Star Trek - Icicle - 03 von ulimann644 (Freundschaften) ================================================================================ Kapitel 3: Irrtümer ------------------- Kaum, dass Tar´Kyren Dheran das QUARKS verlassen hatte, nahm er Kontakt zu Sylvie LeClerc auf und kündigte ihr sein baldiges Erscheinen an. Die glockenhelle Stimme der Französin bestätigte: „Ich erwarte Sie dann in spätestens zwanzig Minuten an Bord der PHOEBE, Monsieur Dheran, oder wir fliegen ohne Sie ab. Bringen Sie Ihre bagages mit?“ „Ich komme allein!“, fauchte Dheran angriffslustig in seinen Kommunikator. „Was fällt Ihnen eigentlich ein, meine hervorragende Crew als Bagage zu bezeichnen?“ „Aber Monsieur Dheran?“, entgegnete LeClerc vorwurfsvoll tadelnd. „Sie missverstehen, ich hatte mich lediglich nach Ihrem Gepäck erkundigt.“ Jemand auf der PHOEBE lachte so laut, dass Dheran es mitbekam. Erneut klang die Stimme des Commodore auf: „Entschuldigen Sie, Monsieur Dheran, aber das Benehmen einiger Subjekte hier an Bord lässt mithin zu wünschen übrig. Man kann leider nicht von jedermann einen scharfen Geist und ein geziemendes Benehmen erwarten. LeClerc, Ende.“ Grimmig stapfte Dheran zum Turbolift der ihn zum Oberen Pylon-2 bringen würde. Dieser Commodore, der mit französischen Wörtern um sich warf, hatte ihm gerade noch gefehlt. Die Woche entwickelt sich, dachte er düster, während er zur PHOEBE hinauf fuhr. An der Verbindungsschleuse zur PHOEBE erwartete ihn schon ein junger Ensign, der ihn auf die Brücke des Angriffskreuzers bringen sollte. „Ich bin Ensign Scaraan“, sagte der junge Mann, den Dheran allein schon anhand seines Dialektes als Rigelianer identifizierte, was wegen seiner äußerlichen Attribute überflüssig war. Er mochte höchstens 21 Jahre alt sein und machte einen noch recht unbekümmerten Eindruck. Dieser Eindruck verlor sich jedoch, sobald man ihm in die dunklen Augen sah. „Dheran nickte ihm knapp zu. „Bitte bringen sie mich bitte auf die Brücke, Ensign Scaraan.“ Auf dem Weg durch die hellen, blau-grauen Gänge, die Dheran farblich zusagten, weil sie ihn an seine Heimat erinnerten, bemerkte er die neugierigen Seitenblicke, die Ensign Scaraan ihm immer wieder zuwarf, wenn er glaubte, der Andorianer würde gerade nichts davon mitbekommen. Kurz bevor sie beide den Lift erreichten, blieb Dheran abrupt stehen und fixierte den Rigelianer forschend: „Was habe ich an mir, Ensign, dass Sie mich immer wieder von der Seite anstarren müssen? Haben Sie noch nie einen Andorianer gesehen?“ Ensign Scaraans Epidermis-Durchblutung der Gesichtspartie und der Ohren steigerte sich merklich. „Äh... Nein, Sir...“ Scaraan suchte nach Worten und sagte schließlich gerade heraus: „Mir fiel nur ihre Narbe auf der Wange auf, und da fragte ich mich, warum Sie die nicht behandeln lassen haben, Sir.“ Dherans Blick wurde stechend. „Hat Ihnen schon mal jemand gesagt, dass Sie zu neugierig sind?“ Scaraans Gesicht rötete sich noch um eine Nuance mehr. „Ja, Sir.“ Dheran erlaubte sich ein Schmunzeln. „Gut!“ Sie betraten den Lift und Ensign Scaraan war froh, dass es Dheran bei seiner letzten Bemerkung beließ. „Brücke!“, sagte er laut und die Kabine des Lifts setzte sich in Bewegung, ohne dass etwas davon zu bemerken gewesen wäre. Dheran bemerkte sehr wohl, dass der Ensign noch etwas anderes auf dem Herzen hatte und so lehnte er sich lässig an die Wand der Turboliftkabine und sagte: „Turbolift halt!“ Dann sah er den jungen Offizier auffordernd an und fragte: „Also, reden Sie, Ensign Scaraan. Was möchten Sie sonst noch von mir wissen?“ Der junge Sternenflottenoffizier wand sich, sichtlich verlegen, bevor er entschlossen sagte: „Sir, ich hörte, dass der Dienst in den Taktischen Flotten sehr anstrengend und gefährlich ist, aber auch sehr herausfordernd. Nun, ich dachte mir, ich frage Sie, Sir, ob sie glauben, dass ich für die Taktischen Flotten geeignet sein könnte – ich bin versucht ein Versetzungsgesuch dorthin einzureichen.“ Dherans Antennen bogen sich leicht vor. „Sie wollen also unbedingt zu den Taktischen Flotten, Ensign Scaraan? Sagen Sie mir auch warum?“ „Ich denke, dass ich mich sehr gut in diese Einheit einbringen kann, Sir.“ Man merkte dem Ensign an, dass er zufrieden mit seiner Antwort war. Er hoffte den richtigen Ton bei Dheran gefunden zu haben, indem er seinen Einsatzwillen andeutete. Der Andorianer ließ sich jedoch so schnell nicht beeindrucken und erwiderte fragend: „Die Taktischen Flotten brauchen Sie also, Ensign?“ Ernüchtert blickte der Ensign den Captain an. Mit dieser einfachen Frage hatte der Andorianer ihn gekonnt aus manövriert, das wurde ihm augenblicklich klar. Wenn er die Frage verneinte, dann gab er zu, nicht für die Taktischen Flotten geeignet zu sein. Wenn er sie jedoch bejahte, dann würde er vor dem Captain als Überflieger dastehen. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg aus dieser Zwickmühle. Dheran merkte den Zustand des jungen Rigelianers und meinte schließlich: „Dies ist die wichtigste Lektion, die Sie zu lernen haben, wenn Sie den Dienst in den Taktischen Flotten ins Auge fassen, Mister Scaraan. Versuchen Sie niemals einen Vorgesetzten mit Worten beeindrucken zu wollen - nur ihre Taten werden zählen, wenn Sie dazu gehören wollen.“ Der Ensign nickte zerknirscht und Dheran gab das Kommando, die Fahrt des Turbolifts fortzusetzen. Wenig später erreichten sie das Brückendeck und verließen den Turbolift. Der junge Ensign ging ihm voraus und sie betraten die Brücke. Bei einem schnellen Blick zur Seite bemerkte der Andorianer die Schotts des anderen Turbolifts, im hinteren Bereich, so wie sie auch auf der ICICLE zu finden waren. Daneben befanden sich die Eingänge der beiden Bereitschaftsräume, für Captain und XO. Daran schlossen sich jeweils drei Stationen an, die von dem Rest der Zentrale durch gläserne Scheiben abgetrennt waren. Links in Flugrichtung die für Langstreckenkommunikation, Astrometrik und Flugoperationen der Beiboote - rechts die der Energie- und Maschinenkontrollen und die Station des MACO-Commanders. Hinter einer gläsernen Trennwand mit dem Logo der Sternenflotte, erblickte Dheran den Sessel des Captains, im genauen Zentrum der kreisrunden Brücke. Links daneben den Sitz des Schiffs-Counselors. Auf der anderen Seite, etwas nach vorne versetzt, war der Platz des XO, für den es bei dieser Schiffsklasse eine separate Konsole gab, über die er die wichtigsten Kommandos notfalls selbst ausführen konnte. Vor dieser Dreieranordnung saßen an einer Doppelkonsole der Navigator und der Steuermann. Das Design dieses Schiffes begeisterte den Andorianer, und fast wäre er versucht gewesen seine ICICLE gegen einen dieser neuen Kreuzer der LUNA-KLASSE einzutauschen. Aber auch nur fast... Zu Dherans Rechten öffnete sich das Schott zum Bereitschaftsraum des Captains und Sylvie LeClerc trat zu ihm und reichte ihm ihre Hand. „Ich hoffe, die Brücke meines Schiffchens gefällt Ihnen, Monsieur Dheran?“ „Ja, sehr beeindruckendes Design, muss ich sagen“, bestätigte der Andorianer und nutzte die Gelegenheit, die zierliche Französin, die er seit seiner Akademiezeit nicht mehr gesehen hatte, genauer zu betrachten. Commodore Sylvie LeClerc war fast einen Kopf kleiner, als der Andorianer. In gewisser Weise erinnerte sie ihn an Fylara Nareen, nur dass sie ihre blonden Haare kurz trug, und ihre Augen mehr ins grün-blaue spielten, als die der verstorbenen Bajoranerin. Dheran spürte förmlich die Unternehmungslust dieser Frau und ihre rastlose Art, auch wenn sie diese sorgfältig im Zaum hielt. Trotz der Fältchen, die der Dienst in der Sternenflotte in ihrem Gesicht hinterlassen hatte wirkte die Französin auf eine herbe Art attraktiv. Sylvie LeClerc gab dem Ensign einen Wink sich zu entfernen und wandte sich an den andorianischen Captain. „Wir werden für die fast drei Astronomischen Einheiten bis nach Bajor, mit den neuen Impulstriebwerken etwa siebzig Minuten benötigen. Genügend Zeit also, dass ich Ihnen das Schiff zeigen kann, wenn Sie möchten.“ „Und ob ich möchte“, antwortete Dheran erfreut. Er ließ sich zwar nichts anmerken, aber die Tatsache, dass die PHOEBE mit dem neuen Impulsantrieb auf 30% Lichtgeschwindigkeit beschleunigen konnte, und nicht nur bis auf 25% wie alle anderen Einheiten der Flotte, beeindruckte ihn. Er würde Tarun nach seiner Rückkehr zum STRATEGICAL STARBASE 71 Komplex einmal fragen, ob nicht die ICICLE mit solchen Triebwerken nachgerüstet werden konnte. „Sie haben hier eine sehr funktionelle Brückenaufteilung“, lobte der Andorianer dann. „Ihr Schiff gefällt mir.“ „Mir auch“, antwortete Sylvie LeClerc launig. „Sie werden doch nicht mit dem wenig feinen Gedanken spielen, Ihren Freund Valand Kuehn davon zu überzeugen, Ihnen das Schiff zu überlassen, Monsieur Dheran?“ „Und meine geliebte ICICLE aufgeben?“ Ehrliches Entsetzen zeichnete sich auf dem Gesicht des Andorianers ab, dass die Französin zu einem Lachen reizte. „Ich bin beruhigt, dass mein Schiff vor Ihnen sicher ist, Captain“, meinte sie schließlich augenzwinkernd, was ihren Worten und ihrem Blick die Schärfe nahm. „Was möchten Sie zuerst sehen?“ „Alles“, konterte Dheran trocken und überlegte, dass dieser Commodore die perfekte Stellvertreterin für den Verband seines Freundes war. Im Gegensatz zu ihm selbst war Valand ein Freund von Gegensätzen. In einer Hinsicht glich sie seinem Freund jedoch auffällig: Sie besaß den gleichen harten Blick, der jedem sofort sagte, dass sie sehr genau wusste, was sie wollte und sie strahlte dieselbe Zielstrebigkeit aus.   * * *   Viel zu schnell vergingen die siebzig Minuten, für Dherans Geschmack, und er bedauerte es fast, als er von Bord gebeamt wurde, nachdem die PHOEBE in Transporterreichweite der Kendra-Provinz gekommen war. Dieses Gefühl verlor sich jedoch schnell, als er an einem sanft abfallenden Hügel rematerialisierte, und auf den Yolja-Fluss hinunter sah. Über diesem Teil von Bajor war die Sonne gerade erst aufgegangen. Dheran kannte sich hier, in diesem abgelegenen Tal, gut aus, da er seit Fylara Nareens Beerdigung, unten am Yolja-Fluss, nun seit sechs Jahren hierher kam. Als sie, bei einem Einsatz auf Avenal VII gegen Ende des Dominion-Kriegs, dem Tode nahe gewesen war, hatte sie ihn darum gebeten, sie hier zur Letzten Ruhe zu betten. Und sie hatte ihn darum gebeten, sie gelegentlich hier zu besuchen. Beide Versprechen hatte er eingehalten. Nur eines stand noch aus; eines, dessen Einhaltung nur zum Teil in seinen Verantwortungsbereich fiel. Denn selbst wenn er irgendwann Kinder haben sollte, war längst nicht gesagt, ob er tatsächlich eine Tochter haben würde. Momentan hatte er nicht einmal eine Lebensgefährtin, was weniger daran lag, dass es keine Interessentinnen gegeben hätte, sondern viel mehr daran, dass ihm die einzige Frau, mit der er sich eine feste Beziehung hätte vorstellen können, noch immer die kalte Schulter zeigte. Langsam schritt er durch die anheimelnde Parklandschaft hinunter zum Fluss, der in engen Windungen träge durch das Tal mäanderte. Ein angenehm kühler Morgenwind strich über die Gesichtshaut des Andorianers, als er, wie jedes Mal wenn er hier war, unter dem hohen Baum neben einer kleinen Buschgruppe anhielt und auf den schulterhohen Grab-Obelisken aus schwarzem Obsidian blickte. Und wie jedes mal überkamen ihn wieder die Erinnerungen an jenen Auftrag, vor sechs Jahren; und ein Gefühl von Trauer um eine Bajoranerin, die er kaum gekannt hatte. Und doch hatte Fylara Nareen sehr viel mehr Gefühle in ihm ausgelöst, und sie ihm unvergesslicher gemacht, als es manches andere Wesen in vielen Jahren geschafft hatte. Schon vor langer Zeit war Tar´Kyren Dheran bewusst geworden, das Verbundenheit zu einem anderen Wesen nichts mit der Zeit zu tun hatte, die man dieses Wesen kannte. Manchmal ergab sich einfach eine unbewusste Zuneigung zwischen zwei Lebewesen, die gleich von Anfang an so intensiv war, dass es keine rationale Erklärung dafür gab – vielleicht weil es sich um ein emotionales Phänomen handelte. Der Andorianer hatte dies nie hinterfragt sondern als bestehende Tatsache so hingenommen. Langsam schritt er auf den Obelisken zu. Eine handgroße Platte aus Gold war in den jettschwarzen Stein eingelassen, mit folgender Inschrift: FYLARA NAREEN 2354 – 2375 -------------------------------- „Wenn ein Stern erlischt dann ist es dunkler als habe er nie geschienen“   Bei der Inschrift handelte es sich um ein altes, andorianisches Sprichwort. In Gedanken griff er in seine Uniformtasche, in der er das kleine Päckchen aufbewahrte, dass er an Bord der ICICLE eingesteckt hatte. Für einen Moment kam ihm der unsinnige Gedanke, was wäre, wenn er seinem Freund Valand das Falsche mit gegeben hätte. Mit einem schnellen Blick darauf vergewisserte er sich, dass dies nicht der Fall war und öffnete die Metallschachtel, der er ein tintenblaues Seidenband entnahm. Eine Bajoranerin auf STRATEGICAL STARBASE 71 hatte ihm, mit Goldfaden, die traditionellen bajoranischen Trauer-Piktogramme und die Jahreszahl nach Bajoranischer Zeitrechnung auf das Band gestickt – so wie auch in den vergangenen fünf Jahren. Er warf einen Blick darauf, als er den Obelisken erreicht hatte und er stellte fest, dass dieses Band, wie bereits die anderen, makellos geworden war. Er band es mit dem oberen Faden an eine eigens dafür am Obelisken angebrachte, goldene Querstrebe, unter der Platte mit dem Namen und der Inschrift. Nachdenklich blickte Dheran auf die sechs blauen Bänder, die sanft im Wind flatterten und stellte sich dabei das Gesicht von Fylara Nareen vor – ihren herausfordernden Blick, auf Sternenbasis-375; ihren unschuldigen Augenaufschlag, als sie ihn bat nicht böse auf sie zu sein, vor Beginn ihres gemeinsamen Einsatzes; der wehe, flehende Blick, als sie ihn auf Avenal VII bat sie zu verlassen und den Auftrag allein zu Ende zu bringen. Der Andorianer hatte kurz nach ihrer Beerdigung gedacht, es wäre vorbei, und er würde diese bitteren Erinnerungen ebenso schnell abschütteln, wie all die anderen bitteren Erinnerungen, an gefallene Kameraden. Aber wie hätte er das gekonnt? Sie hatte ihm das Leben gerettet, und auch wenn er Nareen versprechen musste, dass er sich nicht schuldig an ihrem Tod fühlen würde, nagte diese Tatsache immer noch an ihm; jedes mal wenn er her kam. Er war immer noch am Leben - sie war tot. Es war nicht vorbei! Es würde vielleicht niemals richtig vorbei sein, solange er lebte. Tar´Kyren atmete mehrmals tief durch um das Gefühl des imaginären Kloßes im Hals loszuwerden. Langsam ließ er sich in das hohe Gras, neben dem Grab sinken und für einen Moment fiel ihm auf, wie still und friedlich es hier war. Nur hin und wieder hörte man das leise Rascheln der Baumblätter oder den entfernten Ruf eines Tieres. Sonst herrschte Stille. Ein idealer letzter Ruheplatz, wie Dheran fand. Hallo Nareen, begann er, wie jedes mal, seine stumme, nur in Gedanken erfolgende, Zwiesprache mit der Toten. Ich habe dir, nach andorianischer Sitte, ein neues Trauerband mitgebracht. Ich hoffe es gefällt dir. Sicher bist du schon gespannt darauf zu erfahren, was sich seit meinem letzten Besuch ereignet hat. Es wird dich nicht gerade begeistern zu erfahren, dass wir einem neuen Krieg gegenüber stehen – diesmal wollen uns die Gorn und die Tholians verabschieden. He, du weißt noch gar nicht, dass ich jetzt zur 5. Taktischen Flotte, unter Admiral Tarun, gehöre, einem Trill. Der Admiral ist ein aufrechter Mann, dem man bedingungslos vertrauen kann, soweit ich das richtig beurteile. Ist bei mir Gefühlssache, wie du weißt. Noch weiß der Admiral es nicht, aber wenn er wirklich so ist, wie ich glaube, dann wird meine Loyalität, ihm gegenüber, neue Maßstäbe setzen. Ich möchte dir gerne von meinem neuen Ersten Offizier erzählen, Nareen. Eine irdische Frau mit einem tollen Temperament, sage ich dir. Was das angeht, macht sie mancher Andorianerin was vor. Und sie sieht geradezu übertrieben gut aus. Bislang gab es da immer nur Christina, die ich nun auch wieder regelmäßig sehe. Aber seitdem mein XO , ihr Name ist Pasqualina Mancharella, und ich gemeinsam in Gefangenschaft waren, bin ich uneins mit mir. Ich fühle mich zwischen beiden hin und her gerissen. Dabei sind beide Frauen so unterschiedlich, wie man nur sein kann. Ich wünschte, du könntest hier bei mir im Gras sitzen und mir einen fraulichen Rat geben, aber ich fürchte, dass ich selbst einen Weg aus diesem Dilemma finden muss. Auf DS-9 war Quark gar nicht erfreut mich zu sehen, Kira zuerst auch nicht, aber das hat sich zum Glück, während meines Besuches in ihrem Büro, geändert. Meinen Freund Valand habe ich auch wieder gesehen, doch er schien sich Sorgen zu machen, dass in der Föderation nicht alles zum Besten steht. Noch niemals zuvor habe ich ihn so besorgt erlebt, und auch noch nie so entschlossen, das Heft des Handelns notfalls in die eigenen Hände zu nehmen. Das hat mich am meisten beunruhigt – und die Tatsache, dass ich zum ersten Mal den Eindruck hatte, er würde mir nicht voll vertrauen. Vielleicht bin ich zu paranoid veranlagt, aber ich hatte für einen ganz kurzen, flüchtigen Moment den Eindruck, dass er mir etwas sehr Wichtiges verschweigt, was ich mir überhaupt nicht vorstellen kann, denn dazu sind wir zu gute Freunde. Trotzdem ist da dieses merkwürdige Gefühl, dass nicht mehr verschwinden möchte. Dheran lächelte in Gedanken. Nach dem, was ich dir in den letzten Jahren von mir alles erzählt habe, musst du mich für einen total schrägen Typen halten. Noch mehr als zuvor schon. Vielleicht höre ich ja wirklich nur das Gras wachsen. Er erhob sich und sprach ein stummes Gebet, dass ihm seine Mutter beigebracht hatte, als er noch ein kleiner Junge war. Als er es beendet hatte setzte er sich wieder ins Gras und blickte über den Fluss in die Ferne. Eine ganze Weile saß er stumm so da, bis sein Kommunikator zirpte. Das würde sicher Elias Vaughn von der DEFIANT sein. Er warf einen letzten Blick auf den Obelisken und das Trauerband und nahm in Gedanken Abschied von Fylara Nareen, bevor er seinen Kommunikator aktivierte...   * * *   Junior-Lieutenant Rania Singh-Badt, schon zu Akademiezeiten als Pechvogel verschrien, war am Ende ihrer nervlichen Kräfte angelangt. Bevor sie, vor zwei Tagen, überstürzt von Athos IV, nahe der Badlands, aufgebrochen war, hatte man sie nochmals medizinisch auf den Kopf gestellt und ihr dann kurz angebunden den Marschbefehl, in Form eines flachen Data-Padds überreicht, welches ihre persönlichen Daten enthielt, sowie die Bestätigung ihrer Abkommandierung auf die U.S.S. ICICLE. Seit diesem Moment verfolgten Sie die Begriffe Taktische Flotten und Captain Dheran sogar im Schlaf. Zuerst hatte sie sehnsüchtig auf einen positiven Bescheid ihres Versetzungsgesuchs zu den Taktischen Flotten gewartet, und als sie schon nicht mehr damit rechnete kam dann ganz kurzfristig der Bescheid, dass sie sofort, an Bord eines cardassianischen Frachters, in Richtung DS-9 zu starten hatte. Dabei war ihr kaum genug Zeit geblieben ihre Habseligkeiten zusammen zu packen, bevor es los ging. Ihr bisheriger Vorgesetzter hatte sie knapp davon in Kenntnis gesetzt, dass die U.S.S. ICICLE bereits auf sie warten würde, wenn sie auf der Föderationsstation im Denoriusgürtel ankam. Auf dem cardassianischen Frachter hatte sie dann feststellen müssen, dass es keine Kabine für sie gab. Notdürftig war sie in einem kleinen, stickigen Frachtraum untergebracht worden, in dem es zudem unangenehm heiß gewesen war, an Schlaf war somit kaum zu denken gewesen. Als sie zwischenzeitlich dann doch einige Stunden Schlaf fand, hatten sie wirre Träume von merkwürdigen Gepflogenheiten bei den Taktischen Flotten geplagt, so dass sie beinahe froh gewesen war, mit einem Schrei aus dem Schlaf zu erwachen, der nicht wirklich erholsam gewesen war. Sie seufzte vor Erleichterung und suchte hastig ihr Gepäck zusammen, als der Zweite Offizier des Frachters zu ihr hereinschaute um sie davon zu unterrichten, dass man in wenigen Minuten an DS-9 andocken würde. Hastig strich sie sich durch das blau-schwarz schimmernde Haar und schritt, schwer beladen, zur Schleuse. Bloß weg von hier. Sie hatte sichtlich unter dem Gewicht ihrer drei großen Reisetaschen zu leiden. Kaum hatte sie ihren Fuß durch die Innenschleuse auf die Station gesetzt, geriet sie aus dem Gleichgewicht, stolperte über die Schiene des Innenschotts und fiel der Länge nach zu Boden, wobei ihr Stirn mit dem Knie eines vorbeikommenden Mannes kollidierte. Die Inderin, sonst sanftmütig wie ein alter Bernhardiner, stieß einen schauerlichen Fluch aus. Wütend blickte sie auf und erkannte einen total schlammverschmierten Andorianer, der in einem einfachen Technikeroverall gekleidet war. Rangabzeichen waren keine zu sehen. Lieutenant Singh-Badt, blickte zu dem Schlamm verschmierten auf und schimpfte: „Konnten Sie nicht zur Seite springen, sie steif-kreuzige Fango-Packung? Himmel, wie sehen Sie überhaupt aus?“ Der Andorianer sagte nichts sondern blickte sie nur an. Erst im nächsten Moment wurde Rania Singh-Badt bewusst, wie unhöflich sie gewesen war, und sie erklärte schnell: „Entschuldigen Sie bitte, natürlich war es meine Schuld. Helfen Sie mir bitte mal.“ Der Schlamm verschmierte wischte sich die Hände an seinem Overall sauber und reichte ihr schließlich die Rechte um ihr vom Boden auf zu helfen. „Immer korrekt, Lieutenant, nicht wahr?“, fragte er gutmütig und klopfte betont sanft ihre Uniform glatt. „Wo bitte soll es denn hingehen?“ Sofort begann die schlanke, hochgewachsene Inderin überall nach dem Data-Padd zu kramen. Immer nervöser werdend fand sie es schließlich in der linken Brusttasche ihrer Uniform und reichte es dem Andorianer. Während sie ihre drei Taschen zusammen raffte, überflog der Verschmierte flüchtig den durch rollenden Text auf dem Padd. Als die junge Frau endlich soweit war, reichte er ihr das Padd zurück. „Ich gehöre auch zur ICICLE-Crew. Folgen Sie mir, Lieutenant, Sie werden erwartet.“ „Hier, machen Sie sich mal etwas nützlich“, riet die Inderin dem Andorianer und drückte ihm die Riemen ihrer schweren Reisetaschen in die Hände. Dieser nahm, ohne zu widersprechen, die Taschen auf und meinte: „Nehmen Sie Ihre Steinsammlung überall hin mit?“ „Sie schaffen das schon“, entgegnete die Inderin leicht hin und folgte dem kräftigen Andorianer zum Turbolift, der sie zu einem der unteren Pylone bringen würde. Als sie gemeinsam mit dem Lift nach unten fuhren, meinte Lieutenant Singh-Badt: „Sie sehen aber wirklich schlimm aus. Können Sie sich nicht waschen? Wenn Sie unter meinem Kommando stehen würden, dann würde ich Ihnen was erzählen. Die Inderin kratzte ihrem Begleiter mit dem Zeigefinger eine Schlammkruste von der Wange. „Fast meterdick“, meinte sie tadelnd. „Muss das sein, Sie Ferkel!“ Der Andorianer nahm mit den drei Taschen Haltung an und antwortete zackig: Nein, Lieutenant.“ An der Schleuse angekommen betraten sie durch die Andockschleuse die ICICLE. Rania Singh-Badt wunderte sich darüber, wie vorbildlich der Crewman an der Innenschleuse Haltung an nahm. Auch einige vorbeikommende Crewmen in den Gängen des Schiffes wünschten so freundlich einen guten Tag, dass die Inderin schon wieder unsicher wurde. Fragend wandte sie sich an ihren andorianischen Begleiter: „Sagen Sie mal, wird auf diesem Schiff jeder kleine Junior-Lieutenant so begrüßt? Die Leute tun ja gerade so, als haben sie noch nie einen Offizier gesehen.“ „Die verstellen sich nur“, meinte ihr Begleiter freundlich und lächelte fein. „Das machen sie bei jedem Neuling, der an Bord kommt.“ Sie benutzten Turbolift-1 um zu Deck-5 zu gelangen, auf dem die Kabine lag, die sie auf der ICICLE bewohnen würde. Auch hier machten die Leute ihnen zuvorkommend platz, wobei sich die Inderin über die teilweise fragenden, teilweise verständnislosen Blicke wunderte. Als sie in den Seitengang einbogen, der zu ihrer Kabine führte, kam ihnen eine hochgewachsene, schwarzhaarige Frau, mit den Rangabzeichen eines Commanders entgegen. Der Commander musterte Rania so intensiv, dass sie neues Unheil befürchtete. Commander Mancharella nahm den Gruß des Lieutenants mit hochgezogener Augenbraue zur Kenntnis und wandte sich dann fragend an ihren Begleiter. „Captain, wie sehen Sie denn aus?“ Die Inderin blickte zuerst den Commander erstaunt an und wandte sich dann wieder ihrem Begleiter zu. Es dauerte nur einen Moment, bis sie endgültig die Zusammenhänge erkannte. „Sie...? Verzeihung Sir, Sie sind der...?“ Weiter kam sie nicht, denn bei ihrem ungeschickten Schritt nach vorne stolperte sie über eine ihrer Taschen, die der Andorianer abgesetzt hatte, und fiel ihm mit ausgebreiteten Armen um den Hals. Reflexartig fing der Verschmierte sie auf, und stellte sie wieder auf die Füße, wobei er schmunzelnd den funkelnden Blick des XO bemerkte. Commander Mancharella fuhr die Inderin erbost an: „Ich bitte Sie, Lieutenant. Was soll denn das? Benehmen Sie sich gefälligst.“ „Tut mir leid, Commander“, versicherte Rania schnell und blickte dabei unsicher zu dem Andorianer. „Captain, ich...“ „Entschuldigen Sie sich nicht, Lieutenant“, schnitt Tar´Kyren Dheran der Inderin das Wort ab und wandte sich an Pasqualina. „Das hier ist Lieutenant Singh-Badt. Dem Marschbefehl des Lieutenants nach, haben wir es mit jener Verrückten zu tun, die letzten Monat als Taktischer Offizier, mit den defekten Phaserbänken und einer nur eingeschränkt funktionierenden Torpedorampe eines Excelsior-Schiffes, einen Gorn-Kreuzer lahm geschossen, und einen weiteren in die Flucht geschlagen hat.“ Dheran blickte von seinem Ersten Offizier amüsiert zu dem neuen Lieutenant, und deutete auf das Schott zu seiner Linken. „Sie haben eine Stunde Zeit sich einzurichten, Lieutenant Singh-Badt, dann melden Sie sich bei Commander Mancharella im Bereitschaftsraum. Sie wird mit Ihnen, den Dienstplan für den Rest dieser Woche durchgehen. Danach möchte ich selbst noch ein paar Worte an Sie richten.“ „Verstanden Sir“, sagte der Lieutenant mit belegter Stimme und nahm schnell ihr Gepäck auf um sich hastig zu entfernen. Pasqualina Mancharella blickte ihr nachdenklich hinterher und wandte sich dann fragend zu Dheran. Der eigentümliche, oder besser gesagt: der berüchtigte Humor des Andorianers war an Bord der ICICLE hinlänglich bekannt, doch diesmal schien er sich selbst übertroffen zu haben. Schmunzelnd meinte sie schließlich: „Vom Captain zum Gepäckträger – das nenne ich einen Karriereknick.“ Die Augen des Captain funkelten vergnügt, während sie gemeinsam zum Turbolift schritten. Dann fragte er: „Sehe ich wirklich so schlimm aus, Commander? Der Lieutenant nannte mich Ferkel.“ Pasqualina begann schallend zu lachen. Als sie sich wieder etwas beruhigte, meinte sie erheitert: „Diesem Lieutenant sollte man die Füße küssen, ob ihrer Ehrlichkeit.“ Dherans Antennen bogen sich leicht nach Innen und sagte betont verdrießlich: „Ich habe das unbestimmte Gefühl, das wird eine sehr lange Woche werden.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)