Star Trek - Timeline - 02-01 von ulimann644 (Das Sonneninferno) ================================================================================ Kapitel 1: Ein neuer Anfang --------------------------- Persönliches Logbuch Ensign Valand Kuehn Sternenzeit: 35454.8   Ein wenig melancholisch habe ich mich vor etwa einer halben Stunde, von meinem andorianischen Freund, Tar´Kyren Dheran verabschiedet. Der Andorianer ist mir, innerhalb meines letzten Jahres an der Sternenflottenakademie, sehr vertraut geworden – vertrauter, als manch anderes Lebewesen, dass ich länger kenne, als diesen jungen Andorianer. Die Vertreter anderer Spezies haben mich schon als kleiner Junge fasziniert, aber nicht auf eine solche Begegnung vorbereiten können. Tar ist so ganz anders als ich – und dennoch gibt es da etwas, das uns von Anfang an verbunden hat. Auf eine Weise, die sich jedem rationalen Erklärungsversuch entzieht. Wir haben einander versprochen, dass wir in Verbindung bleiben werden, und tief in meinem Innern weiß ich, dass wir uns heute nicht zum letzten Mal gesehen haben, selbst wenn es etwas länger dauern sollte. Was mich im Moment aufheitert ist der Gedanke daran, dass ich gerade auf dem Weg bin, mein erstes Kommando als Offizier der Sternenflotte anzutreten. Dank sehr guter Abschlussnoten an der Akademie standen mir mehrere Posten zur Auswahl. Ich habe mich letztlich dazu entschieden, den vakanten Posten des Taktischen Offiziers, auf dem prestigeträchtigen Sternenflottenschiff, U.S.S. ALAMO anzutreten. Auch wenn dieses Schiff der EXCELSIOR-KLASSE nicht zu den neuesten der Flotte zählt – es hat eine lange und ruhmreiche Geschichte. Im Jahr 2308 in Dienst gestellt erkundete die erste Crew der NCC-2035 zunächst die Randzonen des Beta-Quadranten, und führte jene Forschungsmissionen fort, die von der U.S.S. EXCELSIOR und der U.S.S. ENTERPRISE-B begonnen worden waren. Ein Großteil der äußeren Sektoren des Beta-Quadranten sind in der Folgezeit von der ALAMO erforscht und katalogisiert worden. Vor drei Monaten erst ist das Schiff zum Mars zurückgekehrt und hat dort zahlreiche technische Upgrades und eine umfangreiche Modernisierung in so ziemlich jeder Abteilung des Schiffes erfahren. Das gilt auch für alle Waffensysteme des Schiffes für deren Einsatz in Zukunft ich verantwortlich sein würde. Mit der Modernisierung und Aufstockung dieser Systeme hatte man die Aufgaben für die Taktischen Operationen an Bord dieses Schiffes von den Aufgaben des Operations-Offiziers getrennt. Auf Grund dieser Tatsache werde ich mit meinem Dienstantritt auf dem Schiff zugleich der erste Taktische Offizier sein, der auf diesem Schiff dient, was mich bis zu einem gewissen Grad mit Stolz erfüllt aber auch mit einem Gefühl der Verpflichtung, diese Aufgabe überdurchschnittlich gut zu erledigen. Dabei hoffe ich natürlich, dass ich die Waffensysteme so selten wie nur irgend möglich abfeuern muss. Zwar sehe ich die Notwendigkeit ein, sich gegen unbekannte Gefahren und Bedrohungen behaupten zu können, doch der Forscher in mir hofft darauf, dass es möglichst selten vorkommen wird. Mein Captain wird eine Tellaritin, namens Cianera Crel, sein. Ich bin schon sehr gespannt auf diese Frau, denn bisher habe ich kaum mit weiblichen Vertretern dieser interessanten Spezies zu tun gehabt. Böse Zungen behaupten, man könne sie nur dadurch von ihren männlichen Kollegen unterscheiden, weil sie einen kürzeren Bart haben – doch das gehört eindeutig ins Reich der Fabeln. Tellaritinnen sind zwar, nach menschlichem Ermessen, keine Schönheiten, doch Bärte tragen sie nicht. Und auch die sonst üblichen, weiblichen Attribute humanoider Frauen sind offensichtlich vorhanden. Sie gilt als erfahrener Captain, und hat bereits fünf Jahre in diesem Rang, auf anderen Schiffen gedient, bevor sie erst vor einem halben Jahr, die ALAMO übernahm. Vom Rest der Crew habe ich nur sehr wenig gehört, doch sobald ich an Bord bin werde ich erfahren, mit wem ich künftig Dienst tun werde. Lediglich die Pilotin dieses Shuttles habe ich bisher persönlich kennen gelernt. Ein gewisses nervöses Gefühl in der Magengrube, welches ich schon seit Jahren nicht mehr empfunden habe, kann ich momentan nicht verleugnen, doch ich bin sicher, das wird sich legen sobald ich erst einmal einige Tage an Bord der ALAMO sein werde. Ich muss meine Aufzeichnung an dieser Stelle beenden, da das Zubringer-Shuttle das Raumdock, in dem sich die ALAMO befindet, in weniger als drei Minute erreichen wird.   * * *   Ensign Valand Kuehn deaktivierte die Aufnahmefunktion seines Padds, und gesellte sich dabei zu der izarianischen Pilotin des Shuttles, dass zur ALAMO gehörte, und mit dem er auf der Erde abgeholt worden war. Die sportliche erscheinende Frau, im Rang eines Lieutenant Junior-Grade, gab sich wenig Mühe ihr Schmunzeln zu verbergen. Sie hatte die letzten Worte des Hochgewachsenen mitbekommen „Ich fühle mich beinahe geehrt, Ensign Kuehn, dass Sie mich gleich nach dem Captain in ihrem persönlichen Logbuch erwähnt haben.“ Mit einer anmutigen Kopfbewegung warf sie ihr blondes, schulterlanges Haar zurück. Ihre grün-blauen Augen funkelten dabei ironisch, aber keineswegs unfreundlich, und sie erweckte dabei den Eindruck als sei sie gespannt auf die Reaktion ihres Gegenübers. Der zwanzigjährige Norweger mit den intelligenten, grau-grünen Augen spürte trotz seiner ansonsten stets präsenten Selbstsicherheit eine gewisse Unruhe in sich aufsteigen. In den letzten vier Jahren hatte er Zeit gehabt sich in das Leben an der Sternenflottenakademie hinein zu finden, und natürlich kannte man die internen Abläufe und Gegebenheiten irgendwann in- und auswendig. Doch das, was nun auf ihn zukam war Neuland für ihn und eine Ähnliche Spannung wie seinerzeit, als er zum ersten Mal zur Akademie gereist war, machte sich nun in ihm breit. Lieutenant Miranea Kerath wusste nur zu gut, was in dem jungen Ensign vor sich ging, und mit einem leichten Lächeln meinte sie: „Ich erinnere mich noch daran, als ich, so wie Sie jetzt, mein erstes Kommando angetreten habe. Auf einem Schiff der MIRANDA-KLASSE. Meine Güte, war ich damals nervös. Und von dem Captain hatte ich vorher die tollsten Dinge gehört. Aber am Ende war nicht halb so viel dran, verstehen Sie.“ Valand Kuehn nickte zustimmend. „Ich denke schon. Und wie ist unser Captain?“ „Triple-C ist ganz in Ordnung. Sie ist kompetent und gerecht, nur ihre Umgangsformen und der etwas harsche Ton sind anfangs etwas gewöhnungsbedürftig.“ Der Norweger horchte auf: „Triple-C?“ Das Lächeln der Izarianerin vertiefte sich. „Captain Cianera Crel...“ Kuehn verdrehte die Augen und meinte: „Da können Sie sehen wie angespannt ich bin. Darauf hätte ich eigentlich von selbst kommen müssen.“ „Noch dazu als RED SQUAD-Absolvent.“ Sie weidete sich einen Moment an der verblüfften Miene des Ensigns und fügte dann hinzu: „Triple-C erwähnte es bevor sie mich zur Erde schickte. Dass Sie damit bisher nicht hausieren gingen vermerke ich auf Ihrer Habenseite, Ensign. Ich selbst halte nämlich nicht viel von diesem Verein.“ Valand Kuehn grinste säuerlich: „Ich muss Sie unbedingt mit meinem andorianischen Freund bekannt machen. Sie werden sich auf Anhieb verstehen.“ Die Izarianerin blickte ihn fragend an, und Kuehn erklärte: „Mein Freund, Tar´Kyren Dheran, vertritt eine ganz ähnliche Ansicht, wie Sie. Anfangs sind wir deswegen ziemlich an einander geraten, müssen Sie wissen.“ Die Augenbrauen der Izarianerin hoben sich leicht. „Aber Sie scheinen diese Differenzen erfolgreich beigelegt zu haben, da Sie ihn als Freund bezeichnen.“ Der Norweger lächelte in Gedanken: „Ja, wir haben festgestellt, dass wir, trotz aller Unterschiede in unseren wesentlichen Anlagen einander sehr ähnlich sind. In manchen Dingen verstehe ich mich mit diesem Andorianer sogar besser, als mit meiner Schwester, Alana.“ „Ja, mit meiner Lebenspartnerin, die ebenfalls an Bord der ALAMO Dienst tut, geht es mir ähnlich. Von Anfang war da eine seltsame Vertrautheit.“ Ein wenig Ernüchterung machte sich in Kuehn breit bei den letzten Worten der Pilotin. Nicht nur, dass sie vergeben war – sie interessierte sich offensichtlich auch nicht sonderlich für Männer. Zumindest was ihre Beziehungen anging. Valand Kuehn blickte durch die Frontscheibe nach draußen, wo der Mars bereits die Hälfte des Sichtbereiches einnahm. Ablenkend deutete er nach vorne auf einen kleinen, leuchtenden Punkt. „Ist das unser Ziel, Lieutenant?“ Die Izarianerin bestätigte: „Ja. Dort wurde das Schiff bis gestern umgerüstet und modernisiert. Momentan finden die letzten Systemchecks statt. Morgen um diese Zeit werden wir starten und einen ersten Testflug nach Capella unternehmen. Von dort aus bringen wir eine Ladung Topalin zu den Antares-Flottenwerften.“ Kuehn hatte seine leise Enttäuschung bereits überwunden, und blickte wieder zu Miranea Kerath. „Klingt nach Routine.“ Die Izarianerin verzog das Gesicht. „Ist Routine. Aber die neuen Systeme müssen nun einmal eingehend getestet und eingefahren werden, bevor es wieder weit hinaus geht.“ Sie wechselte das Thema, während vor ihnen das Raumdock immer klarer erkennbar wurde. „In etwa drei Stunden geht mein Dienst zu Ende, Ensign. Was halten Sie davon, wenn wir uns dann in der Offiziersmesse treffen, und ich führe sie anschließend etwas durch das Schiff. Bis dahin haben Sie sicherlich ihren Antrittsbesuch bei Triple-C und der Bordärztin beendet.“ Kuehn nickte erfreut, etwas überrascht durch das Angebot. Die blonde Frau lächelte spitzbübisch. „Machen Sie sich keine falschen Hoffnungen, Mister Kuehn, ich bin absolut treu. Aber Sie sind mir irgendwie sympathisch.“ Valand Kuehn, der sich schnell mit Tatsachen abfinden konnte, antwortete: „Kein Problem für mich, Lieutenant.“ „Nennen Sie mich Miranea.“ „Gerne. Mein Vorname ist Valand.“ „Also dann haben wir eine Verabredung, Valand.“ Die junge Frau, die etwa drei bis vier Jahre älter sein mochte, als der Norweger, verzögerte das Shuttle und konzentrierte sich nun auf den Anflug auf das Dock, und Valand Kuehn blickte gebannt nach draußen. Das Shuttle näherte sich von vorn-oben, und der Norweger erkannte die unübersehbare Registriernummer des Schiffes - NCC-2035. Die Izarianerin ließ das Shuttle rasch an Höhe verlieren, und der, für das Refit des Originaldesigns typische, Ringwulst um den Hauptdeflektor des Schiffes, dem momentan noch das typische, blaue Leuchten fehlte rückte ins Sichtfeld der beiden Offiziere. Über dem breiten Hals erstreckte sich nun die flache Unterseite der Primärhülle über ihnen. Miranea Kerath beobachtete den jungen Ensign unauffällig von der Seite, während dieser mit offensichtlicher Begeisterung das Abbild des Schiffes in sich aufnahm. Eine spürbare Veränderung war mit ihm vor sich gegangen. Im Vergleich zu vorher schien er ihr plötzlich härter, entschlossener – männlicher. Ein flüchtiges Lächeln umspielte ihren Mund, bevor sie sich wieder ganz auf die Steuerung des Shuttles konzentrierte. Elegant unterflog das kleine Beiboot die ALAMO und flog nun dicht unter dem Schiff dahin. Am Heck des Schiffes ließ die Frau das Shuttle einen halben Looping vollführen, und eine anschließende halbe Rolle um seine Längsachse. Sie flogen nun dicht über dem Heck dahin, so dass sie einen fantastischen Blick auf die beiden, ebenfalls noch inaktiven, Warpgondeln hatten, während sie sich zwischen ihnen hindurch bewegten. Endlich näherten sie sich der rechten, hinteren Primärhülle, die recht und links je einen großen Shuttlehangar enthielt. Valand, der sich kaum vom Anblick der ALAMO losreißen konnte, wurde bewusst, dass die Izarianerin diese Besichtigung des Schiffes allein für ihn durchgeführt hatte. Der Weg über die Primärhülle des Schiffes wäre wesentlich kürzer gewesen. Lächelnd blickte er zu seiner Begleiterin und sagte: „Danke für diese Aussicht, Miranea. Die ALAMO ist ein beeindruckendes Schiff.“ Die Pilotin nickte zustimmend, während sie Verbindung mit der Hangarkontrolle der ALAMO aufnahm. Zwar gab es seit fast zwanzig Jahren die deutlich größere AMBASSADOR-KLASSE, aber dennoch waren die EXCELSIORS, mit einer Gesamtlänge von über 485 Metern, und einer lichten Breite von 184 Metern, immer noch ziemlich eindrucksvoll. Die Gesamthöhe dieser Klasse, die über 26 Decks verfügte betrug dabei fast 83 Meter. Durch ihre besondere Vielseitigkeit und Wirtschaftlichkeit stellten die Schiffe der EXCELSIOR-KLASSE immer noch eine der besten und erfolgreichsten Schiffsklassen dar, die bislang im Dienste der Sternenflotte stand. Dies mochte wohl letzten Endes auch der Hauptgrund dafür dafür sein, dass Raumschiffe dieser Schiffsklasse selbst nach 77 Jahren noch immer eingesetzt wurden. Kurz nachdem die Izarianerin um Landegenehmigung im Steuerbordhangar ersucht hatte, erfolgte bereits die Bestätigung, und das große Hangartor öffnete sich. Schnell und sicher flog sie in den hell erleuchteten Hangar ein. Die Sicht auf den Weltraum schwand und machte den nüchtern weißen Hangarwänden Platz. Weiter vorne in dem geräumigen Shuttlehangar erkannte Kuehn zwei höher gelegene Ebenen mit kleineren, seltener benutzten, Shuttles. Jetzt, einen Tag vor dem Start des Schiffes, herrschte hier reger Betrieb. Nicht alles konnte oder wollte man per Lastentransporter, die ohnehin bis zum Maximum ausgelastet waren, an Bord bringen. Miranea Kerath schaltete um auf Landeleitstrahl, und das Shuttle setzte federleicht auf, um sanft in seine endgültige Position zu gleiten. Gleich nachdem es zum Stillstand gekommen war, deaktivierte die Pilotin ihre Konsole und blickte Valand Kuehn verschmitzt an. „Da wären wir, Valand. Sie sollten Triple-C nicht warten lassen. Ich werde Ihnen mit dem Gepäck helfen, und Ihnen dabei gleich ihr Quartier zeigen.“ Kuehn, der sich mittlerweile auf die launige Art des Lieutenants eingestellt hatte, nickte lächelnd. „Danke, Miranea.“ Sie nahmen die vier Reisetaschen und verließen das Shuttle durch den Seitenausstieg. Nachdem Valand Kuehn einen Augenblick lang die Umgebung in sich aufgenommen hatte, nickte er seiner Begleiterin zu. Einige anwesende Crewmen musterten den Neuankömmling mit einem kurzen Seitenblick, bevor sie wieder ihrer jeweiligen Beschäftigung nachgingen. Ansonsten nahm man nur wenig Notiz von ihm und die Izarianerin, während sie sich auf den Weg zum Turbolift machten. Anders als bei Schiffen, welche den Shuttlehangar am Heck der Sekundärhülle hatten, war der Weg vom Hangar der ALAMO zu Deck 4, auf dem die Quartiere der Junioroffiziere lagen, erfreulich kurz. Die beiden Haupthangardecks besaßen jeweils zwei Verbindungsschotts zu Deck 9. Auf dem Weg durch die beeindruckende, hell erleuchtete Halle hatte der Norweger die Gelegenheit, die beiden farblich abgegrenzten Bodenplatten im hinteren Bereich der Halle eingehend zu begutachten. Natürlich hatte sich Kuehn eingehend mit dem Aufbau dieser Schiffsklasse vertraut gemacht, und so wusste er, dass dies Liftplatten waren, die nach unten gefahren werden konnten, wo die Reparaturhallen lagen. Nachdem sie zunächst in den radialen Gang nach links eingebogen waren, schwenkten sie schon bald nach rechts ein und näherten sich dem Zentrum der Primärhülle. Mit einem der beiden zentralen Turbolifts fuhren sie die fünf Decks hinauf, und begaben sich zu dem Quartier, das Valand Kuehn für die nächste Zeit bewohnen würde. Sie legten nur die Taschen nahe des Schotts ab, und begaben sich dann gemeinsam wieder zum Turbolift, wobei die Izarianerin meinte: „Ich werde sie, ganz nach Befehl, zum Captain geleiten, Valand. Ab da müssen sie sehen, wie Sie zurecht kommen.“ Bei ihren letzten Worten zwinkerte sie dem jungen Ensign belustigt zu. „Kein Problem“, erwiderte Kuehn schmunzelnd. „Ich bin ein großer Junge, der es gewohnt ist, auf eigenen Füßen stehen. Und sie wird mir bestimmt nicht den Kopf abreißen...“   * * *   „Sollten Sie noch einmal das unflätige Wort Mhäm in meiner Gegenwart benutzen, Ensign Kuehn, dann reiße ich Ihnen den Kopf ab!“ Wie vom Donner gerührt stand Valand Kuehn im Bereitschaftsraum von Cianera Crel und blickte etwas fassungslos auf die, gut einen Kopf kleinere, Tellaritin hinunter, die sich, mit zornfunkelnden Augen vor ihm aufgebaut hatte, wobei sie ihre, zu Fäusten geballten, dreifingrigen Hände in den Hüften abstützte. Der junge Norweger hatte sich zwar mit tellaritischen Gewohnheiten vertraut gemacht, sich aber dennoch offensichtlich einen Schnitzer geleistet, als er sie mit dem auf der Erde gebräuchlichen Ma´am angesprochen hatte. Er spürte, wie ihm unangenehm warm wurde, was nur zum Teil an der hohen Temperatur in diesem Raum lag. Im ersten Moment war er versucht, sich dafür zu entschuldigen. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass Tellariten auch darauf negativ reagierten. Darum besann er sich auf seine Studien und erwiderte mit lauter Stimme: „Ich benutzte das terranische Wort – nicht irgendein unwichtiges Wort, einer unwichtigen Spezies, Captain!“ Ein undefinierbares Glitzern trat in die Augen der Tellaritin, und Valand Kuehn fragte sich, mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, ob er nicht doch zu weit gegangen war. Gleich darauf verzogen sich die Mundwinkel der Tellaritin auf merkwürdige Weise, und zunächst glaubte Kuehn, sie würde ihn nun beißen. Doch dann erkannte er, zu seiner gelinden Erleichterung, dass es ein Lächeln sein sollte. Gleich darauf entspannte sich die Haltung der Tellaritin, und sie sagte etwas zugänglicher: „Sie sind richtig, Ensign. Endlich scheinen sich dazu entschlossen zu haben, sich vernünftiger Manieren zu befleißigen.“ Sie schritt wieder hinter ihren Arbeitstisch, und Kuehn nutzte die Gelegenheit sich schnell umzusehen. Ihm fielen die geschnitzten Götter-Statuen auf, die Triple-C in einer Vitrine, die auf einem breiten Sideboard am Fenster stand, aufbewahrte. Auf dem Arbeitstisch lagen eine Reihe von PADD´s, und Valand begann zu ahnen, dass diese administrative Arbeit nicht gerade zu einer besseren Stimmung der Tellaritin beitrug. Es gab eine gemütliche Sitzecke, den obligatorischen Replikator, und einen Schrank mit Glastüren, bei dem es sich offenbar um ein tellaritisches Möbelstück handelte. Kuehn erkannte darin einige religiöse Gerätschaften, Bücher und Gläser. Andere Dinge darin konnte er nicht auf Anhieb identifizieren. So wie es aussah, war Captain Crel eine spirituell interessierte Frau; etwas, dass der Norweger so nicht unbedingt erwartet hatte. Cianera Crel deutete auf einen der beiden gemütlichen Lehnstühle vor ihrem geschwungenen Arbeitstisch. „Setzen Sie sich, Mister Kuehn.“ Valand Kuehn kam der Aufforderung nach und musterte die Tellaritin eingehender. Ihr Alter wäre schwer zu schätzen gewesen, hätte Kuehn es nicht gekannt, da Tellariten schon in jungen Jahren ein faltiges Gesicht besaßen – besonders um die Augenpartien. Ihre tiefliegenden Augen waren beinahe schwarz, und dennoch schienen sie von innen heraus zu glühen. Natürlich trug sie keinen Bart, wie ihre männlichen Landsleute. Ihr langes, dunkelbraunes Haar hatte sie mit einer breiten Holzspange gebändigt. Ihre Statur wirkte auf ihn, als Mensch, etwas mollig, doch das gedrungene Erscheinungsbild lag in der Natur ihres Volkes. Kuehn wusste zudem, dass sich Tellariten in Gewässern sehr viel agiler bewegten, als es den meisten Humanoiden möglich war, was man ihnen aufgrund ihrer körperlichen Attribute kaum zutraute. Ihre dichten, buschigen Augenbrauen erweckten den Eindruck, als würden sie regelmäßig in Form gebracht. Entgegen der landläufigen Meinung schien Captain Crel gut auf ihr Äußeres zu achten. Der für Menschen unangenehme, auffallend herbe, Geruch ihrer Haut war typisch, und so ließ sich Valand Kuehn seine Abneigung dagegen nicht anmerken. Die Tellaritin musterte den Ensign einen Moment lang, bevor sie sagte: „Also schön, Ensign Kuehn. Ich heiße Sie, an Bord der ALAMO, willkommen. Doch merken Sie sich Eines: Bei der RED-SQUAD gewesen zu sein zählt auf diesem Schiff gar nichts. Sie werden im Dienst dieses Schiffes Ihr bestes geben – wehe wenn nicht.“ „Danke, Captain. Ich sehe es als eine Ehre an, auf der ALAMO dienen zu dürfen.“ Das Gesicht der Tellaritin verfinsterte sich bereits wieder, während sie sich in ihrem Sessel vorbeugte. „Verstecken Sie Ihr wahres Gesicht, in meiner Gegenwart, niemals hinter höflichen Floskeln, Ensign. So etwas zeugt von Schwäche.“ Kuehns Gesicht spannte sich wieder etwas an, bevor er antwortete: „Aye, Captain.“ Cianera Crel blickte Valand Kuehn für einen langen Moment so intensiv an, das dieser bereits neues Unheil befürchtete, doch dann sagte die Kommandantin lediglich: „Damit Sie im Bilde sind, Ensign: Ich dulde im Dienst keine Nachlässigkeiten. Wer zur Crew der ALAMO gehören will, der hat Leistung auf höchstem Level zu erbringen. Sie werden lernen, ihre Fähigkeiten bis zu einem Niveau zu entwickeln, bis Fehler etwas sind, das nur Anderen machen. Und noch eines will ich Ihnen dringend nahelegen: Dies ist ein Sternenflottenschiff und kein lahmarschiger Debattier-Club. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie Ihre Meinung frei äußern, doch wenn ich einmal einen Befehl erteilt habe, dann erwarte ich, dass er ausgeführt wird. Ohne Diskussionen.“ Kuehns Gestalt straffte sich unwillkürlich, bevor er antwortete: „Ich habe verstanden, Captain Crel!“ „Das bezweifle ich, aber wir werden ja sehen“, konterte Triple-C widerspenstig. „Das wäre momentan alles, Ensign Kuehn. Der Erste Offizier wird Sie, nach der medizinischen Untersuchung, mit dem Dienstplan vertraut machen. Sie können gehen.“ Der auffordernde Blick der Tellaritin veranlasste Valand Kuehn, sich schnell zu erheben. Noch während er zum Ausgang des Bereitschaftsraumes schritt klang hinter ihm die ernste Stimme der Tellaritin noch einmal auf: „Sehen Sie zu, dass Sie an Bord meines Schiffes keinen Ärger verursachen, oder Sie werden mich kennenlernen, Mister Kuehn.“ Valand Kuehn, der bereits den Öffnungskontakt betätigt hatte, blickte über die Schulter zurück und versicherte ernsthaft: „Ich verspreche, an Bord keinen Feetz zu machen.“ Damit wandte er sich ab – und zog erschrocken den Kopf zwischen die Schultern, als Cianera Crel durch das sich schließende Schott hinter ihm her heulte: „FHETS...?!!“   * * *   Die Offiziere, Petty-Officers und Crewmen, die momentan auf der kreisrunden Brücke, dem Nervenzentrum des Schiffes, anwesend waren, reagierten individuell verschieden, als der neue Ensign den Bereitschaftsraum des Captains verließ. Im Grunde genommen jedoch gleich. Einige versuchten, sich krampfhaft ein Lachen zu verbeißen, andere husteten verdächtig laut. Valand Kuehn nickte ihnen dennoch freundlich zu, und betrat eilig den Turbolift, der ihm am nächsten lag. Als er schließlich, allein in der Kabine, nach unten fuhr, atmete er erleichtert auf. Er hatte an der Akademie bereits Tellariten kennen gelernt, doch das hatte ihn keinesfalls auf die Begegnung mit Captain Crel vorbereiten können. Doch noch bevor er Deck 6 erreichte, auf dem die Krankenstation des Schiffes lag, stahl sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Wer einen Andorianer, wie Tar´Kyren Dheran, seinen Freund nannte, der wurde auch mit einem tellaritischen Captain fertig. Bereits wieder besser gelaunt verließ er den Turbolift und schritt eilig in Richtung der Krankenstation durch die weißen Gänge des Schiffes die in diesem Bereich wie ausgestorben lagen. Kein Wunder – die Besatzung hatte 24 Stunden vor dem Start wahrlich besseres zu tun, als die Krankenstation zu belagern. Als er die Medizinische Abteilung betrat, erblickte er eine zierliche, blonde Frau, in der blau abgesetzten Uniform für Wissenschaft und Medizin, die ihm freundlich entgegen blickte. „Hallo, Ensign. Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie unser neuer, Taktischer Offizier, Valand Kuehn, sind, der unserer Abteilung für heute, zu einer Routineuntersuchung, angekündigt wurde?“ Kuehn erwiderte ihr Lächeln, dass sich auch in ihren blauen Augen wiederfand. „Sie vermuten richtig, Ensign.“ Die blonde Frau reichte ihm die Hand. „Ich bin Schwester Melanie Gerlach. Doktor Veron weilt momentan auf Capella IV. Einer der Gründe warum wir hin fliegen. Seine Assistentin, Lieutenant Ahy´Vilara Thren, hat gestern eine Doppelschicht übernommen und tritt ihren Dienst erst in drei Stunden an. Ich bin zwar in der Lage, die Routineuntersuchung durchzuführen, doch falls Sie lieber auf meine andorianische Kollegin warten möchten...?“ „Ich vertraue Ihnen“, meinte Kuehn lächelnd. Er folgte der Schwester in den Hinteren Bereich, zur Haupt-Medoliege. Während er sich darauf setzte, fragte er neugierig: „Das Schiff hat eine andorianische Assistenzärztin? Klingt interessant, Schwester Gerlach.“ Melanie Gerlach lachte hell auf: „Nicht alle Andorianerinnen landen bei der Imperialen Garde, Mister Kuehn. Und nennen Sie mich bitte nicht Schwester Gerlach. Melanie wäre mir angenehm.“ „Gern, wenn Sie mich dafür Valand nennen...“ Die junge Frau, die Valand auf wenig älter schätzte als sich selbst, schmunzelte unterdrückt und meinte: „Dann legen Sie sich bitte hin und entspannen Sie sich, Valand.“ Der Norweger tat, wie ihm geheißen, wobei sein Blick auf die rechte Hand der blonden Frau fiel. Fragend blickte er sie an, während sie die Scannereinheit über seinen Körper fuhr. „Sie sind verheiratet?“ „Ja, seit zwei Jahren bereits. Sind Sie nun enttäuscht?“ Valand Kuehn grinste schief. „Nein, enttäuscht werde ich erst dann sein, wenn ich feststellen sollte, dass ich der einzige Single an Bord bin.“ Melanie Gerlach lachte erneut auf. Sie schien dies überhaupt gerne und mit Behagen zu tun. „Sie hätten wohl doch besser auf Lieutenant Thren gewartet, denn die ist nicht nur Single, sondern obendrein intelligent und sehr hübsch.“ „Sie machen mich wirklich neugierig, Melanie.“ „Denken Sie an etwas anderes“, versetzte die Krankenschwester launig. „Wie soll ich denn einwandfreie Durchschnittswerte ihrer Biofunktionen bekommen.“ „Nun übertreiben Sie aber“, beschwerte sich Kuehn gespielt vorwurfsvoll. Ein breites Grinsen der Frau war die Antwort. „Wenn Sie sich nun endlich entspannen, dann können wir beginnen. Ich kann ja später meine Kollegin fragen, ob sie mit Ihnen ausgehen möchte.“ „Danke, aber das erledige ich lieber persönlich.“ „Oh“, machte Melanie und verbiss sich dabei ein amüsiertes Grinsen. „Sie gehören zu den etwas altmodisch eingestellten Männern.“ Sie hatte beinahe damit gerechnet, dass Kuehns Kopf bei diesen Worten nach oben ruckte, denn schnell lag ihre Rechte auf seiner Stirn und drückte seinen Kopf sanft wieder auf das Lager. „Liegen bleiben ich starte jetzt den medizinischen Scann, Valand.“ Kapitel 2: Ahy´Vilara Thren --------------------------- Persönliches Logbuch Ensign Valand Kuehn Sternenzeit: 35999.4   Wir schreiben die letzten drei Stunden des Jahres 2358. Die letzten Wochen und Monate sind für mich ein einziger Lernprozess gewesen. Rückblickend frage ich mich, wo die Zeit geblieben ist, so schnell verging sie, seit ich meinen Dienst als Sternenflottenoffizier angetreten habe. Mein erster Tag an Bord scheint bereits Jahre zurück zu liegen. Seltsamerweise bin ich der Medizinischen Assistentin, Ahy´Vilara Thren, die Melanie immer wieder erwähnt, bis heute nie begegnet, so dass ich mittlerweile fast vermute, dass es sich bei dieser Andorianerin entweder um einen Geist, oder aber eine Erfindung von Melanie handelt, mit der mich mittlerweile eine sehr innige, rein platonische Freundschaft verbindet. Leider hatte ich zu Weihnachten, während der Feier, Dienst. Dafür habe ich heute Abend frei, so dass ich an der Silvesterfeier teilnehmen kann. Außer mit Melanie, die heute Abend leider Bereitschaft hat, habe ich mich mit Miranea Kerath, und ihrer Freundin Siran Torinar, eine unvereinigte Trill, angefreundet. Da Siran heute Abend ebenfalls Dienst hat, holt mich Miranea in einer Stunde zur Party ab. Captain Crel wird ebenfalls auf der Party erwartet, und ich bin wirklich gespannt, wie Tellariten Silvester feiern. Mittlerweile verstehe ich mich mit dem Captain ganz gut, was vermutlich daran liegt, dass wir nun beide besser einschätzen können, was wir von einander zu halten haben – jetzt, da wir täglich mit einander im Dienst sind. Mit dem Rest der Führungscrew verstehe ich mich sehr gut, wobei ich besonders zum Bordarzt, Commander Alloran Veron, ein herzliches Verhältnis entwickelt habe. Bereits in den ersten Tagen hat er eine Art Mentor-Rolle übernommen. Durch ihn habe ich bisher fast die Hälfte der ALAMO-Crew kennen gelernt. Aber selbst er hat es bis heute nicht geschafft, mich mit seiner andorianischen Assistentin bekannt zu machen, was mich in dem Glauben bestärkt, in dieser Hinsicht einem Scherz der Crew auf den Leim zu gehen. Doch wie auch immer – heute Abend werde ich mich ganz sicher amüsieren, so viel steht bereits jetzt fest.   * * *   Valand Kuehn musste zugeben, dass sich die Mannschaftsdienstgrade der ALAMO redlich Mühe gegeben hatten, zwei neben einander liegende, große Frachträume, in Partysäle umzufunktionieren. Während man in einem der Räume ein gewaltiges Buffet samt Bar aufgebaut hatte, bestand der zweite Raum eigentlich nur aus einer Bühne, auf der eine improvisierte Band fetzige Tanzmusik spielte, nebst riesiger Tanzfläche. Die Wände und Decken der Räume waren mit bunten Stoffbahnen und provisorischen Girlanden drapiert worden. Einige eilig installierte Strahler verbreiteten ein angenehm trübes Licht auf der Tanzfläche. Während der letzten zwei Stunden hatten Miranea Kerath und Valand Kuehn ausgelassen durchgetanzt. Eine Gruppe junger Crewmen aus der Technischen Abteilung hatte sich ihnen angeschlossen, und in der letzten halben Stunde, unter großem Hallo und viel Gelächter, versucht, ihnen den rigelianischen Fruchtbarkeitstanz beizubringen. Die Izarianerin amüsierte sich dabei königlich, weil die offensichtlichen Flirtversuche einer hochgewachsenen Rigelianerin, in Richtung Valand, sofort bemerkt hatte, anscheinend ganz im Gegensatz zu dem jungen Ensign. Als die dunkelhaarige Technikerin, mit der exotischen Gesichtsmusterung, wie zufällig ins Straucheln geriet und sich bei Valand abfing – und dieser sie förmlich an den Schultern ein Stück von sich schob, stupste Miranea ihn an und meinte fröhlich: „Wir haben gleich Mitternacht. Was halten Sie davon, wenn wir uns mal langsam etwas zu Trinken besorgen?“ „Eine gute Idee.“ Mit einem letzten Blick zu der etwas enttäuscht schauenden Rigelianerin folgte er Miranea. Auf dem Weg nach Nebenan fragte die Izarianerin keck: „Sie sind Single und lassen eine solche Gelegenheit aus?“ Kuehn hob leicht seine Augenbrauen. „Glauben Sie wirklich, die Rigelianerin hätte eindeutige Absichten gehabt?“ „Das war doch wohl offensichtlich“, schmunzelte Miranea. „Aber Sie scheint nicht Ihr Typ zu sein, sonst wäre es ihnen wohl aufgefallen.“ „Wer weiß“, orakelte Valand augenzwinkernd. Gemeinsam bahnten sie sich einen Weg durch die Menge, zur Bar. Dort trafen Sie auf Alloran Veron, der die beiden herzlich begrüßte. Dann wandte sich der Commander zu Valand Kuehn und meinte: „Eine tolle Party, nicht wahr? Übrigens, meine andorianische Assistentin ist auch hier. Wenn Sie möchten, dann stelle ich Sie einander vor.“ „Langsam glaube ich, dass diese Andorianerin nur ein Mythos ist“, gestand der Norweger mit skeptischem Blick. „Die Dame besitzt die merkwürdige Fähigkeit für meine Augen unsichtbar zu sein.“ Damit gab er bei einem der Freiwilligen, die sich als Barkeeper angeboten hatten, seine Bestellung für Miranea und sich auf. Als der Barkeeper ihm zwei andorianische Ale hinüber schob, nahm der Norweger die beiden Gläser in Empfang und reichte eines davon Miranea. „Keine leichte Kost“, meinte der Arzt launig und lächelte nachsichtig. „Solange man es nicht übertreibt, ist gegen einen Schluck davon, Dann und Wann, nichts einzuwenden, denke ich“, ging Kuehn auf die Bemerkung ein. Nebenan spielte die Kapelle einen Tusch und begann die zehn letzten Sekunden des Jahres herunter zu zählen. Alle zählten mit, auch der Doc, Miranea und Valand. Bei Null prosteten sie einander zu, wobei der Arzt mit einem irdischen Bier anstieß. Erst danach ging der Arzt auf die letzte Bemerkung des jungen Norwegers ein. „Nicht aus ärztlicher Sicht, wenn es bei dem Dann und Wann bleibt.“ Sie leerten ihre Gläser. Dann blickte der Arzt über Kuehns Schulter hinweg und meinte: „Übrigens, da drüben kommt meine Assistentin.“ Valand Kuehn wandte sich um, und folgte dem Blick des Bordarztes. Zwanzig Meter von ihm entfernt bahnte sich eine hochgewachsene, schlanke Frau, in blau abgesetzter Sternenflottenuniform, einen Weg durch die Menge, direkt auf seine Position zu. Durch ihre blaue Hautfarbe, den Antennen, die in ständiger Bewegung zu sein schienen und den silbrig schimmernden, schneeweißen Haaren, die sie recht kurz trug, fiel sie, selbst in einer solchen Menge von Lebewesen, sofort auf. Sie bewegte sich auf eine anmutige Art und Weise geschmeidig während sie lächelnd diverse Neujahrswünsche erwiderte. Es war das bezauberndste Lächeln, das der Norweger jemals gesehen hatte. Wie er in diesem Moment feststellte, hatte Melanie Gerlach nicht übertrieben, als sie erwähnte, dass diese Andorianerin ausgesprochen hübsch war. Valand war im Moment schlicht gefangen von ihrem Anblick. Gerade so, als habe sie seinen begeisterten Blick bemerkt, wandte sie sich ihm zu. Ihre tiefblauen Augen sahen nun direkt in seine, und Valand Kuehn hatte für einen kurzen Moment der Klarheit das unbestimmte Gefühl, als würden sie sich mit den Augen, bei den Händen fassen. Ein unbewusstes Lächeln überflog sein Gesicht. Es war der Moment, in dem ihm bewusst wurde, dass dies die Frau war, nach der er bisher vergeblich Ausschau gehalten hatte. Seine zweite Hälfte, die ihn als Lebewesen erst komplettieren würde. Die eine, bei der man unwillkürlich wusste, dass man mit allen Anderen die vorher waren doch immer nur sie gemeint hatte. Erst als sie heran war, und ihn leicht fragend musterte, bemerkte der Ensign, dass er die andorianische Frau noch immer anstarrte. Ihre Antennen begannen, sich leicht nach Innen zu biegen, und Valand, der die Bedeutung dieser Bewegung, durch seinen Freund Tar´Kyren Dheran nur zu gut kannte, räusperte sich verlegen, und blickte hilfesuchend zu Veron. Dieser amüsierte sich offensichtlich. Dann hatte er ein Einsehen mit dem Norweger und wandte sich der Andorianerin zu. „Hallo, Lieutenant Thren. Darf ich Ihnen unseren Taktischen Offizier, Ensign Valand Kuehn, vorstellen?“ Er wandte sich von ihr zu Valand Kuehn und deutete auf seine Assistentin: „Darf ich vorstellen: Lieutenant Ahy´Vilara Thren, die beste Assistenzärztin die ich kenne.“ „Legen Sie es darauf an mich, gleich in den ersten Minuten des neuen Jahres, verlegen zu machen, Commander?“, fragte die Andorianerin, mit angenehm klarer Stimme, bevor sie sich Kuehn zu wandte. „Es ist mir ein Vergnügen, Ensign Kuehn. Ich hatte Sie beinahe für einen Mythos gehalten, da der Commander stets von ihnen erzählt hat, wir uns aber bisher nie begegnet sind.“ Miranea Kerath begann erheitert zu lachen, und auch der Doktor hatte seinen Spaß, bei den Worten der Andorianerin, die ihn mit einem fragenden Blick bedachte. Alloran Veron seinerseits wandte sich an die Izarianerin und sagte: Ich würde ganz gerne tanzen, Miss Kerath. Wie ist es mit Ihnen?“ Auch ohne das, wie zufällig wirkende, Augenzwinkern, hätte Miranea zugestimmt. „Gerne, Commander.“ Sie stellten ihre Gläser auf die Theke der Bar und entfernten sich rasch. Kuehn blickte ihnen kurz nach, als sie in der Menge verschwanden bevor er sich wieder Ahy´Vilara Thren zu wandte. „Die beiden haben deshalb so viel Spaß“, erklärte Valand Kuehn, „weil ich vor wenigen Minuten sagte, dass ich Sie für einen Mythos hielt. Eben weil der Doktor und Melanie zwar stets von Ihnen erzählten, aber wir uns nie begegneten.“ „Aha“, machte die Andorianerin und ihre Antennen richteten sich auf den Norweger. „Sie duzen sich mit Ensign Gerlach?“ Kuehn nickte und erwiderte: „Ja, wir verstehen uns sehr gut – kollegial natürlich.“ „Natürlich.“ Ahy´Vilara Thren musterte ihn so intensiv, dass sich Kuehn für einen Moment vollkommen durchschaut fühlte. Nervös begann er sein Glas in den Händen zu drehen, und fragte dann: „Möchten Sie auch etwas trinken, Lieutenant?“ „Ich nehme das Gleiche, was Sie hatten, Ensign. Das heißt, falls Sie noch ein Glas davon vertragen, was immer es auch war...“ Valand grinste schief. „Ein weiteres andorianisches Ale wird mich nicht umbringen.“ Damit ging er zur Bar. Ahy´Vilara blieb an seiner Seite, was in Kuehn ein gewisses angenehmes Kribbeln in der Magengegend sorgte. Er bestellte zwei andorianische Ale und als sie ihre Gläser bekamen prosteten sich Valand und Ahy´Vilara zu. Zum Erstaunen des Norwegers leerte die Andorianerin ihr Glas in nur einem Zug. Natürlich wollte er nicht nachstehen, und tat es ihr nach. Etwas benommen stellte er sein Glas zurück auf die Bar, wobei er nur mühsam ein Husten unterdrücken konnte. Die dunkelblauen Lippen der Andorianerin verzogen sich zu einem süffisanten Lächeln. „Nicht, dass Sie das Ale am Ende doch umbringt, Ensign. Das würde sich nicht gut in meinem Bericht, und auch nicht gut in meiner Dienstakte, machen.“ „Der Schluck ging nur in die falsche Kehle“, behauptete der Norweger tapfer. „In diesem Fall...“ Damit wandte sich die Assistenzärztin an den Barkeeper und meinte: „Das Gleiche nochmal.“ Valand Kuehn ahnte, das dies kein gutes Ende nehmen würde, doch er war bereit, sich der Herausforderung zu stellen – komme was da wolle. Während sie auf ihre Getränke warteten, wandte sich die Andorianerin Valand zu. „Darf ich fragen, was Sie machen, wenn sie nicht im Dienst sind?“ „Zumeist versuche ich mich fit zu halten.“ Kuehn lächelte als er hinzufügte: „Das Holodeck, und mein Fechtprogramm sind quasi mein Ersatzquartier.“ Er nutzte die Gelegenheit und bemerkte: „Ich suche immer noch einen würdigen Gegner für Velocity – bisher war mir an Bord niemand gewachsen. Den letzten würdigen Gegner hatte ich auf der Akademie, in meinem Freund, Tar´Kyren.“ „Der Name ihres Freundes klingt andorianisch.“ „Er ist andorianisch. Tar´Kyren Dheran stammt aus Li Mi´She.“ Die Antennen der Andorianerin richteten sich erneut auf Valand Kuehn. „Sagten Sie, Tar´Kyren Dheran – aus Li Mi´She? Der Sohn von Den´Lyran Dheran?“ Kuehn blickte verwundert drein. „Sagen Sie bloß, Sie kennen ihn?“ „Nein, aber ich bin seinem Vater schon einmal begegnet“, erklärte sie. „Meine Familie, und die Dherans gehörten in früherer Zeit demselben Clan an. Heute sind diese Clans nur noch Legende, aber der Zusammenhalt der zugehörigen Familien ist noch immer da.“ „Interessant. Das wusste ich bisher nicht.“ Ahy´Vilara nahm die beiden bestellten Gläser in Empfang und reichte eines davon Valand Kuehn. Dabei meinte sie: „Um darauf zurück zu kommen – Sie erwähnten, dass Sie gerne Velocity trainieren. Wenn Sie möchten, dann können wir uns ja gelegentlich nach unserem Dienst, zu der ein oder anderen Begegnung treffen. Ich bin zwar etwas aus der Übung, aber es wäre vielleicht eine gute Gelegenheit, wieder einzusteigen.“ „Das wäre toll“, antwortete Valand und deutliche Begeisterung schwang dabei in seiner Stimme mit. „Dann ist das abgemacht“, stellte die Andorianerin sachlich fest. „Na, dann Prost!“   * * *   „Das nennen Sie also: Etwas aus der Übung“, meinte Valand Kuehn, nachdem er auch die dritte Partie Velocity, wenn auch nur knapp, gegen Ahy´Vilara Thren verloren hatte. Mit einem ziemlichen Brummschädel behaftet hatte er sich, nach seinem Dienst auf der Brücke der ALAMO, mit der andorianischen Assistenzärztin getroffen um wie am Vortag verabredet mit ihr Velocity zu trainieren. Bei der Sportart Velocity ging es darum, einen etwa dreißig Zentimeter durchmessenden und fünf Zentimeter hohen Diskus abwechselnd mit Phasern zu treffen während er sich schnell durch den Raum bewegte, wobei ein leuchtendes Farbband an der Schmalseite jeweils die Farbe des Spielers anzeigte, der am Zug war. Durch den Punkt des Treffers konnte man außerdem den Flugvektor des Diskus beeinflussen. Gespielt wurde dabei über zehn Runden, die sich, je nach dem Können der Kontrahenten, ziemlich in die Länge ziehen konnten. Ahy´Vilara Thren schmunzelte amüsiert. „Ja, das nenne ich aus der Übung. Aber Sie selbst scheinen nicht ganz bei der Sache zu sein, Ensign. Verlangsamte Reflexe, geweitete Pupillen, zu schneller Ruhepuls wie es scheint... Als Medizinerin würde ich sagen, sie leiden an den Folgen von zu viel andorianischem Ale.“ „Ach was“, schnappte Valand, etwas frustriert. Ihr gönnerhafter Tonfall reizte ihn. „Als ob Sie nicht selbst dabei gewesen wären.“ Fragend blickte er zu der Andorianerin, die drei Meter von ihm entfernt stand. Der schwarze, eng anliegende Trainingsanzug betonte ihren straffen, sportlichen Körper und das Spiel ihrer Muskeln war darunter zu erkennen, wenn sie sich bewegte. „Sie haben übrigens dieselbe Menge an Ale konsumiert, wenn ich mich recht erinnere. Macht Ihnen das gar nichts aus, Lieutenant?“ „Sie scheinen zu vergessen, dass es sich um ein andorianisches Getränk handelt. Als Nicht-Andorianer sind Sie daran nicht gewöhnt. Außerdem wirkt Alkohol auf Andorianer längst nicht so berauschend, wie auf Menschen, müssen Sie wissen.“ Valand nickte in der Erinnerung an Elisabeth Danes Geburtstag, während seines letzten Jahres an der Akademie. Seinerzeit hatte Tar´Kyren diesem Getränk sehr zugesprochen, und auch er hatte anschließend kaum eine erkennbare Reaktion gezeigt. Aber darüber redeten Andorianer wohl nicht oft. „Jetzt wird mir manches klar, Lieutenant. Erinnern Sie mich das nächste Mal daran, dass ich bei europäischem Bier bleibe.“ „Welches nächste Mal?“ Valand Kuehn blickte Ahy´Vilara etwas überrascht an. Ihre nüchterne Frage brachte ihn sichtlich aus dem Konzept. „Na, ja – ich dachte wir könnten und vielleicht mal zum Abendessen verabreden. Sie sind mir sympathisch.“ Das war die Untertreibung der laufenden Dekade, aber der Norweger gewann den Eindruck, dass es nicht vorteilhaft sein würde bei Ahy´Vilara gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. Die Antennen der Andorianerin bogen sich leicht nach Innen. „Sie sind mir ebenfalls sympathisch, aber darin sehe ich noch lange keinen Grund mich mit ihnen zum Abendessen zu verabreden, Ensign.“ Im Moment hatte Valand Kuehn den Eindruck, einen Faustschlag in den Magen bekommen zu haben. So emotionslos – so kalt, war er noch nie zuvor abgeblitzt. Er bemühte sich, seine Enttäuschung nicht offen zu zeigen und fragte statt dessen: „Wie wäre es dann, wenn wir wenigstens gelegentlich gemeinsam Velocity trainieren, Lieutenant?“ Ihre Haltung entspannte sich wieder etwas. „Wenn Sie versprechen, sich künftig etwas mehr anzustrengen...“ „Worauf Sie sich verlassen können“, antwortete Valand, und diese Worte meinte er so, wie er sie sagte. Sie verließen das Holodeck, und verabschiedeten sich von einander. Mürrisch suchte Kuehn sein Quartier auf, duschte und zog sich dann um. Danach beschloss er, Commander Veron aufzusuchen. Er brauchte seinen Rat. Kuehn wusste, dass Alloran Veron momentan Dienst hatte, und so machte er sich auf den Weg zur Krankenstation. Unterwegs dachte er noch einmal über das nach, was sich auf dem Holodeck abgespielt hatte. Er spürte eine seltsame Unsicherheit, was Ahy´Vilara betraf, und er fragte sich, ob die Ursache möglicherweise darin zu suchen war, dass es ihm die Mädchen bislang zu leicht gemacht hatten. Hatte ihm bisher einfach eine wirkliche Herausforderung gefehlt, so dass er nun diese tiefe Enttäuschung verspürte? Dieser Gedanke gefiel Kuehn nicht, aber er war intelligent genug, ihn nicht deshalb zu ignorieren. Er verließ den Turbolift und hatte die Krankenstation schon fast erreicht, als er den Schritt verhielt. Er schalt sich einen Narren und machte kehrt. Da stieß er nun das erste Mal bei einer Frau auf etwas Widerstand, und was machte er: Rannte wie ein enttäuschter, kleiner Junge zu Veron, um sich bei ihm auszuheulen. Was zum Teufel war denn nur mit ihm los...?   * * *   „Du bist verknallt, mein Junge. Bis über beide Ohren!“ Valand Kuehn blickte Miranea Kerath, die begann schallend zu lachen, verblüfft an. Nach einem Moment meinte sie erheitert: „Du müsstest dein Gesicht sehen können, Valand.“ „Besser nicht“, erwiderte der Norweger ironisch. „Außerdem ist das nicht zum Lachen, sondern eine ernst zu nehmende Angelegenheit.“ „Natürlich“, versicherte die Izarianerin ernsthaft, doch das belustigte Funkeln ihrer Augen strafte ihre Worte eindeutig Lügen. Dann besann sie sich darauf, dass die Angelegenheit für Valand wirklich ernst war, und meinte beschwichtigend: „Vielleicht solltest du dich nicht unnötig unter Druck setzen. Lass dir einfach Zeit und übereile nichts. Gib Ahy´Vilara einfach die nötige Zeit, dich besser kennen zu lernen. Wenn es Aussichten auf Erfolg gibt, dann wird sich das früher oder später schon herauskristallisieren.“ „Mir wäre früher lieber.“ Miranea lächelte nachsichtig. „Vergiss bitte nicht, dass sie Andorianerin ist. Mit denen muss man meistens erst ein Pfund Salz essen, bevor sie einen akzeptieren.“ Kuehn überlegte, wie er Tar´Kyren kennen gelernt hatte, und nickte dann. „Vielleicht hast du recht. Nur - so ungeduldig und so kribbelig war ich bisher noch nie.“ Miranea wurde nun wieder vollkommen ernst. „Dann hat es dich also wirklich erwischt, und es ist nicht bloß eine momentane Schwärmerei. Da kann ich dir nur viel Glück wünschen, mein Freund.“ Bei ihren letzten Worten wurde der Meldekontakt des Quartiers aktiviert und Miranea sagte: „Herein!“ Im nächsten Moment schritt Siran Torinar durch das geöffnete Schott herein. Sie warf einen schnellen, fragenden Blick zu Valand und begrüßte ihn knapp, bevor sie zu Miranea schritt, sie liebevoll umarmte, und einen sanften Kuss auf die Lippen gab. Valand wusste, dass die dunkelhaarige Trill Miraneas Lebensgefährtin war. Dennoch mutete es ihm, als hetero ausgerichteten Mann, immer wieder etwas seltsam an, wenn sich zwei Frauen auf diese Weise berührten, ansahen und küssten. Auch wenn er das als moderner Mann des 24. Jahrhunderts selbstverständlich tolerierte und als völlig normal betrachtete. Dennoch gab es im Menschen immer noch Urinstinkte, die sich nicht völlig leugnen ließen. Valand wusste, dass Siran anfangs gelegentlich eifersüchtig auf ihn gewesen war, weil er sich gut mit Miranea verstand. Es hatte einige Zeit gedauert, bis sie überzeugt davon gewesen war, dass er ihr Miranea wirklich nicht ausspannen wollte. Ab diesem Zeitpunkt hatte sich ihr kameradschaftliches Verhältnis zu einander spürbar verbessert. Mittlerweile verstand sie sich beinahe genauso gut mit ihm, wie Miranea. „Hallo, Valand“, grüßte Siran ihn, nachdem sie dicht neben Miranea Platz genommen hatte. „Was brütet ihr zwei denn wieder aus?“ „Valand hat sich in unsere Assistenzärztin verliebt“, antwortete die Izarianerin prompt und legte ihren linken Arm um Sirans schmale Hüfte. „Warum gibst du es nicht gleich per Subraumfunk an die Sternenflotte weiter“, knurrte Valand gespielt finster. „Dann wissen es wenigstens alle.“ „Vor Siran habe ich keine Geheimnisse“, bekannte Miranea und legte ihren Kopf an Sirans Schulter. „Aber sei ganz beruhigt, keiner sonst wird davon erfahren. Zumindest nicht durch uns beide.“ Siran nickte zustimmend wobei sie ihm gleichzeitig einen auffordernden Blick zu warf. Kuehn, der ihn verstand, erhob sich und meinte: „Entschuldigt mich, bitte. Ich habe noch zu tun.“ Nachdem er gegangen war, meinte Miranea zu Siran: „Schon seltsam. Da hat dieser Junge ein so feines Gespür und bei unserer Assistenzärztin kriegt er die Kurve nicht.“ Siran lächelte und gab ihrer Freundin einen langen Kuss, bevor sie antwortete: „Ich denke, er wird es schaffen. Die Frage ist nur: wann.“ Kapitel 3: Andorianische Herzen ------------------------------- Persönliches Logbuch Ensign Valand Kuehn Sternenzeit: 36254.5   In den letzten drei Monaten habe ich, in Bezug auf Ahy´Vilara Thren, das Gefühl gehabt, auf der Stelle zu treten. Zwar sehen wir uns seit drei Monaten regelmäßig, und ich habe dabei auch den Eindruck gewonnen, dass sie mich mag. Dennoch sind wir uns während dieser Zeit kaum näher gekommen. Vielleicht war der Rat von Miranea doch nicht so gut, wie er mir zunächst vorkam, und ich sollte aktiver werden. Andererseits möchte ich das gute, kameradschaftliche Verhältnis zu Ahy´Vilara nicht leichtfertig auf´s Spiel setzen. Doch es muss etwas geschehen, oder ich werde noch wahnsinnig. Denn mittlerweile steht fest: Ich bin mit jeder Faser meines Herzens in diese Andorianerin verliebt. Und der Gedanke, sie vielleicht niemals für mich zu gewinnen, bereitet mir fast körperliche Schmerzen. Vor einigen Wochen habe ich mich meinem Mentor, Commander Veron, anvertraut, und ihm mein Herz ausgeschüttet. Sein Rat an mich unterschied sich im Grunde nicht von dem, was mir auch Miranea geraten hat. Es ist nicht so, dass ich Allorans Rat nicht vertrauen würde, aber mein Instinkt sagt mir, dass Ahy´Vilara auf irgend etwas wartet. Und ich habe keine Ahnung worauf... Heute Nachmittag haben wir uns wieder zum Training verabredet. Ahy´Vilara deutete das letzte Mal an, dass sie ein anderes Trainingsprogramm mit mir absolvieren will. Ich bin schon sehr neugierig darauf, worum es sich dabei handelt.   * * *   „Ein Ushaan?“ Etwas verwundert blickte Valand Kuehn in Ahy´Vilaras tiefblaue Augen, deren Farbe ihn an die See vor der norwegischen Küste erinnerte. Die Andorianerin nickte ernsthaft. „Sie erwähnten einmal, dass Sie sich für den Fechtsport begeistern, Ensign. Das Ushaan wird ebenfalls mit Klingen ausgefochten, auch wenn diese sich in Größe und Form von dem Unterscheiden, was Sie in dieser Hinsicht gewohnt sein dürften. Ich dachte mir, es könnte ihnen gefallen. Zumal es auch eine taktische Herausforderung für Sie sein dürfte.“ „Aber es gibt allein 12.000 Ergänzungen zu den Regeln“, wandte Valand ein. „Und ich kenne keine einzige davon. Ich weiß nur, dass ein Ushaan auf Leben und Tod ausgetragen wird. Sie wollen doch damit nicht etwa etwas Bestimmtes andeuten?“ Zum ersten Mal, seit Wochen, lächelte Ahy´Vilara ihn offen an, und der Norweger war in diesem Moment der Meinung, dass sich ihr heutiges Treffen allein dafür schon gelohnt hatte. Wie hätte er auch ahnen können, wie sich dieses Treffen noch entwickeln sollte... Ahy´Vilara sagte schließlich: „Mehr müssen Sie bei einem Ushaan auch nicht wissen. Der Rest wäre nur dann interessant für Sie, falls ich Sie ernsthaft zu einem Ushaan herausfordern würde. Dennoch sollten Sie diesem Ritual den nötigen Respekt erweisen, Ensign.“ Wie Kuehn es mittlerweile gegen den Strich ging, dass Ahy´Vilara ihn permanent bei seinem Rang nannte. Zwar hielt er selbst auf Höflichkeit, aber er war der Ansicht, dass ihm Lieutenant Thren mittlerweile wenigstens hätte anbieten können, sie beim Vornamen zu nennen. Da sie ranghöher war, als er, kam es nicht in Frage, dass er diesen Vorschlag machte. Das zählte zu den ungeschriebenen Gesetzen des Offizierskorps der Sternenflotte. Ahy´Vilara hatte mittlerweile ihr privates Trainingsprogramm aktiviert und kam mit zwei metallenen, silbern glänzenden Schonern für die linke Hand, die mit einer unzerreißbaren Metallschnur verbunden waren, zu ihm. Des Weiteren hatte sie zwei, ebenfalls silbern schimmernde, gefährlich wirkende Ushaan-tors dabei, die entgegen der gebogenen, unterarmlangen Klinge, einen Griff besaßen. Die Schneide selbst war am Rand gezackt und messerscharf, wobei sie an den Enden spitz zulief. Kuehn wusste, dass es sich bei diesen Klingen im Grunde nicht um eine Waffe handelte, sondern um ein traditionelles Werkzeug der andorianischen Eisarbeiter. Mit diesen gefährlich anmutenden Instrumenten waren schon in grauer Vorzeit Stollen unter der Oberfläche von Andoria ins ewige Eis getrieben worden. Obwohl diese beiden Holo-Klingen, bei eingeschalteten Sicherheitsprotokollen des Holodecks, keinen Schaden anrichten konnten, jagte der Gedanke daran, dass es selbst heute noch auf Andoria Duelle gab, die mit derlei Klingen ausgefochten wurden, Valand Kuehn einen leisen Schauer über den Rücken, und er spürte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte. Ahy´Vilara Thren half ihm dabei, den Schoner über den linken Arm zu streifen. Eine Art nachgiebiges Futteral im Innern sorgte dafür, dass der Schoner, der über den halben Unterarm reichte, sich eng anschmiegte, und nicht verrutschte. Nachdenklich packte er die Klinge in seiner rechten Hand etwas fester, als auch die Andorianerin soweit war, und soweit auf Abstand zu ihm ging, bis sich die metallene Schnur zwischen den Schonern spannte. Mit leicht ausgestreckten Armen standen sie sich nun auf zwei Schritt Abstand gegenüber und maßen einander. Während die Andorianerin ihr Ushaan-tor etwa auf Schulterhöhe angehoben hatte, und ihren Arm dabei zurückgezogen hatte, hielt Valand Kuehn seine Klinge in Hüfthöhe, eher einem Degen gleich, wenn er eine Einladung machte. „Sind Sie bereit, Ensign?“ „Ich bin bereit!“ Im nächsten Moment stieß Ahy´Vilara einen gellenden Kriegsschrei aus und kam blitzschnell auf ihn zu, wobei sie sich zusätzlich Schwung verschaffte, indem sie fest an der Schnur zog, um zu dem Norweger zu gelangen. Dabei schoss ihre Klinge blitzartig nach vorne, und nur knapp, dank seiner beim Fechten antrainierten Reflexe, gelang es ihm, die Klinge gerade noch im letzten Moment mit dem Schoner abzulenken. Dabei unterlief ihn die Andorianerin jedoch und rammte ihm hart ihr rechtes Knie in die Magengrube. Mit einem schmerzhaften Aufstöhnen, blickte Kuehn die Andorianerin, die wieder auf Abstand gegangen war, und ihn nun umschlich, wie eine hungrige Raubkatze, halb wütend, halb fassungslos an. „Das Ushaan ist kein Spiel!“, schrie ihn die Andorianerin wild an, bevor er zu Wort kam, und so etwas wie Zorn lag dabei in ihrem Blick. „Bei einem Ushaan geht es um Ihr Leben, Ensign! Und es gibt keinen Applaus für den Zweiten Platz!“ Valand Kuehn erkannte die, bislang stets ruhig und beherrscht wirkende, Andorianerin nicht mehr wieder. Die Ärztin schien sich auf geradezu unheimliche Art und Weise verwandelt zu haben. Natürlich wusste er um die andorianische Leidenschaft, und mitunter war sie auch bei seinem Freund Tar´Kyren aufgeblitzt. Aber das stand in keinem Verhältnis zu dem, was er hier und jetzt erlebte. Mit einem Mal schien ihm diese andorianische Ärztin unsagbar fremd. Er spürte dabei, wie sich Zorn in seinem Innern breit machte, und mit funkelnden Augen machte er sich für ihren nächsten Angriff bereit – entschlossen sich kein weiteres Mal derart überrumpeln zu lassen. Während sie sich langsam umkreisten und lauernd musterten, zog Ahy´Vilara herausfordernd an der Schonerschnur. Doch diesmal war Valand Kuehn auf der Hut und zerrte wild zurück, was der Andorianerin ein herausforderndes, kaltes Lächeln entlockte. „Gut, Ensign“, knurrte sie heiser. „Ihnen scheint also doch noch bewusst geworden zu sein, worum es bei einem Ushaan geht.“ „Sie werden sich wundern wie schnell ich in der Lage bin Dinge zu begreifen!“, fauchte der Norweger, wider seiner Natur, herausfordernd zurück, wobei er erneut wild an der Schnur zerrte. Er spürte, wie das Adrenalin durch seinen Körper jagte, und es berauschte ihn beinahe. Doch auch Ahy´Vilara Thren war vorbereitet, und grinste lediglich sardonisch. Dann griff sie erneut an, und nur mit Mühe konnte der Norweger den Hieb des Ushaan-tor abwehren und dabei gleichzeitig schnell genug wieder auf Distanz gehen. Ihm war klar, dass ihm die Andorianerin an Wendigkeit und Schnelligkeit überlegen war. Wie er durch seinen Freund, Tar´Kyren Dheran, erfahren hatte, besaßen Andorianer auch eine bessere dreidimensionale Wahrnehmung als Menschen. Alles worauf er selbst bauen konnte, waren Kraft und Ausdauer. Zu Akademiezeiten hatte er regelmäßig mehrere Stunden am Tag trainiert – mehr, als es sein Dienst an Bord zuließ. Möglicherweise war es ein Vorteil, dass die Andorianerin länger als er von der Akademie weg war, und bei ihrem Dienstplan nicht mehr Zeit zum trainieren hatte, als er selbst. Vielleicht konnte er sie müde kämpfen. Die Schnelligkeit und Gewandtheit, mit der Ahy´Vilara ihren nächsten Angriff vortrug machten diese Hoffnung schnell zunichte. Nein – diese Andorianerin befand sich konditionell mit ihm auf Augenhöhe. Mindestens das. Er würde also nur über den Kampf zum Erfolg kommen können, und in dieser Hinsicht lagen die Vorteile ebenfalls bei ihr, denn sie kannte diese Kampftechnik – im Gegensatz zu ihm. Doch aufgeben war keine Option. Er würde kämpfen, mit aller Kraft und Geschicklichkeit, die er im Stande war aufzubieten. Er verlegte sich nicht länger darauf, nur die Angriffe der Andorianerin abzuwehren, sondern er beobachte, lernte, und begann damit, eigene Angriffsstrategien zu entwickeln. Eine Viertelstunde lang wogte der Kampf hin und her, und Kuehn spürte, wie seine Kräfte, bei dieser schnellen und kraftvoll geführten Kampfart langsam zu schwinden begannen. Doch auch die Angriffe der Andorianerin hatten etwas an Tempo verloren, und Kuehn schöpfte erneut Hoffnung. Das gab ihm zusätzlich Kraft. Das – und sein fester Wille, nicht nachzugeben und siegreich zu sein. Attacken und Finten, sowohl mit dem Ushaan-tor, als auch beim Einsatz der Schonerschnur wechselten in schnellem Rhythmus. In einer Phase, in der sie sich wieder eine Weile belauerten lachte Ahy´Vilara ihm höhnisch ins Gesicht und zischte ihm herausfordernd zu: „Warum geben Sie nicht auf, Ensign. Glauben Sie wirklich, Sie hätten auch nur die geringste Chance auf den Sieg?“ Der Spott zeigte Wirkung. Das Gesicht des Norwegers rötete sich sichtlich und er spürte unaufhaltsam wie sein Zorn drohte, die Oberhand zu gewinnen. Doch diesmal unterdrückte er ihn nicht länger, sondern ließ ihm freien Lauf. Er hatte während der letzten Angriffe von Ahy´Vilara, eine Art Muster darin erkannt. Sie griff zumeist zweimal seine linke Seite an, bevor sie einen Versuch auf der rechten Seite unternahm. Nicht immer, aber einige Male hatte sie es getan, und Kuehn dachte: Warte nur – wenn du das diesmal wieder machst, Mädchen, dann wird es dir schlecht bekommen. Er hatte Glück. Auch diesmal erfolgte ihr Angriff auf seiner rechten Seite, und als Kuehn dies erkannte, handelte er umgehend. Mit einem kräftigen Ruck zog er seine Linke, mit dem Schoner zu sich heran. Einen überraschten Laut ausstoßend schoss die Andorianerin förmlich auf Kuehn zu, der etwas die rechte Schulter nach hinten zog, nachdem er ihre Klinge nach unten, statt wie bisher, zur Seite, abgelenkt hatte. Mit einer schnellen Bewegung warf er die Schonerschnur um ihren angelegten rechten Arm und zog sie mit der um sie gelegten Linken rasch zu sich heran, wobei sie schmerzhaft zusammenprallten. Seine Klinge mit einem beinahe mörderischen Blick hochreißend durchschnitt er, mit einer zornigen Handbewegung, ihre Halsschlagader. Natürlich verletzte Valand Kuehn die Andorianerin mit der holografischen Klinge nicht, aber im Moment wirkte er beinahe so, als wäre ihm diese Tatsache egal. Einen Moment lang maß er die Frau, die sich gegen seinen festen Griff sträubte, bevor er, wütend über sich selbst, das Ushaan-tor in die nächste Ecke warf und sie aufgebracht anschrie: „Ist es das, was Sie wollten...?!“ Für einen scheinbar endlos langen Augenblick musterten sie einander - wie Feinde, bevor sich die Andorianerin langsam in Kuehns Arm entspannte. Achtlos ließ sie ihre eigene Klinge fallen und ihre harten Gesichtszüge wurden, auf beinahe wundersame Weise, fraulich weich. Der Schatten schwand aus ihrem Blick und sie begann vage zu lächeln. Dabei wand sie vorsichtig ihren rechten Arm aus der Schnurschlinge und legte ihn sanft um die Hüfte des Norwegers, dessen Haltung sich nur zögerlich entspannte. Leise sagte sie: „Ja, Valand. Das war es was ich wollte. Ich musste wissen, ob du im Herzen stark genug bist. Vergiss bitte nicht, dass ich Andorianerin bin, und ich würde mich niemals mit einem schwachen Mann auf Lebenszeit binden.“ Der Norweger, der seinen Ohren nicht trauen wollte, blickte die Andorianerin, die er immer noch fest umarmt hielt, in grenzenloser Verwunderung an. „Binden? Auf Lebenszeit?“ Ahy´Vilara blickte ihm direkt in die Augen und erklärte ernsthaft: „Dass du Dich in mich verliebt hast, das ist mir nicht entgangen, Valand. Schon nach unserem ersten Treffen wusste ich das. Und auch mein Herz fühlt so für Dich. Aber ich bin keine Menschenfrau, bei mir gibt es kein wildes Herumprobieren. Es mag bei verschiedenen Andorianern vorkommen, aber es ist allgemein nicht unsere Art.“ Sie beugte sich zu ihm hin, bewegte ihr Gesicht leicht vor, und im nächsten Moment lagen ihre Lippen auf seinen. Beide streiften, während sie sich leidenschaftlich küssten, den Armschoner ab. Beinahe wild und zügellos umarmten sie einander fester und küssten sich immer wilder und leidenschaftlicher werdend. Erst als sie kaum noch Luft bekamen lösten sie sich widerstrebend von einander und blickten sich in die Augen. Erst jetzt schien Valand die vorangegangenen Worte der Andorianerin richtig erfasst zu haben. Noch immer verwirrt, blickte er sie liebevoll an und fragte rau: „Willst du etwa andeuten, dass du bisher nie... Ich meine, überhaupt noch nie... Ahy´Vilara schüttelte stumm den Kopf. Dann sagte sie fast heiser: „Du bist auch der erste Mann, den ich geküsst habe. Und du sollst der einzige sein.“ Ihr Blick verfinsterte sich beinahe übergangslos, als sie hinzufügte: „Solltest du ab heute jemals eine Andere anschauen, dann werde ich Dich erneut zum Ushaan fordern. Aber dann nicht mit Holowaffen.“ Valand streichelte zärtlich ihre Wange. „Ich will ja gar keine andere Frau anschauen, Ahy´Vilara.“ Damit küsste er sie erneut sanft auf die Lippen. Nachdem sie sich wieder von einander gelöst hatten blickte er sie liebevoll an. „Ich bin mir im Herzen ganz sicher, dass du die Frau bist, mit der ich den Bund für´s Leben eingehen will. Allerdings bist du nicht meine erste Freundin, denn ich bin kein Andorianer, sondern ein Mensch.“ Ahy´Vilara schmiegte sich eng an ihn und sie kam seinem Gesicht ganz nah, bevor sie leise und mit Überzeugung in der Stimme sagte: „Mag sein, dass du als Mensch geboren worden bist, Valand, aber im Herzen bist du Andorianer...“ Kapitel 4: Wiedersehensfreude ----------------------------- Persönliches Logbuch Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 38561.9   Die ALAMO ist auf dem Weg in den Sol-Sektor. Ich freue mich schon sehr darauf, nach über zwei Jahren endlich wieder nach Hause zu kommen. Ich werde meine Ehefrau, Ahy´Vilara, endlich meinen Eltern vorstellen können. Danach reisen wir gemeinsam nach Andoria, wo wir endlich auch das bisher aufgeschobene, traditionell-andorianische Zeremoniell nachholen werden. Ich bin dabei schon sehr auf die Eltern von Ahy´Vilara gespannt. Ahy´Vilara und ich sind nun länger als ein halbes Jahr verheiratet. Zunächst wollten wir warten, bis wir wieder Zuhause sind, doch dann wollten wir es einfach nicht länger hinausschieben. Ich hoffe unsere Eltern werden Verständnis dafür haben. Zumindest wissen sie, per Subraumnachricht, davon. Meine Liebe zu Ahy´Vilara ist in den letzten zweieinhalb Jahren immer stärker geworden, und ich bin mir sicher, dass auch sie so empfindet. Ich spüre es bei jedem ihrer Blicke, mit denen sie mich ansieht. Ich bin sehr glücklich. Die Trauung an Bord, hat traditionsgemäß Captain Crel durchgeführt. Ihre Rede hat mich zu Tränen gerührt, und wäre Ahy´Vilara dazu in der Lage – ich bin mir sicher, dass es ihr nicht anders ergangen wäre. Ich hatte zuvor nicht erwartet, dass eine Tellaritin, wie Triple-C, zur Anwendung von derart gefühlvollen Worten in der Lage sein würde. Unsere Trauzeugen waren Commander Alloran Veron und Lieutenant Sylvie Gerlach. Während unserer Zeit im Beta-Quadrant habe ich mich sehr gut in die Mannschaft integriert. Ich bin nun ein Teil dieser Crew – und ich bin stolz darauf. Triple-C hat das wohl gemerkt, als sie mich im Herbst 2360, kurz vor der Hochzeit mit Ahy´Vilara, zum Lieutenant Junior-Grade befördert hat. Beinahe mütterlich hat sie mir dabei ihre Hand auf den Unterarm gelegt, und in ihren Augen konnte ich kurzzeitig so etwas wie elterlichen Stolz erkennen. Natürlich ist sie mitunter immer noch Dieselbe und man muss höllisch auf ihre Launen acht geben. Aber all das fällt mir jetzt wesentlich leichter, als kurz nach meinem Dienstantritt auf der ALAMO. Ahy´Vilara trägt daran einen nicht unwesentlichen Anteil, denn sie ist es, die mir jeden Tag neue Kraft, neuen Lebensschwung gibt. Am liebsten würde ich sie 24 Stunden am Tag um mich haben. Aber vielleicht lieben wir einander so sehr, weil es genau so ist, wie es ist. In der letzten Zeit denke ich gelegentlich an das Vater werden. Bisher habe ich darüber noch nicht mit Ahy´Vilara gesprochen, da sie sich dafür einer nicht ganz ungefährlichen Gen-Therapie unterziehen müsste, die noch in der Erprobungsphase steckt. Und ich möchte die Gesundheit meiner Frau nicht leichtfertig auf´s Spiel setzen. Es ist bestimmt besser, noch zu warten – wir sind ja beide noch sehr jung, und das ganze Leben liegt noch vor uns. So viele gemeinsame Jahre – dass ich es kaum zu glauben vermag. Schon jetzt habe ich das Gefühl, ein ganz Anderer geworden zu sein. Einerseits hat mir die innige Beziehung zu Ahy´Vilara meine eigene Leidenschaft vor Augen gehalten. Andererseits wiederum verspüre ich an manchen Tagen, eine noch größere Gelassenheit und Ruhe, als jemals zuvor. Niemals zuvor habe ich für jemanden das empfunden, was ich für meine Frau fühle. Diese Verbindung zwischen uns ist so unvergleichlich – so richtig – wie noch niemals etwas zuvor in meinem Leben, dessen bin ich mir ganz sicher. Möglicherweise gelingt es den Medizinern der Föderation bereits in den nächsten fünf Jahren entscheidende Fortschritte zu machen. Mindestens so lange werden wir vermutlich ohnehin mit Nachwuchs warten müssen, denn die ALAMO begibt sich, in weniger als zwei Monaten, auf eine „Fünf-Jahres-Mission“ in den Beta-Quadranten. Und es wäre bestimmt nicht ideal ein Kind, in den ersten Jahren seines Lebens, nur an Bord eines Raumschiffes großzuziehen. Unser Operations-Offizier, ein bereits älterer Betazoide, wird diese Reise nicht mehr mitmachen. Für ihn wird ein Nachwuchsoffizier an Bord kommen, wenn wir den Orbitalstützpunkt, über der Erde, erreicht, und dort angedockt haben. So zumindest lauten die neuesten Meldungen der Gerüchteküche, an Bord, deren „Chefkoch“ ein Bolianer namens Chirome ist. Seltsamerweise bringt es dieser, selbst für seinesgleichen geschwätzige, Bolianer stets fertig, die neuesten Nachrichten als erster an Bord zu erfahren, und manchmal habe ich ihn stark im Verdacht, für den Sternenflottengeheimdienst zu arbeiten – oder sogar für die geheimnisumwitterte „Sektion 31“ deren Existenz jedoch sowohl vom Sternenflottenkommando, als auch vom SFI hartnäckig geleugnet wird. Wie auch immer – zumindest werde ich auf der nächsten Mission nicht mehr der jüngste Brückenoffizier sein. Da ich als Taktischer Offizier eng mit der OPS zusammenarbeite, bin ich natürlich bereits gespannt, wen man uns schickt, und ich hoffe, mit dem neuen Crewmitglied genauso gut zusammen zu arbeiten, wie mit dem Betazoiden. Doch zunächst werde ich gemeinsam mit Ahy´Vilara meinen Landurlaub verbringen. Einige herrliche Wochen werden das, dessen bin ich mir sicher...   * * *   Eine eiskalte Sturmböe war der erste Gruß Andorias. Valand Kuehn fröstelte, trotz der dicken Thermokleidung, und verließ zusammen mit seiner Frau, das Verwaltungsgebäude des Raumhafens. Hinter ihnen folgten Valands Eltern, ebenfalls dick in warme Kleidung eingepackt. Gero Kuehn, beinahe ebenso hochgewachsen wie sein Sohn, hielt sich dicht bei seiner Frau, Sarah-Marie und fragte, wobei er gegen den Sturm anschreien musste, um sich verständlich zu machen: „Warum konnte er keine Risanerin heiraten?“ Seine um einen halben Kopf kleinere, schlanke Frau schenkte ihm ein angedeutetes Lächeln und schrie zur Antwort: „Das hätte dir wohl so gepasst! Dabei weiß ich gar nicht, was du hast. Ich bin es, die sich später auf der Oberfläche den Hintern abfrieren wird, wenn der traditionelle Hochzeitssegen vom Vater der Braut, und der Mutter des Bräutigams gesprochen wird!“ Der Botschafter, der auf Krios-Prime die Interessen der Föderation vertrat, schnitt eine Grimasse. Er selbst würde in dieser Zeit das Hochzeitsmahl, zusammen mit der Brautmutter zubereiten. Und das, obwohl er nicht einmal richtig Kaffee kochen konnte. Vor wenigen Minuten waren sie mit einem Shuttle der USS FARRAGUT auf dem beinahe erdgroßen Klasse-M Eismond, der den Gasplaneten Andor als fünfter Trabant umkreiste, gelandet. Ein gewaltiger Blizzard der die Ursache für massive atmosphärische Störungen gewesen war, hatte ein Absetzen mit dem Transporter verhindert. Valand Kuehn blickte sich während dessen suchend um. Erst nach einem Moment entdeckte er zwei Gestalten, die im dichten Schneetreiben auf ihn und Ahy´Vilara zu stapften. Das konnten nur die Eltern seiner Frau sein; nein falsch, das mussten die Eltern seiner Frau sein. Wer sonst hätte sich freiwillig bei diesem Wetter auf der Oberfläche Andorias herumgetrieben? Valand blickte kurz zu Ahy´Vilara, deren Gesicht anfing zu leuchten, als die beiden Gestalten ihre dicken Kapuzen abnahmen, so dass man ihre Gesichter erkennen konnte. Es waren ein Mann und eine Frau, und Ahy´Vilaras Miene verriet nur zu deutlich, dass es tatsächlich ihre Eltern waren. Nach den andorianischen Gepflogenheiten begrüßten die Threns zunächst einmal Valands Eltern, bevor sie sich beide ihm zu wandten, und er ihre Gesichter eingehender studieren konnte. Ahy´Vilaras Vater, Nan´Doraan, war von kräftiger Statur. Etwas kleiner als er selbst, war er in den Schultern um einiges breiter. Seine Gesichtszüge wirkten männlich markant, und seine grau-blauen Augen wiesen einen leichten Stich ins Violett auf. Die Mutter seiner Frau, Varinea Thren, sah ihrer Tochter beinahe zum verwechseln ähnlich, allerdings wirkte sie reifer, und sie trug ihr Haar um einiges länger, als ihre Tochter. Außerdem spielten ihre Augen etwas mehr ins Türkis. Nachdem sie Valand eingehend gemustert und begrüßt hatten, umarmten beide ihre Tochter, bevor Nan´Doraan Thren mit tragender Stimme, zu Kuehns Eltern sagte: „Wir sollten uns bei diesem Wetter nicht allzu lange hier oben aufhalten. Kommen Sie bitte.“ „Gut, der Mann!“, lobte Gero Kuehn zu seiner Frau gewandt. Sie folgten Ahy´Vilaras Eltern zu einem kleinen Rundbau, der sich als die oberste Ebene eines Lifts herausstellte. Sofort ließ der schneidend kalte Wind nach, und die sechs Wesen schlugen, wie auf ein geheimes Kommando, fast gleichzeitig ihre dich gefütterten Kapuzen zurück. Eine geraume Weile ging es abwärts, und Gero Kuehn nutzte die Gelegenheit, sich bei Nan´Doraan zu erkundigen: „Ich hörte, von ihrer Tochter, dass die offiziell vorgenommene Hochzeit auf Andoria, ohne das Zeremoniell, nicht anerkannt wird. Stimmt das?“ „Das ist richtig, Botschafter“, gab der wuchtige Andorianer Auskunft. „Bitte nennen Sie mich Gero.“ Der Botschafter hob seine Augenbrauen und ignorierte den warnenden Blick seiner Frau, bevor er direkt nachhakte: „Klingt fast ein wenig separatistisch, wenn ich das so sagen darf.“ Die Antennen Nan´Doraans richteten sich auf den Mensch. Dann lächelte er nachsichtig und erklärte: „Das hat nichts mit separatistischen Ansichten zu tun, Gero. Aber bedenken Sie bitte, dass das andorianische Volk sehr traditionell eingestellt ist. Und sehr familiär. Eine Hochzeit, ohne die traditionelle Zeremonie, würde jeder Andorianer als Affront betrachten.“ „Es gibt auf der Erde heute noch Gegenden, in denen man das ganz ähnlich sieht“, warf Sarah-Marie Kuehn schnell ein. „Es ist nur so, dass mein Mann nicht kochen kann.“ Varinea Thren grinste offen und versicherte: „Ich sehe da kein Problem, Ihr Mann wird das Essen nicht allein zubereiten, und so kompliziert, wie in manchen irdischen Gegenden, ist die andorianische Küche auch nicht.“ „Dann kann uns ja gar nichts mehr passieren“, murmelte Gero Kuehn vage und blickte dabei zu Nan´Doraan. „Aber das ist eindeutig keine Aufgabe für einen Botschafter.“ Der Lift hielt an, und ein geräumiger, mäßig ausgeleuchteter Felsdom nahm sie auf. Nan´Doraan führte die kleine Gruppe zu einer gedrungen wirkenden Halle. Erst nachdem sie das Gebäude betreten hatten, meinte er erklärend: „Dies ist der Verteilerbahnhof eines Röhrenbahnsystems, dass die verschiedenen Städte unter einander planetenweit verbindet. Natürlich umrunden wir damit nicht den halben Planeten. Dieses System wird nur für kurze Entfernungen, zwischen nicht allzu weit von einander entfernten Städten benutzt. Für größere Entfernungen benutzen wir, wie auf der Erde auch, Transporter. Nach Ivari ist es jedoch nicht weit, und Sie werden Gelegenheit haben, ein Wenig von Andorias Unterwelt zu sehen.“ „Darauf sind wir schon sehr gespannt“, versicherte Sarah-Marie und Gero nickte zustimmend, während sie über eine breite, steinerne Freitreppe die Zugänge zu den Röhrenbahnen betraten. Nan´Doraan deutete auf einen der torpedoförmigen Züge, von denen momentan drei auf Fahrgäste warteten. Die sechs Lebewesen begaben sich ins Innere des Zuges und nahmen in gemütlichen, blau bezogenen Sesseln Platz. Wenig später fuhr der Zug bereits an und beschleunigte sehr schnell auf seine Endgeschwindigkeit, die knapp unter der des Schalls lag. Ermöglicht wurden solche Geschwindigkeiten dadurch, weil in der eigentliche Transportröhre die der Zug benutzte, ein Vakuum herrschte. Gehalten wurde der Zug bei seiner Fahrt von Magnetfeldern, die ihn immer exakt im gleichen Abstand zur Röhrenwandung hielt. Die Fahrt wechselte zwischen langen Tunnelpassagen durch massiven Fels, und längeren Abschnitten, bei denen der Zug durch transparente Röhrensegmente innerhalb gewaltiger Höhlen dahin jagte. Trotz der hohen Geschwindigkeit hatten die drei Menschen Gelegenheit staunend einen gelegentlichen Blick auf die Ansiedlungen innerhalb der gewaltigen, unterirdischen Hohlräume zu werfen. Durch die, an vielen Stellen semi-transparente Eisdecke der Felsendome, fiel Tageslicht herein und sorgte für sinnverwirrende Lichtreflexionen. In weniger als fünfzehn Minuten waren sie am Zielort. Nachdem sie die Röhrenbahn verlassen hatten, brauchten sie noch etwa zwei Minuten zu Fuß, bis sie die Behausung der Threns erreicht hatten. Zur Überraschung von Valands Eltern war es im Innern gemütlich warm. Als Gero seiner Frau aus der dicken, gefütterten Jacke half, stellte er Nan´Doraan eine entsprechende Frage. „Nun, es ist nicht so, dass Andorianer die Kälte Andorias brauchen, oder lieben“, erklärte Ahy´Vilaras Vater. „Andorianer kommen nur besser mit den Umweltbedingungen dieses Mondes klar, da sie Wärme besser speichern können, das ist auch schon alles.“ Gero nickte verstehend, während er sich nun selbst aus der wärmenden Jacke schälte. Dann folgten er und Sarah-Marie den Eltern seiner Schwiegertochter in den angrenzenden Wohnbereich, wobei er meinte: „Ein erfreulicher Umstand, dass die andorianische Physiologie der Menschlichen in bestimmter Hinsicht ähnlich zu sein scheint. Würden Sie wesentlich geringere Temperaturen bevorzugen, wäre das Zusammensein sicherlich schwieriger.“ „Mit einfachen Worten, wir würden uns den Hintern abfrieren“, brachte es Sarah-Marie auf den Punkt, die eine direkte Ansprache bevorzugte. Während ihr Mann ihr einen verweisenden Blick zu warf, lachte Varinea hell auf und legte ihre Hand auf den Unterarm von Valands Mutter. „Ich muss gestehen, dass ich mir die Eltern meines Schwiegersohns etwas anders vorgestellt hatte. Mir gefällt, dass Sie ein offenes Wort schätzen, Sarah-Marie.“ „Einfach nur Sarah, bitte. Meinen Zweitnamen habe ich von meinen Eltern nur dann zu hören bekommen, wenn ich etwas angestellt hatte.“ „Was ziemlich oft vorgekommen sein soll, wie man weiß“, ergänzte Gero trocken, und diesmal war er es, der einen tadelnden Blick kassierte. Gelassen konterte seine Frau dann: „Und so etwas nennt sich Diplomat.“ „Solche ironischen Unterhaltungen musste ich von Kindesbeinen an mit anhören“, mischte sich Valand ein, und sah Ahy´Vilara in komischer Verzweiflung an. „Falls du dich irgendwann einmal fragen solltest, warum ich so geworden bin, dann erinnere dich daran.“ In diesem Fall erwies sich Nan´Doraan als der Diplomat der Runde, indem er, zu Valands Eltern gewandt meinte: „Sie werden müde sein, von der langen Reise. Ich werde Ihnen Ihr Zimmer zeigen.“ Als Offiziere der Andorianischen Garde, und einer von daher gesellschaftlich hohen Stellung, bewohnten die Threns ein geräumiges Haus, in typisch flacher Zylinderform, dicht an eine der Felswände des gewaltigen, unterirdischen Doms geschmiegt, in dessen Hohlraum die Stadt Ivari lag. Während Nan´Doraan Valands Eltern hinauf in die zweite Etage führte, sagte Varinea: „Ihr zwei solltet euch auch ausruhen, besonders du, Valand. Denn morgen habt ihr eine anstrengende Zeremonie, an der Mauer der Helden, vor euch. Denn in einem Umkreis von umgerechnet zehn Kilometern, um die Mauer herum, ist sowohl jeglicher Flugverkehr, als auch eine unterirdische Annäherung per Röhrenbahn, untersagt.“ Valand Kuehn blickte seine Schwiegermutter erstaunt an. „Das wusste ich nicht. Ich vermute, dass es sich dabei um ein traditionelles Verbot handelt.“ Varinea nickte. „So könnte man sagen. Es ist seit Jahrtausenden eine Art heiliger Ort. Selbst als die andorianischen Clans noch untereinander zerstritten waren, und Krieg gegen einander führten, waren sich alle Andorianer darüber einig. Nur wenige Außenstehende werden dorthin mitgenommen, musst du wissen. Und wenn, dann nur solche, welche die Familie als vertrauenswürdig erachtet.“ Valand blickte seine andorianische Schwiegermutter etwas erstaunt an. „Aber du und Nan´Doraan – ihr kennt mich doch kaum.“ „Ahy´Vilara vertraut dir – oder sie hätte dich niemals zum Mann gewählt. Also vertrauen auch wir dir, Valand. Und du wiederum bürgst für deine Mutter, dass sie niemandem davon erzählen wird, von dem, was sie morgen sehen und hören wird. Auch deinem Vater gegenüber nicht.“ Valand blickte von Varinea zu Ahy´Vilara und er spürte fast körperlich den plötzlichen Ernst dieser Unterhaltung. Mit einem etwas flauen Gefühl im Magen fragte er dann: „Was wäre, wenn meine Mutter dennoch jemandem davon erzählen würde?“ Varinea beugte sich etwas zu ihm vor, und ihr eindringlicher Blick ging dem jungen Mann durch und durch. „Dann würde dein Name, und der deiner Familie, auf zehn Generationen, voller Abscheu und in Schande auf Andoria ausgesprochen. Und meine Tochter würde nicht länger mit einem solchen Wesen verheiratet sein wollen.“ Ein schneller Blick zu seiner Frau bestätigten die Worte ihrer Mutter. Valand schluckte und versicherte ernsthaft: „Meine Mutter wird die andorianischen Traditionen achten, dafür bürge ich, Varinea.“ Die angespannten Mienen der beiden Andorianerinnen entspannten sich langsam wieder und Varinea sagte endlich: „Nun solltet ihr zwei euch aber wirklich zur Ruhe begeben.“ Ahy´Vilara nahm Valand an die Hand und führte ihn in den hinteren Bereich der Parterre. Erst jetzt realisierte der junge Mann, dass es keine Türen in dem andorianischen Haus gab. Er blickte seine Frau an, doch noch bevor er eine entsprechende Frage stellen konnte, erklärte Ahy´Vilara von sich aus: „Kein Andorianer käme auf die Idee die Privatsphäre eines anderen zu missachten, Valand. Und du musst wissen, dass Andorianer kein Schamgefühl entwickeln, wenn sie einander nackt sehen.“ „Ja, Tar´Kyren hat das einmal während einer Geburtstagsfeier, während unserer Kadettenzeit, erwähnt.“ Seine Frau lächelte unmerklich: „Du würdest ihn gerne wiedersehen, nicht wahr?“ Valand nickte: „Ja, ich wollte er könnte dabei sein.“ Er seufzte schwach und legte seinen Arm um die Hüften seiner Frau, als sie ihr Zimmer betraten. Dann meinte er: „Irgendwann holen wir das nach, und ich stelle euch einander vor.“ Wieder lächelte Ahy´Vilara kaum merklich, bevor sie Valand umarmte und küsste. „Ja, ganz bestimmt, Valand.“   * * *   Am nächsten Morgen brachen Valand und Ahy´Vilara, zusammen mit Sarah-Marie und Nan´Doraan, nach einem zeitigen Frühstück auf. Mit der Röhrenbahn ging es in die Nähe der dünnsten Verbindungsstelle, zwischen den beiden andorianischen Kontinenten Voral und Ka´Thela. Sie erreichten die Oberfläche am Fuße des Tharan-Gebirges, dessen eisige Gipfel sich hinter ihnen, im Dunst tief hängender Wolken verloren. Dick eingehüllt in wärmende Kleidung, warf Valand einen Blick zum Himmel hinauf, an dem nur gelegentlich, vereinzelt das helle Blau des Himmels hervorstach. Der Wind hatte, im Vergleich zum Vortag, merklich nachgelassen. Während sie zu viert auf ihr unbekanntes Ziel zu stapften, erklärte Nan´Doraan, dass ein so ruhiges Wetter für diese Gegend Andorias ungewöhnlich sei. Am Abend hatte Ahy´Vilara Valand eröffnet, dass der Bereich zwischen den Kontinenten in einer Windströmung der nördlichen Eiskappe lag, die dafür sorgte, dass es selbst zu den wärmsten Zeiten, dort niemals wärmer als umgerechnet -17° Celsius wurde. Zudem schien sich der Wind in der Gegend scheinbar niemals zu legen, was die heutige Flaute um so seltsamer erscheinen ließ. Sie kamen gut voran. Dennoch schien es Nan´Doraan eilig zu haben, denn er legte ein ordentliches Tempo vor. Als Valand Kuehn an seine Seite gelangte, blickte er zum Himmel hinauf und deutete auf eine bestimmte Wolkenformation. Dabei sagte er: „Das Wetter schlägt um, Valand. Dort kannst du es erkennen. Auf dem Rückweg werden wir in einen ordentlichen Schneesturm geraten, möchte ich meinen. Nichts gefährliches, aber es wird dann sehr mühsam für Dich und deine Mutter werden.“ „Valand wollte erst sagen, dass sie es auf jeden Fall schaffen werden, doch dann schwieg er. Immerhin kannte er die lokalen Gegebenheiten nicht, und er wusste auch nicht, was Nan´Doraan unter ungefährlich verstand. Unter Umständen legte der Andorianer hier ganz andere Maßstäbe an, als es ein Mensch getan hätte. Über eine Stunde marschierte er schweigend neben seinem Schwiegervater dahin, wobei er sich, von Zeit zu Zeit, nach seiner Mutter und Ahy´Vilara umsah. Beide unterhielten sich leise, und so wandte sich Valand schließlich zu seinem Schwiegervater und fragte: „Wie lange werden wir noch brauchen?“ Nan´Doraan kniff seine Augen zusammen und deutete nach vorne: „Dort hinten kannst du bereits das Ziel unserer Wanderung erkennen.“ Valand folgte seinem Blick, doch vor ihm erstreckte sich die weite weiße Ebene, so wie bisher. Für einen langen Moment strengte er seine Augen an, bevor er zugab: „Ich kann nichts erkennen.“ „Spätestens in einigen Minuten wirst du es auch sehen“, versetzte Nan´Doraan. „Wenn man weiß, wonach man zu suchen hat, dann ist es einfacher.“ Valand nickte und vertraute darauf, dass sein Schwiegervater sich keinen Scherz mit ihm erlaubte. Dabei klangen die ernsten Worte von Varinea wieder in ihm auf. Er hatte auf der Fahrt zum Tharan-Gebirge eine ernste Unterhaltung mit seiner Mutter geführt und ihr eindringlich klar gemacht, was die andorianische Tradition von ihr erwartete. Zu seiner Beruhigung hatte sie ihm ihr Wort gegeben, dass sie selbst seinem Vater gegenüber diese Tradition achten würde, was eine ziemliche Erleichterung für ihn gewesen war. Nach einer Weile glaubte er etwas zu erkennen, eine seltsam regelmäßige Struktur, auch wenn sie zunächst sehr undeutlich blieb. Doch fast mit jedem Schritt wurde ersichtlicher, dass er sich nicht getäuscht hatte. Etwas zog sich über die gesamte Breite der Ebene, und Valand wurde klar, dass dies die legendäre Mauer der Helden sein musste. Während sie darauf zu marschierten bemerkte Valand, dass er die Entfernung zu dieser Mauer bei weitem unterschätzt hatte. Und ihre Größe... In Gedanken hatte er mit einer Mauerruine aus Stein gerechnet, doch das was er nun zu sehen bekam und sich immer wuchtiger vor ihm auftürmte, raubte ihm schlicht den Atem. Er hatte auf der Erde schon einmal die Chinesische Mauer gesehen, doch selbst sie war nicht vergleichbar mit dem, was sich seinen Augen hier bot. Bis zu beiden Seiten des Horizonts erstreckte sich ein Wall der, wie Valand Kuehn jetzt erkennen konnte, aus gewaltigen, regelmäßigen Eisblöcken bestand. Eine weiß glitzernde, mindestens 12 Meter hohe Mauer, mit etwas vor ragenden, runden Wachtürmen, welche noch einmal um mindestens vier Meter höher waren, als die Mauerkrone selbst, und sich im Abstand von etwa einem Kilometer zu einander befanden. Vom Boden aus schien sie sich, im Profil, etwas nach oben zu verjüngen. Wie breit diese Mauer aus Eis war, das konnte er nur erahnen, doch Valand ging davon aus, dass es mehrere Meter sein mussten. Die Eisblöcke wirkten seltsam glatt geschliffen. Valand stellte Vermutungen darüber an, ob der eisige Wind, der normalerweise hier herrschen sollte, daran seinen Anteil haben mochte. Wie auch immer, dies war das gewaltigste Bauwerk, welches Valand je zu Gesicht bekommen hatte, noch dazu aus purem Eis. Erst als Sarah-Marie Valand ihre behandschuhte Rechte auf die Schulter legte, und ebenso fasziniert zu dem Bauwerk empor starrte, wurde er sich wieder bewusst, dass er nicht allein hier war, und dass sie aus einem bestimmten Grund hierher gekommen waren. Valands Mutter deutete auf einige blutrote Bänder, die in Augenhöhe, an metallenen Haken in das Eis der Mauer getrieben worden waren und sanft im Wind flatterten. Darauf gestickte, andorianische Schriftzeichen waren darauf zu erkennen. „Was ist das?“, fragte sie neugierig zu Nan´Doraan gewandt. „Dieser Teil der Mauer ist Ehepartnern vorbehalten. Diese Bänder aus andorianischer Seide tragen die Namen der Verheirateten und das Jahr ihres Bundes mit einander. Sie bleiben an der Mauer, bis sie zerfallen. Man hat schon Bänder gefunden, deren Jahreszahl besagt, dass sie einige Hundert Jahre alt sind. Auch ich werde heute ein solches Band mit den Namen unserer Kinder dort hinein treiben, und es soll ihnen Glück bringen. Varinea hat es angefertigt, auch das ist Tradition.“ Sarah-Marie nickte gerührt. Ahy´Vilaras Vater fuhr fort: „Doch zunächst wird der traditionelle Segen der Eltern gesprochen. Sie haben die Verse gelernt, die ich Ihnen zur Erde gesandt habe?“ „Ja, und ich habe mir dabei fast die Zunge gebrochen“, erwiderte Valands Mutter. Nan´Doraan grinste beinahe schadenfroh als er meinte: „Sie schaffen das.“ Dann dirigierte er seine Tochter und seinen Schwiegersohn an eine bestimmte Stelle der Mauer, nahm ihre Hände und legte sie in traditioneller Weise über einander. Danach förderte er das handbreite, etwa Armlange, rote Seidenband aus seiner Tasche, auf dem, mit goldener Schrift, die Namen der beiden Brautleute stand und wickelte es um die Hände der beiden jungen Leute. Auf sein Zeichen trat Sarah-Marie zu Nan´Doraan, der mit dem ersten Teil des Segens begann. Jedes Mal, wenn er die Mutter Valands ansah, setzte sie ein und sprach ihren Teil des Segens, bei dem sie nur an einer Stelle unmerklich zögerte. Zwar sprach sie gelegentlich einen seltsamen Dialekt, wie Nan´Doraan fand, aber insgesamt erledigte sie ihre Aufgabe sehr gut. Weit besser, als er vorher angenommen hatte. Sichtlich zufrieden sprach er die abschließenden Worte und nickte dann Sarah-Marie zu, die nun ihre Tränen der Rührung nicht länger zurück halten konnte, damit sie das Band von den Händen der Brautleute löste. Die Frau reichte das Band an Nan´Doraan weiter und wischte sich schnell die Tränen ab, die bei der herrschenden Kälte bereits teilweise gefroren waren. Mit dem Band in der Linken, schritt der Andorianer zu Valand und legte ihm seine Rechte auf den Kopf, wobei er leise sagte: „Willkommen in meinem Clan, mein Sohn.“ Wieder musste sich Sarah-Marie einige Tränen der Rührung fort wischen, während sie Nan´Doraan dabei beobachtete, wie er einen Haken und einen Eispickel aus seiner Jackentasche nahm, und das Band, neben all den anderen, in die Mauer der Helden trieb. Als er den Eispickel schließlich wegsteckte leuchtete so etwas wie Vaterstolz in seinen Augen. Einen, in dunkelblaues Tuch, eingewickelten Gegenstand unter seiner Jacke hervor holend, schritt er zu Valand und überreichte ihn an den jungen Mann, der nun offiziell dem Clan seiner Familie angehörte und sprach: „Dies ist das Nelaan-tor, ein traditionelles Kurzschwert aus alten Tagen, welches vom Brautvater, an den Mann seiner ältesten Tochter weitergegeben wird. Trage es mit Achtung, mit Ehre und mit Stolz.“ Valand Kuehn schluckte, sichtlich ergriffen, bevor er mit fester Stimme antwortete: „Das werde ich... Vater.“ Es fiel ihm nicht leicht, jemand anderen als Gero Kuehn seinen Vater zu nennen, doch dies gehörte zu den traditionellen Worten. „Und ich werde deine Tochter ehren, ihr treu sein, und sie stets mit Achtung und Respekt behandeln.“ Zum Abschluss der Zeremonie legte Nan´Doraan Valand seine rechte Hand auf die rechte Schulter und blickte ihn ernst an. Etwas abseits der Tradition sagte der Andorianer sehr leise: „Wage es nicht, Dein Versprechen nicht zu halten.“ „Ich werde es halten“, versprach Valand und hielt dem Blick des Andorianers stand. Nun trat auch Sarah-Marie zu den Brautleuten und beglückwünschte beide, wobei sie es sich nicht verkneifen konnte, ihre Schwiegertochter herzlich in die Arme zu nehmen. In dem Moment, in dem sie aufbrechen, und sich auf den Rückweg machen wollten, rissen die dichten Wolkendecken auf, und gaben den Blick auf den Gasplaneten Andor frei, der beinahe im Zenit stand. Es war ein überwältigender Anblick. Nur wenige Minuten dauerte dieses Schauspiel, bevor sich die Wolkendecken wieder über einander schoben, und einen weiteren Ausblick auf den Himmel verhinderten. „Heute ist wirklich ein besonderer Tag“, erklärte Nan´Doraan wobei er etwas abwesend schien. „Denn es geschieht in dieser Gegend nicht sehr oft, dass die Wolkendecke mal aufreißt.“ Dann mahnte er zur Eile. Wie es der Andorianer vorausgesagt hatte, wurden die Wolken dichter und dunkler, als sie auf dem Rückweg waren. Auch der Wind frischte auf und feine Eiskristalle schnitten ihnen, wie winzige Messer, ins Gesicht. Gerade rechtzeitig, bevor der sich entwickelnde Blizzard, über ihnen war, erreichten sie den Einstieg hinunter zur Röhrenbahn, und die Vier waren erleichtert, als sie sich wieder auf der Rückfahrt nach Ivari befanden.   * * *   Den gesamten Morgen schon standen Varinea und Gero in der Küche, um das Essen für die Heimkehrer und einen besonderen Gast, der laut der Andorianerin erwartet wurde, vorzubereiten. Entgegen seiner Worte am Vortag schaffte es Valands Vater einigermaßen, sich an den Vorbereitungen zu beteiligen, ohne die Küche in ein Feld der Verwüstung zu verwandeln, auch wenn zwei etwas kostbarere Teller dabei zu Bruch gingen. Das zweite Mal, als es aus Richtung des Botschafters klirrte, meinte Varinea lediglich launig, dass dies nicht noch öfter passieren sollte, damit sie das Essen nicht in Eimern würde servieren müssen. Nach dieser versteckten Kritik gab sich Gero Mühe kein weiteres Kristallgeschirr zu zerschlagen, und es blieb bei dem Verlust von zwei Tellern. Zunächst hatte er bei den Zutaten, wie Fledermaus-Fleisch für das Ragout, so seine Bedenken gehabt. Nun, da die Speisen beinahe fertig waren, und ein köstlicher Duft durch das Haus zog, revidierte er seine bisherige Meinung bezüglich der andorianischen Küche, während sie sich an das Aufräumen der Küche machten. Danach begaben sie sich daran, den Tisch im Speiseraum zu decken, und fragend blickte Gero zu Varinea als sie die sieben Gedecke vorbereitete. Die Andorianerin lächelte bei dem fragenden Blick des Mannes und erklärte: „Es kommt nur selten vor, dass ein Gast zugegen ist. Meine Tochter hat ihn eingeladen, um Valand eine Freude zu machen. Er befindet sich zufällig auf Andoria.“ „Ach“, machte Gero. „Darf ich fragen wer dieser Gast ist?“ „Der Sohn einer Familie, die im weitesten Sinne zu demselben Clan gehört, wie die, meines Mannes.“ Dabei beließ es die Andorianerin, und Gero beschloss nicht weiter in sie zu dringen, was diesen Gast betraf. Er würde ja bald sehen, wer es war. Eine Weile deckte er den Tisch, wobei ihm Varinea erklärte, wo was hin kam, bevor er schließlich fragte: „Wäre es ungehörig von mir, wenn ich Ihnen das Du anbieten würde?“ Varinea blickte lächelnd auf und sagte bestimmt: „Ja, das wäre es.“ Gero blickte etwas erstaunt drein, während sich das Lächeln der Andorianerin vertiefte, und sie erklärte: „Auf Andoria halten wir es, in dieser Hinsicht, nicht anders als die Menschen der Erde. Das bedeutet: Der ältere bietet das Du an. Valand sagte uns, dass Sie, nach Föderationsstandard, gerade fünfzig Jahre alt sind, und Ihre Frau noch etwas jünger ist.“ „Das stimmt, aber...“ „Als die Sternengötter meinem Mann und mir Ahy´Vilara zum Geschenk machten, da war ich, nach Föderationsstandard, dreißig Jahre alt, Gero“, erklärte die Andorianerin schnell. Der Botschafter blickte Varinea überrascht an. Dann meinte er: „Ich hätte sie bestenfalls auf Mitte Vierzig geschätzt, und auch das nur, weil ich weiß, wie alt Ahy´Vilara ist.“ Ein Schmunzeln überflog das Gesicht der Andorianerin und ihre Antennen spreizten sich etwas zur Seite. „Ich bedanke mich für das Kompliment. Um die nächste Frage vorweg zu nehmen: Ich habe Ihnen das Du bisher nicht angeboten, weil es auf Andoria nur unter Mitgliedern desselben Clans üblich ist, und bei Brauteltern erst nach der Hochzeitszeremonie. Und zwar durch das Familienoberhaupt – in diesem Falle mein Mann.“ „Ich habe mich vor dem Flug hierher über die andorianischen Sitten und Gebräuche informiert, aber dazu gab es keinerlei Hinweise“, erklärte Gero. „Ich hoffe, ich war nicht unhöflich.“ „Nein, das waren Sie nicht“, beruhigte Varinea schnell. „Nicht alle Sitten und Gebräuche werden von Andorianern publik gemacht. Wirklich etwas über Andorianer lernen Sie nur von Andorianern. Und ich glaube, im umgekehrten Fall wäre es kaum anders.“ Gero lächelte erleichtert. „Da mögen Sie Recht haben. Ich bin sehr froh hier zu sein, und etwas mehr über ihre Spezies zu lernen. In meinem Beruf ist so etwas nicht verkehrt. Im übrigen bin ich der Meinung, dass Valand eine sehr gute Wahl getroffen hat. Ich muss gestehen, dass ich am Anfang Bedenken hatte, als ich von seiner Hochzeit mit einer Andorianerin erfuhr. Aber nachdem ich Ahy´Vilara kennen gelernt habe, bin ich der Meinung, dass beide sehr gut zu einander passen. Und zweifellos liebt Valand Ihre Tochter.“ „Wir hatten ganz ähnliche Bedenken“, gab Varinea freimütig zu. „Ihr Sohn macht jedoch einen sehr guten Eindruck auf mich. Und ich denke, auch auf Nan´Doraan, auch wenn er weniger Worte darum machen wird. Ahy´Vilara besitzt das, was man auf der Erde eine gute Menschenkenntnis nennt. Mein Mann und ich sind uns sicher, dass sie die richtige Wahl für sich getroffen hat.“ Die Andorianerin lächelte beinahe spitzbübisch und beschloss Gero etwas zu necken. „Aber wäre Ihnen nicht eine Risanerin lieber gewesen?“ Auf den Wangen und dem Hals des Botschafters bildeten sich vereinzelt rote Flecken. Er erinnerte sich ungut an die Worte, die er seiner Frau nach der Landung zu gerufen hatte. Dass Varinea diese Worte mitbekommen hatte war ihm peinlich. „Das war nur ein Scherz...“ Varinea lachte launig wobei sich ihre Antennen schnell zur Seite bewegten und wieder aufrichteten. „Entschuldigen Sie, aber ich konnte nicht widerstehen.“ Gero atmete erleichtert auf. Auch Valand besaß diese Art von Humor, mit dem er gelegentlich seine liebe Not hatte. Eindeutig ein Erbe seiner Mutter. Sie begaben sich wieder in die Küche, um nach dem Essen zu sehen. Kaum, dass sie damit fertig waren, alle Speisen in warmhaltende Schüsseln zu füllen und auf den Tisch des Speiseraums zu verteilen, kehrten Nan´Doraan und Sarah-Marie, zusammen mit ihren Kindern zurück. Gero stellte seiner Frau keine Fragen, da ihm Varinea die näheren Umstände einer traditionellen andorianischen Hochzeitszeremonie erklärt hatte, doch am Leuchten in ihren Augen erkannte er, dass es ein unvergessliches Erlebnis gewesen sein musste. Nun, vielleicht verliebte sich Valands vier Jahre jüngere Schwester Alana irgendwann in einen Andorianer. Leider war sie unabkömmlich gewesen war, da sich das Ausbildungsschiff der Sternenflottenakademie, auf dem sie gerade ihr Praxissemester absolvierte, im Taurus-Sektor aufhielt. In knapp einem Jahr war sie mit der Akademie fertig und dann würde auch sie hinaus zu den Sternen fliegen, was Gero jetzt schon bedauerte, obwohl er seine beiden Kinder darin bestärkt hatte, ihrem Fernweh nachzugeben, denn er selbst kannte dieses Gefühl nur zu gut. Doch daran wollte er jetzt nicht denken. Noch während sich Gero zu seiner Familie begab, kündigte der Meldekontakt Besuch an, und Nan´Doraan begab sich zur Tür. Verwundert wandte sich Valand an Ahy´Vilara: „Erwartet deine Familie Besuch?“ Seine Frau nickte lächelnd. „Ja einen besonderen Gast, der dir unbedingt zur Hochzeit gratulieren möchte. Als ich erfuhr, dass er zufällig auf Andoria weilt, habe ich ihn eingeladen.“ „Das klingt aber ziemlich spannend.“ Im nächsten Moment kam Nan´Doraan mit dem erwähnten Besucher herein. Es handelte sich, zu Valands Überraschung um einen athletischen, hochgewachsenen Andorianer, in der rot abgesetzten Uniform der Sternenflotte. Der Rankpin am Kragen wies ihn als Ensign aus. Valand kannte diesen jungen Mann, den er über drei Jahre nicht mehr gesehen hatte, und dessen Gesichtszüge sich ein wenig verändert hatten. „Tar´Kyren“, brachte Valand endlich hervor. Hoch erfreut über dieses Wiedersehen schritt er schnell zu dem Freund, in dessen blau-violetten Augen sich dieselbe Freude wiederspiegelte. Wie beim letzten Mal, als sie sich sahen, bevor er seinen Dienst auf der ALAMO angetreten hatte, umfasste er die Unterarme des Freundes, der dasselbe bei ihm tat. Danach ließ er los und beide umarmten sich herzlich. „Was machst du auf Andoria? Ich dachte, du würdest längst auf einem Schiff der Sternenflotte im All unterwegs sein. Und was ist aus deiner blauen Uniform geworden?“ „Viele Fragen auf einmal, mein Freund. Lass uns zuerst etwas essen, danach werden wir Zeit zum reden finden.“ Valand nickte, und warf Ahy´Vilara einen schnellen liebevollen Blick zu, während sie sich zu Tisch begaben. Er war hungrig, und auch etwas erschöpft von dem anstrengenden Marsch bei eisiger Kälte, deshalb aß er schweigend und mit Behagen. Seiner Mutter schien es ähnlich zu gehen, wobei Valand stolz darauf war, wie gut sie beim Marsch an der Oberfläche mitgehalten hatte. Andererseits hielt sie sich auch sehr fit, was sich heute sicherlich positiv ausgewirkt hatte. Auch sie entwickelte einen ordentlichen Appetit und griff, im Gegensatz zu sonst, noch ein zweites Mal zu. Nur Varinea, die ihren Mann kannte wie Niemand sonst, fiel auf, dass ihn etwas zu bewegen schien, etwas, das selbst Varinea nur schwer definieren konnte. Sie beschloss ihn später danach zu fragen, sobald sie unter sich waren. Hauptsächlich sprachen Tar´Kyren Dheran und Gero mit einander. Der Vater Valands war sehr interessiert daran, die Version des Andorianers zu hören, wie er und sein Sohn sich an der Akademie kennen gelernt hatten. Auch Ahy´Vilara und Valand beteiligten sich sporadisch an der Unterhaltung, wobei Ahy´Vilara besonderes Interesse an ihrem Ausflug nach Aspen zeigte. Nach dem Essen gesellte sich Ahy´Vilara zu ihren Eltern und Schwiegereltern, um Valand und Tar´Kyren die Gelegenheit zu geben, nach so langer Zeit etwas unter sich sein zu können, was beide ihr hoch anrechneten. Die beiden Freunde zogen sich in den Wintergarten des Hauses zurück, von dem aus man einen prächtigen Blick auf den Felsendom hatte. Dicht an der leicht gewölbten Fensterreihe blieben sie stehen und sahen sich einen Moment lang an, bevor Valand endlich sagte: „Ich freue mich, Dich wiederzusehen, Tar. Aus dem Jungen, den ich an der Akademie kennengelernt habe, ist ein Mann geworden. Aber sag einmal – du trägst nicht mehr das Blau der Wissenschaftlichen Abteilung?“ Der junge Andorianer grinste schief. Dann sagte er unumwunden: „Du hattest Recht, Valand. Einer meiner Ausbilder an der Akademie hat mir das, sehr geduldig, vor Augen geführt. Er sagte mir, ich könne wider allem kämpfen aber nicht wider meiner Natur. Es hat eine Weile gebraucht, bis ich begriffen habe, dass er Recht hat. Also habe ich mich dazu entschlossen, meine wissenschaftlichen Studien als Hobby weiterzuführen, und eine Karriere in Richtung Kommandoebene anzustreben. Eigentlich sollte die MIDWAY bereits vor knapp zwei Monaten im Sol-System sein, doch sie wurde bei einer Rettungsmission für einen romulanischen Frachter, in der Nähe der Romulanisch-Neutralen-Zone aufgehalten. Darum wird sie erst morgen Früh, auf dem Weg zur Erde, über Andoria erscheinen, und dann trete ich dort meinen Dienst als Taktischer Offizier an.“ „Du also auch“, lachte Valand und zwinkerte seinem Freund vergnügt zu. „Da sind wir beide nun so verschieden und irgendwie doch so gleich. Aber erzähl doch mal, was aus den Anderen geworden ist? Wie geht es Alev?“ Das Gesicht des Andorianers verschloss sich und seine Antennen bogen sich nach Innen, bei der Erwähnung des rigelianischen Mädchens. Im Jahr 2358 waren sie, nach einer leidenschaftlichen Nacht, in Aspen, ein Paar geworden. Doch im Moment kam es dem Andorianer so vor, als würde diese Zeit bereits Jahrzehnte zurück liegen. „Alev und ich sind längst nicht mehr zusammen, Valand.“ „Was ist denn passiert?“ Tar´Kyren seufzte schwach – etwas das er sicherlich nicht getan hätte, wäre jemand anderes, als Valand in seiner Nähe gewesen. „Ich glaube, es ist besser, wenn ich gleich alles zusammenfasse, was sich seit deinem Abgang von der Akademie, in dieser Hinsicht ereignet hat. Nun, am Anfang des zweiten Jahres war alles in bester Ordnung, und wir hatten eine tolle Zeit. Bis zu jenem Tag, als man mir die Mitgliedschaft in der RED SQUAD anbot. Natürlich lehnte ich ab, du weißt ja, was ich von der Existenz dieses Sondervereins halte. Als Alev davon erfuhr, war sie völlig außer sich, und sie bekniete mich beinahe, es mir doch noch einmal zu überlegen. Aber von meiner Seite aus gab es da nichts zu überlegen. Alev hat das anscheinend als einen Affront angesehen. In der Folgezeit haben wir fast nur noch mit einander gestritten. T´Rian und John haben versucht zu vermitteln, aber in dieser Hinsicht zeigte sich Alev unglaublich stur.“ „Na komm, du bist in dieser Hinsicht auch nicht von Pappe“, warf Valand ein. „Stimmt!“, knurrte Tar´Kyren. „Aber ich gebe es wenigsten zu. Zum Frühsommer 2359 krachte es dann richtig. Ein Wort gab das andere – und als ich sie wütend fragte, warum sie eigentlich noch mit mir zusammen sei, platzte ihr dann endgültig der Kragen, und sie erklärte unsere Beziehung für beendet.“ Valand blickte seinen Freund erstaunt an. „Wow - das hätte ich nicht gedacht. War denn da gar nichts mehr zu machen?“ Die Antennen des Andorianers bogen sich nach hinten bei dieser Frage. Dann sagte er mit belegter Stimme: „Kann schon sein.“ Valand Kuehn, der merkte, dass dem Freund die Frage nicht gerade angenehm war, hakte neugierig ein: „Aber...?“ „Wir gingen uns zunächst bis zum Sommer aus dem Weg. Kurz nach den Semesterferien lernte ich dann eine andorianische Kadettin im zweiten Jahrgang kennen. Wir haben uns sofort verstanden, zunächst nur auf kameradschaftliche Art und Weise. Möglicherweise hat Alev das seinerzeit falsch aufgefasst. Zumindest ging sie mir aus dem Weg. Nach einer Weile spürte ich dann, dass zwischen Inari und mir mehr war, als bloße Freundschaft, und so kamen wir zusammen, was dann auch zum freundschaftlichen Bruch zwischen Alev und mir führte. Zumindest zog sie sich ganz von mir zurück. Natürlich habe ich ihr im Sommer des Folgejahres, zum erfolgreichen Abschluss der Akademie gratuliert, und wir haben uns auch kurz mit einander unterhalten. Aber irgendwie fand ich auch da nicht wirklich Zugang zu ihr. Bis heute haben wir einander nicht mehr gesehen. Ich hoffe nur, dass ich die Gelegenheit erhalten werde, später irgendwann einmal in aller Ruhe mit ihr über all das zu reden.“ Valand nickte nachdenklich. „Und ich dachte, ihr würdet zusammen bleiben. Nun, dann bist du also mit einer Andorianerin zusammen?“ „Das kann man so nicht sagen“, antwortete sein Freund und erneut legten sich seine Antennen an. „Zunächst verlief die Beziehung mit Inari sehr harmonisch, wenn auch gelegentlich etwas turbulent. Doch sie entwickelte mit der Zeit die unangenehme Eigenschaft, mich immer mehr ausschließlich für sich vereinnahmen zu wollen. Die Freundschaft zu John, T´Rian und Elisabeth war und ist mir sehr wichtig, doch wenn es nach Inari gegangen wäre, dann hätte ich meine Zeit ausschließlich mit ihr verbracht. Besonders auf Elisabeth war sie geradezu krankhaft eifersüchtig, obwohl es gerade dazu keinerlei Veranlassung gab. Schließlich konnte ich das einfach nicht mehr ertragen, besser gesagt, ich wollte es nicht mehr ertragen, und habe mit Inari, letztes Jahr im Spätsommer, Schluss gemacht.“ „Also bist du momentan solo?“ Tar´Kyren räusperte sich und Valand verdrehte die Augen und meinte: „Okay, also heraus damit, was danach geschah.“ Nur sehr langsam richteten sich Tar´Kyrens Antennen wieder auf, während er weiter erzählte: „Na, schön. Zunächst hatte ich erst einmal genug von Mädchen und habe mich ganz auf den Unterrichtsstoff konzentriert. Tearena Dral, die Tellaritin auf unserer Stube, die während dieser Zeit ebenfalls Beziehungsstress hatte, schloss sich, nachdem Elisabeth im Sommer die Akademie abgeschlossen hatte, immer öfter John, T´Rian und mir an.“ Der Andorianer hob lachend seine Hände, als er das geradezu erschrockene Gesicht des Freundes bemerkte und erklärte schnell. „Hey, da ist nichts gelaufen. Wir waren dann oft zu viert unterwegs, und ich muss sagen, als Kameradin ist Tearena gar keine so üble Type, wenn man sich erst einmal an ihre Art gewöhnt hat. Bis zu den Semesterferien lief also nichts in Sachen Mädchen. Auf dem Heimflug zu den Wintersemesterferien ist es dann passiert: Ich habe sie getroffen!“ „Du hast sie getroffen?“, echote Valand etwas konsterniert. „Hat sie auch einen Namen, oder ist es einfach nur sie?“ „Ich erzähle es dir ja“, beruhigte Tar´Kyren den Freund. „Sie ist eine Frau von der Erde, genauer gesagt stammt sie aus Irland. Ihr Name ist Christina Carey und sie ist Lieutenant bei der Sternenflotte. Allein, wie wir uns kennenlernten war schon komisch. Stell dir vor, das Passagierschiff, auf dem ich eingecheckt hatte war komplett ausgebucht, aber der Captain des Schiffes hatte Mitleid als sie kurz vor dem Abflug des Schiffes an Bord erschien, und darum bat unbedingt mitgenommen zu werden. Und da ich ebenfalls zur Sternenflotte gehöre hat er sie mit in meinem Quartier untergebracht. Gepasst hatte mir das anfangs gar nicht, aber wir haben uns arrangiert. Es stellte sich während des Fluges heraus, dass sie archäologisch beschlagen ist, und ein Team von Wissenschaftlern unterstützen sollte, das in der südlichen Eiswüste von Thlanek nach der versunkenen Eisstadt, Kharon-Dhura suchte. Ich bot ihr spontan meine Hilfe an, da ich bereits oft in dieser Gegend gewesen bin. Und natürlich auch, weil ich selbst stark davon fasziniert war. Die Suche erwies sich zunächst als mühsam und nicht sehr erfolgreich. Lediglich eine Spalte unter das Eis fanden wir. Nachdem das Team es ablehnte jemanden dort hinunter zu lassen, beschloss Christina es auf eigene Faust zu versuchen, und sie musste mich nicht lange überreden mitzumachen. Wir machten uns also an den Abstieg und wir fanden tatsächlich einen verschütteten Zugang. Es gelang uns ihn freizulegen und folgten ihm. Bis zu einer Höhle, in der wir uns schließlich erschöpft schlafen legten. Bereits auf dem Weg dorthin wäre Christina nach einem Sturz in eiskaltes Wasser, beinahe erfroren. Doch es gelang mir, sie zu retten. In dieser Nacht ist es passiert, Valand. Schon während des gesamten, abenteuerlichen Weges nach Kharon-Dhura, hatte es mächtig zwischen uns geknistert, und als wir in den beiden mit einander verbundenen Schlafsäcken nackt und dicht an einander gedrängt lagen, da nur noch Körperwärme eine Unterkühlung Christinas verhindern konnte, da kam es über uns und wir liebten uns. Noch niemals zuvor habe ich so intensive Gefühle für eine Frau empfunden, wie für Christina. Und sie ist nicht nur höchst intelligent, Valand, sie ist auch sehr hübsch.“ Valand, der atemlos zugehört hatte, drängte den Freund: „Wie sieht sie denn aus? Und habt ihr die Eisstadt gefunden?“ Ihr Gesicht ist sinnverwirrend schön, Valand. Ihre Augen besitzen eine blau-graue Färbung, und erinnern an eine stürmische See auf der Erde. Ihre Figur ist hochgewachsen, schlank und trotzdem sehr fraulich. Ihr langes, schwarzes Haar glänzt wie andorianische Seide. Valand, ich wollte ich wäre ein Dichter, sie zu beschreiben.“ Er machte eine kleine Pause, bevor er mit leuchtenden Augen fortfuhr: „Als wir erwachten, fiel seltsamerweise Licht in die gewaltige Höhle, und wir erkannten, dass wir direkt am Eingang nach Kharon-Dhura übernachtet hatten, und die Eisstadt genau vor uns lag. Christina hatte offensichtlich niemals am Erfolg der Suche gezweifelt, denn wie sich herausstellte, hatte sie doch tatsächlich, während der gesamten abenteuerlichen Exkursion eine Flasche Champagner mitgeschleppt.“ „Das klingt wirklich nach einer sehr interessanten Frau“, meinte Valand Kuehn, nachdem Tar´Kyren geendet hatte. „Ich hoffe für dich, dass du mit ihr mehr Glück hast, als mit deinen bisherigen Freundinnen, und denen, die es werden wollten.“ „Ich auch“, lachte der Andorianer. „Im Moment bin ich einfach glücklich, dass ich mit ihr zusammen bin, auch wenn wir uns viel zu selten sehen, für meinen Geschmack. Erst vor zwei Wochen haben wir uns hier auf Andoria von einander verabschiedet. Schade, dass du sie so knapp verpasst hast, ich hätte sie dir gerne vorgestellt.“ „Irgendwann werde ich sie sicherlich kennenlernen.“ Tar´Kyren nickte und sagte dann, während sich seine Antennen schnell zur Seite und wieder nach oben bewegten: „Und nun bist du dran, mein Freund. Jetzt möchte ich ganz genau erfahren, wie du es geschafft hast, die zweithübscheste Frau dieser Galaxis kennen zu lernen, und ihr Herz zu gewinnen...“   * * *   Als sich die beiden so ungleichen Freunde später wieder zu den Übrigen gesellten, meinte Ahy´Vilara launig: „Habt ihr beiden nun endlich alle wichtigen Geheimnisse unter einander ausgetauscht?“ „Gerade mal die nötigsten“, versetzte Valand trocken, und wandte sich dabei an seinen Freund: „Du hast gar nichts von Sylvie erzählt. Habt ihr euch vertragen?“ „Wir sind immer noch per Sie.“ „Ihr habt sie doch nicht mehr Alle“, meinte Valand mit echtem Ärger in der Stimme. „Ihr beide hattet zwei Jahre Zeit euren Zwist beizulegen. Das ist mir wirklich zu hoch.“ Die Antennen des jungen Andorianers bogen sich leicht nach Innen. „Lass uns von etwas anderem reden, bitte.“ „Darum möchte ich auch bitten“, meinte Ahy´Vilara gespielt ernst. „Sonst wird Valand heute noch von mir genötigt, das Ushaan-tor einzuweihen, dass du ihm zu Akademiezeiten geschenkt hast.“ „Danach steht mir nicht wirklich der Sinn“, meinte Valand und zwinkerte dabei seiner Frau zu, wobei er sich ein wenig über die etwas ratlose Miene des Freundes amüsierte. Danach fragte er Tar´Kyren ablenkend: „Wann kommt die MIDWAY über Andoria an?“ „Morgen in den ersten Stunden des Tages.“ Das Gesicht des Andorianers drückte eine Mischung aus Traurigkeit und gespannter Erwartung aus. „Ich freue mich darauf, meinen Posten anzunehmen, doch jetzt, wo wir uns endlich einmal wiedersehen, wünschte ich, das Schiff wäre erst in einigen Tagen erschienen.“ Valand nickte. „Ja, das wäre nicht verkehrt gewesen. Versprich mir, dass wir in Verbindung bleiben werden, Tar. Und wenn es mit Christina ernst werden sollte, dann erwarte ich, dass du mich zum Trauzeugen bestimmst.“ Die Antennen des Andorianers spreizten sich und er antwortete entschieden: „Worauf du dich verlassen kannst, mein Freund. Wenn es nach mir geht, dann wird es nicht sehr lange dauern, bis es soweit ist.“ Valand lächelte, ob der Ungeduld seines Freundes. „Nur die Ruhe, Tar. Du bist gerade einmal zwanzig Jahre alt. Ein wenig Zeit bleibt dir also noch.“ Tar´Kyren erwiderte verdrießlich: „Genau das hat meine Mutter vor wenigen Tagen auch gesagt. Habt ihr euch vielleicht abgesprochen? Ich weiß, sie ist die Richtige, Valand. Ich spüre es einfach.“ Valand, der um die empathischen Fähigkeiten seines Freundes wusste, nickte nachdenklich, bevor er meinte: „Das glaube ich dir, und ich hoffe es wird funktionieren.“ Tar´Kyren blickte von Valand zu Ahy´Vilara. „Ich freue mich, dass es zwischen euch beiden funktioniert.“ Zu Valands Frau sagte er dann: „Du bist ja bei ihm, auf seinen Missionen, darum bitte ich dich, gut auf meinen Freund aufzupassen.“ „Du meinst, gut auf meinen Mann aufzupassen“, erwiderte die Andorianerin grinsend, und ihre Antennen bewegten sich dabei schnell zur Seite und wieder noch oben. Ahy´Vilaras Mutter war es schließlich, welche die drei jungen Leute in die Unterhaltung der übrigen Anwesenden mit einbezog. Viel zu schnell schien die Zeit zu vergehen, bis Tar´Kyren Dheran sich verabschieden musste, und nachdem sich die Freunde, am Hauseingang, von einander verabschiedet hatten, sagte Valand zu Ahy´Vilara: „Ich hoffe, wir werden uns immer so nahe stehen, wie heute. Es ist seltsam, aber Tar ist mir so vertraut, als würden wir uns bereits ein Leben lang kennen.“ Ahy´Vilara blickte in die Augen ihres Mannes und antwortete leise: „Ich beneide euch beide fast ein wenig um diese Verbundenheit.“ Valand zog die Andorianerin in seine Arme und streichelte sanft ihre Wange. „Das musst du nicht, denn zu dir fühle ich eine Verbundenheit, die weit über allem anderen steht.“ Sie küssten sich, bevor sie wieder zu ihren Eltern in den Wohnraum gingen.   * * *   Nachdem sich alle zurückgezogen hatten, und Varinea Thren in den Armen ihres Mannes, unter der Bettdecke, eng an ihn geschmiegt lag, blickte sie sinnend sein nachdenkliches Gesicht in der Dunkelheit an, und sagte leise: „Ich sehe, dass dich immer noch zu beschäftigen scheint. Möchtest du mir davon erzählen?“ Nan´Doraan blickte seine Frau an. Im Dunkel glitzerten ihre Augen, wie Edelsteine. Eine Weile schwieg er, doch dann sagte er offen: „Es gab ein Zeichen, Varinea. Als wir bei der Mauer der Helden waren, öffnete sich der Himmel, und Andor blickte auf seinen Mond.“ Für einen Moment blickte Varinea erschrocken, bevor sie trotzig antwortete: „Ich glaube nicht an diese altertümlichen Omen, Nan´Doraan. Es war ein reiner Zufall, und es bedeutet überhaupt nichts. Ein zufälliges Wetterphänomen, weiter nichts.“ Ihr Mann lächelte aufmunternd, und verbreitete dabei eine Zuversicht, die er nicht empfand. „Sicherlich hast du recht, meine Eisblume. Es war lediglich ein Zufall.“ Er zog seine Frau sanft in seine Arme und meinte flüsternd. „Lass uns jetzt schlafen.“ Varinea lächelte zustimmend, kuschelte sich an ihn und schloss, so wie er seine Augen. Doch Schlaf fanden beide erst viele Stunden später...   * * *   Einige Zimmer weiter blickte Valand, nachdem er seine Abendtoilette beendet, und sich, nur mit einer Pyjamahose bekleidet, auf das breite Lager gelegt hatte, gespannt in Richtung des Badezimmers. Ahy´Vilara hatte ihm gesagt, sie wolle ihn mit etwas ganz speziellem überraschen. So fragte sich der junge Mann nun, was es wohl sein würde und ob Ahy´Vilara sich etwa Reizwäsche besorgt haben mochte, oder ähnliches. In Gedanken malte er sich aus, wie sie darin wohl wirken würde, und er stellte sich dabei die verschiedensten Variationen und Farben vor. Allein bei diesen Vorstellungen durchrieselte ihn ein wohliger Schauer, und er dankte in Gedanken seinen Schwiegereltern, dass dieses Zimmer am entgegengesetzten Ende von deren eigenen Schlafraum lag. Immer ungeduldiger werdend wartete er auf seine Frau, und als sie dann endlich das Zimmer betrat, da wurden seine Augen immer größer. Er versuchte eisern sich zu beherrschen doch es gelang ihm nicht. Seine Mundwinkel begannen verräterisch zu zucken und einen Moment später lachte er unterdrückt, wobei Tränen über seine Wangen rannen. Ahy´Vilara, die einige Tage zuvor auf Federation-Skynet einige historische Informationen über traditionelle irdische Gewänder für Hochzeitsnächte abgerufen hatte, blickte Valand, der sich gar nicht beruhigen wollte, mit immer finsterer werdender Miene an. Sie hatte extra einen Kurierdienst damit beauftragt, dieses spezielle Nachthemd, welches bis zum Boden reichte, und sowohl unten, als auch an den langen Ärmeln und am hochgeschlossenen Kragen, mit Rüschen versehen war, nach Andoria zu senden. Die Farbe des blickdichten Gewandes war ein sanftes Rosa, und sie fand, dass es sehr gut zu ihrem Teint passte. Offensichtlich war Valand in dieser Hinsicht anderer Meinung. Nachdem Valand unter heftigen Lachattacken mehrmals versucht hatte etwas zu sagen, japste er schließlich heiser: „Woher hast du denn dieses absolut seltene Stück? Das ist ja herzallerliebst...“ „Ich weiß nicht, was du daran so komisch findest“, fauchte Ahy´Vilara giftig. „Bei meinen Recherchen...“ „Bist du in eine fünfhundert Jahre zu frühe Epoche gerutscht, mein Schatz“, beendete Valand den Satz seiner Frau wobei er den Lachanfall endlich eindämmen konnte. „So? Nun vielleicht bin ich das. Aber das gibt dir noch lange kein Recht, mich einfach auszulachen. So lustig ist das Nachthemd wirklich nicht.“ Valand musste sich Gewalt antun, um nicht erneut loszulachen, als er mit Tränen in den Augen antwortete: „Doch, das ist es.“ „Wenn du meinst“, zischte Ahy´Vilara wütend, löschte per Sprachkommando das Licht, und schlüpfte schnell unter die Bettdecke, wobei sie ihrem Mann den Rücken zuwandte. Als Valand sanft ihre Schulter streicheln wollte, schubste sie wütend seine Hand weg und meinte: „Bleib, wo du bist.“ Überrascht blickte Valand im Dunkeln zu ihr und beobachtete sie dabei, wie sie, die Decke bis zu den Antennen heraufgezogen, darunter heftig rumorte. Nach einer Weile hob sie ihren rechten Arm und warf etwas schwungvoll in die Ecke des Zimmers. Dann wickelte sie die Decke straff um ihren Oberkörper und drehte sich auf den Rücken, wobei sie ihre Arme auf die Decke legte und wütend zur Zimmerdecke hinauf starrte. „Hey komm, Honey. Ich habe doch nicht dich ausgelacht. Aber das Nachthemd war einfach zum schießen.“ Von Ahy´Vilara kam keine Reaktion, außer dass sich ihre Antennen zitternd nach Innen bogen. Noch etwas sanfter meinte Valand dann: „Nun komm schon, rede gefälligst mit mir.“ „Du bist ein Schuft!“ Valand legte sich gemütlich auf die rechte Seite, stützte seinen Kopf auf die rechte Hand, und beobachtete schmunzelnd das beleidigte Gesicht seiner Frau. Normalerweise hätte er sich jetzt entschuldigt, aber im Moment ritt ihn der Teufel, und er meinte: „Woher hast du denn den Begriff? Klingt irgendwie nett, wie du das gesagt hast. Ich möchte fast wetten, du magst Schufte.“ Die Stimme der Andorianerin klirrte wie Eis, als sie erwiderte: „Nein!“ „Aber Männer von der Erde...?“ „Nein!“ „Norweger...?“ „Nein!“ Valand schluckte, und nun spürte er doch ein leises Magengrummeln. Er beugte sich zu ihr und fast flüsternd und ein wenig melancholisch fragte er dann: „Mich...?“ Ahy´Vilara blickte zu ihm und sein fragender Blick rührte sie an. Einige kurze Wimpernschläge lang schwieg sie, bevor sie sich zu ihm hin beugte, ihre Rechte in seinen Nacken legte, und ihn leidenschaftlich küsste. Erst nach einer geraumen Weile löste sie sich langsam von ihm. Valands Stimme klang erneut, leise lachend, auf: „War das ein JA?“ Die Bettdecke zurückwerfend, drückte sie ihn an den Schultern auf den Rücken, schwang sich rittlings auf ihn und packte sein Gesicht fest mit beiden Händen. Dann küsste sie ihn so leidenschaftlich und fordernd, dass ihm fast die Luft wegblieb. Als sie sich schließlich atemlos von ihm löste, gurrte sie heiser: „War das klar genug?“ „Das war ziemlich klar“, lachte Valand leise, während Ahy´Vilara zielstrebig seine Pyjamahose nach unten streifte. Nachdem sie ihn entkleidet hatte, zog er sie sanft zu sich heran und flüsterte: „Welch heiße Glut unter der Eisschicht.“ „Gefällt es dir nicht?“ Valand küsste seine Frau schnell, bevor er antwortete: „Doch, sehr sogar...“ Ahy´Vilaras Hand tastete sich nach unten und sie meinte schmunzelnd: „Oh ja, ich kann es deutlich fühlen.“ Valand gab ein wohliges Brummen von sich, und gab sich ganz den Zärtlichkeiten der Andorianerin, die er abgöttisch liebte, hin, wobei seine eigenen Hände ein Feuer über ihre Haut sandten, das sie leise seufzen ließ. Ahy´Vilara rutschte etwas tiefer, und als Valand in sie eindrang warf sie ihren Kopf nach hinten, bevor sie sich eng an ihn drängte und direkt in die Augen blickte. Heiser flüsterte sie: „Kuri´Fe na tarin, Valand.“ Valand, der mittlerweile genug Andorianisch verstand, blickte sie liebevoll an und erwiderte leise: „Und ich liebe dich, Ahy´Vilara.“ Dann küssten sie sich leidenschaftlich und begannen mit ihrem Liebesspiel... Kapitel 5: Sylvie LeClerc ------------------------- Persönliches Logbuch Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 38619.3   Viel zu schnell ist der Landurlaub vergangen und der Dienst auf der U.S.S. ALAMO hat Ahy´Vilara und mich wieder eingefangen. Wir liegen im Großhangar des Orbitalstützpunktes, über der Erde und warten auf unseren neuen OPS-Offizier. Vor wenigen Stunden erst hat Triple-C, im Beisein der gesamten Mannschaft, unseren scheidenden OPS-Offizier verabschiedet, und ein wenig empfinde ich Melancholie, da ich mich sehr gut mit ihm verstanden habe. Soweit Triple-C verlauten ließ, hat der Nachfolger zwar bereits vor einem Jahr die Akademie abgeschlossen, hatte aber einen schweren Unfall, der ihn fast ein Jahr lang Dienstuntauglich machte. Ein Neuling also. Ich hoffe für ihn, dass es ihm bei Triple-C besser ergeht, als mir damals, als ich auf die ALAMO kam. In fast allen Abteilungen des Schiffes herrscht hektischer Betrieb, da die ALAMO bereits in zwei Tagen zu ihrer Fünf-Jahres-Mission in den Beta-Quadranten der Galaxis aufbrechen wird. Darum hat der Captain unsere Schichten momentan von zehn auf zwölf Stunden heraufgesetzt. Dabei bin ich noch glimpflich weg gekommen, denn zusammen mit dem Ersten Offizier des Schiffes habe ich in den nächsten zwei Tagen Brückendienst und koordiniere den Ein- und Ausflug von Besucher- und Frachtshuttles. Ahy´Vilara ist in ihrer Abteilung voll eingespannt, und nach Dienst sind wir froh, wenn wir zur Ruhe kommen. Nach unserem Urlaub auf Andoria liebe ich sie mehr denn je, und mehr als jemals zuvor bin ich der festen Überzeugung, dass mir nichts Besseres im Leben passieren konnte, als sie kennen zu lernen. Ich bin ein sehr glücklicher Mann. Bereits vor einer halben Stunde wurde Ahy´Vilara von Alloran auf die Krankenstation gebeten, offensichtlich hatte es einen Unfall im Hangarbereich gegeben, und es war, bei einem der beteiligten Besatzungsmitglieder, ein Eingriff nötig, der ihre Anwesenheit erforderte. Auch ich werde nun aufbrechen und Commander Numo Tscharun ablösen.   * * *   Als Valand Kuehn die Brücke betrat, erhob sich der Commander, dessen Hautton fast einen Ton von Ebenholz besaß, geschmeidig aus dem Sessel des Captains und blickte dem jungen Lieutenant entgegen. „Sie sind mal wieder zu früh dran, Mister Kuehn.“ Das Augenzwinkern des Commanders zeigte Valand Kuehn, dass dies kein Vorwurf sein sollte. Überhaupt war Numo Tscharun ein sehr umgänglicher Typ, solange sich keiner seiner Untergebenen Nachlässigkeiten leistete. Seine Bewegungen waren, trotz seiner Körpergrüße von beinahe zwei Metern, zumeist sehr geschmeidig und besaßen etwas Raubtierhaftes. Tscharun wurde oft von einer stillen Heiterkeit beseelt, die sich darin äußerte, dass er oft unbewusst lächelte, was ihm bei der Mannschaft den Spitznamen „Der Fröhliche“ eingebracht hatte. Nur wenige Leute innerhalb der Flotte wussten, dass es auch eine ganz andere Seite an ihm gab, die sich jedoch nur in Krisensituationen zeigte. Valand nickte freundlich: „Auf dem letzten Drücker zu erscheinen liegt mir nicht, Commander, aber das wissen Sie ja bereits. Wie ist die momentane Lage, Sir?“ Tscharun lächelte. „Die Besuchershuttles habe ich alle von Bord geschickt. Wir benötigen jetzt die gesamte Hangarkapazität für die noch ausstehenden Nachschubgüter, die wir erwarten. So haben wir diese Plage schon einmal vom Hals. Momentan werden fünf Shuttles entladen. In Hangar 2 haben wir noch Platz für ein weiteres, danach heißt es erst einmal warten, bis eins der entladenen wieder startet. Das sollte jedoch kein Problem werden, da wir in den nächsten drei Stunden keine weiteren Shuttles erwarten. Was danach geschieht – nun, das fällt dann in Ihren Bereich, Lieutenant.“ Valand Kuehn nickte knapp. „In Ordnung, Commander. Gibt es sonst noch etwas?“ Numo Tscharun blickte kurz zum Schott des Bereitschaftsraumes von Triple-C, bevor er schmunzelnd antwortete: „Allerdings, Lieutenant. Unser neuer OPS-Offizier ist momentan beim Captain. Die junge Frau schlägt sich wacker – immerhin ist sie bereits seit fast zehn Minuten bei ihr, ohne dass es laut wurde. Damit hält sie sich besser, als Sie seinerzeit.“ „Erinnern Sie mich bitte nicht daran, Sir“, meinte Valand Kuehn grinsend. „Bereits nach zehn Sekunden wollte mir der Captain den Kopf abreißen.“ „Diesen Rekord werden Sie wohl noch etwas länger inne haben“, lachte der Commander und fügte dann hinzu: „Nichts für Ungut, Mister Kuehn.“ „Auf diese zweifelhafte Ehre würde ich ganz gerne ver...“ Kuehn unterbrach sich, als das Schott des Bereitschaftsraumes sich öffnete, und eine blonde Frau auf die Brücke eilte, gefolgt von einem schrillen: „Mhäm...?!“ welches Cianera Crel hinter ihr her heulte. „Ganz ungeschoren hat es noch keiner geschafft“, flüsterte der Commander Kuehn schnell zu, bevor er die Brücke verließ. Währenddessen musterte Valand Kuehn die junge Frau, und erstaunt stellte er fest, dass er sie kannte. „Sylvie, bist du es wirklich?“ Sylvie LeClerc, die auf der Akademie zusammen mit Valand in der RED-SQUAD gewesen war blickte zu ihm herüber und Freude zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Valand, schön dich wiederzusehen.“ Sie kam mit federnden Schritten auf ihn zu und reichte ihm die Hand. „Wie ich sehe, hast du es bereits zum Lieutenant geschafft.“ „Ja, aber erzähl mal - von welchem Schiff bist du hierher versetzt worden?“ Die nur 1,64 Meter große Frau verzog das Gesicht. „Von gar keinem. Direkt nach meinem Abschluss an der Akademie hatte ich einen Unfall, mit einem alten klapperigen Doppeldecker, den zu fliegen ich nicht widerstehen konnte. Du kennst ja meine Leidenschaft für diese alten Fluggeräte.“ Valand nickte, und blickte die junge Frau überrascht an. „Meine Güte, du machst vielleicht Sachen. Ich hoffe die Verletzungen waren nicht allzu schmerzhaft.“ „Na ja, ein doppelter Brustwirbelbruch ist nicht das reine Vergnügen“, erklärte Sylvie und machte dabei ein entsprechendes Gesicht. „Niemand hatte mich darauf hingewiesen, dass die alte Klapperkiste das Fliegen längst verlernt hatte.“ Dann hellte sich ihre Miene auf, und sie meinte vergnügt: „Als ich hörte, dass auf der ALAMO der Posten des OPS-Offiziers vakant ist, da habe ich mich sofort um den Posten beworben. Ich freue mich darauf, auf eine Fünf-Jahres-Mission gehen zu können. Das nenne ich Freiheit. Eine Mission, bei der man auf seinen eigenen Beinen stehen muss. Und dann war da natürlich noch die Aussicht, dich wiederzusehen.“ Sie zwinkerte Valand keck zu bevor sie meinte: „Ich werde nun meine Sachen einräumen und wenn du Dienstende hast, hole ich dich zum Abendessen ab.“ Damit wandte sie sich ab und marschierte zum Turbolift. Valand blickte ihr verblüfft hinterher bevor er schnell einwendete: „Moment mal, Sylvie, ich...“ „Ach was, bevor du allein in der Messe hockst, leiste ich dir Gesellschaft!“, rief sie ihm aus der Turboliftkabine zu. Noch während sich das Schott schloss schickte sie schnell hinterher: „Mache ich doch gern!“ Und weg war sie. Valand Kuehn blickte mit einem Anflug von Ratlosigkeit zum Lift, bevor er sich kopfschüttelnd abwandte. Dann würde er sie eben erst nach Dienstende enttäuschen und erklären, dass er bereits eine feste Verabredung zum Abendessen hatte – nämlich mit seiner Frau. Mit einem Lächeln bei dem Gedanken an Ahy´Vilara schritt er zu seinem Platz um den Status der aktuellen Entladevorgänge zu kontrollieren. Sie würde sich bestimmt freuen, eine ehemalige RED-SQUAD-Kameradin von ihm kennenzulernen.   * * *   Sylvie LeClerc war guter Dinge, als sie die Brücke des Schiffes verließ, und auf Deck-4 hinunter fuhr, wo ihr Quartier lag. Dabei erinnerte sie sich an ihre gemeinsame Akademiezeit mit Valand. Schon damals hatte sie ihn gemocht. Sylvie lächelte in Gedanken und verbesserte sich: Sehr gemocht. Gleich in der ersten Woche an der Akademie war ihr der verdammt gut aussehende RED-SQUAD-Kadett im dritten Jahrgang aufgefallen und sie hatte in der Folgezeit alles darangesetzt, es auch in die RED-SQUAD zu schaffen, was ihr mit Energie und Willenskraft schließlich auch gelungen war. Sie erinnerte sich an das Wochenende in Aspen, wenige Monate bevor Valand die Akademie abgeschlossen hatte, und etwas missmutig musste sie sich eingestehen, dass sie nicht mutig genug gewesen war, Valand bei dieser Gelegenheit zu gestehen, was sie für ihn empfand. Irgendwie hatte sie wohl gehofft, dass er es selbst merken und den ersten Schritt machen würde. Doch nichts dergleichen war geschehen, und so hatte er die Akademie verlassen, ohne dass sie eine weitere Gelegenheit bekommen hatte, mit ihm über ihre Gefühle zu reden. Als sie den Lift verließ lächelte sie bereits wieder. Die nächsten fünf Jahre konnte er ihr nicht entkommen, und es würde wohl mit dem Teufel zugehen, wenn diese lange Zeit nicht ausreichen sollte, ihn endlich für sich zu gewinnen. Ihr Herz schlug schneller bei diesem angenehmen Gedanken und beschwingt betrat sie ihr geräumiges Quartier an Bord der ALAMO. Sie blickte sich zufrieden um, streckte ihre Arme aus und drehte sich zweimal lachend im Kreis herum, bevor sie sich daran machte ihre Sachen zu verstauen, wobei sie fast jauchzend sagte: „Oh – oui, oui, oui Mademoiselle...“ Leise ein altes französisches Liebeslied singend verteilte sie ihre persönliche Habe auf zwei Kommoden, nachdem sie ihre Kleidung eingeräumt hatte. Einige Dinge brachte sie in das kleine Bad bevor sie sich endlich zufrieden auf die hell bezogene Couch im Wohnraum ihres Quartiers fallen ließ. Dies war schon etwas anderes, als das Krankenzimmer, in dem sie viel zu lange untätig hatte liegen müssen, oder das Zweimann-Quartier auf der Akademie. Sie schloss ihre Augen und dachte an den kommenden Abend. Captain Crel hatte sie erst für den Frühdienst eingeteilt. Sie sollte den XO und Valand auf der Brücke unterstützen, wenn es in die heiße Phase der Systemchecks ging. Und während der Mission würde sie dann den Mann in den sie verliebt war jeden Tag während des Dienstes auf der Brücke sehen. Das würde himmlisch werden. Eine Weile gab sich die Französin ihren Tagträumen hin, wobei sie die leise drängende Stimme der Vernunft, die ihr einflüsterte, dass es eine Menge Unbekannte in ihrer Rechnung gab, geflissentlich ignorierte. Was sollte schon groß schiefgehen? Immerhin sah sie gut aus, trieb eine Menge Sport und achtete auch sonst sehr auf ihre Figur. Darüber hinaus konnte sie Valand auch intellektuell das Wasser reichen, also würde es auch geistig eine ideale Verbindung für sie beide sein. Sie musste dem Schicksal nur etwas auf die Sprünge helfen, das war alles. Und das würde sie diesmal, das hatte sie sich fest vorgenommen. Sylvie LeClerc überlegte zwischenzeitlich, wie erstaunlich es eigentlich war, dass ihr Valand, während der letzten drei Jahre, in denen sie ihn nicht gesehen hatte, nicht aus dem Kopf gegangen war, und das, obwohl sie nicht gerade wie eine Nonne gelebt hatte. Dabei fügte sie etwas bitter in Gedanken hinzu: Bis auf das letzte Jahr. Doch vielleicht war gerade diese Phase ihres Lebens, als sie genug Zeit gehabt hatte, über alles, was ihr in ihrem Leben bislang widerfahren war, gründlich nachzudenken, nötig gewesen, um zu erkennen, wie sehr ihr Herz immer noch für Valand Kuehn schlug. Nun endlich erhielt sie ihre zweite Chance und die gedachte sie zu nutzen. Sie blickte hinüber zum Wandchronographen und seufzte schwach. In einer Viertelstunde hatte sie ihren Termin für die Antrittsuntersuchung auf der Krankenstation. Sie konnte im Moment keine Ärzte oder Praxen mehr sehen, doch es half nichts. In dieser Hinsicht ließ das Sternenflottenprotokoll keine Ausnahme zu. Also erhob sie sich schließlich von der Couch, prüfte ihr Aussehen kurz vor einem Wandspiegel, der zur Grundausstattung des Quartiers gehörte, und machte sich dann auf den Weg zu Deck-6. Unterwegs erwiderte sie freundlich die Grüße der Mannschaftsmitglieder, die ihr vereinzelt entgegen kamen. Die meisten von ihnen maßen sie taxierend, wie man es für Gewöhnlich tat, wenn man feststellte, dass es sich um einen Neuling an Bord handelte. Sylvie war klar, dass dies noch eine ganze Weile so anhalten würde, bis man sich an ihre Anwesenheit gewöhnt hatte. Gut gestimmt betrat sie die geräumige Krankenstation der ALAMO, wo zu dieser Zeit nicht sehr viel los war. Im Hintergrund erkannte sie eine Andorianerin, die mit dem Rücken zu ihr stand und sich eine Armverletzung, bei einem jungen Crewman ansah. Gerade, als Sylvie auf sich aufmerksam machen wollte, blickte die Andorianerin mit den auffallend kurzen Haaren über die Schulter zu ihr und sagte knapp: „Sie sind sicherlich Ensign LeClerc. Commander Veron sagte mir, dass Sie für heute Abend erwartet werden. Bitte haben Sie noch zwei Minuten Geduld, Ensign, dann bin ich mit diesem jungen Mann fertig und kann mich um sie kümmern.“ „Ja, sicher Lieutenant.“ Sylvie LeClerc lehnte sich gegen eines der Krankenbetten und sah der Andorianerin dabei zu, wie sie den Arm ihres Patienten mit einem Hautregenerator behandelte. Dabei fiel ihr ein goldener Ring auf, den sie am Ringfinger ihrer rechten Hand trug, was sie etwas erstaunte. Soweit sie wusste, trugen weder Andorianer, noch Andorianerinnen Fingerringe, und sie selbst hatte auch noch keinen getroffen bei dem dies der Fall gewesen wäre. Doch diese Andorianerin schien in dieser Hinsicht eine Ausnahme zu sein. Wie die Andorianerin gesagt hatte dauerte es keine zwei Minuten, bis sie die Behandlung abgeschlossen hatte. Mahnend meinte sie zu dem jungen Mann: „Bitte passen Sie zukünftig auf, dass sie zuerst prüfen, dass die ODN-Leitung, die sie austauschen wollen, wirklich vom Bordnetz getrennt wurde.“ „Ja, Ma´am.“ Der junge Mann verließ die Krankenstation und die Andorianerin wandte sich Sylvie LeClerc zu: „Nun zu Ihnen, Ensign. Willkommen an Bord. Ich bin Lieutenant...“ Die Andorianerin unterbrach sich, als eine zierliche, blonde Frau in blauer Uniform herein gelaufen kam und zu der Andorianerin sagte: „Alloran braucht dich dringend auf dem Hangardeck – es gab einen Unfall. Ich vertrete dich hier solange.“ Die Andorianerin nickte knapp und sagte zu Sylvie: „Entschuldigen Sie, Ensign.“ Damit schnappte sie sich die Notfalltasche und verschwand auf den Gang hinaus. Währenddessen wandte sich die blonde Frau in der blau abgesetzten Uniform nun an sie: „Kommen Sie, Ensign, ich führe die Routineuntersuchung an ihnen durch. Bitte legen Sie sich auf das Biobett und entspannen Sie sich. Ich bin Schwester Melanie Gerlach.“ Sylvie LeClerc nickte und machte es sich bequem, während Lieutenant Gerlach sich daran machte, die Untersuchung vorzunehmen. Dabei studierte die Schwester auf dem Medizinischen Display die Krankenakte der Französin und meinte: „Ihr doppelter Brustwirbelbruch ist gut verheilt, Ensign. Sie hatten wohl Glück im Unglück.“ „Das habe ich im letzten Jahr andauernd gehört“, seufzte Sylvie LeClerc. „Ich hätte gerne auf die Erfahrung, wie sich das anfühlt verzichtet.“ Melanie Gerlach lächelte verstehend. „Das kann ich mir denken.“ Sie nahm einige weitere Einstellungen vor und meinte nach einer Weile: „Ihre aktuellen Werte sehen sehr gut aus, Ensign, ich kann Ihnen beste Gesundheit bescheinigen. Lediglich ihre Adrenalinwerte sind geringfügig erhöht – aber das ist nach einem Antrittsbesuch bei Captain Crel nichts Ungewöhnliches, Miss LeClerc.“ „Ich schätze, Sie könnten anhand der Werte sogar bestimmen, wie lange ein solcher Besuch zurückliegt.“ „Zumindest ungefähr“, versetzte die Schwester und schmunzelte unterdrückt. Dann fuhr sie die Scannereinheit des Biobettes zurück und meinte: „Das war es schon, Ensign.“ Sylvie LeClerc atmete erleichtert auf, und erhob sich von der Liege. Melanie Gerlach, die alle aufgenommenen Werte am Hauptterminal in die Medizinische Datenbank des Schiffes übertrug wandte sich dabei wieder zu der Französin: „Ich hoffe, Sie gewöhnen sich schnell ein, Ensign.“ Sylvie LeClerc nickte optimistisch. „Ganz bestimmt, auf der Brücke habe ich einen alten Bekannten aus Akademietagen getroffen. Wir waren beide bei der RED-SQUAD.“ „Ah, Sie sprechen von Valand Kuehn.“ Sylvie nickte lebhaft. „Ja, ich denke, dass ich ihn heute Abend zum Abendessen abholen werde, um mit ihm über alte Zeiten zu plaudern.“ „Da werden Sie kein Glück haben, Ensign“, meinte die Schwester mit bedauernder Miene. „Der Lieutenant ist heute Abend, zusammen mit Commander Veron und meiner andorianischen Kollegin, Ahy´Vilara bei mir eingeladen.“ Sie bemerkte die leise Enttäuschung bei der Französin und schlug dann spontan vor: „Aber wissen Sie was? Kommen Sie doch auch ganz zwanglos. Immerhin ist es Ihr erster Abend an Bord, und es wäre bestimmt nett für sie, schon einmal einige von uns kennen zu lernen.“ Sylvie LeClercs Gesicht heiterte sich merklich auf. „Gerne, Lieutenant.“ „Nennen Sie mich einfach Melanie.“ Sie erklärte Sylvie wo ihr Quartier lag, und beobachtete die Französin anschließend, wie sie aus der Krankenstation tänzelte. „Um Punkt 22:15 Uhr bei mir!“, rief Melanie Gerlach ihr nach und schüttelte grinsend den Kopf, wobei sie dachte: Glückliche Jugend.   * * *   In Bester Laune verbrachte Sylvie den Rest des Tages damit sich einzurichten und anschließend ausgiebig zu duschen und sich für den Abend zurecht zu machten. Dabei fragte sie sich immer noch, was eine Andorianerin veranlassen konnte, seltsamerweise einen Ehering zu tragen, denn nach einem solchen hatte er ausgesehen. Die Französin kam schließlich darauf, dass sie möglicherweise einen Mann von der Erde geheiratet haben könnte. Vielleicht ihren Kollegen, Commander Veron. Das schien ihr, je länger sie darüber nachdachte, noch die plausibelste Erklärung. Valand, Melanie und ein befreundetes Ehepaar als Anstands-Wau-Wau. Sie grinste bei diesem Gedanken, während sie in eine frische Uniform schlüpfte und danach in die schwarzen, halbhohen Schuhe stieg. Danach verschwand sie erneut im Bad um sich dezent zu schminken. Schließlich musterte sie sich zufrieden im Spiegel und warf einen Blick auf den Wandchronographen. Nachdem sie noch schnell einen bunten Blumenstrauß repliziert hatte, machte sie sich auf den Weg zu Melanie Gerlachs Quartier. Als sie etwas vor der Zeit eintrat, war Commander Alloran Veron bereits anwesend. Der Arzt begrüßte sie freundlich. Danach überreichte sie Melanie schnell die Blumen, die sich bedankte, und eine Vase besorgte. Derweil wandte sich der Arzt an die junge Französin: „Sie sind also unser neuer OPS-Offizier. Melanie erzählte mir, dass Sie mit Valand Kuehn gut bekannt sind, richtig?“ „Ja, wir kennen uns von der Akademie, Commander.“ Alloran Veron nickte und erkundigte sich: „Sie beide waren bei der RED-SQUAD?“ Sylvie nickte. „Ja. Es war für mich eine besondere Herausforderung es in diese Elite-Einheit zu schaffen. Wobei es mir eher um die Herausforderung ging, als darum unbedingt dazu zu gehören.“ Der Commander lächelte verstehend. „Valand äußerte sich einmal ganz ähnlich. Offensichtlich haben Sie eine Menge mit ihm gemeinsam.“ Bevor Sylvie LeClerc etwas erwidern konnte, öffnete sich das Schott und Valand trat in den Raum, gemeinsam mit der andorianischen Assistenzärztin. Für einen Moment stutzte Sylvie, denn aus den Augenwinkeln schien sie etwas seltsames beobachtet zu haben, konnte aber nicht genau sagen was es war, als die beiden Neuankömmlinge den Commander, Melanie, die sich wieder zu ihnen gesellt hatte, und sie begrüßten. Erst als Melanie sie zu Tisch bat, und Valand mit der Andorianerin Ahy´Vilara voran schritt erkannte sie was es gewesen war. Valand hielt die Andorianerin an der Hand. Ein imaginärer Knoten bildete sich bei diesem Anblick in ihrem Magen. Sollte es dieser Andorianerin gelungen sein, eine so herzliche Kameradschaft zu Valand aufzubauen, dass es zu solchen vertrauten Gesten zwischen ihnen kam? Sie setzte sich zwischen Alloran Veron und Melanie Gerlach, die den Tisch liebevoll gedeckt hatte. Es gab Lasagne, die geradezu köstlich duftete, und einen ausgezeichneten Rotwein, der hervorragend dazu mundete. Während des Essens, brachte der Commander die Sprache auf ihre bevorstehende Mission zu sprechen. Sylvie beteiligte sich nur gelegentlich an der Unterhaltung, dafür beobachtete um so mehr das Verhalten zwischen Valand und Ahy´Vilara. Beide wirkten wirklich sehr vertraut mit einander. Schließlich schob sie ihren Teller von sich, trank einen Schluck Wein und fragte die Andorianerin dann geradeheraus: „Sie und Valand scheint eine sehr herzliche Kameradschaft zu verbinden?“ Lächelnd legte Ahy´Vilara ihre Hand in die von Valand. Im selben Moment entdeckte sie, dass auch der Lieutenant einen goldenen Ring am Finger trug. Er war im Aussehen identisch zu dem der Andorianerin, und Sylvie begriff endlich. Gleich darauf antwortete die Assistenzärztin: „Bei Eheleuten ist das mitunter von Vorteil, Ensign. Sie erinnern mich wieder daran, dass wir vorhin bei der Vorstellung unterbrochen wurden. Mein vollständiger Name lautet Ahy´Vilara Thren-Kuehn. Ich bin Valand Kuehns Ehefrau. „Da gratuliere ich Ihnen“, antwortete Sylvie LeClerc, die das Gefühl hatte in einen bodenlosen Schlund zu fallen, mit gezwungenem Lächeln. „Sie hätten kaum eine bessere Wahl treffen können.“ „Mach mich bitte nicht verlegen“, meinte Valand augenzwinkernd. Dabei strahlte er dieselbe Zufriedenheit aus, wie die Andorianerin, und die Französin nahm das Weinglas in ihre Hände, damit niemand das Zittern bemerkte. Nur mühsam konnte sie der anschließenden Konversation folgen, da ihre Gedanken immer wieder zu der ungeheuren Tatsache abglitt, dass der Mann, in den sie sich verliebt hatte, nun verheiratet war. Sie hielt es etwa eine dreiviertel Stunde aus, dann schob sie Kopfschmerzen vor und verabschiedetet sich schnell von den vier Offizieren, wobei sie nur hoffte, dass keiner von ihnen ihren wahren Zustand bemerkt hatte. Immer schneller werdend schritt sie durch die Gänge des Schiffes zu ihrem Quartier, wobei sie zum Schluss fast rannte. Als sie endlich in ihrem Quartier war, warf sie sich auf das Bett und ihre mühsame Beherrschung brach zusammen. Fest das Kissen umklammernd, und gegen ihren zusammen gekrümmten Körper gepresst schluchzte sie mehrmals – rohe ungeübte Töne - wobei sie die Zähne fest auf einander presste, um dieses wehe Gefühl in der Magengegend nicht nach oben steigen zu lassen. Doch dann brach der Damm endgültig und sie weinte zum Gott erbarmen. Kapitel 6: Aufbruch der U.S.S. ALAMO ------------------------------------ Persönliches Logbuch Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 38624.5   Ich werde aus Sylvie nicht recht klug. Direkt nach ihrem Dienstantritt auf der ALAMO wirkte sie noch so lebhaft, wie ich sie aus Akademietagen in Erinnerung habe. Doch gestern, bei Dienstantritt wirkte sie seltsam bedrückt und abwesend. Während unserer gemeinsamen Tätigkeit auf der Brücke brachte sie kaum ein Wort heraus. Ich frage mich manchmal, ob ich jemals in der Lage sein werde, ein solches Verhalten wirklich zu verstehen. Vielleicht hat sie auch einfach nur schlecht geschlafen – möglich wäre es, denn immerhin ist dies ihr erstes Bordkommando und es geht gleich für fünf Jahre hinaus ins All. Möglicherweise ist sie schon bald wieder ganz die Alte, wenn wir erst einmal unterwegs sind, und Sylvie sich an den Bordalltag gewöhnt hat. Dies scheint mir noch am wahrscheinlichsten zu sein, denn auch ich habe in der ersten Nacht an Bord nicht allzu viel Schlaf gefunden. Schon in einer Stunde wird die ALAMO zu ihrer Mission in den Beta-Quadranten aufbrechen, und ich freue mich schon sehr darauf, beweisen zu können, was ich als Teil der Crew, bei einer solchen Mission leisten kann. Ahy´Vilara scheint es ganz ähnlich zu gehen, obwohl ich selbst hoffe, dass sie nicht allzu oft eingreifen muss. Alloran hat sich vorgestern Abend, während unseres Zusammenseins bei Melanie, ähnlich geäußert. Auch er hofft auf einen Flug, ohne allzu große Komplikationen. Triple-C ist ganz in ihrem Element. Gestern tauchte sie an allen Ecken wo man sie nicht vermutete auf, inspizierte nochmals sämtliche Abteilungen, und tat laut kund, wenn ihr dabei etwas nicht gefiel. Würde ich die Tellaritin mittlerweile nicht besser kennen, so würde ich mir jetzt ernsthaft Gedanken um den Erfolg der Mission machen. So jedoch weiß ich, dass Schiff und Crew bei ihr in den besten Händen sind. Jetzt wird es langsam Zeit mich auf den Dienst vorzubereiten. Der Beta-Quadrant wartet bereits wieder auf uns.   * * *   Die Brückencrew der U.S.S. ALAMO war vollzählig auf der Brücke anwesend. Valand saß an der hinteren Doppelkonsole auf dem Platz des Taktischen Offiziers, der sich in Flugrichtung auf der rechten Seite der Konsole befand. Links neben ihm hatte Sylvie LeClerc ihren Platz eingenommen und blickte mürrisch auf ihre Anzeigen. Hinter den beiden jungen Offizieren nahm das gewaltige Statusdisplay der Schiffsübersicht beinahe den gesamten Platz an der Wand ein. Vor dieser Konsole befand sich der Platz des Captains und davor die geteilte Doppelkonsole für NAV und CONN. Der bolianische Navigator, Lieutenant Junior-Grade Frock, kontrollierte noch einmal die verschiedenen Konfigurationen seiner Konsole, während Ensign, Thania Walker, eine dunkelhaarige Kanadierin und Zweiter Steuermann des Schiffes, die Bereitschaft der Antriebssysteme prüfte. Sie war erst vor wenigen Wochen an Bord gekommen und zeichnete sich durch einen hervorragenden, geradezu virtuosen, Umgang mit der Schiffssteuerung aus. Triple-C persönlich hatte Thania Walker für diese Schicht eingeteilt, da sie der jungen Frau die Gelegenheit geben wollte, Erfahrung bei diesem Ausflugmanöver zu geben. Der erste Steuermann, Lieutenant Senior-Grade Daron Dimur Lenar, ein vereinigter Trill, hatte bereits einige solcher Manöver hinter sich. An den beiden vorderen Wandkonsolen, rechts und links neben dem Hauptbildschirm, versahen drei Männer und eine Frau, alles Unteroffiziere verschiedener Ränge, an den Maschinen und Antriebskontrollen ihren Dienst. An der rechten Wissenschaftskonsole bereitete sich die vulkanische Chefwissenschaftlerin, T´Parin akribisch auf die kommende Aufgabe vor. Zu ihrer Rechten saß ein junger unvereinigter Trill, im Rang eines Master-Chief-Petty-Officers, der ihr bei den Vorbereitungen assistierte. Die linke Wissenschaftsstation war im Moment noch inaktiv, doch das würde sich ändern, sobald Commander Numo Tscharun, der momentan zusammen mit Captain Crel in deren Bereitschaftsraum weilte, auf der Brücke erschien. Tscharun galt als wissenschaftlich sehr kompetent, und zuweilen unterstützte er T´Parin bei ihrer Arbeit, wenn es seine Aufgabe als XO des Schiffes zuließ. Nicht zuletzt deshalb verstanden der dunkelhäutige Kameruner, und die Vulkanierin sich sehr gut. Gelegentlich wurde hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, es wäre mehr als Kameradschaft bei beiden im Spiel, doch diese Gerüchte hatten sich bislang als haltlos erwiesen. Fakt war hingegen, dass T´Parin des Öfteren, so wie heute, ihre Schulterlangen, schwarzen Haare mit einer kostbaren Spange, die sie von dem Commander geschenkt bekommen hatte, zusammenhielt. Während die Brückencrew auf das Erscheinen der beiden höchsten Führungsoffiziere des Schiffes wartete, nahm Valand Kuehn die letzten Checks vor, wobei er gelegentlich einen fragenden Blick zu Sylvie hinüber warf. Dann fragte er geradeheraus, und so leise, dass nur die Französin ihn verstehen konnte: „Hast du irgend etwas? Seit dem Abend bei Melanie scheinst dich etwas zu bedrücken.“ „Nein, alles bestens“, erwiderte die junge Frau kurz angebunden, wobei sie nicht von ihren Kontrollen aufsah. Aus den Augenwinkeln bemerkte sie dabei den prüfenden Blick Valands und sie erklärte mit gereiztem Tonfall: „Ich fühle mich nur nicht hundertprozentig, das ist alles.“ „Okay“, meinte Valand seufzend. „Kein Grund gleich die Waffensysteme auf meine Position auszurichten.“ Sylvie LeClerc ließ die letzten Worte Valands unkommentiert und entsagungsvoll mit den Schultern zuckend konzentrierte sich Valand wieder auf die letzten Systemkontrollen. Beinahe gleichzeitig öffnete das Schott zu seiner Rechten, seitlich hinter ihm, und Cianera Crel betrat, gefolgt von Numo Tscharun, die Brücke. Ein Pärchen wie Max und Klärchen, schoss es Valand kurz durch den Sinn und ein flüchtiges Grinsen überflog sein Gesicht. Er beobachtete, wie die Tellaritin sich hinter ihren Platz begab, wobei Tscharun links von ihr Position bezog. „Status?“, erkundigte sich Triple-C, ohne sich dabei umzudrehen. Valand Kuehn blickte zu Sylvie, die als OPS-Offizier nun eigentlich hätte antworten sollen, doch die Französin schien mit finsterer Miene vor sich hin zu träumen. Schnell sprang er in die Bresche, rief den Status auf seiner Konsole ab und meldete: „Alle Stationen haben ihre Bereitschaft gemeldet, Captain. Das Schiff ist klar zum Start.“ Nun drehte sich die Tellaritin doch zu ihnen um, wobei sie leicht ihre Augenbrauen zusammenzog, sich jedoch eines Kommentars enthielt. Dann sagte sie: „Danke, Lieutenant.“ Sie wandte sich wieder dem Hauptbildschirm zu, der den Innenbereich des riesigen Hangars der Sternenbasis-1 zeigte. Dann befahl sie: „Fertigmachen zum Start.“ Währenddessen hatte der Commander über seinen Kommunikator den rigelianischen Chefingenieur, Baran Scunaren, der ALAMO angerufen und ihm mitgeteilt, dass nun der Start des Schiffes unmittelbar bevorstand. Captain Crel sagte fast gleichzeitig: „Eine Verbindung zum Dockoffizier, Lieutenant Kuehn.“ „Aye, Captain – Verbindung steht.“ Cianera Crel legte ihre Hände flach auf die Hüften und sagte über den Schiffskom: „Dockkontrolle, hier U.S.S. ALAMO. Erbitten Startfreigabe.“ Über den Schiffskom kam umgehend die Antwort. Eine sonore männliche Stimme antwortete: „Hier Dockkontrolle: Startfreigabe erteilt. Die Raumschotten werden sich in dreißig Sekunden für Sie öffnen. Gute Reise, ALAMO.“ „Vielen Dank, Dockkontrolle“, bestätigte die Tellaritin und setzte sich in ihren Sessel, während Thania Walker die Schiffsverankerungen löste. Gleich darauf lief die Bestätigung der Dockkontrolle bei ihr ein, dass die Verankerung gelöst war, und von Seiten der Station eingefahren wurde. Dann erklärte Captain Crel: „Von jetzt an dreißig Sekunden bis Raumschotten.“ Thania Walker erkundigte sich schnell: „Manövrierdüsen achtern?“ Die Tellaritin bestätigte: „Bringen Sie uns hinaus, Miss Walker.“ „Aye, Captain.“ Die Kanadierin aktivierte die Manövriertriebwerke, die sich über das gesamte Schiff verteilten, und gab Schub auf die achteren Emitter. Im Grunde handelte es sich, trotz der altertümlichen Bezeichnung weniger um ein Schubsystem, sondern um eine Form besonderer Druckprojektoren, den Impulstriebwerken nicht unähnlich – jedoch genauer vektorierbar und nicht annähernd so leistungsstark. Das hörbare Arbeitsgeräusch auf der Brücke steigerte sich nur unmerklich um eine Nuance, während das Raumschiff der Sternenflotte, majestätisch langsam seinen Platz verließ und unter der präzisen Steuerung von Ensign Walker langsam nach Steuerbord, auf die sich öffnenden Panzerschotten zu driftete. Während sich das Schiff exakt auf das Schott ausrichtete, durch welches die samtene Schwärze des Weltalls, mit seinen Myriaden Lichtpunkten, sichtbar wurde, zischte Valand Sylvie beinahe unhörbar zu: „Aufwachen, Ensign. Auf der Brücke wird nicht geschlafen.“ Die blonde Frau warf ihm einen beinahe mörderischen Blick zu, wobei sie, übertrieben freundlich, flüsternd antwortete: „Vielen Dank für die Belehrung.“ „Immer gerne“, erwiderte Kuehn und das zornige Funkeln in seinen Augen hielt Sylvie LeClerc davon ab etwas darauf zu erwidern. Wütend auf sich selbst wandte sie sich brüsk ab wobei sie sich vornahm nicht weiterhin unaufmerksam zu sein. Dabei war ihr schon klar, dass Valand eben die Situation durch seine schnelle Reaktion gerettet hatte, denn die Klarmeldung an den Captain weiterzugeben lag in ihrem Verantwortungsbereich. Und diese Erkenntnis brachte ihr Blut noch mehr in Wallung. Für einen Moment überlegte sie, sich bei Valand zu bedanken, doch dann ließ sie es. Seit vorgestern Abend rumorte es in ihrem Inneren. Sie hatte sich nicht zuletzt für den Dienst auf der ALAMO entschieden, weil sie sich erhofft hatte, Valand dabei näher zu kommen. Und nun hatte sich herausgestellt, dass irgend so ein andorianisches Flittchen sich den Mann geangelt hatte, in den sie sich doch verliebt hatte. Vermutlich war Valand der erste vernünftige Mann gewesen, den sie seit langer Zeit kennen gelernt hatte. Eine irrationale Wut auf Ahy´Vilara Thren stieg in ihr auf. Dieses lose Weib. Wahrscheinlich konnte Valand nicht einmal etwas dazu – ganz sicher war er in die Fänge dieses gewissenlosen Geschöpfes geraten, ohne zu erkennen, dass sie nicht die Richtige für ihn war. Die Hände der Französin ballten sich, und sie war kurz davor wütend auf die Konsole zu schlagen. Es kostete sie Mühe, diese finsteren Gedanken zu überwinden, und sich wieder auf die Situation zu konzentrieren, die sie umgab. Dabei glomm ein kleiner Hoffnungfunken im hintersten Winkel ihres Gehirns auf. Was wenn es ihr gelang Valand davon zu überzeugen, dass es dieser blauhäutigen Person lediglich darum gegangen war, sich den nächstbesten, gut aussehenden Offizier zu angeln, ohne wirklich etwas für ihn zu empfinden? An diesen Gedanken klammerte sie sich, wie eine Ertrinkende, und während sie beschloss all ihr Streben darauf auszurichten besserte sich ihre Laune zusehends. Oh ja, sie würde das perfide Spiel der Andorianerin schonungslos ans Tageslicht zerren. Dass ihre Überlegungen von vollkommen falschen Grundvoraussetzungen geprägt wurden, auf diese Idee kam sie dabei zu keinem Zeitpunkt. Ihr Ziel war es nach wie vor, Valand Kuehn für sich zu gewinnen, und sie würde ihr Ziel erreichen – auf Biegen oder Brechen. Kapitulation war keine Option. Sie blickte unauffällig zu Valand und dachte: Ja, dieser Kampf ist noch lange nicht entschieden. Ich werde dir schon die Augen öffnen. Diese Gedanken gaben der Französin neue Zuversicht, und jetzt sah ihre nahe Zukunft längst nicht mehr so schwarz aus, wie noch vor ein paar Momenten. Grimmig achtete sie auf ihre Anzeigen. Auf dem Hauptbildschirm konnte sie beobachten, wie sich das Raumschiff nun schneller werdend dem Raumschott näherte. Während der letzten Jahrzehnte hatte die Sternenbasis einige Umbauten erfahren. Dazu gehörte auch, dass man die beiden Hauptschotten der Pilzsektion signifikant vergrößert hatte. Die Zeiten, als ein Schiff der EXCELSIOR-KLASSE so gerade eben durch das Schott passte waren längst Geschichte. Nach dem letzten Umbau konnten sogar Schiffe der AMBASSADOR-KLASSE in den Hangarbereich einfliegen, ohne dabei Probleme zu bekommen. Was man hingegen beibehalten hatte, war das optische Leitsystem. Gewaltige Scheinwerfer bildeten einen Lichterzaun, in dessen Grenzen sich die ALAMO nun der Schottöffnung näherte. Thania Walker hielt das Schiff exakt auf Kurs, wobei sie die Leistung der achteren Manöverdüsen längst auf Maximum ausgefahren hatte. Schneller, als gedacht schob sich die ALAMO mittig aus der Öffnung in den Raum hinaus. Dieses Mal war Sylvie LeClerc auf Draht und meldete eine Sekunde später: „Die ALAMO ist frei, Captain.“ Die Tellaritin nickte ihr knapp zu. Anscheinend hatte sie nicht vor, ihren kleinen Fauxpas von eben weiter zu verfolgen. „Danke, Miss LeClerc.“ Dafür näherte sich Numo Tscharun mit pantherhaften Bewegungen und blieb dicht neben ihr stehen. „Ich dachte schon, wir hätten Sie verloren“, raunte er ihr augenzwinkernd zu und schmunzelte, ob der verlegenen Reaktion. Dann meinte er ebenso leise: „Auch ich war bei meinem ersten Kommando etwas aufgeregt, Ensign. Aber seien Sie jetzt auf Zack.“ „Aye, Sir“, antwortete die blonde Frau ebenso leise. „Danke, Sir.“ Der Commander nickte ihr aufmunternd zu, bevor er sich an die Wissenschaftliche Station an Backbord begab und sie aktivierte. Während er noch Platz nahm, wies Cianera Crel die kanadische Steuerfrau an: „Voller Impuls voraus, Miss Walker. Sobald wir die Erde einhundert Millionen Kilometer hinter uns gelassen haben, gehen Sie auf Warp 7. Navigator: Setzen Sie einen Kurs, Richtung Typhon-Ausdehnung.“ Sie bekam zweimal ein Aye, Captain zur Bestätigung. Nach gut zwanzig Minuten meldete Sylvie LeClerc, dass das Schiff den vorgegebenen Abstand erreicht hatte, und Captain Crel wandte sich an Thania Walker: „Dann bringen Sie die alte Dame mal auf Warp 7, Ensign Walker. Beschleunigen.“ Die Kanadierin bestätigte, wobei sich in ihren sanften, rehbraunen Augen ein unternehmungslustigen Funkeln widerspiegelte. Ihre schlanken Finger huschten über die Sensortasten, und im nächsten Moment drang das Schiff, unter einer grellen Blitzentladung in den Subraum ein, um dem fernen Raumgebiet im Beta-Quadranten entgegen zu eilen.   * * *   In den nächsten Tagen besserte sich Sylvie LeClercs Laune spürbar, doch noch immer merkte Valand Kuehn die leichte Spannung zwischen ihnen beiden, die er sich nicht recht erklären konnte. Irgend etwas schien seit dem Abend bei Melanie passiert zu sein, aber er hatte nicht die leiseste Ahnung, was es sein könnte. Zu Akademiezeiten hatten sie sich stets ausgezeichnet verstanden, darum schien ihm ihr Verhalten nun um so rätselhafter. Er beruhigte sich mit dem Gedanken, dass es vielleicht wirklich nur eine ganz normale Reaktion auf die neuen, noch ungewohnten, Umstände war. Zum Glück hatte sich die Französin gefangen, und verrichtete ihre dienstlichen Obliegenheiten gewissenhaft und fehlerlos. Offensichtlich hatten die leisen, ruhigen Worte des Ersten Offiziers eine durchschlagende Wirkung erzielt. Jetzt, knapp eine Woche nach dem Aufbruch vom Orbitalstützpunkt, über der Erde, verrichteten Valand Kuehn und Sylvie LeClerc ihren Dienst Hand in Hand, worüber der Norweger sehr erleichtert war, denn für die Sicherheit des Schiffes war es unabdingbar, dass es dienstlich keine zu großen Reibungspunkte zwischen ihnen gab. Was das Private anbelangte, so hatte er Sylvie bereits zweimal zu sich und Ahy´Vilara zum Abendessen einladen wollen, doch beide Male hatte Sylvie wichtige Dinge, die sie noch zu erledigen hatte vorgeschoben. Im Moment befand sich das Schiff im Warpflug, und es gab nicht allzu viel für ihn zu tun. Sinnend blickte er zu Sylvie hinüber und überlegte kurz, ob er noch einen weiteren Versuch starten sollte, sie zu einem Abendessen mit ihm und seiner Frau zu überreden. Er konnte zusätzlich Alloran einladen. Mit diesem Gedanken raunte er Sylvie zu: „Hättest du nicht Lust, heute nach Dienstende mit Commander Veron, Ahy´Vilara und mir zu Abend zu essen? Es wäre bestimmt nett, einige alte Geschichten aus unserer Kadettenzeit aufzuwärmen.“ Sylvie LeClerc blickte zu ihm auf, und zuerst hatte Valand den Eindruck, dass sie auch dieses Mal ablehnen würde. Doch dann lächelte sie fein und meinte: „Gute Idee, Valand. Zu welcher Zeit?“ „Sagen wir, gegen 20:00 Uhr?“ Die Französin nickte. „In Ordnung, ich freue mich darauf.“ Numo Tscharun, der momentan die Brücke hatte, wandte sich kurz zu ihnen um und hüstelte dezent. Er mochte es nicht besonders, wenn die Brückenoffiziere, während des Dienstes Privatgespräche führten. Beide Offiziere verstanden den subtilen Wink des XO und konzentrierten sich wieder auf ihre Aufgabe. Dabei überlegte Sylvie, dass es töricht gewesen war, die beiden vorherigen Einladungen auszuschlagen. Sich in den Schmollwinkel zurückzuziehen brachte in dieser Angelegenheit rein gar nichts. Nein, hier musste sie sich schon in die Höhle des Löwen begeben, um etwas zu bewirken. Zwar passte es ihr nicht, dass der Commander dabei war, aber vielleicht ergab sich auch trotz seiner Anwesenheit die Chance Valand in ihrem Sinne zu beeinflussen, und ihre Konkurrentin auszustechen. Während ihres restlichen Dienstes an diesem Tag konnte sie es kaum erwarten, dass ihre und Valands Schicht sich dem Ende zu neigte, und zum ersten Mal seit Tagen spürte sie in der Nähe des Norwegers wieder jenes bekannte Kribbeln, welches ihr nur allzu deutlich machte, was sie für ihn empfand. Ein zufriedenes Lächeln lag dabei auf ihren Lippen.   * * *   Als Sylvie LeClerc sich am Abend auf den Weg zum gemeinsamen Quartier von Valand und seiner Frau machte, war sie bester Laune. Sie hatte sich eine Menge vorgenommen für diesen heutigen Abend. Schon zu Akademiezeiten hatte man ihr oft eine scharfe Zunge nachgesagt, und heute Abend würde sich schon zeigen, dass sie seitdem noch nichts verlernt hatte, in dieser Hinsicht. Sie hatte unter der Dusche noch einmal darüber nachgedacht, ob es richtig sein würde, um Valand zu kämpfen. Immerhin war er verheiratet, und es schien fast unmöglich zu sein, ihn aus dieser Beziehung wieder zu lösen. Andererseits, sollte ihre Vermutung stimmen, und seine andorianische Gespielin wirklich nur auf den erstbesten, ungebundenen Mann gewartet haben, der sich auf dem Schiff blicken ließ, dann musste sie es versuchen. Also hatte sie beschlossen den Kampf anzunehmen. Als sie das Quartier der Kuehns betrat, nachdem sie ihre Hand auf den Kontaktgeber gelegt hatte, stellte sie fest, dass Alloran Veron bereits anwesend war. Bei Melanie Gerlach, vor einer Woche, hatte sie erfahren, dass die beiden die Trauzeugen des Paares gewesen waren, und so schien die Vertrautheit zwischen ihnen nicht weiter verwunderlich. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, als Ahy´Vilara sie herzlich begrüßte. Wie sie das hasste. Wenn diese Person doch bloß etwas garstig zu ihr gewesen wäre, nur etwas, dann wäre es ihr wesentlich leichter gefallen, den Kampf gegen sie aufzunehmen. Aber diese Freundlichkeit blockierte ihr gesamtes Denken. Sie musste sich davon befreien. Was sie schon wesentlich zufriedener stimmte, war die Freundlichkeit Valands. Ihren kleinen Disput, während des Ablegens von Sternenbasis-1 hatte sie bereits vergessen. Nun konzentrierte sie sich ganz darauf, seine Aufmerksamkeit zu gewinnen. Darum hatte sie sich auch ganz besonders sorgsam für diesen Abend zurecht gemacht, und ein besonderes Parfüm aufgelegt. Als Alloran Veron sie begrüßte musterte er die junge Frau intensiv, wobei er etwas die Luft einsog und lächelnd meinte: „Sie haben nicht nur einen guten, sondern auch einen nicht ganz preiswerten Geschmack. Wenn mich nicht alles täuscht, dann bevorzugen sie das Label Sunrise von De Minaris.“ Sylvie LeClerc blickte den Arzt etwas erstaunt an. Dann erwiderte sie: „Sie kennen sich aber sehr gut aus, Commander.“ „Nun ja“, erklärte der bereits leicht ergraute, stattliche Mann. „Ich war immerhin über zehn Jahre lang verheiratet. Bis vor vier Jahren.“ Etwas erschrocken blickte Sylvie LeClerc zu ihm auf und fragte schließlich: „Was ist denn passiert. Ist Ihre Frau... ich meine...“ Sie schluckte und suchte nach Worten. Veron blickte die Französin etwas unverständlich an, bevor ihm ein Licht aufging, was diese junge Frau vermutete, und schnell erklärte er: „Nein, sie ist gesund und munter. Sie hat sich bloß von mir scheiden lassen, das ist alles. Sie kam zum Schluss nicht mehr damit klar, dass wir die meiste Zeit von einander getrennt waren.“ Erleichtert atmete die blonde Frau auf. „Mon Dieu – ich dachte schon, ich hätte, mit Anlauf, ein Fettnäpfchen erwischt.“ Der Arzt lachte launig, deutete zum gedeckten Tisch hinüber und meinte: „Kommen Sie, Ensign, ich habe einen Bärenhunger.“ „Solange kein Bär aufgetischt wird...“ Valand, der ihre letzten Worte mitbekam, schüttelte lachend den Kopf. „Nein, kein Bär. Dafür Fledermausragout auf andorianische Art, mit Beilage.“ Die Augen der Französin weiteten sich. „Das ist nicht dein Ernst?“ Valand nickte. „Doch, aber koste erst einmal, bevor du die Nase rümpfst. Das Gericht schmeckt einfach köstlich.“ Zweifelnd setzte sie sich zwischen Alloran Veron zu ihrer Linken, und Valand zu ihrer Rechten an den quadratischen Tisch und beobachtete Ahy´Vilara dabei, wie sie ihr eine großzügige Portion auf den Teller häufte. Während auch die Anderen ihre Portionen von ihr bekamen begutachtete sie misstrauisch was sie vor sich auf dem Teller hatte. Das graubraune Ragout machte keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck, und diesen violetten Knollen, mit dem grün-gelb gesprenkelten, länglichen Gemüsestücken traute sie überhaupt nicht über den Weg. Ein bräunlich schwarzer Klecks daneben machte einen noch unheimlicheren Eindruck auf sie. Während sie sich umständlich das Besteck nahm beobachtete sie, wie der Arzt neben ihr, mit Begeisterung zugriff. Nun denn!, dachte Sylvie. Was der Arzt vertrug, das würde sie auch noch herunter bekommen. Sie probierte vorsichtig von dem Ragout und blickte verwundert drein. Es schmeckte einfach köstlich – ganz wie der Arzt es behauptet hatte. Nach und nach probierte sie von den Beilagen, die ebenfalls weitaus besser schmeckten, als sie aussahen. Von allen Beteiligten freute sich die Andorianerin am meisten, dass es ihrem Gast schmeckte, denn es handelte sich um ein Gericht, welches sie selbst etwas abgeändert hatte. Nach dem Essen sprach Sylvie dem grünen Tokajer zu, den Valand für besondere Fälle in Reserve hatte. Dieser Wein war nicht repliziert, sondern ein Originalprodukt. Die Französin nickte anerkennend und meinte: „Dieser Tokajer ist wirklich nicht schlecht. Zwar etwas anders, als der Wein, den meine Eltern herstellen, aber sehr gut.“ „Ihre Eltern sind Winzer?“, erkundigte sich der Arzt interessiert. Sylvie nickte lebhaft. „Ja, sie besitzen ein altes Weingut im Loire-Tal, das schon seit mindestens ein Dutzend Generationen in Familienbesitz ist, bei La Roche-Guyon, westlich von Paris gelegen.“ „Ah“, machte Veron. „Ich kenne die Gegend aus meiner Jugendzeit. Sehr malerisch. Gibt es dort nicht auch eine alte Burgruine, von der man behauptet, dass zur Zeit der Bauernaufstände dort ein rotbärtiger Teufel erschienen ist, der die Tochter des Fürsten vor dem Zorn der Aufständischen gerettet haben soll?“ Sylvie LeClerc lachte erheitert. „Ja, eine Bauernmär. Vermutlich handelte es sich lediglich um einen Ritter des Fürsten, der besondere Fähigkeiten besaß.“ Alloran Veron nickte zustimmend: „Ja, so wird es wohl gewesen sein.“ Sie wechselten das Thema und während Sylvie bereits das dritte Glas Wein zur Hälfte geleert hatte, kam sie geschickt auf den Ausflug nach Aspen zu sprechen, den sie im Frühjahr 2358 mit Valand und vier weiteren Kadetten unternommen hatte. Sie war gespannt darauf, wie er und vor allem Ahy´Vilara auf ein bestimmtes Detail reagieren würde. Ahy´Vilara sagte unbefangen zu Valand: „Das muss wirklich ein interessanter Ausflug gewesen sein, da dein Freund Tar´Kyren ihn auch erwähnte.“ Die Französin horchte kurz auf und fragte sich, wann sie Tar´Kyren Dheran kennen gelernt haben mochte, bevor sie lächelnd meinte: „Oh ja, bei einigen von uns hat es damals mächtig geknistert. Vor allen Dingen in der Sauna, nicht wahr?“ Ahy´Vilara blickte etwas ratlos zu Valand, der ihr erklärte, was eine Sauna war. Dabei warf er Sylvie einen unwilligen Blick zu, als er merkte, dass seine Frau bei dem Gedanken, dass Sylvie und er sich bereits nackt gesehen hatten, nicht sonderlich erfreut reagierte. Zwar war Nacktheit für Andorianer einerseits etwas Normales, andererseits war Valand kein Andorianer, und darüber hinaus ihr Mann. Sie blickte in das Gesicht der Französin, auf dem sich kurzzeitig ein süffisantes Grinsen zeigte, und ihre Antennen bogen sich leicht nach Innen. Dann blickte Ahy´Vilara schnell wieder zu Valand und meinte kühl: „Dieses Detail hast du wohlweislich ausgelassen, als dein Freund Tar´Kyren davon erzählte.“ „Nicht jetzt“, bat Valand leise. „Wir reden später darüber.“ „Nein, wir reden jetzt darüber“, blieb die Andorianerin stur. Alloran Veron, der die gesamte Szene genau beobachtet hatte, fasste Sylvie LeClerc unauffällig am Unterarm und sagte schnell in Richtung des jungen Paares: „Es ist spät geworden, Miss LeClerc und ich werden uns nun verabschieden.“ Die Französin versuchte sich aus dem Festen Griff des Arztes zu winden, doch der Grauhaarige zog sie unerbittlich mit sich, wobei er ihr zu raunte: „Kommen Sie, Ensign, für heute haben Sie bereits genug angerichtet.“ Gezwungenermaßen verließ Sylvie LeClerc mit Veron das Quartier und draußen auf dem Gang meinte der Arzt ernst: „Kommen Sie mit zur Krankenstation, Ensign LeClerc.“ Die junge Frau wagte keinen Einwand. Allein der Ton seiner Stimme gebot eine Autorität, der sie sich nicht zu entziehen vermochte. Sie erreichten wenig später die Krankenstation, und Alloran Veron begab sich rasch zu einem der Wandfächer, dem er eine kleine Packung entnahm. Er reichte sie der Französin und meinte: „Dieses Mittel sorgt dafür, dass man morgens keinen Kater hat, wenn man etwas zu viel getrunken hat. Ich denke mir sie können es brauchen.“ Sylvie, die mittlerweile erkannt hatte, dass der Arzt nicht nur Valand, sondern auch seine Kollegin Ahy´Vilara offenbar sehr mochte, nickte nur. Dann wollte sie sich abwenden, doch die plötzlich etwas lauter werdende, schneidende Stimme Verons hielt sie zurück. „Hier geblieben und den Blick geradeaus, Ensign! Ich bin noch nicht fertig! Sie sollen wissen, dass ich Ahy´Vilara und Valand Kuehn nicht nur als Kollegen, sondern als Freunde – ja, beinahe als einen Teil meiner Familie sehe! Und sollten Sie es daher noch einmal wagen Zwietracht zwischen den beiden zu sähen, dann lernen Sie mich kennen! Vergessen Sie nicht, dass ich als Bordarzt jederzeit eine psychologische Untersuchung bei auffälligem Verhalten anordnen kann, und ich werde nicht zögern es in Ihrem Fall zu tun, sollten Sie meinem Rat nicht folgen! Sie wissen, was es für ihre Karriere bedeutet, wenn in ihrer Dienstakte ein Vermerk bezüglich eines traumatischen Stress-Syndroms in Folge eines Flugunfalls aufscheint?“ Die Französin schluckte und nickte kleinlaut. „Aye, Sir.“ Die Haltung des Arztes entspannte sich etwas. „Dann sehen Sie zu, dass es nicht dazu kommt, Ensign LeClerc.“ Die letzten Worte des Arztes waren ruhiger, aber nicht weniger eindringlich gewesen. „Ja, Commander.“ Sylvie LeClerc fühlte sich schlecht, was nicht nur an der Menge Wein lag, die sie konsumiert hatte. So herunter geputzt worden war sie noch nie, und das Gefühl in ihrem Innern, dass es völlig zurecht geschah, machte es nicht besser. Alloran Veron nickte knapp. „Jetzt können Sie gehen, Ensign.“ „Aye, Sir“, brachte sie gepresst hervor und verschwand schnell auf den Gang hinaus. Dabei nahm sie sich fest vor ihr Ziel dennoch nicht aus den Augen zu verlieren. Sie musste lediglich etwas subtiler vorgehen. Dabei dachte sie mit geballten Fäusten: Irgendwann... Kapitel 7: Die Katastrophe -------------------------- Persönliches Logbuch Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 39868.6   Kaum zu glauben, dass wir bereits über ein Jahr lang unterwegs sind. Wir haben mit der ALAMO das Gebiet der Romulaner weiträumig an Steuerbord umflogen und vor einigen Monaten auf DEEP SPACE 4 dem letzten Außenposten der Föderation, bevor wir in nicht erkundetes Gebiet einfliegen, halt gemacht. Es war sehr erholsam zusammen mit Ahy´Vilara einige Tage Urlaub dort zu verbringen. Wir verstehen uns besser, als jemals zuvor, und nur selten erinnere ich mich noch an den Abend, als Sylvie unbedingt von der Episode in Aspen beginnen musste. Keine Ahnung was sie sich dabei dachte. Vielleicht war es der Wein. Da sie fortan auf weitere Bemerkungen dieser Art verzichtet hat, kann ich nur vermuten, dass es ein verbaler Ausrutscher war, und ich trage es ihr nicht nach. Dennoch ist unser kameradschaftliches Verhältnis gelegentlich von einer unbestimmbaren Spannung gezeichnet. In solchen Momenten würde ich diese quirlige undurchschaubare Frau am liebsten packen und kräftig schütteln, damit sie vielleicht so zur Besinnung kommt. Zumindest werde ich demnächst ein offenes Gespräch mit ihr suchen, denn auch zwischen Sylvie und Ahy´Vilara scheint es Spannungen zu geben. Ich bin mir nicht ganz sicher, denn Alloran schweigt sich darüber beharrlich aus, aber mir scheint fast, als hätte er Sylvie nach dem besagten Abend bei uns, ins Gebet genommen, denn fortan hat sie sich gehütet sich noch einmal so offensichtlich ungebührlich zu verhalten. Der Commander ist ein besonderer Mensch, und ich mag ihn sehr. Insgesamt hat die Crew bisher tadellos funktioniert, wobei sich auch unsere beiden Neuzugänge, Thania Walker und Sylvie, sehr gut integriert haben. Dienstlich. Die schwarzhaarige Kanadierin bekomme ich jedoch nur selten zu sehen, da sie zumeist in der zweiten Schicht Dienst hat. Unser Navigator, Frock, beginnt langsam mit seiner Geschwätzigkeit, seinem Landsmann Chirome den Rang abzulaufen, was zumindest Thania Walker gelegentlich schwer auf die Nerven geht. Obwohl ihn Triple-C, wenigstens im Dienst, bereits eingebremst hat. Cianera Crel hat ein sehr gut funktionierendes 10-Stunden-Schichtsystem an Bord etabliert, bei der sich die Schichten am Anfang und am Ende um eine Stunde überschneiden, wobei es in dieser Zeit reichlich Gelegenheit gibt, der Ablösung alle Vorkommnisse mitzuteilen, beziehungsweise selbst zu erfahren. Natürlich wird dabei auch der neueste Tratsch ausgetauscht, doch auch das fördert den Zusammenhalt, und mein Respekt vor der Umsicht von Triple-C ist weiter gestiegen. Ich hoffe nur, dass ich auf dieser Reise genug von ihr lerne, und eines fernen Tages selbst solche Fähigkeiten entwickeln kann, um als Captain ein Schiff der Sternenflotte zu kommandieren. Captain eines Raumschiffes sein – das ist es, was jeder Offizier der Sternenflotte will, oder besser: wollen sollte. Zumindest wenn es nach mir geht, denn mehr als je zuvor bin ich nun davon überzeugt, dass ich den richtigen Weg eingeschlagen habe. Mehr denn je fühle ich mich dazu berufen irgendwann selbst Captain eines Sternenflottenschiffes zu sein. Aber bis dahin wird es noch ein langer und mühsamer Weg werden. Doch ich bin mir nun vollkommen sicher, dass er sich lohnen wird. Der Gedanke, dass wir uns seit etwa drei Wochen in bisher unerforschtem Gebiet befinden fasziniert mich, und es ist ein erhebendes Gefühl zu wissen, dass man als erster Mensch dorthin geht, wo noch nie zuvor ein Mensch gewesen ist. Auch einige andere junge Offiziere und Mannschaftsmitglieder scheinen so zu empfinden. Man merkt es an jeder Geste und in jedem Gespräch. Ja, die Besatzung ist stolz darauf dass wir das Wissen um die Sektoren der Galaxis erweitern. Manchmal stelle ich mir vor, dass in einigen Jahrtausenden die gesamte Milchstraße erkundet sein wird. Ahy´Vilara nennt mich einen „unverbesserlichen Träumer“, und sie versucht mich stets auf den Boden der Tatsachen zu holen, wenn ich mit ihr darüber rede. Sie ist der Meinung, dass diese Galaxis zu groß sei, als dass man sie überhaupt je komplett erforschen könne. Zumindest nicht als körperliche Existenz. Manchmal frage ich mich, ob sie damit meint, dass nur eine gottgleiche Entität so etwas vollbringen könne. Im letzten Monat habe ich mit Ahy´Vilara behutsam über das Thema Kinder gesprochen, und ob sie sich vorstellen könne, nach unserer Mission ins Auge zu fassen, Mutter zu werden, falls dies bis dahin gefahrlos möglich sein sollte. Zu meiner Freude hat sie es nicht rundheraus abgelehnt, sich aber etwas Bedenkzeit erbeten. Ich verstehe das, da Andorianerinnen nur selten vor ihrem dreißigsten Lebensjahr ihr erstes Kind bekommen. Ich hoffe, sie entscheidet sich am Ende dafür, denn mittlerweile bin ich fest entschlossen mit meiner Frau eine Familie zu gründen. Das wäre einfach wunderbar.   * * *   Valand Kuehn freute sich bereits auf das Ende der Schicht. Vor wenigen Stunden hatten sie die beiden Planeten eines bisher unbekannten Sternensystems untersucht, wobei er bei einem der Außenteams gewesen war. Noch immer stand er unter dem Eindruck, dass er auf diesen fremdartigen Planeten gestanden hatte, die noch kein fremdes Wesen betreten zu haben schien. Auf beiden Planeten hatten sie keinerlei intelligentes oder tierisches Leben gefunden. Lediglich auf einige primitiv aufgebaute Pflanzen und Flechten war man gestoßen, was nicht weiter verwunderlich schien, denn die Zusammensetzung der Atmosphären der Planeten hatte bereits ahnen lassen, dass sich das System an einem frühen Punkt seiner Entwicklung befand. Falls es hier irgendwann einmal intelligentes Leben geben sollte, dann frühestens in ein bis zwei Milliarden Jahren. Zwar hatten sie nur einige Mineral- und Pflanzenproben entnommen, aber dennoch war Valand erpicht darauf, das Erlebte mit Ahy´Vilara zu besprechen, die heute leider eine Stunde länger Dienst hatte. Darum hatte er Sylvie gebeten, sich nach dieser Schicht, mit ihm in der Offiziersmesse zu treffen. Er musste dringend mit ihr reden, denn so wie bisher konnte es unmöglich weitergehen zwischen ihnen. Er konnte und wollte nicht länger zulassen, dass die junge Frau Ärger in seine Beziehung trug, egal in welcher Form auch immer. Ahy´Vilara hatte zwar nie davon gesprochen, aber irgendwie wurde Valand den unbestimmten Verdacht nicht los, dass sie in der letzten Zeit mehrmals Streit mit Sylvie gehabt hatte, und es ihm zuliebe nicht erwähnt hatte. Und er selbst hatte das nun viel zu lange laufen lassen, da er immer gehofft hatte, das Verhältnis der beiden Frauen zu einander würde sich mit der Zeit normalisieren. Doch das war offensichtlich nicht geschehen und nun war auch seine ellenlange Geduld am Ende. Gelegentlich warf er einen prüfenden Blick zu Sylvie LeClerc hinüber. Schon früher hatte er Bekanntschaft mit ihrer direkten, manchmal etwas ungestümen Art gemacht. Er hatte sie immer als eine sehr gute Kameradin geachtet, darum wurmte es ihn um so mehr, dass sie hier an Bord diesen Privatkrieg mit seiner Frau ausfocht. Und er hatte einfach keine Kraft, und auch keine Lust mehr, ihr Verhalten noch weiter bei seiner Frau zu entschuldigen, und ständig darauf hinzuweisen, dass sie früher nie so war. Dabei mochte er die Französin wirklich, weswegen es ihm auch schwergefallen war, sich endlich dazu zu entschließen ein offenes und ernstes Wort mit ihr zu sprechen. Dabei hoffte er aufrichtig, sie würde nachher seine Beweggründe verstehen, denn er wusste, dass ihm ein vollkommener Bruch ihrer freundschaftlichen Beziehung nicht leichtfallen würde. Dennoch würde er nicht zögern, ihr die Freundschaft zu kündigen, sollte sie sich weiterhin starrsinnig zeigen, denn seine Liebe und seine Loyalität gehörten Ahy´Vilara – ohne jegliche Einschränkung. Kuehn verdrängte diese unangenehmen Gedanken und konzentrierte sich wieder auf seinen Dienst. Er beobachtete Commander Tscharun und Lieutenant-Commander T´Parin dabei, wie sie an der Wissenschaftlichen Station der Vulkanierin bei einander saßen, und die Ergebnisse der planetaren Scanns auswerteten. Dabei sprachen sie leise mit einander und Valand Kuehn stellte zu seiner gelinden Verwunderung fest, dass die sonst meist ernst wirkende Wissenschaftlerin gelegentlich so etwas wie ein Lächeln zeigte. Dabei fielen ihm wieder die Gerüchte ein, die an Bord über beide kursierten. Er selbst glaubte nicht recht daran, dass zwischen beiden etwas lief, aber allein die Tatsache, dass die Vulkanierin in Gegenwart des Kameruners, für ihre Verhältnisse, so aus sich heraus ging, empfand er als bemerkenswert. Er selbst verstand sich mit dem XO der ALAMO ebenfalls ausgezeichnet. Man hatte auch fast keine andere Wahl, denn zumeist wurde der hünenhafte Afrikaner von einer stillen Heiterkeit beseelt, und oft hatte er ein leichtes Lächeln auf den Lippen. Die Vulkanierin hingegen war ihm ein Buch mit sieben Siegeln geblieben. Dazu kam, dass es nur selten Berührungspunkte zwischen ihnen gab. So konnte er noch immer nicht sagen, was er eigentlich von ihr hielt. Ein wenig bedauerte er diesen Umstand, andererseits machte er sich aber auch keine allzu großen Gedanken deswegen. Sie gingen freundlich und respektvoll mit einander um, das genügte ihm in diesem Fall. An der CONN hatte Thania Walker vor wenigen Sekunden die ALAMO beschleunigt und es, auf Geheiß der Kommandantin, wieder auf Warpgeschwindigkeit beschleunigt, nachdem sie die äußere Umlaufbahn dieses Zwei-Planeten-Systems hinter sich gelassen hatten. Sie hatte heute mit dem Chefpiloten, Daron Dimur Lenar, den Dienst getauscht, da sie auf eine Feier eingeladen war, die heute Abend stieg. Valand fand sie ganz sympathisch, aber da sie zumeist zu unterschiedlichen Zeiten Dienst taten, hatte er sie auch im vergangenen Jahr nur flüchtig kennen gelernt. Auch die meisten der anderen Führungsoffiziere hatten ihren Dienst heute erst später angetreten, da sie in einigen Stunden ein weiteres Sternensystem zu erreichen gedachte, welches sich nur wenige Lichtjahre entfernt befand und ebenfalls Planeten besaß, wie die Fernortungsscanner des Schiffes angezeigt hatten. Das System sollte von einem weißen Zwergstern beherrscht werden, der von einem sehr nah stehenden Begleiter umlaufen wurde. Die Scanner-Auswertung hatte ergeben, dass sich der Stern am Ende seiner Brennphase befand. Er und Sylvie hingegen erwarteten jeden Augenblick ihre Ablösung. Gemeinsam würden sie dann in der folgenden Stunde die Ereignisse der Schicht durchgehen, und wie gewohnt auch einige private Dinge austauschen. Bereits eine Minute später erschienen die beiden erfahrenen Chief-Petty-Officer, die während der kommenden zehn Stunden Dienst hatten auf der Brücke. Während Sylvie und Chief-Petty De Longrien ihre Ablösung in knapp einer halben Stunde erledigt hatten, tauschte sich Valand Kuehn noch immer lebhaft mit Chief-Petty Marucchi, einem kleinen lebhaften Italiener aus. Beide verstanden sich ausgezeichnet, obwohl sie kaum unterschiedlicher in Erscheinung und Gemüt hätten sein können. Hin und wieder hörten auch Sylvie und De Longrien hin, während Valand von der zurückliegenden Außenmission erzählte. So etwas erfuhr man immer gerne aus erster Hand. Abschließend wies der Norweger noch einmal darauf hin, dass die ALAMO in ein unbekanntes System unterwegs war, von dem man kaum etwas wusste, und er mahnte an, besonders aufmerksam zu bleiben. „Keine Sorge, Lieutenant“, lachte Marucchi beruhigend. „Ich passe schon auf, sobald wir unter Warp fallen. Die Hand immer über den Sensortasten für Schilde und Waffensysteme, bereit sofort beides zu aktivieren.“ Sylvie und De Longrien lachten unterdrückt, während Valand launig meinte. „Ja, machen Sie nur Ihre Späße, Mister Marucchi. Wenn dort eine unbekannte, aggressive Spezies auf unser Schiff lauert, und es zu Schrott schießt weil Sie nicht rechtzeitig zur Stelle waren, dann wird Ihnen Triple-C etwas erzählen. Marucchi verzog das Gesicht. „Sie verstehen es, einem den Spaß zu verderben, Lieutenant; immer auf Zack, wie? Haben Sie mal darüber nachgedacht, ob Sie ihre Arbeit nicht vielleicht etwas zu ernst nehmen? Sehen Sie mich an: Ich habe Spaß an meinem Job.“ „Ich möchte ja auch nur, dass es so bleibt“, konterte Valand Kuehn trocken und warf einen Blick auf den Chronographen, als er feststellte, dass Lieutenant Lenar an der CONN saß. Es war bereits eine Minute nach achtzehn Uhr und so sagte er abschließend: „Ich wünsche Ihnen beiden eine entspannte Schicht ohne zu viel Aufregung, meine Herren.“ „Wird schon schief gehen“, lachte der ruhigere De Longrien. Gemeinsam begaben sich Sylvie LeClerc und Valand Kuehn zu Turbolift-1, der in Flugrichtung auf der Steuerbordseite lag. Dabei warf er einen letzten Blick auf die beiden Chiefs und überlegte, dass Triple-C eine Händchen dafür hatte, stets zwei völlig verschieden geartete Wesen als Team zusammen zu spannen. Er und Sylvie waren das beste Beispiel dafür. Bei diesem Gedanken musterte er die Französin, die bereits akustisch Deck-5 angewählt hatte, und versuchte sich seine innere Unruhe nicht anmerken zu lassen. Als sie den Turbolift verließen und durch den hell erleuchteten Gang schritten, fragte die Französin neugierig: „Wie kommt es denn, dass du heute mit mir zu Abend isst? Hängt Zuhause etwa der Haussegen schief?“ Wieder so eine Spitze... Eben war Valand Kuehn noch etwas wankend in seinem Entschluss gewesen, doch dieser erneute kleine Seitenhieb brachte ihn wieder in die Spur. „Nein, aber darüber möchte ich nicht hier auf dem Gang mit dir reden.“ „Klingt ja geheimnisvoll“, meinte die junge Frau ironisch. Als sie merkte, dass Valand im Moment nicht bereit war mehr zu sagen, schwieg sie und fasste sich in Geduld. Als die beiden Offiziere die Messe erreichten, stellten sie fest, dass sie diese ganz für sich allein hatten, was Valand nur Recht war. Während sich Sylvie ein Altairwasser am Replikator bestellte, bevorzugte der Lieutenant einen Andorianischen Tee. Mit ihren Getränken nahmen die beiden Brückenoffiziere an einem der Fenstertische platz. Die Messe lag zwei Decks über den beiden Haupthangars, im hinteren Bereich der Primärhülle, und so sahen sie, durch die hohen, schmalen Fenster nur die nach achtern dahin ziehenden Sternenstreifen, die darauf hinwiesen, dass sich das Schiff im Warpflug befand. Valand maß Sylvie, die ihm nun am Tisch gegenüber saß, mit einem ernsten Blick und nahm einen Schluck von seinem goldgelben Getränk, bevor er sagte: „Ich möchte mit dir über unser angespanntes Verhältnis, und die Gründe dafür reden, denn...“ „Hat deine Frau dich dazu angestachelt?“, unterbrach Sylvie LeClerc ihn wütend. Valand stellte sein Glas hart auf den Tisch zurück und fuhr die Französin aufgebracht an: „Nein, verdammt! Lass endlich meine Frau aus dem Spiel, die kann für sich selbst sprechen! ICH rede zu dir, Sylvie, weil es mir bis hier oben steht!“ Dabei zeigte er mit zornfunkelnden Augen über seinen Kopf. Die blonde Frau blickte ihn etwas verdattert an, denn so außer sich hatte sie ihn noch niemals erlebt. Währenddessen fuhr Valand erregt fort: „Ich weiß nicht, was du gegen Ahy´Vilara hast, denn sie hat dir nichts getan. Sie ist meine Frau, Sylvie, und sie steht bei mir an allererster Stelle, deshalb will ich, dass du sie in Ruhe lässt. Ich habe dich immer als eine sehr gute Kameradin geachtet, aber langsam bin ich es leid deine Launen zu ertragen!“ Die Französin schluckte und mit flackernden Augen wollte sie etwas erwidern, doch Kuehn schnitt ihr schnell das Wort ab. „Ich will jetzt nichts von dir dazu hören! Dein Privatkrieg mit Ahy´Vilara hört umgehend auf, Sylvie – hier und jetzt. Oder setze deinen Weg fort wie bisher, aber dann sind wir beide endgültig fertig mit einander, denn ich möchte niemanden in meinem Umfeld haben, der sich meiner Frau gegenüber ungebührlich verhält. Und ich dulde es nicht eine Sekunde länger, dass jemand versucht Missstimmung in meine Ehe zu tragen.“ Seine letzten Worte waren sehr leise, aber mit einer besonderen Betonung gesprochen worden, die Sylvie aufhorchen ließ. Sie blickte in die zornfunkelnden Augen Valands und sie begriff, dass er jedes seiner Worte genauso gemeint hatte. Gleichzeitig wurde ihr vollkommen klar, dass sie niemals gegen die Andorianerin ankommen würde. Valand liebte sie aufrichtig, das wurde ihr in diesem Moment erst richtig bewusst. Während Valand Kuehn auf eine Reaktion der Französin wartete blickte er kurz zur Zeitanzeige des Wandkalenders hinüber. Man schrieb den 13. November 2362 – 18:17 Standardzeit. Es war die Minute, in der sich sein Leben grundlegend verändern sollte...   * * *   In der Krankenstation hatte Ahy´Vilara die Grundstoffe einiger Pflanzenproben auf ihre eventuelle Gefährlichkeit für Humanoides Leben hin untersucht. Gefunden hatte sie bisher einige Bakterien, die sich jedoch als vollkommen harmlos herausgestellt hatte. Damit gab es von medizinischer Seite aus keine Einwände, die mitgebrachten Pflanzen zu kultivieren. Die Biologische Abteilung des Schiffes würde sich freuen. Die Überprüfung einiger weiterer Proben stand noch aus, aber die Andorianerin war zuversichtlich, dass auch deren Prüfung negative Resultate zeitigen würde. Dennoch musste man vorsichtig sein. Zusammen mit Alloran Veron nahm sie die Untersuchungen vor. Der Commander hatte ihr zwar angeboten, zeitig zu gehen, aber sie wusste, dass Triple-C die Ergebnisse so schnell wie möglich haben sollte, also blieb sie und unterstützte ihn. Valand hatte Verständnis dafür, und allein dafür liebte sie ihn noch mehr. Sie lächelte bei dem Gedanken daran, dass Valand sie vor kurzer Zeit mit der Frage konfrontiert hatte, ob sie sich ebenfalls ein gemeinsames Kind wünschte, wenn sie von dieser Mission wieder zurück waren. Sie hatte sich Bedenkzeit von ihm erbeten und einige Zeit darüber nachgedacht. Nach und nach hatte sie in der letzten Zeit gespürt, dass dies auch ihrem Wunsch entsprach. Und es zeigte ihr, mehr als alles andere bisher, dass Valand sie wirklich liebte. Nicht zuletzt deswegen war sie sehr glücklich ob seiner Frage. Sie hatte in den letzten Stunden eine Entscheidung gefällt, und nun konnte sie es kaum abwarten Valand mitzuteilen, dass auch sie sich ein Kind wünschte. Alloran Veron, der sie unauffällig beobachtete, fragte schließlich lächelnd: „Sie sehen sehr glücklich aus, Ahy´Vilara. Gibt es einen besonderen Grund dafür?“ Die Andorianerin blickte fragend zu ihm auf. Dann beschloss sie, den Arzt einzuweihen und antwortete: „Ja, Alloran. Valand hat mir gegenüber vor einiger Zeit den Wunsch nach einem Kind geäußert, sobald wir diese Mission hinter uns haben. Ich habe darüber nachgedacht, und ich möchte es ebenso gerne.“ „Das ist eine schöne Neuigkeit“, meinte der Arzt erfreut, und in seinem Blick lag beinahe so etwas wie Vaterstolz. „Ich freue mich für Sie und Valand. Haben Sie schon entschieden, wer die Paten werden sollen?“ „Nein“, lachte die Andorianerin erheitert. Es ist doch noch einige Zeit bis dahin. „Sie benehmen sich ja beinahe, wie ein werdender Großvater.“ „Ich fühle mich auch beinahe so“, grummelte Veron gespielt melancholisch. „Aber kommen Sie nur nicht auf die Idee jetzt Opa zu mir zu sagen. „Ganz bestimmt nicht, Commander.“ Melanie Gerlach, die unauffällig das Medizinische Labor betreten hatte, blickte die beiden Kollegen an und fragte neugierig: „Habe ich was verpasst? Wer wird Großvater?“ Veron und die Andorianerin lachten vergnügt und Ahy´Vilara klärte die Krankenschwester in knappen Worten auf. Spontan legte Melanie Gerlach ihre Hand auf die Schulter der Assistenzärztin und sagte: „Ich freue mich für euch.“ Ein wenig melancholisch fügte sie hinzu. „Ich werde froh sein, wenn ich meine kleine Sylvie endlich wieder in die Arme schließen kann. In der letzten Nachricht von Mark erfuhr ich, dass sie jetzt plappert, wie ein Wasserfall. Sie ist mein ganzer Stolz.“ „Kann ich mir denken“, meinte der Arzt. Dann setzte er eine dienstliche Miene auf und sagte: „Ahy´Vilara und ich schaffen den Rest allein, und Sie können ohnehin nicht dabei helfen, darum bekommen Sie von mir den Befehl Feierabend zu machen.“ „Ahy, Commander“, lachte Melanie, die diese Art schrägen Arzthumor bereits kannte. Alloran Veron wandte sich wieder zu seiner Assistentin: „Kommen Sie, Lieutenant. Lassen sie uns die beiden restlichen Proben untersuchen.“ Er sagte es drei Minuten, bevor das Schicksal gnadenlos zuschlug...   * * *   Eine Halbe Stunde zuvor hatte Crewman 1. Klasse, Chirome, seiner Ablösung im Backbord-Hangar, wie üblich mit viel mehr Worten als nötig gewesen wären, erklärt, was an den verschiedenen Shuttles momentan geprüft und überholt werden musste. Dann standen beide noch eine Weile zusammen, und gingen durch, was in den nächsten Tagen vermutlich anstehen würde, wobei Chirome orakelte: „Vermutlich fliegen diese Shuttle-Jockeys wieder einige der Maschinen zuschanden, sobald wir das nächste System erreichen. Besonders diese izarianische Kunstpilotin wird wieder alle Systeme bis an die Grenzen belasten. Das ist doch deren Lieblingssport.“ Der menschliche Crewman 2. Klasse, Mick Trimmel, nickte entsagungsvoll. „Und wir dürfen uns anschließend wieder den Rücken krumm arbeiten, um die Maschinen für den nächsten Start rechtzeitig hin zu bekommen.“ „Da sagst du was, Langer“, seufzte der Bolianer. „Und dann ist heute der Chief einige Male vor meinen Füßen herumgelaufen. Vor lauter grüßen bin ich kaum zum arbeiten gekommen. Aber wehe, wenn die Kisten nachher nicht fliegen.“ „Hoffentlich lässt Chief Scunaren wenigstens unsere Schicht in Ruhe“, knurrte der dürre Mensch. „Sonst werde ich ungemütlich.“ Der Bolianer tauschte sich mit Trimmel noch einige weitere Minuten aus, bis seine Kollegin, Sarah Mintal bei ihm erschien und zum Chronographen deutete. „Willst du Überstunden machen, Chirome oder begleitest du uns zur vorderen Mannschaftsmesse?“ „Natürlich komme ich mit“, entschied der Bolianer, von dem es hieß, dass er das am besten informierte Besatzungsmitglied der ALAMO war. Er verabschiedete sich schnell von Trimmel und folgte der braunhaarigen Frau zum Ausgang des Hangars. In Kürze würde man ein neues Sternensystem erreichen, und was gab es Schöneres für einen hart arbeitenden Raumfahrer, als zum Feierabend mit Kollegen etwas zu trinken, und dabei einen Blick aus dem vorderen Panoramafenster auf ein unbekanntes Sternensystem werfen zu können...?   * * *   Im Hauptmaschinenraum war es den gesamten Tag über relativ ruhig zugegangen. Der rigelianische Lieutenant-Commander, Baran Scunaren, stand am Hauptschalttisch und kontrollierte den Plasmafluss im EPS-System. Auch hier stellte der Mann mit dem exotischen Gesichts- und Hautmuster keinerlei Unregelmäßigkeiten fest. Die Systeme waren relativ neu und sie funktionierten so präzise und einwandfrei, wie man es von diesen hochwertigen Systemen erwarten durfte. Der hochgewachsene, 1,90 Meter große Rigelianer machte eine zufriedene Geste mit der linken Hand. Dann nahm er sich vor, noch einmal die ODN-Leitungen gründlich zu checken, bevor sie das unbekannte System erreichten. Man konnte nie wissen. Seine Stellvertreterin, eine noch recht junge Marsianerin, die erst kürzlich zum Lieutenant befördert worden war, trat zu ihm und fragte neugierig: „Beunruhigt Sie etwas, spezielles Chief? Nach unserer letzten Ebene-2-Diagnose sah alles einwandfrei aus.“ Der Rigelianer fuhr sich mit der Hand durch das dunkelblonde, schulterlange Haar, dass er streng zurück gekämmt trug, und blickte die hagere Frau mit den kurzen schwarzen Haaren nachdenklich an. Mit einem Blick in ihre grün-grauen Augen meinte er dann: „Nein, es ist nichts Spezielles, Lieutenant. Ich habe nur seit heute morgen so ein seltsames Gefühl im Genick, dass mich bisher immer nur befallen hat, wenn etwas schlimmes passierte. Eigentlich gebe ich nicht viel auf Omen oder Vorzeichen, aber dieses seltsame Gefühl in mir will einfach nicht nachlassen.“ „Vielleicht sind Sie nur überarbeitet, Sir“, gab die Frau zu bedenken. „Die Technik der ALAMO ist auf der Höhe der Zeit, und die Crew ist verlässlich. Was sollte uns also schon großartig passieren, Sir?“ „Vermutlich haben Sie Recht, Lieutenant.“ Der Chief lächelte gezwungen und blickte auf die Zeitanzeige am Rand des Schalttisches. Dies geschah eine halbe Minute, bevor das Schiff unter Warp fiel, und draußen im All die Hölle losbrach...   * * *   In dem Moment, als Chirome mit Trimmel über die Angewohnheiten von Miranea Kerath lästerte, saß die Izarianerin unweit der beiden, in einem der Shuttles, die im Reparaturhangar standen, und ließ den Impulsantrieb der Maschine Probe laufen. Aufmerksam kontrollierte sie die einlaufende Telemetrie und schaltete schließlich zufrieden mit den Werten ab. Das technische Team hatte gute Arbeit geleistet, und einige kleinere Fehlfunktionen am Shuttle beseitigt. Nachdem die Izarianerin die Aggregate des Shuttles deaktiviert hatte, lehnte sie sich einen Moment im Sitz zurück und lächelte bei dem Gedanken daran, dass Siran und sie später in ihrem neuen gemeinsamen Quartier zusammen sein würden. Triple-C hatte vor einigen Wochen endlich ein Einsehen mit ihnen gehabt, und ihnen eine Gemeinschaftskabine bewilligt. Natürlich hatten sie danach eine kleine Einweihungsparty für ihre gemeinsamen Freunde gegeben, auf der es recht munter zu gegangen war. Natürlich war auch Valand mit Ahy´Vilara da gewesen. Seit er und die andorianische Assistenzärztin zusammen waren, hatten sie und Siran sehr oft gemeinsame Abende mit ihnen verbracht. Es hatte eine Weile gedauert, bis die Andorianerin aufgetaut war, denn genauso wie ihre Freundin Siran, war auch Ahy´Vilara anfangs etwas misstrauisch gewesen, weil Valand sich mit ihr gut verstand. Doch sie hatte schnell erkannt, dass dieses Verstehen, von beiden Seiten, rein platonischer Natur war, und seitdem kam sie mit der Andorianerin blendend aus. Sie wäre sogar soweit gegangen zu behaupten, dass die Andorianerin und sie so etwas wie gute Freunde geworden waren. Ein Anruf über den Kommunikator riss sie aus ihren Überlegungen. Es war Sirans Stimme, die sagte: „Tut mir leid, Miranea, aber ich werde mich um eine halbe Stunde verspäten, weil ich noch an einer EPS-Leitung zu tun habe, die von Warpkern zu den Waffensystemen führt. Der Chief möchte, dass ich diese Arbeit selbst erledige.“ „Nicht zu ändern“, erwiderte die Izarianerin sanft. „Dann werde ich heute das Abendessen vorbereiten.“ „Ich werde mich beeilen, vielleicht schaffe ich es ja schneller. Bis gleich.“ Damit schaltete die junge Trill ab. Miranea Kerath seufzte schwach. So etwas konnte immer vorkommen, und eine halbe Stunde war auch kein Beinbruch, obwohl sie diese Verzögerung bedauerte. Dann verließ sie das Shuttle, meldete ihn beim Hangarleiter voll betriebsklar, und machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Dies geschah eine Viertelstunde, bevor es an Bord zur Katastrophe kam...   * * *   Aus der Warte des Universums währte das Leben eine Menschen nur eine Millisekunde, und selbst die ungeheure Lebensspanne eines Sterns dauerte unter diesem Gesichtspunkt nur wenige Augenblicke, bevor er verging. Nach dem Ermessen humanoider Wesen schienen eben diese Sterne ewig zu bestehen, doch dies lag lediglich an ihrer naturgemäß begrenzten Auffassungsgabe und ihrer relativen Kurzlebigkeit, die ein wahrhaftiges Erfassen des Kosmos annähernd unmöglich machte. Jener lichtschwache, weiße Doppelzwergstern, der in den Karten der Föderation bisher nur die Bezeichnung LX-0281974-Beta/III trug, war bereits mehr als 13 Milliarden Jahre alt – eine Zeitspanne, die sich dem Geist selbst hochstehender sterblicher Wesen entzog. Scheinbar unendlich lange hatte er in der Milchstraße existiert. Er hatte das Aufblühen der ersten humanoiden Zivilisation gesehen, und ihr Vergehen. Er hatte erlebt, wie das von dieser Rasse hinterlassene genetische Material andere Planeten und Monde erreichte, und sich neue humanoide Spezies entwickelten, die sich schließlich den Sternen zu wandten. Nun erreichte er das Ende seiner bisherigen Existenz. Der Weiße Zwerg hatte im Laufe der Zeit Gas aus der ausgedehnten Hülle seines Begleiters akkretiert, wobei es bereits zu mehreren kleinen Nova-Ausbrüchen gekommen war. Unter normalen Umständen war eine solche Akkretion rechtzeitig anzumessen und auch optisch zu beobachten, doch in diesem Fall standen beide Sterne so nahe bei einander, dass der zu einem Roten Riesen angeschwollene Begleiter dem Zwergstern so nahe war, dass seine Strahlung ihn verdeckte, und die Akkretion in abnormaler Geschwindigkeit ablief. Bei diesen Ausbrüchen fusionierte der Wasserstoff des akkretierten Gases, wobei die Fusionsprodukte zurück blieben. Das setzte sich so lange fort, bis die Masse des weißen Zwerg dessen Chandrasekhar-Grenze, die theoretische obere Grenze für die Masse eines Weißen Zwergs, überschritt, und er durch seine Eigengravitation zu kollabieren begann. Im Gegensatz zu einem nicht reaktiven Eisenkern eines Typ-II-Vorläufersterns enthielt der Weiße Zwerg jedoch große Mengen an fusionsfähigem Kohlenstoff, so dass beim Kollaps eine plötzliche Kohlenstoff-Kernfusion einsetzte und der Stern explodierte. Dieses in der Wissenschaft auch als thermonukleare Supernova bezeichnete Naturphänomen setzte nun ein – nur wenige Sekunden bevor ein Sternenflottenschiff mit dem Namen ALAMO ganz in der Nähe der äußeren Planetenbahn, aus dem Subraum zurück in den Normalraum fiel...   * * *   Auf der Brücke der ALAMO saß Captain Cianera Crel im Sessel des Captains und ließ ihren Blick über die anwesende Brückencrew wandern. Schließlich wandte sie sich an Lieutenant Frock und fragte: „Wie lange noch, bis wir das System erreicht haben?“ Der Bolianer wandte sich halb zu Captain Crel um und antwortete beflissen: „Wir erreichen das System in genau zweieinhalb Minuten, Captain. Wir werden dann etwa eine Million Kilometer außerhalb der...“ „Nur die Zeit, Lieutenant!“, bellte die Tellaritin rüde, und unterbrach damit den Redefluss des Navigators, der pikiert das Gesicht verzog und sich, sichtlich beleidigt, wieder seinen Instrumenten zu wandte. Währenddessen wechselte Crel einen schnellen Blick mit Tscharun, der sich ein Schmunzeln erlaubte und unbeteiligt mit den Schultern zuckte. Einerseits hielt er nicht sehr viel von Crels Tonfall, andererseits war es fast die einzig wirksame Methode den Redefluss des Bolianers zu bremsen. Man gewöhnte sich daran. Der Kameruner bereitete die Konsolenkonfiguration vor. Nach ihrer Ankunft in dem unbekannten System würde T´Parin seine Hilfe gut gebrauchen können. Er warf einen kurzen Blick zu der Vulkanierin hinüber und lächelte. Beide verband schon seit Jahren eine sehr tiefe, aufrichtige Freundschaft. Schon seit einiger Zeit hatte er gemerkt, dass es eigentlich weit mehr war, und er hatte vor Wochen vorsichtig begonnen vor zu fühlen, wie es um die Wissenschaftlerin, in dieser Hinsicht, stand. Mit einem warmen Gefühl tief in seinem Innern dachte er daran, dass sie heute, nach Dienstende noch gemeinsam zum Essen verabredet waren. Offensichtlich hatte T´Parin nur auf einen ersten Schritt von ihm gewartet, denn die Art, wie sie zugesagt hatte war dazu angetan gewesen ihn sehr optimistisch zu stimmen. Etwa zum selben Zeitpunkt übertrug Lieutenant Lenar die einlaufenden Daten die Frock ermittelte auf einen kleinen Bereich der CONN. Noch etwa eine halbe Minute, dann würde er das Schiff unter Warp bringen. Schon zu Akademiezeiten hatten seine Ausbilder ihm eine besondere Sensibilität im Umgang mit den Systemen von Raumschiffen bescheinigt. Und so war es wenig verwunderlich, dass er die leise, kaum wahrnehmbare Veränderung der Arbeitsgeräusche zuerst vernahm. Mit einer etwas nachdenklichen Miene blickte er auf und horchte. Noch bevor er genau sagen konnte, was ihn irritiert hatte, begann das Schiff, zunächst fast unmerklich zu vibrieren. Doch schon einige Augenblicke später wurden die Vibrationen so deutlich, dass sie Jeder an Bord der ALAMO spüren konnte. Captain Cianera Crel fragte sich für einen kurzen Augenblick, was ein Schiff im Subraum dazu bringen konnte, so zu reagieren. Bekannte war ihr aus ihrer langen Erfahrung kein einziger solcher Fall, was das Ganze noch ungewöhnlicher erscheinen ließ. Blitzschnell entschied sie: „Mister Lenar, bringen Sie die ALAMO unter Warp!“ „Aye, Captain.“ Gleich darauf verschwanden die Lichtstreifen auf dem Hauptschirm, und wurden beinahe gleichzeitig von einem so hellen Gleißen abgelöst, dass alle auf der Brücke geblendet die Augen schlossen, obwohl die Filter des optischen Systems augenblicklich reagierten. Hätten sie es nicht, dann wären alle Brückenoffiziere augenblicklich erblindet. „Bericht!“, donnerte die Stimme der Tellaritin durch den Raum und riss die Offiziere aus ihrer Überraschungsstarre. „Ein Stern des binären Systems kollabiert“, antwortete T´Parin mit unnatürlicher Ruhe. Er entwickelt sich augenblicklich zur Supernova.“ Auf dem abgeblendeten Bildschirm wurde jetzt erkennbar, dass zwei gewaltige Energiefinger auf sie zu rasten, und Cianera Crel entfuhr es: „Beim Sumpfgeist der Feuchten...“ Dann rief sie: „Taktik: Schutzschilde aktivieren! Nach Steuerbord wegbrechen, Mister Lenar! Bringen Sie uns weg von hier!“ Der Trill reagierte fast zeitgleich, da auch er bemerkt hatte, dass der einzig vernünftige Fluchtvektor auf Steuerbord lag – weg aus dem Gefahrenbereich. Das Problem war nur, dass auch im Vakuum Masse immer Masse blieb. Die ALAMO war, nach dem Fall unter Warp, immer noch mit annähernd 10% der Lichtgeschwindigkeit in das System hinein gerast, und auch bei einem Gewaltmanöver würde der Kurvenradius des Schiffes wenigstens 250.000 Kilometer betragen. Scheinbar quälend langsam wanderte der Gefahrenbereich nach Backbord aus und die Brückenbesatzung glaubte bereits, sie würde mit dem Schrecken davon kommen, doch einer der beiden einige Millionen Grad heißen Plasmafinger zuckte geradewegs auf die Brücke der ALAMO zu. Fast zeitgleich reagierte Commander Tscharun, in gewohnter Geschwindigkeit, und gab Rotalarm für das gesamte Schiff. Direkt danach aktivierte er den Verschlussbefehl für alle Sicherheitsschotts des Schiffes. Entfesselte Urgewalten, denen kein von Menschenhand geschaffenes Werk widerstehen konnte, brandeten gegen die hochgespannten Schutzschilde der U.S.S. ALAMO, und zeigte den Besatzungsmitgliedern die technischen Grenzen auf. Nur Sekundenbruchteile waren die Schilde des Schiffes diesen Urgewalten gewachsen. Dann fielen sie in sich zusammen, und gleich darauf brach das Unheil über das Schiff herein, als die Plasmamassen die ungeschützte Brücke erreichten und verschlangen. Beinahe gleichzeitig erfolgte der Anprall des zweiten Plasmaausläufers und riss das Schiff mit Brachialgewalt aus seinem Kurs, um es endgültig aus dem Binärsystem herauszukatapultieren. Der zweite Plasmaausläufer traf das völlig ungeschützte Schiff auf Höhe des Hauptmaschinenraumes, wobei es nicht mehr als ein glücklicher Zufall war, dass sich die Hauptstoßrichtung des Plasmas von diesem Bereich weg bewegte. Dennoch reichte die Randenergie des Plasmas aus, um Chaos und Tod an Bord zu verbreiten...   * * *   Sylvie LeClerc spürte einen imaginären Knoten im Magen. Sie hob gerade dazu an, auf die harschen Worte des Norwegers, der ihr gegenüber saß, und sie mit zornfunkelnden Augen musterte, zu antworten, als ein zunächst nur unmerkliches Vibrieren des Schiffes sie aufmerksam werden ließ. Kuehn, der es im selben Augenblick bemerkte, blickte fragend. Noch bevor er etwas sagen konnte fiel das Raumschiff unter Warp und hinter dem dicken Fenster aus transparentem Aluminium wanderten die Sterne seitlich aus. Gleichzeitig wurde das Vibrieren stärker und Sylvie fragte: „Was zum...?“ Weiter kam sie nicht, denn schon im nächsten Augenblick wurde sie, wie von einer Titanenhand gepackt und über den Tisch hinweg auf den Boden der Messe geschleudert, wobei sie das Glück hatte auf Valand zu landen, den es ebenfalls zu Boden geworfen hatte. Dazwischen gellten die optischen und akustischen Signale des Rotalarms auf. Noch während sie sich aufrappelte wurde das Schiff ein zweites Mal schwer erschüttert und die beiden Menschen rollten hilflos über den Boden der Messe, bis sie beide unsanft von der Seitenwand gebremst wurden. Auch das Mobiliar wirbelte durch den Raum, und Valand warf sich instinktiv über die Französin, und hob seine Arme schützend über ihre beiden Köpfe, als zwei der Stühle auf sie niedersausten. Einer von ihnen verfehlte sie um Haaresbreite, während der andere den Norweger mit Wucht im Rücken traf, und ihm ein schmerzhaftes Aufstöhnen entlockte. Im nächsten Moment hatte er das Gefühl auf einer Ofenplatte zu liegen. Mit einem gequälten Ächzen erhob er sich, wobei er Sylvie LeClerc mit sich riss und taumelte orientierungslos in die entgegengesetzte Ecke der Messe. Er hieb auf den Öffnungskontakt des Schotts auf dieser Seite der Messe, doch es bewegte sich keinen Millimeter. Als hätte sein Versuch den Ausschlag dazu gegeben, begann das Licht zu flackern und erlosch schließlich ganz. Irgendwo war ein unheilverkündendes Knacken und Prasseln zu vernehmen. Nur ein rhythmisches, düsterrotes Glühen spendete etwas Licht. Währenddessen blickte er ungläubig auf die Stelle, an der sie eben noch gelegen hatten. Sie glühte in einem dunklen Kirschrot. Ach die Wand auf der gegenüber liegenden Seite der Messe hatte ihre Farbe verändert, und für einen Moment dachte der Norweger, dass möglicherweise eine Verletzung seine Wahrnehmung trüben könne. Doch dann fiel ihm wieder die unangenehme Wärme ein, und auch jetzt hatte er das Gefühl förmlich in Schweiß gebadet zu sein. Neben ihm regte sich die Französin und fragte verwirrt in die Dunkelheit hinein: „Was ist passiert?“ Erst jetzt bemerkte sie die Alarmgeber, deren Nerven zerfetzende Geräusche immer noch durch das gesamte Schiff gellten. Ein unheilverkündendes rhythmisches Aufleuchten der Alarmpaneele brachte sie endgültig wieder in die Realität zurück. Während sie sich vom Boden erhob und Kuehn dabei half sich ebenfalls aufzurappeln wurde ihr flüchtig bewusst, dass er ihr möglicherweise das Leben gerettet hatte. Aber im Moment war keine Zeit deswegen groß Worte zu machen. Sie schluckte. „Meine ich das nur, oder ist es hier drin so heiß?“ „Es ist so heiß. Frag mich nicht warum. Ich weiß nur, dass irgend etwas fürchterlich schiefgegangen sein muss. Das Schott hinter uns ist von der Automatik gesperrt worden, aber wir müssen hier heraus und erfahren, was geschehen ist.“ Valand Kuehn machte sich Sorgen um seine Frau, aber das sprach er nicht laut aus. Er tippte auf seinen Kommunikator und versuchte die Brücke zu erreichen, aber alles was er hörte war ein statisches Rauschen und Knacksen, bevor auch dies verstummte. Er wiederholte seinen Versuch, doch der Kommunikator schien tot zu sein. Nachdem es auch Sylvie LeClerc ergebnislos versucht hatte meinte sie resignierend: „Ein EMP hat offensichtlich die Geräte in Mitleidenschaft gezogen. Verdammt, wenn es nur nicht so stickig hier drin wäre.“ Währenddessen arbeitete es hinter der Stirn des Norwegers fieberhaft. „Vielleicht gelingt es mir auf der anderen Seite hier heraus zu kommen.“ Er wollte sich in Bewegung setzen, doch die Französin hielt ihn am Ärmel zurück. „Bist du wahnsinnig? Das schaffst du doch nie! Die Wände glühen immer noch in einem dunklen Rot. Dahinter ist die Hölle los gewesen, Valand!“ Wütend riss er sich von Sylvie los und wollte etwas erwidern, während er verzweifelt zur anderen Seite der Messe sah. Das geschmolzene Kunststoffmaterial der beiden Stühle sprach eine überdeutliche Sprache. Hilflos die Hände zu Fäusten geballt stand er vor ihr. Seine Sorge um Ahy´Vilara machte ihn beinahe wahnsinnig. Nach einem langen Moment gewann endlich seine rationale Seite wieder die Oberhand und intensiv überlegend sagte er: „Wir müssen die nächste Jeffries-Röhre finden, und erkunden, ob wir sie gefahrlos verwenden können, Sylvie.“ „Wohin wollen wir uns denn wenden?“ Einer von uns muss sich einen Überblick verschaffen, wie es im Maschinenraum aussieht. Es scheint so, als würden Momentan nur die Notaggregate arbeiten. Aber damit kommen wir bestenfalls einige Tage aus, bevor die Lage kritisch wird. Das übernimmst am besten du. Ich werde versuchen mich zur Krankenstation durchzuschlagen. Wenn mich mein Gefühl nicht trügt brauchen wir überall im Schiff medizinische Hilfe. Wenn dir jemand von der Besatzung entgegenkommen sollte, dann schicke ihn zur Brücke hinauf. Wir müssen auch wissen, wie es dort aussieht.“ Sylvie nickte knapp, froh, dass sich Valand wieder gefangen hatte, und damit begann, ihre Lage nüchtern zu analysieren. Dann machten sie sich gemeinsam auf die Suche.   * * *   Die erste Plasmafackel, die das Raumschiff der Sternenflotte traf, brannte sich von schräg oben durch die Primärhülle, wobei die Brücke an der vorderen Steuerbordseite gestreift wurde. Erst auf dem fünften Deck verlief sie sich langsam, doch noch immer war sie stark genug, auch die Schaltelemente in der Decke des sechsten Decks zu erreichen. Die Wucht des Einschlags kam überraschend für die beiden Ärzte im Labor und für einen Augenblick schien der Boden unter ihnen zu tanzen. Während Ahy´Vilara zu Boden gestürzt war, hatte sich Alloran Veron an der Kante seiner Arbeitskonsole festhalten können. Eher zufällig richtete sich sein Blick zur Decke, wo er direkt über seiner andorianischen Kollegin einen weißglühenden, etwa tellergroßen Bereich ausmachte, der sich wie eine Blase aufblähte. Eine der Nebenkonsolen explodierte in einem Funkenregen und Qualm erfüllte das Labor. Ein unangenehmer Brandgeruch breitete sich in dem Raum aus. Geistesgegenwärtig warf sich der Arzt schützend über die Andorianerin. Gerade, als er sie zur Seite riss, platzte die Deckenverkleidung und scharfkantige Metall-und Kunststoffsplitter schossen von der Decke herab. Veron schrie vor Schmerzen gellend auf, als zahlreiche Splitter in seinen Rücken und in seine Beine eindrangen, bevor er über Ahy´Vilara zusammenbrach. Die andorianische Ärztin brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass etwas unvorhergesehenes an Bord geschehen war. Sie hatte dank der schnellen Reaktion des Arztes so gut wie nichts abbekommen. Mühsam arbeitete sie sich unter Alloran Veron hervor. Beinahe gleichzeitig fiel die Beleuchtung aus, doch ein unheilvolles Flackern kam von der Decke und es wurde schnell heißer in dem Raum. Im Schiff brennt es, wurde es Ahy´Vilara klar. Zeitgleich flammten die Alarmpaneele rot auf, und die Alarmgeber brachten die Andorianerin endgültig in die Wirklichkeit zurück. Sie warf einen schnellen Blick zu Veron und erschrak, als sie seinen gesamten hinteren Körper mit Splittern der Deckenverkleidung gespickt sah. Irgendwo im Schiff gab es eine Detonation und ein Zittern durchlief das Schiff. Der Arzt gab ein gequältes Stöhnen von sich, und Ahy´Vilara sagte zuversichtlich: „Halten Sie durch, Doktor. Ich bringe sie hinüber in die Krankenstation. Ein erneutes, furchterregendes Grollen in den Untiefen des Schiffes, gefolgt von einem Kreischen und Krachen der gesamten Schiffshülle, ließ sie zusammenzucken. Mit einem trockenen Knall explodierte einer der EPS-Verteiler und ein Funkenregen ging auf sie und Veron nieder, als eine neue Erschütterung das Schiff durchlief. Gemeinsam rutschten sie über den Boden, bis sie unsanft von der Wand gebremst wurden. Das Schiff bricht auseinander, schoss es Ahy´Vilara durch den Sinn. Ihr Herz schlug bis zu ihrem Hals hinauf. Was war bloß passiert? Fluchend half die Assistenzärztin dem Doktor vom Boden, bis er unsicher vor ihr kniete. Er schien es nicht zu schaffen auf die Beine zu kommen, und so hob sie sich Veron mühsam auf die Schultern, um ihn in den Krankenbereich zu tragen. Der Arzt war halb besinnungslos und plapperte etwas undeutliches. „Wir haben es gleich geschafft“, sagte die Ärztin, mehr um sich selbst Mut zu machen, als mit dem Mann auf ihrer Schulter zu sprechen. Wäre sie etwas schneller gewesen hätte die Andorianerin vielleicht Recht behalten. So aber brach die Plasmaleitung, hinter einer der Wandkonsolen genau in dem Moment, als sie mit dem Arzt daran vorbei strauchelte. Eine heftige Explosion erfasste sie und den Arzt mit voller Wucht, und schleuderte die beiden Personen, wie gewichtslose Puppen, quer durch den Raum. Sie schlugen beide hart auf und um die Andorianerin herum wurde alles undeutlich. Sie spürte noch, wie sie hart mit dem Hinterkopf gegen etwas hartes prallte, bevor Schwärze sie umhüllte und ihr Bewusstsein auslöschte.   * * *   Als das Schiff begann zu vibrieren ahnte Lieutenant-Commander Scunaren, dass seine Vorahnungen ihn nicht getrogen hatten. Gleich darauf wurde das Vibrieren stärker und das Gellen des Rotalarms erfüllte das Schiff. Was war geschehen? Noch während der Chief mit der Brücke Kontakt herstellen wollte, durchlief eine starke Erschütterung das Schiff, die ihn von den Beinen warf. Fluchend zog er sich am Schalttisch hoch und betätigte den Kontakt der Sicherheitsschotts, um den Warpkern zu sichern. Gleichzeitig betätigte er die Notabschaltung des Warpkerns. Diese beiden Taten sollten 110 Besatzungsmitgliedern das Leben retten, auch wenn der Rigelianer dies nicht mehr erfuhr, denn gleich darauf glühte die Wand zu seiner Rechten, zuerst rot, dann grellweiß auf. Eine Energiezunge leckte in den Raum und und hüllte ihn im nächsten Moment vollkommen ein. Der Chief öffnete den Mund und wollte schreien, doch er kam nicht mehr dazu. Er starb in einer Feuerlohe, und alles was von ihm zurückblieb waren einige Aschenreste. Dasselbe Schicksal ereilte auch den Rest des Technischen Teams. Gleichzeitig wurde Siran Torinar, die sich im Moment ein Deck tiefer aufhielt, von den Beinen gehoben. Eben hatte sie noch die Wandverkleidung zu Boden gestellt und sich daran begeben, die EPS-Leitung, die der Chief ersetzt haben wollte, freizulegen, als sie mit Urgewalt gegen die Wand hinter sich geschleudert wurde. Fast gleichzeitig barst eine Kühlmittelleitung. Mit schreckgeweiteten Augen erkannte sie, dass ein scharfkantiges, gesplittertes Schaltelement direkt auf sie zu gewirbelt kam, und sie wollte die Arme hochreißen, doch bereits im nächsten Moment drang das zum Geschoss gewordene Fragment mit einer der Kanten in ihre Bauchhöhle ein. Siran schrie gellend auf, als ein Schmerz, wie von tausend glühenden Nadeln verursacht die in ihren Körper einzudringen schienen, durch ihren Körper brandete. Auf dem Gesicht der Trill zeigte sich ein ungläubiger Zug, während sie zu Boden sackte. Gleichzeitig fiel das Licht aus und eine bedrohlich wirkende Finsternis umgab sie. Das Gellen des Rotalarms nahm sie dabei kaum wahr. Bewusstlosigkeit drohte sie zu übermannen, während der rasende Schmerz sie halb irrsinnig machte. Instinktiv tasteten sich ihre Hände kraftlos zu dem 40 Zentimeter langen Schaltelement vor, während sie deutlich spürte, wie sie aus den empfindlichen inneren Organen blutete, die sich bei einer Vereinigung mit einem Trillsymbionten mit diesem verbanden. Ihre Finger ertasteten das scharfkantige Fragment, aber ihre Arme hatten keine Kraft mehr und sanken seitlich am Körper herab. Sie landeten in etwas Feuchtem, das sich warm anfühlte. Ein metallischer Geschmack erfüllte ihre Mundhöhle. „Nein, bitte...“, flehte sie unhörbar leise in der Finsternis, während das Leben aus ihrem Körper floss. Ihre Augen weiteten sich unnatürlich und Tränen rannen aus ihren Augenwinkeln. Kaum noch bei Bewusstsein flüsterte sie: „Mama...“ Ihr wurde kalt, und immer schwächer werdend sah sie das Gesicht ihrer Lebenspartnerin vor ihrem geistigen Auge. „Miranea...“ schluchzte sie heiser. Im nächsten Moment brach ihr Blick und ihr Kopf sank schlaff zur Seite, während sich unter ihrem Körper die Blutlache rasch vergrößerte.   * * *   Chirome wusste kaum, wie ihm und den anderen in der vorderen Mannschaftsmesse, geschah. Eben noch hatte er sich mit Sarah Mintal unterhalten – und im nächsten Moment wurde er von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt und quer durch den Raum geschleudert. Instinktiv die Hände über den Kopf schlagend, und die Beine an den Körper gezogen, flog der wuchtige Crewman durch den Raum und landete mit dem Steiß voran unsanft auf dem Boden, wo er sich einige Male überschlug und unter einem der Tische benommen liegen blieb. Irgendwo im Raum erklang ein seltsames Knacksen. Ächzend blieb er liegen und achtete dabei auf das Summen in seinen Ohren, dass sich gleich darauf in das furchteinflößende Geräusch des Rotalarms verwandelte. Gerade als er sich auf Händen und Füßen wieder aufrichten wollte, wurde das Schiff erneut erschüttert und schon im nächsten Augenblick lag er wieder unter dem Tisch, unter dem er eben erst hervorgekrochen war. „Jetzt reicht es mir aber!“, schimpfte der Bolianer aufgebracht. Benommen krabbelte er erneut unter dem Tisch hervor, während das Licht aufflackernd erlosch. Wenigstens funktionierte hier die Notbeleuchtung und tauchte den Raum in trübe Helligkeit, in die das rhythmische Aufleuchten der Alarmpaneele drang. Mehrere Explosionen waren zu hören und ein grausiges Knacken und Krachen durchlief das gesamte Schiff. Einige Meter von ihm entfernt rappelte sich Sarah Mintal auf und fluchte unterdrückt. Sie blickte zu ihm, wobei sie ihre schulterlangen Locken aus dem Gesicht streifte, und fragte in ihrer Verwirrung: „Wo bist du denn gewesen?“ Der Bolianer blickte sie etwas fassungslos an, bevor er knurrte: „Wo soll ich schon groß gewesen sein? Ich bin, mit dem Hintern voran, durch die Luft geflogen.“ Erst die gereizte Antwort des Bolianers brachte sie in die Wirklichkeit zurück. „Chirome, was ist passiert? Irgend etwas scheint die ALAMO getroffen zu haben. Ein Angriff?“ „Dann würden wir wohl kaum noch hier darüber diskutieren können“, wandte der Bolianer ein. Man hätte uns sicherlich schon den Rest gegeben.“ „Auch wieder wahr.“ Sie blickte sich suchend nach ihren anderen beiden Abteilungskameraden um. Einer der beiden begann sich eben, einige Meter zu ihrer Rechten, zu rühren, wobei er undeutliche Brummlaute von sich gab. Sie hob den Kopf und erkannte gleich dahinter die Silhouette des anderen, ohne momentan sagen zu können, wer wer war. Erst als der Mann, der ihr am nächsten lag, den Kopf wandte erkannte sie ihn, obwohl sein Gesicht blutverschmiert war. Mark Langdon hatte sich an der Stirn verletzt. Offenbar nicht schlimm aber dafür stark blutend. Er erkannte den Schreck in Sarahs Augen und meinte: „Ich bin okay. Was ist mit Carlos?“ „Ich sehe mal nach“, erbot sich Sarah, die bereits wieder auf den Beinen war und schritt über Mark hinweg zu den am Boden liegenden Mann. Noch während sie sich abbückte war sie der Meinung, dass er bewusstlos war, doch als er nicht auf ihr Rütteln an der Schulter reagierte, drehte sie ihn vorsichtig auf den Rücken. Im nächsten Moment entfuhr ihr ein spitzer Schrei und sie wandte sich ab. Mark erkannte im nächsten Augenblick warum. Die Augen starrten seltsam starr zur Decke hinauf, und es war zu erkennen, dass kein Lebensfunke in ihnen war. Erst jetzt erinnerte er sich wieder an das Knacksen, das er gehört hatte, und er ahnte, dass sich Carlos Ramonte beim Sturz, an irgendeiner Kante, das Genick gebrochen hatte. Auch er zuckte geschockt zusammen, bei diesem Gedanken. Ramonte war ein lebenslustiger aufgeweckter Kamerad gewesen, und plötzlich lebte er nicht mehr, das war nur schwer zu verdauen. Das unterdrückte Stöhnen und Fluchen einiger anderer Crewmen machte ihm wieder bewusst, dass außer ihnen Vier noch einige weitere Besatzungsmitglieder anwesend gewesen waren, bevor der zweifache Schlag das Schiff erschüttert hatte. „Kümmere dich mal um die anderen, Sarah“, drang die Stimme von Chirome in die Gedanken der jungen Frau. „Vielleicht ist einer von ihnen verletzt und braucht Hilfe.“ Trotz seiner ansonsten großen Geschwätzigkeit vermittelte ausgerechnet der Bolianer in dieser Krisensituation eine geradezu unglaubliche Ruhe. Sie nickte Chirome dankbar zu und begab sich in den hinteren Teil der Messe. Währenddessen blickte sich der Bolianer um und versuchte sich einen Überblick zu verschaffen, wobei er überlegte, was passiert sein mochte. Ein Versuch, jemanden über seinen Kommunikator zu erreichen, war jämmerlich gescheitert. Mittlerweile hatte sich auch Mark vom Boden hoch gerappelt und machte einige vorsichtige Schritte. Nichts schien gebrochen zu sein. Lediglich der Riss an seiner Stirn schmerzte ganz verteufelt. „Was, zum Henker, war das?“ „Warum fragt eigentlich jeder dasselbe“, knurrte Chirome. Irgendetwas scheint das Schiff getroffen zu haben, aber offensichtlich war es kein Angriff. Mehr fällt mir dazu momentan auch nicht ein.“ Erst jetzt blickte er zu einem der Fenster hinaus, wo sich der Sternenhintergrund langsam im Kreis drehte. „Wir treiben, das bedeutet, die ALAMO ist Steuerlos.“ Mark wischte sich das Blut, mit seinem Uniformärmel von der Stirn und meinte: „Dann müssen wir zur Brücke hinauf und schauen, was dort los ist.“ „Zumindest zwei von uns“, pflichtete der Bolianer, der kommentarlos die Führung übernommen hatte, bei. „Der Rest sollte versuchen, sich zum Maschinenraum durchzuschlagen, das Schiff braucht Energie.“ Mittlerweile hatte Sarah Mintal festgestellt, dass die übrigen drei Crewmen mit geringfügigen Blessuren und einigen blauen Flecken davon gekommen waren. Nachdem sie alle wieder auf den Beinen waren ging sie mit ihnen zu Chirome hinüber, der von ihnen allen am längsten auf der ALAMO Dienst tat. Sie kamen überein, dass Mark und einer der drei anderen Crewmen sich zur Brücke durchschlagen sollten, während der Rest versuchen würde, den Maschinenraum zu erreichen. Mit Erleichterung stellten sie fest, dass sich das Schott öffnen ließ. Auch auf dem Gang sorgte die Notbeleuchtung für trübe Helligkeit. Nur undeutlich drang ein fernes Knistern und Knacken an ihre Ohren. „Hoffentlich bricht das Schiff nicht auseinander“, unkte Sarah düster. Der vordere Bereich der Sekundärhülle schien kaum etwas abbekommen zu haben, doch schon bald änderte sich dieser Eindruck. Immer häufiger mussten sie über heruntergefallene Deckenplatten steigen, und ein Geruch von verbrannten Materialien wurde immer stärker. Schon bald wiesen die Wände des Ganges rußgeschwärzte Stellen auf, bis sich der Gang schließlich vor ihren Augen verformte. „Mein Gott“, ächzte einer beiden übrigen Crewmen. „Was war denn hier los?“ Der Gang wurde zusehends dunkler, da hier die Notbeleuchtung komplett zerstört war. Dennoch erkannten sie ein Loch in der Decke, dessen Ränder glasiert wirkten. „Irgend etwas hat sich durch die Decke gebrannt“, stellte Chirome fest. Dann scheint sich die Energie in diesem Gang verlaufen zu haben. Genau werden wir es wohl nie erfahren, schätze ich.“ Ein schwarzer Brandfleck auf dem Boden untermauerte diese Theorie. Sie gingen weiter und Sara Mintal wandte sich zu dem Bolianer. „Was kann so einen Schaden am Schiff angerichtet haben? Ein Waffenstrahl war das sicherlich nicht.“ „Zumindest ist mir keine solche Waffe bekannt“, stimmte der Bolianer zu. Dann wies er nach vorne, wo ein schwacher Lichtschein zu sehen war. Er wandte sich an seine drei Begleiter und meinte bedrückt: „Kommt - weiter.“   * * *   Nachdem sie die Einstiegsluke zur Jeffries-Röhre gefunden hatten, waren Valand und Sylvie hinter einander hinein gekrochen. Am nächsten Verteilerknoten hatten sie sich dann getrennt. Während sich Valand Kuehn nach oben gewandt hatte, kletterte Sylvie LeClerc nun nach unten, wobei sie auf die Bezeichnungen achtete, die das jeweilige Deck angaben. Sie kam bis zu Deck-9. Dann erwies sich ein verzogenes Schott als unüberwindliches Hindernis. Sie war gezwungen die Röhre zu verlassen und zu versuchen, über eine der anderen, überall im Schiff verteilten Jeffries-Röhren das Maschinendeck zu erreichen. Die Französin gab ein ächzendes Stöhnen von sich, als sie endlich die beengende Röhre verließ und hinaus auf den Gang trat. Sie blickte sich blinzelnd in der neuen Umgebung um. Es handelte sich um den teilweise arg zugerichteten Korridor der zum Hangarbereich der ALAMO führte. Er lag in gespenstischem Zwielicht. Einige der Notbeleuchtungskörper flackerten unstet, und an manchen Stellen waren sie gänzlich ausgefallen. Immer noch schrillte der Alarm durch die Gänge des Schiffes und die Alarmanzeigen leuchteten rot. Brandspuren überzogen einen Teil der Wände. Deckenplatten und abgeplatzte Wandpaneele bedeckten einen Großteil der Bodenfläche. Irgendwo in einem Gangabschnitt hinter ihr war eine Kühlmittelleitung geplatzt. Weißlicher Rauch quoll aus ihr hervor und hüllte einen Bereich des Ganges wie eine Nebelwand Wand ein. Sylvie strauchelte hindurch, wobei sie husten musste und wäre beinahe über ein größeres Objekt gestolpert. Erst bei genauerem Hinsehen bemerkte sie, dass es ein Körper war. Ein Sternenflottenoffizier in den Farben eines Technikers. Seine Augen waren seltsam starr, die Haut, dort wo sie nicht verkohlt war, mit hässlichen Brandblasen übersät. Sie erkannte sofort, dass er tot war, und sie würgte, wobei sie spürte, wie ihr Magen zu rebellieren begann. Erst jetzt nahm sie zudem den beißenden Geruch verbrannten Fleisches wahr. Taumelnd bewegte sie sich grauen geschüttelt weiter, bevor sie sich an der Wand abstützte und sich übergab. Ein krächzendes Husten folgte, bevor sie sich wieder unter Kontrolle hatte. Es war das erste Mal in ihrem jungen Leben, dass sie so drastisch mit dem Tod konfrontiert wurde. Das darf nicht wahr sein, dachte sie verzweifelt. Jetzt, wo sie allein war überkam sie fast Panik, bei dem Gedanken daran, wie viele Opfer es noch gegeben haben mochte. Das darf doch einfach nicht wahr sein. Vor weniger als einer halben Stunde war ihre Welt noch in Ordnung gewesen, und nun fand sie sich in einem Chaos wieder. Weiter, peitschte sich die junge Frau selbst nach vorn. Sie ballte die Hände und kniff die Augen zusammen, als der Dunst dünner wurde und sich eine verschwommen erkennbare Gestalt herausschälte, die auf sie zu kam. Erst als sie nur noch wenige Meter von ihr entfernt war, erkannte sie, dass es sich um Miranea Kerath handelte. Die Izarianerin kam auf sie zu. „Ensign!“, rief die Izarianerin erleichtert aus. „Ich dachte schon, ich wäre ganz allein am Leben geblieben.“ „Nein, Valand Kuehn und ich haben ebenfalls überstanden, was immer das Schiff heimgesucht hat, Lieutenant. Wohin sind Sie unterwegs?“ Die Izarianerin machte ein sorgenvolles Gesicht. „Ich war auf dem Weg zum Hangar, weil ich mein PADD in einem der Shuttles vergessen hatte. Dann wurde ich gegen die Wand geschleudert und verlor das Bewusstsein.“ Die Französin nickte ernst. „Es hat Tote gegeben. Ich war auf dem Weg zum Maschinenraum, aber jemand müsste auch zur Brücke hinauf, und sich einen Überblick über die Lage dort verschaffen.“ „Den Maschinenraum könnte ich übernehmen“, bot sich Miranea Kerath an. „Sylvie nickte zustimmend. „Ich verstehe ohnehin nicht so viel von den antriebstechnischen Dingen. Wir sollten vielleicht einen Platz ausmachen, an dem wir uns später treffen, und die Gesamtlage analysieren. Ich denke, die Krankenstation wäre ein guter Anlaufpunkt.“ „Ihr Vorschlag ist gut“, meinte die Izarianerin zustimmend. „Auch andere werden vermutlich dorthin kommen. Abhängig davon, was ich im Maschinenraum vorfinden werde, komme ich später dorthin, und wir beraten dann, was zu tun ist. Zunächst müssen wir herausfinden, in welchem Zustand sich das Schiff befindet, und ob es sich in Gefahr befindet.“ Sylvie nickte knapp. „In Ordnung. Passen Sie auf sich auf, Lieutenant.“ Damit machte sie sich in die Richtung auf, aus der sie gekommen war.   * * *   Drei Decks über den beiden Frauen hatte Valand Kuehn eine Dreiviertelstunde gebraucht, sich einen Weg durch die zerstörten Gänge und Jeffries-Röhren auf dem sechsten Deck zu bahnen. Offensichtlich kam er dem Zentrum des Unglücks näher. Ihm bot sich ein ähnliches Bild der Verwüstung, wie Sylvie LeClerc. Noch während er in der Jeffries-Röhre gesteckt hatte, war ihm eine schwache Erschütterung aufgefallen. Er konnte nur hoffen, dass dies nicht in Ahy´Vilaras Nähe geschehen war. Seine Sorge um sie wuchs, während er mit ausgreifenden Schritten zur Krankenstation eilte. Unterwegs war ihm bisher niemand begegnet. Auch das schien ihm beunruhigend. Brandgeruch stieg ihm in die Nase und ein leises Knistern kam von vorne. Endlich erreichte der Norweger die Krankenstation. Suchend blickte er sich um in der hier herrschenden Dunkelheit. Dunkler Rauch quoll aus dem anschließenden Labor. An einer zerstörten Wandkonsole züngelten ebenfalls Flammen, die jedoch im Begriff waren zu erlöschen. Ein dünner Rauchschleier waberte vor seinen Augen. Dann sah er Alloran Veron auf dem Boden liegen. Schnell schritt Kuehn zu ihm und rollte ihn etwas herum. Starre, weit geöffnete Augen blickten durch ihn hindurch und es dauerte einen langen Moment, bis der Norweger begriff, dass der Commander tot war. Eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Seine Augen begannen feucht zu schimmern und mit aufsteigender Panik irrte sein Blick in der Krankenstation umher. „Nein“, flüsterte er heiser, als er die Silhouette seiner Frau am Fuß der Haupt-Medoliege entdeckte. Im nächsten Moment war er bei ihr, drehte sie vorsichtig herum und bettete sie in seinem Arm. Im ersten Moment schien es so, als sei sie lediglich gestürzt und bewusstlos, doch als nun ihre linke Gesichtshälfte sichtbar wurde, stöhnte der Lieutenant gequält auf. Fast die gesamte Gesichtshälfte war verbrannt und blaues Blut sickerte aus zahlreichen Rissen in der Haut. Erst nach einigen Augenblicken bemerkte er, dass sie auch aus einigen Wunden an ihrem Oberkörper blutete, dort wo Splitter der explodierten Wandkonsole ihre Uniform zerfetzt hatten und in ihren Körper eingedrungen waren. Während sich die Gedanken des Mannes jagten, öffnete die Andorianerin in seinen Armen stöhnend die Augen und mit verschleiertem Blick sah sie ihn an. „Wer...“, fragte sie mit versagender Stimme. „Ich bin es, Valand“, antwortete Kuehn mit vibrierender Stimme. Er hielt ihren Kopf und bemerkte dabei, das warme Blut an seinen Fingern. Die Antennen der Andorianerin zuckten unkontrolliert. Fast unhörbar sagte sie: „Kuri´Fe na... tarin...“ Ihr Blick klärte sich für einen Moment und sie lächelte ihn an. Dann sank ihr Kopf kraftlos zur Seite. „Oh Gott, nein“, flüsterte Valand und bettete Ahy´Vilara vorsichtig auf den Boden. Dann sprang er auf und suchte fieberhaft nach einem Tricorder. Als er schließlich einen gefunden hatte, aktivierte er ihn mit zitternden Fingern und scannte den Körper seiner Frau. Ungläubig blickte er auf die Anzeige. Keine Vitalfunktionen. „NEIN!“ Valand Kuehn schrie das Wort mit überschlagender Stimme heraus, ließ achtlos den Tricorder fallen und sank dabei auf die Knie, neben Ahy´Vilara.   * * *   Nachdem Sylvie LeClerc die Izarianerin verlassen hatte, war sie auf die Gruppe von Chirome gestoßen und hatte sich schnell danach erkundigt, was die Crewmen erlebt hatten, bevor sie die vier Leute zu Miranea Kerath weiterschickte. Auf dem Weg zur Brücke war sie schließlich auf Mark Langdon und seinem Begleiter gestoßen. Auf der Brücke hatte sich ihnen ein Bild des Grauens geboten. Ein Teil der Deckenkuppel war fort, und nur die Notkraftfelder hatten dafür gesorgt, dass sie überhaupt hatten eintreten können. Keiner der Anwesenden hatte überlebt, und nur von Commander Tscharun und einem Petty-Officer hatte man überhaupt Reste finden können. Alle anderen waren entweder in den Weltraum hinaus gewirbelt worden, bevor die Notkraftfelder in Tätigkeit getreten waren, oder aber durch jenes unbekannte Phänomen verbrannt, das dafür verantwortlich gewesen war, dass man die meisten Gegenstände auf der Brücke in geschmolzenem oder glasierten Zustand vorgefunden hatte. Das beunruhigende Flackern der Notkraftfelder hatte Sylvie dazu veranlasst schnell den Befehl zu erteilen, die Brücke wieder zu verlassen und alle Zugänge zu versiegeln. Bevor man das nächste Mal her kam musste zunächst die Energieversorgung gesichert werden. Sylvie LeClerc überlegte nicht lange. Sie schickte die beiden Crewmen auf die Suche nach Verwundeten und machte sich auf den Weg zur Krankenstation. Durch Zufall fand sie einen der wenigen noch gangbaren Wege dorthin. Kurz bevor sie ihr Ziel erreicht hatte hörte sie einen Schrei, der ihr das Blut in den Adern gefrieren ließ. Sie begann zu rennen. Erst am Rahmen des geöffneten Schotts der Krankenstation hielt sie Inne und starrte auf die Szene. Valand Kuehn kniete auf dem Boden und hielt Ahy´Vilara – nur sie konnte es sein – in seinen Armen, fest an sich gepresst. Seine Schultern zuckten. Hilflos stand Sylvie, die zu ahnen begann, Zeuge welche Tragödie sie gerade wurde, im Schottrahmen und spürte dabei einen dicken imaginären Klos in ihrem Hals. Ihre Augen füllten sich unaufhaltsam mit Tränen, als sie Valand in diesem Zustand erblickte. Unwillkürlich musste sie daran denken, dass die letzten Worte zwischen ihr und der Andorianerin im Streit gesprochen worden waren. Egal wie sehr sie Valand liebte – das hatte sie nie gewollt. Sie wischte die Tränen, die über ihre Wangen rannen, fort und schritt beinahe mechanisch zu der Stelle, an der jener Tricorder lag, den Valand achtlos fallen gelassen hatte. Sie aktivierte ihn und brauchte nicht lange um festzustellen, dass sowohl bei Alloran Veron, als auch bei Ahy´Vilara Thren jede Hilfe zu spät kam. Beide waren tot. Sie kniete sich neben Valand und legte ihren Arm um seine Schulter. Sie wusste auch nicht, was sie sonst hätte tun können. Sie konnte später nicht sagen, wie lange sie so am Boden gekauert hatten, als sie Valand leise ansprach. Immer wieder sagte sie dabei seinen Namen, bis er sich schließlich mit einer Hand über die Augen fuhr, und sie aus geröteten Augen, wie aus weiter Ferne, ansah. Sylvie musterte ihn eindringlich und sagte mit belegter Stimme: „Valand, die Brückencrew ist tot, oder vermisst. Ich habe nur die Überreste von Commander Tscharun und einem der beiden Petty-Officers an der TAKTIK finden können. Du musst, als ranghöchster Brückenoffizier, das Kommando übernehmen. Miranea Kerath ist zwar dienstälter, aber kein Führungs- oder Brückenoffizier.“ Sie blickte in seine leeren Augen und fragte dann: „Valand hast du mich überhaupt verstanden?“ „Ja“, antwortete der Norweger tonlos. Dann sagte er: „Sie ist tot, Sylvie. Ich habe ihrem Vater versprochen, dass ich auf sie aufpasse. Ich habe kläglich versagt.“ „Aber dich trifft doch keine Schuld, es war...“ „Du verstehst nicht!“, unterbrach Valand sie unbeherrscht und funkelte sie beinahe zornig an. Dann atmete er tief durch und erklärte leise: „Nan´Doraan übergab mir am Hochzeitstag das Nelaan-tor, welches seit Generationen vom Vater auf den Ältesten Sohn oder Schwiegersohn übergeht. Das ist nicht nur einfach eine Geste. Ich gehöre damit zu seinem Clan, und ich habe damit die Verantwortung für seine einzige Tochter übernommen. Wie kann ich ihm jemals wieder unter die Augen treten?“ Sylvie verstärkte den Griff ihrer rechten Hand an seiner Schulter. „Valand, du konntest nicht das Geringste tun. Mach dich jetzt nicht selbst verrückt. Ich kann deinen Schmerz nicht annähernd erfassen, aber ich weiß, dass die Überlebenden dich jetzt brauchen. Ich weiß, dass ich damit Übermenschliches von dir verlange, aber du musst jetzt für die überlebende Crew da sein.“ Unglaube und Widerspruch lagen in seinem Blick und er hatte eine scharfe Erwiderung auf seinen Lippen. Doch dann blickte er an Sylvie vorbei ins Leere. Als er sie schließlich wieder ansah hatte sich sein Blick geklärt und er schluckte, bevor er rau sagte: „Du hast Recht, Sylvie. Und ich werde dich bei dieser kommenden Aufgabe brauchen. Deshalb werden wir vergessen was vorhin gesagt wurde, und wir werden nie wieder darüber reden.“ Die Französin gewann den Eindruck, dass sein Gesicht plötzlich einen ungewohnt harten Zug besaß, und in seinen Augen lag ein Ausdruck von Endgültigkeit. Sanft erwiderte sie: „Ja, lass uns den Zwist vergessen.“ Sie nahm ihre Hand von Valands Schulter. Auch der Norweger erhob sich und bettete seine tote Frau auf eines der Biobetten. Er wandte sich um als von draußen Schritte aufklangen. Im nächsten Moment kam Melanie Gerlach herein. Als wäre sie gegen eine massive Mauer gerannt blieb sie stehen, als sie die Szenerie überblickte. Mit Tränen in den Augen blickte sie von Sylvie, die sacht den Kopf schüttelte, zu Valand. Dann schritt sie schnell zu dem Norweger und schloss ihn in die Arme. „Nein, das kann nicht sein“, schluchzte sie. „Bitte nicht Alloran und Ahy´Vilara...“ Valand, der wusste, dass Melanie beide ebenso gern gehabt hatte wie er selbst, zumindest in platonischer Hinsicht, brach es beinahe das Herz, und erneut rannen Tränen über seine Wangen, während er die Frau tröstete. Nach einer Weile sagte der Norweger bitter: „Wir müssen unsere Trauer eine Weile zurückstellen, Melanie. Ich brauche dich jetzt. Wir müssen einen medizinischen Notdienst auf die Beine stellen.“ „Ich verstehe auch etwas von Erster Hilfe“, warf Sylvie ein. „Ich kann Melanie dabei helfen.“ Valand nickte ihr dankbar zu. „Dann machen wir es so.“ Er wandte sich zu Sylvie, als ihm etwas einfiel. „Sagtest du vorhin, du hättest Miranea getroffen?“ Sylvie nickte. „Ja, sie wollte schauen, wie es im Maschinenraum aussieht.“ Valand nickte schwach. „Wir werden sie in die Kommandocrew integrieren müssen. Aber zuerst müssen wir uns informieren wie hoch die Verluste an Bord sind. Sorge bitte dafür, dass jeder Tricorder an Bord dazu eingesetzt wird, um nach Überlebenden zu suchen. Wer weiß, wie viele Verletzt noch auf Hilfe warten.“ Sylvie LeClerc bestätigte, erleichtert, dass sich Valand wieder gefangen hatte. In diesem Moment fasste sie wieder Hoffnung diese furchtbare Lage zu meistern. Kapitel 8: Nachwirkungen ------------------------ Persönliches Logbuch Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 39874.5   In den letzten fünfzig Stunden habe ich nicht eine Minute lang geschlafen. Zu viele dringende Dinge, die erledigt werden mussten standen an. Die Schäden auf der ALAMO sind schwerer, und die Verluste unter der Besatzung fürchterlicher, als zunächst angenommen. Nur 117 Besatzungsmitglieder von ursprünglich 750 haben die Katastrophe überlebt, darunter nur fünf Offiziere. Mir ist klar, dass wir mit nur fünf Offizieren keine funktionierende Kommandokette etablieren können. Nachdem wir alle Überlebenden der Katastrophe gefunden hatten war unsere wichtigste Aufgabe zunächst einmal alle Brände an Bord zu löschen. Trotz der immensen Schäden, gerade am Warpkern und am primären Computerkern, haben wir geradezu unglaubliches Glück gehabt, wenn die bruchstückhaften Informationen der Sensorenlogbücher stimmen, die wir retten konnten. Aus den spärlichen Informationen haben wir uns mühsam zusammenreimen können, was in etwa passiert ist. Nach diesen Informationen haben wir die Ausläufer einer Typ-Ia-Supernova gestreift. Wäre die ALAMO nur einige Sekunden später unter Warp gegangen, dann wäre sie von dem explodierten Zwergstern komplett erfasst und vernichtet worden. Zumindest hätte mir das eine Menge seelischer Schmerzen und Leid erspart, denn mit Ahy´Vilara ist auch ein Stück von mir selbst gestorben, und ich muss mich zusammenreißen, nicht einfach alles hinzuschmeißen. Doch da sind noch 116 Leben, für die ich jetzt verantwortlich bin, und ich glaube, dass sich meine tote Frau im Grabe umdrehen würde, wenn ich mich so gehen ließe. Ich werde weitermachen, und versuchen das Schiff und die Crew zu retten und wieder in Föderationsraum zurück zu bringen. Ich hasse die schwachen Momente, wenn ich nicht mehr weiß, woher ich die Kraft nehmen soll, und ich vermisse Ahy´Vilara in diesen Momenten so sehr, dass ich schreien möchte. In diesen Momenten muss ich mir in Erinnerung rufen, dass auch andere Crewangehörige Freunde oder Lebenspartner verloren haben, so wie Miranea Kerath. Sie ist beinahe völlig apathisch seit sie Siran tot aufgefunden hat, und ich mache mir ernsthaft Sorgen um ihren Zustand. Ich werde sie im Auge behalten müssen. Von vielen Besatzungsmitgliedern haben wir nicht einmal mehr DNA-Reste auffinden können, und offiziell gelten sie damit nicht als tot, sondern als im Einsatz vermisst. Doch das ist eine Farce – sie sind tot. Um zu verhindern, dass die Leichen an Bord der ALAMO zu einem Gesundheitsproblem werden, habe ich Anweisung gegeben, sie mit Phasern zu verdampfen, da wir weder genug Energie erzeugen können, um sie längerfristig einzufrieren, noch genug Torpedos, um sie ins All zu schießen. Von Ahy´Vilaras Leichnam habe ich zuvor eine Phiole Blut entnommen, und eine Strähne ihres Haares, die ich in einem Vakuumbehälter aufbewahre. Beides trage ich seitdem immer bei mir. Außerdem trage ich ihren Ehering seitdem bei mir. Morgen Vormittag wird für die Opfer eine kleine Gedenkfeier, in einer der beiden Hangarhallen stattfinden, die wie durch ein Wunder kaum beschädigt wurden. Wir können von Glück sagen, dass der Chief vor seinem Tod den schwer in Mitleidenschaft gezogenen Warpkern abschalten und sichern konnte. Das stellt uns allerdings vor das Problem, dass wir mit dem mehr schlecht als recht zusammengeflickten Gerät einen Kaltstart versuchen müssen. Die Chance dabei in die Luft zu fliegen ist groß, und ich kann nur hoffen, dass wir sie nicht nutzen werden. Die Impulsmaschinen sind ebenfalls vollständig intakt. Einer der Mannschaftsdienstgrade der Technischen Abteilung, ein Bolianer namens Chirome machte gestern den Vorschlag, vorübergehend die Impulsreaktoren an das Bordnetz anzubinden, doch damit möchte ich warten, bis sich gezeigt hat, ob der Kaltstart des Warpkerns funktioniert. Nicht desto weniger gefällt mir dieser Bolianer und seine Fähigkeit unkonventionell zu denken. Nach einem ersten Überblick gab sich Chirome zuversichtlich, dass die Energie auch ohne Warpkern ausreichen wird um, zumindest in der nächsten Zeit, die noch funktionierenden Replikatoren zu versorgen. Mittelfristig müssen wir den Warpkern jedoch wieder ans Laufen bekommen. Um Energie zu sparen habe ich zusätzlich Modus Grau für das Schiff angeordnet. Ich habe mich vor einigen Stunden mit Sylvie unterhalten, und wir sind überein gekommen, das Notfallprotokoll der Sternenflotte anzuwenden. Ich werde dem zufolge, für die Dauer unserer Heimreise, als momentaner Kommandierender Offizier des Schiffes den Provisorischen Rang eines Commanders annehmen und eine Führungscrew aus Provisorischen Offizieren ernennen. Für den XO kommt dabei nur eine Person in Frage, und das ist Sylvie LeClerc. Auch sie war in den letzten fünfzig Stunden permanent im Einsatz und es verwundert mich ein wenig, wie zäh diese zierliche junge Frau ist. Unseren Zwist habe ich begraben, und ich brauche sie, wenn wir eine Chance haben wollen jemals unsere Familien wiederzusehen. Darüber hinaus wäre es schäbig, wenn ich meine persönlichen Gefühle über das Wohl der Besatzung stellen würde. Sylvie scheint zu glauben, dass ich Miranea für diesen Posten vorsehe, zumindest klang das vorhin an. Nun, morgen wird sie eines Besseren belehrt werden. Melanie brauche ich als Provisorischen Leitenden Medizinischen Offizier. Sie ist von uns allen die Einzige, die dafür wirklich befähigt ist. Zwischenzeitlich wird Sylvie in die Bresche springen müssen um sie zu unterstützen. Ich hoffe nur, sie kann der Doppelbelastung standhalten, die ich ihr aufbürden muss. Aber ich werde jedem Besatzungsmitglied mehr Pensum abverlangen müssen, auch mir selbst, oder wir sind verloren.   * * *   Valand Kuehn deaktivierte die Aufnahmefunktion seines PADD´s und legte es an den Rand des Tisches. Vor einer halben Stunde hatte er sich in sein Quartier begeben, das er seit zwei Tagen nicht aufgesucht hatte. Es hatte kaum etwas abbekommen doch das machte es nur schlimmer. Alles in diesem geräumigen Quartier wies darauf hin, dass eine zweite Person hierher gehörte, doch diese zweite Person war tot. Der Norweger war todmüde, doch an Schlaf war nicht zu denken. Zu viele Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Jetzt, da er etwas zur Ruhe kam stürmten sie nur um so intensiver auf ihn ein, wie ein Tsunami, der ihn mit sich riss und mit brachialer Gewalt überrollte. Von den noch lebenden Besatzungsmitgliedern befanden sich 29 in dem provisorischen Lazarett, dass Melanie und Sylvie in einem der Lagerräume eingerichtet hatten – rund 50 weitere Crewmitglieder sind ambulant behandelt worden. Sämtliche Energieleitungen zur Krankenstation mussten erst einmal ersetzt werden, bevor an einen Notbetrieb dort überhaupt gedacht werden konnte. Kuehn hatte eines der Technischen Teams bereits darauf angesetzt, zumindest die Haupt-Medoliege wieder funktionsfähig zu bekommen. Der Rest konnte warten, bis dringendere Projekte erledigt waren. Besonders der Bolianer Chirome war eine große Hilfe, denn er besaß ein nicht unbeträchtliches Organisationstalent, und Valand Kuehn spielte mit dem Gedanken, ihm einen leitenden Posten in der Technik anzuvertrauen. Kuehn hatte die Brücke vorerst abschotten lassen. Im Notfall konnte der Maschinenraum als provisorische Brücke dienen, doch da es dort im Moment nur unwesentlich besser aussah als auf der Brücke würde es eine Weile Dauern, bis sie wieder notdürftig manövrierfähig sein würden. Chirome selbst hatte sich dahinter geklemmt, dies so schnell wie nur irgend möglich zu gewährleisten. Momentan arbeitete Ensign Thania Walker eng mit dem Bolianer zusammen, da sie ihn, als Brückenoffizier und Pilotin des Schiffes dabei unterstützen konnte festzulegen, welche Systeme zum Maschinenraum umgeleitet werden mussten, um die ALAMO vom Maschinenraum aus einigermaßen sicher zu steuern. Vor einigen Stunden war Valand Kuehn durch die Abteilungen des Schiffes gegangen, in denen fieberhaft gearbeitet wurde, hatte aufmunternde Worte für die überwiegend sehr jungen Crewmen gefunden und selbst mit angepackt. In vielen Augen dieser jungen Wesen, die von vielen Welten der Föderation kamen hatte er dabei, neben Sorge und Verunsicherung, auch noch etwas anderes entdeckt – etwas, das er erst jetzt richtig einsortieren konnte, nachdem er etwas zur Ruhe gekommen war. Vertrauen. Sie kannten ihn kaum, aber ihr Glaube darin, dass er, als Offizier der Sternenflotte, einen Ausweg aus der momentanen Lage finden würde, war deutlich spürbar gewesen. Damit schoben sie ihm gleichzeitig die Verantwortung zu. Mehr als jemals zuvor wurde Valand Kuehn dabei bewusst, welcher Druck permanent auf einem Captain der Sternenflotte lasten musste. Ein Druck, der nun auf seinen Schultern lastete. Er würde dem Druck standhalten. Er musste ihm standhalten. Eine Weile starrten seine Augen ins Leere, bevor er sich erhob, das Nelaan-tor hervorholte, und sich mit der unterarmlangen Klinge am Esstisch niederließ. Gedankenverloren ließ er seinen Blick über die die beidseitig geschliffene Klinge gleiten. Der Name des Clans war in die flache Blutkehle eingeätzt. Er hatte bereits früher festgestellt, dass die Klinge nicht nur spitz zulief, sondern auch höllisch scharf war. Der Norweger fragte sich, wie es sein würde, durch eine solche Klinge zu sterben. Bei einem gezielten Stich ins Herz würde es sicherlich ein leichter, sehr schneller Tod sein. Er packte den Griff verkehrt herum und blickte sinnend auf die silberne Klinge. Schließlich holte er weit aus, und mit einem Schrei, der seinen gesamten seelischen Schmerz ausdrückte rammte er die Spitze des Schwertes in die Kunststoffplatte des Tisches. Dann legte er seine Arme auf die Tischplatte, ließ er seinen Kopf darauf sinken und gab seinem Schmerz nach, wütend auf sich selbst, weil er für einen Sekundenbruchteil ernsthaft darüber nachgedacht hatte. So fand ihn Melanie Gerlach vor, als sie einige Minuten später eintrat. Die Stimmenkommandos funktionierten nicht, und darum funktionierten die Verriegelungsprotokolle für sämtliche Einrichtungen nicht mehr. Sie hatte sich davon überzeugen wollen, dass es Valand einigermaßen gut ging. Ihn in seinem Zustand am Tisch sitzen zu sehen bereitete ihr Kummer, denn sie mochte den Norweger wirklich sehr. Langsam kam sie näher und überlegte, ob es nicht vielleicht besser wäre einfach wieder zu gehen. Doch dann fiel ihr Blick wieder auf die Klinge, die er offensichtlich in die Tischplatte gerammt hatte, und entschlossen zog sie einen der Stühle zur Seite und setzte sie sich neben ihn. Sie wartete einen Moment, bevor sie schließlich, ganz sacht ihren Arm um seine zuckenden Schultern legte. Sie schluckte und war unfähig etwas zu sagen. So blieb sie einfach nur neben ihm sitzen und drückte sacht seine rechte Schulter. Endlich sagte sie ganz leise: „Ich vermisse sie auch, Valand. Sie war eine gute Freundin. Und ich vermisse Alloran.“ Kuehn beruhigte sich und holte nach einer Weile ein Taschentuch aus der Tasche, mit dem er sich zuerst über die Augen wischte. Dann schnäuzte er sich und steckte es wieder ein. Tief durchatmend blickte er schließlich traurig zu Sylvie auf. Melanie blickte an ihm vorbei auf das andorianische Schwert, bevor sie ihn wieder ansah und leise fragte: „Muss ich mir Sorgen um dich machen, Valand?“ „Nein“, entgegnete der Norweger schnell und Melanie beließ es dabei, wofür er ihr sehr dankbar war. „Ich war nur für einen Augenblick unbeherrscht.“ „Das ist kein Wunder, nach allem was passiert ist. Und zudem bist du viel zu lange auf den Beinen, Valand. Du musst dringend schlafen. Es nützt niemandem etwas, wenn du Dich selbst zugrunde richtest.“ Valand nickte müde und stand langsam auf. „Du hast Recht, Melanie. Ich glaube ich werde mich hinlegen, und zumindest versuchen etwas Ruhe zu finden.“ Auch die blonde Frau erhob sich und blickte ihn erleichtert an. „Langsam nimmst du Vernunft an.“ „Danke“, sagte der Norweger schlicht und nahm Melanie spontan in seine Arme. Auch sie legte ihre Arme um ihn, und für einen Moment schloss sie die Augen und genoss das Gefühl von Geborgenheit. Dann löste sie sich widerstrebend aus seiner Umarmung und schritt in Richtung des Schotts, wo sie sich nochmal zu ihm um wandte. „Gute Nacht.“ „Gute Nacht. Melanie.“ Sie ging, und während sie durch die teilweise verwüsteten Gänge des Schiffes schritt, um ihre eigenes Quartier aufzusuchen, versuchte sie das Zittern ihrer Hände wieder in den Griff zu bekommen. Zum zweiten Mal hatte sie Valand nun vertraulich umarmt. Und zum zweiten Mal hatte ihr das Herz dabei bis zum Hals geschlagen...   * * *   Nach neun Stunden erwachte Valand Kuehn aus einem tiefen und Traumlosen Schlaf. Sein Körper hatte sein Recht schließlich doch gefordert. Er fühlte sich zumindest etwas frischer, als noch am Abend. Doch dieses Gefühl hielt nur einen Moment vor. Dann stürmten all die Sorgen und Probleme wieder auf ihn ein, die während des Schlafes nicht existent gewesen waren, und er seufzte schwach. Entschlossen schwang er sich aus dem Bett, duschte und zog sich danach an. Auf ein Frühstück verzichtend machte er sich schließlich auf den Weg zum Hangar, in dem die Trauerfeier stattfinden sollte. Große Lust, diese Trauerfeier zu vollziehen, hatte er nicht, aber er wusste was er den Toten, und den Hinterbliebenen, schuldig war. Auch wenn ihm allein der Gedanke daran wieder schmerzlich bewusst machte, was er verloren hatte. Sein Blick schweifte hinunter zu seinem Finger, an dem er immer noch den Ehering trug. Den seiner Frau hatte er an sich genommen und bewahrte ihn in seinem Quartier auf. Es war kaum mehr, als purer Zufall, dass diese und einige andere Offizierskabinen die Katastrophe fast unversehrt überstanden hatte. Fast alle anderen waren von der Feuerwalze, die durch das Schiff gerast war, zerstört worden. Viele von ihnen waren zu diesem Zeitpunkt belegt gewesen, so dass es nicht verwunderlich schien, dass nur fünf Offiziere der ALAMO diese Katastrophe überlebt hatten. Ehe er es bewusst merkte erreichte er den Hangar in dem die nicht schwer verletzte, abkömmliche Besatzung sich versammelt hatte. Irgendwer hatte eine angesengte Flagge der Föderation aufgetrieben und die hintere Wand damit drapiert. Sie schien Kuehn wie ein Sinnbild dessen, was sich ereignet hatte. Etwas abgesetzt von den anderen hatte Sylvie, zusammen mit einem Petty-Officer und vier Crewman Aufstellung genommen. Bis auf die Französin hielten sie Phasergewehre in ihren Händen, auf den späteren Ehrensalut wartend. Valand Kuehn ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen und atmete tief durch. In den Augen vieler Männer und Frauen sah er Tränen. Sein Hals fühlte sich seltsam trocken an, als er begann: „Kameraden! Wir haben uns in dieser schweren Stunde hier versammelt, um die Opfer einer tragischen Katastrophe zu ehren, und ihrer zu gedenken. Jeder von uns – jeder Einzelne – hat Freunde, Kameraden, geliebte Wesen verloren. Wesen die für uns sehr wichtig waren. Es gibt kaum Worte um das auszudrücken, was wir alle in diesem Augenblick empfinden, deswegen wollen wir uns in einer Minute des Schweigens an unsere gefallenen Kameraden erinnern – so wie sie im Leben gewesen sind.“ Er senkte den Kopf und faltete seine Hände. Mit fast geschlossenen Augen dachte er daran, wie er Ahy´Vilara zum ersten Mal bewusst gesehen hatte. Er sah sie, zusammen mit sich vor Cianera Crel stehen, als sie die Hochzeit an Bord der ALAMO vorgenommen hatte – sah sich vor Nan´Doraan und seiner Mutter, auf Andoria, an der Mauer der Helden. Und dann verwischte alles zum Unkenntlichen, um der Erkenntnis Platz zu machen, jetzt allein zu sein. Valand Kuehn schluckte, sah schließlich wieder auf und gab Sylvie ein Zeichen. Die junge Frau wandte sich an die Ehrenformation. „Legt an – Achtung – Feuer...“ Die Schützen feuerten durch das Sperrfeld des Hangars hinaus in den Raum. „Legt an – Achtung – Feuer...“ Eine weitere Salve schoss in den Raum hinaus. „Legt an – Achtung – Feuer...“ Nachdem die dritte Salve hinaus in den Raum gejagt war, wurde das Hangartor schnell geschlossen, und das Sperrfeld deaktiviert. Valand hatte sich ohnehin nur schwer zu einer solchen Energieverschwendung hinreißen können. Valand blickte in die Gesichter der Überlebenden und er wusste, dass sie auf etwas warteten – irgend etwas, dass sie aufrichtete; an das sie sich halten konnten. Momentan wäre Valand Kuehn am liebsten aus dem Hangar gerannt um jetzt allein zu sein, doch die Blicke der jungen Besatzungsmitglieder machten ihm eindringlich bewusst, dass nun er für diese Männer und Frauen verantwortlich war. Und er würde sich der Verantwortung stellen. „Besatzung der ALAMO“, sagte er deshalb mit tragender Stimme, wobei der plötzlich veränderte, entschlossen klingende Tonfall die meisten Crewmitglieder aufhorchen ließ. „Sie alle wissen, dass unsere momentane Lage alles andere, als rosig ist. Das Schiff wurde schwer beschädigt und ein Großteil der Crew ist tot. Aber wir, die wir hier versammelt sind – wir leben noch. Und wir werden einen Ausweg aus dieser Lage finden. Als ranghöchster Brückenoffizier werde ich ab sofort das Notfall-Protokoll der Sternenflotte anwenden, und ein Provisorisches Rangsystem etablieren. Ich werde einigen von Ihnen eine sehr verantwortungsvolle Position geben, und ich werde viel von Ihnen verlangen müssen. Sehr viel Arbeit wird vor uns liegen, doch ich bin sicher, dass wir es schaffen werden. Wir werden dieses prestigeträchtige Schiff nicht aufgeben, sondern es in den heimatlichen Hafen zurück bringen. Gemeinsam werden wir beweisen, was wir als Crew zu leisten in der Lage sind. Ich verspreche Ihnen allen, dass ich sie zu ihren Familien zurückbringen werde. So, wie seinerzeit die Belagerten, des Forts Alamo einer vierhundertfachen Übermacht standhielten, so werden wir dieser Herausforderung standhalten.“ So, wie alle anderen der Besatzung, hatte Sylvie LeClerc den Worten des Norwegers atemlos zugehört. Und wie alle anderen in diesem Hangar, spürte sie den unerschütterlichen Glauben des Lieutenants an seine Worte. Und dieser Glauben übertrug sich in diesem Moment auf die gesamte Crew – rüttelte sie förmlich auf. Sie erinnerte sich wieder an den Respekt, mit dem Valand an der Akademie von seinen Kommilitonen behandelt worden war, und sie begriff nun, warum dies so gewesen war. Irgendwer begann spontan zu applaudieren. Alle anderen fielen ein, und auch Sylvie klatschte begeistert mit, bis Valand Kuehn, fast bittend, seine Arme hob und sagte: „Ich danke Ihnen. Wir werden uns heute Abend in der Offiziersmesse versammeln. Dort werde ich bekannt geben, wie unsere neue Rangstruktur beschaffen sein wird. Und nun bitte ich Sie, wieder die Reparaturarbeiten aufzunehmen. Mister Chirome: Sie und das Technische Team bleiben bitte noch bei mir – ebenfalls die Offiziere.“ Die Besatzung strebte dem Ausgang zu, wobei Kuehn der ein oder andere Blick streifte, der ihn spüren ließ, dass die Crew hinter ihm stand. Das baute ihn wieder etwas auf. Er blickte Chirome und sein Team fragend an, nachdem auch Sylvie, Thania Walker und Miranea Kerath bei ihm waren. Melanie Gerlach war noch immer bei den Patienten, darum hatte sie auch bei der Trauerfeier gefehlt. Unvermittelt fragte er den Bolianer: „Mister Chirome, wie lange wird es nach Ihrer Schätzung dauern, bis wir das Schiff vom Maschinenraum aus notdürftig steuern können?“ Der Bolianer fuhr sich mit der flachen Hand über seinen haarlosen Schädel als er antwortete: „Schlecht zu schätzen, Sir. Wenigstens einige Wochen möchte ich meinen.“ Kuehn nickte nachdenklich. „Danke, Mister Chirome.“ Dann wandte er sich zu Miranea Kerath und fragte sie: „Können wir zwei der Shuttles starten?“ Die Izarianerin nickte müde. „Ja, aber was hast du vor damit?“ „Nun, ich denke, dass wir die Fluglage des Schiffes stabilisieren können, wenn wir es mit den Traktorstrahlen einfangen und ausrichten.“ „Das wird nicht einfach“, wandte Thania Walker ein. „Die ALAMO bewegt sich immer noch mit halber Impulsgeschwindigkeit. Und es besitzt eine ziemliche Masse, deren Trägheit sich unserem Versuch entgegen stellt.“ „Niemand sagt, das irgend etwas leicht wird, in der nächsten Zeit“, entgegnete Valand Kuehn nachsichtig. „Wir sollten es dennoch versuchen. Wenn wir es schaffen, die ALAMO auf einen Kurs zu lenken, auf dem uns wenigstens ein Jahr lang kein Objekt in die Quere kommt, dann bin ich schon zufrieden. Außerdem wird einer von euch beiden immer die Augen und Ohren der ALAMO sein und mit den Shuttle-Scannern darauf achten, dass uns nichts passiert. Wählt euch zudem je einen Co-Piloten, ich möchte nicht, dass einer sich allein dort draußen herumtreibt, verstanden?“ „Aye“, machte Thania Walker und Miranea Kerath nickte zustimmend. „Dann fangt am besten gleich an. Sucht euch einen Mitflieger und los geht es.“ Damit wandte er sich zu Chirome: „Wir werden den Versuch eines Kaltstartes des Warpkerns erst in Angriff nehmen, wenn das Schiff ausgerichtet ist, oder sich erwiesen hat, dass es nicht funktioniert. Kontrollieren Sie bis dahin nochmal alle kritischen Systeme.“ Nachdem sich sowohl die beiden Frauen, als auch Chirome mit seinen Technikern auf den Weg gemacht hatten, meinte Valand Kuehn auffordernd zu Sylvie: „Du kommst mit mir, ich habe mit dir zu reden.“ Während sie zum Hangarausgang schritten, musterte Sylvie LeClerc den Norweger von der Seite und fragte schließlich: „Heraus mit der Sprache, was hast du mit mir vor?“ Sie bogen in den Radialgang ein und abrupt blieb Valand stehen. Eindringlich die Französin musternd sagte er: „Ich werde dich als XO dieses Schiffes einsetzen. Melanie brauche ich als Leitende Medizinerin und Miranea ist zwar dienstälter, als wir alle, doch ich brauche sie als Chief. Außerdem scheint sie der Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Der Verlust ihrer Lebensgefährtin hat sie seelisch zutiefst erschüttert. Ich hoffe nur, dass sie sich wieder fängt. Zumindest werde ich ein wachsames Auge auf sie haben.“ Für einen Moment schaute die blonde Frau verwundert zu dem Norweger auf. Sie hatte nicht wirklich mit einer solchen Entscheidung gerechnet. Bevor sie etwas sagen konnte hatte Valand Kuehn erkannt, was sie bewegte und ruhig meinte er: „Ressentiments können wir uns nicht leisten, Sylvie. Und ich war auch niemals in meinem Leben nachtragend. Darum gilt, was ich vorgestern sagte. Lass uns einen Schlussstrich unter dem ziehen, was war. Jetzt heißt es: Nach vorne zu schauen.“ Sylvie lächelte vage und reichte Valand ihre Hand. Der Norweger ergriff sie und meinte dann: „Vorerst brauche ich dich weiterhin als Krankenschwester, die Melanie unterstützt. Momentan ist an einen normalen Dienstbetrieb ohnehin noch nicht zu denken. Wir werden improvisieren müssen – und das nicht zu knapp.“ Nur zögerlich ließ Sylvie seine Hand wieder los und nickte erleichtert. „Ich bin froh, dass du nicht mehr sauer auf mich bist.“ Valand seufzte schwach. „Na, komm schon. Du hast dich nun auch wahrhaftig nicht so verhalten, wie Knigge es empfiehlt. Und jetzt würde ich gerne einen Blick auf die Verwundeten werfen.“ „Hat Melanie dir gesagt, wie es um sie steht?“ „Nein noch nicht“, erklärte Valand. „Aber ich fürchte, dass es keine guten Nachrichten sind, die sie haben wird.“ Sylvie nickte zustimmend. „Vorsichtig formuliert.“   * * *   Als die beiden Offiziere den umfunktionierten Lagerraum, der momentan als Lazarett diente, betraten, bekamen sie gerade noch mit, wie Melanie Gerlach einem der Patienten die Augen schloss. Mit Tränen in den Augen blickte sie zu Valand und Sylvie. „Das war der siebte, den wir in den letzten zweieinhalb Tagen verloren haben. Alle anderen sind außer Lebensgefahr.“ Valand Kuehn, der zu ihr getreten war, legte seine Hand auf ihre Schulter. „Ich bin sicher, dass du getan hast, was du konntest, unter diesen katastrophalen Umständen. Gib mir nachher die Namen, damit ich sie im neuen Logbuch, dass ich angelegt habe, in der Verlustliste aufnehmen kann.“ Melanie nickte deprimiert. Während Sylvie bei ihr blieb, um sie zu unterstützen, wandte sich Valand schnell ab und machte sich auf den Weg zum Maschinenraum. Trotz aller Anstrengungen der letzten Tage sah es hier immer noch aus, als sei eine Bombe eingeschlagen. Überall hingen Leitungen und Schaltelemente von der Decke, und an den Wänden fehlte ein Teil der Verkleidungen. Andere Bereiche waren von der Feuerwalze verkohlt oder glasiert worden. Dort wo die Energien am heftigsten getobt hatten, war Metall und Kunststoff zu abstrakten Figuren zerflossen und wieder erstarrt. Zum Teil sah es auch in anderen Abteilungen des Schiffes so aus. Zum Teil arbeitete die technische Crew mit Handphasern, um diese Strukturen fort zu schneiden und Wartungsschotts freizulegen. Mitten in all dem Trubel stand Chirome, wie ein Fels in der Brandung, und gab seine Anweisungen – ruhig und mit tragender Stimme. Kuehn gewann den Eindruck, dass der junge Bolianer in den letzten beiden Tagen über sich selbst hinaus gewachsen war. Einen Moment lang beobachtete der Norweger das Treiben, bevor er sich einen Weg zu dem Bolianer bahnte. Er hatte soeben eine Entscheidung getroffen. Als er ihn erreichte verlangte er zunächst knapp: „Statusbericht, Mister Chirome.“ Der Bolianer wandte sich Kuehn zu und erklärte: „Wir versuchen momentan festzustellen, ob alle benötigten EPS-Leitungen und Verteiler in Ordnung sind, Sir. Außerdem checken wir nochmal alle Kühl- und Plasma-Leitungen. Einige Provisorien ließen sich nicht vermeiden, und wir müssen erst herausfinden, ob sie funktionieren. Leider auf die harte Tour, da wir wegen des defekten Computerkerns keine vernünftigen Simulationen starten können.“ „Danke, Mister Chirome. Momentan versuchen unsere beiden Pilotinnen herauszufinden, ob unser Schiff auszurichten ist. Danach werden wir einen Versuch wagen, den Warpkern zu starten. Ich wünschte nur, diese verdammten Kommunikatoren würden arbeiten.“ „Das ist kein Problem, Sir.“ Kuehn blickte den Bolianer an, wie ein Wundertier. „Nicht?“ „Nein, Sir. Ich habe vorhin erst herausgefunden, dass der Subraumpuls der Supernova lediglich die Energiespeicher sämtlicher Kommunikatoren entladen hat. Ich habe bereits jemanden auf den Weg geschickt, der die Geräte der Besatzung wieder instand setzt. Die von Lieutenant Kerath und Ensign Walker funktionieren bereits wieder. Geben Sie mir bitte ihren, Lieutenant.“ Kuehn reichte dem Bolianer seinen Kommunikator. Chirome begab sich zu einem improvisierten Tisch, der aus einer etwas verbeulten Transportkiste bestand und auf dem unzählige Instrumente und Werkzeuge lagen. Der Bolianer ergriff ein stabförmiges Ladegerät. Dann öffnete er die kleine Wartungsklappe an der Rückseite des Kommunikators, hielt die Spitze des Ladegerätes an einen bestimmten Punkt und drückte eine kleine Sensortaste. Gleich darauf ertönte ein schwaches Summen und Chirome verschloss das Kommunikationsgerät. „Fertig, Sir.“ Kuehn nahm seinen Kommunikator wieder an sich, befestigte ihn und tippte probehalber darauf. Das vertraute Zirpen, wenn der Kommunikator von Stand-By auf Aktiv umschaltete, erklang. Zufrieden mit dem Ergebnis schaltete Kuehn den Kommunikator auf dieselbe Weise wieder auf Stand-By und meinte: „Gute Arbeit, Mister Chirome. Ich sehe, mein Entschluss, sie zum Stellvertretenden Chief zu ernennen, erweist sich als richtig.“ Der Bolianer blickte Kuehn erstaunt an. „Sir?“ Valand Kuehn lächelte schwach. „Sie haben die besten Voraussetzungen für diesen Job, soweit ich das beurteilen kann. Ihre Fähigkeit, die Reparaturarbeiten zu koordinieren und dabei die nötigen Prioritäten zu setzen, gefällt mir.“ „Danke, Sir“, strahlte der Bolianer und machte sich mit noch etwas mehr Elan, als bisher schon, wieder an die Arbeit. Währenddessen tippte Kuehn auf seinen Kommunikator und sagte: „Kuehn an Lieutenant Kerath: Wie weit bist du, Miranea?“ Es dauerte einen kurzen Augenblick, bis die Stimme der Izarianerin aus dem Empfänger erklang: „Ensign Walker und ich sind bereits mit zwei Shuttles gestartet. Wir können den Versuch jederzeit starten, Valand.“ „Okay, dann fangt am besten sofort an.“   * * *   An Bord eines der beiden Typ-6-Shuttles, die einen halben Kilometer neben der ALAMO, die sich langsam um alle drei Achsen drehte, mit halber Impulsgeschwindigkeit durch den Raum glitten, nahm Miranea Kerath Verbindung zu Thania Walker auf. „Ensign Walker, hier Lieutenant Kerath. Wir beginnen. Passen Sie ihren Kurs so an, dass Ihr Traktorstrahl die Steuerbordseite der Primärhülle erfassen kann. Ich selbst werde die Backbordseite übernehmen. Geben Sie mir Bescheid, wenn Sie soweit sind, Ende.“ „Hier Ensign Walker. Verstanden, Ende.“ Die Izarianerin, die auf der linken Seite der Doppelkonsole saß, blickte zu ihrem männlichen Co-Piloten, einem jungen Crewman von der Erde, und meinte: „Na, dann wollen wir mal. Halten Sie sich bereit, den Traktorstrahl auf mein Kommando zu aktivieren und zu justieren, Crewman.“ „Aye, Lieutenant.“ Miranea Kerath lenkte ihr Shuttle in einer Korkenzieherbewegung an die Stelle, von der aus sie den Traktorstrahl zu aktivieren gedachte. Nur einen Moment danach tauchte das etwa 6 Meter lange Shuttle von Thania Walker etwa 250 Meter rechts ihrer Position auf. Die blonde Frau rutsche selbst jetzt, wo sie um Siran trauerte, wie gewohnt unruhig auf dem Pilotensitz hin und her. Im Moment war sie froh, etwas zu tun zu haben, damit sie nicht permanent an den tragischen Verlust ihrer Lebensgefährtin denken musste. Gleich darauf drang die Stimme des Ensigns aus dem Empfänger an Bord ihres Shuttles. „Shuttle-2 an Shuttle-1. Wir sind bereit.“ „Verstanden, Shuttle-2.“ Die Izarianerin nickte ihrem Begleiter zu. Dann gab sie den Befehl: „Traktorstrahlen aktivieren.“ Draußen, vor der ALAMO, fingerten blaue Energiefächer nach der Primärhülle des Schiffes und stellten den energetischen Kontakt zwischen den drei Objekten her. Dann gab die Izarianerin über Funk das Kommando, zum langsamen Drehen des Schiffes. Zunächst tat sich überhaupt nichts, und der Kontakt drohte abzureißen. Sie wollte schon den Abbruch der Mission anordnen, als die jubelnde Stimme ihres Begleiters aufklang. „Das Schiff fängt an sich langsamer zu drehen, Lieutenant.“ Miranea Kerath blickte auf ihre Instrumente und stellte fest, dass der Crewman recht hatte. Langsam veränderte sich die Drehbewegung und hörte schließlich ganz auf. Aber das war zunächst nur ein Teilerfolg. Nun galt es, das Schiff in die tatsächliche Flugrichtung zu bewegen. Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis sie die ALAMO endgültig stabilisieren konnten. Danach lösten beide Shuttles den Kontakt, und Miranea Kerath wies Ensign Walker an zu landen, und sie in zehn Stunden abzulösen. Zehn lange Stunden würde sie nun hier draußen sein, zusammen mit einem jungen Mann, den sie kaum kannte. Sie bemerkte, dass der junge Mann, den sie auf etwa zwanzig irdische Jahre schätzte, sie von der Seite musterte, und wandte sich ihm, mit hochgezogenen Augenbrauen zu. „Möchten Sie etwas fragen, Crewman“, erkundigte sie sich freundlich, aber auch etwas abwesend. Der junge Mann nickte, unsicher lächelnd. „Ja, Lieutenant. Ich habe mich etwas gewundert, dass nicht Sie das Kommando über die ALAMO übernommen haben. Nicht dass ich etwas gegen den Lieutenant hätte, ich dachte nur...“ „Crewman, Sie gehen von einer falschen Voraussetzung aus“, unterbrach die Izarianerin den Redefluss des jungen Mannes. „Lieutenant Kuehn ist Brückenoffizier und besitzt zudem denselben Rang, wie ich. Darum ist er mir, nach den Bestimmungen der Sternenflotte, in diesem Fall vorgesetzt. Und wissen Sie was? Ich bin momentan wirklich froh, dass es so ist, denn ich wüsste nicht, ob ich dem Druck der Situation genauso gut standhalten könnte, wie er es tut. Und das, obwohl er, bei dieser schrecklichen Katastrophe, seine Frau verloren hat.“ Der junge Mann wich etwas verlegen ihrem Blick aus. Dann sagte er, beinahe entschuldigend: „Diese Bestimmung in den Protokollen kannte ich nicht.“ Dann veränderte sich sein Tonfall etwas und er wechselte schnell das Thema: „Glauben Sie wirklich, dass wir es schaffen können, wieder in Föderationsraum zu gelangen, Lieutenant?“ „Ja“, antwortete Miranea Kerath ohne zu überlegen. „Ich kenne den Lieutenant nun seit mehr als vier Jahren, und ich bin sicher, dass der Lieutenant uns nach Hause bringen wird, Crewman – wie heißen Sie eigentlich?“ „Ronan Shilter, von Rigel VII.“ „Angenehm, Mister Shilter.“ Eine Weile schwiegen sie, bevor der junge Mann wieder das Wort ergriff und fragte: „Stimmt es, dass der Lieutenant bei der RED-SQUAD gewesen ist?“ Im ersten Moment war die Izarianerin versucht, dem Crewman zu sagen, dass auch die Kadetten der RED-SQUAD nur mit Wasser kochten. Doch das erwartungsvolle Leuchten in den Augen des jungen Crewman erinnerte sie daran, dass es nicht schaden konnte, in ihrer momentanen Lage etwas Zuversicht zu verbreiten. Darum sagte sie: „Ja das stimmt. Und Ensign LeClerc ebenfalls. Soweit ich weiß, kennen sich beide sehr gut.“ Die Erleichterung des jungen Mannes, bei ihren Worten, war beinahe spürbar. „Dann schaffen wir es ganz bestimmt, Lieutenant.“ „Ja, das werden wir“, stimmte die blonde Frau zu, und ein Teil der Zuversicht des jungen Mannes sprang auf sie über. Im Gegensatz zu vorhin war sie nun doch ganz froh, diesen jungen, begeisterungsfähigen Crewman mit an Bord des Shuttles zu haben. Kapitel 9: Rückschläge ---------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Lieutenant Valand Kuehn Sternenzeit: 39876.4   Die ALAMO wurde von zwei Shuttles, mit Hilfe ihrer Traktorstrahlen, mühsam ausgerichtet und hält nun Kurs auf einen Raumbereich, der frei von Objekten ist, soweit die Scanner unserer Shuttles das anzeigen. Zumindest sind wir damit erst einmal den Druck los, dass das Schiff mit einem interstellaren Objekt kollidieren könnte. Das Shuttle von Ensign Thania Walker ist mittlerweile gelandet, und draußen wachen Lieutenant Miranea Kerath und ihr Co-Pilot über die Sicherheit der angeschlagenen U.S.S. ALAMO. Wir sind nun soweit, den Versuch eines Kaltstarts des Warpkerns zu wagen. Keiner weiß, was wirklich passieren wird, und so können wir nur das Beste hoffen...   * * *   Gespannte Erwartung zeichnete sich auf den Mienen aller Anwesenden im Maschinenraum ab. Valand Kuehn hielt sich im Hintergrund und beobachtete. Er war nur Laie und hätte sich, trotz seines höheren Ranges, eine unverblümte Abfuhr eingefangen, hätte er sich in den Aufgabenbereich der Techniker eingemischt. Geduldig wartete er, bis sich Chirome schließlich an ihn wandte und meinte: „Wir sind soweit, Sir.“ „Dann wollen wir mal die Backen zusammenpressen und hoffen, dass alles klappt, Mister Chirome.“ Der Norweger fing Chiromes befremdlichen Blick auf und meinte dann: „Ich erkläre Ihnen später, was damit gemeint ist. Fangen wir an.“ Sein Chronometer zeigte 13:47 Uhr Standard an. Aber was hieß das schon, hier draußen abseits aller Föderationswelten? Immerhin war es etwas, an das man sich klammern konnte – ein Stück Gewohnheit. Der Bolianer gab seinen Leuten das Kommando, und sie fuhren vorsichtig die Nebenaggregate hoch. Ein sanftes Summen erfüllte das Schiff welches sich um eine Nuance steigerte, als Chirome und Sarah Mintal den Startprozess initiierten. Dabei blickten sie permanent auf die Anzeigen der teilweise eingeschränkt arbeitenden Konsolen. Einige Minuten vergingen in quälender Ungeduld. Dann glühte der Warpkern schwach auf und das Gerät gab ein dumpfes Pochen von sich. Das Pochen steigerte sich nach einigen Sekunden zum typisch rhythmischen Arbeitsgeräusch des Warpkerns und Valand Kuehn wollte schon zufrieden lächeln, als ein Anruf von Crewman Langdon, der sich in einem der Nebenabteilungen befand, seine Gedankengänge unterbrach. „Wir haben hier unten ein Problem an der Hauptenergiekopplung festgestellt. Ich empfehle dringend...“ Gleich darauf gab es einen trockenen Knall. In einem Funkenregen explodierte eine der Nebenkonsolen, an der sich momentan zum Glück niemand aufhielt. Mit fieberhafter Anstrengung deaktivierten Sarah Mintal und Chirome die laufenden Aggregate und das Arbeitsgeräusch des Warpkerns erstarb. Der Bolianer warf einen letzten verzweifelten Blick zu dem Hauptenergiesystem des Schiffes und meinte dann entsagungsvoll zu Valand Kuehn: „Das hatte ich befürchtet, Sir. Die Energiekopplung hat versagt, weil wir vermutlich neue Magnetspindellager für die Reaktionssteueranlage brauchen. Ich ahnte, dass die eingebauten in starke Mitleidenschaft gezogen wurden, durch die Notabschaltung.“ Der Norweger blickte Chirome fragend an. „Wie schnell können Ihre Leute das erledigen, Mister Chirome?“ Der Bolianer machte eine vage Geste. „Das wäre selbst mit der Unterstützung einer modernen Sternenflottenwerft eine Arbeit von einigen Tagen, Sir. Wir müssen die alten Spindeln komplett ausbauen und mit den bescheidenen Mitteln an Bord, reparieren. Das dauert einige Wochen, wenn nicht Monate, selbst wenn wir rund um die Uhr arbeiten. Außerdem werden wir zusätzlich eine neue Energiekopplung einbauen müssen.“ Wäre Kuehn allein gewesen hätte er einen Kraftausdruck benutzt. So meinte er lediglich seufzend. „Na schön, Mister Chirome. Das lässt sich nicht ändern. Für heute ruhen Sie und der Rest des Teams sich aus, ich erwarte Sie dann alle nachher in der Messe. Und Morgen werden Sie mir dann einen vorläufigen Zeitplan für die Reparaturarbeiten ausarbeiten – inklusive eines Schichtplans für die beteiligten Techniker. Ich möchte nicht, dass mir jemand wegen Überlastung zusammenbricht. Das können und werden wir uns nicht leisten.“ „Aye, Sir“, bestätigte Chirome und blickte Kuehn hinterher, als dieser missgestimmt, aber aufrecht den Maschinenraum verließ.   * * *   Als Valand Kuehn gegen 18:00 Uhr die Offiziersmesse betrat war die abkömmliche Crew bereits dort versammelt. In seinen Händen hielt er eine kleine Schachtel, in der sich die Abzeichen für die Provisorischen Sternenflottenränge befanden. Außer den Verletzten im Lazarett fehlten lediglich Sylvie LeClerc, die bereits von Kuehn bezüglich der wichtigsten Umstrukturierungen vorab informiert worden war, Miranea Kerath, die noch mit ihrem Shuttle der ALAMO voraus flog, und zwei Crewmen, von denen sich einer im Shuttle befand und ein anderer der Sylvie im Lazarett half. Abzüglich der 22 Crewmitglieder im Lazarett befanden sich außer Valand Kuehn noch 83 Leute in der Offiziersmesse. Kuehn grüßte freundlich in die Runde und nickte den Leuten aufmunternd zu. Dann ergriff er das Wort und sagte mit klarer Stimme: „Seien Sie gegrüßt. Ich wünschte mir, der Grund dieser Zusammenkunft wäre ein erfreulicherer, aber es lässt sich nun einmal nicht ändern. Sie alle wissen warum ich Sie hierher gebeten habe. Kommen wir also zur Sache, die letzten Tage waren für uns alle anstrengend genug und ich möchte einigen von Ihnen die Erholungszeit bis zum Dienst nicht mehr kürzen, als nötig.“ Valand Kuehn machte eine kurze Pause um sich zu sammeln und ließ seinen Blick über die Anwesenden schweifen, bevor er durchatmete und fortfuhr: „Das was ich nun tun werde ist in der Geschichte der Sternenflotte nur wenige Male vorgekommen. Aber unsere Lage zwingt mich dazu. Für Situationen, wie die, in der wir uns zur Zeit befinden ist das Notfallprotokoll, zum Etablieren eines Provisorischen Rangsystems, ins Leben gerufen worden. Als höchstrangiger Brückenoffizier der U.S.S. ALAMO übernehme ich, mit sofortiger Wirkung, das Kommando des Schiffes als Commander der Sternenflotte. Ich informiere Sie des weiteren davon, dass ich in dieser Eigenschaft, Ensign Sylvie LeClerc zu meiner Stellvertreterin, im Rang eines Lieutenant-Commanders einsetze.“ Ein leises Raunen ging durch die Reihen der Anwesenden, bis Valand Kuehn, der bereits die neuen Insignien am Kragen der Uniform trug, den rechten Arm hob. Nachdem wieder Ruhe eingekehrt war, erklärte er: „Sie wundern sich vielleicht, dass nicht Miranea Kerath den Posten des XO einnimmt. Ich möchte Ihnen die Gründe dafür erläutern. Einerseits benötige ich Lieutenant Kerath auf unabsehbare Zeit als Shuttlepilotin. Sollten wir wieder in der Lage sein, die ALAMO zu steuern, dann wird Lieutenant Kerath, die gleichzeitig als Zweiter Offizier fungieren wird, die Leitung der Technischen Abteilung übernehmen, da sie von den Offizieren am meisten davon versteht. Ihr Stellvertreter wird Mister Chirome sein, den ich für die Dauer unserer Odyssee, in den Provisorischen Rang eines Lieutenants befördere. Kommen Sie zu mir, Mister Chirome.“ Da der Bolianer bereits vorbereitet war, brauchte es des kameradschaftlichen Anstoßes von Sarah Mintal kaum, um ihn zu Valand Kuehn gehen zu lassen. Als er bei Kuehn ankam nahm dieser ihm das Crewman-Abzeichen vom Kragen und heftete ihm das des Provisorischen Lieutenants an. Danach reichte er dem Bolianer die Hand. „Willkommen im Club, Lieutenant Chirome. Ich erwarte innerhalb einer Woche Vorschläge von Ihnen, wen wir zusätzlich als Ensign einteilen können.“ „Aye, Sir.“ Kuehn machte weiter und verteilte weitere Lieutenant-Abzeichen an einen hochgewachsenen Vulkanier aus der Wissenschaftlichen Abteilung, einen jungen Mann, den Melanie Gerlach als zusätzlichen Sanitäter vorgeschlagen hatte und an jene Rigelianerin, die er auf seiner ersten Silvesterparty an Bord der ALAMO kennengelernt hatte. Sie verstand nebenbei etwas von Raumnavigation, wie sich herausgestellt hatte, da sie während ihrer Kindheit, zusammen mit ihren Eltern, lange Jahre auf einem Frachter geflogen war. Zuletzt befestigte er das Rangabzeichen eines Lieutenant-Commanders an Melanie Gerlachs Kragen und wandte sich danach wieder der Crew zu. „Meine Damen und Herren, ich möchte, dass Sie alle unter den neu ernannten Offizieren genauso weiterhin ihren Dienst verrichten, wie Sie das unter den verstorbenen Offizieren getreulich getan haben. Ehren Sie damit das Andenken an unsere gefallenen Kameraden.“ Wieder blickte Valand Kuehn in die Gesichter der Crew und er entdeckte Zustimmung in den Mienen. Dann nickte er freundlich und sagte: „Sie können wegtreten.“ Die neu ernannten Offiziere kümmerten sich um ihre Leute, die zum Dienst eingeteilt waren, während der Rest überwiegend die Quartiere aufsuchte. Die letzten Tage waren für jeden Einzelnen sehr anstrengend gewesen. Nachdem sich die Menge großteils verlaufen hatte, trat Valand Kuehn an die Fensterfront und blickte durch die dicke Scheibe aus einer transparentem Aluminium-Duranium-Legierung hinaus in den Weltraum. Erst nach einigen Augenblicken bemerkte er, dass jemand vorsichtig hinter ihn getreten war, und zuerst dachte er, es wäre Melanie Gerlach. Als er den Kopf wandte erkannte er jedoch, dass es sich um die dunkelhaarige Rigelianerin mit den beinahe bernsteinfarbenen Augen handelte, die er eben erst zum Lieutenant befördert hatte. Seine Augenbrauen hoben sich etwas als er fragte: „Was kann ich für Sie tun, Lieutenant Scrillian.“ Die Rigelianerin wirkte erstaunt, weil Kuehn ihren Namen kannte. Dann fasste sie sich und sagte mit angenehm klingender Stimme: „Ich erinnere mich noch an die Silvesterparty, in dem Jahr, als Sie an Bord kamen, Commander. Damals hatten einige Kameraden und ich, zusammen mit Miss Kerath und Ihnen getanzt.“ Der Norweger nickte. „Ich erinnere mich daran, Lieutenant. Manchmal scheint es mir, als wäre das bereits Jahrzehnte her.“ Die Rigelianerin nickte zustimmend. „Ja mir auch. Wissen Sie, damals hielt ich Sie für einen typischen Offiziersschnösel, der sich zu gut dazu ist, sich mit einem Crewman, wie mir, einzulassen.“ Es dauerte einen Augenblick, bis Valand Kuehn wieder einfiel, dass sie es gewesen war, die ihm, scheinbar zufällig, beim Tanzen um den Hals gefallen war. Und er erinnerte sich daran, wie er sie förmlich an den Schultern wieder aufgerichtet hatte. „Es tut mir leid, Miss Scrillian, wenn ich damals ihre Gefühle verletzt haben sollte.“ „Es war nur die Enttäuschung, Commander.“ Die Rigelianerin lächelte schwach. „Ich wollte Ihnen eigentlich nur sagen, dass ich bedauere, was ich damals über sie dachte, nachdem sie zur Bar gegangen waren. In den letzten Tagen habe ich erkannt, dass dieses Bild, das ich mir von Ihnen gemacht hatte vollkommen falsch war. Ich glaube mittlerweile fest daran, dass wir es schaffen werden nach Hause zurück zu kehren. Jeder glaubt das. Falls Sie es noch nicht gemerkt haben, Sir, die Crew vertraut Ihnen. Und ich tue es auch.“ Kuehn schluckte. Eben noch hatte er sich grenzenlos allein gefühlt. Hatte diese Rigelianerin es wohl gemerkt? Vermutlich, und sie hatte genau die richtigen Worte in dieser Situation gefunden. Gerührt antwortete er: „Ich danke Ihnen, Lieutenant.“ Die Frau, mit dem exotischen Gesichtsmuster erwiderte sein Lächeln. „Sie entschuldigen mich nun bitte.“ Damit ging sie. Valand wandte sich wieder dem Fenster zu und horchte in sich hinein. Er fühlte sich noch immer verlassen, aber nicht mehr so allein, wie zuvor.   * * *   Sarah Mintal, auf Chiromes Empfehlung hin, vor einigen Tagen erst zum Ensign ernannt, schien über ein schier unerschöpfliches Repertoire an Schimpfwörtern zu verfügen, die sie gerade in diesem Moment gegen das zu ersetzende Magnetspindellager ausstieß, das sie im Begriff war auszubauen. „Du verdammtes Scheißding!“, tobte sie. „Du mistige Fehlkonstruktion! Komm endlich heraus, oder ich sprenge dich elendes Miststück eigenhändig in die Luft!“ Die junge Technikerin wusste, dass es nicht das Geringste am hartnäckigen Widerstand des wuchtigen Maschinenteils änderte, aber sie hätte dennoch stundenlang so weiter toben können. Chirome, der wusste, dass Sarah um so besser arbeitete, je mehr sie fluchte, warf einen kurzen Blick um die Ecke, grinste schief und zog sich hastig zurück, bevor sie ihn bemerkt hatte. Niemand, der an seinem Leben hing, kam Sarah Mintal ohne Not freiwillig zu nahe, wenn sie sich in diesem Zustand befand. Der frischgebackene bolianische Lieutenant beschloss statt dessen eine Runde durch das Schiff zu unternehmen, und sich vom Fortschritt der Arbeiten im gesamten Schiff ein Bild zu machen. In der letzten Woche hatte er sich zur Nemesis der Reparaturteams entwickelt. Er tauchte zu den unmöglichsten Zeiten auf, korrigierte, wo er Fehlerquellen erkannte, packte mit an und verschaffte sich somit einen Überblick über den Zustand der Reparaturen auf dem gesamten Schiff. Bis auf die Schäden an der Außenhülle der Brücke waren alle Hüllenbrüche notdürftig abgedichtet worden, und man hatte die Notkraftfelder abschalten können. Momentan waren zwei Teams dabei, die beschädigten Decken und Böden zu flicken, durch die jene Plasmafackel sich gebrannt hatte, die dicht bei der Brücke eingeschlagen war. Chirome wechselte einige aufmunternde Worte mit den beiden Teamleitern und setzte seinen Weg zu Deck-1 fort, wobei er sich auf den oberen drei Decks durch die Jeffries-Röhren quälen musste. Auf der Brücke bekam Crewman Robert van der Falk beinahe einen Herzschlag, als Lieutenant Chirome unvermittelt und laut schnaufend, im gespenstischen Licht der Notbeleuchtung, aus der Bodennotluke, direkt hinter dem Platz des Captains, hervor kletterte. „Eine Art ist das...“, beschwerte sich der gebürtige Niederländer. „Irgendwann werde ich bei einem Ihrer Auftritte einen verdammten Herzstillstand erleiden. Und dann?“ „Dann werde ich einen Ersatz für Sie suchen müssen“, antwortete der Bolianer fast weinerlich, doch das belustigte Funkeln seiner Augen verriet, wie es in ihm aussah. „Also machen Sie mir keinen Kummer, und bleiben Sie noch eine Weile am Leben. Zumindest bis wir das Schiff wieder einigermaßen zusammengeflickt haben. Van der Falk blickte den Bolianer fassungslos an. „Danke schön, das habe ich jetzt auch verstanden.“ Chirome wandte sich amüsiert ab. Dann wurde er wieder ernst und begutachtete die Arbeiten an der Decke der Brücke. Eine Weile schaute er den Männern und Frauen bei der Arbeit zu, bevor er sich an die zuständige Teamleiterin wandte. „Wie lange werden wir noch benötigen, bis die Brücke wieder weltraumdicht ist, und wir das letzte Notkraftfeld abschalten können?“ „Mindestens noch zehn Stunden, Sir.“ „Mist“, entfuhr es dem Bolianer. Dann meinte er: „Danke, wenn das erledigt ist, dann werden wir als nächstes einen der Turbolifte wieder zum Laufen bringen – oder besser Ihre Ablösung.“ Er beendete seinen Rundgang über die Brücke und machte sich dann an den beschwerlichen Abstieg, hinunter ins Schiff. Als nächstes stand die Krankenstation auf seinem Besichtigungsprogramm.   * * *   Auch Valand Kuehn war an diesem Tag in den verschiedenen Abteilungen des Schiffes unterwegs. Er hatte zunächst den Verletzten, die sich alle auf dem Weg der Besserung befanden, einen Besuch abgestattet. Einige von ihnen würden bereits in den nächsten Tagen schon wieder diensttauglich sein. In den letzten Tagen hatte er sein Quartier quasi nur zum Schlafen aufgesucht. Ansonsten war er unermüdlich unterwegs, sprach viel mit der Mannschaft und erkundigte sich danach, was jeder Einzelne auf welche Art und Weise tat. Das Wissen, was sich Kuehn so über jede Abteilungen des Schiffes aneignete, war enorm. Völlig verrußt kam er aus Richtung der Impulsreaktoren, als ihm Miranea Kerath über den Weg lief. Vor einer halben Stunde hatte sie Thania Walker dabei abgelöst, dem Schiff voraus zu fliegen. Sie wirkte abwesend, und war auf dem Weg zu ihrem Quartier. Als sie Valand erkannte lächelte sie schwach. „Hallo, wie geht es dir. Du siehst aus, als könntest du eine Dusche vertragen.“ „Ja, das könnte jetzt wirklich nicht schaden“, knurrte der Norweger verstimmt. „Manchmal gewinne ich den Eindruck, dass uns die ALAMO unter den Füßen auseinander fällt, während wir sie an anderer Stelle zu flicken versuchen. Ich komme gerade von den Impulsreaktoren. Einen werden wir für einige Wochen stilllegen müssen.“ Die Izarianerin hob etwas die Augenbrauen. „Ist es ernst?“ Kuehn seufzte schwach. „Das kann man nicht gerade sagen, aber wir werden uns zusätzlich etwas einschränken müssen. Einige Abteilungen, die wir nicht unmittelbar benötigen, werde ich vom Netz nehmen lassen. Es ist eher ärgerlich, als ernst.“ Er blickte die blonde Frau ernst an und fragte dann: „Gehst du mit mir in der Offiziersmesse etwas essen? Ich habe Hunger wie ein Bär.“ „Zuerst wollte die Frau ablehnen, doch dann meinte sie leise: „Okay, ich finde ohnehin keine Ruhe, wenn ich in meinem Quartier allein bin.“ Valand Kuehn nickte, wobei er sich insgeheim Sorgen um den Zustand der Izarianerin machte. Er konnte sich lebhaft vorstellen, was Miranea momentan den Schlaf raubte. Auch sie hatte einen geliebten Partner verloren, so wie er auch. Er beschloss, in der Messe mit ihr darüber zu reden. In der Messe angekommen bestellten sich beide nur einen kleinen Snack am Replikator. Wenigstens dieses System war kaum beschädigt worden – eine der wenigen guten Nachrichten, nach der Havarie. Vollkommen allein in dem Raum, der noch immer Spuren der Zerstörung aufwies, setzten sie sich ans Fenster, und Valand überlegte für einen kurzen Moment, dass dies genau der Platz gewesen war, an dem Sylvie und er zuletzt gesessen hatten, als das Verhängnis seinen Lauf genommen hatte. Das ungute Gefühl in seinem Innern niederkämpfend nahm er dennoch dort, über Eck, neben Miranea Platz. Beide aßen nur sehr wenig von ihrem Snack und schließlich meinte Valand leise: „Ich schlafe seit einer Woche kaum. Wie gehst du mit dem Verlust um?“ Die blonde Frau blickte traurig zu dem Norweger. „Nur sehr schwer, Valand. Siran fehlt mir so sehr. Als ich sie fand, da war ich nicht einmal in der Lage zu weinen. Ich hatte nur einen dicken Klos im Hals und ich spüre ihn immer noch dort.“ Valand nickte und sagte dann leise: „Ja, ich kenne das Gefühl. Was da passiert ist, kann man kaum begreifen, und wir alle werden sicherlich noch eine Weile brauchen, die Geschehnisse aufzuarbeiten. Aber wir müssen es tun, Miranea, sonst werden wir wahnsinnig. Wenn ich eins in den letzten Tagen begriffen habe, dann ist es die Tatsache, dass ich mich dem was passiert ist stellen muss.“ Die Izarianerin blickte den Norweger direkt an. Dann nickte sie schwach, und zwei Tränen rannen plötzlich über ihre Wangen. Dann löste sich der Knoten in ihrem Inneren, der die gesamte Zeit über drückend auf ihrer Seele gelegen hatte, und sie klammerte sich schluchzend an Valands Oberarm. Kuehn zog sie spontan zu sich heran, bettete ihren Kopf an seine Schulter und legte seine linke Hand, wie zum Schutz, über Miraneas Kopf, während diese all ihren aufgestauten Gefühlen freien Lauf ließ. Den Norweger zerriss es fast innerlich, doch er wusste, dass dieser Ausbruch der Frau zum beginnenden Heilungsprozess ihrer Seele gehörte und deswegen unabdingbar war, weshalb er auch so etwas wie Erleichterung empfand. Der erste Schritt war nun gemacht, und weitere würden folgen. Und in diesem Moment schwor er sich selbst, dass er die Crew der ALAMO mit all ihren Sorgen und Nöten nicht allein lassen würde. Er schluckte mehrmals um zu verhindern, selbst in Tränen auszubrechen. Es dauerte, nach Valands Wahrnehmung, eine kleine Ewigkeit, bis sich Miranea wieder etwas fing. Ihre Stimme klang brüchig, als sie schluchzend sagte: „Ich war nicht bei ihr, als sie starb, Valand.“ Der Norweger wusste, dass Siran Torinar gemeint war. Leise antwortete er: „Es kam zu plötzlich und unerwartet für uns alle. Du konntest nichts dafür.“ Als hätte die Izarianerin ihm gar nicht zugehört, fuhr sie fort: „Sie war ganz allein, dort unten im Dunkel. Alles war voller Blut, Valand. Die Verletzung war grauenvoll...“ „Quäle dich doch nicht selbst, Miranea. Behalte sie in Erinnerung, aber so, wie sie im Leben war. Nicht so, wie du sie gefunden hast. Ich bin sicher, das wäre in Sirans Sinn.“ Für eine Weile schwieg die Frau, während ihr Schluchzen weniger wurde. Dann erwiderte sie mit erstickter Stimme: „Vielleicht hast du Recht. Aber es tut so weh.“ Valand schluckte erneut. „Ja das tut es, Miranea. Er hielt sie fest in seinen Armen, und während er zum Fenster hinaus blickte verschwamm das Bild vor seinen Augen. Kapitel 10: Stärken und Schwächen --------------------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 40549.5   Wir schreiben auf der fernen Erde den 20. Juli 2363. In den letzten acht Monaten hat die Crew der U.S.S. ALAMO unermüdlich ihr Bestes gegeben um das Schiff wieder flott zu machen. Jeder hat mit angepackt um das zunächst wichtigste Etappenziel – die Steuerung des Schiffes von der Brücke aus – zu erreichen. Danach werden wir endlich mit voller Impulsgeschwindigkeit einen Kurs auf Föderationsraum setzen können, was der Mannschaft sicherlich Auftrieb geben wird. Das Steuern des Schiffes vom Maschinenraum aus hatte sich, ob der vielen Zerstörungen dort, als nicht durchführbar erwiesen. Dies wäre lediglich in Notsituationen eine Option gewesen. Die Reparatur des Warpkerns hat sich als schwieriger herausgestellt, als zunächst gedacht, denn erst im Nachhinein konnte Mister Chirome entdecken, dass der Antimaterie-Injektor beschädigt wurde, so dass eine genaue Zufuhr der Antimaterie für die Reaktion im Warpkern unmöglich ist. Da wir die benötigten Ersatzteile selbst herstellen müssen, wird es noch etwa sechs bis sieben Monate dauern, bis der Injektor wieder funktionsfähig sein wird. Dies wirft uns zwar zurück, aber Mister Chirome ist sicher, dass der Injektor danach fehlerlos arbeiten wird. Wir benötigen also lediglich etwas Geduld. Außerdem haben wir auf diese Weise die Gelegenheit, alles Nebensysteme noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und Verbesserungen vorzunehmen. Der gesundheitliche Zustand der Crew ist, dank des vorbildlichen Einsatzes der beiden Lieutenant-Commanders, Gerlach und LeClerc, hervorragend. Auch die psychischen Folgen des verheerenden Unfalls klingen ab, und an Bord beginnt sich, nicht zuletzt Dank des baldigen Erreichens unseres ersten großen Teilzieles, so etwas wie Aufbruchstimmung breit zu machen. Gerade die jüngeren Besatzungsmitglieder stecken die Folgen der Katastrophe sehr gut weg, und ich kann kaum sagen, wie stolz ich auf diese Crew bin. Es wird auch Zeit für einen etwas größeren Erfolg, denn die bisherigen Anstrengungen haben uns an die Grenzen unserer Kräfte gebracht. Es wäre ein willkommener Anlass einige Tage zu regenerieren, bevor wir uns wieder voll in die Arbeit stürzen, um auch die Überlicht-Kapazität des Schiffes wieder herzustellen. Dabei ist uns Klar, dass es auch danach noch ein bis zwei Jahre dauern könnte, bis wir wieder zu Hause sein werden. Doch was sind schon drei Jahre, von heute an gerechnet. Diese Zeitspanne lässt sich überblicken und sie gibt der Mannschaft Hoffnung, was in unserer momentanen Lage mit das Wichtigste ist.   * * *   „Du nörgelst in der letzten Zeit ständig herum, Mon Ami“, beschwerte sich Sylvie LeClerc missgestimmt, nachdem sie mit Valand Kuehn die Fortschritte auf der Brücke inspiziert hatte, und sie allein mit der Turboliftkabine nach unten fuhren. „Ist dir das selbst schon mal aufgefallen?“ „Ich finde du übertreibst“, konterte Kuehn unwirsch. Dabei horchte er in sich hinein und fragte sich insgeheim, ob die Französin nicht vielleicht Recht haben könnte. Selbst merkte man manchmal solche schleichenden Entwicklungen gar nicht. „So“, machte Sylvie, mit gereiztem Tonfall. „Findest du also?“ Der Norweger hob seufzend die Hände und meinte: „Lass uns nicht streiten, okay. Vielleicht bin ich wirklich etwas übersensibel, in den letzten Tagen.“ „In den letzten Wochen“, verbesserte Sylvie LeClerc spitz, obwohl sie wusste, dass Valand gerade diese Art nicht sonderlich leiden konnte. Sein Konter ließ deshalb auch nicht lange auf sich warten. „Nun übertreibe mal nicht. Ich bin etwas überarbeitet, das ist alles. Wenn das Schiff endlich wieder aus eigener Kraft fliegt, statt zu driften, dann legen wir eine kleine Erholungsphase ein. Danach wird es mir bestimmt bald besser gehen.“ Die kleine Französin verzichtete darauf, Valand weiterhin zu reizen, und sagte statt dessen mahnend: „Du treibst Raubbau mit deinen Kräften. Niemandem ist damit gedient, wenn du zusammenbrichst. Darum rate ich dir: Trete ab sofort etwas kürzer, Cherie.“ Der Norweger machte bei ihrem letzten Wort ein Gesicht, als habe er in eine Zitrone gebissen. „Du weißt, dass ich es nicht mag, wenn du mich mit deinen französischen Kosenamen belegst.“ „Ich kann auch Kosenamen anderer Sprachen verwenden, wenn dir das lieber ist.“ „Ja, das würdest du glatt bringen“, knurrte Valand, wobei er jedoch ein amüsiertes Schmunzeln nicht ganz unterdrücken konnte. In den letzten Monaten hatten sie beide sehr gut dienstlich harmoniert, und auch menschlich hatten sie sich wieder einander angenähert, so dass ihr momentanes Verhältnis zu einander besser war, als zu Akademiezeiten. Und auch in Phasen, wo es verbal härter zur Sache ging, konnte dies die gute Kameradschaft, die sich in den letzten Monaten herausgebildet hatte nicht beeinträchtigen. Letztlich rauften sie sich immer wieder schnell zusammen. Sylvie knuffte Kuehn scherzhaft in die Seite: „Komm schon, du alter Brummbär. Lass uns Chirome besuchen, und ihn fragen, wann wir endlich die Kontrollen zur Brücke umschalten können.“ „Mach so weiter, dann landest du noch vor einem Kriegsgericht der Sternenflotte, wegen Beleidigung eines vorgesetzten Offiziers.“ „Jetzt bist aber du derjenige der übertreibt“, meinte Sylvie und zwinkerte Valand zu. Der nickte grimmig. „Ja, aber ich bin mir dessen wenigstens bewusst.“ Sie legte ihre Hand vertraulich auf seine Schulter und Valand blickte sie für einen kurzen Augenblick eigentümlich an. Für einen kurzen Moment lang schien es so, als würde er ihre wahren Gefühle für ihn verstehen und er schien etwas sagen zu wollen, doch dann schwieg er und blickte sie nur an. Aber Sylvie ahnte in diesem Moment, dass er verstanden hatte, wobei es eigentlich viel mehr, als nur eine Ahnung war. Sie erreichten den Maschinenraum der ALAMO, der wieder einigermaßen hergestellt war. Nur einige dunkle Flecken an den Wänden und auf dem Boden deuteten darauf hin, was sich hier vor mehr als acht Monaten abgespielt hatte. Die zerstörten Konsolen waren wieder hergestellt worden – die zerrissenen Leitungen und zerstörten Schaltelemente ersetzt. Momentan wurde nur noch an einigen sekundären Leitungen gearbeitet, und an einigen Steuerleitungen, die man nicht mehr benötigen würde, sobald die Verbindung der Impulstriebwerke zur Brücke stand. Als der Bolianer die beiden Führungsoffiziere entdeckte kam er auf sie zu und verkündete strahlend: „Wir haben es gleich, Commander. Sarah befindet sich bei Thania auf der Brücke und wartet auf mein Signal zum Umschalten, und zum anschließenden Check der Steuersysteme.“ Es hatte sich in den letzten Wochen und Monaten eingebürgert, dass sich die Offiziere, auch diejenigen, die neu zu Offizieren ernannt wurden, mit Vornamen ansprachen. Es hatte sich dabei herausgestellt, dass die Disziplin in keinster Weise darunter litt, und so hatte Valand Kuehn keine Einwände dagegen. Lediglich ihn selbst sprachen Chirome, Thania Walker, der Sanitäter, Lieutenant James E. Rowan, und Lieutenant Scrillian immer noch mit Commander an. Aber auch das würde sich im Laufe der nächsten Zeit sicherlich ändern, überlegte Kuehn bei sich. Er sah darin keinen Nachteil, waren sie doch eine verschworene kleine Gemeinschaft – auf Gedeih und Verderb einander ausgeliefert. Das war zu einem nicht geringen Anteil auch Sylvie LeClercs Verdienst, und der Norweger begrüßte die Entwicklung, die sie in letzter Zeit durchlaufen hatte. Kuehn nickte dem Bolianer zu. „Danke, Chirome. Ich hoffe, es wird funktionieren.“ „Vielleicht sollten wir noch schnell ein Gebet sprechen“, scherzte Sylvie. Auch das wertete Kuehn als gutes Zeichen. Trotz der Schicksalsschläge, die sie alle erlitten hatten, fand die Crew langsam zu ihrem Humor zurück. Ein wenig Normalität, auch wenn sie manchmal noch durchsetzt war vom Schmerz, tief in ihnen. Valand Kuehn war in der letzten Zeit klar geworden, dass niemand ewig trauern konnte, selbst er würde eines Tages über den Tod von Ahy´Vilara hinweg sein, auch wenn ihm dabei bewusst war, dass die Narbe, die ihr Tod hinterließ, stets präsent und spürbar bleiben würde. Der Norweger verdrängte diese bitteren Gedankengänge, als Mark Langdon aus dem Nebenraum kam und schlicht meldete: „Wir sind soweit, Chief.“ Chirome bedankte sich, und meinte dann zu seinen beiden Vorgesetzten: „Kommen Sie, wir werden es nun einfach wagen.“ Sie schritten zum wieder hergestellten Hauptschalttisch, wo Chirome die Schaltdiagramme mit den entsprechenden Steuertasten aufrief. Dann tippte er kurz auf seinen Kommunikator und rief Sarah Mintal, auf der Brücke, an. „Chirome an Ensign Mintal. Sarah, wie sieht es bei euch auf der Brücke aus?“ „Wir sind bereit. Seid ihr endlich fertig da unten?“ Der Bolianer bemerkte das Schmunzeln auf den Gesichtern von Kuehn und LeClerc und meine entsagungsvoll: „Die wird sich nie ändern.“ Dann antwortete er: „Wir sind soweit. Ich schalte jetzt um.“ Damit ließ der Bolianer seine kräftigen, blauen Finger über die Sensortasten auf der Anzeige des Schalttisches gleiten. Einige der angezeigten Energieflüsse änderten ihre Richtung, einige erloschen, andere flammten dafür auf. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bevor Sarah Mintals Stimme aufklang. „Es hat funktioniert, Chirome. Die Steueranlagen der Brücke arbeiten. Wir werden jetzt damit beginnen, die Funktionen zu checken.“ Valand Kuehn aktivierte seinen Kommunikator und sagte: „Commander Kuehn an Ensign Mintal. Gute Arbeit. Lieutenant-Commander LeClerc und ich werden zu Ihnen herauf kommen. Kuehn, Ende.“ Er wandte sich zu der Französin. „Dann wollen wir mal.“   * * *   Als Valand Kuehn und Sylvie LeClerc auf der Brücke aus der Turboliftkabine schritten, blieben beide unwillkürlich stehen, und nahmen den Eindruck in sich auf. Die vertrauten leisen Arbeitsgeräusche der Instrumente und die nun wieder, wenn auch eingeschränkt, funktionierenden Displays der Konsolen und Anzeigetafeln, erzeugte in ihnen ein Gefühl, das sich nur schwer beschreiben ließ. Ein weiterer Teil Normalität war auf der ALAMO eingekehrt. Der Hauptschirm arbeitete, auch wenn die obere rechte Ecke der Anzeige schwarz blieb und der Rest gelegentlich von Störstreifen und einem leichten Rauschen beeinträchtigt wurde. Sarah Mintal und Thania Walker standen gemeinsam an der OPS und blickten auf die Anzeige die das Diagnoseprogramm lieferte. Sie blickten kurz auf, und Kuehn sagte schnell: „Weitermachen. Wie sieht es aus?“ „Nach den Diagnosedaten sollte sich das Schiff steuern lassen, Commander“, antwortete Thania Walker. Haben Sie Einwände gegen einen Versuch?“ „Nein, ganz bestimmt nicht, Thania. Versuchen wir es.“ Thania Walker nahm an der CONN Platz, während Anaree Scrillian bereits an der NAV saß. Valand Kuehn blieb vor dem Sessel des Captains stehen, setzte sich jedoch nicht hinein, sondern blieb hinter den beiden Frauen stehen. Dabei wandte er sich kurz zu Sarah Mintal um und meinte: „Bitte kontrollieren Sie die eingehenden Leistungsdaten.“ „Aye, Sir.“ Er wandte sich wieder nach vorne, trat einen Schritt näher und meinte dann: Jetzt gilt es, meine Damen. Fangen Sie mit einigen leichten Kurskorrekturen an, Thania. Bitte nichts Drastisches.“ „Verstanden, Sir.“ Die junge Frau ließ ihre Finger über die Sensorfelder der Steuerkonsole gleiten. Zuerst schien nichts zu passieren, doch dann glitten die Sterne auf dem Hauptschirm leicht nach rechts, dann wieder leicht nach links. Unwillkürlich wappnete sich Kuehn dagegen, dass die Trägheitsdämpfer versagen könnten, doch nichts dergleichen passierte. „Sie fliegt wie ein nasser Schwamm, Commander“, erklärte Thania Walker, ohne den Blick von den Kontrollen zu nehmen. „Aber sie lässt sich steuern.“ „Das ist ein Anfang“, erklärte Kuehn zufrieden. Er blickte zu der Rigelianerin. „Lässt sich ein Kurs bestimmen der uns in Föderationsraum bringt, Anaree?“ „Leider nur grob und sehr ungenau“, seufzte die Rigelianerin. Die Astrometrik wurde komplett zerstört, wie Sie wissen, und der Computerkern wurde stark beschädigt. Wir fliegen quasi nur anhand einer ungefähren Positionsbestimmung.“ „Das bedeutet wir könnten Sonstwo landen?“ „Es ist nicht ganz so schlimm. Aber wir könnten dem Romulanischen Raum gefährlich nahe kommen, oder sogar unabsichtlich in die Neutrale Zone eindringen. Aber das wäre erst aktuell, sobald wir wieder mit Warp unterwegs sind.“ Kuehn nickte. „Dann kümmern wir uns später um dieses Problem. Jetzt werden wir den Petty-Officers Yr Drenkan und McCrea Bescheid geben, dass ihre Schicht auf der Brücke beginnt. Sylvie, du hast das Kommando. Miranea wird Dich um 22:00 Uhr ablösen. Bitte gib ihr Bescheid, dass sie mit ihrem Shuttle reinkommen kann.“ Sylvie nickte knapp. Sie hatten bereits vor einiger Zeit drei neue Brückencrews, aus jeweils fünf Crewmitgliedern, gebildet. Da sie auf die Wissenschaftliche Station verzichten konnten, und das zuständige Crewmitglied für die OPS auch notfalls die TAC übernehmen würde reichte das vollkommen aus. Sylvie übernahm das und als die beiden Petty-Officers auf der Brücke erschienen, betraten Valand Kuehn und Sarah Mintal die Kabine des Turbolifts. Nachdem sich das Kabinenschott geschlossen hatte, sagte Valand Kuehn: „Deck-9.“ Danach wandte er sich an die junge Technikerin und meinte: „Das war sehr gute Arbeit, Miss Mintal. Diese Crew gehört wirklich zu den besten.“ Sarah Mintal freute sich über das Lob. „Danke, Commander. Ich werde Ihr Lob an das gesamte Team weitergeben.“ Sie blickte Kuehn forschend an und fragte dann: „Darf ich offen sprechen, Sir?“ Ein etwas verwunderter Zug lag auf dem Gesicht, des Norwegers, als er antwortete: „Ich bitte darum.“ Die Frau zögerte etwas, bevor sie entschlossen sagte: „Sir, Sie sehen erschöpft aus. Sie haben durch Ihren Einsatz nicht nur das Schiff sondern auch dessen Crew zusammengehalten. Aber es bringt nichts, wenn sie zusammenbrechen, Commander. Wir alle brauchen Sie, und wir möchten nicht auf Sie verzichten müssen.“ Zuerst hatte Kuehn eine Erwiderung auf der Zunge gehabt. Aber er schluckte sie, als er sich in Erinnerung rief, was Sylvie ihm vorhin gesagt hatte. „Vielleicht haben Sie Recht, Miss Mintal. Ich denke, ich sollte Ihren Rat beherzigen.“ Er verließ den Lift auf Deck-9 und schritt in Richtung des Hangars. Auf dem äußeren Radialgang traf er auf Miranea Kerath, die bereits wieder gelandet war. Die Izarianerin lächelte, als sie ihn erkannte. Er hatte sich in den letzten acht Monaten geradezu rührend um sie gekümmert, so wie er es versprochen hatte, und er hatte sie langsam aber kontinuierlich wieder seelisch aufgebaut, was ihre ohnehin bereits gute platonische Freundschaft zusätzlich gefestigt hatte. Sie begrüßten einander in dem menschenleeren Gang und die blonde Frau erkundigte sich launig: „Kommst du etwa um mich abzuholen?“ Valand Kuehn ging auf ihren Plauderton ein und erwiderte: „Unter anderem. Eigentlich wollte ich dir mitteilen, dass ich Dich, jetzt da die Shuttleflüge vor dem Schiff nicht mehr nötig sind, für die Brückencrew der dritten Schicht benötige. Offiziell bleibst du der Chief, auch wenn Chirome den Laden gut im Griff hat.“ Gemeinsam schritten sie durch den Gang, zurück zum Turbolift, und der Norweger erklärte: „Wir werden es zunächst bei einer reinen Acht-Stunden-Rotation der Schichten belassen; auch in den anderen Abteilungen des Schiffes. Die Crew hat sich etwas Ruhe redlich verdient. In zwei Wochen gehen kehren wir dann zu der gewohnten Zehn-Stunden-Rotation zurück. Wir müssen auch den Warpkern irgendwann wieder flott bekommen.“ „Ich denke, das ist eine gute Maßnahme“, stimmte Miranea zu. „Hauptsache du selbst hältst Dich ebenfalls daran.“ Valand grinste schwach. „Jetzt fang´ du nicht auch noch so an. Ich werde etwas kürzer treten, zufrieden?“ Miranea nickte, so als wollte sie sagen: Dein gereizter Tonfall spricht für sich. Dann erklärte sie ernst: „Ist dir mal aufgefallen, dass du, in der letzten Zeit anders bist, als du es in den letzten Monaten warst? Du bist so...“ Miranea Kerath suchte nach dem passenden Wort und Valand half ihr aus, indem er sich erkundigte: „Du meinst, ich nörgele herum?“ Die Izarianerin nickte zustimmend. „Ja, das trifft die Situation sehr gut. Schön, dass du es selbst erkannt hast.“ „Habe ich gar nicht. Sylvie hat mir das vorhin verbal um die Ohren gehauen. Gib es zu, ihr habt euch hinter meinem Rücken verschworen.“ Miranea lächelte angedeutet. „Verfolgungswahn ist ein weiteres Anzeichen.“ Valand musste gegen seinen Willen lächeln und kapitulierend erklärte er dann: „Okay, ihr habt gewonnen. Ich werde mein Quartier aufsuchen, und einmal richtig ausschlafen, bis morgen. Dir empfehle ich übrigens auch, dich etwas hinzulegen, denn ab 22:00 Uhr hast du auf der Brücke das Kommando über das Schiff.“ „Wir wollen nur Dein Bestes, Valand“, antwortete die Izarianerin sanft und legte ihre Hand auf den Unterarm des Freundes. Gemeinsam fuhren sie mit dem Turbolift zu Deck-4 hinauf und trennten sich dort. Erst als Valand Kuehn sein Quartier betreten hatte, spürte er die Verspannung seiner Rückenmuskulatur und auch die seelische Müdigkeit. Ja er war dringend Erholungsbedürftig. Nach einer belebenden heißen Dusche beschloss erst einmal etwas zu essen. Er hatte gerade eben den Tisch abgeräumt und das Geschirr in den Replikator gegeben, als jemand den Kontaktgeber betätigte.“ „Herein!“, rief er durch das geschlossene Schott nach draußen. Im nächsten Moment öffnete sich das Schott und Melanie steckte ihren Kopf durch die Öffnung. „Hast du Zeit für mich, oder komme ich ungelegen?“ Valand deutete zur Couch hinüber. „Natürlich habe ich Zeit für Dich. Komm doch herein. Was hast du denn da in dem schmalen Karton?“ Melanie drehte die Verpackung so, dass Valand die Aufschrift lesen konnte. „Wow, Tequila? Wo kommt der Alkohol denn her?“ „Das ist kein Alkohol, das ist Medizin“, behauptete die Krankenschwester überzeugend. Und zwar Medizin für Dich, denn du bist weit über deine Grenzen gegangen, in den letzten Monaten. Und nun wird es Zeit, dass du mal all das etwas vergisst. Diese Medizin wird dir dabei helfen, denke ich.“ „Ich werde diese Medizin aber nicht allein einnehmen“, entschied der Norweger und begab sich zum Replikator um Gläser, Zitronen und Salz zu replizieren. Während er mit den Sachen zur Couch kam und das Tablett auf den niedrigen Tisch stellte, fragte er neugierig: „Woher kommt diese Flasche überhaupt? Ich hätte nicht gedacht, dass so etwas die Katastrophe überhaupt überlebt hat.“ „Erinnerst du Dich daran, als wir mach persönlichen Sachen der Toten, für die Hinterbliebenen, gesucht haben? Ich fand diese Flasche unter den Hinterlassenschaften von Alloran. Wie durch ein Wunder hat sie das Chaos in seinem Quartier überstanden.“ Valand schüttelte den Kopf. „Kaum zu fassen. Der Doktor scheint den guten Tropfen für besondere Momente aufgehoben zu haben.“ Melanie nickte mit einem melancholischen Blick. Dann meinte sie: „Komm, setze Dich zu mir her und reiche mir mal die Gläser.“ Der Norweger nahm neben Melanie auf der Couch Platz und schob ihr die Gläser zu. Er beobachtete die Frau dabei, wie sie die beiden, nicht gerade kleinen, Gläser zwei Fingerbreit füllte und schob eines davon zu ihm hinüber. Valand leckte sich über den Handrücken, streute Salz darauf und meinte trocken: „Das werden wir morgen bestimmt bedauern.“ Damit prostete er der blonden Frau zu, leckte das Salz ab, stürzte den Tequila herunter und biss dann in eines der Zitronenstücke, wobei sich sein Gesicht nicht allein deswegen verzog. Melanie Gerlach erging es kaum besser, und sie blickte Valand mit einer Miene an, die ihn zum Lachen reizte. „Das Zeug schmeckt gemein“, beschwerte sie sich heiser. „Ich frage mich nur, warum es immer wieder Leute gibt, die es scheinbar mit Genuss trinken.“ „Geht runter wie eine Bleiente.“ meinte Valand und übernahm es, die Gläser ein zweites Mal zu füllen. „Aber auf einem Bein kann man nicht stehen, heißt es.“ Erneut prosteten sich beide zu und stürzten den Inhalt ihrer Gläser hinunter. Da sie beide kaum Alkohol gewohnt waren wirkte er entsprechend schnell. Dabei breitete sich eine angenehme Wärme in ihnen aus. Nach zwei weiteren Gläsern spürten sie beide eine Leichtigkeit, die sie schon lange vermisst hatten. Schließlich war es Melanie, die Valand ansah und mit schwerer Zunge meinte: „Weißt du, warum ich diese Fünf-Jahres-Mission überhaupt mitgemacht habe? Meine Ehe mit Mark hatte bereits beim Aufbruch zu dieser Mission unter der permanenten Fernbeziehung gelitten. Aber irgendwie habe ich nicht eingesehen, dass ich es sein soll, die auf ihre Karriere verzichtet. Mark hat es zwar nie gesagt, aber irgendwie schien er genau das von mir zu erwarten. Eigentlich war mein an Bord bleiben so etwas wie eine Trotzreaktion. Ein Zeichen, dass ich nicht auf meine Karriere in der Sternenflotte verzichten möchte.“ „Warum hast du nicht mit ihm darüber gesprochen?“ Melanie lächelte schwach. „Gute Frage - nächste Frage. Ich weiß es nicht.“ „Vielleicht solltest du mit Mark darüber reden, sobald wir wieder zu Hause sind, wann immer das auch sein mag.“ „Lass uns bitte von etwas anderem reden, okay“, erwiderte Melanie etwas gereizt, und Valand hob beschwichtigend die Hände. Im nächsten Moment taten ihr diese Worte schon wieder leid, doch sie sagte nichts und griff schnell zu der Tequila-Flasche. Sie tranken zwei weitere Tequilas, wobei beide immer großzügiger eingossen und sie mittlerweile das Salz und die Zitronen wegließen. In der Flasche befand sich inzwischen nur noch ein kümmerlicher Rest. Als Valand Kuehn das Glas hart auf den Tisch stellte, verzog er schmerzhaft das Gesicht, und erklärte, als Melanie ihn, mit unstetem Blick, fragend ansah: „Mein Rücken bringt mich um. Ich habe mir scheinbar einige Verspannungen eingefangen, in der letzten Zeit.“ „Dreh dich mal um und lass mich fühlen“, meinte die Krankenschwester mit bereits merklich wankender Stimme. Nachdem Valand sich herumgedreht hatte, tasteten ihre Finger seinen Rücken ab und sie sagte dann kichernd: „Du mutest deinem Adoniskörper zu viel zu und dir fehlt eine ordentliche Massage, mein Bester. Komm, ab aufs Bett, dann nehme ich das mal in die Hand.“ Ohne sich um die schwachen Proteste des Mannes zu kümmern zog Melanie ihn an der Hand von der Couch und beide schwankten zum Schlafraum hinüber. Dort öffnete Valand Kuehn seine Uniform und machte seinen Oberkörper bis zu den Hüften frei. Er zog seine Schuhe aus und legte sich dann ächzend auf das breite Lager, wobei er die Hände über den Kopf legte. „Dreht sich bei dir auch alles? Mir ist, als würde ich Karussell fahren.“ Ein leises Kichern war die Antwort. Dann flüsterte Melanie: „Es geht noch. Mir scheint, du verträgst noch weniger als ich.“ Ein nach Widerspruch klingendes Brummen war die Antwort. Gleich darauf spürte der Norweger die warmen Hände der Frau auf seinem Rücken und er schloss genießerisch die Augen, während sie damit begann, seine verspannten Stellen am Rücken sanft zu massieren. Dabei gab er ab und zu einige wohlige Geräusche von sich. Melanie Gerlach, die so etwas seit langer Zeit nicht mehr gemacht hatte, schon gar nicht für jemanden, den sie sehr mochte, spürte, wie ihre Hände zu zittern begannen. Valands festen Körper zu berühren, und die harten Muskeln unter ihren Fingern zu spüren weckten ein Verlangen in ihr, dass sie schon zu lange nicht mehr verspürt hatte. Und nun brach es wie eine heiße Welle über sie herein. Ohne darüber nachzudenken beugte sie sich immer näher zu ihm hinunter. Für einen Moment klang eine leise warnende Stimme in ihr auf, doch sie ignorierte sie. Im nächsten Moment lagen ihre Lippen auf seinem Hals und sie gab ihm einen sanften Kuss. Valand schien nichts davon bemerkt zu haben, denn er regte sich kaum. Etwas enttäuscht richtete sie sich wieder auf und fuhr fort, Valands Rücken zu massieren. „Schließlich fragte Valand doch noch: „Was hast du da eben gemacht?“ „Nichts“, kicherte die Frau und ließ wieder ihre Hände weiter über seinen Rücken gleiten, wobei sie immer tiefer dabei wanderten. Schließlich überwand sie ihre Hemmungen und streifte die Uniformkombination an seinen Beinen hinunter und zog sie ihm aus. Seine Socken folgten gleich darauf, und Valand meinte scherzhaft: „He, das kitzelt.“ „Stell Dich nicht so an“, antwortete Melanie mit gespielt strenger Stimme, und beide lachten. Dann schlüpfte sie selbst schnell aus ihrer Uniform. Nur noch mit einem Slip bekleidet legte sie sich neben Valand auf das Bett. „Jetzt bin ich auch dran.“ „Wie?“ „Na, glaubst du, ich sorge für dein Wohlbefinden und gehe selbst mit verspanntem Rücken heim? Da hast du falsch gedacht.“ Valand gab eine gemurmelte Antwort, die selbst ein Fremdrassen-Linguist nicht hätte verstehen können und kniete sich neben die schlanke Frau. Für einen Moment spürte er eine Sperre, Melanies nackten Oberkörper zu berühren. Doch dann legte er seine Hände auf ihren warmen Körper und begann sanft ihre Schultern zu massieren. Die Frau legte ihren Kopf auf die Seite und schloss genießerisch die Augen. Schließlich flüsterte sie leise: „Tiefer, Valand.“ Der Norweger bewegte seine Hände langsam ihren Rücken hinab. Die leisen Seufzer von Melanie und die zärtlichen Berührungen ließen ihn ein merkwürdiges Kribbeln auf der Haut spüren. Er versuchte nicht darauf zu achten und bewegte seine Hände wieder ihren Rücken hinauf. Nach einer Weile sagte Melanie gähnend. „Ich schlafe gleich. Wenn ich daran denke, dass ich heute nochmal wieder aufstehen muss wird mir ganz anders. Ich glaube das schaffe ich in meinem Zustand gar nicht mehr.“ „Bleib doch liegen“, bot Valand ihr spontan an. „Das Bett ist breit genug und die Decke recht ebenfalls für uns beide.“ Lachend fügte er hinzu: „Falls es dir in einem fremden Bett nicht unheimlich ist.“ „Da werde ich nicht nein sagen“, gurrte Melanie und räkelte sich wohlig. „Frauen und Alkohol“, grinste Valand und warf die Bettdecke über Melanie. „Davor hat mich mein Vater immer gewarnt.“ Gleich darauf schlüpfte er ebenfalls unter die leichte, atmungsaktive Decke und löschte das Licht. Melanie beobachtete, wie es sich Valand auf dem Rücken bequem machte, und die Augen schloss. Sie lag auf der Seite und beobachtete sein gut aussehendes Gesicht. Nach einer Weile rückte sie zu ihm heran und legte unter der Decke einen Arm über seine Brust. Dabei flüsterte sie in sein Ohr: „Bitte nimm mich in deine Arme. Ich brauche jetzt etwas menschliche Nähe, Valand.“ Ohne groß darüber nachzudenken, was gerade passierte, schob Valand Kuehn seinen rechten Arm unter Melanies Körper und legte den anderen auf ihre Hüfte. Melanie ihrerseits bettete ihren Kopf auf seine Schulter. Unwillkürlich schlang sie dabei ihre Arme um ihn. Ihr Herz klopfte wie verrückt, und schließlich hob sie ihren Kopf und küsste ihn sanft auf die Wange, dann wanderten ihre Lippen zu seinen. Der Norweger öffnete ohne zu überlegen seinen Mund und sanft küssten sie sich, wobei ihm schmerzlich bewusst wurde, wie lange er nun dieses schöne Gefühl entbehrt hatte. Er spürte kaum, wie die Frau zuerst seinen, dann ihren Slip auszog. Splitternackt lagen sie an einander geschmiegt unter der Decke, küssten und streichelten sich, und alles andere blendeten sie einfach aus.   * * *   Früh am Morgen, nach Bordzeit, erwachte Melanie Gerlach. Splitternackt an Valand gedrängt, den Kopf auf seine Schulter gebettet, hatte sie einen Arm über den Mann gelegt, der noch tief schlief. Noch im Halbschlaf erinnerte sie sich daran wie wunderbar sanft Mark in sie eingedrungen war und sie ganz zärtlich und liebevoll geliebt hatte. Sie erwachte nur langsam, und sie fühlte sich furchtbar. Dann kam sie endgültig zu sich, und erschrak, als ihr bewusst wurde wo sie war – und bei wem. Sie hatte mit Valand geschlafen, nicht mit Mark! An dieser Stelle ihrer Überlegungen angekommen zog sie sich vorsichtig von Valand zurück, ohne ihn zu wecken, und stieg leise aus dem Bett. Dabei durchzuckte es sie: Oh mein Gott, was haben wir getan. Nein, was habe ICH getan... Sie suchte fieberhaft ihre Sachen zusammen und auf leisen Sohlen schlich sie aus dem Schlafraum. Im Wohnraum kleidete sie sich hastig an und verließ fast fluchtartig danach sein Quartier, wobei sie froh war, dass ihr niemand auf dem Gang begegnete. Ein elendes Gefühl breitete sich in ihr aus, woran der übermäßig genossene Alkohol nur zum Teil Schuld war. Als sie ihr Quartier erreichte hatte sich ihre Übelkeit so sehr verstärkt, dass sie würgen musste, und sie schaffte es gerade noch ins Bad, bevor sie sich übergab. Zu dem körperlichen Elend kam nun noch das emotionale. Sie nannte sich selbst in Gedanken ein billiges Flittchen weil sie Mark betrogen, und sich Valand an den Hals geworfen, hatte. Schluchzend kniete sie vor der Toilette am Boden und zermarterte sich den Kopf wie es so weit hatte kommen können. Sie mochte Valand und er war ihr in den letzten Jahren ein sehr guter Freund geworden, doch sie liebte Mark, dessen war sie sicher. Es war einfach über sie gekommen, als sie dem Norweger plötzlich so erregend nahe gewesen war. Alles das, was sie so lange vermisst hatte, war plötzlich zum Greifen nahe gewesen. Und sie hatte einfach zugegriffen, ohne zu überlegen, wobei der Alkohol einen nicht unerheblichen Einfluss gehabt hatte. Doch das wollte Melanie nicht allein als Entschuldigung gelten lassen. Sie überlegte, wie sie Valand je wieder unter die Augen treten sollte. Für einen Moment gab sie sich der trügerischen Illusion hin, dass Valand vielleicht gar keine Erinnerung an das haben könnte, was in der vergangenen Nacht passiert war. Doch dann schalt sie sich eine Närrin. Wenn sie sich erinnerte, dann würde auch er sich erinnern. An diesem Punkt ihrer Überlegungen wurde Melanie Gerlach noch übler, da sie befürchtete, dass er sie zukünftig verachten würde, weil sie ihn verführt hatte. Auch die leise Stimme der Vernunft, die ihr sagte, dass zum Verführen immer zwei gehörten, konnte sie kaum trösten. Sie blickte zum Wandchronographen und stellte fest, dass es erst 04:32 Uhr in der Früh war. Sie beschloss, ein Mittel gegen ihre Übelkeit einzunehmen, und dann ein leichtes Frühstück zu sich zu nehmen. Doch zuerst einmal benötigte sie dringend eine Dusche. Als einige Minuten später das heiße Wasser über ihren Körper lief, und sie wieder etwas munterer werden ließ, kam ihr plötzlich ein fürchterlicher Gedanke. Sie hatte schon seit Beginn der Mission nicht mehr verhütet, was auch nicht verwunderlich war, denn sie war nicht darauf eingerichtet, während der Mission mit anderen Männern Sex zu haben. Wenn sie nun schwanger geworden sein sollte, dann würde bald die gesamte Crew erfahren, was für ein loses Weib sie war. Sie schlug die Hände vor das Gesicht und flüsterte: „Oh Gott, nein...“   * * *   Weniger als dreißig Meter entfernt erwachte Valand Kuehn, als der durchdringende Summton des Weckalarms in seinem Schlafzimmer aufklang. Unwillig brummte Valand Kuehn und sagte: „Computer: Alarm aus.“ Der Ton verstummte und Valand spürte förmlich, wie seine brachliegenden Synapsen wieder begannen zu feuern. Zuerst wollte er seine Augen wieder schließen, weil ihm sterbenselend zumute war, doch dann öffnete er entschlossen die Augen und blickte in die Finsternis. Gleich darauf stürmte die Erinnerung an die vergangene Nacht auf ihn ein, und seine Hände tasteten zu beiden Seiten, doch Melanie war bereits fort. Er presste seine Hände gegen die Stirn, als die Erkenntnis, was er und Melanie getan hatten, voll in sein Bewusstsein gedrungen war, und wütend auf sich selbst ächzte er: „Verdammt, Valand, du blöder Hund. Auf was hast du Dich denn da eingelassen?“ Ganz allmählich sickerten die Einzelheiten der vergangenen Nacht in seine Erinnerung und ein Gefühl der Scham erfüllte ihn. Er hatte niemanden betrogen, doch er fühlte sich wie ein Ehebrecher. Vielleicht deshalb, weil er zugelassen hatte, dass Melanie ihren Mann betrog. Und zwar mit ihm. Das hätte niemals passieren dürfen. Er konnte sich ungefähr ausmalen, wie sich Melanie fühlte, denn sie hätte sich wohl kaum klammheimlich aus dem Staub gemacht, wenn sie nicht ähnlich über das denken würde, was geschehen war, wie er selbst. Verdammt, wie werden wir jetzt damit umgehen. Dieser Gedanke quälte Valand, während er ächzend aufstand, denn er hatte Melanie wirklich sehr gern. Oder war es doch mehr als das? Diese Frage verwirrte ihn zunächst und seine Gedanken begannen sich im Kreis zu drehen. Schließlich versuchte er sich wieder zu beruhigen, und zu einer klaren Denkweise zurück zu finden, während er ins Bad schlurfte, um erst einmal zu duschen. Das heiße Wasser weckte seine Lebensgeister und er stellte sich erneut die Frage, ob da nicht doch mehr war, als nur Freundschaft für Melanie. Kritisch horchte er in sich hinein, während er duschte doch da war nichts, außer einem Gefühl von Freundschaft. Er liebte Melanie nicht, so viel stand fest. Aber warum hatte er mit ihr geschlafen? Das war das erste und letzte Mal, dass ich Tequila getrunken habe, schwor er sich in diesem Moment, wütend auf sich selbst. Er hätte das verhindern müssen. Aber dieses Gefühl aufrichtiger Zuneigung und menschlicher Nähe war zu schön gewesen, im Moment – zu verlockend, als dass er ihm hätte widerstehen können. Du bist der Kommandant dieses Schiffes, zürnte er auf sich selbst. Wenn du kein Vorbild bist, wer soll es denn dann sein? Valand Kuehn lachte verzweifelt unter der Dusche auf und ballte seine Hände zu Fäusten. Was war ein Vorbild? Ein lächerliches Zerrbild, wenn es Valand Kuehn hieß!   * * *   In den nächsten Tagen lag eine spürbare Spannung in der Luft. Selbst die unteren Ränge der Crew spürten, das etwas los war, ohne sagen zu können was. Sylvie LeClerc, die momentan am engsten mit Valand Kuehn zusammenarbeitete fiel auf, dass der Norweger von einer gewisse Gereiztheit umgeben war, etwas, das sie an ihm bislang so gut wie nie festgestellt hatte. Dieselben Symptome, wenn auch etwas abgeschwächt waren ihr an Melanie Gerlach aufgefallen, als sie diese am Vormittag in der Krankenstation aufgesucht hatte, mit der Bitte, sich vielleicht einmal mit Valand zusammenzusetzen. Als sie Kuehn nach ihrer Schicht, kurz nach 22:00 Uhr abends aufsuchte, machte er einen etwas mürrischen Eindruck, und sie sagte schnell: „Wenn du nicht in der Stimmung für Gesellschaft bist, dann gehe ich wieder.“ Er lächelte entschuldigend. „Tut mir leid, Sylvie. Ich fürchte, dass ich mich in der letzten Zeit nicht gerade vorbildlich benommen habe.“ „Gelinde gesagt“, hakte die Französin ein und setzte sich in einen der Sessel, während Valand auf der Couch Platz nahm. „Was ist denn los? Du bist gereizt, Melanie ist gereizt... Moment, habt ihr mit einander gestritten?“ Für einen Moment blickte er Sylvie unwillig an, bevor er erwiderte: „Nein, wir hatten keinen Streit mit einander.“ „Aber irgend etwas ist doch“, beharrte Sylvie, und Valand wünschte sich, sie würde nicht weiter fragen. „Ihr scheint euch in den letzten Tagen förmlich aus dem Weg zu gehen.“ Beinahe verzweifelt blickte Valand Kuehn sie an und beschloss, nach einem langen Moment, ihr reinen Wein einzuschenken. Er berichtete stockend was sich vor einigen Tagen in seinem Quartier ereignet hatte. Nachdem er geendet hatte, blickte Sylvie LeClerc ihn ungläubig an. Dann überzog eine leichte Zornesröte ihre Wangen und sie schoss förmlich aus dem Sessel hoch. Wie ein Racheengel stand sie vor Valand und blickte auf ihn herunter. „Ihr habt was getan?!“ Auch Valand erhob sich, bei der heftigen Reaktion der Französin, wobei ein schmerzlicher Zug auf seinem Gesicht lag. „Hör zu, ich bedauere, dass das passiert ist, und ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Was ich jetzt als Letztes gebrauchen kann ist, dass du deswegen sauer auf uns bist. Ich weiß, dass ich mit Melanie irgendwann darüber reden muss, und zwar bald. Aber ich zerbreche mir momentan den Kopf, wie.“ „Wenn du mit ihr schlafen konntest, dann sollte das auch machbar sein!“, fuhr ihn Sylvie mit zornfunkelnden Augen an, und in diesem Moment erinnerte sie ihn an Ahy´Vilara. Valand Kuehn machte einen Schritt auf die Französin zu, wobei er sie inständig ansah. „Ich weiß, dass ich es hätte verhindern müssen. Ich liebe Melanie nicht, und ich wollte ganz bestimmt niemanden damit verletzen, Sylvie. Vielleicht werde ich dafür irgendwann in der Hölle schmoren, und es wäre vermutlich nicht einmal unverdient. Im Moment möchte ich nur einen Weg finden, wie ich diese Sache mit Melanie klären kann, ohne ihre Freundschaft dabei zu verlieren.“ Sylvie erkannte in seinem Blick, dass er seine Worte so meinte, wie er sie gesagt hatte, und ihr Zorn auf ihn legte sich etwas. Sie hatte Melanie nie als Konkurrentin angesehen, darum hatten sie Valands Worte vielleicht um so mehr getroffen. Sie fühlte sich betrogen, aber sie wusste auch, dass sie dazu keinen Grund hatte, denn Valand und sie unterhielten keine Beziehung mit einander, auch wenn sie sich nichts sehnlicher wünschte. An diesem Punkt ihrer Überlegungen angekommen, schluckte sie ihren Zorn und sagte, wenn auch spürbar enttäuscht: „Du solltest bald mit ihr reden, denn je länger du zögerst, desto schwieriger wird es werden. Sie lächelte schmerzlich und fügte hinzu: „Du bist nicht nur ein Brummbär, sondern auch ein Dummbär, wie es scheint.“ „Ja, vermutlich“, stimmte Valand Kuehn geknickt zu. Dann straffte er sich und erklärte: „Ich werde gleich morgen Nachmittag mit ihr reden, Sylvie.“ Er kam noch etwas näher und nahm ihre Hände in seine. „Sind wir noch Freunde?“ Bei seinem Blick wäre sie ihm am liebsten um den Hals gefallen. Doch sie erkannte darin auch, dass er genau das nun am allerwenigsten ertragen hätte, deshalb entzog sie ihm zögerlich ihre Hände und gab ihm statt dessen einen kameradschaftlichen Hieb vor die Brust. „Nur, wenn du dir solche Dinger nicht noch öfter leistest, Mon Ami.“ Valand lächelte erleichtert. „Bestimmt nicht.“   * * *   Am nächsten Tag verlief der Morgendienst auf der Brücke so entspannt, dass sich die Brückencrew insgeheim fragte, was nun wieder los war. Im Gegensatz zu den letzten Tagen wirkte der Commander wieder etwas lockerer und die Stimmung war spürbar besser, als noch am gestrigen Tag. Jedoch wagte keiner, sich in die privaten Angelegenheiten Kuehns einzumischen. Alle wussten, dass er seine Frau verloren hatte, da wurde man vielleicht hin und wieder mal etwas komisch. Noch immer flog man nach Schätzwerten und die Crew konnte nur hoffen, dass man einen ungefähr richtigen Kurs eingeschlagen hatte. Leider war der Subraumfunk der ALAMO irreparabel so dass man nicht die Option hatte zu versuchen, mit anderen Schiffen oder Stützpunkten Verbindung herzustellen. Die Aggregate der Shuttles besaßen eine zu geringe Reichweite, fielen also ebenfalls aus. Kuehn verwünschte die Tatsache, dass man in diese Kleinraumschiffe nur recht schwache Warpaggregate eingebaut hatte. Sonst wäre es möglich gewesen eines von ihnen voraus zu schicken, um Hilfe zu holen. In Gedanken machte er einen Vermerk dem Sternenflottenkommando einen solchen Vorschlag für zukünftige Shuttle-Klassen zu unterbreiten. Er schüttelte in Gedanken den Kopf, weil er nach wie vor unerschütterlich an eine Rückkehr glaubte. Aber was sollten er und die Crew sonst machen, ohne wahnsinnig zu werden vor Verzweiflung? Je näher das Ende seiner Schicht rückte desto unruhiger wurde Valand Kuehn innerlich und er drehte eine Runde auf der Brücke, sprach mit den Leuten und lenkte sich auf diese Weise soweit ab, dass seine Gedanken nicht permanent um Melanie Gerlach kreisten. Beinahe verwundert blickte er auf, als Sylvie ihn heute bereits eine halbe Stunde vor der Zeit ablöste. Viel zu besprechen gab es nicht, und so ahnte er, was der Beweggrund dafür war. Er schnitt eine Grimasse, als sie ihm keck zuzwinkerte und marschierte dann entschlossen zum Turbolift. Unangenehme Dinge aufzuschieben brachte nichts, und so machte er sich auf den direkten Weg zur Krankenstation, auf der er Melanie noch antreffen würde. Als er die Krankenstation betrat war dort nichts los. Einer der Hilfssanitäter räumte im hinteren Bereich Medikamente neu ein, während Melanie Gerlach in dem abgeteilten Büro des CMO saß und einige Krankenakten studierte. Als sie Valand Kuehn erkannte stand sie auf und kam zu ihm heraus. „Kommst du dienstlich, oder als Patient?“, fragte sie distanziert, was einem Gefühl der Unsicherheit entsprang. Valand, der mit einer ähnlichen Reaktion gerechnet hatte, wandte sich zu dem Sanitäter und wies ihn an: „Bitte lassen sie Lieutenant-Commander Gerlach und mich allein, ich habe etwas persönliches mit Miss Gerlach zu besprechen.“ Der Sanitäter bestätigte und verließ schnell die Krankenstation. Nachdem er gegangen war, blickte er Melanie eindringlich an und sagte sanft: „Du wirst ahnen, warum ich gekommen bin. Wir müssen reden, über das, was geschehen ist.“ Melanie funkelte ihn unwillig an. „Wenn du gekommen bist, um mir Vorwürfe zu machen, dann...“ „Nein, Melanie!“, unterbrach Kuehn sie schnell. „Ganz bestimmt nicht. Aber ich möchte nicht, dass das was war nun ewig zwischen uns steht. Ich bin es, der nicht hätte zulassen dürfen, dass es soweit kommt. Ich weiß, dass du nicht mich liebst – und ich liebe Dich auch nicht. Nicht so zumindest...“ Die Leitende Medizinerin schluckte. Für einen Moment war sie nicht in der Lage etwas zu sagen. Erst nach einer Weile fragte sie leise: „Wie denn dann, Valand?“ „Wie eine Schwester – oder eine sehr gute Freundin. Und ich denke du fühlst ganz ähnlich. Aber wir beide waren an diesem Abend nicht nur sturzbetrunken, sondern wir fühlten uns auch allein und verlassen. Sonst wäre das bestimmt niemals passiert. Es war dumm, aber es war auch menschlich.“ Melanie Gerlach nickte und Tränen rannen über ihre Wangen. „Ich liebe meine Familie, und ich schäme mich so, für das, was ich getan habe.“ Valand trat dicht an sie heran, traute sich jedoch nicht sie in die Arme zu nehmen, so wie er es sicherlich früher gemacht hätte. Melanie nahm ihm diese Entscheidung ab, indem sie ihre Arme um ihn legte, und sich an ihn schmiegte. „Ich möchte, dass es wieder so ist wie es früher zwischen uns war“, schluchzte sie dabei. Der Norweger nahm sie, beinahe übervorsichtig, in die Arme und antwortete leise: „Ja, das möchte ich auch. Lass uns das was war ganz tief in uns vergraben, und nie wieder darüber sprechen. Das wird sicherlich anfangs schwer, aber wir werden es schaffen.“ Valand spürte, wie sie in seinen Armen nickte, während er sie einfach nur in den Armen hielt. Er war froh, als sie sich schließlich wieder fing. Traurig, aber auch mit spürbarer Erleichterung blickte sie Valand an. Ein ziemlicher Druck, der bislang auf ihrer Seele lag war nun nicht mehr vorhanden. Sie wischte die Tränen fort und lächelte, als sie die unausgesprochene Frage in Valands Augen erkannte. „Es hat keine Konsequenzen gehabt, Valand. Wenigstens das ist uns erspart geblieben.“ Die Erleichterung war dem Norweger deutlich anzumerken. Er ging nicht weiter darauf ein, sondern fragte statt dessen: „Was hältst du von der Idee, wenn wir mal wieder gemeinsam zu Abend essen? Wir könnten Sylvie und Miranea ebenfalls dazu einladen.“ „Und du wärst dann der Hahn im Korb, schon klar.“ Sie lachten sich an, und Melanie meinte schließlich: „Vielleicht nächste Woche?“ „Ja, klingt gut.“ Er atmete sichtlich erleichtert auf. „Ich wollte eine Runde durch das Schiff machen, und in den einzelnen Abteilungen nach dem Rechten sehen. Möchtest du mich nicht begleiten, oder hast du noch zu tun?“ Melanie Gerlach überlegte knapp. Dann entschied sie lächelnd: „Ich komme mit.“ Gemeinsam verließen sie die Krankenstation, und beide wirkten viel fröhlicher, als noch vor wenigen Stunden. Kapitel 11: Ein Aufwärtstrend ----------------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 41102.8   Heute, am 07.02.2364 ist der große Tag heran gekommen. Wir haben den Warpkern und alle Nebenaggregate, so gut wir es mit den beschränkten Bordmitteln eines halbwracken Schiffes vermochten, repariert, so dass wir uns daran machen können, einen Kaltstart zu wagen. Die letzten sieben Monate haben uns alle Mühe und Kraft gekostet, aber es hat sich am Ende ausgezahlt. Kontinuierlich hat sich der Zustand von Schiff und Besatzung verbessert. Lieutenant-Commander Melanie Gerlach hat nur noch wenige Patienten in der Woche, die wegen psychischer Probleme zu ihr kommen, und langsam stellt sich nun auch wieder seelische Normalität an Bord ein. Ich kann vermerken, dass der dienstliche Ablauf an Bord reibungslos funktioniert, da die Mannschaft zu einer verschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen ist. Jedermann an Bord ist davon überzeugt, dass wir heute Erfolg haben werden. Sollte dies tatsächlich zutreffen, so ist es sicherlich zum großen Teil das Verdienst von Lieutenant Chirome und seiner technischen Crew, die geradezu unglaubliches geleistet hat. Aber auch alle anderen Besatzungsmitglieder verdienen meine volle Anerkennung und meinen Dank für ihren hervorragenden Einsatz. In einer Stunde – etwa gegen 13:00 Uhr Bordzeit – werden wir erfahren, ob sich die Mühen der letzten Zeit auszahlen. Bereits jetzt spürt man die fiebrige Erwartung bei der gesamten Crew. Lieutenant Chirome ist zwar der festen Ansicht, dass das Schiff mit dem Provisorium, das wir zusammengebaut haben, wohl nicht einmal ganz Warp-6 erreichen wird, aber selbst mit einer Geschwindigkeit die knapp darunter liegt, wären wir, inklusive der Erholungsphasen für den Warpantrieb, in der Lage, die Föderation in einem Jahr, und das Sol-System in knapp drei Jahren zu erreichen. Sofern nicht unerwartete Ereignisse dazu führen, dass unser Flug länger dauert. Wir alle an Bord können nur hoffen.   * * *   Commander Valand Kuehn hatte den Kaltstart des Warpkerns bewusst in den Bereich kurz nach 13:00 Uhr Bordzeit gelegt, da in der Zeit von 13:00 bis 15:00 Uhr sowohl die erste Schicht, als auch die zweite Schicht Dienst tat, und die Stationen somit ohnehin doppelt besetzt waren. Auf diese Weise musste er die Leute nicht zusätzlich mehr belasten, als es ohnehin schon der Fall war. Seit geraumer Zeit schon war man wieder zum vertrauten Zehn-Stunden-Schichtsystem zurückgekehrt, wobei die Kernzeiten um 06:00, 14:00 und 22:00 Uhr Bordzeit begannen. Abgelöst wurde jeweils eine Stunde davor. Auf diese Weise kam es zu jeweils zwei Stunden, die sich die Dienstzeiten überlappten, was sich als äußerst effizient herausgestellt hatte. Nachdem Sylvie LeClerc ihn abgelöst hatte, machte sich Valand Kuehn umgehend auf den Weg in den Maschinenraum, um direkt vor Ort zu sein, wenn das Herz des Schiffes wieder anfangen sollte zu schlagen. Chirome, den er bereits im Vorfeld darüber informiert hatte, beim Start anwesend sein zu wollen, wartete bereits ungeduldig, als der Norweger zu ihm herein kam. „Wie ich sehe, sitzen Sie bereits auf glühenden Kohlen, Chirome. Nun denn, wenn Sie bereit sind, dann legen sie bitte los.“ Der Bolianer blickte den Commander fragend an, und Sarah Mintal übernahm es, ihm zu erklären, was es mit den glühenden Kohlen auf sich hatte. Schließlich grinste der Bolianer und meinte: „In Ordnung, Commander. Dann halten Sie sich jetzt gut fest.“ Kuehn beschloss den nicht ganz ernst gemeinten Rat des Bolianers dennoch zu befolgen und schritt zu Sarah Mintal an den Haupt-Schalttisch. Von dort aus konnte er nicht nur am besten überwachen, was der momentane Chefingenieur der ALAMO tat, sondern sich auch notfalls einen Halt verschaffen. Währenddessen stand Chirome an einer der beiden großen Seitenschalttafeln und aktivierte nacheinander die Nebenaggregate. Nachdem er sich gewissenhaft davon überzeugt hatte, dass alle Aggregate innerhalb normaler Parameter arbeiteten sagte er: „Achtung, Commander, ich nehme jetzt den Start des Warpkerns vor.“ Dabei blickte er zu Mark Langdon, der an der zweiten Schalttafel stand, bereit den Chief zu unterstützen. Wie bei dem ersten Versuch, vor über fünfzehn Monaten, wurde das Schiff von einem tiefen, langsam ansteigenden Brummen erfüllt, als Chirome und Mark Langdon den Startprozess initiierten. Dabei behielten sie permanent die Anzeigen der Seitenkonsolen im Auge. Doch nichts ungewöhnliches ereignete sich. Einige Minuten warteten sie ungeduldig, bis der Warpkern auf Temperatur war, bevor Chirome den Materie/Antimaterie-Fluss startete. Wie schon beim ersten Versuch glühte der Warpkern schwach auf und das Gerät gab ein dumpfes Pochen von sich. Das Pochen steigerte sich nach einigen Sekunden zum typisch rhythmischen Arbeitsgeräusch des Warpkerns, blieb jedoch im Vergleich zu dem gescheiterten Versuch diesmal konstant. Das Glühen der Reaktionskammerringe wurde intensiver und stabilisierte sich. Für einen Moment wurde es so still im Kontrollraum, dass man nur das gleichmäßige Arbeitsgeräusch hören konnte. Dann sagte der Bolianer lakonisch: „Es funktioniert.“ Im nächsten Moment sprachen alle Anwesenden gleichzeitig, jubelten, und schüttelten sich die Hände. Sarah Mintal umarmte Kuehn einfach, und errötete bis unter die Haarwurzeln, als ihr der Fauxpas bewusst wurde. Schnell gab sie ihn wieder frei. Valand Kuehn, der selbst den gleichen Enthusiasmus verspürte, und den emotionalen Ausbruch der Frau nur allzu gut verstand, lachte aufmunternd und meinte beruhigend: „Machen Sie sich deswegen keine Gedanken, Miss Mintal. Ich weiß, wie es gemeint war.“ „Danke, Commander.“ Kuehn nickte noch einmal und schritt hinüber zu Chirome, der noch immer nicht ganz zu glauben schien, dass der Warpkern problemlos arbeitete. Er beglückwünschte den Bolianer, und danach auch Mark Langdon und den Rest des Teams. Dann wandte er sich wieder zu dem Bolianer und erklärte. Bitte bleiben Sie wachsam, wir werden jetzt versuchen, das Schiff auf Warp zu beschleunigen. Erst wenn das ebenfalls funktioniert werden wir wirklich einen Grund zum feiern haben.“ Damit verließ Kuehn den Maschinenraum und bekam nicht mehr mit, wie Mark Langdon zu Sarah Mintal schritt und anzüglich meinte: „Ich hoffe doch, dass du nicht vorhast auf diese Weise Karriere zu machen. Was ist denn das für eine Art, sich einfach dem Commander an den Hals zu schmeißen?“ Damit ließ er die fassungslose Frau stehen und wandte sich amüsiert seiner Konsole zu. Valand Kuehn erreichte kurze Zeit darauf die Brücke. Sylvie LeClerc hatte an den Maschinenkontrollen die Fortschritte im Maschinenraum überwacht. So wussten die beiden Brückencrews von dem Erfolg und man blickte sich auch hier triumphierend an. Zielstrebig schritt Valand Kuehn, der von neuer Energie erfüllt zu sein schien, zum Sitz des Captains und nahm darin Platz. „Bitte alle auf ihre Stationen“, bat er nachsichtig. Die Crew beeilte sich, seiner Aufforderung Folge zu leisten. Als Sylvie an der noch immer defekten Wissenschaftsstation saß, blickte Kuehn nach vorne. CONN und NAV waren bereit. Die Steuerung des Schiffes hatte Thania Walker übernommen, da sie die erfahrenste Pilotin für Großraumschiffe war. „Dann wollen wir es wagen“, erklärte Kuehn mit fester Stimme. „Miss Walker, gehen sie zunächst auf Warp-1. Achtung – Beschleunigen.“ Die Pilotin reagierte sofort. Für einen Moment gewann Valand Kuehn, dass es nicht funktionierte, doch dann veränderte sich die Anzeige auf dem Hauptschirm, und die Sterne bildeten das altbekannte Streifenmuster, wie es für den Flug im Subraum üblich war. Kuehn spürte sein Herz vor Aufregung pochen, und in diesem Moment erkannte er, wie weit er noch davon entfernt war, ein so abgeklärter Offizier zu werden, wie es Captain Cianera Crel gewesen war. Dennoch nach Außen hin beinahe unnatürlich ruhig, sagte er: „Thania, steigern sie jetzt unsere Fahrtstufe langsam auf Warp-5. Sagen Sie laufend die vollen Warp-Faktoren dabei an.“ „Aye, Commander.“ Die gebürtige Kanadierin beschleunigte langsam und gleichmäßig, wobei sie in Abständen von einigen Sekunden durchgab: „Warp-2... Warp-3... Warp-4... Warp-5. Befohlene Fahrtstufe erreicht.“ Verhaltener Jubel erfüllte die Brücke, doch ein Blick von Sylvie LeClerc mahnte schnell wieder zur Ordnung, während Kuehn verstehend lächelte. Dann erklärte er: „Thania, weiter beschleunigen in Schritten von einem Zehntel Warp. Dabei laufend die Fahrtstufe ansagen.“ Thania Walker bestätigte. „Warp-5,1... 5,2... 5,3... 5,4... 5,5... 5,6... 5,7... 5,8...“ Das Schiff begann schwach zu vibrieren. Gleichzeitig sprang Sylvie LeClerc auf und war an der OPS. „Die strukturelle Integrität wird schwächer“, meldete sie sich gleich darauf, mit warnendem Unterton. Kuehn reagierte schnell. „Auf Warp-5,7 zurückgehen.“ „Verstanden, Warp-5,7 eingestellt.“ Das Vibrieren hörte auf und Sylvie LeClerc erklärte erleichtert: „Strukturelle Integrität bleibt konstant.“ Zu dem jungen Crewman an der OPS sagte sie: „Achten Sie darauf, dass der Wert für die strukturelle Integrität des Schiffes nicht abnimmt.“ „Aye, Ma´am.“ Derweil hatte Kuehn seinen Kommunikator aktiviert und Lieutenant Chirome angerufen. „Chirome, wie sieht es bei Ihnen da unten aus. Wir fliegen momentan mit einem Wert von Warp-5.7 – mehr ist nicht drin, ohne dass die ALAMO auseinanderfällt.“ Chiromes Antwort erfolgte umgehend. „Der Warpkern kann diese Belastung maximal sechs Stunden aushalten, Commander. Danach müssen wir für etwa elf Stunden abschalten.“ „Ist das ein sicherer Wert?“, erkundigte sich Kuehn. „Sicher wären zwölf Stunden, Commander“, gab der Bolianer Auskunft. „Dann legen wir die Pausen auf zwölf Stunden fest, Mister Chirome. Kuehn, Ende.“ Valand Kuehn lehnte sich entspannt im Sessel des Captains zurück und schloss für einen Moment seine Augen. Dann blickte er wieder auf den Bildschirm der auch weiterhin den beruhigenden Anblick der Sternenstreifen übermittelte, und fast unhörbar flüsterte er: „Wir werden nach Hause kommen.“   * * *   Persönliches Logbuch Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 41103.7   Der heutige Tag war einer der glücklichsten, seit der Katastrophe. Die U.S.S. ALAMO zum ersten Mal, seit mehr als fünfzehn Monaten, erfolgreich einen Teil der Strecke, zurück in Föderationsraum, mit Warpgeschwindigkeit zurückgelegt. Damit ist uns ein zweiter wichtiger Schritt auf unserer Heimreise gelungen. Ich wollte nur, Ahy´Vilara wäre dabei gewesen. Immer wieder denke ich an sie, wobei ich in der letzten Zeit mit Erschrecken festgestellt habe, dass die Bilder der Erinnerungen langsam verblassen. Es fällt mir immer schwerer, mir bestimmte Momente bildlich ins Gedächtnis zu rufen. Ich habe Angst, dass diese Bilder irgendwann völlig fort sein könnten. Was mir bleibt sind die Aufnahmen von ihr, auf meinem PADD. Anfangs habe ich sie mir jeden Abend angesehen. Mittlerweile schaue ich sie nur noch gelegentlich an. Ich habe mit Melanie darüber gesprochen, weil ich Angst davor habe, dass meine Gefühle für sie – so wie meine Erinnerungen – immer mehr nachlassen. Melanie meinte, dass dies eine ganz normale Entwicklung sei, und dazu ein gutes Zeichen, weil es, wie sie meint, ein Beweis dafür ist, dass ich den Verlust meiner geliebten Frau zu verarbeiten bereit bin. Nach dem Gespräch mit Melanie bin ich tief in mich gegangen, und ein Teil von mir spürt, dass sie Recht hat. Ein anderer Teil sträubt sich hingegen immer noch, Ahy´Vilara wirklich loszulassen, auch wenn mittlerweile die Einsicht da ist, dass dieser Moment irgendwann kommen wird. Kommen muss... Ich bin erleichtert, dass die Tatsache, dass Melanie und ich mit einander geschlafen haben, nicht zu einem ernsthaften Konflikt zwischen uns geführt geführt hat. Natürlich waren wir noch eine geraume Weile etwas befangen, in manchen Situationen, aber darüber sind wir hinweg, und wir sind glücklich darüber, dass es uns gelang die vorherige Freundschaft zu einander, zu bewahren. Mit Sylvie verstehe ich mich besser den je, und zwischen Chirome und mir ist mittlerweile eine Freundschaft gewachsen, wie ich sie zuvor kaum für möglich gehalten habe, da wir doch sehr verschieden sind. Doch anscheinend bin ich ein Wesen, dass den Gegensatz braucht, denn wie sonst wäre es zu erklären, dass ich mich mit Wesen wie Tar´Kyren Dheran, Sylvie LeClerc oder auch Chirome so gut verstehe? Und auch meine verstorbene Frau passt in dieses Schema. Sarah Mintal hingegen ist ein Original. Trotz ihrer flapsigen Art und ihrer Angewohnheit schlimmer zu fluchen, als zehn Tellariten, kann man ihr nie wirklich böse sein. Zusammen mit Lieutenant Kovak, dem vulkanischen Wissenschaftsoffizier, hat sie es vor einigen Tagen geschafft eine der beiden Wissenschaftsstationen der Brücke wieder notdürftig zusammen zu flicken, so dass wir wieder damit beginnen können, die Sensordaten wissenschaftlich auszuwerten. Zunächst wird Kovaks hauptsächliche Aufgabe darin bestehen, unseren Standpunkt genauer zu ermitteln, was nicht ganz leicht werden dürfte. Dennoch vertraue ich auf die Fähigkeiten dieses jungen Vulkaniers. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es uns nicht gelingen sollte, unseren Kurs schon bald exakter festzulegen, als bisher.   * * *   „Man könnte fast meinen, es würde mit dem Teufel zugehen“, knurrte Sylvie LeClerc, als sie Valand Kuehn am nächsten Tag auf der Brücke ablöste. „Kovak versucht sein Bestes, aber wir haben bislang keinen Stern ausmachen können, der als Orientierungspunkt in Frage käme. Natürlich funktionieren auch unsere lateralen Sensoren nicht optimal.“ Valand Kuehn nickte. „Das wird schon werden. Wir dürfen jetzt nicht gleich alles auf einmal wollen. Es ist überhaupt ein kleines Wunder, dass wir wieder Warp-Kapazität haben.“ „Du hast ja Recht – aber man wird es wohl noch sagen dürfen.“ Valand grinste. „Darfst du. Lass uns mit Kovak mal durchgehen, was wir bisher ermitteln konnten.“ Gemeinsam schritten sie hinüber zur Wissenschaftskonsole, an der Kovak damit beschäftigt war, den letzten Orientierungspunkt vor der Katastrophe mit den Sternenkarten abzugleichen, und aufgrund der letzten bekannten Kursdaten, unmittelbar vor dem Einschlag der beiden Plamaausläufer, die wahrscheinlichste Position der ALAMO zu ermitteln. Durch ein Annäherungsverfahren unter Zuhilfenahme des Mittelwertprinzips, hatte er zwar einen ungefähren Kursvektor ermitteln können, der das Schiff mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Föderationsraum zurück bringen würde, doch es bestand weiterhin die Gefahr dabei, unabsichtlich romulanisches Territorium zu verletzen. Und niemand an Bord konnte sagen, welche politisch fatalen Folgen für die Föderation dies möglicherweise haben würde. Als Valand Kuehn und Sylvie LeClerc bei ihm erschienen, blickte er auf und grüßte freundlich distanziert. Beide erwiderten den Gruß und Valand Kuehn fragte: „Konnten Sie unseren Kurs schon genauer bestimmen, Mister Kovak?“ „Nein, Commander“, antwortete der Vulkanier ruhig, während er den beiden Offizieren gleichzeitig die Daten zeigte, nach denen man momentan den Kurs des Schiffes bestimmte. „Es wäre hilfreich einen, oder noch besser zwei unverwechselbare Sterne oder Stellare Objekt zu erfassen, deren relative Position zur Erde wir kennen. Dann wäre es ein simples mathematisches Problem unsere Position annähernd exakt zu bestimmen. Unsere bisherigen Berechnungen sind bestenfalls unzureichend.“ Kuehn lächelte schwach. Ihm war bekannt, dass Vulkanier nichts davon hielten Dinge abzuschätzen. Sie bevorzugten exakte und klar Definitionen, die sich logisch begründen ließen. Das war ihre Stärke – und zugleich auch ihre Schwäche. „Danke, Mister Kovak. Ich hoffe, dass wir bald in der Lage sein werden, mindestens ein solches Objekt zu identifizieren. Einige der Spezialisten versuchen zur Zeit die Leistung des noch funktionierenden Teils des Computerkerns zu steigern. Und Mister Chirome bemüht sich, die lateralen Sensoren besser auszurichten, als bisher.“ Kovak hob etwas die Augenbrauen. „Ich wollte damit keine Kritik üben, Sir.“ Kuehns Lächeln wurde etwas breiter. „Natürlich nicht, denn das wäre unlogisch.“ Die Züge des Vulkaniers drückten so etwas wie verhaltene Überraschung aus, als er bestätigend meinte: „Korrekt, Commander.“ Valand Kuehn wechselte einen amüsierten Blick mit Sylvie LeClerc und erklärte: „Du hast die Brücke, ich werde Chirome besuchen und mich nach den Fortschritten erkundigen. Vielleicht kann er uns etwas zaubern, das uns weiterhilft.“ Kovak blickte dem Commander fragend hinterher, bevor er sich zu der Französin wandte und irritiert fragte: „Glaubt der Commander wirklich an Zauberei?“ Sylvie LeClerc fiel es schwer ein Lachen zu unterdrücken, als sie erwiderte: „Mister Kovak, das war nur ein irdisches Sprichwort.“ „Sie meinen, eine Art bildlicher Vergleich?“ „Richtig, Lieutenant.“ „So etwas kennt man auf Vulkan nicht.“ Die blonde Frau grinste offen. „Schade, Mister Kovak. Logische bildliche Vergleiche wären sicherlich – faszinierend.“ Damit ging sie, und Kovak überlegte bei sich, dass er die Menschen noch sehr lange studieren müssen würde, um ihre Eigenarten zu verstehen. Besonders aber das, was Menschen Humor nannten.   * * *   Kuehn fand Chirome in einem der Zugangsschächte zu den lateralen Sensoren der Backbordsysteme auf Deck-10. Der Bolianer hatte einige der Wartungsklappen geöffnet und war mit dem Oberkörper halb in einer der Kammern verschwunden, in denen sich die Schaltelemente der Sensoren befanden. Kuehn gab sich Mühe etwas Lärm bei seiner Annäherung zu machen, damit der Bolianer ihn kommen hörte, um nicht möglicherweise durch ihm erschreckt zu werden. Als er bis auf wenige Meter in dem engen Schacht heran gekommen war, zog sich Chirome aus der Kammer zurück, und blickte an seinem Körper hinunter zu ihm. „Ach, Sie sind es, Valand.“ „Ja, ich bin es nur“, spöttelte Valand Kuehn gutmütig. „Hatten Sie jemand anderen erwartet, Chirome?“ Etwas genervt erwiderte der Bolianer: „Eigentlich ja. Sarah geht mir heute bereits den gesamten Tag über auf die Nerven, wegen der verdammten Umweltkontrollen. Sie ist der Meinung, dass es im Maschinenraum zu warm ist. Dabei habe ich ihr schon so oft erklärt, dass ich bei exakt 23 Grad Celsius am besten arbeiten kann. Sie meint hingegen, sie käme aus Finnland, wo immer, bei allen Sternendämonen, das auf der Erde auch liegen mag, und sie wäre somit ein kühleres Klima gewöhnt.“ „Vielleicht sollten Sie ihr etwas entgegen kommen, und sich auf 22 Grad einigen“, schlug Valand Kuehn vor. Das Gesicht des Bolianers drückte nur zu deutlich aus, was er von diesem Vorschlag hielt. Bevor er jedoch etwas sagen konnte, ergriff Kuehn erneut das Wort: „Kommen Sie, Chirome, springen Sie über ihren Schatten. Das eine Grad weniger bringt Sie nicht um, und sie haben dann ein gutes Argument gegenüber Sarah, nicht noch weiter mit der Temperatur herunter zu gehen, weil Sie derjenige waren, der zuerst eingelenkt hat.“ Noch während der Bolianer über die Worte des Commanders nachdachte, sprach sein Kommunikator an und Sarah Mintal meldete sich mit ärgerlicher Stimme. „Hör zu, Chirome: Möglicherweise magst du ja Temperaturen, wie in einem Backofen. Aber ich gehe hier unten ein, wie eine Primel.“ Der Bolianer blickte den Commander bezeichnend an, bevor er seinen Kommunikator antippte und erwiderte: „Also schön, Sarah. Wir einigen uns darauf, eine Temperatur von 22 Grad Celsius einzustellen, kein Grad weniger. Und Plus, wenn ich bitten darf, ich möchte nicht, dass es da unten anfängt zu schneien.“ Ein Schnaufen war zu vernehmen, bevor die Finnin grimmig antwortete: „Also schön, du blauer Dickschädel, dann eben 22 Grad. Sarah, Ende.“ Chirome blickte wieder zu Kuehn und seufzte schwach. „Zufrieden, Commander?“ „Sehr zufrieden, Chirome.“ Kuehn grinste belustigt. Dann wurde er wieder sachlich und fragte: „Wie sieht es aus, können wir die Leistung der lateralen Sensorphalanxen steigern? Mister Kovak konnte bisher keine geeigneten Stellaren Objekte ausmachen, die uns eine genauere Bestimmung unserer Position ermöglichen.“ „Ich gebe mein Bestes, Commander, aber es wird sicherlich einige Monate dauern. Wir müssen die einzelnen Sensoren nämlich alle auf die gleiche Leistung bringen, oder das Ergebnis wird verfälscht. Wissen Sie, wie viele einzelne Sensorengitter das betrifft? Kuehn überschlug in Gedanken, was er von den lateralen Sensoren der EXCELSIOR-KLASSE wusste, und meinte vorsichtig: „Über hundert?“ „Exakt 208 einzelne Sensorengitter“, erklärte Chirome. Und für jedes Gitter können wir einen kompletten Tag veranschlagen, eher mehr. Wenn ich eine optimistische Schätzung abgeben müsste, dann würde ich sagen, dass wir gegen Ende des Jahres soweit sein werden.“ Kuehn nickte. „Danke, Chirome. Beginnen Sie bitte sofort. Ich bin dankbar für jeden Extratag, den Sie einsparen. Ich versuche, Ihnen einige weitere Leute zu unterstellen, die ich entbehren kann.“ „Das wäre gut, Valand.“ Der Bolianer zögerte und Kuehn spürte, dass er noch etwas sagen wollte. Gleich darauf meinte Chirome: „Darf ich Sie etwas Persönliches fragen?“ Der Norweger nickte: „Nur zu.“ Chirome überlegte kurz, wie er das, was er fragen wollte, am besten in Worte fasste. Dann sagte er: „In den letzten Monaten, nach der Katastrophe, da haben Sie sich unermüdlich eingesetzt, um uns so weit zu bringen. Und wir alle hatten den Eindruck, als würden Sie keine Sekunde daran zweifeln, dass wir es schaffen werden. Was hat Ihnen diese unerschütterliche Kraft gegeben? Ich selbst bin manchmal verzweifelt, wenn ich ehrlich bin. Doch Ihr Vorbild, und auch das von Sylvie, hat mich jedes Mal weitermachen lassen.“ Kuehn wirkte beinahe gerührt. Er blickte Chirome in der engen Röhre an und antwortete ganz offen: „Auch mir ging es so, Chirome. Wissen Sie, es gehört zu den menschlichen Eigenschaften immer dann am besten zu sein, wenn es am schlimmsten ist. Eine Charakterschwäche, wenn man so will. Aber eine, die uns in dieser Lage manchmal genützt hat.“ Chirome blickte verständnislos. „Charakterschwäche?“ „Ja, denn wir könnten eigentlich immer so sein, nur sind wir es nicht.“ „Das könnte Stimmen“, gab der Bolianer nach einem Moment zu. „Aber mir ist es lieber so, als umgekehrt.“ Kuehn grinste schwach. „Mir auch, Chirome.“ Er machte Anstalten, sich wieder zu entfernen, als ihm noch etwas einfiel, und er sagte: „Ich bin froh, dass Sie und Sarah solche kleinen Probleme haben, wie eben.“ Chirome blickte fragend zu dem Norweger und Valand Kuehn erklärte: „Na ja, wenn man kleine Probleme hat, dann hat man zumeist keine großen Probleme.“ Damit verabschiedete er sich und ließ einen etwas nachdenklichen Bolianer zurück. Kapitel 12: Romulaner --------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 41932.0   Vor zwei Tagen konnte Lieutenant Chirome die Arbeiten an den lateralen Sensoren abschließen, und seitdem versucht Lieutenant Kovak unermüdlich, unsere Position durch ein Auffinden geeigneter Stellarer Objekte genauer bestimmen zu können. Ich habe Lieutenant Anaree Scrillian zu seiner Unterstützung abgestellt, und sie für diese Zeit vom Brückendienst befreit. Unseren Kurs genau bestimmen zu können hat oberste Priorität. Wenn unsere bisherigen Berechnung nicht vollkommen falsch waren, dann sind wir mittlerweile bereits wieder in Föderationsraum, allerdings mit der Möglichkeit, dass wir uns bereits dicht an der Romulanisch-Neutralen-Zone befinden. Aus diesem Grund habe ich das Schiff in den letzten beiden Tagen nur mit Impulsgeschwindigkeit weiterfliegen lassen. Noch immer halten kleinere und größere Reparaturen die Crew auf Trab, allerdings war bisher nichts dabei, was man als kritisch bezeichnen könnte. Unsere Hoffnung, den Subraumfunk wieder zu reaktivieren hat sich indessen nicht erfüllt. Dies ist momentan unser größtes Problem, denn selbst dann, wenn wir ein Raumschiff der Föderation orten würden wäre es uns kaum möglich es anzurufen. Auch die Systeme der Shuttles kommen dafür nicht infrage, da sie zu schwach sind. Auch über diesen Punkt gedenke ich mit dem Sternenflottenkommando zu reden, und vorzuschlagen, Shuttles mit besseren und weitreichenden Systemen auszustatten. Vielleicht sogar eine Art Runabouts zu entwickeln, die von größeren Schiffen mitgenommen werden können. Ich habe mit Lieutenant-Commander LeClerc über dieses Thema gesprochen, und sie ist mit mir einer Meinung. Gestern hat mich Ensign Mintal darum gebeten, in diesem Jahr wieder eine Weihnachtsfeier für die Crew ausrichten zu dürfen. Da sich das Schiff in einem relativ guten Zustand befindet, und keine dringenden Arbeiten oder Reparaturen anstehen, habe ich meine Zustimmung dazu gegeben. Es wird sich sicherlich positiv auf die Moral der Mannschaft auswirken, und die Crew hat es sich, nach all den Mühen, wahrlich verdient.   * * *   Valand Kuehn verließ den Bereitschaftsraum des Captains und betrat die Brücke. Lange Zeit hatte er sich dagegen gesträubt, den Raum zu benutzen. Erst vor vier Monaten hatte er die Sachen von Cianera Crel verpacken, und in einem der Lagerräume einlagern lassen. Jetzt befanden sich ein paar persönliche Dinge von ihm dort, wobei es sich hauptsächlich um Bücher handelte. Und um das Nelaan-tor, dass ihm sein Schwiegervater überreicht hatte. Zudem lagen auf dem Arbeitstisch seitdem die unvermeidlichen Daten-PADD´s mit Berichten, Listen, Plänen und Tabellen. Zum Glück unterstützte ihn Sylvie, die den Raum mit benutzte, bei den administrativen Arbeiten, um die er sich nicht gerade riss. Der Norweger warf einen schnellen Blick auf den Hauptbildschirm und wandte sich dann in Richtung der Wissenschaftlichen Station, an der Kovak und Anaree Scrillian bereits wieder, seit einigen Stunden die Ergebnisse der eingehenden astronomischen Daten analysierten. Dabei unterhielten sie sich in gedämpftem Tonfall. Valand Kuehn erkundigte sich freundlich nach dem Fortgang der Arbeiten und die Rigelianerin übernahm es, ihm mitzuteilen, dass es noch keine neuen Erkenntnisse gab. Kuehn dankte und setzte seinen Rundgang über die Brücke fort, um sich schließlich im Sessel des Captains nieder zu lassen. Entspannt lehnte er sich zurück und sah auf den Hauptschirm, ohne ihn wirklich zu sehen. Seine Gedanken eilten den Dingen voraus. Sie mussten dringend feststellen, wie ihr genauer Kurs war, denn bei den Romulanern wollte er keinesfalls landen. Nach dem Krieg mit ihnen, Mitte des 22. Jahrhunderts, gab es nur sehr sporadischen Kontakt mit diesem Volk, dass den Vulkaniern äußerlich stark ähnelte, was kein Wunder war, da sich das Volk der Romulaner nach dem Bürgerkrieg auf Vulkan von diesem Volk abgespalten hatte. Im Gegensatz zu den Vulkaniern waren die Abtrünnigen nicht bereit gewesen, Suraks Lehren zu folgen, und so ihren Emotionen zu entsagen. Mitte der 23. Jahrhunderts soll der legendäre Captain James T. Kirk Kontakt zu den Romulanern gehabt haben. Seitdem waren fast einhundert Jahre vergangen, und niemand hatte nach der Festnahme und Abschiebung des romulanischen Botschafters Lanclus, der an einer Verschwörung gegen die Föderation beteiligt gewesen sein sollte, je wieder etwas von ihnen gehört oder gesehen. Vielleicht war es auch besser so. Das Letzte, was er brauchte, war eine Begegnung mit einer kriegerischen Spezies. Er wurde durch die begeisterte Stimme abgelenkt, die plötzlich zu seiner Linken aufklang. Sie gehörte Anaree Scrillian, und als Valand sich aus dem Sessel erhob und zu ihr hin sah, da bekam er mit wie sie begeistert zu Kovak sagte: „Ein Irrtum ist ausgeschlossen, wir haben es wirklich geschafft!“ Der junge Vulkanier wusste kaum, wie ihm geschah, als die Anaree Scrillian ihn an den Handgelenken aus dem Sessel zog, ihn stürmisch umarmte, und auf beide Wangen küsste. Valand Kuehn, der sich der Rigelianerin genähert hatte, wurde ihr nächstes Opfer. Auch ihn umarmte sie überschwänglich und küsste ihn auf beide Wangen. Anders als der Vulkanier nahm der Norweger diese Sonderration an Zuwendung mit weitaus weniger Gegenwehr in Empfang. In genau diesem Moment betrat Sylvie LeClerc die Brücke, und blickte stirnrunzelnd auf die sich ihr bietende Szene. Als Anaree Scrillian im nächsten Moment auch ihr um den Hals flog, und sie Lieutenant Kovak hilflos in der Ecke stehen sah, legte sich der in ihr aufbrandende Unmut wieder und schmunzelnd meinte sie zu der Rigelianerin: „Ich bin mir sicher, dass Ihr Verhalten gegen irgendein Sternenflottenprotokoll verstößt, Lieutenant. Lassen Sie das bitte nicht zur Gewohnheit werden.“ Erst jetzt wurde der Rigelianerin bewusst, was sie getan hatte, und die gelben Streifen auf ihrer Gesichtshaut färbten sich etwas intensiver, als sie Kuehn schuldbewusst ansah. „Es... Es tu mir leid, aber ich musste mit meiner Freude irgendwo hin, Commander.“ Kuehn ging lächelnd darüber hinweg und erkundigte sich sachlich: „Möchten Sie mir vielleicht nun ordnungsgemäß melden, was Sie und Mister Kovak entdeckt haben?“ Anaree Scrillian räusperte sich verlegen und erwiderte schnell: „Ja, Commander. Kovak und ich haben die Positionen der beiden markanten Doppelsterne AL NAIR und TARGO festlegen können. Wir haben eine Spektrallinienanalyse durchgeführt – es gibt keinen Zweifel, was die Identität beider Doppelsterne betrifft. Da wir die Entfernungen und Winkelstellung, zur Ekliptik der Milchstraße, von der Erde aus betrachtet, kennen können wir nun unsere Position, bis auf eine Zehntel Bogenminute genau bestimmen.“ „Dann an die Arbeit, Lieutenant. Ich erwarte Ergebnisse.“ Die Rigelianerin eilte wieder zur Wissenschaftlichen Station, wo Kovak bereits wieder Platz genommen hatte, und ihr einen schrägen Blick zuwarf. Offenbar rechnete er mit einer weiteren Kuss-Attacke der manchmal recht impulsiven Frau. Valand Kuehn und Sylvie LeClerc folgten, wobei sich auf beiden Gesichtern deutlich Erleichterung zeigte. Sie blickten den beiden Neo-Offizieren dabei zu, wie sie die notwendigen Berechnungen anstellten, bei denen die Rigelianerin bewies, dass sie noch mehr konnte, als Küsse zu verteilen. Schließlich verglich der Vulkanier die Berechnungen der Frau mit seinen eigenen und nickte ihr zu. Dann blickte er sich zu Valand Kuehn um und sagte unpathetisch: „Ich blende jetzt das Ergebnis auf einer Sternenkarte ein.“ Valand Kuehn und die Französin neben ihm beugten sich etwas weiter vor, um besser sehen zu können, während der Vulkanier nun den Ausschnitt einer Sternenkarte auf das Display holte. Deutlich erkannten beide zwei hervorgehobene Doppelsysteme. Einer davon dicht neben der Einblendung der Romulanisch-Neutralen-Zone. Gleich darauf blinkte zusätzlich ein kleines Föderationssymbol, mit dem Namen der ALAMO auf. Das Schiff hielt sich beinahe genau zwischen beiden Systemen auf, dabei viermal so weit von AL NAIR entfernt, wie von TARGO, dem roten Doppelstern, nahe der Neutralen-Zone. Schließlich meinte der Norweger nachdenklich: „Wenn mich mein Wissen über Astronomie nicht trügt, dann müsste die nächste Sternenbasis, die uns essentiell helfen kann, Sternenbasis-718 sein. Idealerweise liegt sie fast auf direktem Weg zur Erde, von unserem jetzigen Standort aus gesehen. Fast einhundert Lichtjahre, das ist für die ALAMO eine ganz hübsche Strecke. Wir brauchen, wegen der Limitierungen, bestimmt ein halbes Jahr bis wir die Basis erreicht haben.“ „Nimbus III liegt nur 65 Lichtjahre weit weg, Commander“, meldete sich Kovak zu Wort. „Wäre es nicht logisch dorthin zu fliegen, und die Romulaner um Unterstützung zu bitten, Commander?“ Jeder auf der Brücke wandte sich dem Vulkanier zu. Kuehn versuchte abzuschätzen, ob Kovak sich einen Scherz mit ihm erlaubte, bevor er ruhig erwiderte: „Mister Kovak, dieser Planet liegt nicht nur innerhalb der Neutralen-Zone, sondern wir wissen auch nicht, ob die Romulaner unser Ersuchen überhaupt in Erwägung ziehen würden. Und in dem Fall müssten wir die doppelte Zeitspanne rechnen, bis wir die Sternenbasis erreichen. Wir wählen die sichere Variante, Lieutenant.“ „Aye, Commander“, bestätigte der Vulkanier, der dieses Argument nicht widerlegen konnte. Man wusste tatsächlich zu wenig über die Romulaner dieser Zeit um mit Sicherheit sagen zu können, ob sie einen Notruf überhaupt beantworten würden. Jedermann auf der Brücke schien bei Kuehns Worten erleichtert aufzuatmen. Während der Norweger zu seinem Platz ging, entschied Sylvie LeClerc: „Bitte überspielen Sie die Positionsdaten zur NAV, Mister Kovak. Miss Scrillian, Sie übernehmen die NAV und setzen einen Kurs zur Sternenbasis-718.“ Beide Lieutenants bestätigten, und kaum, dass die Rigelianerin die Ausführung bestätigt hatte, wandte sich Valand Kuehn an Thania Walker. „Steuermann, dem eingegebenen Kurs folgen, mit Warpfaktor 5,7. Beschleunigen. Im selben Moment, als Valand Kuehn dieses Kommando gab, fand fast einhundert Lichtjahre entfernt, auf Sternenbasis-718, eine Konferenz statt, an der auch der Captain eines neu in Dienst gestellten Sternenflottenschiffes teilnahm. Das Schiff gehörte zur neu entwickelten GALAXY-KLASSE und es trug den Namen ENTERPRISE. Traditionell trug es die Registrierung NCC-1701-D. Der Kommandant dieses neuen Schiffes hieß Jean-Luc Picard.   * * *   Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 41973.3   Vor achtundneunzig Tagen habe ich entschlossen Kurs auf die Sternenbasis-718 zu setzen, obwohl sie weiter entfernt ist, als Nimbus III. Doch es ist nicht sicher, ob ein Notruf von den Romulanern beantwortet würde, zumal in diesem Jahrhundert noch niemand in der Föderation einen Romulaner zu Gesicht bekommen hat. Bisher verlief der Flug geradezu langweilig normal. Vielleicht liegt diese Einschätzung aber auch nur daran, dass aufregende Wochen und Monate hinter uns liegen. Gemessen am Zustand des Schiffe kommen wir gut voran. Mister Kovak hat meine anfängliche Schätzung bestätigt. Wir werden ein halbes Jahr brauchen, bis wir Sternenbasis-718 erreichen, doch das scheint eine geradezu geringe Zeitspanne zu sein, nachdem, was hinter uns liegt. So etwas wie Aufbruchstimmung liegt überall an Bord in der Luft, seit die Crew weiß, dass wir unsere genaue Position bestimmen konnten und Kurs auf Sternenbasis-718 halten.   * * *   „Der Osterhase ist da!“ Zuerst blickte sich Valand Kuehn, der gelassen im Sessel des Captains saß, konsterniert zu der schottischen Frau an der OPS um, die eben diesen Satz gesagt hatte. Vor zwei Stunden war das Schiff wieder unter Warp gefallen, und hatte mit halber Impulskraft den eingeschlagenen Kurs fortgesetzt. Die Scanner hatten den Raum vor der ALAMO als frei angezeigt, und so hatte für die nächsten zwölf Stunden die übliche Routine begonnen. Bis Petty-Officer Nana McCrea sich eben zu Wort gemeldet hatte. „Entschuldigung, Commander“, aber es sind gerade eben zwei riesige unbekannte Raumschiffe neben uns aufgetaucht. Vorher kein Anflug feststellbar. Sie waren einfach neben uns, und überholen uns gerade mit hoher Fahrt.“ An den Rändern des Hauptschirms flimmerten zwei grün leuchtende Schemen auf, die schnell der Bildschirmmitte zu strebten. Atemlos blickte Valand Kuehn auf den Schirm, und auch alle anderen auf der Brücke der ALAMO versuchten etwas zu erkennen. Dann befahl der Norweger erregt: „Voller Stopp, Thania.“ Während die Kanadierin bestätigte, meldete die Schottin: „Die beiden Schiffe wenden und kehren um. Sir, ich kann diesen Schiffstyp nicht identifizieren, aber beide Schiffe sind deutlich größer, als die AMBASSADOR-KLASSE. Ungefähre Länge: Etwa doppelt so lang, wie die ALAMO. Auf Valand Kuehns Gesicht spiegelte sich Unglaube, als er die Frau wieder ansah. „Sagten Sie eben: Doppelt so lang, Miss McCrea?“ „Aye, Commander. Länge über alles: 972 Meter. Breite, annähernd 700 Meter.“ „Aber innerhalb der Föderation gibt es keine Spezies die...“ Kuehn unterbrach sich und begann ein nachdenkliches Gesicht zu machen. Gleichzeitig meldete Nana McCrea: „Wir werden auf den normal lichtschnellen Kanälen gerufen.“ „Auf den Schirm, Miss McCrea.“ Die Schottin bestätigte und gleich darauf erschien ein finster drein blickendes Gesicht auf dem Bildschirm. Die tiefliegenden dunklen Augen lagen unter buschigen Augenbrauen, die sich nach Außen stark nach oben wölbten. Seine etwas kantigen Gesichtszüge wirkten markant, und einige harte Linien, die sich in der Gesichtshaut eingegraben hatten, zeugten von einem offenbar bewegten Leben. Das bereits etwas ergraute Haar trug er nach vulkanischer Tradition, auch wenn es gewisse Unterschiede gab. Wie bei einem Vulkanier, spielte der Ton seiner Haut etwas ins Grüne. Ebenso liefen seine Ohren spitz zu. Was diesen Mann jedoch generell von einem Vulkanier unterschied war, neben den Stirnwülsten über den Augenbrauen, das leidenschaftliche, wenn auch kalte Glitzern in seinen Augen, die undurchdringlich schienen. Das Muster seiner hellgrauen Uniform wies überall kleine Quadrate auf. Die golden schimmernden Rangabzeichen waren Valand Kuehn nicht geläufig. Der Norweger brauchte nur einen Augenblick um zu erfassen, welcher Spezies dieser Mann angehörte. Im nächsten Moment bestätigten die Worte des Mannes Kuehns Gedankengänge. „Hier spricht Commander Tomalak, vom Romulanischen Sternenimperium, an Bord des imperialen Kriegsschiffes TERIX. Wer sind Sie, und was suchen Sie in diesem Raumsektor, so nahe der Romulanisch-Neutralen-Zone?“ Valand Kuehn war für einen Moment fassungslos, denn immerhin war der Romulaner es, der sich widerrechtlich in Föderationsraum aufhielt. Trotzdem beschloss er, nicht zuletzt angesichts der Tatsache, dass selbst eine vollkommen intakte ALAMO diesen beiden Schiffen wenig entgegenzusetzen gehabt hätte, höflich zu bleiben. „Mein Name ist Valand Kuehn. Ich bin Commander der Sternenflotte und Captain der U.S.S. ALAMO. Unser Schiff wurde vor zwei Jahren, beim Ausbruch einer Supernova schwer beschädigt und wir befinden uns auf dem Weg zu Sternenbasis-718, um das Schiff notdürftig reparieren zu lassen. Darf ich meinerseits fragen, warum Sie sich widerrechtlich in Föderationsraum aufhalten?“ „Werden Sie nicht anmaßend!“, schnappte der Commander, der sich ihm als Tomalak vorgestellt hatte. Für einen Moment loderte unverhohlener Zorn in den dunklen Augen des Romulaners, der offensichtlich keinen Spaß verstand. Dann hatte er sich wieder in der Gewalt und erklärte bestimmt: „Es geht hier um die Sicherheit des Romulanischen Sternenimperiums. Einige unserer Außenposten wurden ohne Vorwarnung von bisher Unbekannten angegriffen. Wir untersuchten den Vorfall, als wir Ihr Schiff scannten, dass sich auffällig langsam entlang unseres Territoriums entlang tastet. Es gibt Leute im Senat, die ihre Föderation dafür verantwortlich machen, und es für den Beginn einer Invasion halten.“ Kuehn blickte den Romulaner forschend an und fragte sich, ob seine Behauptung ernst gemeint war, oder ob es sich lediglich um eine fantastische Ausrede handelte. Er spürte, dass es nicht geraten war, diesen Romulaner zu unterschätzen, oder seine Worte auf die leichte Schulter zu nehmen. Darum sagte er verbindlich: „Wir haben weder Kenntnis von den Vorkommnissen, die Sie erwähnten Commander, noch haben wir etwas damit zu tun. Sie sind jedoch herzlich eingeladen, an Bord zu kommen, und sich selbst vom Zustand des Schiffes zu überzeugen.“ Valand Kuehn blickte den Romulaner offen, wenn auch etwas herausfordernd an. Er hatte ihm den Ball zu gespielt. Jetzt lag es an ihm die weitere Vorgehensweise festzulegen. „Woher weiß ich, dass Sie mich nicht vielleicht in eine Falle locken wollen, Commander Kuehn?“ „Sie können auch einen beliebigen Stellvertreter ihrer Wahl entsenden, bewaffnet wenn Sie es wünschen“, beschied ihm Valand Kuehn kühl, wobei er ihm unterschwellig zu verstehen gab, was er vom romulanischen Mut hielt. Tomalak, der die Spitze verstand, beugte sich in seinem Sitz vor, so dass sein Gesicht nun den gesamten Bildschirm ausfüllte. „Ich werde selbst an der Spitze eines Inspektionsteams an Bord Ihres Schiffes kommen“, grollte er. „Bedenken Sie dabei, dass die Waffen unserer Schiffe direkt auf ihres gerichtet sind.“ „Ich werde es nicht vergessen, Commander. Wir können Ihnen leider keinen Leitstrahl schicken, darum wäre es vielleicht das Beste, wenn Sie direkt unsere Brücke anpeilen. Wie sie sicherlich festgestellt haben, sind sowohl unsere Offensivwaffen, als auch unsere Defensiv-Systeme inaktiv.“ „Halten Sie sich bereit“, antwortete der Romulaner grimmig und unterbrach die Verbindung. Auf dem Hauptschirm waren nun die beiden gewaltigen Raumschiffe der Romulaner zu erkennen. Der Bug erinnerte an einen gewaltigen, grünen Raubvogelkopf, der an zwei langen, dünnen Hälsen mit den Doppelschwingen am Heck verbunden waren, die ihrerseits in grün leuchtende, schlanke Warpgondeln ausliefen, die sich zwischen ihren Spitzen befanden. „Dieser Tomalak hat die Wahrheit gesagt“, erklärte Nana McCrea stirnrunzelnd. Die Waffensysteme und die Zielscanner beider Schiffe sind aktiviert. Wir befinden uns in der Position einer sitzenden, fetten Ente auf dem Präsentierteller, wenn ich das so ausdrücken darf, Commander.“ Valand Kuehn schmunzelte lediglich und aktivierte dann seinen Kommunikator. „Sylvie, hier Valand. Komme bitte umgehend zur Brücke. Valand, Ende.“ An der NAV saß Anaree Scrillian und meinte mit finsterer Miene: „Rate mal, wer als Osterhase zu Besuch kommt?“   * * *   Noch bevor Sylvie LeClerc die Brücke erreichte, begann die Luft links neben dem Sitz des Captains zu flimmern und drei humanoide Gestalten schälten sich aus dem grünlichen Glühen des romulanischen Transporterstrahls. Es handelte sich um zwei Männer und eine Frau, die einen noch jungen Eindruck machte. Sowohl die Frau als auch einer der Männer hielten je einen Disruptor im Anschlag. Beide blickten sich aufmerksam auf der Brücke um, jederzeit bereit sofort von der Waffe Gebrauch zu machen, sollte sich das als notwendig erweisen. Der dritte war jener Mann, mit dem Valand Kuehn gesprochen hatte. Jetzt, da er hoch aufgerichtet, jeder Zoll seiner Erscheinung Stolz und Macht ausstrahlend, auf der Brücke der ALAMO stand und sich aufmerksam umblickte, wirkte er noch imposanter, als während des Gesprächs von Schiff zu Schiff. Er war mindestens ebenso hoch gewachsen, wie Valand Kuehn, doch seine Statur wirkte noch um einiges wuchtiger, als die des Norwegers. Valand Kuehn stellte instinktiv die Überlegung an, dass dieser Hüne sehr gut eine jener nordischen Sagengestalten seiner Geburtsnation, oder auch einen der legendären Wikinger hätte darstellen können. Dann machte er langsam, so dass es nicht bedrohlich wirke, einen Schritt auf die drei Besucher zu und wandte sich an jenen hünenhaften Romulaner, der sich ihm als Tomalak vorgestellt hatte: „Ich begrüße Sie an Bord der U.S.S. ALAMO, Commander Tomalak. Bitte schießen Sie nicht auf meinen Ersten Offizier, wenn er gleich hier erscheint. Ich brauche ihn, oder besser sie, nämlich noch.“ Die freundlich gesprochenen, höflichen Worte zeigten Wirkung. Während sich Tomalak zu ihm begab, steckten seine beiden Begleiter ihre Waffen weg, nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass keiner auf der Brücke einen Phaser trug. Als Tomalak vor Kuehn stand musterte er ihn kritisch und meinte dann, mit einem schnellen Blick auf die Brückencrew: „Sie machen einen sehr jungen Eindruck, Commander Kuehn. Oder täusche ich mich?“ „Nein, Commander, ich min tatsächlich in einem Alter, in dem man für gewöhnlich noch nicht den Rang eines Commanders besitzt. Und normalerweise würde ein Captain dieses Schiff führen. Bei der Katastrophe, die unser Schiff traf, wurden beinahe alle Führungsoffiziere getötet. Als dienstältester Brückenoffizier war ich dazu gezwungen, das Notfall-Protokoll der Sternenflotte anzuwenden, um eine funktionierende Kommandostruktur an Bord zu etablieren. Mein Rang ist also ein provisorischer Rang, den ich bei unserer Rückkehr wieder ablegen werde.“ Tomalak, der aufmerksam zugehört hatte, blickte nun eher fragend, als finster in seine Augen, wobei er anscheinend herauszufinden versuchte, ob der Mensch vor ihm, ihn belog. Dann fragte er: „Welchen regulären Rang besaßen Sie zuletzt?“ „Mein regulärer Rang wäre der eines Lieutenant, Sir.“ In diesem Moment öffnete sich zischend das Turboliftschott und Sylvie LeClerc betrat die Brücke. Als sie die drei Fremden entdeckte, von denen nun zwei ihre Hände an die Waffen legten, blieb sie stehen und blickte fragend zu Valand Kuehn. Der Norweger umriss kurz die Situation. Nachdem er geendet hatte blickte er wieder Tomalak an. „Ich glaube, Sie möchten sich ein Bild vom Zustand der ALAMO machen.“ „Das ist korrekt“, bestätigte der Romulaner knapp. „Sollte sich herausstellen, dass Sie gelogen haben, werden Sie die Konsequenzen dafür zu verantworten haben.“ „Dessen bin ich mir bewusst, Commander Tomalak“, erwiderte Kuehn mit fester Stimme, wobei er Sylvie einen warnenden Blick zu warf, die etwas unwillig zu dem Romulaner herüber blickte. „Wenn Sie gestatten, dann gehe ich voraus.“ Tomalak nickte, und Valand fragte sich insgeheim, ob das eine typisch romulanische Geste war, oder ob er bereits vor ihm Menschen kennengelernt hatte. Er beschloss, Tomalak später eine entsprechende Frage zu stellen, während er die Kabine des Turbolifts betrat. Sylvie LeClerc sagte: „Deck-15.“ Währenddessen erklärte Valand Kuehn den drei Romulanern: „Wir fahren zuerst zum Haupt-Maschinendeck hinunter, damit Sie sich ein Bild von dem Zustand unseres Warpkerns machen können. Danach führe ich Sie durch alle anderen wichtigen Abteilungen des Schiffes. Und durch jene Bereiche, die besonders betroffen gewesen sind.“ „Ich bin einverstanden“, erklärte Tomalak für sich und seine Begleiter. Erst jetzt fiel dem Norweger auf, dass die romulanische Frau, selbst nach menschlichen Gesichtspunkten, ausgesprochen hübsch war. Auffallend waren ihre großen, dunklen Augen, die schon beinahe betazoidisch wirkten. Ihre Haare trug sie nach der klassisch-vulkanischen Mode. Offensichtlich waren sich beide Völker in dieser Hinsicht immer noch sehr ähnlich. Valand wusste, dass sich das Alter von Angehörigen vulkanoider Spezies oft nur sehr schwer schätzen ließ, aber anhand der Ausstrahlung ihrer Augen tippte er, dass sie etwa in seinem Alter sein musste, vielleicht sogar etwas jünger. Wieder ging Valand voraus, als sie das Zieldeck erreicht, und den Turbolift verlassen hatte. Im Hauptmaschinenraum angekommen, nahmen Tomalaks Begleiter zwei handliche Geräte, Tricordern nicht unähnlich, die sie mit sich führten und nahmen überall, besonders aber dort, wo noch deutlich das Eindringen des Plasmas erkennbar war, gründliche Messungen vor. Nach einer Weile kamen die beiden Wesen zurück und die Frau sprach einige Sätze in ihrer Sprache, die der Universalübersetzer des Kommunikators nicht analysieren konnte, mit dem romulanischen Commander, dessen Haltung sich etwas entspannte. „Das Schiff scheint tatsächlich von einem Plasmaausläufer getroffen worden zu sein, aber ich möchte dennoch auch die anderen betroffenen Abteilungen sehen“, erklärte Tomalak zu Kuehn gewandt. „Ich habe keinerlei Einwände, Commander Tomalak.“ Fast gegen seinen Willen gestand sich Tomalak ein, dass ihn das höfliche, aber auch bestimmte Auftreten dieses jungen Mannes gefiel. Auch wenn er in erster Linie an das Wohl seines Volkes zu denken hatte, so schien es ihm doch, dass von diesem Sternenflottenoffizier keinerlei Unaufrichtigkeit ausging. Der Romulaner wusste, dass es mitunter gefährlich sein konnte, seinen Gefühlen zu vertrauen, aber es gehörte zu seinem Wesen. Und er war stolz darauf, unterschied es ihn doch von den verhassten Vulkaniern. Sie gingen weiter, und während sie durch die Gänge des Schiffes schritten überlegte Tomalak bei sich, was sein alter Kampfgefährte Tebok an Bord seines Schlachtschiffes, das Vorfälle die sich in der Nähe der Sternenbasis-718 ereignet hatten, untersuchte wohl herausgefunden haben mochte. Kapitel 13: Gegenseitiges Vertrauen ----------------------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 41978.9   Die ALAMO ist zwei Romulanischen Warbirds begegnet. Vor einigen Minuten sind die drei romulanischen Offiziere, die ich im Zuge der Kontaktaufnahme zu ihrem Befehlshaber, Commander Tomalak, an Bord gebeten habe, wieder auf ihr Schiff zurückgekehrt. Tomalak schien einerseits zufrieden mit dem zu sein, was er gesehen hat – andererseits spüre ich aber auch, dass ihn irgend etwas aufwühlt. Vermutlich wäre es ihm lieber gewesen, wir wären diejenigen Verantwortlichen gewesen, die für die angedeuteten Zerstörungen romulanischer Installationen verantwortlich gewesen sind. Commander Tomalak hat sich als harter Verhandlungspartner erwiesen, der dazu über einen sehr hohen Intellekt zu verfügen scheint. Ich gebe offen zu, dass mich dieser Romulanische Kommandant beeindruckt hat, obwohl ich mir sicher bin, dass er uns immer noch zu einem gewissen Grad misstraut. Zumindest ließ er so etwas durchblicken, bevor er auf sein Schiff, die I.R.W. TERIX, zurückkehrte. Und er ließ keinen Zweifel daran, dass seine beiden Schiffe die ALAMO erbarmungslos vernichten würden, sollten wir unsere Momentane Position verlassen, bevor den Romulanern die endgültigen Ergebnisse ihrer Scanns vorliegen würden. Also warten wir momentan, bis sich Tomalak wieder meldet. Ich war so kühn, Tomalak um Hilfe bei der Reparatur der ALAMO zu bitten. Er hat dieses Ansinnen nicht rundheraus abgelehnt, was mich positiv von dem Commander einnimmt, aber er hat es mit einigen Bedingungen verknüpft. Neben einem zufriedenstellenden Endergebnis der Scanns hat er verlangt, dass wir seinen Technikern Zugang zu unseren Datenbanken gewähren. Diesem Ansinnen habe ich zunächst nicht zugestimmt. Zwar befinden sich, nach Aussage unserer besten Computerfachleute, seit der Katastrophe, keine Daten mehr im System, mit denen die Romulaner etwas besonderes anfangen könnten, aber das weiß Tomalak nicht, und vielleicht erweist es sich als nützlich ihn in dem Glauben zu lassen, es wäre anders.   Anmerkung: Dieser Logbucheintrag wurde Passwortgeschützt und löscht sich automatisch bei einem nicht autorisierten Zugriff.   * * *   „Diese Romulaner halten sich anscheinend für die Größten“, ereiferte sich Sylvie LeClerc, als sie, zusammen mit Valand Kuehn, im Bereitschaftsraum des Captains auf dem Sofa saß, und gelegentlich an einem replizierten Orangensaft nippte. „Was fällt denen ein, unser Schiff mitten im Föderationsraum aufzubringen und festzuhalten, so als wären wir in Ihr Territorium eingedrungen, und nicht umgekehrt, Mon Ami.“ Der Norweger hatte in einem der beiden Sessel Platz genommen und meinte spöttisch: „Ich bin kein Ami, sondern Norweger, wann begreifst du das endlich.“ Bevor Sylvie dazu etwas sagen konnte, fuhr er fort: „Du kannst mich für närrisch halten, Sylvie, aber ich denke, dass uns der Romulaner die Wahrheit gesagt hat, was er uns bezüglich der letzten Vorkommnisse erläutert hat. Tomalak mag ein finster blickender Griesgram sein, aber ich halte ihn nicht unbedingt für einen Lügner.“ „Ich traue ihm nicht.“ Kuehn grinste freudlos. „Er uns auch nicht. Der Punkt ist: Wenn wir uns nun auf beiden Seiten belauern und uns gegenseitig misstrauen wird dadurch nichts besser. Ich bin bereit, diesen Leuten unvoreingenommen entgegen zu gehen. Vielleicht nimmt man sich an Bord dieser beiden Kriegsschiffe da draußen ein Beispiel daran. Fakt bleibt, dass wir uns ganz in den Händen dieser Romulaner befinden, denn wir können ihnen nicht entfliehen, und wir haben den beiden Kriegsschiffen nicht das Geringste entgegen zu setzen. Wir sind nicht einmal in der Lage, einen Schutzschirm zu aktivieren, der mehr als einen oder zwei Phaser- oder Disruptorschüsse aushält.“ „Ja, schon gut“, brummelte die Französin. „Vielleicht gefällt es mir nur nicht, dass wir diesen Leuten so hilflos ausgeliefert sind. Immerhin hat die Erde einmal gegen die Romulaner Krieg geführt.“ „Stimmt, aber das ist jetzt über zweihundert Jahre her. Seitdem herrscht Frieden zwischen unseren Völkern“, wandte Valand ein. „Das ist eine sehr lange Zeit. Und vielleicht ist genau jetzt der richtige Moment gekommen, das alte Misstrauen zu überwinden.“ Sylvie blickte ihn fragend an: „Du glaubst wirklich, dass dies eine reale Chance ist, unsere Völker einander näher zu bringen? Kuehn nickte. „Nun, zumindest sollten wir diese Gelegenheit nicht ungenutzt verstreichen lassen, oder leichtfertig vergeben. Vielleicht wird man ja, in späteren Zeiten, auf diese Begegnung schauen und sagen: Dies war der Beginn der friedlichen Co-Existenz zwischen Romulanern und Menschen.“ Sylvie LeClerc, die gerade einen Schluck aus ihrem Glas trank, verschluckte sich beinahe, und mit gerötetem Gesicht sah sie verdutzt ihr Gegenüber an. Dann lachte sie hell auf und meinte: „Unsere Namen in den Geschichtsdateien der Föderation, ja klar. Ich sehe die Titelzeile förmlich vor mir; Kuehn und LeClerc die Friedensstifter von Romulus.“ „Klingt doch gar nicht so schlecht“, ging der Norweger auf ihren spöttelnden Tonfall ein. „Ich wüsste nur gerne, was Tomalak dazu sagen würde.“   * * *   „Der Föderation kann man nicht trauen!“, sagte Tomalak in fast demselben Moment, einige Kilometer entfernt. Zusammen mit seinem Stellvertreter, Subcommander Kevek, und Sublieutenant Ti´Maran, jene junge Frau, die auch mit an Bord der ALAMO war, saß er in seinem großzügig angelegten Bereitschaftsraum und blickte die beiden Offiziere nach einander an. Durch seine Lage direkt neben der Brücke des Schiffes hatte man von dem, in Grün- und Brauntönen gehaltenen, Raum einen fantastischen Blick, hinaus ins All. Diese Tatsache ignorierend antwortete Subcommander Kevek nachdenklich: „Aber was sollte die Föderation mit einem einzelnen Schiff, noch dazu in dem Zustand, den wir feststellen konnten, bezwecken?“ Tomalaks Blick wurde finsterer. „Es könnte eine geschickte Falle sein, Kevek. Vielleicht wurde es geschickt, um zu spionieren.“ „Glauben Sie wirklich, dass die Föderation den Mut aufbringen könnte, die auf diese riskante Weise zu tun?“, erkundigte sich Ti´Maran. Ihr Intellekt galt als scharf und analytisch, und Tomalak setzte große Hoffnungen in sie. Nicht zuletzt deswegen hatte er die junge Romulanerin auf das Föderationsschiff mitgenommen. Ti´Maran war in Tomalaks Augen einer jener Offiziere, wie sie jede Spezies nur einmal pro Jahrhundert hervorbrachte. Darum hatte es sich Tomalak zur Aufgabe gemacht, ihre Karriere zu fördern. Das Imperium benötigte solche Offiziere. „Unterschätzen Sie die Föderation, und speziell die Menschen nicht, Sublieutenant“, mahnte Tomalak nachsichtig. „Die Geschichte hat uns gelehrt, dass diese menschlichen Emporkömmlinge es oft verstanden haben Unerwartetes zu tun. Andererseits ist Ihr Einwand nicht ganz unberechtigt. Alles weist darauf hin, dass dieser junge Kommandant des Föderationsschiffes die Wahrheit gesagt hat.“ „Das war auch mein Eindruck“, stimmte Ti´Maran zu. „Möglicherweise sollten wir dem Ansinnen des Menschen stattgeben, und ihm unsere Hilfe gewähren. Wir könnten sie auf einer unserer Außenbasen unauffällig überwachen. Vielleicht können wir sogar einen Austausch von Offizieren arrangieren, und so an weitere nützliche Informationen gelangen. Außerdem gewinnen wir Erkenntnisse über die Föderationstechnik.“ „Das Schiff gehört einer schon älteren Baureihe an“, warf der Subcommander ein. „Gerade das lässt mich Spionage vermuten. Man wagt nicht, uns ein neues Schiff in die Hände zu spielen. Warum beschlagnahmen wir das Schiff nicht einfach und nehmen die Besatzung als Kriegsgefangene?“ Tomalak lächelte finster. „Wenn Sie Recht haben, Kevek, dann wird man das Schiff fraglos schon bald vermissen, und noch wollen wir keinen Zwischenfall. Sie wissen selbst, warum. Außerdem: Wenn nicht die Föderation für die Zerstörung unserer Außenposten verantwortlich ist, dann gibt es eine unbekannte Kraft, die wir noch nicht kennen, und ein Zweifrontenkrieg könnte sich als Verhängnisvoll erweisen. Nein, zuerst müssen wir die Gefahr, die unseren Außenposten droht, aufspüren. Danach kümmern wir uns um die Föderation.“ Seine Gesichtszüge bekamen etwas Verschlagenes. „Deshalb nutzen wir in diesem Fall die Gelegenheit, die Föderation in Sicherheit zu wiegen – indem wir der Besatzung des Föderationsschiffes Hilfe gewähren.“ Einen Moment lang wägte Tomalak sinnend die vorgebrachten Argumente gegen einander ab. Dann entschied er: „Sublieutenant, Ihr Vorschlag gefällt mir. Außerdem habe ich die abschätzenden Blicke, die dieser Provisorische Commander Ihnen zuwarf, wohl gemerkt. Da der Kommandant des Föderationsschiffes jedoch kaum sein Schiff verlassen wird, ist die Alternative die, dass Sie sich an Bord seines Schiffes begeben, falls er sich auf Ihren Vorschlag einlässt. Wenn er Sie attraktiv findet, dann gelingt es Ihnen möglicherweise, ihm wichtige Informationen zu entlocken. Ich werde Ihnen den größtmöglichen Ermessensspielraum einräumen.“ Die Romulanerin blickte ihren Vorgesetzten verwundert an. Dann wurde ihr Gesicht zur Maske und antwortete: „Wie Sie befehlen, Commander.“ Tomalak wandte sich an seinen Stellvertreter. „Haben Sie noch etwas zu sagen?“ Kevek verneinte. „Dann“, so entschied Tomalak, „werden wir dem Kommandanten des Föderationsschiffes unsere Entscheidung nun mitteilen.“   * * *   Valand Kuehns Haltung spannte sich, als die Meldung kam, dass die I.R.W. TERIX die ALAMO rief. Zwei Stunden lang hatte er nach seiner Besprechung mit Sylvie auf der Brücke zugebracht, immer damit rechnend, dass die Romulaner sich melden würden. Nun war es endlich soweit, und mit Spannung erwartete der Norweger, was Tomalak, dessen Konterfei wieder den Hauptschirm ausfüllte, zu entschieden hatte. Der markant aussehende Romulaner sagte mit einer gewissen Bestimmtheit in der Stimme: „Wir haben die aufgenommenen Daten ausgewertet, und sie widerlegen nicht, was sie behauptet haben, Commander Kuehn. Obwohl ich nicht sicher bin, ob es sich nicht doch um ein geschicktes Täuschungsmanöver der Föderation handelt. Dennoch verschließe ich meine Augen nicht für Ihre eventuelle Notlage und entspreche daher Ihrem Wunsch nach Hilfe durch mein Volk. Meine beiden Schiffe werden die ALAMO mit Traktorstrahlen abschleppen, da wir eine wesentlich höhere Warp-Geschwindigkeit erreichen können. In dieser Hinsicht möchte ich ihnen etwas vorschlagen. Wenn Sie einverstanden sind, dann könnten wir zwei von unseren Offizieren austauschen, solange wir unterwegs sind. Valand Kuehn machte einen überraschten Eindruck bei Tomalaks letzten Worten. Sylvie, die neben dem Sessel des Captains stand, blickte fragend zu ihm. Der Norweger überlegte, was der Romulaner damit bezweckte. War es ein Zeichen von Vertrauen, oder wollte er auf diese Weise eine Geisel in seinen Besitz bringen? Letzteres schien ihm unwahrscheinlich, da er in diesem Fall ebenfalls eine Geisel in seiner Gewalt haben würde. „Stellen Sie meine Geduld nicht auf die Probe“, warnte Tomalak ungeduldig. „Ich stimme dem Vorschlag zu und nehme gerne die angebotene Hilfe an. Darf ich fragen, wohin sie uns zu bringen gedenken? „Ja“, antwortete Tomalak mit etwas zufriedenerer Miene. „Wir werden ihr Schiff zu einem Außenposten unserer Flotte, in der Nähe von Cheron bringen. Dort haben wir die Möglichkeit, ihre Besatzung für eine Weile adäquat unterzubringen und zu versorgen. Allerdings werden wir ihre Bewegungsfreiheit dort auf die nicht-kritischen Bereiche beschränken müssen.“ „Dafür habe ich vollstes Verständnis, Commander Tomalak.“ Er blickte kurz zur Seite, und die Französin ahnte, wen er als Austauschoffizier zu schicken gedachte. Dann sagte er: „Ich bitte Sie, meinen Ersten Offizier mit ihrem Transporter zu ihnen zu holen, wenn Sie uns Ihren Offizier senden. Wie Sie wissen funktionieren unsere Transporter nicht. Die Schilde der ALAMO sind noch immer inaktiv, Sie können also jederzeit beginnen.“ „Der Austausch wird in zehn Minuten Ihrer Zeitrechnung beginnen. Ihr Offizier hat also Zeit, noch einige persönliche Dinge zu packen, bevor er zu uns an Bord kommt. Tomalak, Ende.“ Die Verbindung wurde unterbrochen und Valand wandte sich zu Sylvie LeClerc. „Du hast es gehört. Es liegt bei dir, die Föderation bei den Romulanern zu vertreten. Ich muss Dir nicht die Wichtigkeit dieser Aufgabe vor Augen führen, denke ich.“ „Merde“, knurrte die Französin und wandte sich zum Gehen. So leise, dass nur sie ihn verstehen konnte, raunte ihr Valand zu: „Mach mir bitte keinen Kummer, dort drüben.“   * * *   Knapp neun Minuten später war Sylvie LeClerc wieder auf der Brücke der ALAMO. Sie hatte Kleidung, einige Hygiene-Artikel und ein paar persönliche Dinge in ihre Reisetasche gepackt. Nun war sie so bereit, wie man sein konnte, um sich in die Hände von Romulanern zu begeben, deren Intentionen man nicht durchschaute. Valand, der sich erhoben hatte und nun neben ihr stand, zwinkerte ihr aufmunternd zu, und sagte noch einmal beruhigend: „Egal was auch immer dort drüben passiert, bedenke, dass du dort Gast bist. Einige Verhaltensweisen, oder Angewohnheiten der Romulaner könnten dir fremd, oder unverständlich sein. Erinnere Dich bitte in solchen Situationen immer an die Oberste Direktive. Nichteinmischung muss Priorität haben. Beobachte dafür um so genauer, ich möchte später einen umfassenden Bericht über die internen Abläufe, und wenn es geht, auch über ein paar technische Details, sofern du etwas in Erfahrung bringen kannst.“ Sylvie LeClerc, die sich mittlerweile mit ihrem Auftrag abgefunden hatte, nickte und antwortete: „Du kannst Dich auf mich verlassen, Valand.“ „Das tue ich auch.“ Im nächsten Moment wurde die ALAMO gerufen, und das Konterfei Tomalaks erschien auf dem Bildschirm. „Wie ich sehe, sind Sie bereit. Wir werden nun den Transport einleiten. Kontakten Sie mich, wenn es Schwierigkeiten geben sollte.“ Damit war die Verbindung auch schon wieder unterbrochen. „Mon Dieu, es geht los“, sagte die Französin noch, bevor sie sich auflöste. Zeitgleich rematerialisierte die Romulanerin neben Valand Kuehn, die bereits vor einigen Stunden, zusammen mit Tomalak an Bord gewesen war. Allerdings hatte es der romulanische Commander unterlassen, sie einander vorzustellen. Dies holte Valand Kuehn nun nach, als er einen halben Schritt auf die hochgewachsene Frau zu machte, und freundlich sagte: „Ich heiße Sie auf der ALAMO willkommen. Ich bin Commander Valand Kuehn. Darf ich mich nach Ihrem Namen und Ihren Rang erkundigen?“ „Sublieutenant Ti´Maran, von der Romulanisch Imperialen Flotte“, antwortete die Romulanerin mit dunkler Stimme. Kuehn verneigte sich leicht, da er nicht wusste, ob man bei Romulanern das Händeschütteln kannte. Dann lächelte er etwas verlegen und meinte freimütig: „Ich muss zugeben, dass ich keinerlei Erfahrung im Umgang mit Austauschoffizieren habe, Sublieutenant. Was würden Sie vorschlagen?“ Die dunklen Augen der Romulanerin musterten Valand Kuehn forschend, bevor sie erklärte: „Es wäre mir recht, wenn Sie mich in den normalen Dienstablauf einbinden würden, und mir dabei hilfreich zur Seite stehen würden, Commander. Mich interessierten die Routineabläufe auf einem Föderationsschiff.“ „Das lässt sich machen“, stimmte Kuehn zu. „Zunächst werde ich Sie mit der Brückencrew vertraut machen, und Ihnen die Aufgabenbereiche an den einzelnen Stationen erläutern. Danach ist unsere Schicht ohnehin zu Ende und ich werde Ihnen Ihr Quartier, das sie während Ihrer Anwesenheit bewohnen werden, zeigen.“ Die Romulanerin rückte ihre Reisetasche, die sie an einem breiten Riemen über der Schulter trug, zurecht und meinte zustimmend: „In Ordnung, Commander. Fangen wir an.“   * * *   Es stellte sich rasch heraus, dass Ti´Maran eine schnelle Auffassungsgabe besaß, und Valand Kuehn fand Gefallen daran, der Romulanerin die verschiedenen Funktionen von Besatzung und Schiffssystemen zu erklären. Nachdem die zweite Schicht den Dienst, unter Lieutenant Scrillian, übernommen hatte, verließen sie gemeinsam die Brücke und fuhren mit dem Turbolift zu Deck-4 hinunter. Einige der Gästequartiere in der Nähe seines eigenen Quartiers hatten die Katastrophe unbeschadet überstanden, was ihm nun entgegen kam. Auf dem Weg dorthin erkundigte sich Ti´Maran: „Warum arbeiten Sie, bei der dezimierten Besatzung der ALAMO nicht mit einer Zwei-Schichten-Rotation, Commander? Wäre das nicht wesentlich effizienter?“ Kuehn unterdrückte ein Schmunzeln. „Das haben wir, fast fünfzehn Monate lang, um das Schiff, so schnell wie möglich wieder weltraumtüchtig zu bekommen, Sublieutenant. Dabei sind alle Besatzungsmitglieder weit über ihre Grenzen hinaus gegangen. Hätten wir danach dieses System beibehalten, dann wäre irgendwann unweigerlich der Zusammenbruch erfolgt. Sie dürfen nicht vergessen, dass die meisten Besatzungsmitglieder auch seelisch gelitten haben. Sie brauchen Zeit, um sich zu regenerieren.“ Sie erreichten das Quartier, welches Valand zuvor auf die Schnelle hatte vorbereiten lassen und der Norweger fragte: „Sie möchten sich sicher erst einmal einrichten?“ „Nein, das hat Zeit bis später. Zunächst würde ich gerne etwas essen. Sie könnten mir dabei Gesellschaft leisten, und mir bei der Gelegenheit gleich die Offiziersmesse zeigen.“ Valand lächelte. „Ganz wie Sie wünschen.“ Auf dem Weg zur Messe nahm Ti´Maran den Faden der vorherigen Unterhaltung wieder auf. „Es war gewiss nicht leicht für die Überlebenden, diesen Schicksalsschlag zu verarbeiten, könnte ich mir vorstellen. Sie haben mein aufrichtiges Mitgefühl.“ Valand Kuehn versuchte zu erkennen, ob dies den Tatsachen entsprach, oder nur eine höfliche Floskel der Romulanerin war. In ihren tiefbraunen Augen ließen sich ihre Gefühle jedoch nur schwer ablesen. Dies war seiner Meinung nach der bisher bedeutendste Unterschied, zwischen Menschen und Romulanern. Auch der Miene Tomalaks war bisher nur wenig zu entnehmen gewesen, zumeist auch nur dann, wenn er es wollte. „Danke, für Ihre Anteilnahme“, antwortete er schließlich diplomatisch. „Sie haben Recht, die Verluste haben uns sehr getroffen. Man vergisst zu schnell, dass Raumfahrt grundsätzlich, trotz all unserer technischen Fortschritte, immer gefährlich bleiben wird. Wer sie ernsthaft betreibt, dem muss klar sein, dass solche unvorhersehbaren Ereignisse immer wieder vorkommen können. Man rechnet nur nie damit, dass es einen selbst treffen könnte.“ „Der Verlust von Kameraden mag bitter sein, aber Sie werden darüber hinweg kommen, Commander.“ Valand Kuehn blickte der Romulanerin in die Augen, als er erklärte: „Eine der Toten war meine Frau, Sublieutenant. Wir waren seit zwei Jahren verheiratet, als unser Schiff die Katastrophe ereilte.“ Schweigend schritten sie weiter. Erst im Turbolift legte die Romulanerin ihre Hand auf seinen Unterarm und sagte: „Es tut mir leid, wenn meine Bemerkung Sie verletzt haben sollte, Commander.“ Kuehn lächelte schwach. „Nein, das hat sie nicht. Aber ich habe den Verlust noch längst nicht verwunden, Sublieutenant.“ „Das glaube ich Ihnen.“ Schnell ließ Ti´Maran seinen Unterarm wieder los. Sie erreichten schließlich die Messe. Niemand hielt sich momentan hier auf. Ti´Maran fragte am Replikator das Menü ab, bis sie einen Gemüseeintopf gefunden hatte, der ihr zusagte. Valand Kuehn wählte eine Gulaschsuppe und ein Mineralwasser dazu. Sie nahmen an einem der Fenstertische Platz und aßen eine Weile schweigend, bevor Ti´Maran um zwei Löffel herum fragte: „Ich verstehe, wenn Sie nicht über dieses Thema reden möchten, aber darf ich fragen, wie ihre Frau war?“ Kuehn nickte. „Sie war Andorianerin. Obwohl wir so verschieden waren, haben wir einander geliebt, wie es zwei Wesen nur möglich ist.“ Ein leiser Anflug von Überraschung zeichnete sich auf Ti´Marans Gesicht ab. „Sie müssen über besondere Qualitäten verfügen, Commander.“ „Die Qualität, ihren Eltern den Tod ihres einzigen Kindes mitteilen zu müssen, wird irgendwann dazu kommen. Nach andorianischer Auffassung lag ihr Schicksal in meinen Händen. Ich habe versagt, Sublieutenant.“ „Hätten Sie denn Ihr Schicksal ändern können?“ Diese Frage brachte den Norweger etwas aus dem Konzept. „Nein, natürlich nicht. Oder glauben Sie etwa, ich hätte sie dann sterben lassen?“ Ti´Maran blickte ihr gegenüber fast wütend an, und erklärte: „Dann geben Sie sich auch nicht selbst die Schuld, Commander. Denn solange Sie sich immer wieder die Schuld an etwas geben, an dem Sie unschuldig sind – solange werden sie immer in der Vergangenheit leben, und nicht in der Lage sein, Ihre Zukunft so zu gestalten, wie es richtig wäre. Und ich bin mir sicher, Commander, dass das nicht im Sinne Ihrer verstorbenen Frau wäre.“ Für einen Moment funkelte Kuehn die Romulanerin zornig an. Was fiel dieser Frau ein, so mit ihm zu reden? Fast gleichzeitig merkte er aber auch, dass diese Worte eine Wahrheit beinhalteten, der er sich bislang selbst immer verschlossen hatte, und sie erschütterten etwas. Nach einem Moment erkannte Valand Kuehn zu seiner Verwunderung, dass dieser Fremden etwas gelungen war, was selbst Melanie und Sylvie in den vergangenen fünfzehn Monaten nicht geschafft hatten. Sie hatte ihm klar vor Augen gehalten, was bisher, schwer wie ein Mühlstein, unmerklich auf seiner Seele gelegen hatte. Der Zorn schwand aus seinem Blick und machte einem leichten Beschämen platz. „Sie haben Recht, Sublieutenant. Manchmal findet das Universum seltsame Wege. Da braucht es erst eine zufällige Begegnung mit einer jungen Frau Ihres Volkes, um mir den Irrsinn einer meiner Ansichten vor Augen zu halten. Ich muss mich für ihre Worte bedanken, Sublieutenant Ti´Maran. Ich trauere zwar zukünftig bestimmt nicht weniger um meine verstorbene Frau, aber ich glaube, das Aufarbeiten dessen, was geschah, wird nun leichter für mich. Ich fürchte, dass ich in Ihrer Schuld stehe.“ „Die Haltung der Romulanerin hatte sich entspannt, und ein angedeutetes Lächeln lag für einen kurzen Moment auf ihrem Gesicht. Dann blickte sie so ernst wie zuvor. „Sie können gleich damit beginnen, Ihre Schuld abzutragen, indem sie mich durch jene Bereiche des Schiffes führen, die ich bei meinem ersten Besuch nicht zu sehen bekam.“   * * *   In den folgenden Tagen verbrachten Valand Kuehn und Ti´Maran einen Großteil ihrer Zeit mit einander. Die Romulanerin zeigte sich an allen Abläufen und technischen Details interessiert, und Valand Kuehn gab sich Mühe, alle ihre Fragen zu beantworten. Auch er selbst hatte eine Menge Fragen, von denen er die meisten erst einmal zurückstellte. Ti´Maran hatte ihm erklärt, dass der Flug nach Cheron, trotz einer Geschwindigkeit von Warp-8,4 wenigstens sechs Wochen dauern würde. Er würde also Zeit genug finden, ihr Fragen zu stellen. Am folgenden Sonntag hatte Valand Kuehn die Romulanerin zur Osterfeier eingeladen, und es hatte drei Tage gedauert, ihr die Zusammenhänge dieses Festes, mit all seinen geschichtlichen und religiösen Hintergründen zu erläutern. Dabei hatte der Norweger den Eindruck gewonnen, dass Ti´Maran ihn zwar verstanden hatte, aber die Sinnhaftigkeit dieses Festes nicht einsah. Immer wieder hatte sie sich im Anschluss erkundigt, was denn an dem gewaltsamen Tod eines längst verstorbenen Zimmermannssohnes, dessen Existenz nicht einmal sicher war, nun so außergewöhnlich gewesen sein mochte, dass man diesem Ereignis selbst 2364 Jahre später noch gedachte. Ihrer Meinung nach hätte man seiner Taten im Leben, nicht aber seines Todes gedenken sollen. Auch der Glaube, der sich später um dieses Ereignis rankte, schien ihr mehr als fremdartig, da Romulaner keine Religion im eigentlichen Sinn kannten. Obgleich sie an einen Garten Eden glaubten, den sie Vorta Vor nannten, wie Ti´Maran erklärt hatte. Als Valand Kuehn am Vormittag die Romulanerin gleich für die nächste Party, dem Tanz in den Mai, am 30. April eingeladen hatte, da hatte sie ihn befremdlich gemustert, und der Norweger hatte seine gesamte Überzeugungskraft aufbieten müssen, um ihr zu versichern, dass er das nicht speziell für sie arrangiert hatte, sondern dass diese beiden Ereignisse auf der Erde zufällig zeitlich so dicht bei einander lagen. Als sie am Nachmittag zusammen in der Messe aßen, etwas, dass sie sich seit dem ersten Tag der Romulanerin an Bord angewöhnt hatten, fragte Ti´Maran neugierig: „Das feiern von Festen scheint mir ein nicht unwesentlicher Bestandteil der menschlichen Gesellschaft zu sein. Mich erstaunt, dass dies auch bei so vielen anderen Völkern der Föderation Anklang findet. Mein eigenes Volk hat nur wenig Sinn für solche Dinge.“ „Eigentlich schade“, erwiderte Valand Kuehn und fügte mit einem verschmitzten Lächeln hinzu: „Ich hatte eigentlich gehofft, dass Sie beim Tanz in den Mai mit mir tanzen würden. Besonders der Rigelianische Fruchtbarkeitstanz hat es in sich.“ „So etwas gibt es?“ „Das kann ich Ihnen versichern“, erklärte Kuehn und lächelte in der Erinnerung daran, wie Anaree ihm diesen Tanz hatte näher bringen wollen. „Aber da ich schon mit irdischen Tänzen auf Kriegsfuß stehe wurde das natürlich ein Fiasko.“ Ti´Maran lächelte verstehend, und Valand Kuehn fand, dass sie dies ruhig öfter tun könnte, denn es stand ihr und unterstrich ihre natürliche Schönheit. Dabei musste er zugeben, dass sie die jeden Tag ein wenig mehr tat. Möglicherweise würde sie in den nächsten Wochen, die sie an Bord sein würde, ein richtig fröhliches Wesen entwickeln, und allein dafür hätte sich der Austausch der beiden Offiziere dann schon gelohnt, wie der Norweger dachte. Überhaupt waren sie schnell mit einander vertraut geworden, was Valand Kuehn als einen Erfolg wertete. Ti´Maran würde später ihren Vorgesetzten sicherlich ausführlich Bericht erstatten, und da konnte es nicht schaden, wenn sie einander gut verstanden. Um so enttäuschter wäre er wohl gewesen, hätte er in diesem Moment die Gedanken der Romulanerin lesen können, die ihre eigenen Absichten verfolgte. Ganz im Sinne ihres Auftrages. So war er ahnungslos und fragte: „Man kennt also bei Ihrem Volk keine Tänze?“ „Das ist korrekt, Commander. Aber ich bin offen dafür, etwas Neues zu lernen. Vielleicht möchten Sie mir ja, während der besagten Party, beibringen, wie so etwas gemacht wird? Natürlich nur, wenn sich das schickt.“ „Die unschicklichen Tänze lassen wir aus“, erklärte Valand lächelnd, und er freute sich bereits jetzt auf das Monatsende.   * * *   Sylvie LeClerc verfluchte Valand Kuehn momentan, weil er ausgerechnet sie für diesen Einsatz vorgesehen hatte. Zwar behandelte man sie an Bord der TERIX höflich, ja respektvoll, aber sie würde auch den Tanz in den Mai versäumen. Eine Gelegenheit, Valand gesellschaftlich näher zu kommen, und sie konnte sie nicht nutzen. Dafür war jene hübsche Romulanerin jetzt in seiner Nähe, die sie auf der ALAMO kurz gesehen hatte. Sollte dieser Kerl es wagen sich in die nächste Aliendame zu verlieben, dann würde sie ihn kaltblütig erschießen, so viel stand fest. Abseits dieses Handicaps ging es ihr nicht schlecht auf dem romulanischen Schiff, dessen schiere Größe sie schlichtweg beeindruckte. Es hatte Stunden gedauert, als Subcommander Kevek, der die meiste Zeit in ihrer unmittelbaren Nähe war, sie auf dem Schiff herumgeführt hatte. Im Maschinenraum hatte sie dann eine Überraschung erwartet, denn sie hatte dort nicht den Ansatz eines Warpkerns zu sehen bekommen. Statt dessen hatte es eine schlichte Kammer mit grün schimmernden Panzerfenstern gegeben, durch die man die sichtbaren Auswirkungen einer künstlich erzeugten Quantensingularität sehen konnte, die als Hauptenergiequelle des Schiffes diente. Ansonsten entsprachen die Nebenaggregate im Prinzip denen der Sternenflotte, wobei sie die Kompaktbauweise bewunderte. Die Romulaner schienen der Föderation technisch um einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte voraus zu sein, zumindest im Bereich der Raumschiffstechnik. Kevek schien ihr nicht zu trauen. Dennoch behandelte er sie höflich-distanziert, und er antwortete eingehend, wenn sie eine Frage an ihn richtete. Andererseits vermied sie selbst, eingedenk der Warnungen Valands, zu genaue Fragen zu kritischen, technischen, oder gesellschaftspolitischen Dingen zu stellen. Da ihr Kommunikator jedoch mittlerweile genug Sprachinformationen gesammelt hatte um die Sprache der Romulaner einwandfrei simultan zu übersetzen, hörte sie aufmerksam zu, was an Bord gesagt wurde – und mancher sagte im Verlauf eines Tages sehr viel. So wäre Kevek nicht schlecht erstaunt gewesen, wenn er geahnt hätte, welches umfangreiche Wissen sich die Französin über die Größe, und die Aufteilung der Romulanischen Raumflotte angeeignet hatte. So, wie es auch Ti´Maran getan hatte, hatte sich Sylvie LeClerc in die Brückenroutine an Bord der TERIX einbinden lassen. Dabei waren die romulanischen Schriftzeichen und Symbole für sie anfangs ein Buch mit sieben Siegeln gewesen. Mittlerweile konnte sie die einzelnen Funktionen und Begriffe auseinanderhalten, und selbst Kevek hatte sich verhalten anerkennend darüber geäußert. Als sie an diesem Abend, zusammen mit Kevek und zwei Lieutenants der Brückenbesatzung in der Offiziersmesse saß, achteten die übrigen Anwesenden kaum auf sie. Mittlerweile hatten sie sich an ihr Hiersein gewöhnt, und akzeptierten sie als Teil der Crew. Nach einem scharf gewürzten Mal, dass fürchterlich schmeckte, blickte die Französin zu Kevek, der einen kleinen Vortrag über den Sinn und Zweck von Täuschungsmanövern hielt. Als er geendet hatte warf sie ein: „Während meiner Zeit an der Akademie der Sternenflotte habe ich über diese Taktik ein Referat gehalten und anhand eines Beispiels aus dem Fechtsport erklärt, Commander. Es wurde sehr gut benotet.“ „So?“, machte der Romulaner. „Ich glaube nicht, dass man dieses Thema derart theoretisch angehen kann. Dazu gehören Jahre der Praxis.“ Als Sylvie LeClerc Anstalten machte zu widersprechen, warf ihr einer der beiden Lieutenants, mit dem sie sich in den letzten Tagen etwas angefreundet hatte, einen warnenden Blick zu. Doch die blonde Frau ignorierte dies und erklärte nun ihrerseits: „Ich denke, dass ein guter Theoretiker, in dieser Hinsicht, einem Praktiker mindestens ebenbürtig ist, Sir. Kennen sie so etwas, wie Fechten?“ „Ja, in grauer Vorzeit, warum fragen Sie?“ „Nun, in meinem Beispiel führte ich an, dass es bei dem Kreuzen der Klingen nicht darum geht, auf den Gegner physisch einzuwirken, sondern vielmehr darum, bei jeder Berührung der Klingen, die des Gegners immer weiter aus der Deckung zu lenken, bis der Körper entblößt ist für die finale Attacke.“ „Das muss aber ein sehr guter Fechter sein“, wandte der Romulaner ein. „Außerdem scheint mir dieses Beispiel lediglich für das Fechten anwendbar zu sein.“ „Durchaus nicht“, widersprach die zierliche Frau. „Theoretisch kann man diesen Vergleich auf jede Situation übertragen. Entschuldigen Sie mich einen Moment.“ Damit schritt sie zum Replikator und kehrte kurze Zeit später mit drei Tassen und einer Dose Zuckerwürfel zurück an den Tisch. „Vielleicht kennen Sie ein ähnliches Geschicklichkeitsspiel, in dem es darum geht zu erraten, unter welcher Tasse sich ein Objekt, in diesem Fall ein Stück Zucker befindet?“ Während Kevek eine zustimmende Geste machte, griff Sylvie in die Zuckerdose. Sie legte ein Stück auf die dunkle, glänzende Tischplatte und verbarg ihn dann mit einer der Tassen. Danach drehte sie schnell und mit geschickten Bewegungen die beiden anderen Tassen um und sie begann sie, in sinnverwirrender Schnelligkeit zu vertauschen. Schließlich blickte sie den Commander an, der glaubte zu wissen, welche Tasse es war. „Nun, Commander Kevek, wo befindet sich nun der Zuckerwürfel?“ „Unter keiner der Tassen, ich kenne diesen Trick.“ Sylvie lächelte. „Nur zum Zweck der Illustration, würden Sie bitte dennoch eine der Tassen hochheben?“ Der Commander warf ihr einen undefinierbaren Blick zu. Schließlich griff er zu der, von ihm gesehen linken Tasse und hob sie an. Und weiß gegen dunkelgrün hob sich der Zuckerwürfel ab. Kevek lächelte dünn. „Nun, zumindest sind Sie eine ehrliche Spielerin.“ Sylvie LeClerc nickte. „Starten wir einen neuen Versuch.“ Sie bedeckte den Zuckerwürfel mit der Tasse und vertauschte sie, diesmal noch etwas schneller. Diesmal hob Kevek die mittlere Tasse, und auch diesmal fand er ein Stück Zucker darunter. Fragend blickte er zu der Französin, die erneut in einem komplizierten Muster, die Tassen vertauschte. „Als der Commander auch dieses Mal das Stück Zucker fand wirkte er fast verärgert, und er fragte: „Wohin soll das alles führen, Lieutenant-Commander?“ Die blonde Frau erklärte lächelnd: „Es scheint so, als könnten Sie gar nicht verlieren, solange ich das Spiel leite. Vielleicht sollte es Lieutenant Tovek einmal versuchen. Der angesprochene Romulaner wechselte einen abklärenden Blick mit seinem Vorgesetzten, bevor er den Würfelzucker wieder mit einer Tasse bedeckte und sie dann zu vertauschen begann. Dabei erwies er sich nicht gerade als sonderlich geschickt, so dass alle Beteiligten am Tisch den Weg der Tasse verfolgen konnten, unter der das Stück Zucker lag. Die Tasse landete wieder mal in der Mitte, und Kevek streckte seine Hand aus. Er hob die Tasse jedoch nicht an, sondern zog die Hand überlegend wieder zurück um sie an die rechte Tasse zu legen. Dabei schlug er abwechselnd mit den Fingernägeln von Zeige- und Mittelfinger daran, so dass ein leise klingelndes Geräusch entstand. Er blickte Sylvie LeClerc, die noch immer lächelte, eindringlich an. „Ich weiß nicht, wie Sie es machen, aber wenn ich diese Tasse hier anhebe, dann befindet sich darunter der Zucker. Hebe ich hingegen eine der anderen Tassen an, dann wird sich darunter der Zucker befinden. Sie haben mich unsicher in meiner Entscheidung gemacht, was sie von vornherein erreichen wollten. Aber ich durchschaue Ihren Plan, und werde ihn durchkreuzen, indem ich keine der Tassen anhebe.“ Damit erhob er sich abrupt und verließ die Messe. Die beiden Lieutenants grinsten Sylvie, die noch immer lächelte und die Tassen jeweils kurz mit den Händen bedeckte, als sie sie über die Tischkante zog, um sie wieder richtig herum auf den Tisch zu stellen. Dabei legte sie schnell den Zucker zurück. „Nun, der Commander war Ihnen am Ende überlegen, meinte Tovek. Das werden Sie jetzt zugeben müssen.“ Das Lächeln der Französin vertiefte sich, als sie endlich erklärte: „Nein, Lieutenant. Der Commander hat einen geschickten Versuch unternommen, die Fakten zu verdrehen. Er hat nicht mitbekommen, dass ich anfangs unter jede Tasse ein Stück Zucker gelegt habe. Als er dann das erste Stück fand, da hat er geglaubt ich hätte einen Fehler gemacht. Als er dann das zweite Mal ein Stück Zucker fand, da hat er zwar begonnen sich Gedanken zu machen, aber er war noch immer der Meinung mit allen Facetten, die ihm mein Spiel bot fertig zu werden. Erst als er dann zum dritten Mal den Zucker fand begann ihm bewusst zu werden, dass ich die Regeln geändert hatte, und es in Wirklichkeit darum ging, keinen Zuckerwürfel zu finden. Diese Tatsache verwirrte ihn zunächst. Bis zur vierten Runde hat er das vermutlich herausgefunden, aber da konnte er nicht mehr zugeben, dass ich ihn zuvor bereits dreimal an der Nase herumgeführt hatte.“ In Toveks Blick lag so etwas wie Anerkennung, aber auch Sorge. „So etwas sollten Sie nicht öfter mit Kevek machen, Lieutenant-Commander. Er mag so etwas nicht.“ Sylvie nickte schmunzelnd. „Machen Sie sich keine Sorgen, Lieutenant Tovek, ich glaube nicht, dass sich der Commander so schnell wieder auf ein Spielchen mit mir einlässt.“ Kapitel 14: Ankunft über Cheron ------------------------------- Persönliches Logbuch Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 42361.7   Wir befinden uns weit hinter der Neutralen Zone, im Raum der Romulaner, und unsere Odyssee ist am Ende einer weiteren Etappe angekommen. Trotz der Freude darüber, morgen Nachmittag Cheron zu erreichen, und die Last der Verantwortung, für eine Weile, etwas in den Hintergrund treten zu lassen, solange wir Gäste der Romulaner sind, nagt doch der Zweifel in mir, ob ich richtig gehandelt habe, und nicht vielleicht Schiff und Crew einem ungewissen Schicksal aussetze. Nachher werde ich mit Ti´Maran zu Abend essen. Überraschend hat sie mich dazu eingeladen, und ich freue mich darüber, zeigt es doch erneut, dass unsere Völker friedlich mit einander umgehen können. Ich gestehe, dass mir die Romulanerin gelegentlich Rätsel aufgibt. Einmal habe ich das Gefühl, wir sind zwei verwandte Seelen, die sich seltsamerweise blind verstehen, obwohl wir zwei vollkommen verschiedenen Spezies angehören. Dann wiederum erscheint sie mir manchmal wieder unsagbar fremd und geheimnisvoll. Ich bin ganz sicher nicht so naiv zu glauben, dass Tomalak sie ohne Grund zu uns an Bord geschickt hat. Andererseits glaube ich zuerst einmal an das Gute in allen Wesen – auch Tomalak wird diese guten Seiten haben, oder er hätte uns nicht seine Hilfe angeboten. Vielleicht kann ich etwas dadurch bewirken, wenn es mir gelingt Ti´Maran davon zu überzeugen, dass die Föderation keine Bedrohung für ihr Volk darstellt. Ich hoffe es zumindest, denn diese Romulanerin ist mir sehr sympathisch. Noch habe ich ihren eigentlichen Auftrag nicht in Erfahrung gebracht, und ich hoffe, dass die Romulanerin mein Vertrauen in sie nicht enttäuschen wird, und ihr ebenfalls an einer zukünftigen Verständigung gelegen ist. Es ist seltsam, und ich wage es kaum zu sagen, aber ich fühle mich auf seltsame Weise zu Ti´Maran hingezogen. Ich frage mich seit einigen Tagen, was es ist, dass mich anscheinend nur für außerirdische Frauen schwärmen lässt. Ist es möglicherweise die Andersartigkeit dieser Frauen, die diese Faszination bewirkt? Manchmal bin ich geneigt das zu glauben, auch wenn diese Tendenz während meiner Akademiezeit nicht erkennbar war. Oder war sie auch da bereits gegenwärtig, und ich habe es nur nie richtig gemerkt? Sollte es vielleicht mein Schicksal sein, dass ich mein privates Glück nur zwischen den Sternen finden kann, und nicht auf meinem Heimatplaneten? Diese Fragen gehen mir seit Tagen im Kopf herum, und nur die Zukunft wird erweisen können, ob dieser Gedanke richtig ist. Seltsam – heute ist der erste Tag, an dem ich, seit Ahy´Vilaras Tod, wieder daran denke, zukünftig wieder eine feste Partnerschaft eingehen zu können. Bisher schien mir dieser Gedanke immer unendlich weit weg. Ich fühle jedoch andererseits, dass dies zunächst ein theoretischer Gedanke bleiben wird, denn bereit dafür fühle ich mich momentan nicht. Auch wenn ich tief in meinem Innern bereits heute spüre, dass auch dieser Punkt irgendwann kommen wird. Und seit langer Zeit spüre ich deswegen keine Schuldgefühle gegenüber meiner verstorbenen Frau. Und daran hat zum Teil Ti´Maran Anteil denn letztlich war sie es, die mir eindringlich klargemacht hat, wie unsinnig meine Schuldgefühle wegen ihres Todes sind. Vielleicht ergibt sich heute Abend eine Gelegenheit, in Erfahrung zu bringen, was Tomalak wirklich durch ihre Anwesenheit bezweckt, wobei ich sehr subtil vorgehen muss, denn die Romulanerin verfügt über einen scharfen und analytischen Intellekt. In den letzten sechs Wochen ist ihre Gegenwart für mich so selbstverständlich geworden, dass ich mir nur schwer vorstellen kann, dass diese Zeit sich nun dem Ende nähert. Aber vielleicht können wir einander auf jenem Stützpunkt sehen, den Tomalak bei Beginn unseres Fluges nach Cheron sprach. Fest steht schon jetzt, dass ich bereits jetzt den Moment bedauern werde, an dem wir uns endgültig verabschieden müssen.   * * *   Im sanften goldgelben Dämmerlicht von Ti´Marans Quartier saßen sich die Romulanerin und Valand Kuehn am Esstisch gegenüber und prosteten einander mit repliziertem romulanischen Ale zu. Mittlerweile hatte Kuehn von Ti´Maran erfahren, dass es bei ihrem Volk Kali-Fal genannte wurde. Noch während der Norweger das Glas zum Mund führte, spürte er, wie sich seine Atemwege weiteten um das Aroma ganz aufnehmen zu können. Vorsichtig nahm er einen Schluck und nickte anerkennend. „Jetzt verstehe ich, warum dieses Getränk, trotz des Verbots innerhalb des Föderationsraumes, sich solch großer Beliebtheit erfreut.“ Er setzte das halb geleerte Glas auf den Tisch und wandte sich den Speisen auf seinem Teller zu. Die Romulanerin blickte fragend zu Kuehn und erkundigte sich, mit leicht ironischem Unterton: „Wie verträgt sich dieses Verbot damit, dass sie gerade dagegen verstoßen?“ „Ich verstoße nicht dagegen. Wie ich schon sagte: Es ist innerhalb der Föderation verboten – aber wir befinden uns nicht in Föderationsraum, nicht wahr?“ Ti´Maran nickte, und es schien so, als würde sie sich amüsieren. „Das ist eine sehr klare Rechtsauffassung. Ist jemand innerhalb Ihrer Familie Anwalt oder Politiker?“ „Mein Vater ist Diplomat“, erklärte Kuehn lächelnd. „Lustigerweise habe ich mein Empfinden für Recht und Gerechtigkeit aber eher von meinem Großvater geerbt. Der war weder das Eine, noch das Andere.“ „Dann besitzt bei Ihnen die Familie einen sehr hohen Stellenwert?“, fragte Ti´Maran schnell nach. Sie schien plötzlich sehr interessiert zu sein. „Ja, die Familie hat mir stets sehr viel bedeutet. Und nach der Hochzeit, auch die Familie meiner verstorbenen Frau.“ Kuehn atmete tief durch. „Vermutlich verursacht darum der Gedanke daran, vor meine Schwiegereltern treten zu müssen, um ihnen den Tod ihrer Tochter mitzuteilen, mir jetzt schon Magenschmerzen. Denn auch ihnen bedeutet die Familie alles. Ich hoffe inständig, dass ich ihnen auch danach noch willkommen sein werde. Ich würde es kaum ertragen, wenn sie mich niemals würden wiedersehen wollen.“ „Das kann ich gut verstehen“, bekannte Ti´Maran. „Auch auf Romulus besitzt die Familie einen sehr hohen Stellenwert. Ich merke, dass wir mehr gemeinsam haben, als ich zunächst dachte, als ich an Bord kam. Anfangs hatte ich zugegebenermaßen Bedenken, und der Auftrag behagte mir ganz und gar nicht.“ „Welcher Aspekt ihres Auftrages genau war es, der Ihnen nicht behagte“, hakte Valand Kuehn schnell ein. „Hat Commander Tomalak vielleicht etwas verlangt, das gegen ihr Ehrgefühl verstößt?“ Der Norweger fragte das beiläufig, mit einem feinen Lächeln, doch er beobachtete die Reaktion der Romulanerin sehr aufmerksam. Ti´Maran nahm einen Bissen von ihrem Teller, wobei sie die unbedachte Äußerung verwünschte. Gleichzeitig aber fragte sie sich, ob sie nicht ganz bewusst einen Hinweis darauf gegeben hatte, was ihr eigentlicher Auftrag war. Vielleicht weil dieser Mensch ihr etwas bedeutete? Sie unterdrückte diese aufsteigenden Gedanken. Sie war Offizier des Romulanischen Sternenimperiums, und sie hatte zuerst einmal an das Wohl ihres Volkes zu denken. Ernst antwortete sie: „Nein, es war nur so, dass wir nicht wussten, ob Sie nicht versuchen würden mich über mein Wissen auszuhorchen. Wir kannten zuvor Ihre Mittel nicht, verstehen Sie, Commander?“ Das Zögern bei dieser Antwort entging Valand Kuehn nicht, und es war untypisch für Ti´Maran, soweit er sie kennengelernt hatte. Sein aufkommendes Misstrauen verstärkte sich. Er erinnerte sich wieder an einen seiner Ausbilder, bei der RED-SQUAD, der einmal gemeint hatte, dass selbst paranoide Wesen mitunter reale Feinde hätten. Schließlich erklärte er sachlich: „Ja, und ich denke, dass mein Erster Offizier ähnliche Bedenken hatte, wie Sie.“ Er beschloss das Thema zu wechseln und erkundigte sich: „Was werden Sie machen, wenn wir den erwähnten Stützpunkt erreicht haben?“ Ti´Maran schien erleichtert darüber zu sein, dass Valand Kuehn nicht weiter in sie drang, und antwortete: „Ich denke, dass die Crews unserer beiden Schiffe Landurlaub bekommen. Auch die TERIX und ihr Begleitschiff benötigen Wartung. Wir waren lange unterwegs, bevor wir informiert wurden, dass unsere Stützpunkte angegriffen worden sind. Wir konnte jedoch nicht ermitteln, durch wen.“ „Aber die Zeugen des Angriffs müssen doch etwas zu berichten gehabt haben.“ Der Blick der Romulanerin verfinsterte sich. „Es gab nirgendwo Überlebende, Commander. Wir konnten lediglich Signaturen einer uns unbekannten Partikelwaffe scannen.“ „Dann kann es also weder die Föderation, noch das Klingonische Reich gewesen sein“, erklärte Valand Kuehn überzeugt. „Zumindest scheint es so“, erwiderte Ti´Maran ausweichend. Dann wechselte sie abrupt das Thema und erkundigte sich: „Kennen Sie übrigens einen Captain Jean-Luc Picard?“ Kuehn schüttelte den Kopf und erklärte: „Nein, aber während meiner Akademiezeit wurde er durch das „Picard-Manöver“, bei der Schlacht von Maxia, bekannt. Soweit ich weiß, kommandierte er zu diesem Zeitpunkt die U.S.S. STARGAZER. Warum fragen Sie?“ „Nun, einem unserer Kommandanten ist dieser Captain Picard begegnet, einige Monate bevor wir auf Ihr Schiff stießen. Er befand sich nach Auskunft des Kommandanten Tebok an Bord eines neuen Schiffstypen der Sternenflotte.“ „Die neue GALAXY-KLASSE“, entfuhr es Valand Kuehn und seine Augen begannen zu leuchten. „Sie ist also einsatzbereit? Ich habe bisher nur davon gehört, aber keines der Schiffe je im Einsatz gesehen. Ich beneide Ihren Commander. Hat er gesagt, wie der Name des Schiffes ist?“ Ti´Maran schmunzelte ob der Begeisterung des Menschen. „Der Name war ENTERPRISE. Was bedeutet er?“ „Er bedeutet Unternehmung aber auch Unternehmensgeist oder Unternehmungslust.“ „Ein passender Name für ein Raumschiff“, meinte Ti´Maran. Dann wurde sie eine Spur ernster und sie fragte: „Wissen Sie, ob es neuartige Partikelwaffen an Bord der GALAXY-KLASSE gibt. Möglicherweise welche, deren Signatur bisher unbekannt sein könnte?“ Valand Kuehn war, als habe man einen Kübel Eiswasser über seinem Kopf ausgeleert. Das war es also. Man misstraute ihnen nicht nur, sondern man versuchte auch, durch Ti´Maran, zu erfahren, was er davon wusste. Auch Ti´Maran glaubte also, selbst nach den sechs Wochen an Bord, dass die Föderation Welten der Romulaner angegriffen hatte. In all der Zeit hatte Ti´Maran ihm also nur etwas vorgespielt. An diesem Punkt seiner Überlegungen angekommen, verfinsterte sich der Blick des Norwegers, und er stand abrupt auf. Zornig funkelte er die Romulanerin an und zischte wütend: „Darum ging es also die gesamte Zeit über! Sie wollten in all den Wochen lediglich in Erfahrung bringen, was ich bezüglich der neuen GALAXY-KLASSE, und über ihre Bewaffnung weiß, weiter nichts. Und ich Narr hatte wirklich gedacht, dass es eine Möglichkeit geben könnte, dass unsere beiden Völker auf einer gewissen Vertrauensbasis mit einander umgehen können. Ich habe mich wohl geirrt.“ Damit wandte er sich zum Gehen. Schnell erhob sich Ti´Maran und stellte sich dem Norweger in den Weg. „Ja es stimmt. Das war ursprünglich mein Auftrag!“, erwiderte sie heftig. „Aber dann haben ich Sie besser kennengelernt, Valand Kuehn, und mir wurde bewusst, dass Sie nichts mit diesen Angriffen zu tun haben. Aber verstehen Sie doch, wir mussten herausfinden, ob nicht doch ein neues Schiff der Föderation in der Lage sein könnte, die Angriffe durchgeführt zu haben. Was hätten Sie denn getan?“ „Ich hätte es mit der Wahrheit versucht, Sublieutenant“, erwiderte Kuehn kalt. „Auf der Erde gibt es ein Sprichwort das besagt: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Damit wandte er sich endgültig ab und verließ das Quartier. Kaum dass sich das Schott hinter ihm geschlossen hatte, riss sie sein Trinkglas vom Tisch. „Veruul!“, schrie sie durch das geschlossene Schott hinter Kuehn her und warf das Glas vor das Schott, das mit einem hellen Ton daran zerschellte.   * * *   Ausgesprochen mürrisch saß Valand Kuehn am nächsten Vormittag im Sessel des Captains und starrte auf den Hauptschirm. Er hatte vor etwa einer Stunde Tomalaks Schiff angerufen und darum gebeten, seinen Ersten Offizier im Austausch gegen Ti´Maran umgehend zu ALAMO zurück zu schicken. Tomalak selbst hatte sich gemeldet und seinem Wunsch entsprochen. Valand hatte Sylvie, nach ihrer Rückkehr, knapp Willkommen geheißen, und sich danach im Bereitschaftsraum ihren Bericht angehört. Vor etwa zehn Minuten hatte er dann die Brücke betreten, während Sylvie noch einen Kaffee im Bereitschaftsraum trank, und seitdem saß er fast reglos im Kommandantensessel und brütete vor sich hin. Er hatte das Gefühl gehabt, dass Ti´Maran gerne noch einmal unter vier Augen mit ihm gesprochen hätte, doch seine Enttäuschung hatte das nicht zugelassen. Seine Haltung änderte sich erst, nachdem sie in das System einflogen, und Kurs auf den Planeten Cheron hielten. Schließlich meldete McCrea, dass die drei Schiffe sich einer gewaltigen Raumstation näherten. Auf den Schirm wurde neben dem Planeten Cheron, eine Station sichtbar, die mit einer lichten Weite von über sieben Kilometern alle bisher gebauten Sternenflottenbasen weit in den Schatten stellte. Von Oben glich sie einem Zahnrad, wobei sich in jeder der zwanzig Einbuchtungen eine Werftanlage befand, die auch Schiffe von der Größe der TERIX aufnehmen konnte. Eine von ihnen, das ahnte Valand Kuehn, würde schon bald die ALAMO aufnehmen. Als sie näher kamen wurde auch das Profil von der Seite ersichtlich. Von dieser Warte glich die Station eher einem Konus mit stark konkav gewölbten Seiten. Kuehn schätzte, dass die Höhe der Station, inklusive Antennen, nicht ganz deren Durchmesser erreichte. Wie der Norweger er vorausgesehen hatte, schleppten die beiden romulanischen Warbirds die ALAMO zu einer der unbesetzten Buchten, deren Tiefenstrahler gerade aktiviert wurden. Offensichtlich stand Tomalak bereits in längerer Funkverbindung zur Station und hatte die Aufnahme des Föderationsschiffes angekündigt. Mindestens die Hälfte der anderen Buchten war belegt, und in zwei von ihnen erkannte Kuehn die Gerippe im Bau befindlicher Schiffe, die bereits dieselbe Grundstruktur aufwiesen, wie die TERIX. „Fantastisch“, entfuhr es Sylvie LeClerc, die von dem Norweger unbemerkt, ebenfalls die Brücke betreten hatte. „Dagegen wirkt selbst Sternenbasis-1 über der Erde kümmerlich.“ „Ja, das ist eine tolle Anlage“, gab Kuehn ihr Recht. „Ich frage mich, ob sie uns ausgerechnet deshalb zu dieser Basis gebracht haben, um uns zu beeindrucken und wir später von der gewaltigen Schiffsbaukapazität berichten. Vielleicht will man uns dahingehend manipulieren?“ Sylvie blickte ihn mit gelindem Erstaunen an. „Seit wann bist du denn so pessimistisch. Das passt gar nicht zu Dir.“ „Ich habe in der letzten Zeit ein paar Dinge dazugelernt“, erwiderte Kuehn finster, ohne zu erklären wie er seine Worte meinte. Nach einer Weile warf er der Französin einen entschuldigenden Blick zu und fügte hinzu: „Wir reden später, auf dem Rückflug, darüber.“ „Nur wenn uns diese Spitzohren nicht doch noch hopsnehmen“, orakelte die blonde Frau düster und erntete ein amüsiertes Schmunzeln des Norwegers. „Dazu sind wir nicht wichtig genug, Sylvie. Die neue GALAXY-KLASSE wäre da schon eher die Kragenweite der Romulaner. Ich habe erfahren, dass ein Schiff dieser Klasse in Dienst gestellt wurde, die U.S.S. ENTERPRISE, unter Captain Picard.“ Sylvie blickte erstaunt. „ Der Captain Picard, von der STARGAZER?“ „Höchstpersönlich“, bestätigte Kuehn. „Er ist ebenfalls Franzmann.“ „He, bitte etwas mehr Respekt vor Franzosen. Wie du siehst bringen die es zu etwas.“ Der Norweger winkte ab. „Lassen wir das, ich...“ Kuehn wurde unterbrochen, als Petty-Officer McCrea meldete, dass sich Tomalak erneut meldete und auf den Hauptschirm schaltete. „Sie werden bemerkt haben, dass wir unser Ziel erreicht haben“, begann Tomalak ohne Einleitung. Sobald wir die Traktorstrahlen unserer Schiffe deaktivieren, wird sie der Leitstrahl der Werft erfassen. Sie brauchen dann nichts weiter zu tun, die Werftmannschaft ist informiert und wird sie hereinholen. Danach wird ein Docktunnel an eine ihrer Seitenschleusen gefahren, über den sie das Schiff später verlassen können. Sie werden dort dann vom Stellvertretenden Leiter der Station in Empfang genommen, der ihnen Ihre Quartiere zuweist, und sie mit den Gegebenheiten der Station vertraut machen wird. Später, so hoffe ich, werden Sie und Ihr Erster Offizier zusammen mit mir, dem Stationsleiter, und einigen weiteren Offizieren, zu Abend essen. Ich werde mich etwa eine halbe Stunde zuvor bei Ihnen melden.“ Valand Kuehn unterdrückte den Ärger, den er wegen Ti´Maran noch immer empfand und nickte verbindlich. „Wir freuen uns darauf, Commander Tomalak.“ „Dann sehen wir uns später. Tomalak, Ende.“ Das Konterfei des Romulaners verschwand vom Bildschirm und Kuehn wandte sich zu Sylvie um. „Du hast es gehört. Heute Abend gibt es romulanische Spezialitäten.“ „Toll, die hatte ich sechs Wochen lang. Langsam bekomme ich Sodbrennen davon. Ich kann Dir versichern, an deren Küche ist gar nichts speziell.“ „Das eine Mal wirst du auch noch überstehen“, spöttelte Kuehn und nahm die Meldung von Thania Walker, dass die ALAMO nun vom Leitstrahl der Station erfasst und gesteuert wurde, gelassen entgegen. Er wandte sich wieder Sylvie zu. „Du hast die Brücke. Sollte etwas sein, ich bin in meinem Quartier und packe einige persönliche Gegenstände ein.“ Sylvie LeClerc nickte, und sie wusste, dass es die Haarsträhne seiner verstorbenen Frau war, und die Phiole mit Ahy´Vilaras Blut, die er mitzunehmen gedachte.   * * *   Die Übergabe der U.S.S. ALAMO war problemlos vonstatten gegangen. Nachdem sämtliche Datenbanken gesichert und gegen unbefugten Zugriff geschützt worden waren, hatte die Crew das Schiff verlassen und in die Obhut der Werftcrew gegeben. Zwar gab es in den Datenbanken des Föderationsschiffes keine Dateien, welche die Romulaner nicht hätten einsehen dürfen, ohne dass der Föderation dadurch ein Nachteil entstand, aber Kuehn hatte beschlossen, so zu tun, als wäre es anders. Wenn die Romulaner unbedingt ihre Paranoia pflegen wollten, dann konnte es vielleicht nicht schaden, dieser Paranoia Nahrung zu verschaffen, um einen Trumpf auf der Hinterhand zu haben. Zweifellos würde Tomalak am heutigen Abend das Thema Datenbank-Download noch einmal anschneiden, besonders da er erfahren würde, dass die Datenspeicher der ALAMO gesichert waren. Und er, Valand Kuehn, würde um die Herausgabe der Dateien pokern, auch wenn er lieber Skat zu spielen pflegte. Kuehn, der nach einer Dusche in der geräumigen Zimmerflucht stand, die er an Bord der Raumstation bewohnte, und sich ankleidete, lächelte kalt. Ja, er würde darum pokern, als würde die Existenz der Föderation davon abhängen, ob die Romulaner diese Dateien bekamen, oder nicht. Tomalak hatte das Spiel auf diese Weise begonnen, als er Ti´Maran zu ihm, auf die ALAMO, geschickt hatte, und nun kam die Revanche dafür. Er ballte die Fäuste, als er sich bei diesen Rachegedanken ertappte. So kalt hatte er niemals sein wollen, aber Tomalak hatte ihm dieses Spiel aufgezwungen. Und auch Ti´Maran, die seine Gefühle auszunutzen gedacht hatte, um an Informationen zu gelangen. Zeit erwachsen zu werden, und sich von einigen Illusionen zu verabschieden, überlegte Valand Kuehn düster. Doch da war immer noch jene mahnende Stimme in ihm – sein Gewissen, und er war erleichtert, dass sie noch da war. Auch wenn sie etwas an Einfluss eingebüßt zu haben schien. Unbewusst legte sich die Hand des Mannes auf die Brusttasche, in der er die Haarsträhne und das Blut seiner verstorbenen Frau bei sich trug, und er schloss seine Augen. Für einen Moment glaubte er ihre Stimme zu hören, die ihn daran erinnerte, wer er war, und wie er sein sollte. Keine Angst, ich werde immer der bleiben, der ich bin, dachte er. Aber ich werde andererseits, von nun an, auch das tun, was die jeweilige Lage erfordert, ohne dabei meine Prinzipien zu verraten, das verspreche ich. Der Norweger war nie besonders religiös gewesen, aber in diesem Moment hoffte er inständig, dass seine Gedanken nicht ungehört blieben. Vor etwa zehn Minuten hatte sich Tomalak über Interkom gemeldet, und ihm mitgeteilt, dass er und Sylvie, in zwanzig Minuten von einem Offizier abgeholt werden würden. Das gab ihm Zeit sich gedanklich noch etwas auf die kommende Begegnung mit diesem Romulaner vorzubereiten. Bislang hatte man ihn und die Crew der ALAMO zuvorkommend behandelt, und Kuehn konnte nur hoffen, dass sich dies nicht ändern würde. Diese momentane Abhängigkeit von den Romulanern gefiel ihm nicht sonderlich. Er kleidete sich fertig an, und setzte sich in einen der breiten Sessel um noch etwas zu entspannen. Fast überrascht öffnete er seine Augen wieder, als der Türsummer betätigt wurde, und erhob sich. Das Schott öffnete sich, als er seine Hand auf den Kontakt, an der Wand daneben, legte. Draußen wartete ein schlanker Romulaner mittleren Alters und Sylvie LeClerc, die der Offizier zuvor abgeholt hatte. Er bat die beiden Menschen ihm zu folgen. Nach kurzer Zeit erreichten sie einen der zahlreichen Turbolifts, den sie benutzten um schneller Vorwärts zu kommen. Als sie schließlich vor dem Quartier ankamen, das Tomalak zur Zeit bewohnte, betätigte der Romulaner den Türmelder, ließ beide Sternenflottenoffiziere eintreten und entfernte sich dann. Valand Kuehn fragte sich, ob wirklich alle Installationen der Romulaner in Grün- und Brauntönen gehalten waren, denn auch hier herrschten diese beiden Farben überwiegend vor. Tomalak schritt auf sie zu und begrüßte sie freundlich, wenn auch Wachsamkeit in seinen Augen lag. Er führte sie zu dem großen Tisch hinüber, an dem der Norweger neben einem hager wirkenden älteren Romulaner auch Ti´Maran wiedererkannte. Kuehns Vermutung über die Position des Hageren bestätigte sich, als Tomalak ihn vorstellte. „Das ist Kommandant Horakan. Er leitet diese Station schon seit einigen Jahren Ihrer Zeitrechnung.“ Valand Kuehn und Sylvie LeClerc verneigten sich leicht in Richtung des Kommandanten, der den Gruß stumm auf dieselbe Weise erwiderte. Dann wies Tomalak auf die Romulanerin und erklärte: Sublieutenant Ti´Maran haben sie bereits kennengelernt. Ihr Bericht ist sehr positiv ausgefallen, Commander Kuehn. Ich dachte das würden Sie gerne wissen.“ „Danke, Commander Tomalak. Es war sehr interessant Ihren Sublieutenant an Bord der ALAMO zu haben.“ Dabei warf er der Romulanerin einen kurzen Seitenblick zu, den nur sie zu deuten wusste. „Bitte, setzen Sie sich“, schlug Tomalak vor und deutete auf zwei freie Plätze am Tisch, der eine etwas längliche, sechseckige Form aufwies. Während sich Valand Kuehn an die Schmalseite, Tomalak gegenüber setzte, nahm Sylvie LeClerc zu Valands Rechten, neben Ti´Maran Platz. Eine Ordonanz, die sich bisher im Hintergrund gehalten hatte, servierte nun Platten mit romulanischen Gerichten. Dazu wurde Kali-Fal gereicht, und Valand warf seiner Begleiterin einen warnenden Blick zu, den sie richtig interpretierte. Auch sie hatte bereits von den Nebenwirkungen auf den menschlichen Körper gehört. Der Norweger nahm genug um nicht unhöflich zu erscheinen, aber nicht so viel, um es im Falle eines Falles nicht mit Todesverachtung herunter bringen zu können. Immerhin hatte er noch die mahnenden Worte von Sylvie im Ohr. Sie prosteten einander mit dem Kali-Fal zu, und Valand beobachtete die drei Romulaner dabei, wie sie ihr Besteck ergriffen, bevor er sein eigenes nahm. Er wollte nicht dadurch unangenehm auffallen, dass er es möglicherweise falsch herum hielt. Es stellte sich jedoch sehr schnell heraus, dass dies kaum möglich war, denn es unterschied sich nur gering von dem Besteck, welches auch Menschen benutzten. Dennoch, so wusste Kuehn, konnte man sich auch durch Kleinigkeiten blamieren, die weniger offensichtlich waren. So nahmen beispielsweise Japaner Reis und Nudeln nur von der Seite aus der Schüssel, nie direkt von oben – es sei denn, sie hätten den Göttern opfern wollen. Auch legte man die linke Hand dort nie auf, sondern stets unter den Tisch. Solche kleinen Fehler wollte Valand Kuehn hier vermeiden. Nachdem er einige Bissen probiert hatte, atmete er erleichtert auf. Zwar schmeckten die Speisen entweder zu fade oder zu scharf, aber man konnte sie essen, ohne dass einem davon übermäßig übel wurde. Sylvie LeClercs Gesichtsausdruck sprach hingegen eine andere Sprache. Valand war sich sicher, dass ihr im Moment ein Wurstbrot lieber gewesen wäre. Tomalak war höflich genug, zu warten, bis sie zu Ende gespeist hatten, bevor er sich in seinem Sessel zurücklehnte, und das Thema, nach einigen belanglosen Sätzen, auf die Datenbanken der ALAMO brachte. Seine Augen verengten sich unmerklich, als er Kuehn direkt ansah, und sagte: „Kommandant Horakan berichtete mir, dass die Datenbanken der ALAMO gesichert worden seien. Natürlich wurde das von der Reparaturcrew nur zufällig, bei einem Routinecheck der Schiffsfunktionen entdeckt.“ „Natürlich“, entgegnete Kuehn verbindlich. „Es ist eine Standardmaßnahme, wenn das Schiff in fremde Hände gegeben wird, und kein Misstrauen unsererseits. Ich gestatte mir darauf hinzuweisen, dass die Datenbanken, bei nicht autorisiertem Zugriff, oder auch nur einem solchen Versuch gelöscht werden. Auch das ist lediglich eine Standardprozedur.“ Horakan musterte Kuehn forschend, während Tomalak ihn mit einem finsteren Blick bedachte und fragte: „Was gedenken Sie uns als Gegenleistung zukommen zu lassen, für die Hilfe, die wir Ihnen leisten? Ich denke, dass es nur angebracht wäre, wenn wir im Gegenzug Einsicht in Ihre Forschungsarbeit nehmen dürften.“ Sowohl Valand Kuehn, als auch Sylvie LeClerc wussten, dass es diesem Romulaner wohl kaum um Forschungsergebnisse ging, und die Französin wollte eine entsprechende Bemerkung machen, doch Valand hielt sie davor zurück, indem er unter dem Tisch seine Hand auf ihr Knie legte und spürbar fest zudrückte. Er selbst antwortete dabei: „Die meisten unserer Forschungsdaten gingen bei der Katastrophe verloren, Commander. Ich glaube kaum, dass Sie mit den Fragmenten etwas anfangen können. Ansonsten enthalten unsere Datenbanken nur Daten über die ALAMO, die nicht Jedermann zugänglich sein sollen. Nur Offiziere der Sternenflotte dürfen diese Dateien einsehen, darum sind sie verschlüsselt. Selbst meine Autorisation ist zu gering, um diese Dateien aufzuschlüsseln.“ Das war nicht gelogen, auch wenn er verschwieg, dass die Autorisation von drei Offizieren anhand eines Notfallcodes dennoch erfolgen konnte. Aber das musste Tomalak nicht unbedingt erfahren. Der düstere Blick der beiden Romulaner sprach Bände. Ti´Maran hingegen wirkte eher nachdenklich. Sie hatte ihn kennengelernt, doch sie enthielt sich irgendwelcher Kommentare, auch wenn der Norweger sich in diesem Moment sicher war, dass sie seine Aussagen gelinde gesagt anzweifelte. Für einen Moment blickte Ti´Maran ihn an, und eine Bitte schien in ihrem Blick zu liegen. Kuehn wandte sich schnell wieder den beiden Männern zu, als Horakan zum ersten Mal das Wort ergriff und erklärte: „Der vorläufige Bericht der Werftcrew besagt, dass wir etwa drei Monate ihrer Zeitrechnung für die dringendsten Reparaturen veranschlagen müssen. Möglicherweise auch etwas mehr. Und selbst dann werden Sie kaum schneller fliegen können, als mit Warp-6,5. Allerdings werden Sie dann diese Geschwindigkeit permanent für mindestens eine Woche halten können, bevor sie eine kleine Erholungsphase für die Aggregate einlegen müssen. Es wäre außerdem hilfreich, wenn ihre Techniker meine Leute unterstützen würden.“ Kuehn nickte dankbar. „Ich werde Miss Kerath und Mister Chirome nachher in Kenntnis davon setzen, dass das Technische Team mit eingebunden werden soll.“ Der Romulaner nickte verbindlich. Tomalak ergriff die Gelegenheit sich erneut zu Wort zu melden. „Commander Kuehn, ich fordere Sie noch einmal eindringlich auf, sich meinen Vorschlag zu überlegen. Aber überlegen Sie nicht zu lange, meine Geduld ist nicht unendlich, wie der Kosmos. Sie können nicht erwarten, dass Sie etwas von uns bekommen, ohne sich dafür erkenntlich zu zeigen.“ Trotz des diplomatischen Tonfalls spürte Valand Kuehn sehr deutlich, dass eine unüberhörbare Warnung darin enthalten war. Tomalak hatte nach dem Köder geschnappt, und schon sehr bald gedachte Valand Kuehn, die Leine einzuholen. Laut sagte Kuehn: „Ich werde über Ihre Worte nachdenken, Commander Tomalak.“ Sie verbrachten noch eine halbe Stunde mit Gesprächen über die Unterbringung der ALAMO-Crew auf der Station, und wie genau die Technische Abteilung des Föderationsschiffes in die Reparaturarbeiten mit eingebunden werden sollte. Danach verabschiedeten sich die beiden Sternenflottenoffiziere von ihrem Gastgeber, und Tomalak wies Ti´Maran an, seine Gäste zu ihren Kabinen zurück zu bringen. Nachdem sie das Quartier der Französin erreicht hatten, und diese sich von Ti´Maran und Valand Kuehn verabschiedet hatte, geleitete die Romulanerin den Mann schweigend zu seinem Quartier. Erst vor dem Eingang überwand sich der Norweger, seine Begleiterin anzusehen und zu sagen: „Ich danke Ihnen, für den positiven Bericht an Tomalak, Sublieutenant.“ Ti´Maran sah ihn forschend an. Dann erwiderte sie, mit gedämpfter Stimme: „Ich möchte, dass Sie wissen, Commander, dass meine Sympathie für sie, an Bord der ALAMO, nicht nur vorgetäuscht war. Ich hoffe immer noch, dass Sie einsehen werden, dass ich nicht gegen den Befehl meines Vorgesetzten handeln konnte. Wenn man es genau nimmt, dann habe ich es letztlich dennoch getan. Gute Nacht.“ Sie wollte sich schon abwenden, doch Valand erwiderte schnell: „Ich war enttäuscht, Sublieutenant. Ich möchte gerne glauben, dass Sie wirklich nicht anders handeln konnten. Gute Nacht, Ti´Maran.“ Damit verschwand er in seinem Quartier und ließ eine bedrückte Romulanerin zurück. Kapitel 15: Aufbruch zur Erde ----------------------------- Persönliches Logbuch Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 42600.8   Kaum zu glauben, dass wir uns nun seit etwa drei Monaten schon auf der romulanischen Station befinden. Die Reparaturarbeiten sind so gut wie abgeschlossen, und schon morgen können wir aufbrechen. In den letzten Wochen und Monaten hat Tomalak versucht mich mehr und mehr unter Druck zu setzen, bis ich – zumindest scheinbar – diesem Druck nachgegeben habe. Gestern ist er persönlich an Bord der ALAMO erschienen, zusammen mit einem Spezialistenteam und ich habe den Zugriff auf die Datenbanken der ALAMO autorisiert. Nicht ohne dass sich die Spezialisten der ALAMO zuvor davon überzeugt haben, dass sich wirklich keine kritischen Dateien mehr in den Datenspeichern befinden. Mit dem, was sie bekamen, werden die Romulaner herzlich wenig anfangen können, es sei denn, sie würden ein gesteigertes Interesse an der Fauna und Flora einiger Planeten des Beta-Quadranten entwickeln, oder sich für deren geologischen Aufbau interessieren. Die Daten sind hochwertig verschlüsselt worden, und es wird die Romulaner Wochen, wenn nicht gar einige Monate kosten, bis sie einen Weg gefunden haben werden, sie zu entschlüsseln. Tomalak schien sichtlich zufrieden zu sein, zumindest ließ das seine Miene erahnen, als er von Bord ging. Die Crew der ALAMO ist bereits wieder vollzählig auf dem Schiff, und zur Zeit nehmen wir nur noch Reaktorbrennstoff auf, und einige Medizinische Geräte, die uns die Romulaner freundlicherweise überlassen wollen. Letzteres wohl auf Betreiben von Ti´Maran hin, denn ich hatte ihr gegenüber erwähnt, dass wir damit sehr knapp sind, seit der Katastrophe. Seit dem Abendessen bei Tomalak haben wir uns wieder etwas öfter gesehen, und obwohl sich dabei nie wieder die anfängliche Vertrautheit einstellte, bin ich doch froh, dass wir wenigstens wieder normal mit einander umgegangen sind. Wir haben uns sehr oft über ihre Kindheit unterhalten, die alles andere als einfach gewesen sein muss, und bis zu einem gewissen Grad verstehe ich nun, warum sie so wurde, wie sie ist. Schon sehr früh übernimmt bei den Romulanern der Staat die Erziehung, und so fällt es schwer menschliche Maßstäbe anzulegen. Andererseits hat sich Ti´Maran sehr wissbegierig gezeigt, zu erfahren, wie meine Kinder und Jugendzeit verlaufen war, und das Aufleuchten in ihren Augen hatte gelegentlich dabei angedeutet, dass sie manchmal gerne an meiner Stelle gewesen wäre. Meine Freundschaft zu Tar´Kyren Dheran hat sie etwas erstaunt, und auch die Tatsache, dass ich mit einer andorianischen Frau verheiratet gewesen bin. Solche Interspezies-Beziehungen und Freundschaften kannte man im Romulanischen Sternenimperium nicht, was mich kaum verwunderte, hatten sich die Romulaner doch für lange Zeit selbst isoliert. Ich habe lange mit Ti´Maran über diese Verhaltensweise diskutiert, doch unsere Ansichten darüber haben sich nicht einander angenähert. In dieser Beziehung sind wir dann doch zu verschieden. Wäre ich bei der Ankunft der ALAMO noch froh gewesen, schnell wieder nach Hause zu kommen, so spüre ich nun wieder eine gewisse Wehmut, denn ich habe das seltsame Gefühl, mit Ti´Maran einen Freund zurück zu lassen. Ein irdisches Sprichwort besagt, dass man sich immer zweimal im Leben begegnet, und ich hoffe in diesem Fall, dass es sich bewahrheiten wird. Sylvie ist im Gegensatz zu mir heilfroh, dass wir endlich wieder aufbrechen. Bereits in den letzten zwei Monaten spürte man förmlich ihre Unrast. Zu lange an einem Ort zu verweilen ist nicht ihre Sache, denke ich. In der letzten Zeit sind wir zu so etwas, wie einer Einheit zusammengewachsen. Wir verstehen uns besser denn je, und die Kameradschaft, die wir zu Akademiezeiten für einander empfunden haben, ist nichts, im Vergleich zu dem, was uns heute mit einander verbindet. Ich weiß noch nicht was sein wird, sollten wir tatsächlich irgendwann die Erde erreichen, aber ich weiß, dass die Französin immer ein Teil meines Lebens bleiben wird, so wie viele andere Crewmitglieder der ALAMO. Das spüre ich. Tomalak hat uns angeboten, uns entlang der Neutralen Zone, noch weit an Sternenbasis-718 vorbei, zu einem Punkt der Grenze zu schleppen, der die kürzeste Verbindung zum Sol-System ermöglicht. Da wir durch das Warpschleppen mit mehr als Warp-8 einiges an Zeit sparen werden, habe ich gerne zugestimmt. Langsam spüre selbst ich, der zumeist Fernweh in sich verspürt, dieses Gefühl nun in die andere Richtung. Zum ersten Mal hat mich so etwas wie Heimweh ergriffen, und ich brenne darauf, meine Familie und auch meine Freunde wiederzusehen. Auch wenn mir ein ganz bestimmter Gang, nämlich der nach Andoria, zu meinen Schwiegereltern, nicht leicht fallen wird. Was meine Handlungsweise bezüglich der Romulaner betrifft, so hoffe ich, dass das Sternenflottenkommando sie billigen wird. Aber auch wenn nicht: Ich habe im Interesse der Crew gehandelt, und sollte man mir einen Strick daraus drehen, dass ich die Hilfe der Romulaner angenommen habe, dann werde ich lächelnd meinen Hut nehmen. Vielleicht könnte in diesem Fall Tar´Kyrens Vater etwas drehen, und ich werde Mitglied der Imperialen Kommandotruppen. Letzter Satz ist nicht ganz ernst gemeint, ernst meine ich aber, dass ich immer wieder so handeln würde, um die mir anvertrauten Seelen zu ihren Familien zurück zu bringen. Mit einem reinen Gewissen. Manchmal lächele ich darüber, aber ich habe bereits angefangen Pläne zu machen, für die Zeit nach unserer Rückkehr. Natürlich möchte ich in der Sternenflotte verbleiben, und auch wieder hinausfliegen zu den Sternen – zumindest nach einem längeren Urlaub. Wenn ich richtig gerechnet habe, dann stehen mir momentan bereits 211 Tage zu. Und bis zu unserer Rückkehr werden noch einige dazu kommen, schätze ich. Sylvie hat bereits ähnliche Pläne ins Auge gefasst, und wir werden sicherlich auch nach dem Ende unserer Odyssee noch von einander hören. Sie hat mich bereits vor Wochen eingeladen, sie einmal auf dem Weingut ihrer Eltern, im Loire-Tal, zu besuchen. Ich denke, ich werde die Einladung annehmen. Etwas Ruhe und Abgeschiedenheit wird uns beiden sicherlich nicht schaden können.   * * *   Der endgültige Abschied von den Romulanern stand unmittelbar bevor. Tomalak hatte sich vor wenigen Minuten gemeldet, und Valand Kuehn mitgeteilt, dass man den Punkt, von dem aus die ALAMO die Grenze in Richtung Föderationsraum passieren sollte fast erreicht hatte. Tomalak hatte sich dabei über Gebühr freundlich von ihm verabschiedet. Nachdem Kuehn mit ihm noch einige letzte Worte gewechselt hatte, saß er nun nachdenklich im Sessel des Captains und ließ das letzte halbe Jahr Revue passieren. So in Gedanken versunken, dauerte es einen Moment, bis er realisierte, dass Petty-Officer McCrea ihn angesprochen hatte. Er blickte zu ihr und die Schottin sagte: „Eine private Nachricht trifft von der TERIX für Sie ein, Commander.“ Valand Kuehn erhob sich schnell. „Legen Sie das Gespräch in den Bereitschaftsraum, Miss McCrea. Anaree, du hast die Brücke.“ Damit begab er sich schnell in den Raum des Captains und setzte sich hinter den Schreibtisch, um den Deskviewer zu aktivieren. Das Gesicht von Ti´Maran erschien auf dem Bildschirm. Gewohnt ernst blickten ihre dunklen Augen ihm, vom Display entgegen, aber auch so etwas wie Melancholie war darin zu entdecken. „Ich möchte mich von Ihnen verabschieden, Commander“, sagte sie förmlich, und Kuehn ahnte, dass sie nicht so offen sprechen konnte, wie sie es vielleicht getan hätte, wäre sie in diesem Raum gewesen. „Wir Romulaner glauben zwar nicht direkt an so etwas, wie Glück - trotzdem möchte ich Ihnen eine glückliche Heimreise wünschen.“ Der Norweger lächelte warmherzig. In den letzten Monaten hatte er seinen Zorn auf Ti´Maran vergessen. Sie war und blieb Romulanerin, das konnte er ihr schlecht zum Vorwurf machen. „Ich bedanke mich dafür, Sublieutenant Ti´Maran. Und ich wünsche Ihnen Glück und Erfolg auf ihrem weiteren Lebensweg.“ Die Romulanerin nickte und ein flüchtiges Lächeln überflog ihr Gesicht. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, doch dann schwieg sie. Doch Valand Kuehn konnte sich denken, was es gewesen wäre und nickte ihr zu. Auch er wünschte sich, dass sie einander in Zukunft vielleicht noch einmal begegnen würden. Unter besseren Umständen möglicherweise. Im nächsten Moment wurde der Bildschirm dunkel, und Valand Kuehn lehnte sich im Sitz zurück. Für einige Sekunden kreisten seine Gedanken um die hübsche Romulanerin, bevor er die Gedanken an sie verscheuchte, und sich wieder auf die Brücke begab. „Die Romulaner haben uns eben aus den Traktorstrahlen gelassen“, meldete Anaree Scrillian. „Wir fliegen jetzt aus eigener Kraft. Ich setze einen Kurs in Richtung Sol-System.“ Kuehn setzte sich wieder in den Sessel des Captains und erwiderte: „Danke, Anaree.“ Thania, Kurs mit Warp-6,2 folgen, wir wollen die zusammengeflickten Aggregate nicht überlasten. Beschleunigen.“ Die Kanadierin bestätigte, und einige Sekunden später verschwand die ALAMO, mit einem grellen Blitz, aus der Nähe der beiden romulanischen Warbirds.   * * *   (Zwischenspiel an Bord der TERIX)   Nachdem die ALAMO in einem grellen Lichtblitz verschwunden war, hatte Tomalak Ti´Maran aufgesucht. Eindringlich blickte er die junge Frau an, deren Karriere er bislang stets zu fördern versucht hatte. Seine gesamte Haltung drückte deutliches Missfallen aus, als er vor Ti´Maran stand. „Ich frage Sie nun, Sublieutenant, ob Sie ihren bisherigen Berichten an mich noch etwas hinzu zu fügen haben?“ Ti´Maran erwiderte seinen kalten Blick mit ausdrucksloser Miene. Fest presste sie die Kiefer auf einander. Dann löste sich ihre Anspannung, und sie sagte entschieden: „Nein, Commander, meine Berichte waren vollständig und lückenlos. Der Sternenflottenoffizier hat mir am Ende unseres Fluges nach Cheron vollkommen vertraut, und ich hätte gespürt, wenn er mir etwas verheimlicht hätte.“ In dieser Hinsicht war sich Ti´Maran sogar sicher, dass es den Tatsachen entsprach. Darum konnte sie Tomalak auch vollkommen sicher und fest dabei in die Augen sehen. Der wuchtige Commander der TERIX näherte sich langsam der Frau. Unverwandt blickte er in ihre dunklen Augen und suchte nach einer Bestätigung für einen vagen Verdacht, der ihm gekommen war. Er fand ihn nicht, und so sagte er schließlich, mit etwas resignierendem Tonfall: „Dann habe ich möglicherweise zu viel von Ihnen erwartet, Sublieutenant. Sie werden diese Mission der TERIX noch mitmachen, Sublieutenant Ti´Maran. Danach werden Sie zur VALKRIST versetzt; einem Schiff der Wachflotte des Unroth-Systems. Der Captain der VALKRIST braucht dringend einen guten Taktischen Offizier, und ich habe Sie deshalb zur Beförderung vorgeschlagen.“ „Danke, Commander. Ich werde ihre Empfehlung durch gute Leistung ehren“, antwortete die Frau pflichtschuldig, obwohl sich diese Beförderung anfühlte, wie eine Degradierung. Tomalak war ihr Förderer gewesen, und er hatte ihr mit seinem Entschluss zu verstehen gegeben, dass dies ab sofort nicht mehr der Fall sein würde. Von nun an war sie auf sich selbst gestellt. Doch das alles war Ti´Maran momentan gleichgültig. Sie hatte zum ersten Mal in ihrem Leben nicht nach Regeln und Pflichtbewusstsein gehandelt, sondern danach, was ihr Gewissen ihr geraten hatte. Und es tat ihr nicht leid. „Etwas anderes würde ich auch nicht von Ihnen erwarten, Ti´Maran.“ Er blickte sie ein letztes Mal eindringlich an, bevor er sich abwandte und ging. Zurück blieb eine junge Romulanerin, deren Gefühle ein wahres Chaos erlebten. Doch Ti´Maran war sich sicher gestärkt daraus hervor zu gehen. Gereift. Sie schloss einen Moment lang die Augen. Was sie sah war das Gesicht Valand Kuehns, dessen grün-graue Augen so friedfertig, aber auch so zornig blicken konnten. Sie horchte in sich hinein, um zu ergründen, was sie empfand. Verliebtheit war es nicht. Aber etwas anders, vielleicht viel wertvolleres spürte sie tief in sich. Verbundenheit, Kameradschaft, Vertrauen. Gerade jenes letzte Gefühl war ganz und gar ungewohnt gewesen. Ja, dieser Valand Kuehn war ein Mann, dem man bedingungslos vertrauen konnte, das war ihr klar geworden. Die Begegnung mit diesem Mann hatte ihr Leben unwiderruflich verändert. Und während sie darüber nachdachte wusste sie, dass sie der Blick seiner grün-grauen Augen noch eine Weile verfolgen würde...   * * *   Nachdem die ALAMO die Neutrale Zone hinter sich gelassen hatte, und das Schiff sich wieder in Föderationsraum aufhielt, hatten alle Besatzungsmitglieder an Bord insgeheim aufgeatmet. Das Schiff war in einer annehmbaren Verfassung. Vor wenigen Tagen hatte man an Bord das neue Jahr gefeiert, und alle hofften, das Sol-System noch vor dem nächsten Jahreswechsel zu erreichen, auch wenn man sich darüber im Klaren war, dass Anfang 2367 sehr viel wahrscheinlicher war. So gut die Romulaner auch alle Systeme repariert hatten, der Subraumfunk funktionierte nur auf eine Distanz von etwas mehr als zehn Lichtjahren, und Valand Kuehn vermutete, dass dies nicht ganz ohne Absicht so war. Auch, dass ihre jetzige Route eine Kontaktaufnahme zu vorgelagerten Außenposten nur mit einem großen Umweg dorthin zu realisieren gewesen wäre, sprach für diese Annahme. Valand Kuehn war es jedoch gleich, denn wie er von Ti´Maran erfahren hatte, war die ENTERPRISE, Unter Captain Picard über die Zerstörung mehrerer Außenbasen entlang der Neutralen Zone informiert. Die Sternenflotte wusste also Bescheid, und war in dieser Hinsicht nicht auf seinen Bericht angewiesen. Alles andere hatte Zeit. Aus diesem Grund hatte er beschlossen, keinen weiteren Umweg zu fliegen, und direkten Kurs auf die Erde zu nehmen. Zumindest traute er Ti´Maran in sofern, dass sie ihn bezüglich der ENTERPRISE nicht belogen hatte. Oft hatte Kuehn in der letzten Zeit an die Romulanerin gedacht, und sich gefragt, was aus dieser Frau wohl geworden wäre, wenn sie in der Föderation aufgewachsen wäre, mit all den Möglichkeiten, die sich ihr dabei geboten hätten. Was für ein Offizier hätte aus ihr innerhalb der Föderation werden können. Im nächsten Moment wurde ihm bewusst, dass dies nur seine Sicht war, und er nicht mit einkalkuliert hatte, dass es ungerecht war, die Werte der Föderation, als die einzig richtigen anzusehen. Umgekehrt dachten vielleicht die Romulaner genauso. Oft hatte er sich in den letzten Wochen mit Sylvie darüber unterhalten, was sie bei den Romulanern erlebt hatte. Als sie ihm die Episode mit den drei Tassen erzählt hatte, da wäre er beinahe geplatzt vor Lachen. Das würde der Subcommander wohl nicht so schnell vergessen. Valand Kuehn, der vor einer halben Stunde seinen Dienst beendet hatte, machte einen Rundgang durch das Schiff, dem die Katastrophe kaum noch anzusehen war. Die Romulaner hatten vorbildlich gearbeitet. Miranea Kerath hatte einige Tage lang Spürtrupps durch alle Abteilungen gescheucht, und überprüft, ob man Ihnen möglicherweise Überwachungsgeräte oder ähnliches mit eingebaut hatte. Diese Suche war erfolglos geblieben, und auch der Computerkern enthielt keine verdächtigen Unterprogramme. Ob das nun ein Zeichen für Tomalaks guten Willen zu werten war, oder aber sich der Aufwand für ein so altes Schiff, wie die ALAMO nur nicht gelohnt hatte für die Romulaner, blieb vielleicht ewig ein Rätsel. Der Norweger suchte schließlich sein Quartier auf, wo er einen Bissen aß, und es sich dann auf der Couch gemütlich machte. Dort tat er etwas, das er schon seit einiger Zeit nicht mehr getan hatte: Er betrachtete die Bilder seiner verstorbenen Frau. Der Schmerz dabei, war beinahe nicht mehr spürbar, aber die Trauer war geblieben. Warum hatte sie sterben müssen? Wenn es tatsächlich jene Sternengötter gab, an die Ahy´Vilara geglaubt hatte, dann mussten sie einen schrägen Humor besitzen. Vielleicht waren diese Ansicht einer der Gründe, warum er selbst so wenig religiös war. Eine Weile starrte er ins Leere, bevor er die Bilder weiter durchsah. Bei einigen lächelte er unmerklich. Als er das PADD schließlich zur Seite legte, gab er das Stimmenkommando: „Computer, klassische Musik spielen – Eroica, von Ludwig van Beethoven.“ Ein Zirpen war die Reaktion darauf und gleich darauf erklangen die ersten Töne dieses Stückes, dass er seit seiner Jugendzeit nicht mehr gehört hatte. Während er der Musik lauschte, wurde ihm seltsamerweise bewusst, dass er an Ahy´Vilaras Todestag Abschied von der Romulanerin Ti´Maran genommen hatte. Ein seltsamer Zufall. Oder Schicksal? Er verscheuchte diesen Gedanken und konzentrierte sich ganz auf die Musik. Seit langer Zeit fühlte er dabei einen inneren Frieden, den er sehr lange vermisst hatte. Auch, als er daran dachte, welche unangenehme Pflicht ihn nach seiner Ankunft im Sol-System erwartete. Er war sich im klaren darüber, dass er es durchstehen würde – das und alles andere, was in der Zukunft auf ihn warten mochte. Er lebte, und er würde für Ahy´Vilara fortan mit leben. Und er würde sein Gelöbnis an sie halten, indem er sie in Erinnerung behielt. Dieser Gedanke hatte etwas Tröstliches. Er würde jedoch auch gleichzeitig nach vorne schauen, und nicht den Fehler begehen in der Vergangenheit zu verweilen. Er war bereit loszulassen, ohne dabei zu vergessen, und er wusste, das dieser Schritt der richtige war. So in Gedanken versunken saß er mit geschlossenen Augen auf dem Sofa, und ein gelöstes, befreites Lächeln umspielte seine Lippen. Kapitel 16: Heimkehr -------------------- Zweites Logbuch der U.S.S. ALAMO Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 44135.9   Das Jahr 2367 ist siebeneinhalb Wochen alt, und die U.S.S. ALAMO erreicht in einigen Minuten einen Punkt im Weltall, der weniger als zehn Lichtjahre vom Sol-System entfernt liegt. Wir werden dann unter Warp fallen und unsere baldige Ankunft ankündigen. Ich bin jetzt schon gespannt, wie die Reaktion darauf ausfallen wird, denn seit fünfeinhalb Jahren sind wir nun unterwegs, davon über vier Jahre lang verschollen. Die Crew ist ebenso aufgeregt, wie ich selbst. Langsam wird ihr bewusst, dass unsere Odyssee bald wahrhaftig ein Ende haben wird. Was mich etwas verwundert ist, dass wir selbst hier, so nah bei der Erde, bisher kein Raumschiff angetroffen haben. Das ist etwas ungewöhnlich, kann aber andererseits reiner Zufall sein. Bereits gestern Abend habe ich die Crew zusammen gerufen, und ihr bei einem Umtrunk für die hervorragende Leistung, und den unbedingten Einsatzwillen gedankt. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es eine bessere Crew in der Föderation gibt. Auch meine Offiziere haben geradezu Übermenschliches geleistet. Wo auch immer sie in Zukunft dienen werden, jeder Einzelne von ihnen wird ein Gewinn für seinen zukünftigen Captain sein. Ich bin in der letzten Woche noch einmal alle Berichte durchgegangen, die ich im Laufe der langen Zeit geschrieben habe, und ich habe ihnen noch einige letzte Daten und die Verlustliste hinzugefügt. Ich bin bereit dem Sternenflottenkommando Bericht über die Ereignisse auf der ALAMO, nach der Katastrophe, zu erstatten.   * * *   Valand Kuehn saß im Sessel, hinter dem Arbeitstisch im Bereitschaftsraum und musterte Sylvie LeClerc nachdenklich, wobei er mit einer Hand sein Kinn rieb. Noch immer war ihm der sorgfältig zurechtgestutzte Kinnbart, und der Schnauzer, den er sich in den letzten sechs Wochen hatte stehen lassen, etwas fremd. Dabei überlegte er sinnend, dass aus dem übermütigen, quirligen französischen Mädchen, während ihrer Zeit auf der ALAMO eine Frau geworden war. Und aus ihm selbst ein Mann. „Du solltest dich rasieren, Valand, dieses Unkraut im Gesicht passt irgendwie nicht zu Dir“, lästerte die blonde Frau grinsend. „Ohne hast du besser ausgesehen.“ Kuehn runzelte die Stirn. „Mein Bart gefällt Dir nicht?“ „Absolut nicht, Mon Ami.“ Kuehn grinste breit. „Gewöhne Dich daran, denn ich gedenke, ihn nicht so schnell wieder abzurasieren.“ Ein Funkeln lag im Blick der Französin, als sie etwas gereizt erwiderte: „Du bist und bleibst ein alter Sturkopf. Mach doch, was du willst.“ „Das werde ich, Cherie.“ Sylvie blickte den Norweger fassungslos an, denn noch nie hatte er in dieser Form darauf reagiert, wenn sie selbst ihn auf französisch ihren Freund genannt hatte. Valand grinste verschmitzt und meinte dann gutmütig: „Komm, lass uns auf die Brücke gehen. Es wird langsam Zeit, dass wir unsere Ankunft ankündigen. Ich bin gespannt, was der alte Schwertfisch, Admiral Hanson, dazu sagen wird, wenn die ALAMO sich plötzlich zurückmeldet.“ „Ich auch“, stimmte Sylvie zu ohne auf seine vorangegangenen Worte einzugehen. „Die haben uns doch sicherlich schon vor Jahren abgeschrieben. Besonders gerne wüsste ich, was er dazu sagen würde, wenn er wüsste, dass du ihn Schwertfisch nennst.“ „Vor oder nach dem Wutanfall?“ Sie lachten und verließen den Bereitschaftsraum. Auf der Brücke hatte die erste Schicht Dienst, da es nach Bordzeit momentan genau 08:13 Uhr war. Die beiden Führungsoffiziere schritten zum Sitz des Captains, vor dem sie stehen blieben, und warfen einen Blick auf den Hauptschirm, der noch die gewohnten Sternenstreifen des Warpfluges zeigte. Anaree Scrillian verstand Kuehns auffordernden Blick und meldete knapp: „Wir sind innerhalb der Reichweite unseres Subraumfunks, Valand.“ Valand Kuehn nickte der Rigelianerin zu. Er blickte zu Thania Walker. „Wir gehen unter Warp, Thania.“ Beobachtend, wie das Schiff unter Warp fiel, wandte er sich schließlich zu Nana McCrea um, und befahl: „Eine Verbindung zum Hauptquartier der Sternenflotte.“ „Aye, Commander.“ Valand Kuehn hatte das Gefühl, das eine Ewigkeit verging, bis die Schottin endlich meldete: „Verbindung steht, Sir.“ Er räusperte sich vernehmlich und sagte: „Auf den Schirm, Petty-Officer.“ Nana McCrea bestätigte, und gleich darauf wurde auf dem Hauptschirm das Gesicht eines dunkelhäutigen Vize-Admirals der Sternenflotte sichtbar, den Valand Kuehn noch nie gesehen hatte. Einen Schritt hinter ihm stand eine Vulkanierin die denselben Rang bekleidete. Beide trugen neuartige Uniformen. Wenn es eine Beweises für ihre lange Abwesenheit bedurft hätte, spätestens dies wäre einer gewesen. Im Grunde sahen diese neuen Uniformen kaum anders aus, als die jetzigen, nur, dass sie aus einem Zweiteiler zu bestehen schienen, und nicht in Form eines Einteilers getragen wurden. Das auffälligste Detail war dabei, dass diese Uniform einen hochgeschlossenen Kragen besaß. Valand Kuehn nahm Haltung an und meldete: „Lieutenant Valand Kuehn, im Rang eine Provisorischen Commanders der Sternenflotte, meldet sich mit der U.S.S. ALAMO und 110 Besatzungsmitgliedern zurück, Admiral.“ Während das Gesicht der hochgewachsenen Vulkanierin ausdruckslos blieb, spiegelte sich auf dem Gesicht des Mannes erstaunen wieder. Dann begann sich Freude auf seinen asketischen Gesichtszügen abzuzeichnen, und er erwiderte: „Hier spricht Vize-Admiral Charles Whatley, Oberbefehlshaber der Sternenflotte. Ich kann kaum glauben, was sie da sagen, Commander. Wir haben die ALAMO schon vor Jahren auf die Verlustliste gesetzt. Wo, bei allen Sternenteufeln haben Sie denn gesteckt, und was ist passiert?“ „Kuehn erklärte sachlich: „Das ist eine sehr lange Geschichte, Sir. Sie werden meinen umfassenden Bericht und die Verlustliste bekommen, sobald wir das Sol-System erreicht habe. Für den Moment nur so viel, Admiral: Wir wurden von den Ausläufern einer ausbrechenden Supernova gestreift. Als ranghöchster Brückenoffizier habe ich das Kommando übernommen, und das Notprotokoll der Sternenflotte angewandt, um eine funktionierende Kommandostruktur zu etablieren. Momentan befinden wir uns etwas weniger als zehn Lichtjahre entfernt. Bei der vertretbaren Höchstgeschwindigkeit, die uns momentan möglich ist, werden wir etwa morgen um diese Zeit in das Sol-System einfliegen.“ Whatley blickte wieder ernst. „Und nur 110 Besatzungsmitglieder haben überlebt? Ich kann mir vorstellen, dass sie keine leichte Aufgabe hatten, Commander.“ „Gelinde gesagt, Admiral. Aber die Crew hat mich hervorragend unterstützt.“ Whatley lächelte erneut. „Ich freue mich darauf, Sie und ihre Crew morgen persönlich kennenzulernen, Mister Kuehn. Ach, und noch eins: Willkommen zu Hause, Commander. Whatley, Ende.“ Die Verbindung wurde unterbrochen, und Valand Kuehn blickte fragend zu seiner Begleiterin. „J. P. Hanson ist nicht mehr der Oberkommandierende der Sternenflotte, wie es scheint.“ „Vielleicht hat er sich pensionieren lassen“, vermutete die Französin vage. „Spätestens morgen werden wir die Zusammenhänge erfahren.“ Valand Kuehn nickte. „Du sagst es.“ Dann wandte er sich an die Steuerfrau des Schiffes und befahl: „Mit Warp-6,2 nach Hause, Thania.“   * * *   Knapp einen Tag später fiel die U.S.S. ALAMO, innerhalb der Jupiterbahn, unter Warp. Vorläufig zum letzten Mal, denn das Schiff würde eine sehr lange Zeit in einer Werft verbringen müssen, um wieder zu einhundert Prozent einsatzfähig gemacht zu werden. Kaum hatte Kuehn eine Meldung über ihre Ankunft absetzen lassen, da lief bereits die Bestätigung ein. Die ALAMO wurde, auf Admiral Whatleys Befehl hin, zum Mars umgeleitet, wo er, zusammen mit Admiral T´Lara auf die Ankunft des Schiffes wartete. Etwa drei Stunden dauerte der Flug zum Mars bei voller Impulsgeschwindigkeit. Nach mehr als zweieinhalb Stunden wurde die ALAMO angerufen, und das Gesicht eines jungen Kadetten erschien auf dem Hauptschirm. „Hier spricht Kadett Nicholas Locarno, Führer der NOVA-Staffel. Wir fliegen Ehrengeleit für die U.S.S. ALAMO, Sir.“ Kuehn nickte lächelnd. „Danke, Kadett Locarno.“ „Nein, ich bedanke mich, Sir. Es kommt nicht alle Tage vor, dass eine Kadettenstaffel das Geleit für einen Helden der Föderation fliegen darf. Locarno, Ende.“ Verwundert blickte Valand Kuehn auf der Brücke in die Runde. „Ich habe ein Schiff der Sternenflotte zurückgebracht, mehr nicht.“ „So, so, mehr nicht“, spöttelte Sylvie LeClerc. „Ich sage dir mal was: Bescheidenheit ist eine Zier – doch weiter kommt man ohne ihr.“ „Autsch“, grinste Valand entsagungsvoll. „Gut dass das außer uns keiner gehört hat.“ Wie alle anderen auf der Brücke wartete er gespannt darauf, dass der Mars endlich in den optischen Erfassungsbereich der Systeme kommen würde – der Planet, über dem Valand Kuehn, vor achteinhalb Jahren, zum ersten Mal an Bord der ALAMO gekommen war. Als er schließlich in Sicht kam, da atmete Thania Walker, die unbewusst die Luft angehalten hatte, hörbar aus. Wie auf ein geheimes Kommando blickten sie einander an und ein befreites Lächeln lag auf ihren Gesichtern. Selbst die Miene des Vulkaniers Kovak wirkte irgendwie zufriedener als gewöhnlich. Valand Kuehn schien es fast so, als warteten die Anderen nun darauf, dass er etwas sagte. Doch ihm war nicht danach. Erst nach geraumer Zeit meinte er ganz ruhig: „Wir sind wieder Zuhause.“ Thania Walker hatte das Schiff für den Endanflug bereits merklich verzögert. Aus Richtung des Mars kamen ihnen drei kleinere Raumschiffe der MIRANDA-KLASSE entgegen. Sie bildeten ein weites, gleichseitiges Dreieck, durch dass die ALAMO hindurch fliegen würde. Als sie noch etwa eine halbe Million Kilometer entfernt waren, feuerte jedes Schiff einen Salut bestehend aus jeweils drei Photonentorpedos. Dann wendeten sie und nahmen die ALAMO samt Jäger-Formation in ihre Mitte. „Man könnte fast glauben, die freuen sich uns zu sehen, scherzte Sylvie. Auch ihr war die Freude über die glückliche Heimkehr deutlich anzumerken. Der kleine Raumschiffspulk näherte sich einem der zahlreichen Raumdocks über dem Mars, welches zu den Utopia-Planitia-Werften gehörte. Als sich das Raumschiff der EXCELSIOR-KLASSE im Endanflug befand, meldete sich der Leiter des Docks, ein Commander der Technik, über Bildfunk, und gab Bescheid, dass man die ALAMO nun mit dem Leitstrahl hereinziehen würde. Kuehn bestätigte. Nachdem die Verbindung wieder unterbrochen war, wandte sich Valand Kuehn an Thania Walker und meinte: „Übergebe die Steuerung, sobald die Werft das Signal gibt, und überwache den Anflug, Thania.“ „Verstanden, Valand“, erwiderte die Kanadierin. Valand Kuehn grinste belustigt, bevor er ergänzte: „Und gewöhne Dir bei deinem nächsten Captain nicht an den auch zu duzen.“ „Ganz bestimmt nicht, Commander“, erwiderte die Pilotin übertrieben ernst, aber der Norweger bemerkte, dass es nicht respektlos geklungen hatte. Lächelnd setzte er sich in den Sessel des Captains, ein letztes Mal, und beobachtete auf dem Hauptbildschirm den Anflug. Die Übernahme der Schiffssteuerung erfolgte beinahe unmerklich. Immer näher kam das hell beleuchtete, filigran wirkende Gitterwerk des Raumdocks. Längst füllte der Mars einen Großteil des Bildschirms aus, und auch die planetaren Forschungsanlagen der Werft wurden erkennbar. Dann wanderten sie nach unten aus, während das Raumdock unaufhörlich vor ihnen anwuchs. Es war ein beeindruckender, beinahe majestätischer Anblick, als das Schiff schließlich langsam in das Dock hinein glitt. Die Streben mit den installierten Tiefenstrahlern glitten seitlich am Schiff vorbei. Längst hatte Sylvie der Mannschaft, bis auf die Technische Crew, den Befehl erteilt, sich vor der Steuerbordschleuse der Primärhülle einzufinden. Sie gönnte Valand den ungestörten Anblick des Einflugs. Als die U.S.S. ALAMO schließlich zum Stillstand kam, gab die Französin auch Chirome und seinen Leuten das Kommando, auf Stand-By zu schalten. Fast gleichzeitig gab Kuehn den Befehl an die Brückencrew, die Konsolen zu sichern. Danach verließen sie gemeinsam die Brücke und fuhren hinunter zu Deck-9. Der Verbindungstunnel zum Kontrollkomplex des Docks war bereits herangefahren worden, als sie bei der Crew erschienen. Sie nahmen ihre Reisetaschen, die sie bereits am Abend zuvor dorthin gebracht hatten, auf. „Bitte nach Ihnen, Commander“, lachte Sylvie LeClerc leise, während sie ihre Hand auf den Kontaktgeber legte und das Schott öffnete. „Du bleibst bei mir, Lieutenant-Commander“, erwiderte Kuehn ihre Flapsigkeit und schritt durch den Tunnel voran. Ein großer Raum, der noch wesentlich mehr Leute, als die Restcrew der ALAMO fassen konnte, nahm sie auf. Etwa in der Mitte warteten zwei Sternenflottenadmirale auf sie. Mit festen Schritten marschierte Valand Kuehn auf die Beiden zu und ein wenig bewunderte ihn Sylvie LeClerc dafür, da sie selbst plötzlich eine leichte Unruhe verspürte. Schon von Weitem erkannte Valand Kuehn Vize-Admiral Whatley wieder, und auch die Vulkanierin, die er über die Bildfunkverbindung gesehen hatte, erkannte er neben ihm. Während die beiden Admirale mit ihren Begleitern näher kamen, ließ Sylvie die Mannschaft der ALAMO, in vier Reihen Aufstellung nehmen. Dann trat sie neben Valand, und stellte, so wie er, ihr Gepäck zu Boden. Als Whatley sich ihnen auf drei Schritt Abstand genähert hatte, nahmen die beiden jungen Offiziere der ALAMO Haltung an, und der Norweger meldete: „Die Crew der U.S.S. ALAMO meldet sich in Stärke von 110 Personen zurück, und bittet das Raumdock betreten zu dürfen, Admiral.“ „Erlaubnis erteilt“, erwiderte der Admiral nach Vorschrift. Dann überflog ein Lächeln sein Gesicht und er kam zu Valand um ihm die Hand zu bieten. „Willkommen zurück, Commander. Ich möchte Ihnen meine Stellvertreterin, Vize-Admiral T´Lara, vorstellen. Valand Kuehn ergriff die Hand des Admirals und erwiderte den kräftigen Händedruck. Seine Begleiterin beließ es bei einem heben der rechten Hand und dem typischen Spreizen der Finger. „Leben Sie lang und in Frieden, Commander.“ „Eigentlich bin ich nur Lieutenant, Admiral, und...“ „Welche Rangabzeichen tragen Sie an ihrem Kragen?“, unterbrach ihn T´Lara, an der besonders die strahlend blauen Augen auffielen, energisch. Valand Kuehn blickte einen Augenblick verwirrt. Dann antwortete er: „Die eines Provisorischen Commanders, Sir.“ T´Lara nickte und sagte: „Der Logik zufolge sind Sie damit mit Commander anzusprechen, nicht wahr, Commander?“ „Ja“, antwortete der Norweger schnell. Er hatte nicht vor, sich mit einem der hochrangigsten Admirale der Sternenflotte zu streiten. Charles Whatley erlaubte sich ein Schmunzeln, bevor er eingreifend erklärte: „Meine Kollegin hat Recht, Mister Kuehn. Solange niemand Ihren Provisorischen Rang aufhebt, und Sie zurückstuft, sind Sie weiterhin Commander. Aber das mit dem Zurückstufen hat Zeit. Bitte treten Sie zu ihrer Crew, ich möchte einige Worte an sie richten. Kuehn und die Französin nahmen ihr Gepäck und schritten zu ihrer Crew, wobei sie bedeutungsvolle Blicke wechselten. Als sie zu ihren Kameraden getreten waren, stellte sich Whatley mit T´Lara vor die angetretene Crew und erhob seine Stimme. „Crew der ALAMO. Ich bin sicher, dass die hinter Ihnen liegende Zeit schwer, und voller Entbehrungen gewesen ist. Und ich möchte Ihnen versichern, dass ich mit ihnen fühle, und dass Sie alle meinen Respekt und meine Bewunderung haben, weil Sie sich nicht kampflos in Ihr Schicksal ergeben, sondern alles daran gesetzt haben, zurückzukehren zu Ihren Familien, und die U.S.S. ALAMO in den heimatlichen Hafen zurück zu bringen. Dass gerade Letzteres sehr viel bedeutet verstehen Sie alle vielleicht etwas besser, wenn ich Ihnen hiermit mitteile, dass die Föderation vor kurzer Zeit von einem übermächtigen Gegner, den wir Borg nennen, angegriffen wurde, wobei 39 Schiffe der Flotte, bei Wolf-359 verloren gingen. Ihr aufopferungsvoller Einsatz hat nicht nur ein Schiff zurück gebracht, sondern er wird unseren Leuten innerhalb der Flotte auch ein leuchtendes Vorbild sein. Und zwar dafür, dass es selbst in schier ausweglos scheinender Lage immer eine Alternative zur Kapitulation geben wird. Ich versichere Sie meines Dankes, und des Dankes der Admiralität. Die Mannschaften werden im Anschluss auf Transportschiffe gebeamt, die Sie schnellstmöglich zur Erde bringen werden. Die Offiziere des Schiffes, und damit meine ich auch jene, die durch das Notprotokoll zu Offizieren wurden, bleiben noch. Sie werden bitte mich und Admiral T´Lara an Bord meines Schiffes zur Erde begleiten. Ich danke Ihnen. Die Mannschaften können nun wegtreten, die Offiziere bleiben bei mir.“ Sylvie gab dem dienstältesten Master-Chief der Crew ein Zeichen, den Abmarsch zu organisieren. Dann schritt sie, zusammen mit Valand und allen übrigen Offizieren zu den beiden Admiralen. Als sie unter sich waren, schüttelte Whatley auch allen übrigen Offizieren und Neu-Offizieren der ALAMO die Hand. „Ich bin stolz auf Sie alle, meine Damen und Herren. Wenn wir nun zur Erde fliegen, dann bekommen Sie die Gelegenheit, sich erst einmal für den Rest des Tages zu erholen. Ich werde in dieser Zeit die Logbücher der ALAMO sichten und mir einen Überblick verschaffen, was passiert ist. Morgen Vormittag, gegen 10:00 Uhr, werden Sie alle dann im Flottenhauptquartier erscheinen. Commander Kuehn und Lieutenant-Commander...“ „LeClerc, Sir.“ Der Admiral lächelte dankbar, als die Französin ihm aushalf. „Sie Beide werde ich noch etwas länger belästigen müssen, von Ihnen beiden erwarte ich einen knappen vorläufigen Bericht, bevor ich auch Sie in Ruhe lassen werde. Ich bin schon sehr gespannt auf die ersten Fakten zu ihrer Odyssee.“ „Aye, Sir“, antworteten beide, wie aus einem Mund. Dann folgen Sie den beiden Admiralen zum Ausgang der Halle.   * * *   Nachdem das Schiff des Admirals die Erde erreicht hatte, ließ sich Admiral Whatley, zusammen mit T´Lara, Kuehn und LeClerc zum Hauptquartier der Erde beamen. Gemeinsam betraten die vier Sternenflottenoffiziere das Hauptgebäude, durchquerten die weite Eingangshalle uns suchten einen der Turbolifts im hinteren Bereich auf. Das Büro des Flottenchefs lag im 25 Stockwerk des Gebäudes. Nachdem sie den Turbolift verlassen hatten, führte sie der Admiral nach rechts, bis zum Ende des langen Ganges. Als sie schließlich durch das großzügig dimensionierte Vorzimmer geschritten und in sein Büro eingetreten waren, bot Whatley seinen drei Gästen etwas zu trinken an und orderte die Getränke über eine Ordonanz. Sie saßen bei der großzügig eingerichteten Sitzgruppe, an der Fensterreihe des geräumigen Büros zusammen, und sowohl der Norweger, als auch die Französin sogen die Aussicht, die sich ihnen durch die Fenster bot, auf. Schon zu lange hatten sie nicht mehr den Anblick einer Planetenoberfläche erlebt. Kurz darauf trat die Ordonanz ein und brachte die Getränke herein. Sowohl Sylvie LeClerc, als auch Valand Kuehn hatten sich für einen Kaffee entschieden, während die Vulkanierin abgelehnt hatte. Nachdem der Lieutenant, der die Getränke gebracht hatte wieder gegangen war, lehnte sich Charles Whatley in dem Polster seines Sessels zurück und blickte die beiden jungen Offiziere nacheinander an, bevor er sich Kuehn zu wandte und sagte: „Ich habe auf dem Flug zu Erde einen Blick in Ihre Dienstakte und in die Verlustliste geworfen, Commander. Es tut mir sehr leid, dass Ihre Frau unter den Todesopfern war, und ich möchte Ihnen zunächst einmal, auch im Namen von Admiral T´Lara, mein Mitgefühl aussprechen. Unter diesen Umständen war es sicherlich noch schwerer einen Weg zu finden die ALAMO annähernd heil zurück zu bringen.“ Kuehn nickte. „Es war ein schwerer Schlag, Admiral. Ohne den Zusammenhalt innerhalb der Crew wäre ich vermutlich daran zerbrochen. Es war nicht leicht, den Willen aufzubringen weiterzumachen.“ „Das glaube ich, Commander.“ Er schien nach einem Übergang zum nächsten Thema zu suchen. T´Lara, die sich bisher stets im Hintergrund gehalten hatte, sprang für ihn ein, und erklärte leidenschaftslos: „Es wird natürlich eine Untersuchung der Vorfälle stattfinden, Commander. Das ist jedoch kein Misstrauen unsererseits sondern es entspricht dem Standardprotokoll der Sternenflotte. Das bedeutet, dass sowohl Sie Beide, als auch jedes andere Mitglied der Crew innerhalb der nächsten Woche seine Aussage vor einem Ausschuss machen wird. Möglicherweise wird es bitter für Sie sein, einige Details noch einmal in aller Ausführlichkeit berichten zu müssen, doch das können wir Ihnen leider nicht ersparen.“ Sowohl Valand Kuehn als auch Sylvie LeClerc hatten mit etwas Ähnlichem gerechnet, darum fiel ihre Reaktion auf die Worte der Admiralin entsprechend unspektakulär aus. „Wir werden also eine Weile in der Nähe bleiben müssen“, stellte der Norweger fest. „Richtig, Commander. Sie werden eine Woche warten müssen, bis Sie nach Andoria fliegen können.“ Valands Gesicht drückte Erstaunen ob dieser Bemerkung aus. Dann machte er sich bewusst, dass diese Vulkanierin lediglich die logischen Schlussfolgerungen aus den voran gegangenen Bemerkungen geschlossen hatte. Und offensichtlich wusste sie, um die Riten und Gebräuche auf Andoria. Das angedeutete Lächeln der Admiralin sprach für sich. Dann wurde ihre Miene wieder ausdruckslos, und sie fuhr fort: „Ich persönlich würde Sie nach meinem ersten Eindruck so einschätzen, dass man Ihrem Wort vertrauen kann, Commander. Aber das Protokoll lässt sich nicht umgehen.“ Der Norweger nickte. „Ich verstehe, Admiral. Nach dieser langen Reise fällt eine weitere Woche nicht ins Gewicht.“ Er wandte sich zu Whatley und wechselte das Thema: „Sir, Sie erwähnten einen Angriff auf die Erde, durch eine Spezies, die Sie Borg nannten. Können Sie mir sagen, ob die U.S.S. MIDWAY bei Wolf-359 dabei war? Ein sehr guter Freund tut vermutlich Dienst auf diesem Schiff.“ „Selbstverständlich.“ Der Admiral erhob sich und holte eines der zahlreichen PADD´s von seinem Schreibtisch. „Hier finden Sie die Schiffe, die wir verloren haben, und die Verlustliste. 11.000 Sternenflottenmitglieder starben bei der Schlacht.“ „Oh, mein Gott“, entfuhr es Sylvie LeClerc erschrocken. Valand überprüfte zuerst die Schiffsliste. Die Züge seines Gesichts verhärteten sich, als er die MIDWAY auf der Liste gefunden hatte. Dann ging er die Verlustliste des Schiffes durch, und seine versteinerte Miene hellte sich auf. Zu Sylvie gewandt sagte er erleichtert:„Tar´Kyren ist nicht unter den Opfern.“ „Heißt Ihr Freund vielleicht Tar´Kyren Dheran?“, hakte die Vulkanierin schnell nach. Verwunderung spiegelte sich auf den Gesichtern der beiden Offiziere, und schließlich bestätigte Valand Kuehn: „Ja, so heißt er.“ Die Augen der Vulkanierin funkelten eigentümlich, als sie hinzufügte: „Nun, ihr andorianischer Freund wurde kürzlich für seinen heldenhaften Einsatz bei dieser Schlacht, mit dem Christopher-Pike-Tapferkeitsorden ausgezeichnet. Ich selbst war es, die ihm diese Auszeichnung überreicht hat darum erinnere ich mich an ihn.“ „Typisch“, platzte die Französin heraus und blickte Valand giftig an. „Der Kerl schließt als Letzter von uns Dreien die Akademie ab, und heimst als Erster die höchste Auszeichnung der Föderation ein.“ „Möglicherweise bleibt er damit nicht lange allein“, antwortete Charles Whatley vage und ging mit einem amüsierten Grinsen über den Ausbruch der blonden Frau hinweg. „Doch jetzt würde ich gerne zusammenfassend von Ihnen und Commander Kuehn erfahren, was sich an Bord der ALAMO zugetragen hat.“ Die beiden jungen Offiziere berichteten in der nächsten Stunde ausführlich und wechselseitig, was sich nach der Sternenexplosion an Bord der ALAMO zugetragen hatte. Nur gelegentlich stellten beide Admirale Zwischenfragen, zumeist dann, wenn es bei Details Unklarheiten gab. Beide wurden besonders aufmerksam, als Kuehn und LeClerc von ihrer Begegnung mit den Romulanern berichteten. Nachdem Kuehn zum Schluss gekommen war, blickte Whatley die beiden Offiziere der ALAMO eine Weile sinnend an, und erklärte dann seinerseits: „Das Bild, welches Sie von den Romulanern zeichnen unterscheidet sich deutlich von dem, was uns Captain Picard von der U.S.S. ENTERPRISE vermittelte, nachdem er im letzten Jahr mit Commander Tomalak zusammentraf. Gegenüber Captain Jean-Luc Picard zeigte der romulanische Commander ein etwas anderes Gesicht. Sie beide haben ihn persönlich kennengelernt. Glauben Sie, dass er psychisch labil sein könnte?“ Beide Offiziere schüttelten den Kopf und Kuehn antwortete: „Nein, Sir. Diesen Eindruck gewann ich nicht von diesem Romulaner. Auf mich wirkte er charismatisch, entschlossen, aber auch verschlagen, und auf seinen Vorteil bedacht. Er war, das ist zumindest mein Eindruck gewesen, sehr interessiert an unserer neuen GALAXY-KLASSE. Zum Glück wussten wir kaum mehr darüber, als dass diese Schiffsklasse sich im Bau befindet. Eine Tatsache, die Tomalak nicht gefiel, wenn ich eine Vermutung äußern darf. Möglicherweise fühlen er und sein Volk sich bedroht, durch die Entwicklung dieses neuen Schiffstyps.“ T´Lara musterte den Norweger eindringlich und meinte dann nachdenklich. „Es ist interessant, dass dies auch die Ansicht unsere Leute beim Sternenflottengeheimdienst ist, Commander. Normalerweise gebe ich, als Vulkanierin, nicht viel auf Schätzungen und Vermutungen, aber diese hier unabhängig von einander geäußerten Meinungen stimmen mich zumindest sehr nachdenklich.“ Sie wechselte einen Blick mit Whatley und erklärte: „Das wäre soweit alles, für den Moment. Versuchen Sie, etwas inneren Frieden zu finden und melden Sie sich morgen, wie befohlen, um 10:00 Uhr in Admiral Whatleys Büro.“ Valand Kuehn und Sylvie LeClerc erhoben sich und verabschiedeten sich förmlich von den beiden Admiralen, bevor sie das Büro verließen. Drinnen wandte sich Whatley an seine Kollegin und fragte: „Nun, was sagen Sie zu dem Vorschlag, den ich gemacht habe, nun, da sie den Bericht gehört haben?“ „Ich möchte mir zunächst noch die Aussagen der übrigen Offiziere und die der Crew anhören“, antwortete die Vulkanierin. „Aber ich denke, ich werde ihm danach zustimmen. Es wäre, nach allem, was diese beiden jungen Offiziere und ihre Crew durchgestanden haben, eine logische Entscheidung.“ Whatley lächelte fein. „Und auch eine menschliche, T´Lara.“   * * *   Die folgenden sieben Tage vergingen beinahe wie im Flug. Alle Überlebenden der ALAMO wurden eingehend zu den Vorkommnissen während des Fluges befragt, und die Aussagen von einem Expertenteam des Sternenflottenkommandos analysiert. Nachdem man alle Aussagen mit einander abgeglichen hatte, war ein recht umfassendes Bild der Geschehnisse entstanden, und zwei Namen waren dabei immer wieder in höchster Anerkennung ausgesprochen worden: Valand Kuehn und Sylvie LeClerc. Diese beiden Offiziere wussten noch nicht, was sie erwartete, als sie von Whatley am Ende der Woche erneut in das Hauptquartier der Sternenflotte gebeten wurden. Wie während der offiziellen Befragung, waren auch dieses Mal, außer den Admiralen Whatley und T´Lara, ein Konteradmiral und drei Captains des Stabes anwesend, als Valand Kuehn und Sylvie LeClerc den Saal im Erdgeschoss des Gebäudes betraten, dessen vordere Sitzreihen von der überlebenden Besatzung der ALAMO belegt wurden. Neben einander schritten sie durch den breiten Mittelgang nach vorne. Offensichtlich hatte die Kommission ihre Untersuchungen abgeschlossen und würde ihnen nun das Ergebnis mitteilen. Die hochrangigen Offiziere des Stabes saßen hinter einem breiten, etwas erhöht gelegenen, Pult vor dem die beiden Offiziere der ALAMO stehen blieben und ihre Meldung machten. Whatley erhob sich, und ein mildes Lächeln, dass eine beruhigende Wirkung besaß, lag auf seinem Gesicht, als er verkündete: „Commander Kuehn und Lieutenant-Commander LeClerc. Ich möchte es kurz machen. Diese Kommission ist nach Sichtung aller Logbucheinträge und der Anhörung der Überlebenden der ALAMO zu dem Schluss gekommen, dass Sie beide, in herausragender Weise und im besten Sinne der Sternenflotte alles in Ihren Kräften stehende getan haben, um 108 weitere Besatzungsmitglieder, und die U.S.S. ALAMO wieder in den Heimathafen zurück zu bringen. Darüber hinaus haben sie mindestens dasselbe Maß an persönlichem Mut bewiesen, wie mancher Kriegsheld der Föderation. Diese Kommission hat daher den Entschluss gefasst, Ihnen beiden den höchsten Orden der Sternenflotte zu verleihen. Darüber hinaus werden ihre provisorischen Ränge als reguläre Ränge bestätigt. Sie haben lediglich, zu einem späteren Zeitpunkt, die Prüfungen zur Kommandobefähigung abzulegen. Weitere Beförderungen und Auszeichnungen für die Crew, werden in den nächsten Tagen noch erfolgen.“ Er wandte sich an die anwesende Crew der ALAMO und sagte: „Meine Damen und Herren, bitte erheben Sie sich.“ Whatley und T´Lara verließen das Podest und schritten zu Valand Kuehn und Sylvie LeClerc, die bereits die neuen Uniformen der Sternenflotte trugen. Während Whatley das Rangabzeichen des Provisorischen Commanders von Valand Kuehns Kragen entfernte, und durch drei goldene Rank-Pins ersetzte, heftete die Vulkanierin Sylvie LeClerc die zwei goldenen Rank-Pins und einen schwarzen Rank-Pin, die Insignien eines regulären Lieutenant-Commanders, an. Anschließend sprachen sie den obligatorischen Glückwunsch aus. Da es im Hauptquartier der Sternenflotte nicht schicklich war, die Beförderungen mit einem „Hipp-Hipp-Hurra“ zu feiern, erhoben sich die Crewmitglieder der ALAMO und applaudierten lediglich. Die beiden frisch Beförderten sahen sich dabei verstohlen an. Sie waren beide sehr jung für diese Ränge, aber offensichtlich glaubte das Sternenflottenkommando daran, dass sie die Fähigkeit besaßen, die Aufgaben, die sich mit diesen Rängen ergaben, auch regulär erfüllen zu können. Beide nahmen sich in diesem Moment vor, die Hoffnungen, die man in sie setzte, nicht zu enttäuschen. Danach nahmen die beiden frischgebackenen Stabsoffiziere die Glückwünsche der Kameraden entgegen, mit denen sie gemeinsam eine Menge durchgestanden hatten. Kapitel 17: Aussichten ---------------------- Persönliches Logbuch Commander Valand Kuehn Sternenzeit: 44303.6   Bisher konnten Nan´Doraan und Varinea Thren nicht erreicht werden. Beide befinden sich seit Monaten nicht auf Andoria sondern erfüllen einen Auftrag der Andorianischen Garde. Sie wissen also weder von der Rückkehr der ALAMO, noch von dem Schicksal ihrer Tochter. Den Besuch bei meinen Schwiegereltern muss ich also noch etwas aufschieben. Vor einiger Zeit habe ich die Haarsträhne von Ahy´Vilara in Kristall einschließen lassen, den ich seither stets bei mir trage. Einige Wochen habe ich bei meinen Eltern zugebracht, die mir mit ihrem Trost und ihrer Liebe sehr geholfen haben. Leider ist Alana, an Bord der VANCOUVER, irgendwo am Rand der Föderation unterwegs. Erst im Herbst wird das Schiff im Sol-System zurückerwartet. Meine Eltern haben mir erzählt, dass Alana seit einigen Jahren fest mit einem Vulkanier namens Sonak liiert sei. Bei dieser nobelpreisverdächtigen Nachricht hätte es mir fast die Schuhe ausgezogen. Alana und ein Vulkanier... Aber vermutlich hat sie seinerzeit bei der Beziehung zwischen mir und Ahy´Vilara dasselbe gedacht. Bei meinen Eltern scheint dieser Sonak einen guten Eindruck hinterlassen zu haben, und ich bin gespannt darauf ihn irgendwann persönlich kennenzulernen. Da Andoria noch etwas warten muss, habe ich mich dazu entschlossen, die Einladung von Sylvie anzunehmen. Vor einer Woche bin ich in La Roche-Guyon angekommen. Die Gegend ist malerisch, besonders von der alten Höhenstraße aus, die heute als Allee dient, hat man eine beeindrucke Aussicht auf das Loire-Tal, an dieser Flussbiegung, und die alte Festungsruine, oberhalb des kleinen Ortes. Die Ruhe und die Abgeschiedenheit des alten Weinguts ihrer Eltern, die mich sehr herzlich empfangen haben, tut mir gut, und ich genieße diesen Urlaub, der mir Gelegenheit gibt alles was hinter uns liegt in Ruhe aufzuarbeiten. Selbst Sylvie scheint ruhiger und gelassener zu sein als üblich. Auch an ihr sind die Ereignisse nicht spurlos vorüber gegangen. In den letzten sieben Tagen hat sie mir das Gut gezeigt. Wir haben lange Spaziergänge unternommen und mit einander geredet, wobei deutlich zu merken war, wie nahe wir einander mittlerweile stehen. Eine Tatsache die mich sehr freut denn ich sehe sie mittlerweile als einen wichtigen Teil meines Lebens an. Und manchmal denke ich, dass sie es genauso sieht. Zumindest hoffe ich das.   * * *   Neben einander saßen Sylvie LeClerc und Valand Kuehn auf einer Bank vor dem Haus des Weinguts, welches seit vielen Generationen in Familienbesitz war, und genossen die wärmende Frühlingssonne, die nun gegen Ende April bereits genug Kraft hatte, um angenehme Wärme zu verbreiten. Über die sanft geschwungenen Hänge der Weinberge blickend, sagte Valand schließlich: „Ich danke Dir, für die Einladung, Sylvie. Es tut sehr gut hier zu sein, und einfach die Ruhe und den Frieden dieser herrlichen Gegend zu genießen.“ Sylvie nickte zustimmend. „Ja, nach all den Aufregungen der letzten Jahre ist das genau das Richtige. Erst hier habe ich gemerkt wie entbehrungsreich die letzten Jahre gewesen sind und wie sehr sie an meinen Kräften gezehrt haben. Das alles hatte ich mir ein wenig anders vorgestellt bevor ich an Bord der ALAMO kam.“ „Ich weiß nicht was du hast. Immerhin hast du es dadurch bis zum Lieutenant-Commander gebracht und das weit vor der Zeit“, frotzelte Kuehn. „Du hast es gerade nötig“, konterte die Französin. „Commander mit gerade neunundzwanzig Jahren. In deinem Alter sollte man bestenfalls Lieutenant Senior-Grade sein.“ Etwas nachdenklich erwiderte der Norweger: „Ich hätte gerne auf diese schnelle Beförderung verzichtet.“ Sylvie wusste, was er damit sagen wollte, und sie legte ihre Hand auf seinen Unterarm. „Ich wollte dich nicht daran erinnern“, antwortete sie leise. Valand legte seine Hand auf ihre. „Mach dir keine Gedanken deswegen. Ich habe davon begonnen. Und mittlerweile kann ich auch frei darüber reden. Keiner von uns kann etwas für das, was passiert ist. Ich werde Ahy´Vilara ganz sicher niemals vergessen, doch ich werde auch nicht in der Erinnerung verharren. Das Leben geht weiter, und ich werde ebenfalls weiterleben. Für sie mit.“ Er blickte in die blau-grünen Augen der blonden Frau und für einen kurzen Augenblick berührten sich ihre Seelen. Sylvie nickte und ein Lächeln umspielte ihre Lippen. „Das ist die beste Entscheidung, die du treffen kannst, denke ich. Hast du schon etwas von deinen Schwiegereltern gehört?“ Valand schüttelte den Kopf. „Nein, bisher nicht. Ich habe mich beim Oberkommando der Andorianischen Garde erkundigt. Dort sagte man mir, dass es noch einige Monate dauern könne, bis die beiden wieder erreichbar sind. Ich wüsste zu gerne, was die beiden gerade unternehmen. Was mir das Oberkommando auf Andoria mitteilte klang ziemlich mysteriös.“ Sylvie blickte fragend: „Stimmt es eigentlich, dass die Garde, innerhalb der andorianischen Einflussgebiete noch immer uneingeschränkte Befugnis besitzt?“ „Ja, wenn ich Nan´Doraan richtig verstanden habe. Allerdings spricht sich die Regierung auf Andoria außenpolitisch mit der Föderation ab. Innenpolitisch hingegen hat Andoria freie Entscheidungsgewalt über sein Territorium.“ „Ein Vorteil, wenn man zu den Gründern der Föderation gehört.“ Valand nickte. „Ja, der Botschafter Andorias hat auf diesen Passus bestanden, bevor der Föderationsvertrag ratifiziert worden ist. Kein Wunder, wenn man bedenkt, wie eifersüchtig die Andorianer zu dieser Zeit über die Interessen ihrer Kolonien wachten.“ „Andererseits haben sie seitdem immer treu an der Seite der Menschen gestanden, wenn es hart auf hart ging“, bekannte die Französin. „Damit haben sie bewiesen, dass man solche Zugeständnisse machen kann, wenn der Verhandlungspartner weiß, was Ehre heißt.“ „In diesem Fall stimme ich Dir zu“, lächelte Valand. Dann wurde sein Blick etwas melancholisch, und er sagte bedauernd: „Schade, dass wir am Anfang des Jahres Tar´Kyren so knapp verpasst haben. Ich habe ihn nun seit annähernd sechs Jahren nicht mehr gesehen. Was dieser Teufelskerl während der Schlacht bei Wolf-359 geleistet hat, das scheint mir typisch für ihn zu sein. Und da wollte er anfangs doch tatsächlich Wissenschaftler werden.“ Sylvie schmunzelte: „Im Nachhinein ist das wirklich kaum vorstellbar. Hast du etwas über unsere anderen Kameraden aus Akademietagen in Erfahrung bringen können?“ „Ja. Ich hörte, dass Alev Scenaris jetzt als Taktischer Offizier auf der FARRAGUT gedient. Dass John McTiernan und T´Rian mich vor einigen Wochen besucht haben, als ich noch bei meinen Eltern war, das weißt du ja bereits. Beide sind immer noch ein Paar.“ „Ich gönne es den beiden“, erklärte Sylvie, wobei sie es genoss, dass Valand immer noch ihre Hand hielt. Dann wechselte sie unvermittelt das Thema und erkundigte sich: „Weißt du schon, wohin Dich die Sternenflotte versetzen wird, sobald der Urlaub zu Ende geht? Ich habe heute Morgen eine Nachricht erhalten, dass ich wahrscheinlich zunächst dem Stab eines gewissen Admiral Sherman zugeteilt werde, da momentan, wegen der Verluste bei Wolf-359, kein Schiffskommando verfügbar ist.“ „Klingt doch gar nicht so schlecht“, versuchte Valand sie zu trösten. „Und ich bin sicher, dass man versuchen wird, die Verluste schnell zu ersetzen, und dann werden ganz sicher gute Offiziere benötigt. Und wer weiß, vielleicht gefällt Dir der Job ja auch. Ich selbst habe kurz vor meinem Aufbruch hierher Bescheid bekommen, dass ich Anfang des nächsten Jahres auf ein ganz neues Typenschiff versetzt werde. Die U.S.S. AKIRA. Momentan befindet sie sich kurz vor der Fertigstellung. Ich bin mal gespannt, wer auf diesem Schiff mein Captain werden wird.“ „Vielleicht wieder eine Tellaritin“, scherzte Sylvie, doch ihre Enttäuschung darüber, zuerst einmal im Stab Dienst tun zu müssen, konnte sie nur schlecht verbergen. „Na, komm her“, meinte Valand aufmunternd und Sylvie ließ sich nicht zweimal bitten, näher zu rücken und sich an ihn zu kuscheln. Einen Arm um die Schulter der zierlichen Frau gelegt, blickte Valand wieder über die Weinberge. Dabei sagte er leise: „Ich habe keine Angst davor, was die Zukunft mir bringen mag. Aber ich wünschte, ich hätte den Moment, da ich auf Andoria vor Nan´Doraan und Varinea stehen werde, und den bitteren Besuch an der Mauer der Helden, schon hinter mir. Sylvie schluckte. Dann versprach sie: „Egal wie auch immer dieser Besuch enden wird, Valand: Wenn du mich brauchst, dann werde ich für Dich da sein.“ Für einen Moment lang war sie entschlossen, ihm ihre Gefühle für ihn zu gestehen, doch der Moment verging, ohne dass sie den richtigen Ansatz dazu fand. Also schwieg sie. „Danke, Cherie“, erwiderte Valand leise lachend, ohne von ihrem Gefühlschaos zu ahnen. „Ich werde mich daran erinnern. Denn neben Tar´Kyren bist du der beste Freund, den ich habe.“ Sylvie wusste, wie hoch diese Worte einzuschätzen waren, und doch konnte sie sich kaum darüber freuen. Sie hatte etwas anderes erhofft. Aber vielleicht würde Valand ja später begreifen, was er wirklich für sie bedeutete. Fast gleichzeitig drückte Valand sie an sich und sagte sanft: „Egal wohin die Zeit uns treiben wird, Sylvie, wir werden in Verbindung bleiben. Du bist ein Teil meines Lebens geworden. Ein sehr wichtiger Teil, den ich nicht missen möchte.“ „Ich auch nicht“, antwortete Sylvie fast unhörbar. Valand blickte sie kurz an und lächelte. Dann wandte er sein Gesicht der Sonne entgegen, schloss seine Augen und genoss einfach das Gefühl der Verbundenheit zwischen ihnen beiden.     ENDE Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)