My Dear Brother von ellenchain (The Vampires) ================================================================================ Kapitel 25: Untote Angst ------------------------ Es rauschte kurz, eine Frauenstimme war zu hören. Es wurde schlagartig still. Die Stunde war fast zu Ende. »Achtung, eine Durchsage. Kiyoshi Kabashi, bitte ins Sekreta­riat kommen. Kiyoshi Kabashi, bitte. Danke.« Es rauschte wieder kurz und alles verstummte. Mein Blick fiel auf Angesprochenen. Er schloss kurz die Augen, ließ langsam Luft aus seiner Nase und stand auf. »Nimmst du meine Sachen einfach mit?«, fragte er mich schnell, während er seine Tasche auf den Sitz stellte. »Klar, was hast du danach?« »Geh einfach mit Kat mit.« Dann verschwand er ohne ein Wort aus der Tür. Schien er zu wissen, was los war? Mir war das etwas unangenehm, da ich alle Blicke auf mir spüren konnte. Ob meine menschliche Aura noch erhalten war? Hungrige Augen auf einem zu spüren war kein angenehmes Gefühl. Schon gar nicht, wenn ich alleine, also ohne ihn, war. Doch man hörte nur Stühle klappern, wie mehrer Schritte nach vorne kamen und sich neben mir platzierten. Yagate setzte sich auf Kiyoshis Platz, Kat und Ichiru auf die andere Seite neben mir. Alle lächelten mich freundlich an. Ich grinste erleichtert zurück. So ganz alleine war ich also doch nicht. Auch wenn es manchmal ziemlich arro­gante Vampire sein konnten, so waren sie doch ganz gute Freunde. »Weißt du, was los ist?«, fragte mich Kat flüsternd. Ich schüttelte den Kopf. »Das wollte ich euch schon fragen.« »Seltsam, normalerweise muss er nie ins Sekretariat«, be­merkte Yagate und stützte seinen Kopf auf. Ich zuckte mit den Schultern. »Mal sehen, was los ist.« Ich erwartete ja nichts schlimmes, ging einfach davon aus, dass alles in Ordnung war. Nach einigem Getuschel und fragenden Blicken, ging der Unterricht weiter. Doch es dauerte nicht lange, da klingelte es im sanften Dreiklang und die Lehrerin verschwand. Kat stand auf, Ichiru und Yagate blieben sitzen. »Äh, Kat?« Sie drehte sich kurz zu mir. »Ja?« »Ich soll mit dir mitkommen, ist das in Ordnung?« »Ja, natürlich!«, lacht sie und quetschte sich an Ichiru vorbei aus der Reihe. Ich versuchte auch an Yagate rauszukommen, schnappte mir Kiyoshis Sachen. Mit einem freundlichen Winken verschwanden wir aus der Klasse. Ihre langen Haare wehten mir schon fast ins Gesicht, als sie am Ende des Ganges eine scharfe Linkskurve nahm. Doch dann blieb sie stehen. »Da hinten ist das Sekretariat …«, murmelte sie. Ich folgte ihrem Blick und sah eine weiße Tür am Ende des Ganges. An ihr war das Schild Sekretariat befestigt. Eine seltsame Stimmung kam aus dem Raum. »Da stimmt irgendetwas nicht …«, sagte Kat etwas aufge­bracht und sah mich fragend an. Ich konnte meinen Blick nicht von diesem Zimmer abwenden. Die geschlossene Tür, das große Schild, diese seltsame Aura. »Was auch immer es ist, ich denke Kiyoshi wird damit fertig.« Damit drehte ich mich um und wartete, dass Kat mich zum Klassenraum führte. Doch sie bewegte sich nicht. »Kat?« »Ja, du hast Recht«, stimmte sie mir schnell zu, machte ebenfalls auf dem Absatz kehrt und ging an mir vorbei. Etwas verwundert über ihre Reaktion folgte ich ihr. Nur wenige Schritte entfernt, bog sie in eine Klasse ein. Es sah nach einer großen Küche aus. Mehrere lange Tresen mit Backöfen und Herdplatten standen hintereinander gereiht im Raum. Kat platzierte ihre rosa Tasche neben einem solchen Tresen. »Kannst du hier ablegen«, sagte sie und deutete auf Kiyoshis und meine Sachen. Ich nickte, legte sie vorsichtig zu ihrer Tasche und betrachtete den Raum. Große Fenster schmückten ihn, natürlich waren diese mit Vorhängen zugezogen. Einige bekannte Gesichter standen schon vor Töpfen und Pfannen. Es war ein altbekanntes Geschehen: Hauswirtschaft. Obwohl ich dieses Fach nicht an meiner Schule hatte. Es wurde nur an Haupt- oder Realschulen unterrichtet. Und an Privatschulen. Doch dann kam ich ins stutzen, während Kat schon einmal Töpfe und Pfannen nach einer kleiner Anleitung, die auf einer freien Arbeitsfläche lag, herausnahm. Ich kam ihr etwas näher. »Ich dachte ihr könnt keine menschliche Nahrung zu euch nehmen?«, flüsterte ich ihr zu. Sie sah mich verwundert an, dann grinste sie. »Wir essen sie ja auch nicht.« »Wie? Und wofür macht ihr das ganze dann?« »Das Fach ist vorgeschrieben. Warum auch immer, da wir ja eigentlich eine private Schule sind.« »Und was macht ihr mit dem Essen?« »Wegschmeißen oder, wenn es etwas haltbar ist, dem Waisen­haus hier ein paar Straßen weiter geben.« Langsam füllte sie Wasser in den Topf. Ich nickte langsam. Seltsame Schule, seltsame Schüler, seltsame Lehrer, seltsame Fächer. Was war eigentlich nicht seltsam? »Holst du schon mal die Butter aus dem Kühlschrank? Wir sind Tisch drei.« Sie zeigte auf einen großen, weißen Kühl­schrank, der an einer Art Hauptküche angebracht zu sein schien. »Äh, klar.« Ich schlurfte zum besagten Gegenstand und öffnete ihn. Genauso viel Inhalt, wie bei uns zu Hause, dachte ich, als ich in den vollgepackten Kühlschrank blickte. »So voll sollte er mal bei Mom sein …«, murmelte ich vor mich hin, als ich die Butter suchte. Ich fand weder Nummerie­rungen noch irgendwelche anderen Gefäße, in denen Butter sein könnte. Plötzlich griff eine zarte Frauenhand mit rot lackierten Fingernägeln in den Kühlschrank und öffnete eine Schublade. Sie griff nach einer kleinen Schachtel mit der Nummer drei und reichte sie mir. »Suchst du die?«, kam die erotische Stimme hinter mir. Ich drehte mich zu ihr um und musste innerlich seufzen. Rose lächelte mich mit ihrem roten Lippenstift an und hielt noch die Butter in ihren Händen. Ich versuchte zu lächeln, nahm die Butter und sagte kurz »Danke«. Natürlich ließ sie mich nicht sofort durch. »Schön dich wiederzusehen, Hiro«, sagte sie in einer Art auffordernd und stützte sich auf eine der Tresen ab, um mir weiterhin den Weg zu versperren. »Ja … Finde ich auch …«, murmelte ich vor mich hin, wäh­rend ich spürte, dass die Butter in meinen Fingern anfing zu schmelzen. »Wo warst du gestern? Ich habe dich vermisst …« Sie legte ihre rechte Hand auf meine Brust und strich vorsichtig über mein Hemd. »Ich war krank.« »Die Uniform steht dir wirklich gut, Hiro.« Sie legte ihre zweite Hand auch auf meine Brust. »Danke.« Ich wendete meinen Blick ab, hoffte, dass sie mich aufgrund meines Desinteresses einfach in Ruhe ließ. Doch da hoffte ich das genaue Gegenteil. »Bist du heute nicht so gut drauf? Soll ich dich aufheitern?«, fragte sie antörnend, legte ihre große Oberweite an mich. Schnell blickte ich mich im Raum um. Nur ihre Schwester Sam war im hinteren Teil der Küche mit irgendeinem anderen Typen am flirten und beachtete uns gar nicht. Ich seufzte und blickte auf sie herab. Mit einer bestimmten Handbewegung drückte ich sie von mir. »Du weißt, dass das unter sexuelle Belästigung fällt, ja?« In ihrem Ausdruck formte sich Unverständnis. Die Situation ausnutzend, drückte ich sie zur Seite und ging an ihr vorbei. Kat grinste mich schon von weitem an. Sie hob ihre eine Augen­braue kurz an. Ich musste lachen und reichte ihr die Butter. »Wow. Das hat sie sicher geschockt.« Sie gab die schon fast flüssige Butte in die Pfanne und zerließ sie. »Kann sein. Aber so lässt sie, denke ich mal, Abstand von mir, oder?« »Keine Ahnung. Bis jetzt hat sich noch kein Typ getraut ihr das zu sagen«, lachte sie und holte aus einer Plastiktüte verpackten Speck raus. »Rührst du die Nudeln um?« »Klar.« Ich schnappte mir den Kochlöffel und rührte sachte die langen Spaghetti im Topf um. »Was machen wir eigentlich für ein Gericht?« »Spaghetti Carbonara.« »Oh, lecker …«, schwärmte ich und hätte am liebsten gefragt, ob ich es essen dürfte. Der leckere Geschmack von Spaghetti haftete noch in meinem Mund. Alte Zeiten kamen wieder hoch und mir war wie immer zum Heulen zu Mute. Aber nicht vor versammelter Mannschaft. »Darfst du es nicht mehr essen?«, fragte Kat und sah mich besorgt an. »Nein, also … Ich denke mal.« Ich lächelte sie an und wollte ihr damit zeigen, dass alles in Ordnung war, aber anhand ihres Blickes, schien sie mir nicht ganz glauben zu wollen. »Vielleicht kannst du nachher mal probieren.« Dabei zwin­kerte sie mir zu und legte die Speckstreifen in die Pfanne. Es zischte laut. Sowieso war es im Raum recht geräuschvoll.  »Ist hier kein Lehrer?«, fragte ich leise und sah mich um. »Doch, da hinten. Herr Ohara.« Sie zeigte auf einen sehr jungen Lehrer, der nicht nur recht gutaussehend war, sondern anscheinend auch gefallen an seinen Schülerinnen gefunden hatte. »Verstehe …«, murmelte ich und seufzte leise. »Er bemerkt dich wahrscheinlich nicht, weil er denkt, du wärst Kiyoshi.« »Meinst du? Versprühe ich nicht eine ganz andere Aura als er?« »Natürlich«, lachte sie, »Aber so genau wird er wohl nicht darauf achten.« »Ach so.« Oberflächlich, also. War ja klar. Als Kat eine ganze Knoblauchzehe in die Pfanne warf, roch es schon richtig gut. Ich bekam schon Hunger. »Bekommt ihr denn keinen Hunger, wenn es in der Küche so lecker riecht?« »Lecker?«, fragte sie skeptisch nach. »Findest du nicht, dass es lecker riecht?« »Es stinkt nach Fett und Knoblauch …« »Oh ja, ihr Vampire mögt ja keinen Knoblauch …«, sagte ich verständnisvoll und rührte die Nudeln weiter um. Kat holte die bräunlich gewordene Zehe aus der Pfanne und warf sie weg. »Nein, nein. Es gibt viele Vampire, die auf Knoblauch schwö­ren.« »Im Ernst?« Sie lachte. »Das ist nur alter Aberglaube, mehr nicht.« »Na ja. Bis vor kurzem dachte ich auch noch, dass ‚Vampire’ grundsätzlich ein Aberglaube wären.« Kat schnappte sich drei Eier und verquirlte sie in einer kleinen Schüssel mit Parmesan. »Und jetzt bist du selber einer.« Ich seufzte und hörte kurz auf zu rühren. »Ja, und wessen Schuld ist das? Seine …«, motzte ich leise rum und legte den Kochlöffel zur Seite. Kat reichte mir mit einem aufmunternden Lächeln ein Sieb. Sie würzte die Mischung mit ein wenig Salz und frisch gemahlenem Pfeffer. Dann ließ sie die Schüssel stehen, stellte die Pfanne auf eine kleinere Hitze und kam zu mir rüber. Sie stellte eine Schüssel unter mein Sieb und nahm mir den Topf an. »Ich mach das lieber«, sagte sie freundlich. Ich nickte. »Du bist die Frau.« Dabei klopfte ich ihr auf die Schulter und grinste. Sie nahm es mit Humor und lachte. Nachdem sie die Nudeln abgeschöpft hatte, gab sie diese zum Bacon in die Pfanne. Den Rest Wasser, den sie mit einer Schüssel abgefangen hatte, schüttete sie bis auf eine geringe Menge weg. Zu diesem Wasser gab sie die verquirlten Eier und rührte, bis es eine dickliche Soße wurde. Diese mischte sie schnell unter die Spaghetti in der Pfanne und verrührte alles schön. Zum Schluss gab sie noch den restlichen Parmesan hinzu. »Fertig.« Stolz füllte sie eine große Schüssel mit den Spaghetti und ließ in die heiße Pfanne etwas Wasser ein. Ich roch kurz am Endprodukt. »Das riecht wirklich gut.« »Probier doch, ob’s auch gut schmeckt.« Sie grinste und holte eine Gabel aus der Schublade am Tresen. Ich nahm sie zögernd an. »Und wenn ich kotzen muss?« »Dann renn ich mit dir schnell zum Klo.« »Okay …« Vorsichtig pickte ich ein paar Nudeln auf die Gabel. Ich zögerte kurz, nahm die Gabel aber dann doch mit dem Essen in den Mund. Ich kaute kurz, schluckte es runter. Es schmeckte richtig gut. Vorsichtig richtete ich mich auf, sah zu Kat. Gespannt, was passierte, sah sie mich an. »Und?«, fragte sie. »Schmeckt richtig gut.« »Keine Übelkeit?« »Bis jetzt noch nicht …« »Ah! Herzlichen Glückwunsch!«, kreischte sie rum und fiel mir an den Arm. Sofort zuckte ich wieder zusammen, versuchte mich aber zu beruhigen, dass es nur Kat war und keine ‚Gefahr’. »Willst du dann was haben?«, fragte sie freundlich und öffnete schon ein kleines Schränkchen mit Tellern. »Äh, also eigentlich schon, gerne. Aber ist das nicht auffällig, wenn ich hier anfange zu essen?« Sie winkte ab, holte einen Teller raus und machte mir eine Portion auf den Teller. »Quatsch, die sind alle noch dabei, zu kochen.« Und tatsächlich war fast jede Gruppe noch dabei die Nudeln abzuschöpfen. Kat reichte mir den Teller und ich fing an zu essen. Es war so angenehm mal wieder etwas Richtiges zwischen die Kiemen zu bekommen. Nicht dieses metallisch schmeckende Blut. Okay, ich war verrückt danach, aber das war mehr genetisch bedingt und nicht, weil ich es so lecker fand. Kat räumte, während ich die leckeren Spaghetti aß, den Tresen auf. »Äh, soll ich dir nicht lieber helfen?«, fragte ich und stellte meinen Teller kurz ab. Doch sie winkte ab. »Iss erst mal auf, dann kannst du mir helfen.« Sie lächelte mir freundlich zu und ließ Spülwasser in die Spüle ein. Ich nickte kurz und widmete mich wieder meinem Essen zu. Wenn das Vater sehen würde, wäre er ganz schön wütend. Immerhin sollte ich doch langsam mal meine ‚menschlichen Angewohn­heiten’ ablegen. Doch wenn ich es mir Recht überlegte, brach ich gerne diese Regel und aß meine Nudeln mit Genuss.   »Kiyoshi? Hey, Kiyoshi, kannst du mir mal den Kochlöffel geben?«, hörte ich eine Mädchenstimme vom hinteren Tresen. Ich drehte mich um und ein hübsches Mädchen winkte mir zu. Sie hatte lange, glatte rotbraune Haare und ein süßes Lächeln. Als ich wohl nicht auf die schnelle reagierte, kam sie auf mich zu. Schnell packte ich den Teller weg und versteckte ihn hinter einer Plastiktüte. »Seid wann hast du deine Haare so kurz?«, fragte sie leicht verwundert, aber immer noch mit einem Lächeln. »Äh, also du musst wissen ich …«, fing ich an, doch Kat redete mir ins Wort. »Ich hab ihm die Haare geschnitten; ich konnte nicht mehr mit ansehen, wie er herumlief.« Sie lächelte das Mädchen freundlich an, die nur auf meine Haare starrte. Dann blickte sie mir fest in die Augen. »Es steht dir. Obwohl ich die langen Haare auch mochte«, sagte sie etwas schüchtern. Wurde sie etwa rot? »Äh, könntest du mir dann den Kochlöffel geben, unser ist irgendwie weg.« Ich reagierte erst nicht, suchte dann aber doch schnell den Kochlöffel. Vorsichtig zog ich ihn vom Tresen und gab ihn ihr. Sie bedankte sie mit einem kleinen Knicks und lief wieder zurück. Sofort hörte man Gekicher und Getuschel von ihrem reinen Mädchentresen aus. Ich wendete meinen Blick zu Kat. »Wieso hast du sie im Glauben gelassen, ich sei Kiyoshi?« Sie zuckte nur kurz mit den Schultern. »Fand ich lustig.« »Das gibt nur ärgern, das kann ich dir jetzt schon mal sagen.« »Spätestens, wenn sie euch auf dem Gang sieht, wird sie überlegen, ob sie Drogen genommen hat oder ob Kiyoshi geklont wurde.« Dabei lachte sie etwas hämisch und legte einzelne Dinge in die Spüle. »Machst du dich darüber lustig, sie zu verarschen?«, fragte ich sie direkt. Sofort versiegte ihr Lachen und sie sah mich ernst an. »Sie nervt gerne. Da kann man sich doch einen Scherz mal erlauben.« »Nervt sie alle oder nur dich?« »Alle, glaub mir. Ständig, wenn sie Kiyoshi sieht, läuft sie ihm nach, spricht ihn an, begleitet ihn sogar manchmal bis ins Café während der Pausen.« »Was ist dabei?« Sie seufzte etwas genervt. Ich schien wohl ihr nicht schnell genug zu verstehen. »Es nervt einfach, dass sie uns hinterherläuft. Und Kiyoshi hat nicht die Ambition, ihr einen Laufpass zu geben. Dem ist das doch völlig egal.« Da musste ich ihr wohl zustimmen, dass dem die Frauenwelt mehr als egal war. Und die Männerwelt, ausgenommen vielleicht mich, ebenfalls. Jedenfalls konnte ich mir das lebhaft vorstellen. »Trotzdem … Die Kleine ist total in ihn verschossen, viel­leicht solltest du es ihr mal überlassen.« »Was soll ich ihr überlassen?«, hakte Kat nach und hatte das erste Teil gespült. Ich aß schnell den Rest auf, legte den Teller auch in die Spüle, während ich mir ein Spültuch nahm und das Besteck anfing abzutrocknen. »Verarscht zu werden. Kiyoshi macht das schon gut alleine.« »Er verarscht sie doch nicht …«, wendete sie ein und sah mich verständnislos an. »Und als was würdest du es dann bezeichnen, was er da abzieht? Jeder andere würde ihr doch sofort sagen, dass daraus nichts wird, um ihr Herz nicht komplett zu zerstören.« Da verstummte sie. Ihr Blick wich gen Boden. Dann seufzte sie leise. »Hast ja Recht.« »Na also.« Ich packte die trockenen Sachen auf die Arbeitsplatte und stapelte die Teller. »Vielleicht rede ich mal mit ihm«, fügte ich noch hinzu und achte da auch an unsere Beziehung. Auch, wenn sie süß war und ganz nett, so konnte das zum Problem werden. So konnte sie ganz schnell zum Problem werden. »Ja, tu das. Vielleicht hört er ja wenigstens auf dich.« »Ich denke schon.« Hoffentlich. Doch dann stutzte ich kurz auf. »Apropos.« Kat horchte auf und wusste sofort was ich meinte. »Ja … Er ist schon jetzt über eine dreiviertel Stunde im Sekretariat.« »Hoffentlich ist wirklich alles in Ordnung«, murmelte ich. Kat ließ das Spülwasser aus und räumte mit mir die Sachen weg. Wenigstens war das mal eine angenehme Stunde. Während ich die Schüsseln wieder in den kleinen Schrank unter der Arbeits­fläche stellte, sah ich das Mädchen von vorhin in meinem Augenwinkel. Vorsichtig erhob ich mich und blickte direkt in ihre Richtung. Sie wollte zu mir sehen, bemerkte, dass ich zu ihr sah und wendete sofort wieder ihren Blick ab. Die war richtig in Kiyoshi verschossen. Dabei konnte ich mir im Moment nicht vorstellen, wie das kam. Immerhin konnte sie ihn gar nicht so genau kennen, wie ich es tat. »Bist du fertig?«, fragte Kat und legte das Spültuch ordentlich wieder an die Spüle. »Ja, ich denke schon«, antwortete ich und wartete auf weitere Anweisungen von Kat. Diese zuckte nur mit den Schultern. »Gut, dann können wir länger Pause machen.« »Im Ernst? Einfach so?«, fragte ich verwirrt, da sie schon anfing, ihre Sachen zu packen. »Klar, wir sind doch fertig.« Dann grinste sie und reichte mir sowohl Kiyoshis als auch meine Sachen. Ich nahm sie dankend an und machte mich mit ihr aus dem Staub. Doch ich spürte schon die Blicke des Lehrers auf uns. »Wohin denn so schnell, Kat und Kiyoshi?«, rief er uns zu. Kat drehte sich zu ihm um, hielt schon den Griff der Tür in der Hand. »Wir sind fertig.« »Alles aufgeräumt?«, fragte er und stemmte seine Hände in die Hüfte. »Sicher doch. Spaghetti stehen auf der Arbeitsfläche«, antwor­tete meine Partnerin und winkte freundlich. Dann zog sie mich am Ärmel aus der Tür. Schnell stürmten wir den leeren Gang entlang. Doch ich hielt sie zurück. Verwundert sah sie mich an. »Lass uns bitte mal ins Sekretariat gehen.« Kat versuchte zu lächeln. »Hiro, da kommst du nicht einfach so rein.« »Wieso das denn nicht?« Sehnsüchtig blickte ich auf die weiße Tür. »Hinter der Tür sitzt die alte Schreckschraube. Glaub mir, zu der willst du nicht«, flüsterte sie mir zu. »Schreckschraube?«, fragte ich verwundert und konnte mir ein leichtes Grinsen nicht unterdrücken. So was gab es also auch unter Vampiren. »Eigentlich heißt sie Thymister. Aber für uns ist sie die Schreckschraube. Bei der kommt so mancher heulend raus.« »Oho«, lachte ich los und ging schon in Richtung Sekretariat. Komischer Name für eine Japanerin. »Hey, hey! Hast du mir grade nicht zugehört?«, rief sie mir zu und lief hinterher. Schnell packte sie mich am Ärmel. »Das meine ich Ernst, Hiro. Mit der ist nicht zu spaßen, wenn du keine Anmeldung hast.« Ich überlegte kurz. »Ich sag ihr einfach, dass mein Bruder da drin ist und ich gerne wüsste, was los ist.« »Ha, die wird dich schreien wieder rausschicken.« »Ausprobieren geht über studieren, oder?« Damit löste ich mich von Kat und ging lächelnd zur weißen Tür. Ich hörte sie noch seufzen und wie sie etwas von »Ich warte solange« murmelte. Mein Herz klopfte zwar etwas, aber die Schrulle konnte mir sicher nichts anhaben. Reinblütler sollten doch ihren Stand der Dinge wissen, oder? Ich atmete noch einmal tief aus, griff nach dem Türgriff und öffnete die Tür. Ich lugte erst kurz in den Raum. Niemand war zu sehen oder zu hören. Vorsichtig betrat ich den Raum und schloss die Tür hinter mir. Es roch so wie in jedem Sekretariat, seltsam. Eine Mischung aus Raumerfrischern und alter Luft. Der Raum an sich war nicht groß, zwei Türen jeweils rechts und links. Vor mir eine typische Theke, hinter der meistens die unfreundlichen Sekretärinnen saßen. Doch niemand war zu sehen. Es waren weder die zwei Türen beschriftet, noch schien es hier eine Klingel oder so etwas zu geben. Also beschloss ich zu warten. Mein Blick schweifte über den geordneten Schreibtisch, geordneten Papierstapel, geordneten Arbeitsplatz überhaupt. Ich trommelte etwas mit meinem Fingern auf dem hellen Holz der Theke. Wenn nicht bald jemand kam, würde ich alleine herausfinden, was sich hinter den Türen befand. Doch als hätte man vom Teufel gesprochen, wurde die linke Tür aufgeschlagen und heraus kam eine kleine, schlanke Dame auf roten Pumps. Ihr ganzes Kostüm war in einem schlichten roten Ton. Ihre wasserstoffblonden Haare gingen ihr gerade über die Schultern. Außerdem musste man nicht raten, um zu erkennen, dass sie von der Art her hier genau richtig war: Sie war ein Vampir. Da half auch keine Meterschicht Schminke. »Hiroshi Kabashi?«, fragte sie schroff, während sie hinter ihre Theke ging. »Ja, genau …«, murmelte ich und kratzte mich etwas am Nacken. Die alte Schreckschraube hatte ich mir ganz anders vorgestellt. Gut, die jüngste war sie nicht mehr, eher so das alter der freundlichen Mathelehrerin, aber einer Schreckschraube sah sie nicht so ähnlich. »Was willst du?«, fragte sie erneut sehr unfreundlich, während sie die Unterlagen, die sie mit herein gebracht hatte, auf ihren aufgeräumten Schreibtisch legte. »Mein Bruder müsste sich hier befinden. Ich wüsste gerne, wo er bleibt«, versuchte ich mich so höflich wie möglich auszu­drücken. Sie sah mich missbilligend an und hob eine Augen­braue. »Er ist noch hier.« Damit sollte meine Frage beantwortet sein, da sie sich wieder ihrer Arbeit zuwendete. »Äh, ja … Das habe ich mir gedacht. Aber ich wüsste gerne, ob er heute noch mal irgendwann wiederkommt.« »Sicher.« Sie beachtete mich gar nicht. Unaufhaltsam wühlte sie in einer großen Schublade mit mehreren Akten. »Was genau ist denn los, dass er hier ist?«, fragte ich nun direkt, da mir ihre abweisende Art überhaupt nicht gefiel. Doch da drehte sie sich auf einmal um und stützte sich auf die Theke, auf der auch ich mich gestützt hatte. Sie kam mir etwas näher und setzte einen bösen Blick auf. »Hör mal zu, Junge. Wenn es dich was angehen würde, dann wärst du auch gerufen worden. Hast du das verstanden? Dann verschwinde wieder.« Sie sah mir noch etwas in die Augen, wartete wohl darauf, dass ich anfing zu heulen, so wie jeder andere auch. Doch ich musste nur grinsen. Da hatte ich aber schon ganz andere ‚Schreckschrauben’ am start. »Ich will wissen, was los ist. Haben Sie das verstanden? Dann geben sie mir eine Antwort.« Das hatte sie wohl weniger erwartet. Sie riss ihre Augen auf, öffnete ihren Mund, um loszubrüllen. Ich behielt schön mein Grinsen auf den Lippen. »Was erlaubst du dir, du Noneternal! Du Abschaum eines Vampirs! Verschwinde sofort aus diesem Raum, oder ich rufe den Schuldirektor!«, schrie sie los und zeigte mir mit ihren rot lackierten Fingernägeln, dass ich die Tür hinter mir nehmen sollte. »Tun Sie das bitte. Vielleicht sagt der mir ja, was los ist.« Dabei verschränkte ich meine Arme und wartete auf ihre Reaktion. Sie wurde wütend, immer mehr. Ihr Kopf färbte sich schon rot, ihre Augen schienen zu leuchten. Ob sie die Kontrolle verlieren würde? Keine Chance, Kleine, dachte ich. Ich hab jede Nacht ein Tier in meinem Haus; komm da erst mal ran. Sie lief mit schnellen Schritten von der Theke hervor und pirschte an mir vorbei. Ich blieb erwartungsvoll an meiner Stelle stehen. Sie klopfte kurz an der rechten Tür, wartete eine Antwort ab. Man hörte eine Männerstimme. Vorsichtig wurde die Tür von innen geöffnet und eine junge Frau öffnete sie. Man sah nur ihren Kopf, Schreckschraube stand genau vor dem Spalt. Schien richtig geheim zu sein. Sie wechselten ein paar kurze Worte, flüsterten schon fast. Ich verstand nur Satzfetzen. Dann verschwand die junge Dame hinter der Tür, redete mit der Männerstimme. Ich wartete zwar, aber es riss etwas an meinen Nerven. Plötzlich wurde neben mir die Eingangstür geöffnet. Kat spähte in den Raum. »Hey …«, murmelte ich ihr zu. »Was ist los? Ist was passiert?«, fragte sie etwas aufgebracht, weil ich anscheinend schon zu lange in diesem Raum war. »Keine Ahnung, scheint sehr geheim zu sein, das ganze«, flüsterte ich ihr zu. Sie nickte und kam mit in den Raum. Vorsichtig stellte sie sich hinter mich. Die Schreckschraube hatte es wohl bemerkt, drehte sich schnell um. »Und was willst du hier?«, motzte sie rum. Kat zuckte heftig zusammen. »Sie ist nur hier, um zu sehen, ob ich noch lebe«, scherzte ich, wobei ich keinerlei Lächeln auf den Lippen hatte. Die Sekretärin atmete genervt aus, schien ihre Wut zu unterdrücken. Dann erschien ein großer Mann mit Schnauzer an der Tür. Er trug eine Brille und spähte an Schreckschraube vorbei. »Hiroshi«, sagte er und winkte mich zu sich. »Herr Direktor!«, zischte Schreckschraube ihm zu, doch diese winkte nur ab, sie solle gehen. Etwas fassungslos befolgte sie seinen Befehl und setzte sich wieder hinter ihren Schreibtisch. Kat blieb einfach an der Tür stehen und sah mir zu, wie ich zum Direktor ging. Er reichte mir seine Hand, ich nahm sie an. »Freut mich, dass du hier bist«, sagte er freundlich, aber bestimmt. Ich nickte kurz und versuchte an ihm vorbei in den Raum zu blicken. »Hiroshi, das ganze hier ist etwas heikel. Was mit dir geschehen ist, tut mir auch wirklich Leid.« »Das braucht es Ihnen nicht …«, murmelte ich und erblickte Kiyoshi. Er saß auf einem verschnörkelten Sessel. Hinter ihm stand auch jemand, es war die junge Frau. Doch wer war das, der neben Kiyoshi saß? »Ich bitte dich doch trotzdem Verständnis dafür zu haben, dass Kiyoshi erst einmal nicht wiederkommt. Es gab ein paar Komplikationen.« »Und die wären?«, fragte ich direkt und blickte ihm dabei tief in die Augen. Er war zwar einen halben Kopf größer als ich, trotzdem schien ich mir etwas Respekt zu verschaffen. »Darauf werden wir später zu sprechen kommen, Hiroshi, wenn es soweit ist.« Damit wollte er das Gesprächsthema beenden. Er wartete noch auf meine Reaktion ab, doch ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte. »Geht es Kiyoshi gut …?«, fragte ich noch kurz, bevor er die Tür schließen konnte. Schnell öffnete er sie wieder und nickte. »Ja, es geht ihm gut. Er kommt später wieder.« Noch bevor er die Tür schließen konnte, erspähte ich einen langen schwarzen Mantel, Springerstiefel und die seidenen schwarzen Haare, die ihm glatt über die Schultern liefen. Dann schloss sich die Tür endgültig. Meine Augen weiteten sich. Sofort drehte ich mich zur Schreckschraube um und lief an die Theke. »Hey, ist da drin Vincent?«, fragte ich aufgebracht. Doch sie beachtete mich nicht, arbeitete nur an ihren Unterlagen. »Hey, ich rede mit Ihnen!«, rief ich, doch sie beachtete mich nicht. Kat griff nach meinem Arm und zog mich aus dem Raum. Noch immer aufgebracht, stand ich mir ihr im Flur, während sie die Tür schloss. »Was ist denn auf einmal los? Geht es Kiyoshi nicht gut?«, fragte sie mich und versuchte mir ins Gesicht zu schauen. »Doch, es … geht ihm gut. Jedenfalls noch«, murmelte ich. »Ich muss da rein, Kat. Da drin ist jemand, der ihn möglicher­weise für seine Tat bestrafen will.« »Bestrafen? Weil er dich gebissen hat? Meinst du etwa, da drin ist ein …?« »Ja, ein Hunter …«   Es gongte und sofort öffneten sich die umliegenden Türen. Schüler pirschten aus den Klassen, gingen mit schnellen, eleganten Schritten den Gang entlang. Kat und ich blieben wie versteinert mitten drin stehen. Ihre Augen weiteten sich schlagartig, sie konnte es nicht fassen. Ich blickte nur verzwei­felt zu Boden und überlegte, was ich tun könnte. Was ich ausrichten könnte, damit er nicht bestraft oder wohlmöglich noch getötet werden würde. Der Gang wurde laut und unruhig. Wir hatten zehn Minuten Pause. Kat klammerte sich an meinen linken Arm. Ich sah zu ihr. »Meinst du …«, murmelte sie und blickte zu Boden, »… er wird getötet?« Dann sah sie mich verzweifelt an und hoffte, ich könnte ihr eine sichere Antwort geben. Doch ich konnte nicht. »Ich weiß es nicht …« Sofort wendete ich meinen Blick ab. Tränen schossen mir in die Augen bei dem Gedanken, er würde wegen mir getötet werden. Er würde sterben, nicht mehr da sein. Jetzt, wo er doch meine Welt war. Das wäre nicht fair. Das wäre einfach nicht fair gewesen. »Hey, was ist denn mit euch los?«, rief Ichiru glücklich und kam auf uns zu. »Seht so traurig aus, ist was passiert?« Sofort versiegte auch sein Lächeln, als wir beide keine Antwort gaben. »Ist echt was passiert?«, fragte er ernst. »Kiyoshi … bekommt vielleicht Ärger«, murmelte Kat und ließ meinen Arm los. »Da drin ist ein Hunter.« »Ein Hunter?«, wiederholte Ichiru und weitete ebenfalls seine Augen. »In unserer Schule? Kommt der hier überhaupt rein?« »Anscheinend. Hiro hat ihn gesehen, stimmt’s?«, fragte Kat und sah mich an. Ich nickte. »Es ist Vincent«, informierte ich Ichiru, der seinen Mund öffnete. »Vincent? Der Vincent?«, hakte er nach. »Wie viele gibt es denn?« Verwundert sah ich ihn an, überlegte noch einmal, ob das wirklich der Name dieses Hunters war. »Hat er lange schwarze Haare, überhaupt sehr gruselig?« »Ja, genau.« »Oh mein Gott …«, flüsterte Kat. Auch Ichiru hielt sich die Hand vor den Mund und biss sich kurz auf die Unterlippe. Ich wusste nicht was los war. Sofort stieg die Ungewissheit in mir hoch, Verzweiflung, Aufgebrachtheit, alles auf einmal. »Was ist denn los? Ist das schlimm? Wieso ist Vincent so ein Thema?«, fragte ich aufgebracht und wechselte meine Blicke zwischen Kat und Ichiru. »Vincent … ist dafür bekannt …« Kat stockte. »Er hält sich ungern an seine eigenen Regeln«, sprach Ichiru weiter. »Das heißt?« »Er ist kaltblütig und mordet einfach Vampire, ob sie nun ein Verbrechen begangen haben oder nicht. Für ihn sind alle Vampire Abschaum und so etwas wie Müll, der entfernt werden muss, um eine saubere Welt zu haben.« » … « In mir stieg das Blut, mein Puls pochte. Ich flüsterte »Nein«, wieder und wieder. Plötzlich drehte ich mich um, rannte zum Sekretariat. Ichiru hielt mich an den Schultern fest; Kat stellte sich vor mich. »Hiro, du kannst da nicht rein!«, rief er. »Kiyoshi macht das schon!«, sagte auch Kat und drückte mich von der Tür weg. Verzweifelt blickte ich zu Boden, wiederholte immer wieder das »Nein«. Ich konnte es nicht fassen, ich wollte ihn nicht verlieren. Nicht jetzt, nicht an einen Hunter. Langsam ließ ich locker, verlor jegliche Spannung. Kat und Ichiru ließen mich los, wechselten Blicke. Kat umarmte mich sanft, wollte mich trösten, während Ichiru eine Hand auf meiner Schulter beließ und vorsichtig darüber strich. »Das wird bestimmt wieder …«, sagte sie aufmunternd und lächelte mir zu. Ich nickte, versuchte auch zu lächeln. »Danke …« Dann schwiegen wir. Der belebende Gang schien lauter als vorhin gewesen zu sein. Einige tuschelten. Andere lachten laut und gingen an uns vorbei. Von weitem sah ich Alexander. Am liebsten wäre ich jetzt auf ihn zugegangen und hätte ihm in sein arrogantes Gesicht geschlagen, aber er konnte ja nichts für meine Wut. Dann verschwand er auch wieder mit seinen zwei Bodyguards in einem Klassenzimmer. »Was haben wir jetzt …?«, fragte ich die beiden. »Philosophie«, antwortete Ichiru und zeigte mir mit einer Kopfbewegung, dass wir ein Stockwerk runter gehen mussten. Ich nickte und folgte den beiden einfach. Hoffentlich war wirklich alles in Ordnung.   In der Klasse, die auf dem Gang war, wo sich auch der Mathehörsaal befand, trafen wir noch auf Yagate. Wir setzten uns zu ihm in die Reihe und warteten die zehn Minuten Pause ab. Die Stunde zog sich recht lange, obwohl meine Gedanken nur bei ihm waren. Ob er wohlauf war? Ob es ihm gut ging? Ob es Probleme gab? Oder ob er überhaupt noch einmal zu mir zurückkehren durfte? Ich hoffte so sehr, dass ich schon innerlich anfing zu beten. Ich betete nie. Ich wollte ihn nicht verlieren. Um alles in der Welt, nur nicht ihn.   In dem Moment schmerzte mein Herz derartig, ich dachte es zerspränge mir gleich. Vorsichtig legte ich meinen Kopf auf die Tischplatte und wartete ab, bis der Schmerz verschwand. Doch er ging nicht. Es war nicht der, den ich heute Morgen hatte. Es war der, den ich schon so oft spürte, wenn ich wusste, etwas würde nicht klappen, etwas würde schiefgehen. Kiyoshi würde leiden. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)