Mein kleines Hündchen von NekoBastet (Als Junge geboren, zum Haustier erkoren...) ================================================================================ Kapitel 19: Drei Herzen ----------------------- Bevor es zu einem erneuten, heißen Kuss kommen konnte, ertönte ein ohrenbetäubender Knall und dazu ein Krachen. Sofort fuhren die beiden Jungen auseinander und starrten in Richtung der Tür. Zumindest in jene Richtung, wo einmal die Tür gewesen war. „Nao! Verdammt nochmal, Nao!“, brüllte eine andere männliche, Yuuki sehr bekannte Stimme. Die gesamte Situation wurde mit einem Schlag zerstört. Sie war wie Zuckerglas gewesen. Süß, täuschend echt, aber trotzdem falsch. So dermaßen falsch. Yuuki hatte das schreckliche Gefühl, beim Fremdgehen ertappt worden zu sein. Obwohl... Er hatte nie akzeptiert, dass sie wirklich zusammen sein sollten, also zählte das gerade eigentlich nicht als Betrug. Seine Haut kribbelte, als er wieder den Armreif spürte, der ihn daran erinnerte, wem seine Treue gelten sollte. Auch, wenn er es sich nicht ausgesucht hatte, war er nach Seiichirous Ansicht – und der des Restes der Schule – fest vergeben. Schuldgefühle stiegen ihn ihm auf. Irgendwie war er doch fremdgegangen. Naja, zumindest beinahe! Also beinahe so richtig. Überhaupt... Was zur Hölle hatte er da gerade mit Akira-kun getrieben? Seinem Erzfeind! Seinem Peiniger! Hallo? Erde an Hirn! Oder besser: Erde an zweites Hirn! Was hatte ihn bloß geritten, dass er mit diesem Kerl...? Nicht einmal in Gedanken konnte er es aussprechen. Selbst bei der Formulierung der Frage, was ihn geritten hatte, schalt er sich selbst. Wer wohl? Akira-kun, verflucht! Der Kerl, der seinen Untergang besiegeln würde! In der gleichen Sekunde rückte Yuuki ein ganzes Stück von besagtem Typen weg, rutschte unsanft von der Mattenkante und knöpfte sich hektisch sein Hemd zu. Natürlich unordentlich, wie er feststellte, als er beim letzten Knopf ankam. Egal. In diesem Moment störte ihn da unten etwas vollkommen anderes, als ein falsch geknöpftes Hemd. „Fuck.“, fluchte Yuuki und schlug mit der Faust auf den Boden. Er rappelte sich auf und wollte gerade verschwinden, als ihm bewusst wurde, dass sein eigentlicher Freund Seiichirou noch immer im Türrahmen stand. Schuldbewusst hob er den Blick und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass die Tür aus den Angeln gebrochen mitten im Raum lag. „Du hast die Tür eingetreten??“, fragte Yuuki entsetzt. Seiichirou kam mit großen Schritten auf ihn zu und packte den so viel Kleineren an den Schultern. „Natürlich! Wenn dieser Geisteskranke dich vergewaltigen will, dann suche ich doch nicht erst den Schlüssel!“, rief der Schönling aufgebracht. Dann deutete er anklagend auf Akira-kun. „Was denkst du dir überhaupt? Es geht zu weit, dass du meinen Freund vergewaltigen willst, nur, weil du nicht damit zurecht kommst, dass du wieder einmal verloren hast!“ Blitzschnell schoss er nach unten und schlug Akira-kun mit dem Handrücken direkt ins Gesicht. Ehe sich Yuuki versah, stand sein 'Freund' wieder aufrecht bei ihm. Geschockt wanderte sein Blick von Akira-kuns heftig blutendem Gesicht zu Seiichirous Hand, an der ein Wappenring prangt. „Na?“, heuchelte der Ältere in gehässigem Tonfall Sorge vor. „Wie fühlt es sich an, ein weiteres Mal von der Macht des Masamoto Clans geschlagen zu werden?“ Derweil wischte sich Akira-kun das Blut aus dem Gesicht, doch aus einem langgezogenen, breiten Kratzer quoll erneut heißes Rot hervor. Dieser Kratzer war definitiv von dem Wappenring. „Das hast du mit Absicht getan!“, klagte Yuuki den Senpai neben ihm an. „Na und?“, gestand Seiichirou indirekt. „Ist er denn besser? Beißt dich halbwegs zu Tode, verprügelt und demütigt dich und wollte dich jetzt auch noch vergewaltigen!“ Yuuki packte die Hand, mit der sein Möchtegern-Freund Akira-kun geschlagen hatte und hielt sie ihm vor die Augen. „Du hattest die Möglichkeit, besser als er zu sein und hast es gänzlich verhauen! Sieht das hier für dich nach einem besseren Verhalten aus? Und außerdem: Er hat nicht versucht, mich zu vergewaltigen!“ „Was dann?“, fragte Seiichirou aufgeregt und verwirrt. „Hast du etwa freiwillig mit ihm rumgemacht?“ Sofort wurde Yuuki rot. Er konnte gar nicht anders. Beschämt sah er zur Seite. „Und wenn schon.“, zischte er verlegen. „Meiner Meinung nach sind wir nicht zusammen.“ Nach diesen Worten schaltete Akira-kun sich wieder ein und lachte amüsiert. Natürlich nicht, ohne einen spöttischen Unterton. „Na, wer hat jetzt gewonnen, Masamoto Seiichirou? So einfach hätte sich dein in Handschellen gelegtes Familiengut vögeln lassen. Passt ja gut in euren Verräter-Clan.“ Seiichirou wirbelte herum und hätte Akira-kun beinahe wieder eine verpasst, wenn Yuuki ihn nicht festgehalten hätte. „Lass ihn!“, forderte er. Warum er das tat, nachdem er dermaßen gedemütigt wurde, wusste er auch nicht. „Du bist der, dessen Hände von blutigem Verrat getränkt sind!“, tönte Seiichirou. Seine altertümliche Ausdrucksweise war seltsam. So hochgestochen. Aber diese Wortwahl zeigte Yuuki, dass es hier um mehr ging, als bloß um ihn. „Hast du es Nao denn schon erzählt? Weiß er denn, warum man dich meidet und warum man sagt, du hättest schon jemanden umgebracht?“, brüllte er wütend. „Hör' sofort auf! Zieh ihn da nicht mit rein!“ Akira-kun versuchte nur noch, das Schlimmste abzuwenden. „Was denn, verdammt?“, fragte Yuuki. Er hatte beinahe Angst, überhaupt etwas zu sagen, wenn sich diese zwei Größen miteinander anlegten. Aber er musste endlich wissen, worum es hier tatsächlich ging. „Dein süßer Liebhaber Akira Ryuji hat nämlich-...“, begann Seiichirou. Akira-kun griff in diesem Moment an, sprang auf den Verhassten zu und wollte ihn damit daran hindern, das auszusprechen, wovor er sich all die Zeit versteckte. Doch Seiichirou hatte damit gerechnet, wehrte den Angriff ab und sorgte dafür, dass Akira-kun schmerzhaft auf dem Boden aufschlug. Noch einmal formulierte er seinen Satz. „Dein süßer Liebhaber Akira Ryuji hat seine eigenen Eltern ermordet!“, rief er aus, wie einen Freudenschrei. Offensichtlich brachte es ihm Genugtuung, diese Anschuldigung so laut hinauszuposaunen. Er grinste und lachte. Es war ein grausames Lachen. Eines, das nach einem Sieg klang, der über Leichen hinweg errungen worden war. Akira-kun kauerte währenddessen auf dem Boden. Er hielt den Kopf gesenkt und verbarg seine Mimik hinter einem Zipfel seines Anzugs, mit dem er die Blutung in seinem Gesicht weiterhin stillte. „Das ist nicht wahr.“, brachte er unfassbar leise hervor. „Von wegen, Verräter.“, antwortete Seiichirou nur noch desinteressiert. Dann kümmerte er sich wieder um Yuuki. „Nao... Es tut mir furchtbar Leid, dass du all diese Sachen hören musstest, aber es ist die Wahrheit.“, flüsterte er beruhigend und strich seinem Freund die durcheinander gebrachten Haare glatt. „Dieses eine Mal verzeihe ich dir deinen Fehltritt. Aber bitte, halte dich von diesem Mörder fern. Ich will dich nur beschützen.“ Dann streichelte er ihm über die Wange. „Du bist für mich ein unglaublich wertvoller Mensch. Vergiss das nie.“ Seiichirou beugte sich zu Yuuki hinunter und küsste ihn sanft. Auf eben jene Lippen, die vor wenigen Minuten noch Akira-kun geküsst hatten. Yuuki fühlte, wie schwer es dem Älteren fiel, das zu tun. Wieder wurde sein Gewissen von einer Welle Schuldgefühle erfasst. Dann verabschiedete Seiichirou sich. „Wir sehen uns später, Nao. Pass auf dich auf.“ Er verließ den Raum durch die zerstörte Tür, nicht, ohne noch einmal gegen Akira-kun zu treten. Ohne Zweifel. Diese Runde ging an ihn. Und trotz der beängstigenden Vorstellung schlugen nun drei Herzen in Yuukis Brust. Eines, das an Seiichirous Worte glaubte, ihn achtete und ihm trotz seiner Unberechenbarkeit bedingungslos vertraute. Ein zweites, das an Akira Ryuji hing, sich aber auf schlimmste Weise betrogen fühlte, weil Akira-kun ihn anscheinend nur ausnutzen wollte, um Seiichirou zu schaden. Und ein drittes, sein eigenes Herz, das ihm sagte, dass er sich unbedingt aus dieser Angelegenheit heraushalten sollte, wenn er nicht noch einmal zerbrechen wollte. Nachdem Seiichirou den Raum verlassen hatte, wagten die beiden Erwischten es, sich wieder zu regen. Yuuki ergriff als Erster das Wort. „Ist das wirklich wahr? All die Gerüchte? Hast du deine Eltern ermordet?“, fragte er und überraschte sich selbst damit, wie gefasst er klang. „Was denkst du denn?“, beantwortete Akira-kun die Frage mit einer Gegenfrage. Seine Stimme war noch immer extrem leise. Der sonst mächtige, furchteinflößende Sadist wirkte so gebrochen, dass Yuuki sich ihm schon beinahe überlegen fühlte. Wenn da nicht ein paar kleine Details wären, die dem Jungen noch immer das Blut in den Adern gefrieren ließen. Ebenso kühl waren seine nächsten Worte. „Bei dir kann man nie wissen.“ Und damit ging auch Yuuki. Was hätte er auch anderes tun sollen? Am liebsten hätte er noch Salz in die frische Wunde gestreut und Akira-kun richtig ordentlich fertig gemacht. Er hätte sich dafür rächen können, was ihm in der erst kurzen Zeit schon angetan worden war. Was sprach denn dagegen, die schwächsten Momente seines Erzfeindes auszunutzen? Das hätte dieser genauso gemacht! Aber so ein Mensch wollte Yuuki dann doch nicht werden. Er wusste, wie es war, wenn sich jeder gegen einen stellte und er würde das geben, worum er selbst so lange Zeit vergebens gebettelt hatte: Eine Chance, alles zu erklären. Aber nicht jetzt. Jetzt war Yuuki viel zu aufgebracht. Er hätte nicht die Geduld oder Kraft, geschweige denn einen Funken Verständnis dafür aufbringen können, sich anzuhören, warum Akira-kun all das tat. Es war vollkommen verwirrend. In der einen Sekunde war er sich sicher gewesen, dass dieses Monster ihn umbringen würde, aber in der nächsten konnte er so sanft und vertraut sein. Bis alles wieder zerstört wurde. Bereits im *Sunshine* hatte Yuuki realisieren müssen, dass jedes ihrer friedlichen Aufeinandertreffen höchst fragil war. Selten wurde ihm die Vergänglichkeit eines Augenblickes so deutlich vorgehalten, wie in jenen Momenten, die er mit dieser speziellen Person verbrachte. Irgendwann aber war es genug. Wie oft konnte etwas zerbrechen, bis es unmöglich war, es wieder zusammenzusetzen? Yuuki war sich nicht sicher, ob er sich mit dieser Frage auf das Verhältnis zu Akira-kun, oder auf seine eigene Seele bezog. Verzweifelt raufte er sich die Haare und steuerte erst mal die Toiletten an. Er musste fürchterlich aussehen nach diesen frühen Eskapaden. Kurz darauf bestätigte ihm der Spiegel dort seine Befürchtung. Kaum zu glauben, dass er vor kurzem noch voller Motivation und Energie durch das Schultor spaziert war. Es war so leicht, einen Menschen an den Abgrund seiner selbst zu führen. Zur Erfrischung spritze sich Yuuki eiskaltes Wasser ins Gesicht. Die Kälte beruhigte ihn und ließ ihn seelisch und körperlich runterkommen. Verdammt! Wie hatte es Akira-kun überhaupt geschafft, in ihm solche Gefühle hervorzurufen? Hätte Yuuki selbst es nicht besser wissen müssen? Es war doch nicht das erste Mal gewesen, dass man ihn so berührte! Nicht das erste Mal. Das wievielte Mal war es denn? Schmerzhafte Erinnerungen kehrten in Yuukis Gedächtnis zurück. Unbedingt noch mehr kaltes Wasser ins Gesicht! Es half kaum. Erinnerungen an seine frühere Schulzeit blitzen in Yuukis Gedächtnis auf. Sie waren so präsent, als wären all diese Geschehnisse erst wenige Tage her. Alles, was jetzt und damals geschehen war, quälte den Schüler. Es zerfraß ihn innerlich. So lange schon lief er mit dieser Schande durch sein Leben. Er fühlte sich schmutzig, billig und gedemütigt. Nicht wirklich wegen Akira-kun allein. Mehr war es die Gesamtsituation. Verzweifelt sah Yuuki sich um. Um all das zu verdrängen, könnte er...- Ja... Schmerzen könnten ihn die Gefühle von Hass und Abscheu vergessen lassen, oder nicht? Sein Blick wanderte an seinem Körper entlang. An den richtigen Stellen würde es doch kaum auffallen... Was hatte er dabei? Eine Schere... Angespitzte Bleistifte... Jeder scharfe oder spitze Gegenstand würde eigentlich ausreichen. Halt! Stopp! Nein! Wutentbrannt wirbelte der Junge herum und schlug auf sein eigenes Spiegelbild ein. Es zersplitterte mit lautem Klirren in unzählige Stücke. Ironischerweise blieb die Hand des Jungen dabei unverletzt, aber er besah ich das Chaos. Noch mehr gefährlich scharfe Kanten. Nein! Yuuki sank zu Boden und krallte sich um sich selbst. Er rang mit sich. Das, was gerade wieder in seinem Kopf aufgetaucht war, durfte er nicht denken. Solche Ideen hatte er hinter sich gelassen. „Es gibt keinen Grund dafür.“, flüsterte er sich selbst zu. „Es lässt sich alles noch anders klären. Ich brauche nur einen Plan.“ Sein Flüstern beruhigte ihn. Gute Pläne auch. Das hatte er gelernt. Am Ende war es auch nur ein Gedanke gewesen. Ein Was-Wäre-Wenn-Hirngespinst. Nie im Leben hätte Yuuki den Mumm gehabt, sich selbst zu verletzen. Nicht damals und nicht heute. Aber daran gedacht hatte er schon oft. Er wusste, dass der Schmerz für gewisse Zeit helfen würde, über seine quälenden Gedanken hinwegzukommen. Dennoch hätte er sich das nie getraut. So verzweifelt konnte er gar nicht sein. Letztendlich war er eben doch ein Schisser, was so etwas anging. Er konnte ja noch nicht einmal andere verletzen. Also wie dann sich selbst? Aber immerhin stellte er sich so eher seinen Ängsten, was ihn wiederum mutig machte. Was damals geschehen war, konnte nicht mehr verschwinden. Aber es musste in der Vergangenheit bleiben. Es durfte und es würde ihn nicht in sein neues Leben einholen. Außerdem war es doch ein gutes Zeichen, dass Yuuki wieder so etwas wie Scham oder Begierde empfinden konnte. Erst mit Seiichirou, auch, wenn das noch um einiges harmloser gewesen war. Und jetzt gerade mit Akira-kun. Wie weit wären sie gegangen, wenn Seiichirou nicht dazwischen gegangen wäre? Yuuki wurde rot und das war richtig so. Wenn er sich schämte, bedeutete das, dass seine Würde sich noch nicht vollständig verabschiedet hatte. Oder, dass sie regenerierte. Gleichzeitig aber nervte es ihn auch. Was gab diesen beiden Verrückten das Recht, Yuuki dermaßen aus der Fassung zu bringen? Er war doch kein Pingpong-Ball, der mal auf der einen und mal auf der anderen Seite bespielt wurde. Überhaupt war er kein Spielzeug! Und kein Liierter! Und kein Hündchen! Und damit fasste Yuuki einen Entschluss. Zwar würde es ihm - allein schon Dank seiner ruhigen, friedliebenden Art – extrem schwer fallen, aber es klang in diesem Moment vielversprechend. Wenn diese beiden rivalisierenden Streithähne ihn beide haben wollten, um mit ihm zu spielen, warum sollte er dann nicht mitspielen? Es musste ja nicht jedes Mal auf harten Sportmatten – oder sonst irgendwo! - enden. Yuuki rappelte sich auf, ignorierte den zerstörten Spiegel und wusch sich ein letztes Mal das Gesicht. Ja, ein neuer Schlachtplan wirkte besser als jeder Schmerz, den er sich hätte zufügen können. Aber so war er eben. Er gab nicht auf und kämpfte – oder spielte - bis zum Schluss. In diesem Spiel waren die Karten gerade erst neu gemischt worden. Und seine Gegner spielten offen. Hosted by Animexx e.V. 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