Star Trek - Icicle - 04 von ulimann644 (Kampftaktiken) ================================================================================ Kapitel 5: Im Zwiespalt der Gefühle ----------------------------------- Lieutenant-Commander Leandros ging im Büro ihrer Krankenstation die Behandlungsprotokolle des Vortages durch, als Captain Dheran und Commander Mancharella, heftig mit einander diskutierend herein gestürmt kamen. Mit einem letzten Blick auf das Padd schaltete die Ärztin es aus und schritt aus ihrem Büro zum Behandlungsraum hinüber. Mit einem Blick erkannte sie, dass die beiden Führungsoffiziere wegen diverser Schnittwunden und Hautabschürfungen auf ihre Krankenstation gekommen waren. Trotzdem nahm sie den medizinischen Tricorder zur Hand und untersuchte beide kurz, bevor sie sich mit ernster Miene in die Diskussion einmischte und laut fragte: „Training in der sportlichen Disziplin des Degenfechtens, vermute ich? Was ist passiert?“ „Ein kleiner Unfall!“, knurrte Dheran und schien nicht gewillt mehr zu sagen. „Nichts weltbewegendes“, wiegelte Commander Mancharella ab. „So, so“, machte die Ärztin, während sie bei der Spanierin den Hautregenerator ansetzte um einen Riss an der linken Wange zu versiegeln. Während sie zwei weitere Schnitte an der Stirn und am rechten Unterarm behandelte, fügte sie scharf hinzu: „Sieht mir fast danach aus, als wäre jemand auf die dumme Idee gekommen die Sicherheitsprotokolle des Holodecks zu deaktivieren.“ Sie blickte forschend in Pasqualinas Augen, bevor sie zu Dheran ging, um seine beiden Schnittwunden zu behandeln. Als Dheran zu einer Erklärung ansetzen wollte, schnitt sie ihm das Wort ab und fuhr ihn ernst an: „Hören Sie, Captain, ich möchte gar nicht wissen, worum es geht - ich bin Ärztin und kein Counselor. Aber wenn Sie beide noch ein einziges Mal mit Schnittwunden und Blutergüssen auf meiner Krankenstation erscheinen, dann behalte ich Sie und den Commander, bis nach dem Fechtturnier hier unter Beobachtung, und zwar wegen Verdachtes auf vermindete Zurechnungsfähigkeit. Natürlich würde der Admiral von mir zusätzlich einen ausführlichen, medizinischen Bericht bekommen. Ich hoffe das ist Ihnen beiden klar!“ Der Andorianer blickte in das wütende Gesicht seines Leitenden Medizinischen Offiziers und erkannte dass sie fest entschlossen war zu tun, was sie eben angedroht hatte. Und er wusste, dass sie dazu auch die Autorität besaß. „Vollkommen klar“, antwortete der Andorianer mürrisch. „Klar, Doktor“, beeilte sich auch Commander Mancharella zu versichern, als sie ihren neugierigen Blick auffing. Der Andorianer und die Spanierin beeilten sich, die Krankenstation wieder zu verlassen, wobei ihnen Victoria Leandros hinterher rief: „Vergessen Sie es ja nicht – das hier ist eine Krankenstation und kein Tollhaus!“ „Bloß weg von hier“, murmelte Pasqualina und legte einen Schritt zu. „Unsere Chefärztin hat heute Morgen die breite Uniform angezogen.“ Gegen seinen Willen verzogen sich Dherans Mundwinkel zu einem Grinsen. „Wusstest du übrigens, dass unsere Doktorin sich auf Ringkampf versteht?“ Ungläubig blickte die Spanierin den Andorianer an. „Ist das ein Witz?“ „Nein, sie war, während ihrer Akademiezeit, ungeschlagene Meisterin der Frauen.“ „Da bekommt der Begriff auf die Matte legen eine neue Dimension.“ Dheran fand es erstaunlich, wie schnell sie beide ihren Zwist vergessen hatten, während sie sich über die Angewohnheiten ihre Bordärztin amüsierten. Die Spanierin sah Dheran von der Seite an, während sie gemeinsam zum Turbolift schritten, bevor sie mit verändertem Tonfall fragte: „Du hast gestern, zusammen mit Carey, deinen Freund auf der Station empfangen?“ Dheran machte eine zustimmende Geste. „Ja, ich freue mich, dass er schon eine Woche vor beginn des Turniers kommen konnte. Meine Schwester und Captain LeClerc waren auch dabei. Ich habe Tia´Lynara versprochen, ihr morgen die Station zu zeigen. Hättest du Lust uns zu begleiten? Wir könnten Revers mitnehmen – er und meine Schwester scheinen sich gut zu verstehen.“ „Nein, Danke.“ Dheran wirkte verwundert. „Hast du was?“ „Du meinst, außer dass ich dich und Christina Carey gestern Händchen haltend an der Bar gesehen habe?“ Der Andorianer gab ein Seufzen von sich, was sich bei ihm recht merkwürdig ausnahm. Dann erklärte er: „Wir haben es gestern endlich geschafft, nach beinahe zwanzig Jahren, vernünftig mit einander zu reden, ohne uns im Streit zu trennen. Das Händchen halten wie du es nanntest, war dabei lediglich eine Geste des Verständnisses.“ „Also hast du Zeit mit mir zu Mittag zu essen?“ „Können wir das auf heute Abend verschieben?“, bat Dheran. „Heute Mittag bin ich mit Christina zum Essen verabredet.“ „Ein interessanter Zufall, nicht wahr?“ Die Spanierin blickte ihn gereizt an, während sie auf den Lift warteten. „Ich sage dir jetzt einmal was – finde heraus, was du eigentlich willst. Und das besser schnell, denn solange du auf zwei Hochzeiten tanzt, sehe ich mich nicht als fest gebunden, damit du im Bilde bist.“ Sie betraten den Lift, und fuhren zu Deck-4 hinauf. „Was soll das nun wieder heißen?“, erkundigte sich Dheran gefährlich sanftmütig. „Das wirst du schon sehen!“, fuhr ihn die Spanierin hitzig an, bevor sie den Lift verließ, als sie auf dem vierten Deck ankamen. Im ersten Moment blieb Dheran fassungslos im Lift stehen. Dann eilte er hinter Pasqualina her und fragte laut: „Trainieren wir morgen zusammen?“ „Ich hole dich ab“, entgegnete sie, ohne sich umzudrehen, und verschwand im nächsten Moment in ihrer Kabine. Und dabei soll man nicht wahnsinnig werden, dachte Dheran finster, bevor er seine eigene Kabine aufsuchte, um zu duschen und sich umzuziehen.   * * *   Lieutenant-Commander Christian Sinemus, der Taktische Offizier der NOTRE DAME, stand im Bad und seine grün-braunen Augen musterten kritisch das Spiegelbild. Nach einigen Augenblicken entschied er, dass alles in Ordnung war. Die golden abgesetzte Uniform saß tadellos. Endlich hatte er Dienstfrei und konnte sich die Station ansehen. Christian Sinemus besaß jene typischen Eigenschaften, wie man sie bei vielen Offizieren mit taktischem Verständnis fand, wenn auch längst nicht bei allen. Er besaß eine nahezu unerschütterliche Ruhe, einen messerscharfen Verstand und die Fähigkeit mit einem Minimum an Ressourcen ein Maximum an Effizienz zu erreichen. Auch wusste er, was er zu leisten im Stande war und er kannte ebenso seine Grenzen. Trotzdem wirkte er nie eingebildet, oder gar hochnäsig. Im Gegenteil sein Auftreten wirkte oft sehr bescheiden. Dennoch wusste er was er wollte, und meistens bekam er es auch, denn es gab nur wenige Wesen, die den Lieutenant-Commander nicht als sympathisch bezeichnet hätten. Geboren worden war der 1,93 Meter große Mann aus der irdischen Region Österreich in der historischen Stadt Wien, was sich manchmal in seiner lässigen aber dennoch effizienten Art, die Dinge zu handhaben, wiederfand. Obwohl das Tanzen gesellschaftlich momentan eine eher untergeordnete Rolle spielte, hatte er Wert darauf gelegt, noch zu Akademiezeiten, sowohl die klassischen, als auch moderne Tänze der Neuzeit zu erlernen. Zu seinem Kummer fand er nur sehr selten eine passende Tanzpartnerin, so dass sich seine tänzerische Betätigung zumeist auf Holodeckprogramme beschränkte, wobei er besonders ein historisches Programm mit einer Simulation des österreichischen Hoflebens aus dem 19. Jahrhundert bevorzugte. Ganz im Gegensatz zu den historischen Tatsachen, machte in diesem Programm sehr oft ein ungarischer Graf das Rennen um die reizende, junge Kaiserin, der von niemand Geringerem als ihm selbst verkörpert wurde. Im realen Leben lief es oft sehr ähnlich, denn seine Fähigkeit schnell Sympathie zu erringen erstreckte sich, nicht zuletzt durch sein gutes Aussehen, auch, oder besser, gerade auf das weibliche Geschlecht fast aller humanoider Rassen. Lediglich bei klingonischen Frauen konnte er nicht punkten, was ihm jedoch ziemlich egal war, da er mit deren kriegerischen Ansichten und Ritualen ohnehin nicht viel anfangen konnte. Schon des Öfteren war er gefragt worden, warum er dann ausgerechnet in einer Sektorenflotte, wie der von Konteradmiral Valand Kuehn, seinen Dienst verrichtete. Die, für sein jeweiliges Gegenüber zumeist verblüffende Antwort lautete, dass er Machtinstrumente wie die Schiffe der Sektorenflotte lieber in der Hand von Leuten sehen würde, die den Kampf nicht leiden können, als in der Hand jener, die wild entschlossen waren, sie gegen andere Völker einzusetzen. Trotzdem gefiel ihm sein Dienst, nicht zuletzt wegen seines unverbrüchlichen Glaubens daran, dass Verbände, wie die Sektorenflotten notwendig waren, um den Frieden zu bewahren. Er wünschte sich zwar, dass es anders wäre, war jedoch genug Realist, um zu wissen, dass dieser Tag noch in weiter Ferne lag. Möglicherweise kam er nie. Bestens gelaunt verließ Sinemus seine Kabine und machte sich auf den Weg zur linken Andockschleuse der Primärhülle. Er freute sich schon auf den Wettkampf im Degenfechten, und er machte sich berechtigte Hoffnungen darauf zu gewinnen, denn letztes Jahr hatte er sich im Finale lediglich Captain Frank geschlagen geben müssen. Als er in den Gang zur Schleuse ein bog traf er auf Tia´Lynara Dheran. Die Chefärztin der NOTRE DAME blickte sich zu ihm um und wartete, bis er zu ihr aufgeschlossen hatte. Sie begrüßten einander und die Andorianerin erkundigte sich freundlich: „Sind Sie auf dem Weg sich gründlich auf der Station umzuschauen, Christian?“ „Ja, endlich habe ich die Zeit dazu. Wie war das Treffen mit Ihrem Bruder?“ Die Andorianerin strahlte. „Einfach fantastisch. Wir hatten uns zuvor mehr als zwei Jahre lang, nicht mehr gesehen. Er ist einfach ein wundervoller Bruder. Was ist mit Ihnen – haben sie Geschwister?“ Christian Sinemus schüttelte den Kopf. „Nein, obwohl ich gerne Geschwister gehabt hätte.“ Er hob neugierig die Augenbrauen. „Was haben Sie den auf STRATEGICAL STARBASE 71 vor?“ „Ich treffe mich mit einigen Offizieren der Taktischen Flotte im GRAVITRON. In dem Lokal gibt es einen so genannten Low-Gravity-Bereich mit mehreren zu einander geneigten Holotanzflächen. Soweit ich weiß, ist dieses Lokal das erste seiner Art.“ „Sagten Sie Tanzflächen?“, erkundigte sich Sinemus hellhörig werdend. „Klingt sehr gut. Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mich Ihnen anschließe?“ „Durchaus nicht. Das wird sicher lustig.“   * * *   Nachdem Lieutenant-Commander Sinemus seine Uniform, in einem der Umkleide-Bereiche für männliche Besucher, gegen eine, in allen Farben des Regenbogens schillernde, Tanzkombination gewechselt hatte, betrat er das GRAVITRON. Der Anblick wirkte schlicht atemberaubend auf ihn – damit erging es ihm wie jedem Besucher dieses Lokals, der zum ersten Mal hierher kam. Die in verschiedenen Stilen untergliederte Bar, mit ihren zahlreichen Tischen und Sitznischen, bildeten, auf zwei Etagen, einen beinahe einhundert Meter durchmessenden Ring um die siebzig Meter durchmessende, und ebenso hohe Tanzkuppel – das eigentliche GRAVITRON. Die Innenseite der Deckenkuppel diente als Projektionsfläche für die jeweils zur Musik passenden Lightshow. In den Tanzpausen wurden dort, im ständigen Wechsel, Bilder von Sternennebeln, Planeten und anderen interstellaren Objekten projiziert. Doch auch eine Projektion des umgebenden Forlan-Systems war möglich. Was angezeigt wurde, entschied sich durch die Stimmung der Besucher, die über Stimmungssensoren ermittelt wurde, die in den Wänden installiert waren. Im Low-G-Bereich schwebten dutzende von Besuchern des GRAVITRON, bewegten sich zu den schwingenden Rhythmen der sphärischen Musik, und erfüllten sich den uralten Traum vom fliegen. Ermöglicht wurde das vom so genannten Tanz-Gravitator, der ein Trägheitsdämpfungsfeld um den Träger erzeugte. Die Steuerung dieses Gerätes, welches als flacher Gürtel getragen wurde, erfolgte über ein Steuerungsinterface, wahlweise am linken, oder am rechten Handgelenk der Tanzkombination. Es dauerte eine Weile, bis auch Tia´Lynara umgezogen war und lächelnd zu ihm kam. „Was sagen Sie dazu, Christian? Ich glaube, Captain Revers hat mir gestern nicht zu viel versprochen, als er mir dieses Lokal empfohlen hat.“ „Es ist überwältigend“, stimmte Sinemus begeistert zu. „So etwas habe ich bisher noch nicht gesehen.“ Neben einander schritten sie langsam den Ringbereich entlang. Erst nachdem beide das GRAVITRON beinahe zur Hälfte umrundet hatten, entdeckte die Andorianerin Frank Revers in der Menge. Neben im erkannte sie einen jungen Andorianer und eine blonde Frau, die den Eindruck erweckte, als würde sie zu ihm gehören. Dann waren da die Captains Minoru Tanaka und Chris O´Donnell. Revers hatte ihr die beiden Männer gestern Abend vorgestellt. Zwei Frauen befanden sich in der Begleitung der drei Männern, die ihr nicht bekannt waren. Eine von ihnen war blond und schien etwas jünger zu sein, als Revers. Die andere Frau wirkte wie deren genaues Gegenteil – sie war etwa in ihrem Alter und machte einen mediterranen Eindruck. Sinemus und die Andorianerin wurden mit großem Hallo begrüßt und Revers stellte ihnen die beiden Frauen als Kristin Perkins und Pasqualina Mancharella vor. Den letzten Namen hatte Tia´Lynara Dheran erst gestern von ihrem Bruder gehört, als er ihr von seinen bisherigen Erlebnissen bei der 5.Taktischen Flotte erzählte. Sie war also sein Erster Offizier, mit dem er vor mehreren Monaten eine bemerkenswerte Odyssee erlebt hatte. Sie war es auch, die den Andorianer als Lieutenant Cer´Zydar Taren und seine Freundin als, Crewman Sylvie Gerlach vorstellte. Beide hatten sich, nach Aussage der Spanierin, vor wenigen Wochen für eine Mission auf der ICICLE aufgehalten und waren vor kurzer Zeit erst zu den Taktischen Flotten gewechselt. Gemeinsam dienten sie nun auf der ARGONAUT. Christian Sinemus zeigte ein auffallendes Interesse an der Spanierin und es war keinesfalls Zufall, dass er sich an ihre Seite gesellte, nachdem Cer´Zydar Taren mit seiner Freundin in der Menge untertauchte, um mit ihr etwas ungestörter zu sein. Während die Andorianerin von Chris O´Donnell und Minoru Tanaka in eine interessante Unterhaltung verstrickt wurde, beobachtete sie zwischendurch, dass sich die Beiden auf Anhieb zu verstehen schienen. Soweit sie es mitbekam unterhielten sie sich über das kommende Turnier, an dem sie beide teilnehmen würden. Revers und Kristin Perkins nahmen wechselseitig an beiden Unterhaltungen teil, bis Sinemus die Spanierin zum Tanzen aufforderte. Als sie in Richtung Tanzbereich verschwanden, fragte Revers die Andorianerin: „Nehmen Sie auch am Turnier teil?“ „Nein, Captain Revers. Als Ärztin schneide ich andere Leute lediglich mit dem Laserskalpell auf. Es gibt böse Zungen, die behaupten, das würde auf dasselbe hinauslaufen.“ Revers grinste amüsiert. „Was sagen denn ihre Eltern dazu, dass Sie und Ihr Bruder so unterschiedliche Karrieren bei der Sternenflotte eingeschlagen haben?“ Die Antennen der Andorianerin bogen sich leicht nach Innen. „Unser Vater war Anfangs gar nicht begeistert davon, als ich mich dazu entschloss zur Sternenflotte zu gehen – und dann auch noch um Medizin zu studieren. Was Letzteres angeht, würde sich Tar´Kyren übrigens gerne an seine Seite stellen. Dennoch hat mein Bruder mich in meinem Entschluss unterstützt und mir den Rücken gestärkt. Möglicherweise haben Sie Tar´Kyren von einer anderen Seite kennen gelernt, aber er ist, wie beinahe alle Andorianer, sehr familiär eingestellt. Und wer ihn nur oberflächlich kennt käme kaum auf den Gedanken, dass er viel lieber Forscher, als Kämpfer wäre, auch wenn ihm Letzteres im Blut liegt.“ Revers, der das Leuchten in den Augen der Andorianerin bemerkte, als sie von ihrem Bruder erzählte, nickte verstehend. Er kannte diese Geschichte, hatte er sie doch beinahe selbst in der Art erlebt. Auch er war der erste seiner Familien gewesen, der zur Sternenflotte gegangen war. Und dann war seine Schwester Diana seinem Beispiel gefolgt. Der Unterscheid zu den Andorianern war nur, dass seine Mutter lange Zeit damit ihre Probleme gehabt hatte. Er schmunzelte kurz als ihm auffiel, dass sowohl seine als auch Dherans Schwester Ärztinnen waren und bemerkte dann: „Sie haben ihn sehr gern, nicht wahr?“ „Ja, sehr. Schon in meiner Kindheit hat er viel Zeit mit mir verbracht. Ich werde nie vergessen, wie er das erste Mal mit mir bis dicht unter die planetare Oberfläche unserer Heimatwelt marschiert ist, und wir dann auf seinem Wok´Aanfor durch einen Eiskanal bis nach Li Mi´She hinunter gefahren sind.“ Chris O´Donnell blickte sie überrascht an. „Er ist mit Ihnen Schlitten gefahren?“ Die Andorianerin überlegte kurz und meinte dann: „So könnte man sagen, nur dass man in einem Eiskanal auf Andoria sehr viel schneller dahin jagt.“ „Da soll noch einer sagen, Andorianer wüssten sich nicht zu amüsieren“, lachte Kristin Perkins und beobachtete interessiert, wie O´Donnell und Tanaka Dherans Schwester zu einem Tanz überredeten. Während die drei sich zum Low-G-Bereich begaben, blickte Revers ihnen sinnend nach, bis Kristin Perkins ihn sachte in die Seite stupste. „Sie ist zu jung für Sie, Captain“, raunte sie Frank Revers zu. Der Captain blickte die Australierin überrascht an. „Sind Sie von Sinnen, Kristin? Wie kommen Sie darauf, das ich an ihr interessiert bin.“ „Nun Sie sind nicht gerade ein Discogänger, Frank.“, bemerkte die Frau. „Robert hat von diesem Laden geschwärmt, und ich dachte mir, ich sehe ihn mir mal an. Bei diesen ganzen jungen Offizieren, die wir an Bord haben, muss ich doch als Captain up to date bleiben.“ „Und dass Dherans Schwester mitkommt, hat damit überhaupt nichts zu tun.“, stichelte Kristin Perkins weiter. „Sie ist eine faszinierende Frau. Aber man kann auch eine kameradschaftliche Freundschaft zwischen Männer und Frauen aufbauen. Wir beide sind das beste Beispiel.“ Die Stellvertretende Kommandantin der MARYLAND feixte: „Aber uns unterstellt man ja immer mal wieder eine Beziehung. Oder haben Sie das Gerücht schon wieder vergessen, dass ich der Grund für Ihre Scheidung sein soll.“ Frank Revers reagierte nicht darauf sondern bemerkte: „Und selbst wenn ich an ihr interessiert wäre, was ich nicht bin, ist Ihnen nicht klar, wen ich dann zum Schwager bekäme? Und der Vater dürfte ungefähr vom gleichen Kaliber sein.“ Commander Perkins zwinkerte Revers vergnügt zu: „Haben Sie etwa Angst vor den beiden Andorianern?“ „Nein, aber wie Sie bereits sagten: Sie ist zu jung für mich.“ Dann seufzte der Mann und fügte ein leises „Leider.“ hinzu.   * * *   Pasqualina Mancharella stand etwa zehn Meter über dem Boden, und mit einer Neigung von vierzig Grad, auf einer der drei untersten Holotanzflächen, wobei sie jedoch, durch die künstliche Gravitation der Tanzfläche den Eindruck gewann, sie selbst würde sich auf einer geraden Ebene befinden, und der Rest der Welt hätte sich um vierzig Grad geneigt. Etwa zwanzig Meter über sich entdeckte sie Sinemus auf einer anderen Holofläche, die neunzig Grad zum Boden geneigt war. Sie ging etwas in die Hocke und stieß sich dann kräftig ab. Noch bevor sie die höher gelegene Ebene erreichte, wurde ihr bewusst, dass sie ihren gestreckten Rückwärtssalto etwas zu schwungvoll angesetzt hatte, und sie wäre sicherlich auf dem Po gelandet, hätte Sinemus sie nicht mit seinen kräftigen Händen in der Taille gepackt und sicher auf die Füße gestellt. Einen Moment lang standen sie sich lächelnd gegenüber, bevor der Hochgewachsene sie wieder losließ und fragte: „Alles in Ordnung?“ Die Spanierin nickte lebhaft. „Ja, danke.“ Sie stießen sich ab und schwebten gemeinsam zwischen den verschiedenen Tanzflächen dahin. Über die Handgelenkkontrollen aktivierten sie winzige in die Tanzkombinationen eingelassene Prallfeld-Emitter mit denen sich die Fluglage beliebig steuern ließ. Schwebend umkreisten sich die beiden Offiziere und fühlten sich auf eine besondere Art und Weise, grenzenlos frei. Während sie gemeinsam bis fast hinauf zur Kuppel schwebten erkannten Pasqualina und Sinemus unter sich Chris O´Donnell Captain Tanaka und Tia´Lynara Dheran, die zu den Klängen der Musik wundersame Kapriolen schlugen, und dabei offensichtlich eine Menge Spaß hatten. Die Spanierin breitete ihre Arme aus und drehte über die linke Seite nach unten ab. Zwanzig Meter tiefer schwebte sie auf der Stelle und drehte sich dabei, in der Luft, auf den Rücken. Christian Sinemus winkte ihr kurz zu und folgte dann mit einem kurzen Sturzflug. Währenddessen hatten sich O´Donnell, Tanaka und die Andorianerin zu ihnen gesellt und gemeinsam schwebten sie schwerelos um einander. Tanaka, der schließlich bemerkte, dass Captain Dherans Schwester fast ausschließlich Augen für O´Donnell hatte, schwebte schließlich als Erster wieder hinab um den Low-G-Bereich zu verlassen und sich wieder zu Revers und Perkins zu gesellen. Ein wenig neidisch beobachtete der Asiate, wie sich die beiden zwischenzeitlich immer wieder einander annäherten, um sich spielerisch mit den Handflächen zu berühren und lachend wieder abzustoßen, nur um dieses kleine Spiel dann erneut zu beginnen. Er spannte sich an, als Revers ihm eine Hand auf die Schulter legte und in sanftem Tonfall meinte: „Nehmen Sie es nicht tragisch. Denken Sie lieber an die Probleme, die ihnen auf diese Weise erspart bleiben.“ Minoru Tanaka erwiderte das Augenzwinkern des Grauhaarigen mit einem schiefen Grinsen. „Diese Probleme, wie Sie es nennen, würde ich glatt in Kauf nehmen. Aber ich gönne es Chris – er ist ein netter und anständiger Kerl.“ Revers nickte schmunzelnd. „Das will ich hoffen – um seinetwillen.“ Von alldem bekamen Christian Sinemus und Pasqualina nur wenig mit. Sie genossen das schwerelose Dahingleiten, zwischen den Tanzebenen, und erst eine geraume Weile später betätigten sie die Steuerung für die Mikrogravitatoren in den Schuhsohlen, die sie sanft auf den Boden des Low-G-Bereichs zogen. Auch O´Donnell und Tia´Lynara Dheran hatten sich wieder zu ihnen gesellt. Später am Abend, verabschiedeten sich Sinemus und die Spanierin von den Anderen und während sie, nun wieder uniformiert, durch die Gänge der Station in Richtung der Promenadendecks schlenderten, fragte der Lieutenant-Commander: „Hätten Sie Lust, mit mir essen zu gehen, Commander?“ Pasqualina Mancharella überlegte kurz, bevor sie lächelnd zustimmte. Warum auch nicht? Er war ein angenehmer Unterhalter, sehr sympathisch und sah auch noch gut aus. Sie schlug eines der kleineren Restaurants vor. Dort würden sie sich in Ruhe unterhalten können, ohne dabei ständig bekannten Gesichtern über den Weg zu laufen. Später, als sie gerade zu speisen begannen, musste die Spanierin jedoch, zu ihrem Verdruss feststellen, dass sie nicht die Einzige an diesem Abend war, die diese Überlegung angestellt hatte, denn Tar´Kyren Dheran und Christina Carey kamen herein und nahmen einige Tische weiter Platz, ohne sie und Sinemus zunächst zu bemerken. Die beiden sind wohl ziemlich mit sich beschäftigt, wenn sie nichts hören und sehen, überlegte die Spanierin und spürte dabei, wie Eifersucht in ihr emporstieg. Dabei tat er nichts Anderes, als sie selbst, doch bis zu diesem Punkt führte sie ihre Überlegungen nicht fort. Schnell wandte sie sich wieder ihrem Begleiter zu, der gerade davon zu erzählen begann, dass er am Turnier teilnehmen würde. Erfreut erfuhr er, dass auch die Spanierin mit von der Partie sein würde und begann mit ihr über verschiedene Attacken und Paraden, die er bevorzugte zu fachsimpeln, und für den Moment vergaß Commander Mancharella ihre zwiespältigen Gefühle bezüglich des andorianischen Captains. Dieser Lieutenant-Commander besaß die Fähigkeit die Aufmerksamkeit anderer auf sich zu konzentrieren, und für einen kurzen Augenblick spürte sie die ungeheure Präsenz dieses sympathischen Mannes. Dabei entging ihr Dherans zunächst forschender, dann finsterer Blick, als er sie und den Lieutenant-Commander entdeckte...   * * *   Sie hatten gerade ihre Speisen bestellt, als sich die Haltung des Andorianers spürbar veränderte. Christina Carey blickte Tar´Kyren Dheran fragend an, als sie seinen Stimmungsumschwung bemerkte und fragte, mit leichter Verwunderung: „Hast du etwas, Tar? Du machst ein Gesicht, als wäre dir eben eingefallen, dass man dich morgen Früh hinrichten will.“ „Bitte?“ Dheran war, als erwache er aus einem düsteren Traum. „Oh nein, ich habe nur eben meinen Ersten Offizier hier entdeckt. Wir hatten in den letzten Tagen einige Meinungsverschiedenheiten, bezüglich der Trainingsmethoden beim Degenfechten.“ Christina blickte kurz über die Schulter und nickte dem Commander und ihrem Begleiter freundlich zu, wobei sie feststellte, dass die Spanierin ein genauso missmutiges Gesicht machte, wie der Andorianer. „Ihr scheint es ganz ähnlich zu gehen“, schmunzelte die Irin und blickte Dheran forschend an. „War wohl eine etwas intensivere Auseinandersetzung, wie?“ Der Andorianer nickte düster. „Das legt sich wieder. Pasqualina und ich sind nicht nachtragend.“ „Ach!“, machte die Irin und warf Dheran einen leicht überraschten Blick zu. „Ihr duzt euch? Ich dachte bisher immer, du würdest nicht viel von dem vertrauten Kommandostil einiger anderer Captains und Admirals halten? Habe ich da vielleicht etwas versäumt?“ Die Antennen des Andorianers bogen sich nach Innen als er meinte: „Das ist auch noch immer so. Wir duzen uns lediglich außerhalb des Dienstes.“ Christina Carey verzichtete darauf im Moment weiter in ihn zu dringen und meinte lediglich: „Bemerkenswert.“ Dheran, dem das Thema nicht behagte, sagte schnell: „Lass uns lieber von etwas anderem reden, okay? Zum Beispiel wollten wir uns über die Gründe unterhalten, warum du dich damals von mir getrennt hast.“ Die Irin seufzte leise. Resignierend blickte sie Tar´Kyren Dheran an und meinte mit zornig flackernden Augen: „Du degradierst jeden cardassianischen Verhörspezialisten zum Stümper, weißt du das? Wenn du ein solches Verhör leiten würdest, dann würdest du so lange die Schuld einfordern, bis dein armes Opfer bereit wäre zuzugeben, dass er es war. Danach müsstest du ihm dann nur noch sagen, was er eigentlich angestellt hat.“ „Möglich“, räumte Dheran finster ein. „Momentan jedoch würde ich mich...“ „Ja – ich weiß, was du wissen willst“, unterbrach ihn die Irin zischend. „Aber warte wenigstens, bis wir gegessen haben.“ Dherans Antennen begannen, sich unruhig zu bewegen, aber er beschloss sich in Geduld zu fassen, was ihm sichtlich schwer fiel. Alles was ihn momentan dazu befähigte, war die Aussicht darauf endlich Antworten auf seine Fragen zu erhalten. Sie speisten beinahe schweigend, nachdem ihre Bestellung serviert worden war und als der Kellner schließlich die leeren Teller fort genommen hatte, lehnte sich der Andorianer ungeduldig vor, ohne Christina dabei aus den Augen zu lassen. Die Irin atmete tief durch und blickte den andorianischen Mann, in den sie sich vor so vielen Jahren verliebt hatte, unsicher an, bevor sie leise begann: „Weißt du, Tar – als wir uns auf dem Raumschiff, das uns nach Andoria brachte, zum ersten Mal begegneten, da war es sofort passiert. Du hattest mich mit diesem leicht fragenden Blick gemustert, und mich flüchtig angelächelt. Noch niemals zuvor, und auch danach nicht, hat ein einziger Blick mich so sehr verwirrt. Bereits damals habe ich in dir einen verwandten Geist gesehen, und als wir, nach unserer wahrlich abenteuerlichen Suche, schließlich gemeinsam in Kharon-Dhura standen, da habe ich einen Moment vollkommenen Glücks gespürt. Und das nicht nur, weil wir die versunkene Eisstadt entdeckt hatten. Ich wäre es auch dann gewesen, wenn wir sie vergeblich gesucht hätten.“ Dheran bewegte sich unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Aber dann verstehe ich deine Entscheidung noch weniger, Christina.“ „Vielleicht verstehst du mich besser, wenn ich dir sage, dass ich damals kurz davor stand, die Sternenflotte zu verlassen. Ich habe Dich so sehr geliebt, dass es weh tat, Tar. Ich konnte nicht mehr ohne Dich leben und ich konnte doch nicht bei Dir sein. Es hat mich beinahe zerrissen. Und während dieser Phase wurden mir zwei Dinge klar: Ich wollte meine Karriere nicht aufgeben – und ich konnte nicht so weitermachen, wie zuvor, ohne dabei seelisch zu zerbrechen. Mich von Dir zu trennen war die einzige Möglichkeit, mich wieder mit ganzer Kraft auf meine Karriere in der Sternenflotte zu konzentrieren. Der Gedanke, wie du darauf reagieren würdest hat mir damals so weh getan, dass ich beinahe schwankend in meinem Entschluss geworden wäre.“ Dheran wirkte verwirrt. „Aber warum hast du nicht wenigstens sporadischen Kontakt zu mir gehalten?“ „Ich hätte es nicht über das Herz gebracht, Tar. Dazu habe ich Dich immer noch viel zu sehr geliebt, und dann hätte ich vielleicht doch irgendwann den Dienst quittiert. Gleichzeitig war ich selig, und auch erleichtert, wenn ich zwischenzeitig immer mal wieder etwas von deinen Risikounternehmen aufschnappen konnte. Auf diese Weise wusste ich wenigstens, dass du noch lebst. Du glaubst gar nicht, wie oft ich, während des Dominion-Kriegs Albträume hatte, in denen ich Dich sterben sah. Es verging kein einziger Tag, an dem ich nicht die Verlustlisten studiert habe, immer in der Angst, deinen Namen zu lesen.“ Christina machte eine Pause und blickte Tar´Kyren inständig an, bevor sie leise hinzufügte: „Als du dann, vor einem halben Jahr plötzlich vor mir gestanden hast, da wusste ich nicht was ich sagen sollte. Das Chaos an Emotionen hätte mich beinahe zerrissen. Und dann wusste ich auch nicht, ob du mich nicht mittlerweile hassen würdest.“ Der Andorianer sah dass die Augen der Irin feucht glänzten und auch ohne körperlichen Kontakt begann er zu ahnen, wie es in ihr aussah. Er griff nach ihren Händen und hielt sie sanft in seinen. „Ich habe dich niemals gehasst, Christina, auch wenn ich wegen deiner Entscheidung ziemlich wütend und enttäuscht war. Aber das konnte nichts an meinen Gefühlen für dich ändern, das sollst du wissen.“ Ihre Blicke verschmolzen für einen langen Moment, bevor Christina Carey ihre Hände zurückzog und bestimmt sagte: „Ich möchte jetzt lieber allein sein, Tar. Wenn du magst, dann treffen wir uns morgen.“ Dheran war versucht sie zum Bleiben zu überreden, doch dann besann er sich auf den Vorsatz, welchen er gefasst hatte und sagte lediglich: „Gerne, Christina. Ich melde mich morgen bei dir.“ Die Irin lächelte ihn dankbar an, bevor sie sich abwandte und schnell das Lokal verließ. Bei einem Blick zum Tisch, an dem Pasqualina und der dunkelblonde Lieutenant-Commander gesessen hatten stellte er zu seinem gelinden Erstaunen fest, dass sie bereits gegangen waren, ohne dass es ihm aufgefallen war. Aufgewühlt trank er den Fruchtsaft aus, den er sich zu seinem Essen bestellt hatte, und verließ ebenfalls das Lokal, um sein Quartier auf der ICICLE aufzusuchen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)