Of Boots and Heels von Jyll ================================================================================ Kapitel 10: 2. Schritt ---------------------- «Was hat dir denn der arme Boxsack getan?», fragte Uruha grinsend und näherte sich in grossem Bogen, nicht dass Reita ihn in seiner offensichtlichen Wut noch traf. Der gab erst mal keine Antwort, sondern dreschte lieber noch weiter auf das inanimierte Objekt ein. Uruha setzte sich geduldig auf die nahe Bank und schlug seine Beine übereinander. Er kannte dieses Verhalten von seinem langjährigen Freund und wusste deshalb, dass er einfach warten musste und der andere schon damit herausrücken würde, was ihm nun schon wieder für eine Laus über die Leber gelaufen war. Sonst hätte er ihm nämlich nicht auf seine SMS geantwortet wo er war. Er wollte also reden, einfach in seinem eigenen Tempo. Tatsächlich brummte Reita nach einigen weiteren Schlägen und griff nach der Wasserflasche, die neben Uruha stand. Nach einem grossen Schluck und einem eisigen Blick, von welchem Uruha aber wusste, dass er nicht ihm galt, öffnete er den Mund. «Mir geht’s gut.» «Ja, seh ich doch.», grinste Uruha und wartete einfach weiter ab. Als aber Reita wieder zu einem Schlag ausholte, fragte er doch mal: «Hast du ihm was geschenkt?» Reita stoppte mitten im Ausholen und Uruha wusste, er hatte einen Nerv getroffen. Verärgerte senkte Reita den Arm. «Ja. War ‘ne Scheiss-Idee.» «Okay…», meinte Uruha gedehnt. «Was hast du ihm denn geschenkt?» «Blumen.» Reita starrte seine Turnschuhe an. Uruha lächelte leicht. Er konnte sich nicht entsinnen, dass Reita je jemandem Blumen geschenkt hatte. «Okay, und ist er auf Blumen allergisch oder was?» «Nein.» Reita drangsalierte wieder den Boxsack. «Haben sie ihm nicht gefallen?», fragte Uruha über die Geräusche der Handschuhe auf dem Sack hinweg. Erst kam keine Antwort. Reita schien überlegen zu müssen. «Keine Ahnung…er hat sie in eine Vase gestellt.» «Das ist doch gut, was ist denn das Problem? Hat er sich lustig gemacht?» «Ne…» Reita fummelte an der Schnürung seiner Handschuhe herum. «Also was war es dann?», hakte Uruha nach. Sein Kumpel atmete erstmal durch, bevor er ihm endlich eine Erklärung lieferte. «Da war schon ein riesiger roter Strauss roter Rosen von diesem anderen Kerl.» Uruhas Verwunderung ging in einer Reihe von Schlägen auf den Boxsack unter. Etwas mitleidig blickte er zu seinem langjährigen Freund. Er kannte ihn gut genug, um zu merken, dass er sich verarscht vorkam. Und er selbst hatte es ihm auch noch vorgeschlagen. Gut, er hatte nicht gedacht, dass Reita es tatsächlich umsetzen würde – sein Stolz verbot ihm doch so etwas. Aber anscheinend war er tatsächlich über seinen Schatten gesprungen, nur um dann, jedenfalls aus der Sicht von Reita, blamiert zu werden. Uruha wartete eine Schlagpause ab. «Was hast du für Blumen gewählt?» «Hm eh…» Reita kratzte sich am Kopf. «Schwertlilien.» Uruhas Augenbrauen wanderten in die Höhe. «Schwertlilien? Bist du selbst auf die Idee gekommen oder wurdest du beraten?» «Ich hab mich beraten lassen, wieso?» «Ach…nur so…Blumensprache und so…», murmelte Uruha. «Wie auch immer. Und jetzt lässt du dich schon unterkriegen wegen ein paar Rosen?» Reita durchbohrte ihn mit seinem Blick. «Was denn? Soll ich ihm etwa etwas anderes schenken, nur damit er mich damit auch blossstellen kann?» «Die einzige Alternative ist aufgeben oder?», feixte Uruha, wohlwissend, dass Reita das nicht auf sich sitzen lassen würde. «Pah. Weisst du, das Ganze ist doch anstrengend.» «Das hört sich aber nicht nach dem Jäger an, den ich kenne.» Reita zog wütend mit seinen Zähnen die Schnürung seines Handschuhs auf und streifte sie ab, warf sie in die Tasche zu Füssen Uruhas. «Leck mich doch. Vielleicht steht er einfach auf Tunten und nicht auf echte Männer.» Uruha schnappte nach Luft. «Alter!», widersprach er nur. «Willst du jetzt etwa mich als Tunte bezeichnen oder den schwarzhaarigen Schönling? Ich versteh ja, dass dein Ego geknickt ist, aber du bist es halt einfach nicht mehr gewohnt für jemanden was zu machen, weil dir immer alle in den Schoss gesprungen sind.» Er verschränkte die Arme und blitzte ihn erbost an. Reita trank ein paar grosse Schlucke aus der Flasche, sah aber schon schuldig drein. «Hast du denn noch so einen tollen Vorschlag, der mich wieder dumm dastehen lässt?» «Pff, ne, wenn du mir jetzt die Schuld daran zuschieben willst, dann lass dir selbst was einfallen. Umgarn ihn einfach. Behandle ihn mit Respekt. So wie du auch behandelt werden willst. Vielleicht lässt er sich dann zu einem Date überreden.» Reita blickte drein, als ob er in eine Zitrone gebissen hätte, sagte aber nichts weiter, sondern nahm seine Sachen zusammen. «Burger und Bier?» Uruha nickte nur und stand auf. «John’s?» «Yep.» Ruki klopfte mit seinem Stift unruhig auf seinen Schreibtisch herum und starrte schon seit hundert Sekunden bewegungslos auf die Papiere vor sich, ohne wahrzunehmen was dastand. Er war zu in Gedanken versunken, als dass er seinen Blick wieder hätte fokussieren können. Schliesslich hob er langsam den Blick zu den zwei Sträussen. Rosen und…die von Reita. Was waren das für Blumen? Noch bevor er der Sache nachgehen konnte, klopfte es sanft an seiner Tür. Verwundert runzelte Ruki die Stirn. «Herein?» Fast ebenso vorsichtig wurde die Tür geöffnet und Reita kam herein. «Du hast doch sicher ne Sekunde Zeit für deinen liebsten Arbeitskollegen?», fragte dieser grinsend und Ruki war gerade dabei die Augen zu verdrehen, als er die Blumen aus dem Augenwinkel entdeckte und innehielt. «Du kriegst eine Sekunde.», meinte er gnädig. «Na gut, mehr brauch ich nicht.» Er zog einen Umschlag aus der Tasche und warf ihn elegant auf den Schreibtisch vor Ruki aus zwei Meter Entfernung. Abermals wanderten seine Augenbrauen in die Höhe und er zog aus dem nicht verschlossenen Umschlag eine Einladung aus teurem Papier mit vergoldeten Lettern. Ruki wusste auf der Stelle was das war, denn er hatte versucht, genau so eine zu bekommen. «Wo hast du die her?! Die sind schon seit Monaten weg und die Show ist schon morgen!», keuchte Ruki und befingerte das Papier, während er sah, dass sein höchsteigener Name darauf stand. «Du hältst mich vielleicht für einen zweitklassigen Designer, aber ich hab meine Verbindungen…da kommt man schon mal an einen Platz in einer ausverkauften Modeshow…», grinste Reita und stopfte seine Hände in die Taschen seiner schwarzen Jeans. Immer noch etwas ungläubig starrte Ruki das Eintrittsticket an, doch dann blickte er in einem Anflug von Misstrauen auf. «Was springt für dich dabei raus? Ich schlafe deswegen immer noch nicht mit dir.» Reita stöhnte genervt auf. «He, hab ich mir nicht wenigstens ein wenig mehr Vertrauen verdient als das? Es ist ein Geschenk, keine Bestechung oder Bezahlung.» Ruki musterte ihn, doch sein Blick milderte sich. «Muss ich mit dir hingehen?» Jetzt lachte Reita auf. «Nein, ist nicht so mein Stil, also viel Spass. Nur eines…» Er kam etwas näher. «Das nächste Mal, wenn ich hierherkomme, wäre es nett, wenn du wenigstens mal freundlich ‘Hallo’ sagen könntest…» Schmunzelnd wandte er sich ab und schloss die Tür hinter sich. Ruki starrte auf die Tür und dann wieder auf das Ticket. Ja, vielleicht hatte Reita sich das verdient. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)