörte nur mir selbst und hatte meinen eigenen Stil. So trug ich auch keine Piercings oder Tattoos. Und diese schwarze Pudelmütze, die immer noch tropfend über dem Stuhl hing und aussah wie eine tote Ratte, hatte ich mir gestern extra eigens dafür gekauft, weil ich dachte, in den Bergen könnte man gut eine gebrauchen. Nur hätte ich nicht gedacht, dass die einer Ladung Schnee von oben standhalten sollte. Mein Bruder hingegen war in voller Wanderkluft erschienen. Von der Sohle bis hin zur Jacke zierte ihn Jack Wolfskin. Schrecklich. Und mein Rucksack? Eigentlich hatte ich gar keinen eigenen Rucksack und so hatte ich einen grellroten bekommen, den ich nur mit Widerwillen aufgesetzt hatte. Das Rot wirkte fast zu knallig gegenüber meinen dunklen Sachen und ich hatte, ganz zu Beginn, das Gesicht mehr als nur einmal verzogen. „Wie kann dir das nur gefallen, kein Wunder, dass du ständig arbeitslos bist.“ Wieder hatte er mich in meinen Gedanken unterbrochen und begann sich ebenfalls auszuziehen. Ich hatte mich schon gewundert, weil auch die Sachen meines Bruders nicht gerade trocken geblieben waren. Beschämt sah ich weg und wollte nicht als Stalker fungieren, in dem ich seinen Körper anstarrte. Ich schaute erst wieder zu ihm, als er sich in Unterwäsche unter seine Decke kuschelte. Trotzdem, der Gedanke, dass er fast nichts anhatte, machte mich nervös. Ich spürte, wie ich mich gefühlsmäßig immer schlechter unter Kontrolle hatte und die Kälte, die in der Hütte herrschte, drang durch die dünne Decke. Ich begann, trotz Decke wieder zu frieren. Darian, der mein Klappern sah, hatte daraufhin für ein paar Minuten den Sturmkocher angemacht. Die Flamme stach bläulich hervor, allerdings brachte sie nicht viel, dazu war der Raum zu groß für diesen Zweimannkocher. Wir hatten für den Kocher extra vier Dosensuppen mit eingepackt. Aber auf Suppe hatte ich keinen Hunger, als er mir was anbieten wollte. „Ich will nichts essen“, sagte ich und Darian schüttelte wortlos den Kopf. Er war seltsam ruhig für meinen Geschmack – zu ruhig. Ich nahm aus meiner Plastikflasche einen Schluck Wasser und stellte sie dann neben mich. Danach schlüpfte ich in den Schlafsack. Verstohlen sah ich dabei auf sein Brot, welches er einfach neben sich hingelegt hatte. Was kümmert es mich?, dachte ich beleidigt, als mir sein Kommentar wieder einfiel, auf den ich nicht geantwortet hatte. Das Thema Arbeitslosigkeit stieß bei mir sauer auf und wie ich herumlief auch. Ich machte meinem Unmut Luft. „Mir gefällt es nun mal, so herumzulaufen, und es liegt garantiert nicht an der Art, wie ich mich kleide, dass ich dauernd meinen Job verliere.“ Dies stimmte zwar nicht ganz, aber es war nicht der Hauptgrund. Der Letzte war ein Job bei einem Getränkehandel. Ich konnte mit dem Gabelstapler nicht gut hantieren, zudem wurde ich von den Arbeitskollegen gehänselt und unter anderem als ‚Schwuchtel‘ bezeichnet. Da war ich schließlich ausgerastet. Alles ließ ich mir nicht gefallen, und da es dort keine Kleiderordnung gab, zog ich mir Sachen an, in denen ich mich wohlfühlte. Fazit, ich wurde rausgeworfen und man zog diesen Ausraster von meinem Lohn ab. Ich hatte ein wenig randaliert. „Wer’s glaubt“, spöttelte Darian. „Es kann nicht jeder so schlau sein wie du und studieren, um Anwalt zu werden und nebenbei beim Vater in der Autowerkstatt helfen“, stichelte ich jetzt. Warum war Darian eigentlich immer so gemein zu mir? Erst holte er mich aus der Eiseskälte zurück, zog mich aus, damit ich mich nicht erkältete, doch für was, wenn er mich doch nicht leiden konnte? Hätte er mich doch verrecken lassen. „Wenn du deine Arbeit gut gemacht hättest, dann hätte dich unser Vater auch weiterhin beschäftigt. Ganz einfach! Warum hilft dir Bettina nicht?“ Ich hob meinen Kopf und sah ihn finster an. „Lass meine Mutter aus dem Spiel. Wenn deine Mutter nicht gewesen wäre, dann wäre sie heute noch mit Vater zusammen und nicht mit diesem Kerl, der mich nicht leiden kann.“ Ich war wütend geworden. Darian betrachtete mich nachdenklich. In seinem Gesicht arbeitete es. „Jaden, was kann ich dafür oder du, was unsere Eltern angestellt haben? Was meinst du, warum wir ausgezogen sind, als Vater das Haus verkaufte und sich eine kleine Wohnung nahm und ich darum eine eigene WG gründete.“ Was ich bis heute nicht verstanden habe, dass er mir diesen Vorschlag unterbreitet hatte, als ich mir eine neue Bleibe habe suchen müssen. Weil ich vielleicht kein Geld besaß? Weil ich ihm leidgetan habe? Da ich aber wirklich kein Geld besessen hatte, kam der Vorschlag von ihm gerade rechtzeitig, um nicht wieder auf Knien bei meiner Mutter zu betteln, doch ein paar Tage bei ihr wohnen bleiben zu können. Diese Erniedrigung war mir erspart geblieben. „Warum wolltest du überhaupt, dass wir zusammenziehen, wenn ich doch so einen Versager für dich darstelle?“, stellte ich ihm berechtigterweise die Frage. Seine grünen Augen erforschten mein Gesicht, während ich mir nervös auf die Lippe biss, da mir sein Blick durch und durch ging. „Weil du mein einziger Bruder bist und ich mir Sorgen um dich mache, darum.“ Seine Worte erstaunten mich. So hatte er mit mir noch nie gesprochen. Dieses Wochenende, dieser Trip verlief wahrlich ganz anders, als ich mir das vorgestellt hatte. „Du könntest doch mit Stefanie eine eigene Wohnung haben?“ Innerlich betete ich, dass er jetzt meinen Vorschlag nicht gut finden würde. Darian rieb sich die Stirn und strich über seine blonden Haare, die danach neckisch abstanden. Neidisch betrachtete ich ihn, wie toll er doch wirkte, auch wenn er jetzt ungekämmt aussah. „Könnte ich“, sagte er langsam und mir versetzte es einen Stich tief in der Brust. „Aber was ist dann mit dir? Und sag nicht, deine Freundin könnte dich über Wasser halten.“ Gekränkt drehte ich mich weg und ich griff nach meinem Rucksack, pardon, seinen für mich gekauften Rucksack. „Jaden, jetzt sei nicht immer gleich sauer“, lenkte er schnell ein. Ich war aber sauer. Ich war sauer, weil ich lieber hören wollte, wenn er gesagt hätte, dass er außer brüderlichen Gefühlen mehr für mich empfand. Aber da verselbstständigten sich meine Gedanken von ganz alleine und reimten sich eine Romanze zwischen uns zusammen, die niemals so stattfinden würde. Reines Wunschdenken, Jaden!, dachte ich traurig. Mittlerweile hatte sich sogar die Kälte in meinen Schlafsack geschlichen und so klapperte ich zum unzähligen Male ungewollt mit den Zähnen. Warum mussten meine Sachen auch so schlimm nass werden?, dachte ich betrübt und wünschte mir, ich hätte mehr als nur meine schwarze knappe Unterhose an, die immer noch feucht war. Darian sah mich nur an, dann beobachtete ich, wie er sich erhob und zu mir kam. Erstaunt darüber verfolgte ich nur das Geschehen wortlos, bis ich verblüfft feststellte, dass er in meinen Schlafsack geschlüpft war. Ich war automatisch zur Seite gerutscht, um Platz zu machen. Dann nahm Darian seine Decke, deckte uns zu, und zum Schluss nahm er seinen eigenen Schlafsack, drehte die Schmutzseite nach oben und legte ihn über uns. Ab da fand ich meine Stimme wieder. „Was soll das?“, krächzte ich und mein Herz bollerte verdächtig laut und viel zu schnell in der Brust. Dabei bildete ich mir ein, den Herzschlag überdeutlich hören zu können. „Nach was sieht es denn aus?“, sprach Darian mit fester Stimme. Keinerlei Wärme lag darin, obwohl er mir so nahe war. Ich konnte seinen Körper spüren, konnte seinen Atem auf mir fühlen. Ich zuckte mit den Schultern, während ich mich ganz an den Rand des Schlafsacks drängte und trotzdem seinen warmen Körper im Rücken spürte, bei dem ich schier verrückt wurde. Ich fing wieder zu zittern an, aber nicht vor Kälte, sondern vor Erregung und eine unaufhaltsame Hitze breitete sich in mir aus. Ein loderndes Feuer, das ich kaum löschen konnte, so sehr ich es auch versuchte. „Was machst du da?“, wisperte ich, als ich spürte, wie er sich an mich drängte. „Ich wärme dich ein wenig, du zitterst wie Espenlaub.“ Dann schob er seine Arme um meinen dürren Körper und presste sich noch einen Tick enger an mich. Noch niemals waren wir uns so nahe gewesen wie jetzt. Warum war noch mal dieser Ausflug entstanden? Mein Hirn war zu einer breiigen Masse mutiert. Mein Körper war nun mehr als nur aufgeheizt, ich glühte förmlich. Darian drängte sich immer weiter an mich, bis ich alles von ihm fühlen konnte. Und ich meinte wirklich alles. Meine Augen weiteten sich, als ich noch etwas anderes spürte. Etwas Hartes. Mein Bruder war erregt? Darian? Von mir etwa? Unmöglich, er liebte doch seinen Brummer Stefanie. Wobei sie keiner war. Eigentlich sah sie nett aus. Nur, wenn man in seinen eigenen Bruder verliebt ist, dann sehen alle schönen Frauen wie Kartoffelsäcke aus. „Darian?“ Meine Stimme zitterte, da ich es mir wirklich nicht eingebildet hatte. Ich konnte seinen Ständer fühlen. „Schhh, sag nichts! Schlaf jetzt!“ Ich hörte aus seiner Stimme die Erregung. Seine Arme schlangen sich noch fester um mich. Schlafen? Ich? Wie denn? (c)Randy D. Avies 2015 Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)