Von der Realität und anderen grausamen Dingen von Diamond_Dust (Ein phasenweise pessimistischer Self-Insert) ================================================================================ Kapitel 1: Von Schokomuffins und Matrixpillen --------------------------------------------- Ich war ja noch nie ein Fan von Aufstehen gewesen. Ganz besonders nicht vor Schultagen, die mit Geschichte anfingen und mit Sport aufhörten. Und auch ganz besonders dann nicht, wenn ich von meinem Riesenteddybären quasi festgehalten wurde und die Decke wie ein Schutzwall vor den Grausamkeiten des Alltags auf mir lag und mich umhüllte wie eine schallgeschützte, gut gedämmte Seifenblase. Also rümpfte ich nur kurz die Nase, überlegte kurz , welches Fach ich heute als erstes hatte und ob es würdig war, mich aus meinem kuscheligen Nest zu reißen, und drehte mich mit einem entschlossenen Nein auf die kühle Seite des Ikeabettes - oder versuchte es zumindest. Denn da war kein Bett. Und auch kein Teddybär. Und definitiv auch keine Seifenblasendecke. Verdammt. Da war nur kalt. Kalt und nass und eklig. Immer noch nicht ganz wach schreckte ich auf und knallte mit dem Kopf an eine ebenso kalte und nasse und eklig glitschige Wand. VERDAMMT. Jetzt war ich wach. Richtig wach. So fühlen sich also Leute, die Kaffee trinken, dachte ich. Jetzt versteh ich diese Menschen. Verwirrt rieb ich mir den protestierenden Schädel und schaute mich um. Überall glitschige Wand. Muss wohl ne Höhle sein. Bin ich nicht intelligent. Schwieriger war eher die Frage, wieso ich in dieser Höhle war. Denk nach Caro. Gestern mal wieder über den Durst getrunken? Angestrengt versuchte ich mich daran zu erinnern, was ich letzten Abend getrieben hatte, konnte mich jedoch nur an sündige Mitternachtsnacks und Videospiele erinnern. Vielleicht waren in den Schokomuffins ja mehr als Zucker und Gottes Geschenk an die Menschheit? Bei dem Gedanken an Essen fing mein Magen an zu knurren. Na super. Ich sitz hier in ner kalten muffigen Höhle, hab Hunger und keinen Plan von irgendwas. Nicht dass mein Orientierungssinn bis dato bemerkenswert gewesen wäre (ich war froh, in meiner Schule nach 8 Jahren keine laufenden Meter mehr fragen zu müssen, wo meine Räume seien, was wirklich ziemlich peinlich war), aber ich war mir zu fast 70% sicher, dass es so eine Höhle nicht in meinem Kuhkaff gab. Langsam kroch ein Anflug von Panik in mir hoch. Allein in der Wildnis aufzuwachen war irgendwie nicht das, was auf meiner to-do-Liste stand. Vielleicht ist das ja alles nur ein böser Traum, versuchte ich mir einzureden, und du wachst gleich wieder auf. Bestimmt. Ich kniff mir in den Arm. Nichts passierte, außer dass mir jetzt mein Arm wehtat. Ich kniff mir noch einmal in den Arm. Er tat nur noch mehr weh. "Das is doch alles scheiße", murmelte ich vor mich hin. Ich gab mir selbst eine Backpfeife. Jetzt tat meine Wange ebenfalls weh. Bevor ich mir noch weiter Schaden zufügen konnte, schaltete sich mein Gehirn ein. Caros Gehirn an Caro, Selbstverstümmelung bringt anscheinend nichts, Abbruch! Ich senkte meine Hand. Caros Gehirn an Caro, Gegend checken, vielleicht klärt sich ja dann gleich alles! "Guter Gedanke", murmelte ich weiter vor mich hin, "warum geht das nicht früher?" Caros Gehirn an Caro, weil du dumm bist. Ach ja, da war was. Entschlossen und hellwach rappelte ich mich auf und stolperte aus der Höhle. Ich machte mich auf gleißendes Tageslicht gefasst, doch das blieb aus. Stattdessen empfing mich der kühle Schatten der Bäume, die dicht an den Hügel gedrängt standen, in dem sich die Höhle befand. Aha, ein Wald. Ich korrigiere: Verdammt. Ein Wald. Ohne Brotkrumenspur is meine Orientierung hier doch völlig am Arsch!, fluchte ich innerlich. Ohne auch nur den Versuch zu machen, mir zu überlegen, wie ich jetzt am besten vorgehen sollte, wackelte ich weiter in diesen ominösen Wald hinein. Ich wollte einfach nur schnell jemanden finden, der mir sagen konnte, wo ich war und am besten noch wie ich zurück in mein Kaff kommen konnte. Und natürlich wo es was zu essen gab. Am allerbesten noch wo es kostenloses Essen gab, denn wie ich bei einer kurzen Inspektion meiner Klamotte feststellte trug ich a) meinen Pyjama und b) kein Geld bei mir. Na super. Und so stiefelte ich im Schlafanzug dezent entnervt und immer panischer durch den Wald. Meine Laune sank mit jedem Schritt, den ich tat, mit jedem Baum, der sich neu in mein Sichtfeld schob und genauso aussah wie alle anderen davor, mit jedem Vogel, der fröhlich sein Lied zirpte und dabei in meinen Ohren genauso klang wie die neuntausend davor. Zum Glück hatten die Viecher das Copyrightprinzip noch nicht entdeckt. Was dann bei denen loswäre... Ich versuchte mich mit der Vorstellung eines Rechtsstreits über eine Balzmelodie zwischen zwei Vögeln aufzuheitern, aber nachdem ich mir über die Absurdität des Ganzen bewusst wurde, sank meine Laune auf den Tiefpunkt und ich fing an, verzweifelte SOS-Nachrichten ins Dickicht zu rufen und meine kalten Glieder mit Dehnübungen aufzulockern. Es konnten Minuten oder auch Stunden vergangen sein, ich achtete nicht darauf. Mein ungewollter Morgenspaziergang zog sich länger als die meisten Geschichtsstunden, und plötzlich kam in mir der Wunsch auf, jetzt an meinem Stammplatz in der Pausenhalle zu sitzen und mich mit meinen Freunden über belanglose Dinge zu unterhalten. Oder mir von mir aus auch in einer dieser dämlichen überflüssigen Sportstunden nen Ast abzuschwitzen bei dem Versuch, den Ball irgendwie anständig übers Netz zu bringen. Hauptsache nur weg von diesen dämlichen Bäumen und den dämlichen Vögeln und überhaupt dieser dämlichen Situation- So in Gedanken vertieft hatte ich fast die Person übersehen, die an einem der dämlichen Bäume in der Nähe stand und offensichtlich auf etwas oder jemanden wartete. Erleichterung überflutete mich und ich rannte beinahe schon auf sie zu. Doch als ich ihr immer näher kam, verlangsamten sich meine Schritte, die Erleichterung schlug in Verwunderung um und mein Ausruf der Freude blieb mir in der Kehle stecken. Die Person sieht aber mal sowas von ulkig aus. Wer trägt denn bitteschön heutzutage noch solche Westen? Und... NETZHEMDEN? Bitte? Ich blieb stehen. In meinem Kopf tauchten Bilder auf von Menschen, die dieser Person sehr, sehr ähnlich sahen. Von Menschen, die man normalerweise nur bei RTL2 im Vormittagsprogramm sieht. Moment... das is doch net etwa nen Cosplayer? Was macht denn so einer um die Uhrzeit mutterseelenallein im Wald? Japantag is vorbei man! Und auch nur 400 Kilometer weiter im Norden! Der hat ja nen mieseren Orientierungssinn als ich... Zufrieden mit meiner Schlussfolgerung pirschte ich mich wieder weiter an den bisher völlig ahnungslosen Karnevalsmenschen heran. Als ich noch etwa 10 Meter von ihm entfernt stand schien er mich endlich zu bemerken und wandte mir sein Gesicht zu. Um ihn nicht zu erschrecken bewegte ich mich nun langsamer und versuchte mein Erscheinungsbild durch eine nette Miene zu übertünchen - was angesichts der Reaktion der Person aber mal richtig in die Hose ging. "YAMETE!" schrie der Typ mich an und zückte einen Gegenstand aus seinem noch ulkigeren Beutelchen, das er sich um den Bauch geschnallt hatte, und den ich aufgund fehlender Daten mal als Messer einstufte. Scheiße, der meints ja richtig ernst mit seinem Cosplay, dachte ich verdutzt und blieb erstmal mit Sicherheitsabstand stehen. Dank einiger 5-Animestaffeln-in-einem-Monat-Durchsuchtaktionen hatte ich mir in letzter Zeit ein bisschen Spätzlejapanisch zugelegt, und verstand zumindest, dass der Kerl mir nicht Guten Tag wünschte. Der redet ja sogar japanisch... Man muss doch net gleich alles so ernst nehmen, oder? Kann doch wenigstens nen bisschen netter sein, ich steh hier als armes hilfloses Mädchen vor ihm, völlig durchgefroren und was macht der? Bedroht mich mit seinem Pappmascheemesser? Boah scheiße ich will doch einfach nur nach Hause... "Hey", begann ich zögerlich, "Ich will ihnen nichts tun, okay? Sie können das Ding da gerne wieder wegpacken...". Ich versuchte ihn zu beruhigen, war ich doch aber selbst überrascht über meine eigene Ruhe, bedrohte mich ja nur ein ziemlich strange dreinblickender Cosplayer mit einem Messer, nachdem ich ein zwei Stunden planlos IM PYJAMA durch einen Wald gelatscht bin... "NANDESHOUUUU?" brüllte mich der Typ weiter an. Caros Gehirn an Caro, der Typ versteht dich nicht. Caro an Caros Gehirn, ne echt? Ich hob zum Zeichen meiner guten Absichten meine Hände in die Luft, was wie sich herausstellte ein Fehler war. Er verschwand einfach, als wäre er nur eine Halluzination gewesen, wie ein Hologramm, bei dem man den Stecker rausgezogen hat. Ich starrte wie ein Auto auf die Stelle, an dem der Cosplayer bis eben definitiv noch gestanden haben musste. Plötzlich spürte ich einen unangenehmen Druck an meinem Hals und drehte mich auf der Suche nach dem Ursprung um. Ein weiterer Fehler. Der nun sehr alarmiert dreinblickende Typ von gerade eben stand direkt hinter mir und hielt mir das Ding an die Kehle, das, wie ich jetzt herausfand, nicht aus Pappmaschee bestand und einen Kunai darstelle. Durch meine Umdrehung ratschte ich an dem Messer vorbei und schnitt mir quasi selbst die Haut auf. Aua. Ich raffte garnichts mehr. Der stand doch grad vor mir? Hä? Wie kommt der so schnell hinter mich? Is das hier versteckte Kamera und die verarschen mich gerade wie diese Igel den Hasen in der Fabel da? Was is hier looooos? Was haben die mir in meine Schokomuffins getan? Der Kerl begann mir nun bedrohlich klingendes Zeug ins Ohr zu reden. Wenn ich ihm doch nur irgendwie mitteilen könnte, dass ich ihm nichts tun will, dachte ich verzweifelt. Der Schnitt an meinem Hals fing an fürchterlich zu ziehen und befleckte mein Oberteil mit Blut. Er zog ein einem Walkie-Talkie nicht ganz unähnliches Gerät aus seinem Beutelchen und sprach hinein. Langsam begriff ich, dass die Situation doch um einiges ernster war, als ich annahm. Ich fing an, mir Fluchtpläne auszudenken, der eine vermutlich hirnrissiger als der andere, doch bevor ich einen Entschluss fassen konnte, tauchten vor mir noch ein Dutzend weiterer Typen auf. Ach verdammt, schimpfte ich innerlich und verwarf meine Fluchtpläne schnell wieder. Wenigstens sind da auch Frauen mit dabei... Das sind aber beängstigend gute Cosplayer, das muss man ihnen lassen. Mit welchen Tricks kriegen die dieses urplötzliche Auf- und Abtauchen hin? Caros Gehirn an Caro, jetzt ist vielleicht nicht die Zeit um über solche Dinge nachzudenken. Ich will aber, protestierte ich wie ein Kleinkind, dem man sein Spielzeug weggenommen hatte, dann muss ich mich nich um die ernsten Dinge kümmern. Denn dann werde ich nur noch panischer und das bringt mir jetz wirklich nix. Während meines inneren Monologes berieten sich die Neuankömmlinge wohl mit dem Kerl, der mir immer noch das Messer an den blutenden Hals hielt, was sie mit mir machen sollten. Sie machten allerdings keinen aggressiven Eindruck, was mich ein wenig hoffnungsvoll stimmte. Vielleicht verstand ja einer von denen Deutsch? Caros Gehirn an Caro, du hältst einfach die Klappe. Bevor ich meiner vernünftigen Seite etwas entgegnen konnte, übernahm mein Magen das Kommando. Er röhrte nun genauso unpassend wie in den Abiturklausuren in den Tonlagen eines Wals oder eines sich paarenden Elches los und übertönte das Gespräch der Anwesenden, die mich nun verdutzt anstarrten. Ich war viel zu angespannt, als dass mir das hätte peinlich sein können, aber als ein paar der Leute anfingen, zu lachen, fiel ein Teil meiner Panik ab und etwas Farbe schlich sich auf meine Wangen. Der Kerl hinter mir ließ von mir ab und verstaute seinen Kunai wieder in seinem Beutel. Aus dem Augenwinkel sah ich eine kleinere Frau auf mich zukommen. Als ich mich ihr zuwandte, musste ich aber erst dreimal blinzeln, bevor ich verstand, was ich sah. Das sind ja ma echt verdammt gute Cosplayer... Die sieht haargenau aus wie dieser Dangofreak aus Naruto... Wie heißt die nochmal... Dango... Danko... Anko! Genau. Anko. Vielleicht sind sie mir ja wohlgesinnter wenn ich ihnen zeige, dass ich genauso ein Narutofan bin? Und so setzte ich zum Sprechen an, als der Anko-Doubel vor mir stand, doch ich stockte, als sie die Hand nach mir ausstreckte und mir eine Pille hinhielt. Moment. Sind wir jetzt in Matrix gelandet? Aber da gabs doch eine rote und eine grüne wenn ich mich nicht irre... Was soll ich damit? Will sie mich vergiften? Möchtegernanko interpretierte meinen verwirrten Blick offensichtlich richtig und deutete an, die Pille zu essen und rieb sich den Magen. Ach so. Das is so ne Nahrungspille die die in Naruto immer auf Missionen mitnehmen... Ich zweifelte zwar daran, dass mich diese Pille satt machen könnte, wollte aber nicht unhöflich sein und nahm das Angebot an. Sie schmeckte ziemlich bitter, aber ich versuchte keine Miene zu verziehen. Mein Hunger war wie weggezaubert. Krasser Scheiß... damit könnte man den Welthunger auslöschen..., dachte ich fasziniert. Ich erinnerte mich wieder an mein eigentliches Vorhaben und blickte den Ankocosplayer wieder an. "Arigatou gozaimasu, Anko" versuchte ich mich stockend zu bedanken. Sie blickte mich mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen an. Scheiße, irgendwas hab ich falsch gesagt... Ach fuck, die darf man bestimmt nicht mit Vornamen anlabern, das nehmen die Japaner ja so genau... Man wie heißt Anko mit Nachname? Ich hab schon Ewigkeiten kein Naruto mehr geschaut verdammter Mist! Um mich aus der Misere zu retten hängte ich einfach sämtliche Endungen an, die ich kannte. "Anko...-chan?" Sie blickte mich noch empörter an. "…-san?" Der Blick milderte sich etwas ab. "…-sama?" Nun schien sie zufrieden zu sein. Sie wandte sich an den Rest und befahl ihnen anscheinend etwas, denn sie nickten zustimmend und verschwanden wie auf Knopfdruck. Offenbar hatte ihnen mein Magenknurren gezeigt, dass ich keine größere Gefahr darstellte. Wenigstens war die peinliche Angewohnheit meines Magens, sich in den unpassendsten Momenten zu melden, zu etwas gut. Nun waren wir also nur noch zwei. Ich, zitternd, verwirrt, im schmutzigen Schlafanzug, und die Ankofrau, die mich mit einem abschätzenden Blick betrachtete. Ich verstand immer noch nicht ganz, was hier abging. Sie drückte mir einen Verband in die Hand und deutete mir, ihr zu folgen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)