Beinahe von fragile ================================================================================ Kapitel 1: Beinahe ------------------ Liebe macht blind, aber Eifersucht sieht viel zu viel und meistens Dinge, die nicht mal sind. „Wir sind Freunde. Nicht mehr und nicht weniger“, gab ich grummelnd zurück und nippte an meinem Cocktail. Die süße Säure prickelte in meinen Backentaschen, während der Alkohol sich langsam überall in meinem Körper verbreitete. „Papperlapapp. Seid ihr nicht“, schnalzte meine beste Freundin und zwirbelte eine ihrer langen, goldblonden Strähnen in ihren Fingern. Mein Zischen ging glücklicherweise unter dem Bass der Musik unter und ich funkelte sie verärgert an. Ein amüsierter Blick war ihre Antwort und sie nickte in die Richtung von Sasuke Uchiha. Meiner ersten großen Liebe in der Vorschule. Meinem Rivalen beim Buchstabierwettbewerb in der vierten Klasse. Meinem Chef bei einem bescheuerten und nichts einbringendem Ferienjob irgendwann in der High School. Und er war nur Chef, weil er schon im Jahr zuvor dort arbeitete. Meinem Mitbewohner seit meinem Abschluss und Beginn in der Uni. Gut, er war zwischen Buchstabierwettbewerb und bescheuertem Ferienjob nochmal meine große Liebe. Vielleicht auch ein bisschen länger. Aber was hieß das schon? Selbst wenn wirklich etwas zwischen Uchiha und mir war, wusste ich immer, dass das nichts Ernstes war. Das war höchstens ein beinahe und nur wenig Liebe-für-immer-und-ewig. Beinahe war er mein Romeo auf Lebzeiten. Aber eben nur beinahe. „Du bist eifersüchtig auf sie oder? Jedenfalls starrst du die beiden seit mindestens zwei Minuten durchgehend an“, bemerkte Ino und lehnte sich lässig im Ledersessel zurück. Widerwillig wand ich meinen Blick ab und ich versuchte den angewiderten Gesichtsausdruck in pure Gleichgültigkeit umzuwandeln. Natürlich scheiterte ich kläglich. „Ich bin nicht eifersüchtig“, antwortete ich und probierte mit dem Plastikstrohhalm einen Eiswürfel zu zermalmen. Ein Glucksen drang schwach an meine Ohren und ich rollte ergeben mit den Augen. „Ein wenig. Aber wirklich nur minimal. Prozentual gesehen höchstens einen Prozent.“ „Schätzchen, ich hab dich gestern erwischt, wie du ein T-Shirt von ihm aus seinem Zimmer gemopst hast und es tänzelnd in dein Zimmer befördert hast.“ Ich stieß einen empörten Laut aus meiner Lunge und beugte mich ausweichend nach hinten, ehe ich energisch versuchte ihr zu erklären, dass ich das Shirt lediglich herumliegen sah und es in die Wäsche packte. Sie winkte amüsiert ab und trank den letzten Schluck ihres Cocktails. „Ich glaube, wir müssen jetzt zu stärkerem Greifen.“ Sie sprang aus ihrem Sessel und zupfte sich ihren viel zu kurzen Rock zu Recht, bevor sie zwinkernd Richtung Bar taumelte. Mein Schnauben erinnerte fast schon an einen Gaul. Aber dieser Anblick! Herrgott nochmal. „Nehmt euch ein Zimmer“, grummelte ich verstimmt. Da stand er: Locker an der Wand gelehnt. Mit seinen perfekt-bescheuerten Haaren. Top gestylt, obwohl er nicht eine Sekunde für sein Styling opferte. Zweimal fuhr er mit der Hand durch den Haarschopf, dann ein kurzes Schütteln der Mähne und voilà: Alles saß perfekt. Lag eventuell auch daran, dass er hin und wieder beinahe perfekt war. Ein bisschen beinahe. Optisch jedenfalls. Seine Haut war hell und schimmernd, fast schon so weiß wie der Vollmond. Dabei war er ständig draußen und rannte mit Naruto einem Ball hinterher. Bei Wind und Wetter, wie man so schön sagte. Es sei angemerkt, dass er seit der High School mit Naruto Fußball spielte. Dort war nämlich das Gerücht herum gegangen, dass es ziemlich gut bei den pubertierenden Mädchen ankam. War nicht mal gelogen. Ich gehörte zeitweise dazu, bis ich mich auf meine Rolle als Schulsprecherin konzentrierte. Ein Fehler war das regelmäßige Sporttreiben durchaus nicht. Ich gab es zwar eher ungern zu, aber es war jeden Morgen ein Augenschmaus, wenn er nur mit Handtuch bekleidet aus dem Badezimmer kam. Mit den klitzekleinen Wasserperlen, die sich vorwitzig über seine glatte Haut stahlen. Ich biss mir auf die Lippe und zwang mein Augenmerk auf die Brillenträgerin, die sich kichernd neben ihm befand. Sie schien laut los zu lachen, als wäre der Witz schlechthin aus Sasukes Mund gekrochen. Ts. Als sei Sasuke Uchiha amüsant. Vorher gefriert die Hölle zu. Sie wippte zur Musik, etwas zu stark, was unweigerlich dazu führte, dass ihre Oberweite schon fast in seine Augen sprang. Wenn er hingesehen hätte. Aber sein Augenpaar traf auf das meinige. Ich zog die Augenbrauen zusammen und wandte brummend den Blick auf mein leeres Glas. Sasuke Uchiha war der beinahe-Mittelpunkt meines Lebens. Seit der Vorschule. Und es gab durchaus Zeiten, in denen ich alles für ihn sein wollte. Aber immer wenn ich dachte, es könne funktionieren, wenn ich ihm erklärte, was so hin und wieder in meinem Herzen vor sich ging, waren da so ein bis fünf Millionen Gründe, die ich übrigens nicht alle benennen kann, die dagegen sprachen. Gut, wir haben es einmal versucht. Bei der Abschlussfeier der High School. Ein kleines Stolpern meinerseits führte dazu, dass ich meinen Mund auf seinen presste. Zwischen dem schwankenden Gefühl der Betrunkenheit und dem leichten Geschmack von Zigaretten, der von ihm ausging, war da ein auf kribbelndes und laut pochendes Herzgeräusch. Zweifellos hielt das mindestens zwanzig Herzschlagsekunden an, bevor wir uns voneinander trennten. Er war natürlich total beherrscht und sowas von gar nicht mit roten Wangen geschmückt wie meine Wenigkeit. Und ‚geschmückt‘ war untertrieben, ich war eine überreife Tomate kurz vorm Zerplatzen. „Starrst du ihn schon wieder an?“, lachte Ino viel zu laut in mein Ohr und ich verzog verärgert mein Gesicht. „Du musst dir das wirklich abgewöhnen. Man sieht aus zig Kilometern schon deine Verliebtheit, die gerade mehr von Eifersucht überlagert wird.“ „Ino! Ich bin nicht eifersüchtig!“ „Aber du schmiedest gerade Todespläne für Karin oder? Hast du gesehen, wie sie sich an ihn ran schmeißt?“ Sie gackerte vor Lachen wie ein Huhn, das ein Korn zum Fressen fand. „Sehr witzig“, stieß ich hervor. Ich griff nach dem Schnapsglas und führte es an meine Lippen. Karin betatschte ihn an der Schulter und in mir gluckerte Magensäure. „Warum gehst du nicht einfach hin? Wir wissen beide“, sie leerte ihr Schnapsglas und verzog angewidert das Gesicht, „dass er ohne zu zögern seine Aufmerksamkeit ganz allein auf dich richten würde. Macht er ja eigentlich sowieso schon. Er starrt nämlich meistens zurück.“ „Tut er nicht, Ino. Hast du ihre hässlichen Stiefel gesehen? Was soll das für ein Outfit sein?!“, fragte ich Ino und deutete auf die roten Ankle Boots. Ino folgte stumm meinen Blick und hob die rechte Augenbraue an. „Ja, wirklich hässlich“, bestätigte sie nickend. „Und der Lippenstift geht ja mal gar nicht“, führte ich fort. „Sie kann ja gleich raus und als Bordsteinschwalbe versuchen den Abend ansatzweise zu vergüten. Mit dem knappen Rock wirft das sicher einige Gewinne ab.“ „Sieht doch ein Blinder, was für eine Show die abzieht. Prinzessin Brillenschlange will Sasuke mit ihren Rundungen rumkriegen und scheut sich nicht davor, wie eine Prostituierte auszusehen!“ Mir entfuhr ein Lachen und mein Blick schweifte über ihren Körper. Ich befeuchtete meine Lippen: „Sie hat wirklich einen schönen Hintern.“ Ino seufzte ergeben und nickte. „Und sie kann ganz gut tanzen. Besser als ich. Zugegeben. Aber dieses ständige Getue. Die geht einem ja schon nach fünf Minuten auf die Nerven. Wie hält Sasuke es mit ihr nur aus?“ „Ich frage mich gerade mehr, wie ich es mit dir aushalten kann.“ „Ino!“ Wir tranken noch einen Schnaps und dann noch einen und dann noch einen. Bis sich alles drehte. „Geh hin zu ihm! Wie viel Mut musst du dir denn noch antrinken?“ Das war einer der Momente, in denen ich Ino Yamanaka nur allzu gerne an die Gurgel gesprungen wäre. Ich fauchte sie genervt an und versicherte ihr zum gefühlt tausendsten Mal, ich sei nicht eifersüchtig. Nicht mal ansatzweise sogar. Beihnahe aber. Die Musik wurde langsam schneller und langsam begann die Welt sich um mich herum zu drehen. Meine Augen suchten den Raum nach Sasuke ab, aber ich fand ihn nicht und auch Karin war unauffindbar. Ich schob die Unterlippe vor und betrachtete Ino, die ihren Kopf auf der rechten Hand abstützte. Wir übertrieben etwas mit dem Alkohol. „Ino? Ich glaube, die vögeln jetzt irgendwo“, brachte ich hervor und starrte den schwarzen Fleck auf dem Tisch an. Sie schüttelte träge den Kopf und hob einen Finger. „Niemals lässt sich Uchiha auf das rote Biest ein.“ „Und wenn doch?“ Ein verhaltenes Kichern verließ ihre Kehle, dass sich Millisekunden später in ein Hüsteln verwandelten. Sie verschluckte sich immer mindestens einmal an ihrer eigenen Spucke, wenn wir in diesem Club waren. Ich schmunzelte und suchte ihre blauen Augen. „Er serviert sie gerade ab“, sagte sie schließlich. „Ino? Was, wenn die jetzt in unserer Wohnung sind?“ Sie prustete los: „Never! Naruto würde das schon gar nicht zulassen. Jedenfalls heute nicht. Immerhin ist Hinata bei ihm.“ „Ino?“ „Hm?“ „Ich geh auf die Toilette und dann will ich nach Hause.“ „Gute Idee“, brummte sie müde und gähnte laut, „Ich setze mich dann zu Sai, sobald du im Taxi bist.“ Ich kämpfte mich bis zur Toilette durch und versuchte überall den Rotschopf und Sasuke ausfindig zu machen. Ohne Erfolg. Erstaunlicherweise brauchte ich trotz der leichten Übelkeit und den wirklich viel zu wackeligen Beinen nicht allzu lange auf der Toilette und betrachtete mich abschätzend im Spiegel. Gegen Karin war ich heute wohl eher am Abstinken. Meine Schminke war schon etwas verschmiert und meine Haare klebten an einigen Stellen zusammen. Meine Lippen waren spröde und rissig. Meine Nase von der Erkältung zwei Tage zuvor noch immer leicht gerötet. Ich klatschte mir kaltes Wasser ins Gesicht. Bei dem Gedanken die beiden möglicherweise draußen in einer Ecke knutschend vorzufinden, zog sich alles in mir zusammen und mir wurde schlecht. Schlimmer noch, wenn ich sie mir in Sasukes Zimmer vorstellte. In seinem Bett, in dem wir vor zwei Monaten beinahe geknutscht hätten. Alkohol lockerte die Stimmung wohl immer ein wenig und wenn Naruto nicht rein geplatzt wäre... ach, was zählte schon 'vor zwei Monaten' und 'beinahe'? Dennoch... Sasuke Uchiha war der beinahe-Mittelpunkt in meinem Leben. Eigentlich nicht beinahe, sondern immer. Ich ging auf die Uni, weil er da hin ging und ich hab meine Mädels-WG aufgegeben, als ich hörte, dass er und Naruto einen neuen Mitbewohner suchten. Alles ohne zu zögern. Natürlich war ich eifersüchtig auf diese dumme Pute, die ihn gerade mal seit einem Jahr kannte und sich bei jeder Gelegenheit aufreizend an seinen Hals hing! Immerhin war Sasuke Uchiha schlussendlich auch nur ein Mann. Ich wies da schon ein längeres Durchhaltevermögen an Sasuke-Mögen auf! In meinem Magen rumorte es und ich pustete die lästigen Ponyfransen aus dem Gesicht. „Okay, Sakura. Ab nach Hause, bevor du wahnsinnig wirst“, sagte ich zu mir selbst. Als ich aus dem Klo kam, stand er lässig an der Wand gelehnt da. „Sollen wir endlich gehen?“, fragte er mit monotoner Stimme. Aber in seinen Augen blitzte eindeutig Amüsement auf, während mir ein Gesteinsbrocken vom Herzen fiel. Ich versuchte betont gleichgültig ein ‚Wenn-du-willst‘ über meine Lippen zu bringen, aber er hörte selbstverständlich den fröhlich-jubelnden Unterton in meiner Stimme. Er nahm meine Hand und zog mich aus dem Club. „Ich hab Ino Bescheid gegeben“, erklärte er und öffnete die Taxi-Tür. Beim Einsteigen stieß ich meinen Kopf, was uns beiden ein lautes Prusten meinerseits einbrachte und erst bei der nächsten Straßenecke verstummte. „Sasuke?“ „Hm?“ „Was ist mit Karin?“ „Was soll mit ihr sein? Sie nervt tierisch.“ Ich gluckste: „Ich find' sie ganz nett. Du wolltest sie also nicht mit nach Hause nehmen?“ Sasuke starrte mich irritiert an. „Naruto hat Recht. Liebe macht blind, aber Eifersucht sieht viel zu viel und meistens Dinge, die nicht mal sind.“ Ich legte verwirrt den Kopf schief und brachte ein geistreiches ‚Hä‘ über meine Lippen. Er rollte mit den Augen. „Sakura, du bist die einzige Frau, die ich mit nach Hause nehme.“ Mein Herz zersprang in vier Milliarden Schmetterlinge und ich grinste breit, als sie durch meinen kompletten Körper flatterten. „Für-immer-und-ewig?“ „Du bist viel zu betrunken“, bemerkte er monoton und lehnte sich in seinem Sitz zurück. „Schlimm?“ „Ein wenig.“ „Aber für-immer-und-ewig ist ok?!“ Er starrte mich mit den unendlich dunklen Augen an und lachte auf. Sagte ich schon, was für ein erstaunlich schönes Lachen Sasuke hat? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)